Die grundlegenden Pfahlbau-Forschungen am Mondsee und Attersee

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Inhaltsverzeichnis

Die frühen Pfahlbauforschungen am Mondsee und Attersee

de-academic: → Für und Wider

Morlot-Vortrag über Pfahlbauten 1863

Die erste Anregung, in Seen nach Pfahlbauten zu suchen, ging vom Schweizer Gustav von Morlot aus. Morlot war 1846 „Geologischer Commissar“ des von Erzherzog Johann gegründeten „Gnostisch-Montanistischen Vereins“ für Oberösterreich; er wurde 1851 Professor für Geologie in Lausanne. Ab 1854 wandte er sich der Archäologie und Prähistorie, und insbesondere der Pfahlbauforschung, zu. Bei einem Besuch 1863 in der Geologischen Reichsanstalt hielt er einen viel beachteten Vortrag über Schweizer Pfahlbauten und führte (zu Pfahlbauten) aus: „Sie kommen fast in allen Seen der Schweiz vor … und müssen auch in den Ostalpenseen zu finden sein.“

Im Sommer 1864 forschte im Auftrag der k.k. Akademie der Wissenschaften der Wiener Geologe und Ichthyologe Kner in den Salzkammergutseen nach Pfahlbauten, hatte aber keinen Erfolg, obwohl er an den richtigen Stellen suchte - wie sich erst später herausstellte. Hochstetter forschte ebenfalls im Auftrag der k.k. AdW an den Seen von Kärnten und Krain und vermutete mehrere mögliche Fundstellen. Jene am Keutschachersee wurde in seinem Auftrag am 17. und 18.9.1864 von Hr. Ullepitsch untersucht.

In der Folge kam es zu Auseinandersetzungen in der k. k. AdW, was zur Abspaltung und Gründung der "Anthropologischen Gesellschaft" führte.

Erst 1871 begannen dann ernsthafte Pfahlbauforschungen durch Graf Gundaker v. Wurmbrand am Attersee, der bei Seewalchen und Nußdorf fündig wurde; er vermutete auch einen Pfahlbau beim Ausfluss des Mondsees, den Much im Folgejahr auch fand.

K.u.k. Akademie der Wissenschaften Wien (Kner, Hochstetter)

Ferdinand Hochstetter, 1857 Lithographie v. Adolf Dauthage

Hochstetter, Christian Gottlob Ferdinand Ritter v. (polyt. Inst., Wien): → Bericht über Nachforschungen nach Pfahlbauten in den Seen von Kärnthen und Krain. Sitzungsberichte der AdW, math.-naturwiss. Klasse, 1865, Band 51, S. 261–282.

  • Hochstetter, F.: → Ueber Pfahlbauten. (Vortrag 7.11.1864) Verein zur Verbreitung naturwiss. Kenntnisse (1866). S. 1-34.
    S. 7: „Auf Antrag des Präsidenten der kais. AdW, Freiherrn v. Baumgartner, liess die k. Akademie im verflossenen Sommer und Herbst die österreichischen Seen nach Pfahlbauten durchforschen, und wie zu erwarten stand, blieben diese Nachforschungen nicht erfolglos. Ein Theil dieser Aufgabe, die Untersuchung der Seen von Kärnten und Krain, war mir zugefallen. Ich war so glücklich, an vier Seen Kärntens, am Wörther-, Keutschacher-, Rauschelen- und Ossiacher-See Punkte nachzuweisen, wo theils Pfahlwerk, theils Gegenstände, die ausgebaggert wurden, wie Topfscherben, Haselnüsse, Kohlen und Knochen, auf alte Niederlassungen hindeuten.“
Rudolf Kner, Lithographie von Josef Kriehuber, 1852 sein → Leben und Werk

Kner Rudolf (Ichthyologe; AdW): → Bericht über die Untersuchung der Seen OÖs bzgl. etwa vorhandener Pfahlbauten (im Auftrag der kaiserlichen Akademie). Si.-Ber. der AdW math.-naturwiss. Klasse, 1865, Band 50, S. 332-346.

Kner (S. 337-344) prospektierte auf mögliche Pfahlbau-Stationen: Mattsee, Wallersee, Hallstätter-See und Wolfgangsee und sah keine Verdachtsstellen für mögliche Pfahlbaustationen.

Am Mondsee hat Kner aber höchstwahrscheinlich die Station Scharfling entdeckt: „Zwar erwiesen sich viele Pfähle als Eichen-Wurzelstümpfe. Nebst solchen Wurzeln zogen wir allerdings auch ein Paar mehr als ½ Fuß dicke und unten zugespitzte Pfahle aus, deren teigiges Holz zwar auf ziemlich hohes Alter schliessen liess, die aber zu seicht (nur ½ bis 1 Fuss tief) im Boden staken, um sie der Zeit der Pfahlbauten zuzumuthen.“

Andererseits führt er aus: „Eichen von solchem Durchmesser und mit so ausgedehnten Wurzelstöcken konnten nur in festem Boden wachsen, es musste daher an dieser Stelle einstens trockenes Land sein. … und der feste Grund, in welchem jene Eichen wurzelten, Seeboden geworden sein. Möglicher Weise könnte er eine kleine Insel gewesen sein, in diesem Falle bliebe aber dann keine andere Erklärung als eine erfolgte Senkung des Bodens anzunehmen (was er aber als unwahrscheinlich einschätzte).“

Am Attersee fielen ihm Stellen zwischen der Teufelsbrücke und dem Ort Attersee auf: Um die Teufelsbrücke die Station Abtsdorf und auch die Station Aufham. Weiters bezeichnet er Lietzelberg-Süd als mögliche Station. Um das Schloss Kammer sieht er keine Verdachtsstellen, ebenso wie am östlichen Atterseeufer.

Hofmann, Elise (Tochter von M. Much): → Pflanzenreste der Mondseer Pfahlbauten; Vorgelegt in der Si. am 3. Juli 1924. Si.-Ber. AdW math.-naturwiss. Klasse, Bd. 133, 1924:379–409.

  • Rudolf Much beschreibt zu Beginn die Ausbeutung des Pfahlbaus See am Mondsee durch seinen Vater Matthäus Much.
  • Material: Getreide, Brote, Obst, Schnüre und Gewebereste, Hölzer und Holzgeräte, Baumhölzer; Rinden, Stroh, Moose.

Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft Wien (Wurmbrand, Much)

Zur Einordnung der Anthropologischen Gesellschaft und "unserer" Forscher:

Matthäus Much-Porträt im Pfahlbaumuseum Mondsee
Gundakar von Wurmbrand Link: → seine Biographie
  • Ausschussräte seit Gründung der Anthropologischen Gesellschaft am 13.2.1870 in Wien sind neben neun anderen: Johann Graf Wilczek (bedeutender finanzieller Förderer der Pfahlbauforschung am Attersee) und Gundaker Graf Wurmbrand (Forscher, Liberaler; später Landeshauptmann von Steiermark)
  • ab 14. Februar 1871 wird auch Matthäus Much Ausschussmitglied
  • Bedeutsame Mitglieder der Anthropologischen Gesellschaft waren 1876 neben Hans Wilczek, G. Wurmbrand und F. Hochstetter (polyt. Institut) und M. Much: Charles Darwin, Ernst Haeckel, Theodor Billroth, Eugen Ransonnett, Friedrich Simony und Eduard Suess


Mittheilungen der antropologischen Gesellschaft, Wien, Band I, Wien 1871, erschienen am 15. September 1871.

  • 1. Sitzung der "Section für Urgeschichte" (S. 45): Am 27. Februar versammelten sich die Herren: Freih. v. Andrian, v. Hauer, v. Hochstetter, Kanitz, v. Mojsisovics, Freih. v. Sacken, Simony und Gf. Wurmbrand zur Constituirung der Section für Urgeschichte und erwählten Franz v. Hauer zum Obmanne.
    • Als Aufgaben der Section, welche theilweise noch in diesem Jahre zur Lösung gelangen sollen, wurden nach eingehender Debatte festgestellt: Die Erforschung von Seen und Mooren und zwar zunächst im Sinne der von J. Graf Wilczek für diesen Zweck gewidmeten Summe, jener von Oberösterreich. Ueber Aufforderung der Section erklärt sich Hr. Prof. Simony bereit, mit Benützung seiner reichen Studien über die Seen des Salzkammergutes die bezüglichen Vorarbeiten im Monat August zu beginnen. Zu seiner Unterstützung beschliesst die Section die Berufung eines Fischers aus der Schweiz, welcher sich bei der Untersuchung der dortigen Seen nach Pfahlbauten praktische Erfahrungen zu erwerben in der Lage war. Derselbe soll Anfangs September eintreffen, zu welcher Zeit mehrere Sectionsmitglieder in Oberösterreich anwesend, sich gleichfalls an den bezüglichen Arbeiten zur Erforschung des Atter-, Gmundner-, HalIstätter- , Matt-, Mond-, Trummer-, Waller- und Wolfgangsee´s zu betheiligen gedenken.
  • Simony 1871, Friedrich: → Die Pfahlwerke bei Kammer und Litzelberg im Attersee. — Mitth. d. anthropol. Ges. in Wien. 1871. S. 70–72. (Simony: ... sind keine Pfahlbauten.)
  • Wurmbrand, Gundaker Graf v. (unter Beteiligung von Simony, Wilczek, Andrian, Hauer u.a.): → Untersuchung der Pfahlbauten im Salzkammergut.; S. 145 - 156. Vor allem bei Seewalchen wurde viel gebaggert; aber auch bei Nußdorf (S. 149 unten) wurde bereits ein zweiter Pfahlbau bemerkt. ("So wäre denn ausser bei Seewalchen und unter Nussdorf am Attersee vorläufig kein Pfahlbau von mir gefunden worden.") Am Hallstättersee, Wolfgangsee und Traunsee wurde nichts gefunden. Wurmbrand vermutet einen Pfahlbau beim Ausfluss des Mondsees: "Eine Stelle dürfte sich südlich vor dem Ausfluss der Ache befinden". [Anm.: Diesem Hinweis Wurmbrands ist Much gleich im nächsten Frühjahr (aber ohne Wurmbrand) nachgegangen und wurde fündig.]
    • Auffindung des ersten Pfahlbaus am Attersee am 25. August 1870 bei Seewalchen.
      [Anm.: Wurmbrand und Wilczek trafen – von Hallstatt kommend – am 25. August am Attersee ein, wo sie zunächst Pfähle beim Schloss Kammer besichtigten. Laut Archiv-Studium im Schloss waren diese erst 200 Jahre zuvor eingeschlagen worden. Darauf verlagerte Wurmbrand seine Tätigkeit auf die Seewalchener Seite beim Seeausfluss, wo er rasch fündig wurde. Das tatsächliche Datum des Auffindens dürfte also wohl der 26. August gewesen sein.]

Mittheilungen der → anthropologischen Gesellschaft, Wien, Band II, Wien 1872.

  • Wurmbrand, Gundaker Graf von: Schreiben an Sectionsrath Ritter von Hauer, über die in den oö Seen fortgesetzten Pfahlbauuntersuchungen. S. 1-7. (Überblick zu den neu entdeckten Stationen am Attersee: Ende Juli/Anfang August Auffinden der Stationen bei Aufham (eine Erhöhung des Seebodens, mit Binsen bewachsen, verriet mir die Stelle) und direkt vor Weyeregg; später wurden am Attersee noch entdeckt: Attersee nahe der Landungsbrücke, Puschacher nördlich von Weyeregg und Kammer nahe dem Ufer).
  • Much, M.: Erster Bericht über die Auffindung eines Pfahlbaues im Mondsee. S. 203-206. (Anm.: „Er hat es als Erster gewusst…“: arg.: „voraussetzen ließen“). Anm.: Fußnote zum Text: „Die zugehörigen Abbildungen wurden im Archiv der Gesellschaft deponiert.“
  • Wurmbrand, Gundaker Graf von: Ergebnisse der Pfahlbau-Untersuchungen II. S. 249-273. (Überblick zu den Stationen Seewalchen, Aufham, Weyeregg, Puschacher, Attersee, Kammer, Gmunden und Keutschach; 6 Tafeln mit Abbildungen, Tabelle der Funde)
  • Much, M.: Erklärung einiger Gegenstände aus dem Pfahlbaue im Mondsee. S. 322-324. (mit zwei Tafeln von Mondseer Krügen, Steinbeilen)

Mittheilungen der → antropologischen Gesellschaft, Wien, Band III, Wien 1873.

  • Wurmbrand: Kleiner Bericht zu Weyeregg und Puschacher (S. 103 f.)

Mittheilungen der → antropologischen Gesellschaft, Wien, Band IV, Wien 1874.

  • Much, M.: Über die Resultate der Wiener Weltausstellung 1873 in Wien in urgeschichtlicher Beziehung. S. 1-30.
  • Wurmbrand, G. Graf v.: Fund-Notiz. Pfahlbauten im Neusiedlersee. S. 291-292. (im ausgetrockneten Neusiedlersee; es wurden keine Pfähle gefunden)
  • Much, M.: Zweiter Bericht über Pfahlbauforschungen in den oberösterreichischen Seen. S. 293-308. (Station Scharfling; Much beschreibt S. 295 f. die enorme Kraft des Eisdrucks auf senkreche Pfähle von Pfahlbauten; romantisierendes Einrammen von Pfählen mit Schlägeln; erfolglose Untersuchungen am Fuschlsee und Wolfgangsee; S. 300: künstliche Stein-„Hügeli“; S. 301 Andeutung eines „Bergsturzes“; weitere Aufsammlungen in See; Beschreibung von Funden; viele Vermutungen)

Mittheilungen der → antropologischen Gesellschaft, Wien, Band V, Wien 1875.

Experiment Steinbeilbohrung
  • Much, M.: widmet sich bereits Germanen-Forschungen: "Germanische Wohnsitze und Baudenkmäler in NÖ": S. 37–116
  • Wurmbrand, Gudakar Graf v.: Ergebnisse der Pfahlbau-Untersuchungen III. S. 117-138; 4 Tafeln. Ganz ausgezeichneter Bericht! (Weyeregg mit besonders reichem Fundmaterial; Funde von Puschacher sind in Villa Aegidi in Weißenbach; sehr moderne Überlegungen zu den Pfahlbauern und auch zu deren Bronze; Beschreibung von Fundstücken und Experimente zu deren Herstellung; wenig (eingeführte?) Bronzen am Attersee; Bronze-Schmelzen und -Gußformen; Schwein, Rind, Schaf, Ziege, Hund; Tabelle der Knochenreste)
  • S. 121 f. Erstes Pfahlbau-Experiment durchgeführt von Graf Wurmbrand: Bohren eines Loches in Steinbeil mittels Bohrvorrichtung aus Geweihstangen wird in diesem Artikel von Graf Wurmbrand ausführlich beschrieben.
  • Frass, Prof. Dr. Oskar: Bestimmung der in den Pfahlbauten Oberösterreichs gefundenen Knochenreste; S. 136-138. (in den Stationen Weyeregg, Puschacher, Seewalchen, Attersee; auch 1 menschliche Hinterhauptschuppe in Weyeregg; wenig Jagdwild).

Seine Auswertung der Tierknochen zeigt folgendes Ergebnis: Weyeregg: 50 Wild- und Hausschweine, 20 Rinder, 40 Schafe (Ziegen), 5 Hunde, 2 Bären, 1 Gabelhirsch, 16 Rothirsche, 4 Füchse und 1 Wiesel. Puschacher: Schwein, Rind und Ziege. Seewalchen: 3 Schweine, 3 Rinder, 3 Ziegen und 1 Hirsch. Attersee: Rind, Ziege und Rothirsch.

Much Gefäßformen

Mittheilungen der → antropologischen Gesellschaft, Wien, Band VI, Wien 1876.

  • Much, M.: Dritter Bericht über die Pfahlbauforschungen im Mondsee (in den Jahren 1875-1876) S. 161- 194, mit 1 Abbildung, 4 Tafeln mit „Mondseer“ Keramik, 1 Tabelle. ( ... in Scharfling wieder kein Erfolg – obwohl ein Pfahlbau da sein müsse; wieder Funde bei See; ausführliche Besprechung; Bronze fehlt bisher; Töpfe usw., Tierfiguren; Schmuckgegenstände; Getreidekörner; Apfelspalten; Brandspuren; Wohnstätten über dem See). Insgesamt zeichnet er ein Bild seiner Vorstellungen zum Leben der Pfahlbauern.

Mittheilungen der antropologischen Gesellschaft, Wien, Band VII, Wien 1877.

  • Wurmbrand, G. Graf v.: Aufklärungen. Entgegnung (Anm.: zu Much) in Betreff der Bohrungen von Steingeräthen und in Betreff thönener Lampen und Löffel. S. 96-104.
  • Wurmbrand, G.: Über die achte Jahresversammlung der deutschen anthropologischen Gesellschaft in Konstanz. S. 265–281.
    • S. 268 f.: „Wir sehen uns die sehr reichen Sammlungen aus den Pfahlbau-Stationen Wangen, Lützelstetten, Unteruhldingen und Konstanz näher an. Alle diese Stationen zeigen im großen Ganzen dieselben Kulturverhältnisse wie Attersee, Weyeregg und Mondsee bei uns.
      Überall eine große Anzahl von geschliffenen Serpentin- und Diorit - Beilen, gebohrte Hämmer (deren Steinkerne noch vorhanden sind), bearbeitete Knochen- und Hirschhorngeräte, Feuersteingeräte und ornamentierte Tongefäße aus ungeschlemmter Masse.
      Es war zum ersten Mal, dass ich reiche Sammlungen von Bodenseepfahlbauten vor mir sah; die Ähnlichkeit derselben im großen Ganzen mit denen, welche ich aus Österreich kenne und denen, die ich später in Zürich sah, ist wirklich überraschend. Wenn wir von einiger Verschiedenheit gewisser Topfformen und von gewissen Werkzeugen absehen, die dort häufiger und hier seltener vorkommen, so geben alle diese Pfahlbauten ein so gleichartiges Kulturbild, dass die Annahme ein und desselben nationalen Ursprunges der Pfahlbauten wohl gerechtfertigt sein dürfte.“

Mittheilungen der antropologischen Gesellschaft, Wien, Band VIII, Wien 1878.

  • Much, M.: Über den Ackerbau der Germanen. S. 203 f. und: Über die Kosmogonie und Anthropogenie des germanischen Mythos. S. 324 f.
  • Weninger, Funde aus dem Pfahlbau im Mondsee. Mitth. d. Anthrop. Ges. in Wien. Sitzungsber. 1916/1917, S. 45/46. (Anm.: ist eine Aufzählung ohne Sachbezug.)


Much 1885, Matthäus: → Die Pfahlbauten und die Heimat der Indogermanen. (Vortrag 28.1.1885) Zs. d. Vereins zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse (1885). S. 249-298.
Much beschreibt hier auf den Seiten 267-278 ausführlich den Pfahlbau in See am Mondsee mit all seinen Funden aus Stein, Ton, Stoffen, Nahrungsmitteln, Haustieren und Jagdtieren. Auf den Seiten ab 278 geht er auf die Indogermanen und deren "Urheimat" ein und vermeint, dass diese die Errichter der Pfahlbauten gewesen seien.

Much 1902, Matthäus postulierte in : → Die Heimat der Indogermanen im Lichte der urgeschichtlichen Forschung. Verlag: Hermann Costenoble; Jena und Berlin, 1902; im Kapitel „Die Rasse“ (S. 245): eine Art Urbevölkerung der Indogermanen in Nordeuropa: “Durch die bisher beigebrachten archäologischen Thatsachen glaube ich nachgewiesen zu haben, dass in den Grundlagen der Kultur und im Wesen der steinzeitlichen Bewohner Mittel- und Nordeuropas und in sonstigen Erscheinungen, die als Merkmale dienen, nichts zu finden ist, was ein fremdartiges, etwa der asiatischen Kultur verwandtes Gepräge zu geben vermöchte, weshalb auch die Träger dieser Kultur und dieser Merkmale nicht von fremder, aussereuropäischer Herkunft sein können.”


viele Knieholz-Schäftungen für Beile aus See/M.
Mondseekupfer-Beile
Kupferbeile, Dolche
Spiralen, Angelhaken

Much 1893, Matthäus († 17. Dezember 1909): → Die Kupferzeit in Europa und ihr Verhältnis zur Kultur der Indogermanen, Jena 1893, 376 Seiten.

Much hat aus dem Mondsee in 10 Grabungssommern geborgen (S. 9–14):

528 Steinbeile, 51 Steinhämmer, 529 Feuerstein-Pfeilspitzen, 438 Schaber, 192 prismatische, zum Teile weiter bearbeitete Messer, 26 Bohrer, 78 gezähnte Sägen, 54 sonstwie angearbeitete Feuersteine, 86 Krummmesser, sämtlich aus Feuerstein, 350 Klopfsteine, 19 Glättsteine, 2 Ambosse, 2 Schlägel, etwa 60 Mühlsteinplatten zum Teil mit den Läufern, mehr als 200 Schleifsteine, zusammen 2595 Werkzeuge und Waffen aller Art aus Stein, wozu sich noch beiläufig 160 Nuklei (Feuersteinknollen) und 2000 bis 3000 Splitter aus Feuerstein und mehrere hundert Kochsteine gesellen.
An Knochengeräten wurden gewonnen: 23 Keulenknäufe aus Hirschhorn, 65 bearbeitete Hirschhornstücke, 2 Beilfassungen aus Hirschhorn, 220 Knochenpfriemen, 21 Knochennadeln, 8 Rippenstücke von Flachshecheln, z. T. zweizinkig, 18 doppelzinkige Pfriemen, 45 Waffen und Werkzeuge aus dem Fersenbein u. s. f., 16 geschärfte Messer aus Schweinshauern, 1 Pfeilspitze aus Knochen, 354 Spateln, 100 angearbeitete Knochenstücke, zusammen 870 Gegenstände aus Horn und Knochen. An Schmucksachen fanden sich 398 Perlen, 20 Zierscheiben – oder Knöpfe – und 5 Anhängsel aus Stein, 1 Perle aus Thon, 1 Anhängsel aus einer Vogelkralle, 24 polierte und 272 durchbohrte Zähne, zusammen 697 Schmuckstücke aus Bein und Stein.
Zu diesen 4162 Werkzeugen, Waffen und Schmucksachen kommen 118 ganze Gefäße, 1380 Scherben, soweit sie für Technik, Form, Ornament, Nebenteile und sonstige Eigenschaften von Bedeutung sind, ungerechnet die übrigen tausende, 18 Spinnwirtel, 22 Webstuhlgewichte, 70 desgleichen in Bruchstücken, 3 Löffel nebst Bruchstücken von solchen, 16 Tonfiguren nebst Bruchstücken von solchen, 5 ganze Schmelztiegel und mehr als 25 andere in 140 Bruchstücken, zusammen 1661 Gegenstände aus Ton, dann Holzgegenstände, Schnüre und Geflechte aus Bast, Getreide (Weizen und Gerste) ausgedroschen und in Ähren, Brot, Haselnüsse (ganze und gebrochenen Schalen), Äpfel in Spalten, Samen, Topfscherben mit Speiseresten, Holzschwämme, Tannenzapfen, verkohltes Stroh, Heu, Moos, Tannennadeln, Wandbewurf, Graphit, Rötel, Glimmer, Pechkohle, Kalkspat, Eisenkies, andere Mineralien und Versteinerungen, Tierknochen, zerschlagene, mit Hiebspuren, gebrannt, von Hunden benagt und in der Mehrheit von Haustieren herrührend.
Neben diesem reichen und mannigfaltigen Bestande an Stein- und Knochengerät fanden sich auch 29 Gegenstände auf Kupfer (Fig. 1–23: S. 12–14), und zwar 14 Beile und Bruchstücke von Beilen, 6 Dolche, 3 kleine Spiralscheiben aus gehämmertem Draht, 4 Pfriemen, ein Fischhaken und ein formloses, offenbar beim Schmelzen abgetropftes Stück, endlich jene zwei Gegenstände aus Bronze, und zwar der obere Teil eines Dolches mit den Nietlöchern für den Griff und eine Nadel ohne Kopf. Alle diese Metallsachen lagen mitten in der Kulturschicht zwischen Moder und Mulm und den übrigen Fundsachen zerstreut.
Außer diesen Gegenständen aus Metall fanden sich zahlreiche Gusslöffel und Gussschalen (Schmelztiegel) aus Ton mit anhaftenden Kupferteilchen, Schlackenstückchen und mit Überzug von Schwefelkupfer, sowie mit den deutlichsten Spuren, dass sie einer großen Hitze ausgesetzt gewesen und zum Gießen von Kupfersachen gedient haben. Es unterliegt also keinem Zweifel, dass in den Pfahlbausiedlungen im Mondsee Werkzeuge und Schmucksachen aus Kupfer neben Steingeräten im Gebrauche gewesen und an Ort und Stelle erzeugt worden sind.
Den Funden im Mondsee stellen sich jene in den Pfahlbauten des nahen Attersees als vollkommen gleichartig zur Seite. Die Baggerungen haben ergeben, dass auch hier die menschliche Tätigkeit auf einem Bestande an Werkzeugen aus Stein und Knochen beruhte, die sowohl in Bezug auf die Form als auch auf das Material genau denen aus dem Mondsee entsprechen. Nebstbei aber erschienen so wie dort auch hier Gegenstände aus Metall (einige aus Bronze, andere aus Kupfer). Durch die völlige Gleichartigkeit der Tongefäße werden sie in dieselbe Zeitperiode gestellt. Es ist noch zu bemerken, dass sich auch hier die bei den Funden im Mondsee erwähnten Schmelztiegel vorfanden.



K.u.k. Prähistorischer Atlas 1889: Die Funde vom Attersee und Mondsee

Quelle: → Prähistorischer Atlas, K. K. Central-Commission Leitung J. A. Helfert (Hrsg.), Redaktion: Much Matthäus; Wien 1889.

Abbildungen von Fundgegenständen (für volle Vergrößerung 2 x auf das geöffnete Bild klicken):

Attersee (67 Abb.): Tafel XII, Fig. 1-26; Taf. XIII, Fig. 1-8, 14, 15, 17-24; Taf. XIV, Fig. 1-8; Taf. XV, Fig. 14, 17, 21, 22, 24-27; Taf. XVI, Fig. 1-6; Taf. XVII. Fig. 24; Taf. XVIII, Fig. 11.

Mondsee (43 Abb.): Tafel XIII. Fig. 9-13; 16; Taf. XV, Fig. 1-13, 16, 18-20; Taf. XVI, Fig. 7-14; Taf. XVII, Fig. 1-23.

Robert Munro (1890) und Johannes Hoops (1915–16)

Munro 1890, Robert: → The Lake dwellings of Europe. Scottish Society of Antiquaries; London, Paris & Melbourne, 1890; 664 p. (Mondsee und Attersee pp. 156–163)

Mit dem folgenden Link wird eine → kompakte Darstellung von Robert Munro über die Funde von Mondsee (Station See), Attersee (Stationen Seewalchen und Weyregg) und des Neusiedlersees (Funde im ausgetrockneten See) gebracht.

Henkelbecher aus Pfahlbau des Mondsees

Hoops 1915-16, Johannes: → Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Dritter Band, K – Ro. Verlag Trübner; Straßburg 1915–16.

S. 29: Die Keramik der Pfahlbauten lässt sich in eine östliche und eine westliche Gruppe trennen, ohne dass diese in einem Zusammenhange miteinander stehen.

  • Die westliche aus den Schweizer Pfahlbauten ist älter. Ihre Technik ist roh. Die Formen einfach: Henkelkrüge, Tulpenbecher, tiefe Schalen und Näpfe, glockenförmige Misch- und Vorratsgefäße, enghalsige Töpfe mit Spitzboden, wannenförmige Gefäße und Schöpfkellen. Die Verzierungen sind primitiv: Leisten mit Tupfen, Fingerspitzeneindrücke, Zickzacklinien. Eine Sondergruppe mit reicherer, weiß inkrustierter Ornamentik ist am Bodensee in Württemberg lokalisiert (Schussenrieder Typus).
  • Die östliche Gruppe, genannt nach den Funden im Atter- und Mondsee, gehört in die Stein-Kupferzeit und ist in Formen und Verzierungen reicher. Sie schließt sich an Erscheinungen an, die man südöstlich bis in die Balkanländer … verfolgen kann. (Abb. 5.)

Franz, Leonhard und Weninger, Josef (1927)

Franz 1927, Leonhard und Weninger, Josef: → Die Funde aus den prähistorischen Pfahlbauten im Mondsee. Materialien zur Urgeschichte Österreichs, hrsg. von Anthrop. Ges. und Prähistor. Ges., 3. Heft. Mit 10 Abb. im Text und 376 Abb. auf XLII Tafeln.

Mit dem folgenden Link wird ein Kompendium der wesentlichen Inhalte von: → Die Funde aus den prähistorischen Pfahlbauten im Mondsee gebracht. (Die Tafel-Abbildungen werden mit 29.3.2029 verfügbar gemacht.)

Der Hintergrund der Autoren

Wikipedia → Leonhard Franz (1926 habilitiert für Urgeschichte an Univ. Wien; 1942–1967 Prof. f. Urgeschichte Univ. Innsbruck)

Österr. AdW → Josef Weninger (Archäologe und Völkerkundler; Staatsdenkmalamt 1918–1927; 1926 habilitiert für physische Anthropologie an Univ. Wien; Rassen- und erbbiologische Forschungen; war bis 1957 Prof. d. Anthropologischen Instituts d. Univ. Wien)

Familie Much: Matthäus Much sowie dessen Kinder Rudolf Much und Elise Hofmann.


Spin "nordischer Ideologie" und erste, intendierte Abgrenzung zur Schweiz

Es lag wohl im Interesse der Familie Much und der beiden Autoren den Eindruck zu erwecken , dass "das Bild, das wir von unserer heimatlichen Pfahlbaukultur uns machen können, wesentlich auf der Durchforschung des Pfahlbaues von See am Mondsee“ beruhte.

Die verzierte Keramik stammt aus östlichen und südöstlichen Gegenden, die unverzierte Keramik ist ausgesprochen nordisch und hat ihre „schlagendsten Parallelen zu den Mondseefunden ergeben, nicht nur an Keramik, auch an Steingeräten verschiedenster Art und an Kupfersachen.“

"Wir möchten also für Oberösterreich zwei Einwanderungsetappen annehmen, die zeitlich gewiß nicht weit auseinanderlagen.

  • Die erste brachte eine nordisch beeinflusste bandkeramische Kultur (oder, wenn man so will, eine bandkeramisch beeinflußte nordische Kultur) von irgendwo aus dem Nordosten. Vielleicht ist schon mit dieser Welle die Kenntnis der Kupferverarbeitung gewandert, denn in Jordansmühl finden sich kupferne Schmuckspiralen, freilich nicht einfache wie im Mondsee, sondern doppelte.
  • Die zweite Welle drang vielleicht aus Südostbayern ein. Durchaus nicht ausgeschlossen scheint mir schließlich, daß auch unmittelbare Beziehungen zum Laibacher Moor bestanden haben, über die Tauern hinweg. Vielleicht finden sich doch noch einmal Pfahlbauten in den Kärntner Seen und entpuppen sich als Zwischenglieder zum Laibacher Moor.

Mit den Pfahlbauten der Schweiz haben die Oberösterreichs nur so viel gemeinsam, als nordisches Gut in beiden Gruppen vorhanden; auch die Schweiz hat nordische Keramik, steinerne Sägen, Knaufhämmer. Wie in Oberösterreich die Bandkeramik, so spielt in der Schweiz der westeuropäische Kulturkreis neben dem nordischen eine Rolle. Wenn Reinerth für Süddeutschland und die Schweiz die „westlichen“ Rundbeile von den „nordischen“ Rechteckbeilen scheidet, so trifft diese Scheidung in ihrem typologischen Sinne auch für unser Gebiet zu, allein man braucht für die Rundbeile durchaus nicht westische Herkunft anzunehmen, da das Rundbeil mit spitzem Nacken schon in der Lengyel-Kultur bodenständig ist. Ein starker Unterschied macht sich in der Beilschäftung bemerkbar: im Mondsee ist die für die Schweizer Pfahlbauten so typische Schäftung mit Zwischenfutter nur schwach vertreten."


Bemerkungen von Franz und Weninger zu den Funden

5. Geräte aus Hirschgeweih (S. 81–83)

  • Zitat S. 81: „Wie schon auf S. 19 hervorgehoben, sind die für die Schweizer Pfahlbauten so typischen Zwischenschäftungen für Steinbeile im Mondsee selten.
    [S. 18/19: „Ein starker Unterschied macht sich in der Beilschäftung bemerkbar: im Mondsee ist die für die Schweizer Pfahlbauten so typische Schäftung mit Zwischenfutter nur schwach vertreten.“]
Einzige abgebildete Beilschäftung aus dem Mondsee (Taf.XXXVI, 1)

7. Holzgeräte (S. 84) (Taf. XXXVI)

  • "… und einige Stiele für Kupferbeile, nämlich Kniehölzer, die an einem Ende gespalten sind."
    Überraschenderweise wird von überhaupt keinem der Kniehölzer eine Abbildung im Text erwähnt.
  • Pittioni 1968, R.: Zu den Beilschäftungen aus Mondsee. (ArchA 44, 1968:84–88) macht darauf aufmerksam, dass es von den 40 inventarisierten Hölzern doch eine einzige Abbildung auf Tafel XXXVI, 1 gibt (vgl. die nebenstehende Abb.)
  • Das ist umso bedauerlicher, als von den 40 (!) inventarisierten Beilschäftungen nach den Kriegseinwirkungen nur mehr vier Stück erhalten geblieben sind (Inventarnummern 6314, 6394, 6397, 6403; vgl. die verbliebenen, nachfolgend abgebildeten Beilschäftungsreste).

8. Gewebereste (S. 85)

  • „Es liegen über 40 zum Teil angekohlte Proben von einfach gedrehten Schnüren verschiedener Dicke und von einfachen, ziemlich weitmaschigen Matten und dergleichen vor. Über das Material vergleiche man die Ausführungen S. 90."

Exzerpt: Elise Hofmann: Die pflanzlichen Reste aus der Station See.

  • S. 90 f.: „Die Funde von Schnüren, Geflechten und Gewebsresten verschiedener Art sind geeignet, uns über das Rohmaterial der Mondseer Textilien zu belehren. Nach den Schweizer Pfahlbaufunden würde man auch hier geneigt sein, auf rein makroskopische Betrachtung hin, Lein als hier verwendete Textilfaser anzusehen. Bei mikroskopischer Untersuchung der Mondseer Gewebsreste erfährt man aber, daß sich in diesem von Lein keine Spur vorfindet, sondern daß es sich hier um ein ganz anderes Rohmaterial, nämlich Lindenbast handelt. Es ist das Material aller Textilfunde aus dem Mondsee Lindenbast. Es findet sich in diesen Funden niemals Lein, von dem aber auch keine Kapseln und keine verkohlten Stengel in der ganzen Muchschen Aufsammlung vorkommen, eine Erscheinung, die deshalb merkwürdig ist, weil man in den Schweizer Pfahlbauten als Textilfaser nur den Lein kennt und von diesem auch reichlich Stengel und Kapseln fand.
  • Es ist diese Tatsache vielleicht mit ein Beweis für die Annahme, daß der Lein (= Flachs) aus dem Süden Europas über Frankreich und die Schweiz in die östlichen Alpenländer vordrang und daher im Mondseer Pfahlbau, am Ausgange des Neolithikums, noch nicht bekannt war.
  • Die Bekleidung der Mondseer dürfte demnach wohl zumeist aus Fellen und Wollgeweben bestanden haben.“

Argumente gegen den "Spin gegen Schweizer, für nordische Herkunft“

Offenbar soll im Sinne einer „nordischen Ideologie“ eine Herkunft der Mondseer Pfahlbauern von nordischen Vorfahren nachgewiesen werden, was sogar in der Formulierung einer „bandkeramisch beeinflussten nordischen Kultur kulminiert.

Die Abgrenzung von den Schweizer Pfahlbauern dient zur Generierung einer „heimatlichen Pfahlbaukultur“; also nicht einer vom Westen abhängigen.

Diese Abgrenzung gegen die Schweizer Pfahlbauern wird mit seltenen/schwach vertretenen Beilschäftungen (mit Hirschgeweih als Zwischenfutter) (Franz & Weninger) im Mondsee und den völlig anderen Textilien (Hofmann) begründet.

  • Obwohl es Beilschäftungen mit Hirschgeweih als Zwischenfutter gibt (häufig laut Pittioni) wird weder im Text noch auf den Tafeln eine solche angeführt.
  • Tatsächlich gibt es aber über 40 Beilschäftungen im Mondsee (vgl. Inventar-Nummern der Holzbeilschäftungen; auch Pittioni)
  • Gerade diese 40 gefundenen Beilschäftungen zeigen die enge Verbindung mit den Schweizer Pfahlbauten auf.

  • Es ist völlig unrichtig, dass man „in den Schweizer Pfahlbauten als Textilfaser nur den Lein kennt und von diesem auch reichlich Stengel und Kapseln fand.“
    • Lein taucht in der Schweiz erst um ca. 3.500 v. Chr. auf. Die Textilien wurden bis dahin ebenfalls aus Bast hergestellt.
    • Die ersten Textilfragmente am Bielersee der Schweiz findet man um 3.400 v. Chr.
  • Das Wollhaar-Schaf ist nur etwa 5.000 Jahre alt und stand den Mondseern für Wollgewebe also nicht zur Verfügung.

Veronika Holzer schreibt in → Textilfunde aus der Seeufersiedlung See am Mondsee auf Seite 26 f.: In der Station See/M. wurden nur Geflechte gefunden. Es gab keinen Lein (= Flachs) zur Herstellung von Textilien. Der häufigste Geflechttyp ist die einfache Schnur aus zwei oder drei Fäden. Maschenstoffe konnten vereinzelt als Netzreste festgestellt werden. Webgewichte sind in See/M. eher selten. Von den 150 untersuchten Proben waren die meisten aus Bast der Linde; 11 konnten als sicher und 8 vielleicht als von Eiche identifiziert werden; 1 Probe stammt wahrscheinlich von Esche.

Kurt Willvonseder (Pfahlbauten am Attersee 1963–1968)

Willvonseder 1933, Kurt: Oberösterreich in der Urzeit. Deutsches Vaterland - Österreichs Zs. für Heimat und Volk. Wien 1933; 111 Seiten, 100 Abb. mit 303 Figuren und 4 Karten. (OÖs Urzeit bis zu römischer Okkupation; Pfahlbaufunde von Seewalchen und See/Mondsee); → Rezension durch Paul Reinecke

Willvonseder will mit diesem Buch ein Mittelding zwischen einer wissenschaftlichen Monographie und einer volkstümlichen Darstellung finden. Dazu entwickelt er den Text anhand der 100 Abbildungen. Dazu hat er umfangreiches Bildmaterial gesammelt und er hofft daher, „dass diese Arbeit als B i l d e r b u c h auch für den Fachmann einigen Wert hat.“ Tatsächlich behandelt er die Pfahlbauten auf den Seiten 14 bis 28 anhand der 19 recht illustrierenden Fotos und Abbildungen der Pfahlbauten und Funde aus See/Mondsee (10) und Seewalchen (9).

Willvonseder (S. 28–31): „Die Pfahlbaukultur war nicht nur an den Ufern der Salzkammergutseen heimisch; ihre Verbreitung erstreckte sich über das gesamte alpine Vorland.“ Er zählt dazu: Rainberg bei Salzburg, Götschenberg bei Bischofshofen, Langensteinerwand bei Losenstein, Parthenbacheralm, Prücklergut bei Laussa, Humsenbauernkogel bei Michldorf, Mühlbachgraben, Hartheim bei Kranzing, Rudling bei Eferding, Ransbach bei Ried und im Mühlviertel: Mauthausen, Engerwitzdorf und Gramastetten am Limberg.


Willvonseder 1937, Kurt: Die mittlere Bronzezeit in Österreich, Verl. Schroll, Wien 1937, 482 Seiten. (ist glg. Habilitationsschrift an Univ. Wien)

Willvonseder berichtet über seine vielfältigen Museumsbesuche im In- und Ausland. In seiner „Formenkunde“ bringt er auf S. 111 als einziges "Pfahlbauten"-Kupferobjekt eine „Nadel mit gewelltem Schaft“ aus Seewalchen (mit grafischer Abb.; aus Sammlung weiland M. Schmidt, Budapest - das er besucht hatte).

Willvonseder 1955, Kurt: → Das Mondseeland in urgeschichtlicher Zeit. OÖ Heimatblätter 1955, S. 97–112. (Historie der Pfahlbauforschung – vor allem des Mondseelandes; Ankündigung seiner Monographie der Atterseefunde. S. 103: "… Mondseekultur, die der Altheimer Kultur nahesteht.")

Willvonseder 1966, Kurt: → Eine bronzezeitliche Moorsiedlung in Gerlham bei Seewalchen. JBOÖMV Bd. 111, 1966:154–160.

Willvonseder 1963–1968, Kurt: → "Die jungsteinzeitlichen und bronzezeitlichen Pfahlbauten des Attersees in OÖ", Mitt. Prähistor. Komm., 1963–1968, XI. u. XII. Bd.; (Graz 1963, Wien 1968), 453 S., 34 Tafeln, 5 Abb.

Willvonseder ordnet in dieser Arbeit neben den Siedlungen an Mond- und Attersee alles je Genannte zum „Verbreitungsgebiet der Mondseegruppe“ (S. 337– 357):

  • Einzugsgebiet der unteren Enns (Sonnbichl, Waller- und Rebensteinmauer, Langensteinerwand, Prücklermauer);
  • Unteres Mühlviertel (Gallneukirchner Becken: beim "Dornerbauern in Edtsdorf");
  • Die Paura an der Traun (im "Gefolge von [Pg.] Beninger");
  • Salzburger Becken (Salzburg-Mülln, Rainberg in Salzburg, Salzburg-Liefering, Muntigl, Hellbrunner Berg, Grillberg bei Elsbethen, Georgenberg bei Kuchl, Auhögl bei Ainring);
  • Salzburger Vorland (Schlossberg in Mattsee, Tannberg bei Köstendorf);
  • Fundplätze im Pongau (Götschenberg, Sinnhubschlössl, Überschau)

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Kurt Willvonseder in der → Wikipedia.

Obermair 2015, Robert: → Das NS-Engagement Kurt Willvonseders und die schwierige Frage nach der Entnazifizierung der Wissenschaft. Archaeologica Austriaca, Bd. 99; Österr. AdW, Wien; 2015:155–175.

Danner 2020, Peter: → Kurt Willvonseder (1903-1968). Ein Prähistoriker mit vielen Aufgaben zwischen 1938 und 1945. In: Daniel Modl & Karl Peitler (Hrsg.), Archäologie in Österreich 1938-1945. S. 266 – 303 (741 Fußnoten, sehr viel Literatur).


Alexandra Morgan´s „Die Silexpfeilspitzen vom Mondsee“ 1983

Morgan 1983, Alexandra (London): Die Mondsee-Gruppe (Kap. 4.3; S. 61–73) ihrer Dissertation: "Die Silexpfeilspitzen vom Mondsee, OÖ, im Rahmen des Jung- und Spätneolithikums Zentraleuropas". Archäologia Austriaca, Band 67, Verlag Deuticke, Wien 1983:1–97 (mit 14 Tafeln von Mondseer Pfeilspitzen).
[Anm.: Diss. bei Richard Pittioni, Vorst. d. Inst. f. Ur- und Frühgeschichte Wien, der damit – 2 Jahre nach Ruttkays Mondseer Typologie 1981 – erneut in Richtung Schweiz weist.]

Mit diesem Link wird (für archäologisch Interessierte) ein → kompaktes Exzerpt von Morgans Dissertation zum Ursprung der Mondseekultur, ihrer Verbreitung und vielfältigen Gegenüberstellungen der Mondseer Pfeilspitzen gebracht.

Morgan kommt zum Schluss: „So haben wir zeigen können, dass die Pfeilspitzen von Altheim nur einem Teil der Pfeilspitzen vom Mondsee entsprechen. Andererseits kann die Ähnlichkeit der Pfeilspitzen mit jenen von Pfyn bzw. Cortaillod vielleicht die an Hand der Metallgeräte vorausgesetzten Kontakte mit dem Mondsee bestätigen.


Morgan beschreibt hier auch die ehemaligen „Pfeil und Bogen“: Der Bogen besteht aus Eibe, ist 155–175 cm lang, 3 cm breit und 2 cm dick. Die treffsichere Schussweite beträgt 10–30 m, ist weniger bei 50 m und die maximale Reichweite beträgt 100 m. Der Pfeilschaft ist 75–120 cm lang mit einer Dicke von rd. 9–10 mm; Schäftungspech dient zur Befestigung der Pfeilspitze. Die Pfeilspitzem haben eine Länge von 25–30 mm, Breite 15–20 mm bei 2–3 g Gewicht. Sie bestehen zu 97 % aus Hornstein und zu 5 % aus Plattensilex.


Morgan geht auf den „Ursprung der Mondsee-Gruppe“ (Abschnitt 4.3.1) ein. Dabei unterscheidet sie das keramische Fundgut in
1. feingemagerte, furchen- und stichverzierte, weißinkrustierte Ware mit kleinen, bauchigen Henkelkrügen oder Töpfen;
2. grobgemagerte und schlechtgebrannte Gebrauchskeramik für größere Töpfe mit fingertupfenverziertem Mundsaum.
Somit musste sich die Forschung (gemeint ist Ruttkay 1981) – auch mangels einer durch Grabungen belegten Stratigraphie – mit einer vergleichenden Studie der keramischen Formen und Verzierungselemente begnügen.

Daraufhin stellt Morgan detailliert die Erklärungsversuche zur unterschiedlichen Keramik von Franz und Weninger 1927, R. Pittioni 1954, Willvonseder 1963–68 und Driehaus 1960 dar und schließt, dass die Impulse, welche zur Bildung der Mondsee-Gruppe geführt haben, noch nicht eindeutig bestimmt werden könnten. Sie listet zwar alle möglichen Fundstellen von Mondsee-Keramik auf, wobei sie aber vor allem Beningers Paura und Hells Salzburger Funde abqualifiziert.

Auf den Seiten 65–73 geht sie anhand einer Analyse der Pfeilspitzen auf die „Beziehungen der Mondsee-Gruppe zum Jung- und Spätneolithikum Zentraleuropas“ ein. Dabei stellt sie fest, „dass sich die Pfeilspitzen der Mondsee-Gruppe mit ihrer geraden Basis, der seltenen Verwendung von Plattensilex und ihrer groben Bearbeitung stark von den Pfeilspitzen aus Altheim abheben.“ Auch zur Vucedol-Kultur sieht sie keinen Zusammenhang und schreibt: „U. E. macht die Mondsee-Keramik mit ihrer relativen Formenarmut und ihrer viel gröberen Ausführung doch einen sehr verschiedenen und primitiveren Eindruck. Genetisch weist Vucedol sowohl Lengyel- bzw. bemaltkeramische, wie auch Badener Elemente auf. Sie ist ebenfalls mit der Lasinja-Kultur verwandt.“ In der Folge zeigt sie [Anm.: z.T. irrige] chronologische Zusammenhänge von Driehaus, Pittioni und Ruttkay auf.

Daraufhin wendet sie sich möglichen westlichen Einflüssen auf die Mondsee-Gruppe zu. Die Keramik der südfranzösischen Chasséen-Gruppe erinnert an die Mondsee-Keramik, nicht aber die Pfeilspitzen. Hingegen hätten Schussenried und die Mondsee-Gruppe eine ganze Reihe von gemeinsamen Zügen: 1. In der Keramik: Formen (Trichtertöpfe und Henkelkrüge), Verzierungstechnik (Tiefstich und z. T. auch Inkrustation), Verzierungsmotive (Fingertupfenleisten, hängende Dreiecke, usw.); 2. Siedlungsweise: Moor- und Uferrandsiedlungen; 3. auch die Pfeilspitzen scheinen recht ähnlich.

Wegen der Beziehungen zwischen Altheim und Pfyn, auf welche Driehaus aufmerksam macht, liege es nahe, auch nach etwaigen Kontakten zwischen der Mondsee-Gruppe und den Schweizer „Pfahlbaukulturen“ zu suchen. Die Pfyner Pfeilspitzen machen aber einen gröberen Eindruck als das Altheimer Material und ähneln eher den gröberen Stücken aus See. Das gleiche muss man auch von den Pfeilspitzen der Cortaillod-Kultur sagen. Hier gibt es umfangreiches Material, besonders die 98 Pfeilspitzen von Burgäschisee-Süd *). Die Ähnlichkeiten mit dem Mondsee-Material sind zahlreich. Nach den Messungen entspricht die Variationsbreite der Pfeilspitzen jener aus See. Die Pfeilspitzen, die wir aus anderen Fundorten der Cortaillod-Kultur kennen, entsprechen denen von Burgäschisee-Süd: „die Pfeilspitzen der Cortaillod-Kultur gleichen dem vorliegenden Mondseer Material.“

„Vergleicht man nun die Pfeilspitzen von Mondsee, Cortaillod und Altheim, so nimmt Mondsee in Form und Bearbeitung etwa eine „Mittelstellung“ zwischen Cortaillod mit groben und seltener flächenretuschierten Stücken mit gerader oder eingezogener Basis und oft ungleichmäßiger Schneidenausbildung, und Altheim mit sehr schön bearbeiteten, symmetrischen Exemplaren mit ausschließlich eingezogener Basis ein.

Morgan: "Die Möglichkeit von Kontakten zwischen der Mondsee-Gruppe und Pfyn bzw. Cortaillod, hoben auch Sangmeister und Strahm (1973) wegen der Ähnlichkeiten gewisser Metallfunde und dem Gebrauch von „Arsenbronze“ hervor. Diese heben bereits 1973 die Rolle der „Arsenbronze“ hervor: erst eine solche Legierung **) ermögliche das Gussverfahren der typischen Mondsee-Beile.“

  • **) Sangmeister 1973, E.; Strahm, C.: Die Funde aus Kupfer in Seeberg, Burgäschisee-Süd. In: Acta Bernensia 2/6, Seeberg, Burgäschisee-Süd. Steingeräte und Kupferfunde. Bern 1973:189–259.
    Zusammenfassung S. 218 f.: „Die Kupferfunde von Burgäschisee-Süd vertreten eine Arsenbronze, die zu einem Zeitpunkt eingeführt wird, als sich … die Mondsee-Gruppe zu bilden beginnt … und es kommen erstmals materialgerechte, d.h. materialsparend hergestellte kleine Rechteckbeile in Gebrauch. Dabei darf ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Aufkommen der Arsenbronze gesehen werden, die erst die Verfertigung so feiner Stücke im Gussverfahren ermöglicht. Die Verbreitung des neuen Materials hält sich weitgehend an den Alpenrand, so dass nicht zu verwundern ist, wenn sie auch weit im Westen, eben bei Pfyn und Cortaillod, angetroffen wird. Dort brauchte sie nicht zu älteren Materialien in Konkurrenz zu treten. In der Schweiz war die Verwendung von Arsenbronze für Perlen, kleine Beile, Pfrieme, Meißel und vielleicht noch andere Formen eine kurze Periode. Die kupferarme Horgener Kultur und die Lüscherzer Gruppe lassen die von Cortaillod und Phyn eingeleitete Entwicklung abbrechen.“

Die Pfahlbau-Forscher Walter Kunze und Johann Offenberger

Walter Kunze: Pionier der Pfahlbauforschung (Tauchgrabungen 1960–63)

Aufnahme des Pfahlfeldes See/Mondsee durch Kunze 1986
Gefäße und Steinäxte aus See und Mooswinkel Kunze 1986
Mondseekrug aus Station See/Mondsee nach Kunze 1986

Der Mondseer Historiker und Lehrer Dr. Walter Kunze (1918 – 1.8.2008) begann und förderte bereits Anfang der 1960er-Jahre die Unterwasserforschungen in der Pfahlbaustation „See“ am Mondsee.

Dr. Walter Kunze wurde 2005 für seine vielfältigen Verdienste um die Pfahlbauforschung und den Heimatbund zu dessen Ehrenobmann ernannt und gleichzeitig mit der Ernennung zum Ehrenbürger der Marktgemeinde Mondsee gewürdigt.


Ihm zu Ehren wird mit dem folgenden Link → eine vollständige Liste der Veröffentlichungen von Dr. Walter Kunze mit Bezug auf die Pfahlbauten gebracht. (Anm.: einschließlich der photographischen Dokumentation der Herstellung des letzten „Mondseer Einbaums“.) Die meisten seiner Berichte erschienen in den Mitteilungen des Mondseer Heimatbundes in den Jahren 1960–1968.


Kunze, 1972 beschreibt detailliert im folgenden Exzerpt → die ersten Tauchgrabungen, Fundbergungen und Restaurierungen im Artikel: Pfahlbauten am Mondsee. Prähistorie und Archäologie in OÖ; Kulturzeitschrift OÖ 1972/73, OÖ Landesverlag, Linz 1972:3–5.


Kunze 1981, W.; Vogelsberger, A.: Keramik der Pfahlbauern - Berichte über Untersuchungen der jungsteinzeitlichen Töpferei am Mondsee. Schriftenreihe des OÖ Musealvereins – Ges. f. Landeskunde, Bd. 11, 1981, 77 Seiten.

Kunze untersucht 1290 Keramikfunde und klassifizierte sie wie folgt:

  • 11 verzierte und 18 unverzierte Krüge: davon 14 mit 1 Henkel und 4 mit 2 Henkeln
  • 29 Töpfe, 25 Schüsseln, 14 Näpfe, 9 Schalen, 10 Becher, 8 (große) Vorratsgefäße
  • 491 Randstücke ohne Verzierung und 54 Randstücke mit Verzierung
  • 161 Wandstücke ohne Verzierung und 38 Wandstücke mit Verzierung
  • 9 Randstücke mit Knubben und 6 Randstücke mit Schnurösen
  • 12 Wandstücke mit Knubben und 6 Wandstücke mit Schnurösen
  • 245 Boden-Wand-Stücke, 41 Wand-Bodenstücke und 73 Bodenstücke
  • 27 Stücke mit Henkel oder Henkelansatz und 6 Stücke mit Durchbohrungen

Die grauschwarzen Farbtöne überwiegen bei weitem, daneben kommen auch Farbabstufungen von Weißgrau über Hellgrau, Ocker, Braun, Rötlich, Grau, Grauschwarz bis Schwarz vor.

Von den Keramikstücken sind 11 % mit Ornamenten versehen: 5,1 % mit in die Wand getieften Ornamenten, 2,1 % mit ornamentiertem Mundsaum, 1,2 % mit Fingertupfenornamenten, 0,8 % mit Leisten und 1,7 % mit Knubben.

Wie aus den Fundanteilen der Aufsammlung von Kunze hervorgeht, weichen die Vorstellungen über die „typische“ Mondseekeramik – den Mondseekrug – von den realen Gegebenheiten deutlich ab.

Es gibt nur 11 verzierte "Mondsee-Krüge" gegenüber 18 unverzierten Krügen. Nur ein Zehntel der Randstücke und ein Viertel der Wandstücke weisen eine Verzierung auf; auch Ornamente sind vergleichsweise selten. Die Krüge (29) sind ähnlich häufig wie Töpfe (29), Schüsseln (25) und Näpfe/Schalen/Becher (33).

An dieser Stelle ist auch Oberlehrer i. R. Karl Fornather zu erwähnen: Die vielen Bruchstücke von Gefäßen, es handelt sich um etliche tausend, wurden in Kistchen verstaut und in die vom Heimatmuseum eingerichtete Restaurierwerkstätte transportiert, wo sich Fornather jahrelang der überaus mühsamen Arbeit des Zusammensetzens der Bruchstücke unterzog. Restaurierbar ist ein Gefäß nur dann, wenn es als Ganzes in seiner Form gesichert erscheint: vergleiche hier insbesondere das große Vorratsgefäß in der vierten Abbildung, aber auch die Töpfe und Schüsseln in den anderen Abbildungen. Das Profil muss vom Boden bis zum Mundstück lückenlos vorhanden sein.

Im Folgenden werden zu Ehren von Walter Kunze, Alfred Vogelsberger und Karl Fornather aus

  • Kunze & Vogelsberger (1981): Keramik der Pfahlbauern - Berichte über Untersuchungen der jungsteinzeitlichen Töpferei am Mondsee. In: Schriftenreihe des OÖ Musealvereins – Ges. f. Landeskunde, Bd. 11, 1981

mit Genehmigung der Gesellschaft für Landeskunde und Denkmalpflege in Abstimmung mit JBOÖMV die von Alfred Vogelsberger erstellten Aufnahmen gebracht.

Alfred Vogelsberger bringt in einem eigenen Buch-Abschnitt seinen spannenden Bericht „Zur Technik der Töpferei“ mit seinen vielen eigenen Versuchen zum Ton, Formen, Dekorieren und Brennen. Dabei geht er auf die Analyse der aufgefundenen Keramikfunde ein und beschreibt in der Folge die ehedem verwendeten Werkstoffe. Daraufhin zeigt er die Aufbereitung des Tones und die verwendeten Formen und zeigt auch, wie er selbst einen „Mondseekrug“ formt und wie der Brennvorgang verläuft. Zum Abschluss wird in die gebrannte Keramik die Inkrustation eingebracht.


Dr. Walter Kunze (1918–1.8.2008)

Kunze 1986, Walter: Mondsee – 5000 Jahre Geschichte und Kultur. Selbstverlag Marktgem. Mondsee 1986; 191 S. (2. Aufl. 1990).

Der folgende Link bringt das Exzerpt (S. 9–15) des Kapitels → Die Pfahlbauforschung am Mondsee und die Mondseekultur.

1960 stellte sich dem Heimatmuseum Mondsee eine Tauchergruppe aus Salzburg zur Verfügung. Der Leiter des Unternehmens, Dr. Walter Kunze, wollte den Umfang des Pfahlfeldes See feststellen und den ganzen Mondsee nach Pfahlfeldern absuchen. Erstmals in Österreich kamen hier Taucher bei archäologischen Unterwasserarbeiten mit modernen Pressluftgeräten und Nasstauchanzügen zum Einsatz. Mit dem Oö. Landesmuseum (Dr. Josef Reitinger, Beiziehung von Dipl.-Ing. Vinzenz Janik als Fachmann für Bodenkunde) wurde die Lösung der Hauptfrage aller Pfahlbauforschung (Wassersiedlung oder Landsiedlung) in Angriff genommen. Bodenbohrungen und -untersuchungen im Bereich des Seeausflusses brachten den Nachweis, dass die Siedlung ehemals an Land errichtet worden ist. Einen weiteren Hinweis darauf ergab 1962 von der archäologischen Seite auch die Entdeckung eines waagrecht liegenden Balkens, der auf dem Seeboden durch Pflöcke befestigt war.

Die Fundbergungen des Heimatmuseums Mondsee wurden bis 1963 fortgesetzt und brachten einen umfangreichen Fundbestand zutage. Vor allem die Funde dieser Tauchforschungen stellen heute den Bestand des 1953 gegründeten Pfahlbaumuseums Mondsee dar.

Es ist stark zu vermuten, dass diese Arbeiten von Walter Kunze den Auslöser für die Aufmerksamkeit des Bundesdenkmalamtes darstellten und zum Beginn der Pfahlbauforschungen durch – den begeisterten Taucher und Archäologen – Johann Offenberger führten.


Herrn Dr. Walter Kunze zu Ehren werden im Folgenden die eindrucksvollsten Bilder aus seiner Veröffentlichung zu „Pfahlbauten am Mondsee. Prähistorie und Archäologie in OÖ“ in der Kulturzeitschrift von OÖ 1972/73, Linz, OÖ Landesverlag; gebracht.



Johann Offenberger: Doyen der österr. Pfahlbauforschung (1969–1986)

RR Johann Offenberger (*1934, ✝23.7.2017)

Johann Offenberger hat im Oktober 2012 seine Forschungsergebnisse im Buch Weltkulturerbe "See“ (100 S.) veröffentlicht. (Quelle: → OÖ Nachrichten: "Das Märchen von Pfahlbauten direkt in den Seen": Autor und Bild: Norbert Blaichinger, 8.10.2012).Das Buch ist in den Mondseer Museen und im Buchhandel erhältlich. Er betont: „Dieses Buch soll ein Beitrag sein, dass an die 1986 eingestellten Pfahlbauforschungen in Österreich wieder erfolgreich angeknüpft wird.“

1970 entdeckten die Taucher und Forscher rund um Johann Offenberger (*1934; +23.7.2017) im Bereich von Mooswinkel am Mondsee den einzigen "echten" Pfahlbau Österreichs. Offenberger dazu: „Allerdings war es nicht eine bewohnte Siedlung, sondern eine Plattform als Anlegestation, eine "Schiffsanlegestelle" für den Fährdienst."

Es sei schlicht ein Märchen, zu glauben, die Pfahlbauten in See (am Mondsee), in Litzlberg oder Abtsdorf am Attersee wären im Wasser gestanden. Offenberger: „Die Wahrheit ist, dass die Pfahlbauten am Seeufer situiert waren und viel später durch massive Klimaänderungen unter Wasser gedrückt wurden.“ Sehr wohl wisse man heute aber, dass es im Rahmen der Pfahlbauweise verschiedene Arten gegeben hat. Worüber man im Bereich der Salzkammergutseen aber bis heute nicht verfügt, sind Grundrisse von Bauten. Ohne diese sind laut Offenberger auch Gedankenspiele über originale Nachbauten kaum realistisch. Anlässlich der OÖ Landesausstellung 1981 zum Thema „Das Mondseeland“ konnte von Hans Offenberger in den ehemaligen Mondseer Klosterräumen eine große Pfahlbauabteilung mit den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen eingerichtet werden. Als „Österreichisches Pfahlbaumuseum“ ist sie nach wie vor ein wesentlicher Teil der Mondseer Museumslandschaft.


Der mit 10.2.2020 datierte Nachruf des Kuratorium Pfahlbauten auf deren Homepage wirkt befremdlich: → Pfahlbauforscher Johann Offenberger verstorben – also 2 ½ Jahre nach Johann Offenbergers Ableben am 23.7.2017: Dieser - mit dem viele - auch wir - ihren Umgang mit ihm besonders in den letzten Jahren als herausfordernd erlebten - habe die Grundlage für die moderne Pfahlbauforschung in Österreich und für unseren Beitrag zum UNESCO-Welterbe geschaffen.Screenshot



Offenbergers "Die ``Pfahlbauten´´ der Salzkammergutseen" (Mondsee 1981)

Literatur: Offenberger, Johann: "Die ``Pfahlbauten´´ der Salzkammergutseen". In: Das Mondseeland. Geschichte und Kultur. Katalog zur OÖ Landesausstellung in Mondsee. Linz 1981:295–357.

  • Konstruktiv-kritische Einordnung dieser Arbeit: Offenberger hat verdienstvollerweise mit seinen Arbeiten zur Erforschung der oö Pfahlbauten die umfassende Basis geschaffen, die vorbildhaft auch die damals verfügbaren angrenzenden Disziplinen – Radiocarbondatierungen (noch ohne Kalibrierungen), Pollenanalysen, Archäozoologie, Archäobotanik, Paläolimnologie, Petrographie, Sedimentologie, Lithographie – mit einbezog.
    Es standen ihm gegenüber heute nicht zur Verfügung: Archäometallurgie, Kalibrierungsmethoden, genomische Untersuchungen zur Herkunft von Haustieren und Getreidearten, die nach 1981 zusätzlichen erarbeiteten archäologischen Erkenntnisse von E. Ruttkay und des FWF-ÖNB-Pfahlbauprojektes.
    → Umso höher ist diese frühe umfassende Arbeit Offenbergers einzustufen.
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    Einzig sein Versuch, auch die damals im Entstehen begriffene Klimatologie einzubeziehen, führte – angesichts der „scientific community“ – zum alten, unrichtigen Ergebnis: dass nämlich die tieferen Seespiegel aufgrund von höheren Temperaturen (Wasserverdunstung) und niedrigeren Niederschlägen hervorgerufen worden seien; wobei er dem aber skeptisch gegenübersteht.
    Die offensichtlichen Überzeugungen Offenbergers liegen aber ganz nahe an der Realität: Er schreibt: "Es stellt sich die Frage nach der Höhe der Seeabflussschwellen. Nachdem für mehrere der untersuchten Siedlungen archäologisch einwandfrei festgestellt wurde, dass sie auf trockengefallenen Strandplatten errichtet wurden, setzt dies eine Seespiegelabsenkung im Attersee um rund drei Meter, im Mondsee um rund dreieinhalb Meter voraus." "Auch die Untersuchung der Sedimente in See ergab einen Seespiegeltiefstand während der neolithischen Besiedlung.“ Und er kommt zum Schluss: "Entweder lagen die Abflussschwellen in urgeschichtlicher Zeit um ein Wesentliches tiefer und haben nun in historischer Zeit durch vermehrte Wasserführung eine Aufschotterung erfahren, oder die Seen waren abflusslos.“ Weiters zitiert er auch R. Schmidt (1985): "In Übereinstimmung mit C14-Daten und biostratigraphischen Ergebnissen merkt er für Mond- und Attersee einen übereinstimmenden Seespiegelanstig um 4.700 BP an.
    Anm.: Sowohl eine „natürliche Aufschotterung“ – warum sollte eine solche bei 3 m und zusätzlich synchron an Mondsee und Attersee stoppen? – als auch eine „Abflusslosigkeit“ sind nicht realistisch und passen auch nicht zu einem an Attersee und Mondsee übereinstimmenden Seespiegelanstieg um 4.700 BP.)
    -------------------------------
    Offenberger weiß zwar um die urgeschichtlich niedrigeren Abflussschwellen, erklärt diese aber – wie damals üblich – nur klimatologisch, obwohl er in See und Weyregg zwei von Seekreide getrennte Kulturschichten kennt: „Klimaverschlechterung bringt den damit verbundenen Seespiegelanstieg. Dieser Anstieg brach sicher nicht katastrophenartig über die Siedlungen herein, sondern ging wahrscheinlich sehr allmählich vor sich.“
    Anm.: Gerade die Konsequenzen dieser letzten Aussage hätten aber ob der oft extremen Weststürme in See und vor allem der Föhnstürme auf Misling im Laufe der Zeit alle volatilen Hinterlassenschaften (z.B. Apfelhälften, Ährenreste, Gewebereste) verlässlich abgeräumt und vernichtet.


Die Veröffentlichungen von Johann Offenberger

Link zur → Vollständigen Veröffentlichungsliste von Johann Offenberger. samt Internet-Links und einigen relevanten Exzerpten.

Nachfolgend werden Links zu den digital verfügbaren Arbeiten sowie die beiden zusammenfassenden Bücher von Hans Offenberger gebracht:

Offenberger 1971, Johann: → Probleme und Techniken der Pfahlbauforschung. JBOÖMV 116, 1971:9–21.

OFFEN Offenberger 1976, Johann (und Kral, Loub, Niedermayr, Wolff): Die oö Pfahlbauten – Die Untersuchungen des BDA in den Jahren 1970–1974. Archaeologica Austriaca, Beiheft 13. FS Pittioni, 1976: 249–285 mit Karten und Abb. samt Fotos. (detailliert zu Mooswinkel, Scharfling, Misling und Weyregg; Nachweis der Bauten auf dem Trockenen).

Offenberger 1976, Johann: → Die österreichischen Pfahlbauten – Ein Arbeitsbericht mit: Schatz, Alfred (Tauchgruppe Haag): Methoden der Unterwasservermessung. und: Vymazal, Kurt (Tauchgruppe Haag): Holzartenbestimmung einiger Pfähle aus der neolithischen Station Attersee/Landungssteg. JbOÖMV Bd. 121a, 1976:105–138.

OFFEN Offenberger 1981, Johann, Ruttkay, E., Schmidt, R., Chondrogianni, C., Niessen, F., Schneider, J., & Stojaspal, F.: Stratigraphische Untersuchungen im Bereich der neolithischen Station Weyregg I am Attersee. Fundberichte aus Österreich 20, 1981:191–222.


Offenbergers „Pfahlbauten – Bodendenkmale in einer modernen Umwelt“ (1986)

Offenberger 1986, Johann: Pfahlbauten, Feuchtbodensiedlungen und Packwerke, Bodendenkmale in einer modernen Umwelt. Archäologia Austriaca 70, 1986:205–226.

1986 fällt die abrupte Einstellung der Pfahlbauforschung mit einer umfassenden Veröffentlichung Offenbergers mit dem Titel „Pfahlbauten, Feuchtbodensiedlungen und Packwerke, Bodendenkmale in einer modernen Umwelt“ zeitlich ins selbe Jahr. Die konkrete Sichtweise Offenbergers wird aber erst 2040 verfügbar sein.

Offenbergers Initiative zur Institutionalisierung der Unterwasserarchäologie

In dieser Arbeit formuliert Offenberger den dringenden Appell „der Unterwasserarchäologie ihren festen Platz innerhalb der Denkmalpflege zuzuweisen, wie dies die schweizerische, deutsche, französische und polnische Denkmalpflege in der Binnengewässerarchäologie seit Jahren praktiziert. Im benachbarten Ausland werden Millionenbeträge in die Erhaltung und Erforschung von Unterwasserkulturgütern investiert.

Offenberger: "Die lakonische Feststellung einer Landesinstitution, „daß die Tauchgrabungen im oberösterreichischen Seengebiet einmal beendet werden müssen, da kaum mehr entscheidende neue Erkenntnisse zu erwarten sind“, beleuchtet schlaglichtartig die Situation in Österreich."

Die Feuchtbodensiedlungen Österreichs haben fast fünf Jahrtausende am Seeboden unbeschadet überstanden. Die Veränderung der Umwelt als Folge technischen Fortschritts, Unwissenheit und Sammelleidenschaft haben diese wertvollsten urgeschichtlichen Denkmale binnen eines Jahrhunderts der völligen Zerstörung nahegebracht. Gelingt es nicht, weitere Zerstörungen zu verhindern, sind die meisten der Unterwasserkulturgüter innerhalb der nächsten Jahrzehnte für die Forschung verloren.

Das Exzerpt von "Bodendenkmale in einer modernen Umwelt" (1986)

Da die so abrupte Einstellung der österreichischen Pfahlbauforschung ihre Auslöser

  • einerseits im dringenden Appell Offenbergers für eine entsprechende Verankerung der Unterwasserarchäologie innerhalb des Denkmalschutzes,
  • andererseits aber auch in seinen umfassenden Forderungen für den Schutz der Pfahlbauten mit wesentlichen Eingriffen in wirtschaftliche Interessen an den Seen, die weit über einen „üblichen“ Denkmalschutz hinausgingen
  • unter Umständen auch in kollegialem Neid über einen möglichen Aufstieg Offenbergers

gehabt haben könnte, wird – im wissenschaftlichen Sinn gem. § 42 f (1) Z 1 u. 3 UrhG – als einziges verfügbares Indiz aus dieser Zeit das Exzerpt seiner Veröffentlichung → Pfahlbauten, Feuchtbodensiedlungen und Packwerke, Bodendenkmale in einer modernen Umwelt. gebracht: dies vor allem auch deswegen, weil die persönlichen Unterlagen Offenbergers – derzeit beim Österreichischen Archäologie-Bund unter Verschluss – erst 2040 verfügbar sein werden.


Laut Offenberger intakte, beeinträchtigte und zerstörte Siedlungen
Erhaltungszustand der Pfahlbausiedlungen
  • Nur 7 Siedlungen sind verhältnismäßig ungestört: Litzlberg Nord I und II, Litzlberg Süd, Aufham II, Abtsdorf I, Nußdorf, Weyregg II.
  • 10 Siedlungen sind in Teilbereichen bereits beeinträchtigt: Seewalchen III, Aufham, Abtsdorf II und III, Misling I und II, Weyregg I im Attersee; See, Scharfling und Mooswinkel im Mondsee.
  • Folgende 6 Siedlungen müssen als zerstört oder schwer beeinträchtigt gelten: Seewalchen I und II und Kammer I, Litzlberg und Attersee/Attersee im Attersee sowie die Inselsiedlung Keutschacher See in Kärnten.

Konsequenz: Die abrupte Einstellung der Pfahlbauforschungen 1986/87

Ende September 1986 kam es zur gewillkürten, abrupten Einstellung der österreichischen Pfahlbauforschung, sodass nicht einmal mehr die begonnenen Arbeiten bei Seewalchen und die laufenden Vermessungen der Station See am Mondsee fertiggestellt werden konnten.

Offenberger wurde vom Bundesdenkmalamt unmittelbar zur archäologischen Beaufsichtigung von Ausgrabungen ins Kloster Mondsee "abkommandiert". Auch die Bearbeitung bereits durchgeführter Aufnahmen im Attersee konnte nach der Einstellung des Bestandsaufnahmeprojektes nicht mehr beendet werden. Dies betraf besonders die Siedlungen am Ausfluss des Attersees/Mondsees und im Bereich Litzlberg.

Die Hintergründe liegen offiziell im Dunkeln; sie wurden später mit fehlender Finanzierung begründet. Tatsächlich ging es um eine mögliche Beförderung von Offenberger.

Dazu schreibt zwei Jahrzehnte später der Linzer Stadtarchäologe Erwin Rupprechtsberger unrichtigerweise (Mondseekultur 2006, S. 14): „Die [von Offenberger] mit großem Engagement alljährlich durchgeführten Tauchuntersuchungen ebbten nach einigen Jahren aus explizit nicht genannten, für Insider aber erahnbaren Gründen ab.“


Offenberger 1995, Johann: 5000 Jahre Kulturgut unter Wasser – Pfahlbauforschung der österreichische Weg. Pfahlbau – Über die verhinderten Möglichkeiten eines vielversprechenden Forschungsbereiches. Arche Zs. f. Geschichte und Archäologie in OÖ.; Nr. 10; Sept. 1995:4–15.

S. 13: „Nun [Anm.: 1986: vgl. hierzu gleich oben: „Pfahlbauten – Bodendenkmale in einer modernen Umwelt“] wäre die Zeit reif gewesen, in die Zukunft zu blicken und vor allem die Frage der Finanzierung und damit der Kontinuität der Pfahlbauforschung einer Lösung zuzuführen. Überlegungen, zu diesem Zweck die Pfahlbauforschung im Rahmen der Denkmalpflege zu institutionalisieren, standen im Raum und wurden diskutiert. Die vordringlichsten und umfassenden Aufgaben der Denkmalpflege zum Schutz der UW-Kulturgüter – Koordination aller behördlich legitimierten und privat interessierten Gruppen und Institutionen – schienen auf diese Weise am ehesten zu bewältigen. Weiters war es für eine Planung auf längere Sicht erforderlich, die bisherige Art der Organisation, aufgebaut auf die freiwillige Mitarbeit von Sporttauchern und ohne eigenes Budget, allmählich umzustrukturieren und ständige bezahlte Mitarbeiter aus den zuständigen Fachbereichen einzusetzen. Ebenso war es erforderlich, den naturwissenschaftlichen Bereich voll in den Arbeitsprozess zu integrieren. Voraussetzung für die Umsetzung dieser Überlegungen wäre die Schaffung finanzieller Rahmenbedingungen gewesen. Es kam anders. Mit Ende 1986 wurden die Pfahlbauuntersuchungen in einem Ausmaß eingeschränkt, das einer Einstellung gleichkam. Die getroffene Entscheidung musste - so kam es auch - binnen kurzer Zeit zum Zusammenbruch der gesamten Organisationsstruktur führen. Die Verantwortung für eine unbeaufsichtigte und unkontrollierte Weiterarbeit einzelner Gruppen oder Taucher war nicht zu tragen. J. Offenberger legte im Frühjahr 1987 die Leitung der Pfahlbauuntersuchungen zurück. Der Obmann der "Tauchgruppe Haag" intervenierte unter Hinweis auf die akute Gefährdung der Pfahlbauten, unterstützt vom Vorstand des Instituts für Ur- und Frühgeschichte, H. Friesinger, mehrmals beim damaligen Minister für Wissenschaft und Forschung, E. Busek. Trotz positiver Zusagen kam es zu keiner Wiederaufnahme. K. Czech, Obmann des "UTC Wels", zog als erster aus Mangel an geschulten Arbeitskräften die Konsequenzen, stellte die Bestandsaufnahme ein und löste seine Arbeitsgemeinschaft auf. Die "Tauchgruppe Haag" hoffte länger, war aber dann ebenfalls gezwungen, ihren Arbeitskreis aufzulösen. Das bedeutete nach siebzehn Jahren mühsamen Aufbaues und unübersehbarer Erfolge das Ende der Pfahlbauuntersuchungen des Bundesdenkmalamtes. Mit der Entscheidung zur Einstellung und mit der Auflösung der Klubs gingen der langjährige Erfahrungsschatz und das gesammelte technische Wissen um die UW-Arbeit in der Pfahlbauforschung von mehr als zwanzig Tauchern - unbezahlbare Werte - verloren. Verloren ging auch die gesamte technische Ausrüstung im Millionenwert, die zum Großteil mit Subventionen des Landes Oberösterreich angekauft und daher in den Besitz der Tauchklubs übergegangen war, von diesen nach der Auflösung verkauft wurde oder in den folgenden Jahren verkam.“


Die späten Arbeiten Offenbergers 1989 - 2015

Offenberger 1989: Johann: Beobachtungen zur Lage der neolithischen Ufersiedlung See/Mondsee; In: FÖ 28, Wien 1990, 121-129.

In dieser Arbeit befasst sich Offenberger eingehend mit der ehemaligen Seespiegelhöhe und zeigt diese anhand von Tiefenschichtlinien der Stationen See und Scharfling am Mondsee. Die Siedlungen liegen alle auf einem flachen, seewärts nur allmählich abfallenden Uferschelf, der unterschiedlich weit in den See hinausragt und dann über eine meist ausgeprägte Kante verhältnismäßig schnell steil abfällt. Die seeseitige Begrenzung der Siedlungen liegt immer vor dieser Kante – und entspricht der ehemaligen Uferlinie vor dem Ansteigen der Seespiegel.

See: zwei Kulturschichten in unterschiedlicher Tiefe

"In der Station See wurde ein Profilschnitt von der Mitte der Siedlung seewärts durchgeführt und bestätigte diese Annahme. Die noch vorhandene Kulturschicht besteht bis in drei Meter Wassertiefe aus vollkommen homogenem Material. Ab dieser Tiefe fallen plötzlich sichtbar werdende Schichten schräg seewärts ab und sandig-lehmige Schmitzen lagern in der Kulturschicht, die sich teilt: über einem älteren Stratum liegt sandiges Material, das von einer weiteren Kulturschicht überlagert wird, die ihrerseits mit Sand abgedeckt ist. Ab Profilmeter 15 bis 17 laufen beide Kulturschichten fast ungestört und nur durch eine sandige Schicht getrennt seewärts. Der obere Bereich der jüngeren Kulturschicht besteht nicht mehr aus homogenem organischem Material, sondern ist mit Sand und Lehm durchmischt: eine Durchmischung, wie sie in einem ehemaligen Uferbereich durch Wellenschlag verursacht worden sein könnte.

Die ältere Kulturschicht endet bei Profilmeter 17, die jüngere läuft weiter über Profilmeter 20 hinaus. Ihr weiterer Verlauf konnte … nicht mehr ergraben werden. Die seewärts auslaufenden Kulturschichten signalisieren keine eindeutige seeseitige Siedlungsgrenze.

Die seeseitigen Schichten und jene zwischen 9 und 14 m könnten eine von Wellenschlag durchmischte und geprägte Uferzone zeigen.

Einen etwas konkreteren Ansatzpunkt liefern die Reste zweier Bauten zwischen Laufmeter 9 und 15. Die ältere Bauphase endete in 3,5 m Tiefe (Wassertiefe und Profiltiefe), die jüngere Phase reichte bis rund 4 m Tiefe. Dem archäologischen Befund nach wurde anscheinend eine ältere Siedlungsschicht von einem Seespiegelanstieg betroffen, und zumindest der seeseitige Bereich der Siedlung musste aufgegeben werden. Nach dem Rückgang der Überschwemmung rückte ein neuer Siedlungshorizont weiter seewärts vor als der ältere, bis in 4 m Tiefe (Profilmeter 14,5). Dies könnte bedeuten, dass das neue Seeniveau um mindestens 0,5 m tiefer lag als das alte (Abbildung)."

Anm.: Wie den Worten Offenbergers zu entnehmen ist, lag der spätere Seespiegel des Mondsees tiefer als der frühere – was aber nur durch eine Tieferlegung der Abflussschwelle möglich wird.


keine Auskolkung der Kienbergwand
Kreuzstein vor Kienbergwand
Auskolkung Kienbergwand in Wassertiefe von 3–4 m

Den Anstoß für die Untersuchungen an der Kienbergwand am Mondsee gab Dipl.-Ing. Dr. Kurt Schäfer, der bereits 1949 bei K. Willvonseder im Attersee erstmals Tauchuntersuchungen unternahm, indem er den auffallenden Einschnitt am Mondseer Kreuzstein in der Höhe des heutigen Wasserspiegels auf Wellenkorrosion zurückführte (vgl. die linke Abbildung).

Falls die Wirkungen der Wellen des Sees den Kreuzstein so umformten, sollte es auch ähnliche Wirkungen der Wellen an der Kienbergwand – aber eben in 3–4 Meter Wassertiefe gegeben haben.

Noch im Jahr 1985 unternahm Offenberger mehrere Tauchgänge entlang des Felsabbruches bis in 15 m Wassertiefe. Tatsächlich konnten in rund 4 m Tiefe Feldüberhänge festgestellt werden.

1989 ging Offenberger dieser Idee – auch nach seinem Abzug von der Pfahlbauforschung 1986 – weiter nach, stellte entsprechende Forschungen an und kam zu dem überraschenden Ergebnis, dass die Kienbergwand in der relevanten Wassertiefe entsprechende Auskolkungen aufweist.

Aufgrund dieser Beobachtungen wurde eine Salzburger Tauchgruppe unter Albert Abele ersucht, an insgesamt vier Punkten ein Unterwasserprofil der Felswand aufzunehmen (vgl. die zweite Abbildung links).

In den Profilen 1 und 4, nicht oder weniger ausgeprägt in den Profilen 2 und 3, zeigen sich innerhalb der Aushöhlung zwei im Abstand von 0,4 bis 0,5 m zueinander waagrecht verlaufende Kerben, getrennt durch eine etwa 15 cm vorspringende Felsnase.

Die unter der Aushöhlung schräg abfallende Halde ist in den flacheren Bereichen mit Sand und Geröll bedeckt. Frappierend ist jedenfalls die Übereinstimmung dieser Kehlen mit den archäologischen Funden der Siedlung See im Mondsee.

Anm.: Unzweifelhaft wirken Wellen erodierend auf anstehende Felswände ein; viel stärker dürfte aber die Wirkung von Frost an benetzten Felswänden einwirken – und damit gerade in Höhe des Seespiegels.

Solches nunmehr 5.300-jähriges Einwirken auf die Kienbergwand in heutiger Seespiegelhöhe konnte aber im September 2024 nicht verifiziert werden (vgl. die Abbildung rechts).


Offenberger Das Pfahlbauerbe – „Brennpunkt“ Mondsee Jungsteinzeitliche Seeufersiedlungen im Salzkammergut. Die Detaildokumentation und der Versuch einer Analyse.

Offenberger 1989b: Ein Hängegefäß aus der neolithischen Seeufersiedlung See am Mondsee; In: FÖ 28, 1990:131-136.


Ruttkay 1997, Elisabeth und Offenberger, Johann: → Pfahlbauforschung in den österreichischen Salzkammergutseen. In: Schlichtherle, Helmut (Hrsg.): Pfahlbau rund um die Alpen. Archäologie in Deutschland, Sonderheft 1997:76–80.

Eine Darstellung dieser gemeinsamen Arbeit wird unter: → Ruttkay 1997 weiter unten gegeben.

Offenberger 2013, Johann: → Hafenanlage versus Fischzuchtanstalt: Ein römisches Bauwerk im Attersee vor Weyregg (OÖ); Eine wissenschaftliche Kontroverse. – JBOÖMV 2013:9–38.


Seine drei Bücher 2012, 2013 und 2015

OFFEN Offenberger 2012, Johann: Buch: Weltkulturerbe „See“ – Ein Forschungsbericht. Mondseer Dokumentationen Hrsg. Mondseer Museen 2012, 96 Seiten und: Historica-Austria Band 10, Jahrgang 2012. 100 S.

Offenberger 2014, Johann: → Die neolithische „Inselsiedlung“ im Keutschacher See (Kärnten) – Eine kritische Betrachtung. ÖAB; Historica – Austria, Band 12, Jg. 2014. 55 Seiten.

OFFEN: Offenberger 2015, Johann: Buch: Das Pfahlbauerbe – „Brennpunkt“ Mondsee, Jungsteinzeitliche Seeufersiedlungen im Salzkammergut. Die Detaildokumentation und der Versuch einer Analyse. Mit Beiträgen von R. Schmidt (Palynologie), R. Wimmer (Holzforschung) und R. Schachl (Makroreste)., Historica-Austria Band 13, Jahrgang 2015. 327 S.
[Anm.: Ist Offenbergers abschließendes Vermächtnis; wird in manchen Literaturlisten nicht angeführt.]
Seinen Nachlass von Fotos, Schriftstücken, Dokumentationen und persönlichen Aufzeichnungen verwahrt der ''Österreichische Archäologie Bund" und wird erst 2040 freigegeben.



Mit der Aufnahme der heimischen Pfahlbauten 2011 in das Weltkulturerbe wurden die 1986 so plötzlich und radikal abgebrochenen ehemaligen Arbeiten mit der Veröffentlichung von Czech 2013 (FÖ 2013; siehe → gleich weiter unten) nach 27 Jahren wenigstens noch abgeschlossen.



Die Pfahlbauten-Bestandsaufnahmen der Taucher (1976–1989; 2013)

Die über 64 ehrenamtlichen Pfahlbau-Taucher

Die ehrenamtlichen 64 Taucherinnen und Taucher unter Federführung von Johann Offenberger waren:

Bachner Margit (Wien/NÖ), Baumberger Gerhard und Susi (OÖ), Baumgartner Heinz – Entdecker von Mooswinkel (Wien), Cermak Ernst (Wien), Czech Karl und Elli (UTC Wels), Ernstberger Gottfried und Monika (NÖ), Ferchland Ursula (Nürnberg), Giner Thomas (Tirol), Gotsleben Robert und Rosi (TC Haag), Grethler Regina und Wolfgang (Baden-Württemberg), Gruner Anton (Wien/NÖ), Grünwald Johann, Hetzmannseder Edith, Gattringer Alois (NÖ, Traismauer), Geischläger Angelika (W/NÖ), Janiga Enrico (NÖ), Kaltenegger Marina (Wien), Karner Wilhelm (NÖ), Keck Erich (Wien), Kiener-Lessl Rudolf und Inge (OÖ), Kosma Susanne (Wien), Lagler Ruth und Ewald (OÖ), Lesjak Gottfried (OÖ), Moser G., Mühlberger Manfred, Müller Bruno, Nagl H., Nicolussi Siegfried (Tirol), Opekker K., Paschinger Friedrich, Rastbichler Elisabeth (Tirol), Reingruber Gerhard, Reisinger Anton (OÖ), Teltschik Harald (NÖ, Traismauer), Richter H., Ritz Regina (OÖ), Römer Regina (Baden-Württemberg), Schatz Alfred (NÖ), Scheicher Johann und Heike, Scheidl Friedrich (NÖ), Schneidel Fritz (NÖ), Schmidt Roland (OÖ), Schlosser-Schnell Katja (NÖ), Schmuck Maria und Ludwig (OÖ), Schneidinger Michael (Tirol), Schubert Alfred (Wien), Swoboda (Restaurateur) (Wien), Stadler Gerhard (Wien), Tschedemnig Alfred,Tschöp Walter (NÖ), Veigl Werner (Wien), Vymazal Kurt (NÖ), Watzinger Werner (OÖ), Weinberger Robert (OÖ), Wimmer Rupert (Wien/NÖ).

Die Obmänner des Welser Tauchklubs „UTC Wels“ Karl Czech und der „Tauchgruppe Haag“ Robert Gotsleben wurden vom OÖ Landeshauptmann mit dem Kulturpreis des Landes OÖ ausgezeichnet.
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Die Namen und Anzahl der Taucher für die Forschungen von Walter Kunze bei St. Lorenz und der Siedlung See/Mondsee der Mondseer Wasserrettung und der Salzburger Sporttaucher konnten leider nicht mehr eruiert werden.



Die "Fundberichte aus Österreich" der Taucher

Nachfolgend werden die Ergebnisse der von Johann Offenberger initiierten Pfahlbausuche und -bestandaufnahmen in den "Fundberichten aus Österreich" (FÖ) des Bundesdenkmalamtes angeführt. Karl Czech war der Obmann des Union Tauchclubs Wels (UTC); die zweite Tauchergruppe unter Robert Gotsleben kam von der Tauchgruppe Haag. Insgesamt waren über die Jahre 20 Taucherinnen und 44 Taucher an diesen Arbeiten beteiligt.

a) "Fundberichte aus Österreich" zu "Pfahlbauten" bis Nr. 50 in 2011 der gedruckten Jahrbücher:.

Link zu den → 12 Berichten von Czech in den FÖ 1976 bis 1989

Gotsleben 1981 mit Vymazal: Vermessung der neolithischen Seeufersiedlung Kammer I, FÖ 20, 1981, 29–34.

Ruttkay 1982, Elisabeth: Archäologisches Fundmaterial aus den Stationen Abtsdorf I, Abtsdorf II und Weyregg I. FÖ 21, 1982, S. 19-23.


b) "Fundberichte aus Österreich" ab Nr. 50 bis Nr. 60 → ab 2012.in elektronischer Form (was es zu "Pfahlbauten" gibt)

Pollak 2011, Marianne: Erstmalige Unterschutzstellung der → Pfahlbaustationen Abtsdorf I–III und Litzlberg Süd: FÖ Bd. 50, 2011; S. 37.

Gruber 2011, Heinz: → Pfahlbauten. Österreichs neues Welterbe. In: Bundesdenkmalamt; Zs. Denkmal Heute, Heft 1/2011, 37-41

Gruber 2011, Heinz: → Juni 2011: UNESCO »Prähistorische Pfahlbauten rund um die Alpen«; Litzlberg-Süd und Abtsdorf stehen unter Denkmalschutz; Neubauer: Tauchverein UW-Archäologie startet in Seewalchen; FÖ 50, 2011; S. 25; S. 350.

Neubauer 2011, Daniel: Beschreibung der → Umrisslinien der Stationen Seewalchen und Kammer: FÖ Bd. 50, 2011; S. 350.

Gruber 2012, Heinz: → Eintragung der Prähistorischen Pfahlbauten rund um die Alpen als UNESCO-Welterbe; FÖ 51, 2012, S. 20.

Gruber 2013, Heinz: → Unterschutzstellung der Pfahlbaustation Nußdorf am Attersee. FÖ 52, 2013; S. 19

Czech 2013, Karl:13. Bericht zur Bestandsaufnahme des Unterwasserkulturerbes in den Salzkammergutseen. In.: FÖ 52, 2013; S. 145–153.

  • Inhalt: Untersuchungen des UTC Wels in Seewalchen und Kammer (1987/1988) sowie in Litzlberg (1990).
  • Im Attersee sind 23 Siedlungen bekannt, von denen erst 13 vermessen sind.


OFFEN Bearbeitung der Bestandsaufnahmen der Taucher

Vorbemerkung: Die Texte und Abbildungen der „Fundberichte aus Österreich“ werden im wissenschaftlichen Sinn gem. § 42 f (1) Z 1 u. 3 UrhG gebracht. Dies deswegen, weil die Angaben zur landseitigen Erstreckung der Siedlungsareale schon aufgrund der Wirkung von Wellen recht hinterfragenswert sind: Nach Verlassen von Siedlungen und Wiederanstieg des Seespiegels haben Wellen im Bereich der heutigen Ufer (je weniger tief umso intensiver) die Kulturschichten (und vor allem das biologische Material mit einem Gewicht ähnlich Wasser) erodiert. Weiters wurden vor allem am Westufer im Bereich des Rosenwinds z.T. enorme Kliffe hervorgerufen, deren abgetragenes Material vor allem in Ufernähe die Kulturschichten überdeckten. Vgl. hierzu die erarbeitete → Wellenkunde mit Wirkungen auf Pfahlbau-Überreste auf dieser Homepage.

Elisabeth Ruttkay: Die Forschungen der "Grande Dame of Austrian Neolithic research"

Dr. Elisabeth Ruttkay in Kern; Antl-Weiser; Stadler: → Nachruf Ann. NHM Wien, Serie A, 2010:55–66
  • 18. Juni 1926 in Pécs, Ungarn; † 25. Februar 2009 in Wien

"Grande Dame": → Elisabeth Ruttkay in der englischen Wikipedia; samt Bild: „Prehistory Professor J. Neugebauer dubbed Ruttkay the `grande dame of Austrian Neolithic research´.“

Kern 2010, Anton; Antl-Weiser, Walpurga; Stadler, Peter: → Nachruf Dr. Elisabeth Ruttkay (mit Gesamt-Veröffentlichungsliste). Annalen Naturhistorisches Museum in Wien, Serie A, 2010:55–66;

Im Folgenden wird eine kompakte Darstellung ihres Lebenslaufs: → Elisabeth Hanák-Ruttkay (1926–2009) gebracht. Mit dem folgenden Link zu → Ruttkays wesentlichen Pfahlbau-Veröffentlichungen in den Salzkammergutseen wird ihre Arbeit gewürdigt. Hier wird auch das von ihr der Dissertation beigefügte → "Curriculum Vitae" (samt Kopie ihrer Unterschrift) wortident gebracht.

Den → „Lebenszweck ihrer späten Jahre“ sah Elisabeth Ruttkay laut Prof. Friesinger (2013; letzter Absatz) in der Aufgabe der Erforschung der Pfahlbauten und der Klärung ihrer Herkunft.

Elisabeth Ruttkay hat die wesentlichen archäologischen Forschungen zu den österreichischen Pfahlbauten geleistet. Auch wenn es damals moderne Instrumente (14C-Analysen, archäometallurgische Bleiisotopen-Untersuchungen, genomische Verwandtschaft von Tieren usw.) noch wenig/nicht gab, hat sie doch der Herkunft der verzierten Keramik – offenbar in zielführender Richtung – erfolgreich nachgeforscht. Von 1981 bis 2006 – über ein Vierteljahrhundert – befasste sie sich mit der Herkunft der verzierten, inkrustrierten Krüge. Sie kommt zwar zu klaren Formulierungen zu deren Herkunft aus Südost-Europa, sie scheut aber überraschenderweise auch noch 2004 vor einer solchen expliziten Aussage hinsichtlich des konkreten Mondseekruges zurück.

Ruttkays "Typologie und Chronologie der Mondsee-Gruppe" (Mondsee 1981)

Vorbemerkung: Ihre Diss. 1978 "Das Neolithikum mit bemalter Keramik in Öst."

Noch während ihrer Dissertationszeit veröffentlicht Ruttkay 1976, Elisabeth: Beitrag zum Problem des Epi-Lengyel-Horizontes in Österreich. Archaeologica Austriaca, Beiheft 13. FS Pittioni, 1976:285–319 mit 13 Abb. samt Fotos. (v.a. Bisamberg, Oberpullendorf, Schleinbach)

Ruttkay 1978, Elisabeth: Das Neolithikum mit bemalter Keramik in Österreich. Eine chronologisch-kulturhistorische Untersuchung. Dissertation Univ. Wien 1978. 2 Bände (Textteil 329 Seiten; 2. Bd. mit 27 Tafeln und 2 Karten).
(Eingereicht am 10. Nov. 1978; Gutachter: Pittioni (Betreuer) und Friesinger; promoviert zur Dr.a phil. am 8. Nov. 1979)

Ihre früheren Arbeiten und die Dissertation betreffen vor allem die Lengyel-Kultur und die darauf folgende Epi-Lengyel-Kultur in Niederösterreich, Mähren und Ungarn, nicht aber westlichere Kulturen (OÖ, Salzburg, Bayern) oder die Mondseekultur.

Ruttkay beschreibt in ihrer Dissertation die chronologische Abfolge der niederösterreichischen Kulturen wie folgt: Linearbandkeramik – Notenkopfkeramik – Vor-Lengyel-Zeit – Lengyel-Kultur – Epi-Lengyel-Kultur (= Nach-Lengyel-Kultur).

Die Epi-Lengyel-Zeit fällt mit der Entstehung der Mondsee-Kultur in etwa zusammen.

Ruttkay sieht S. 212 für „die Epi-Langyel-Zeit auf dem österreichischen Gebiet drei Typengemeinschaften:

  • Typus Bisamberg in NÖ samt Typus Oberpullendorf im Burgenland,
  • Typus Kanzianberg-Brezje-Zrece in Steiermark und Kärnten und
  • Typus Linz-Niederperwendt in OÖ und Salzburg.

Die östlichen Gruppen der Epilengyelzeit zeigen Verwandtschaft mit der mährischen Gruppe der Jordansmühler Kultur, die südliche Gruppe ist mit einem Abschnitt der „Alpinen Facies der Lengyelkultur“ Slawoniens ident. "Der Typus Linz-Niederperwendt ist eine Variante der bayerischen Münchshöfener Gruppe.“

Verbreitung der Epilengyel-Gruppen in Österreich

Ruttkay gibt als Verbreitungsgebiet der Epilengyel-Gruppen in Österreich an (entsprechend nebenstehender Grafik mit Ruttkays Fundortliste: S. 265–267):

  • Gruppe Bisamberg-Oberpullenidorf: #1: Wien-Stadlau: #2–25: Burgenländische Stationen; #32–40: Niederösterreichische Stationen
  • Gruppe Linz-Niederperwendt:
    • Oberösterreich: #41 Dornach/Saxen (Pittioni 1935), #42 Linz-Altstadt (Karnitsch 1962), #43 Niederperwendt (Pittioni 1935), #44 Stadl-Paura (Beninger 1961 Abb. 15,1-5,10-14; Abb. 18,1-5; Abb. 24,2)
    • Salzburg: #45 Salzburg-Maxglan (Hell 1954), #46 Salzburg-Rainberg (Hell 1954)
  • Gruppe Kanzianberg-Brezje-Zrece:
    • Kärnten: #26 Ettendorf-Kulm (Strelli 1930), #27 Keutschachersee (Moßler 1954), #28 Mallestig-Kanzianberg (Dolenz 1938, Pittioni 1954, Abb. 116), #29 Maria Saalerberg (Franz 1931), #30 Völkermarkt-Steinkögelen (Müller-Karpe 1948), #31 Wolfsberg-Strappelkogel (Franz 1931);
    • Steiermark: #47 Judenburg-Pölshals (Süß 1969), #48 Mixnitz-Drachenhöhle (Kyrle 1931), #49 Wildon-Buchkogel (Süß 1969)

Die von Ruttkay in ihrer Dissertation ab Seite 230 präsentierten Typologien (Tafeln A – D:Fotos und Tafeln I bis XXII) der drei Epilengyel-Typengemeinschaften passen - mit wenigen Ausnahmen (Henkelkrug) - nicht mit jenen der Mondsee-Gruppe zusammen.


Ruttkays "Typologie und Chronologie der Mondsee-Gruppe" (Mondsee 1981)

Dr. Elisabeth Ruttkay (PA-NHM)
Ruttkays Formengruppe I–III: 1, 3, 5, 7, 9, 11, 13 See; 2, 4, 6, 8, 14 Misling; 10 Mooswinkel; 12 Seewalchen

Ruttkay 1981, Elisabeth: Typologie und Chronologie der Mondsee-Gruppe. In: Das Mondseeland – Geschichte und Kultur. Katalog der Ausstellung des Landes OÖ in Mondsee, Kulturabteilung des Landes OÖ, Linz, 1981:269-294.

Ruttkay Elisabeth schreibt 1981 in ihrer Typologie und Chronologie der Mondsee-Gruppe: "Die prähistorische Archäologie benützt für die Umschreibung ihrer Kulturgruppen keramische Typeninventare, die, mit den Angaben über Siedlungskunde, Totenfürsorge, Schmuck- und Geräteformen ergänzt, ein individuelles Bild menschlicher Kulturäußerungen übermitteln. So wurde anhand der Keramik aus den Pfahlbaustationen des Mond- und Attersees die prähistorische Kulturgruppe Mondsee konstruiert."

  • Anm.: Pittioni reiht in seinem Standardwerk aus 1954 "Die Urgeschichte des österreichischen Raumes" die mährisch-niederösterreichisch-burgenländische Gruppe (S. 144), die Badener Gruppe (S. 189) und Ossarn (S. 202) zeitlich vor Mondsee (S. 210) ein, was - wie heute bekannt - chronologisch unrichtig ist, auf Ruttkay aber wohl einen bedeutenden Einfluss ausgeübt haben wird, da Pittioni ja Doktor-Vater von Ruttkay gewesen ist.
    Pittioni (S. 213) nimmt "als Siedlungsgebiet der Mondsee-Gruppe Oberösterreich und Salzburg mit dem westlich anschließenden Bayern an" und (S. 228) "auch die Funde Hells am Götschenberg bei Bischofshofen, den Rainberg bei Salzburg und auch die Langensteinerwand" zählt er als Höhensiedlungen zur Mondseegruppe.
    Er vermutet aber für die Seesiedlungen einen Einfluss von den Schweizer Verhältnissen, „die vielleicht auch durch die Verwendung des Zwischenfutters bei den Steinbeilen angedeutet erscheint (Pittioni S. 229: Abb. 151,2).“
  • Damit war Ruttkays "Typologie und Chronologie der Mondsee-Gruppe" von 1981 von dieser Chronologie Pittionis wesentlich beeinflusst und sie übernahm sowohl Pittionis Chronologie der Kulturen – und damit mögliche Abstammungs- bzw. Verwandtschaftsbeziehungen – als auch die Zuzählungen der von Pittioni (S. 213, 228) angeführten anderen Siedlungen in OÖ und Salzburg zur Mondsee-Gruppe.
  • In ihrer Veröffentlichung übernimmt sie – leider unhinterfragt – nicht nur von Pittioni sondern auch von Hell und Willvonseder sowie Beninger alle von diesen genannten Pfahlbaustationen, die neben den Pfahlbauten an Mond- und Attersee auch alle entfernten Stationen im Salzburgischen (Bischofshofen-Götschenberg, Salzburg-Rainberg, Salzburg-Elsbethen-Grillberg) und benachbaren Bayern (Ainring-Auhögl) sowie die Stationen an Enns und Steyr (Garsten-Sonnbichl, Laussa-Langensteinerwand und Prückelmauer, Mühlbach-Rebsteinmauer) sowie an der Traun (Stadl-Paura – Paura) sowie auch solche in Niederösterreich (Ertl-Hauserkogel, Grünbach-Hausstein und Ossarn).

Zum Schluss kommt relativ unvermittelt Ruttkays Aussage: "Ihre Anfänge aber, die mit der Formengruppe 1 angedeutet werden, müssen noch in der ersten Hälfte des Jungneolithikums (Neolithikum C) gelegt werden, in einer Zeit, wo auch die Anfänge der ehemaligen Geschwistergruppe, der Altheimer Gruppe, gesucht werden. Nach unserer vorliegenden Studie darf Mondsee mit Altheim weiterhin als gleichzeitige „Geschwistergruppe“ angesprochen werden, die mit jener nicht nur durch ihre Gleichzeitigkeit, sondern auch durch ihre gemeinsame „nordische“ Baalberger-Komponente verbunden ist."

Konstruktive Kritik an Ruttkays "Mondsee-Gruppe"

Verbreitung der Mondsee-Gruppe; bis Bischofshofen und Ossarn (NÖ)
Ruttkays Formengruppe 1–3 der Keramiken der Mondsee-Gruppe

Es gehört zweifellos zu Ruttkays Verdienst, dass sie die Pfahlbauforschung in Österreich nach Offenberger weiter gefördert hat. Sie konnte im Pfahlbauprojekt viele „konfrontative“ Forscher zusammenführen, integrieren und einbinden.

1981 gehörte es noch zum Werkzeug der Prähistoriker, die Zuordnung von Funden zu konkreten Gruppen anhand der Keramik zu bewerkstelligen. Jedenfalls fehlten Ruttkay 1981 – gegenüber heute – die in großer Anzahl verfügbaren Radiokarbondaten und insbesondere deren Kalibrierung, die neolithische Gruppen wesentlich älter datieren. Auch die humangenetischen Analysen des Jahres 2015 (Haak Zs. Nature 522: "Jamnaja"; „Schnurkeramiker“) waren ihr nicht bekannt; ebensowenig solche von Haustieren. Eine für die Mondseer Pfahlbauforschung ganz wesentliche Technik besteht in tiefschürfenden Metallanalysen, wenngleich sich Ruttkay auch dafür offen zeigte und mit Pernicka zusammenarbeitete.

Zu Beginn ihrer Veröffentlichung listet Ruttkay eine große Anzahl von Fundstellen auf, die sie zur Mondsee-Gruppe zählt. Hierzu ist anzumerken, dass Ruttkay in ein Umfeld von einschlägig „nordisch“-geprägten Urgeschichtlern eingebettet war wie Much, Menghin, Franz, Weninger, Hell, Beninger, Willvonseder, z.T. aber auch Pittioni (ihren Doktor-Vater), die die damalige wissenschaftliche Lehrmeinung dominierten und die ein Abweichen von ihren Zuschreibungen zur „Mondsee-Gruppe“ und den vermuteten Verwandtschaftsverhältnissen nicht goutiert hätten.

Wie der nebenstehenden Karte samt Tabelle zu entnehmen ist, zählt damit Ruttkay neben den Stationen an Mond- und Attersee auch Stationen an Enns/Steyr und auch Stadl-Paura zur Mondsee-Gruppe. Zusätzlich bezieht sie die Salzburger Stationen (wohl wegen der Veröffentlichungen von „Hell“) und sogar den Auhögel bei Ainring an der Saalach in die Mondsee-Gruppe ein. Überraschend ist, dass sie auch die weit entfernten Stationen Bischofshofen sowie Ossarn und Grünbach in NÖ einbezieht.

Umso höher ist ihr anzurechnen, dass sie sich bereits in dieser ihrer ersten Arbeit zu den Pfahlbauten mit der Herkunft der verzierten Keramik auseinandersetzte: Kyrle 1927, Georg: „die [Mondseer] Verzierungsweise ist roh und derb, offenkundig von südlichen und südöstlichen Stilen stark beeinflusst“; Anna Medunová-Benesová 1977 zu Mähren; Henrieta Todorova 1975: „verzierte Keramik vom Varna-See mit weißer Inkrustation“.

Jedenfalls suchte Ruttkay typologisch passende Keramik bei anderen Gruppen und wurde – nach ihrer damaligen Ansicht – im mährisch-slowakisch-ungarischen Bereich fündig. Ruttkay stützte sich vorrangig auf die Arbeiten von Anna Medunova-Benesova (Jevisovice / Bolaz Kultur: siehe: → Jevisovice-Kultur in Südwestmären: Deutsche Zusammenfassung auf S. 83–90 mit 15 Tafeln der Jevisovice-Keramik) – mit der sie auch regen wechselseitigen Austausch hatte – aber auch auf jene von Nandor Kalicz (Beceler-, Balaton-Kultur). Damit konstruierte sie die „Typologie der Mondsee-Gruppe“; siehe dazu die Formengrruppen 1–3 in der nebenstehenden Abbildung.

Nach einigen chronologischen Überlegungen auf S. 286 taucht aber plötzlich die Altheim-Kultur wie aus dem Nichts auf:

„Ihre [die Mondseer] Anfänge aber, die mit der Formengruppe 1 (vgl. die Abbildung; oberer Teil) angedeutet werden, müssen noch in der ersten Hälfte des Jungneolithikums (Neolithikum C) gelegt werden, in einer Zeit, wo auch die Anfänge der ehemaligen Geschwistergruppe, der Altheimer Gruppe, gesucht werden. Nach unserer vorliegenden Studie darf Mondsee mit Altheim weiterhin als gleichzeitige „Geschwistergruppe“ angesprochen werden, die mit jener nicht nur durch Gleichzeitigkeit, sondern auch durch ihre gemeinsame „nordische“ Baalberger-Komponente verbunden ist.“


Ruttkays Zeitstellung – und damit Verwandtschaftshypothese – passt nicht

Absolute und relative Chronologie archäolog. Kultur-Gruppen zur Zeit der Pfahlbauten in OÖ

Wie der nebenstehenden Darstellung zu entnehmen ist, synchronisierte Ruttkay in "Typologie und Chronologie der Mondseegruppe" (1981) die

  • Anfänge der Mondsee-Gruppe mit Boleráz / Balaton 2–3 und die
  • entwickelte Mondsee-Gruppe mit Jevišovice.

Die ältesten Radiokarbondaten der Mondsee-Gruppe zeigen ihren Beginn kalendarisch aber um 3.900 / 3.800 vor Chr (Scharfling, Seewalchen).

Demgegenüber sind die Daten von Boleráz und Jevišovice deutlich jünger, wie anhand der nachfolgend angeführten Literatur gezeigt wird.

(Anm.: Auch die Daten der Altheim-Gruppe (~3.600 v. Chr.) sind jünger als jene der Mondsee-Gruppe.)


Radiokarbon-Datierungen – (cal. v.Chr., mit 1 σ)

3519–3373: Frühestes Boleraz
3325–3027: Boleraz
3016–2900: Frühes klassisches Baden (Stufen IIB – III)
2892–2687: Jüngeres klassisches Baden


  • Schmitsberger 1999, Oliver: → Neue 14C-Daten zur Jevišovicekultur in NÖ. In: A. Krenn-Leeb (Hrsg.), Wirtschaft, Macht und Strategie. Höhensiedlungen und ihre Funktionen in Ur- und Frühgeschichte. Internat. ÖGUF-Symp. 26.-29.10.1999; AÖ Spezial 1, 2006, 41 ff.
    (VERA = Vienna Environmental Research Accelerator)

Jevišovice-Siedlung Strögen-Kirchfeld (NÖ)

VERA-246: 4340 +/- 34 BP = 3020 – 2940 BC
VERA-247: 4330 +/- 35 BP = 2930 – 2890 BC
VERA-249: 4370 +/- 30 BP = 2970 – 2915 BC
VERA-3040: 4350 +/- 35 BP = 3020 – 2900 BC
VERA-3042: 4370 +/- 40 BP = 3020 – 2910 BC

Jevišovice-Siedlung Neubach-Wachberg (NÖ)

VERA-440: 4145 +/- 35 BP = 2760 – 2660 BC
VERA-441: 4270 +/- 35 BP = 2911 – 2879 BC
KN - 4520: 4251 +/- 59 BP = 2920 – 2850 BC


Die Baden-Kultur ist chronologisch in die folgenden Phasen zu untergliedern:

3640 – 3370 (68%) Boleraz
3384 – 3370 (100%) Arbon Bleiche 3 (Late Pfyn, Early Horgen, Late Boleraz - dendrochronologische Daten nach Leuzinger)
3510 – 3100 (68%) Cerveny-Hradok
3360 – 3010 (64%) Classical Baden
3350 – 3010 (64%) Ossarn I
3240 – 2870 (61%) Ossarn II


Ruttkays 1981er relativchronologische Periodisierung des Neolithikums

1981: Ruttkays Periodisierung des Neolithikums - Mondseeu zu spät mit: Absolutchronologie nach Quitta–Kohl: Razkopi i Procvanija 5/1975.

Ruttkay 1981, E.: Zur Periodisierung des Neolithikums. Mitt. Anthr. Ges. 111, Wien 1981:72–77.

Dem Frühneolithikum gehört die Donauländische Welt an. Die Linearbandkeramik (LBK) ist die erste neolithische Kultur im mittleren Donauraum als vollentwickelte nahrungsproduzierende sesshafte Gemeinschaft. Die darauffolgende neolithische Kultur, die Bemalte Keramik (= Lengyel-Kultur), steht mit ihr in genetischer Verbindung. Beide bevorzugten zum Siedeln dieselben Höhen und Terrassen in der Landschaft, die nicht selten mit Wall- und Graben umfriedet sind. Auch andersartige Erdwerke, wie konzentrisch angelegte Doppelgrabensysteme sind in beiden Kulturen ähnlich. LBK und auch Lengyelkultur kennen die anthropomorphe Kleinplastik aus Ton, anthropomorphe und zoomorphe Gefäße. Beide importieren Obsidian und die Spondylusmuschel. Drei typische Geschirrformen (Becher, Topf und Butte) sind gleich. Offenbar gab es eine autochthone friedliche Entwicklung. Impulse kamen v.a. von der Vinca-Kultur und aus entfernteren SO-europäischen Gebieten.

Das Spätneolithikum ist eine eher unruhige Zeit – eine Zeit der „Wanderungen und Verschiebungen der verschiedenen Stämme“; es haben aber kaum großräumige „Wanderungen“ stattgefunden. Der mit Epi-Lengyel (= Nach-Lengyel) fassbare südöstliche Impuls, dessen Herd ist mit den Namen Salcuta, Krivodol, Gumelnita und Karanovo VI umschrieben. Eine „neuralgische Zone“ sind der Unterlauf der Donau und der südliche Balkan, wobei die ältere, Metallurgie und Kupfer-Bergbau (Aibunar, Rundna Glava) hervorzuheben sind. In dieser Übergangszeit tritt zusätzlich die sogenannte Furchenstichkeramik auf (Retz, Balaton 2 und 3, frühes Boleráz – und das sich bildende Mondsee).

Obwohl der südöstliche Impuls (Epi-Lengyel) die bedeutendste Errungenschaft – die Kupferbearbeitung – mit sich brachte, baut das nachfolgende entwickelte Jungneolithikum auf die Trichterbecher-Grundlage auf, wobei der „Pfahlbautopf“ und die allgemeine Bedeutung der geschliffenen Steinäxte extra hervorzuheben sind. Die Kupferindustrie ist schwergerätig und es gibt Kupferschmucktypen und Goldsachen (Stollhof in NÖ). Das fortschreitende Jungneolithikum zeigt gegenüber der knapp vorangegangenen Zeit eine Rückständigkeit der metallurgischen Kenntnisse, wovon ausschließlich die Mondsee-Gruppe ausgenommen werden kann.

Die folgenden südöstlichen Impulse betreffen die Badener Kultur (Boleráz-Gruppe). In der zweiten Hälfte des Spätneolithikums (Endneolithikum) bilden sich auf verschiedenen einheimischen Grundlagen (Trichterbecher-, Badener-Kultur) Lokalgruppen wie Cham, Jesivovice usw. Befestigte Höhensiedlungen tauchen im Endneolithikum auf und hängen mit der Schnurkeramik und Glockenbechern zusammen. Die Festlegung der Aufeinanderfolgen ist noch im Gange.

Ruttkay: „Nicht ausschließlich das wechselvolle Erscheinungsbild der archäologischen Quellen ist es, was die zweite Hälfte des Neolithikums gegenüber der Beständigkeit und Ausgeglichenheit des Frühneolithikums auszeichnet, sondern vielmehr ihre technologisch-ökonomische Fortschrittlichkeit. Wir wollen demnach das Spätneolithikum im mittleren Donauraum [Linz bis Donauknie] als selbständige historische Epoche auffassen."


Ruttkays 1983er "Drahtseilakt" zur Absolutchronologie des Neolithikums in Öst.

Felber 1983, Heinz (Radium-Inst.) und Ruttkay, E. (PA-NHM): Absolutchronologie des Neolithikums in Österreich. Mitt. Anthr. Ges. 113, Wien 1983:73–78.

1983: Darstellung Felbers 14C-Daten und die ersten kalibrierten Daten

Felber beschreibt in seiner „Eichung der Radiokohlenstoffdaten“ die Altersbestimmung von biogenen Materialien aufgrund der Halbwertszeit des 14C von 5.568 ± 30 a (Libby-Wert). Da die 14C-Konzentration im atmosphärischen Kohlenstoff nicht immer konstant war, wurden Korrelationen mit dendrologisch bestimmten Eichbeziehungen erstellt, teils in Diagrammform, teils in Tabellenform. Das Vertrauensintervall ± Sigma gibt das 68%ige Zutreffen der Altersbestimmung an. Felber bringt in der Folge 14C-Daten und die zugehörigen kalibrierten Daten BC für

  • Linearbandkeramik 5.380 – 4.440 cal BC
  • Stichbandkeramik 5.260 – 4.900 cal BC
  • Lengyel (Bemaltkeramik) 5.340 – 3.990 cal BC
  • Epilengyel (Keutschach) 3.900 – 3670 cal BC
  • Mondsee-Gruppe 3925 – 2645 cal BC (vgl. die beigefügte Tabelle)
  • Trichterbecherkultur 3.935 – 3.665 cal BC
  • Badenerkultur 3.490 – 3.025 cal BC
  • Chamergruppe 3.035 – 2.650 cal BC
Ruttkay & Felber: Zeiträume der archäologischen Kulturgruppen: mit "BC" = kalibrierte Daten; gegenüber "bc" = un-kalibrierte Daten

Ruttkay setzt dem mit ihrer „Zur Anwendung der Radiokohlenstoffdaten“ skeptisch entgegen, dass in Österreich solche Daten zu den Anfängen des Neolithikums, der Vornotenkopfkeramik fehlen, wie auch für Jevisovice, die späte Schnurkeramik und die Glockenbecherkultur.

Auflistung der folgenden Kulturen mit absoluten kalibrierten Daten (BC) für: Linearbandkeramik (5380 – 4440), Stichbandkeramik (5260 – 4900), Lengyelkultur (5340 – 3990), Epilengyel (4380 – 3380), Mondseegruppe (3925 – 2645), Trichterbecherkultur (3935 – 3565), Badenerkultur (3500 – 3015) und Chamergruppe (3035 – 2650).

"Wir (offenbar Ruttkay und Felber) legen hier kalibrierte 14C-Daten für das Neolithikum Österreichs vor, in dem Bewusstsein der Schwierigkeiten, die mit den von den naturwissenschaftlichen Datierungsmethoden gelieferten absolutchronologischen Daten allgemein verbunden sind."

[Anm.: Ruttkay vollführt hier einen „Drahtseilakt“ zwischen den naturwissenschaftlichen Daten der 14Ccal-Methode und der relativ-chronologisch fundierten „scientific community“.]

"Die Radiokohlenstoff-Methode, die am weitesten ausgebaute und benützte Datierunsmethode in der prähistorischen Archäologie, gibt dieser, die als geschichtliche Disziplin eine verlässliche Zeitordnung unbedingt braucht, unlösbar erscheinende Probleme auf. Nur die kalibrierten Werte – nur diese sind von der Physik ermittelte richtige Jahreszahlen – verhalten sich bei einer Eichung mit kulturgeschichtlich erarbeiteten Chronologiesystemen nicht einheitlich".

"Das Resultat ist, dass die Funktion der konventionellen bzw. kalibrierten 14C-Datenserien in der prähistorischen Archäologie heute weniger die Zeitbestimmung ist, wofür sie eigentlich geschaffen worden sind, vielmehr liefern sie eine „objektive“ Vergleichsbasis, die geeignet ist, die mit den Methoden der Urgeschichtsforschung erarbeiteten Relativchronologien zu bestätigen und auch entferntere Gebiete miteinander in Relation zu setzen."

Ruttkay: "Eine neue relativchronologische Einteilung des Neolithikums für Österreich wurde in dieser Zeitschrift veröffentlicht (Ruttkay 1981)." [Anm.: siehe den vorigen Abschnitt]


Ruttkay wird 2006 mit ihrer eigenen Festschrift in 14C-Datierungen involviert

Stadler 2006, Peter; Elisabeth Ruttkay; Herwig Friesinger; Wild E. M. et al.: → Absolutchronologie der Mährisch-Ostösterreichischen Gruppe (MOG) der bemalten Keramik aufgrund von neuen 14C-Datierungen. Festschrift für Elisabeth Ruttkay, Archäologie Österreichs 17/2, 2006:41–69.

  • Ruttkay war lt. Fußnote 1 von ihrer Mit-Autorenschaft nicht informiert.

(Detaillierte 14C-Daten je Kultur; viele typologische graphische Abbildungen.)

Anm.: In einer späteren Untersuchung 2014 - auf Anregung Ruttkays - datiert Stadler die Epi-Lengyel-Kultur um weitere 100 Jahre nach hinten.


Ruttkay korrigiert 2006 selbst die vermeintliche Verwandtschaft

Regionale chronologische Sequenzen bzgl. Trichterbecher Mährens (cal BC)

Ruttkay 2006, E.: → Eine Siedlungsgrube mit jungneolithischer inkrustierter Keramik aus Puch-Scheibenfeld NÖ. Neue Beiträge zur Furchenstichkeramik und zum Scheibenhenkel. Mit Bemerkungen von Erich Pucher (S. 302-304) zu den Tierknochen Annalen NHM Wien, 107 A, 2006:267–304.

Wie der nebenstehenden Grafik zu entnehmen ist, setzt Ruttkay hier die früher herangezogenen Gruppen wie Jevisovice, Ohrozim; Boleráz mit 3.500–3.400 cal BC bedeutend jünger an als die Mondsee/Atterseee-Gruppe, die im Text auch nicht (mehr) erwähnt wird. Zudem geht sie davon aus, dass diese Gruppen eher donauabwärts ausgestrahlt haben.
[Anm.: Die Bodrogkeresztúr II- und die Sălcuţa IV-Kultur (der sog. Scheibenhenkel-Horizont) datieren etwa 4.000 - 3.800 BC.]

Pucher 2006, Erich schreibt auf S. 303 in seinen „Bemerkungen zu den Tierknochen aus Puch-Scheibenfeld“, dass sich „die metrischen Befunde zu den Haustieren, die sämtliche Belege auch aus archäozoologischer Perspektive an die Viehhaltung des Trichterbecherkreis anschließen lässt, jedoch von den inneralpinen Gruppen des Jungneolithikums (z. B. Mondsee) absetzt.“


Ruttkay versieht 2007 ihre relativchronologische MOG-Gruppe mit 14C-Chronologie

Cultural Groups and Absolute Chronology of Austrian Neolithics

Stadler 2007, Peter and Ruttkay, Elisabeth:Absolute Chronology of the Moravian-Eastern-Austrian group (MOG) of the painted pottery (Lengyel-Culture) based on new radiocarbon dates from Austria. Und: Kommentare zur aktuellen Chronologie der MOG aus typologischer Sicht von Ruttkay. In: The Lengyel, Polgár and related cultures in the Middle/Late Neolithic in Central Europe. 2007:117–146.

  • Part I: Peter Stadler: Absolute Chronology p. 117-131
  • Part II: Elisabeth Ruttkay: Kommentare zur aktuellen Chronologie der MOG aus typologischer Sicht; p. 131-144. (mit 8 Tafeln zu den einzelnen Kulturen; auch einem 2-henkeligen "Mondseekrug")
  • In der Grafik legen Stadler und Ruttkay das Epi-Lengyel weiter nach hinten (~4.100 BC) und den Beginn von Mondsee auf etwa 4.000 v. Chr.
  • Mit einer Zeittafel (vgl. die nebenstehende Abbildung) von Krenn-Leeb, Grömer und Stadler (2006) und 8 typologischen Tafeln von Ruttkay.
  • Ruttkay sieht S. 131 überhaupt nur für die allerälteste Phase MOG Ia0 eine Verbindung von Ostösterreich mit den südöstlichen Nachbarn. Damit gibt es auch keine Verwandtschaft mit Mondsee, das nun nach Epi-Lengyel um etwa 4.000 v. Chr. parallel mit Baalberg angeführt wird.
  • Ruttkay geht aber bereits 1997 detaillierter auf „verzierte inkrustinierte Ware“ ein: → Ruttkay 1997, Elisabeth: Zur jungneolithischen Furchenstichkeramik im östlichen Mitteleuropa. – Studia honoraria, 1 (Festschrift für B. Hänsel): Espelkamp-Berlin; 1997:165–180.

Posthume Ehrung Ruttkays 2014 mit 14C-Datierung des Epi-Lengyel

Ruttkay 2014, Elisabeth (✝ 2009); Teschler-Nicola, M; Stadler, P.: → Eine epilengyelzeitliche Speichergrube mit Schädelnest aus Sommerein-Fuchsbicheläcker, Bruck/Leitha, NÖ. Archäologie Österreichs Spezial 3, 2014:149–170.

  • "Ruttkay hatte schon 2006 ersucht, eine genauere Datierung des Epi-Lenygel mittels Datierung der Skelettfunde vorzunehmen. Dieser Wunsch Ruttkays wurde ihr posthum mit der vorliegenden Arbeit erfüllt:" Die Dauer des Epi-Lengyel ist damit auf 4.115 bis 4025 v.Chr. zu datieren (S. 168: Abb. 17).
    Dieser Zeitraum passt auch deutlich besser zum Ende der Welt Südosteuropas und die damit zusammenhängenden Auswirkungen auf das Lengyel und den Beginn des Epi-Lengyel.

Ruttkay trennt die Mondsee- endgültig von der bronzezeitlichen Attersee-Gruppe (1982)

Ruttkay 1982, Elisabeth: Archäologisches Fundmaterial aus den Stationen Abtsdorf I, Abtsdorf II und Weyregg I. FÖ 21, 1982:19–23.

Ruttkay: „Abtsdorf I ist somit die erste und einzige Station der oö Pfahlbaustationen, die ausschließlich bronzezeitliche Funde ergab. Für Abtsdorf I liegt auch ein C-14-Datum vor, welches die archäologische Datierung der Siedlung vollkommen bestätigt: VRI-735, Attersee-Serie 183/1–1981: 3180 ± 90 = Kalenderjahr 1.500 ± 100–50 v. Chr.“

"Beiträge zur Typologie und Chronologie der Salzkammergut-Stationen" 1990

Neue Mondsee-Typologie und Gusslöffel aus Misling

Ruttkay 1990, E.: Beiträge zur Typologie und Chronologie der Siedlungen in den Salzkammergutseen. In: Höneisen, M.: Die ersten Bauern, Pfahlbaufunde Europas 2. Schweizerisches Landesmuseum Zürich; 1990:111–121.

Es ist von großem – auch wissenschaftshistorischem – Interesse, dass Elisabeth Ruttkay neun Jahre nach ihrer ersten „Typologie und Chronologie“ der Mondsee-Gruppe erneut den gleichen Titel für ihre Arbeit wählt. Es kommen nun auch deutlich andere Formen der „Mondsee-Krüge“ vor, was wohl auch auf ihrer Beschäftigung mit dem „Ende der Donauländischen Welt und Südosteuropa“ (siehe gleich weiter unten) zu tun hat. Es kommt auch zu einer klaren Trennung in verzierte und unverzierte Ware. Dass sie den Gusslöffel von Misling wählt, lässt viel zu ihrer Gedankenarbeit vermuten.

Weiters befasst sich hier Ruttkay mit jungneolithischen Keramiken von Ossarn und den Gruben Wendl sowie Raab (NÖ), aber auch mit der Keramik der Lasinja-Kultur (Keutschachersee, Kärnten). Weiters bringt sie – erstmals – ausgewählte, bronzezeitliche, typologische Keramik aus Abtsdorf I sowie Bronzefunde aus Seewalchen (Messer und Rasiermesser).

Indem sie erstmals eine „Besiedlungsgeschichte des Salzkammergutes“ beschreibt, in der sie die verzierte Ware als „Fremdkörper“ bezeichnet, die unverzierte Ware einem anderen Verwandtschaftskreis zuweist und eine klare Trennung zur Bronzezeit (Abtsdorf I; vereinzelte Funde in anderen Stationen wie Seewalchen) formuliert, zeichnet sie ein völlig neues Bild der Entwicklung der Pfahlbaukultur der Seen.

  • Ruttkay listet hier 23 Stationen an Mond- und Attersee auf. Sie lässt die Frage nach der Herkunft der verzierten Mondsee-Ware als der „kennzeichnenden“ Keramik der Gruppe offen. Bei neueren Grabungen (Kunze in See), bei denen alle Scherben aufgehoben wurden, zeigt sich klar, dass die Menge der unverzierten Gefäße die der verzierten mehrfach übertrifft. Das Wesentliche für die Mondsee-Gruppe ist die unverzierte Keramik, da sie ihren Verwandtschaftskreis bestimmt; die verzierte Ware ist ein „Fremdkörper“. Auch in Baalberger Siedlungen in Südmähren und im norddanubischen NÖ erscheint die furchenstichverzierte Keramik als „Fremdkörper“. Diese Verzierungstechnik kam nicht schlagartig, sondern zögernd im östlichen Mitteleuropa im Lengyel-Milieu auf; der Ursprung dieser Technik konnte noch nicht bestimmt werden.
  • Wegen fehlender Stratigraphien kann eine relativchronologische Ordnung nur durch typologische Sortierung erfolgen (vgl. die Abbildung; siehe v.a. den Mislinger Gusslöffel rechts oben). Damit ergibt sich nach Ruttkay für die Besiedlungsgeschichte des Salzkammergutes: „Vom Ende des 38. bis zum Anfang des 34. Jh. v. Chr. lebte die jungneolithische Mondsee-Gruppe an den Ufern der Seen. In der 2. Jt.-Hälfte fehlen dann 14C-Daten. In dieser Zeit gibt es in NÖ die Badener Kultur (Ossarn) und es ist möglich, dass das „landfazielle Mondsee“ (Anm.: Land-, Höhensiedlungen) diese Zeitspanne in Anspruch nehmen wird. Ab dem 31. Jh. sind wieder Siedlungsaktivitäten an den Seeufern bemerkbar."
  • Ruttkay bringt auf S. 112 drei Beispiele von Keramik aus Ossarn (Gruben Wendl und Raab), die Mondsee-Importe aufweisen. Auf S. 114 bringt sie ausgewählte Funde der "Attersee"-Gruppe (insbes. Abtsdorf I; zwei Bronzefunde aus Seewalchen I: Dolch und Rasiermesser).
  • Auf S. 115 bringt Ruttkay Keramik der Lasinja-Kultur (Keutschachersee, Kärnten), „um die Eigenständigkeit dieser Keramik gegenüber den Salzkammergutstationen zu illustrieren.“
  • Zu einer Wiederbelegung nach rd. einem Jahrtausend kam es in der Übergangszeit BZ A2/B1 (Bronzezeit), die in Abtsdorf I ein einziges 14C-Datum (unkalibriert 3180 BP; kal. 17.-15. Jh. v. Chr.) besitzt. Für die Spätbronzezeit der Seeufersiedlungen stehen uns weder ausreichende typologische Untersuchungen noch absolutchronologische Datierungen zur Verfügung.

Vor-Informationen zu „Das Ende der Donauländischen Welt und Südosteuropa“ 1991

Vor-Information 1: Ruttkay 1976 erstmals zum Epi-Lengyel-Horizont in Österreich

Ruttkay 1976, E.: Beitrag zum Problem des Epi-Lengyel-Horizontes in Österreich. FS Pittioni. ArchA., Beiheft 13, 1976:285–319.

Einhenkeliger Krug Schleinbach NÖ

Zum Epi-Lengyel liegen 1976 nur wenige Siedlungen vor. Der Henkelbecher ist die wichtigste Form; er hat gut abgesetzten Boden, gequetscht-kugeligen Bauch, zylindrischen Hals und gerade abgeschnittenen Rand. Die Henkel sind ausnahmelos randständig, nie hochgezogen. Besonders charakteristisch ist das sorgfältige Einfügen des Henkels in den Rand und den Bauchumbruch. Diese Krüge kommen auch in Ungarn und im unteren Donautal vor. Möglicherweise sind manche Formen nicht als Lengyel-Erbe anzusprechen, sondern muss man ihren Ursprung im Zentral- und Ostbalkan suchen. Die verzierte Keramik zeigt eingeritzte Linienbündel auf der Schulter und ist auch bei der slowenischen Lasinja-Kultur bekannt. Das Material ist mit der ungarischen Hochkupferzeit etwa gleichzeitig und steht mit Mähren und der slawonsichen Lasinja-Kultur in Verbindung. Es gibt einen Zusammenhang mit Kanzianberg und Münchshöfen, etwas loser zu Balaton I und der Lasinja-Kultur Kroatiens.

Es ist hier Ruttkay (noch) "nicht möglich, die südöstlichen Beziehungen – die besonders durch den zweihenkeligen Becher zum Ausdruck kommt – einzubeziehen, obwohl ihr diese als sehr wichtig erscheinen. Das mittelneolithische, einheimische Substrat wird in dieser Zeit durch südöstliche Impulse stark verändert. Erst durch das zusammenhängende Verbreitungsgebiet des Epi-Lengyel-Komplexes werden die starken südöstlichen Beziehungen von Münchshöfen und die frühen Kupferfunde südlicher Provenienz im Norden verständlich."

Im Inventar des Fundes Bisamberg befinden sich Schmelztiegelfragmente und Schlacken. Sie sind Zeugnisse einer im Lande tätigen Kupfergießerei. Ein gleichzeitiger Nachweis von Salzburg-Maxglan ist bekannt (Hell 1954). Das Epi-Lengyel ist allgemein durch das Auftreten von Kupfergegenständen ausgezeichnet. Auch im süddeutschen Raum fallen die ersten Kupferfunde etwa in dieser Zeit.


Vor-Information 2: Regionale Absolut-Chronologie (Obeneder 1989)

Regionale Absolut-Chronologie von der Schweiz bis Schwarzes Meer in cal BC

Obereder 1989, Jörg: → Die Jungneolithische Siedlung Raababerg bei Graz. Diplomarbeit Univ. Wien (bei Prof. Friesinger), 1989, 244 Seiten. Link zu den → drei Fußnoten

Die Fortschritte der Dendrochronologie und den dadurch ermöglichten Präzisionskalibrierungen von 14C-Werten erlauben erstmals eine Typologie-unabhängige Chronologie aufzubauen [183].

Während für die Schweiz und Südwestdeutschland derartige Chronologien bereits vorliegen und für Mitteleuropa nördlich der Alpen eine Übersicht aufgrund kalibrierter Daten zusammengestellt wurde, kann man für die südöstlichen Gebiete nunmehr auch viele unkalibrierte 14C-Daten heranziehen, die jedoch unkalibriert sind [184].

Um eine entsprechende Übersicht für das frühe Jungneolithikum zu erhalten, wurden daher neben den Daten aus den oben genannten Arbeiten einige Ergänzungen berücksichtigt und sämtliche Einzelwerte einheitlich nach den von Gilot und Mahieu 1987 publizierten Angaben kalibriert [185]. Das so erhaltene Ergebnis wurde in ein absolutchronologisches Schema gebracht (siehe die nebenstehende Abb. 7).

Kulturen: Egolzwil, Wauwil, Cortaillod, Pfyn, Twann, Münchshöfen, Epilengyel, Mondsee, Boleráz, Baden, Gumelnita, Cucuteni, Tripolje, Bodrogkeresztur usw.


Vor-Information 3: Äneolithische Kulturen und Sălcuţa-Kultur in SO-Europa

Eneolithic cultures distribution map from Southeastern Europe (after Pătroi 2013)
Krug aus Sălcuţa (nach D. Berciu, 1961)

Pătroi 2013, Cătălin Nicolae: → About the Sălcuţa Eneolithic culture. Annales d’Université Valahia Targoviste, Tome XV, No 1, 2013:117–140.

Der Name der Sălcuța-Äneolithikum-Gemeinschaften stammt von der gleichnamigen Siedlung im Kreis Dolj. Ihr Verbreitungsgebiet umfasst Oltenien, das östliche Banat, Nordwestbulgarien und Nordostserbien; ähnliche Gemeinschaften gibt es auch in Mazedonien und Albanien (vgl. die Abb.).

Die Sălçuţa-Kultur ist Teil eines großen äneolithischen Komplexes, zusammen mit den Gruppen von Krivodol (Bulgarien) und Bubanj (Serbien). Die besten Analogien für Elemente der materiellen Kultur finden sich in der Gumelniţa-Kultur.

In der nebenstehenden Abbildung wird das Verbreitungsgebiet der Salcuta-Krivodol-Bubanj-Kultur dargestellt, sowie die benachbarten Kulturen Gumelnita, Karanovo VI, Tripolje und Cucuteni sowie Vinca und Tiszapolgar. Vor allem aber ist auch der Auslöser der Bewegung für diese Gruppen durch die Ankunft der Suvorovo-Gruppe im Donau-Delta dargestellt.

Die für die Sălcuţa-Kultur charakteristischen Gegenstände ähneln in Form und Design den Funden aus der Gumelniţa-Kultur. Die Evolutionsphase Sălcuţa IV wird als letzte Evolutionsstufe der Sălcuţa-Kultur angesehen, obwohl die entdeckten Gegenstände (Henkelkeramik, … das Motiv der Spirale) zeigen, dass es sich um ein neues Kulturphänomen handelt.

Die Entwicklung der Salcuța-Kultur und die Entwicklungsperioden der Salcuța-Bubanj-Krivodol-Kultur ist durch mehrere spezifische Elemente gekennzeichnet, nämlich:

  • Intensivierung des Kupferbergbaus in Rudna Glava, Ai Bunar und Kupferverarbeitung in großem Umfang;
  • Funktion als Filter und dann als Überträger für die südlichen Einflüsse dieser Elemente auf große Gebiete;
  • Wanderungen indoeuropäischer Völker (Suvorovo) aus den Steppen in den karpatho-danubisch-pontischen Raum.

Die Entwicklung der Sălcuța-Kultur erfolgt gleichzeitig mit dem Beginn eines langen und langwierigen Prozesses der kulturellen Vereinheitlichung, der sich auf die siebenbürgischen Kupfergebiete und die Bemalung von Keramik konzentriert.

Wenn die Daten für den nördlichen Donauraum zwischen 4451-3980 cal. B.P. konvergieren, fallen die Daten für den nord-westlichen Teil Bulgariens zwischen 4330 - 4020 cal. B. P. Nach dem gegenwärtigen Stand der Forschungen und Informationen, die wir kennen, glauben wir, dass wir über die Sălcuţa-Kultur als ein Gumelniţa-Kulturphänomen sprechen können.


Georgieva 2007, Petya: → Late Stages of the Sălcuţa-Krivodol Culture. Gerda Henkel Stiftung, Sofia 2007:229–337.
In dieser Veröffentlichung werden auf den Seiten 332–334 Abbildungen der zweihenkeligen Henkelkrüge gebracht, die später ident an der mittleren Donau und auch im niederösterreichischen Raum auftauchen.


Todorova 1975, Henrieta und Tonceva, G.: Die äneolithische Pfahlbausiedlung bei Ezerovo im Varnasee. In: Germania, Bd. 53, 1975:30–46.
Hier beschreibt Todorova die Funde am Varnasee sowie die Keramik, die mit Graphit überzogen worden ist. In Rillen der Keramik sind Spuren von weißer oder roter Inkrustination vorhanden, sodass die Keramik immer schwarz-weiß-rot gewirkt hat. Häufig wird dieses Muster mit horizontalen Graphitlinien am Gefäßhals kombiniert.
„Ezerovo war eines der größten Produktions-, Gesellschafts-, Kultur-, aber vor allem Handelszentrum dieser Zeit, in erster Linie wohl dank der günstigen geographischen Lage. In einer Zeit, wo man den Wagen noch nicht kannte und der Transport auf dem Wasserweg der günstigste und schnellste war, müssen die an der Schwarzmeerküste liegenden Pfahlbausiedlungen eine sehr bedeutende Rolle gespielt und intensive Kontakte mit verschiedenen, z. T. weit entfernten Gebieten unterhalten haben.“


  • Mit dem folgenden Link wird auf die faszinierende CUCUTENI-Kultur dieser Epoche (Phase A: 4.600–4.100 v. Chr.) hingewiesen:
    Lazarovici 2009, Cornelia-Magda et. al.: → Cucuteni – A Great Civilization of the Prehistoric World. Palatul Culturii Publishing House. Hrsg. Moldavia Ministry and Romanian Academy. 352 Seiten mit sehr vielen faszinierenden Abbildungen.

Vor-Information 4: Ruttkay erforscht 1985 die Fernbeziehungen nach SO-Europa

Ruttkay 1985, Elisabeth: Fernbeziehungen im neolithischen Europa. Mitt. Anthrop. Ges. Wien, Bd. 115, 1985:139–162.

Ruttkay behandelt in dieser Arbeit einerseits die Fernbeziehungen zwischen mittlerer Donau [etwa unser Raum bis zum Eisernen Tor] und unterer Donau zu Beginn des 4. Jahrtausends, andererseits die noch weiträumigeren Beziehungen gegen Ende des 4. Jt. zwischen Südost-Europa bis nach Mitteldeutschland.

Für den – uns interessierenden – ersten Abschnitt kommt sie auf S. 141 zum Schluss, dass „… die Kommunikation zwischen den verschiedenen archäologischen Kulturgruppen der Donauländer eine Gleichgesinnung der Gruppen in der kultisch-religiösen Welt zeigt. Die bemaltkeramischen Kulturen an der unteren Donau, Gumelnita, Salcuta-Krivodol und die Lengyel-Kultur, auch die Vinca-Kultur, liefern uns Hinterlassenschaften aus der ersten Hälfte des 4. Jahrtausends, die trotz z. T. unterschiedlicher Abstammung, unterschiedlicher Geschirrserien und Siedlungsgewohnheiten die Vorstellung der Zusammengehörigkeit dieser Gruppen auf der Ebene des Kultes vermitteln.“

Auf S. 149 ff. geht sie auch auf den Kupferhandel ein und meint, dass dieser nicht in Form von Erz, sondern in Form von Barren erfolgt ist. Die Verbreitung erfolgte von den Produzenten an die Konsumenten und wurde von diesen an weitere Konsumenten usw. weitergegeben.


Vgl- hierzu auch: Bakker 1988, J. A.: Prehistoric long-distance roads in North-West Europe. In: Lichardus (Hrsg.): Die Kupferzeit als historische Epoche. Saarbrücker Beiträge zur Altertumskunde. Bd. 55, Verlag Habelt, Bonn 1991:505–528.

  • Es gab immer enorm weite Fernbeziehungen (z. B. Spondylus-Muscheln von Ägäis bis Paris; Ai Bunar-Erz ins Tripolye-Gebiet – u. U. über das Meer via den Hafen von Varna; Feuerstein von Dänemark nach Nörrland/Schweden). Bzgl. unterschiedlicher Routen zw. 2 Punkten können unterschieden werden die schnellste, kürzeste, einfachste und sicherste. Weiters ergibt es einen Unterschied, ob Waren von Menschen oder z.B. von Ochsen getragen wurden. Die schnellste und am wenigsten anstrengende Route war wohl das Befahren eines Flusses – zumindest bergab. Ebenso günstig war ein Transport über das Meer – was sich auch in der raschen neolithiscchen Besiedlung der Mittelmeer-Regionen zeigte.

Vor-Information 5: Steppenbewegungen als Auslöser der SO-Migrationen

Preuß 1999, J.: Balaton-Lasinja-Kultur. In: Preuss, J. (Hrsg.), Das Neolithikum in Mitteleuropa. Bd. 2, Kulturübersichten in alphabetischer Ordnung. Beier & Beran Weissbach 1999

Preuss schreibt ergänzend zum Beitrag N. Kalicz (Kap. B VIII): "… Die mit dieser Kultur (Balaton-Lasinja) zu verbindende Siedlungsdichte wird mit einer Einwanderung aus dem nördlichen und mittleren Balkan erklärt. Die in der materiellen Kultur festzustellenden Veränderungen gegenüber der vorausgehenden Lengyel-Kultur, die allerdings ihre Spuren im Fundgut hinterlassen hat, widerspiegelt diese Vorgänge recht anschaulich. Letzten Endes ist die Herausbildung dieser Kultur Folge der im Schwarzmeergebiet wirksam gewordenen „Steppenbewegungen“, die eine Kettenreaktion von Migrationen ausgelöst und im Pontus-Gebiet selbst zur Entstehung der Cernavoda I-Kultur geführt hatten."


Vor-Information 6: Ruttkay will noch 2006 genauere Datierung des Epi-Lengyel

Ruttkay 2014, Elisabeth (✝); Teschler-Nicola, M; Stadler, P.: → Eine epilengyelzeitliche Speichergrube mit Schädelnest aus Sommerein-Fuchsbicheläcker, Bruck/Leitha, NÖ. Archäologie Österreichs Spezial 3, 2014:149–170.

Ruttkay hatte schon 2006 ersucht, eine genauere Datierung des Epi-Lenygel mittels Datierung der Skelettfunde vorzunehmen. Dieser Wunsch Ruttkays wurde ihr posthum mit der vorliegenden Arbeit erfüllt: Die Dauer des Epi-Lengyel ist damit auf 4.115 bis 4025 v.Chr. zu datieren (S. 168: Tab. 17).

Diese Zeitdauer passt auch deutlich besser zum Ende der Welt Südosteuropas und die damit zusammenhängenden Auswirkungen auf das Lengyel und den Beginn des Epi-Lengyel.



Veröffentlichung: "Das Ende der Donauländischen Welt und Südosteuropa" 1991

Krug aus Sălcuţa (nach D. Berciu)
Abb. 7,4: Henkeltasse v. Bisamberg aus Sammlung von Manfred Kmoch
Typischer Krug der Mondseekultur

Ergebnis: Noch vor 4.000 v. Chr. gelangen Kupfer-Metallurgen mit hochstehender Keramik aus dem unteren Donautal zumindest bis nach NÖ, ohne die frühere Bevölkerung zu verdrängen.

Ruttkay 1991, E.: Das Ende der Donauländischen Welt und Südosteuropa. Mitt. Anthr. Ges. 121, Wien 1991:159–181. (Lizenz: "Gebrauch ist für Forschungszwecke gestattet.")

Dieser Link bringt ein Transskript zum → Ende der Donauländischen Welt und Südosteuropa.

Die Epi-Lengyelzeit ist um 4.030 v. Chr. (tatsächlich früher: siehe Vorinformation 6) durch fortschrittlichere Keramikformen (Henkeltasse, -krug) und vor allem durch fortschrittlichere technologische Kenntnisse (Kupfergießen) gekennzeichnet. Ruttkay betont, dass diese Fortschritte nicht durch die Übersiedlung ganzer Menschengruppen aus einem höherstehenden Gebiet zurückzuführen ist; es ist im Gegenteil von einer kontinuierlichen autochthonen Entwicklung auszugehen. Die offensichtliche Veränderung ist wohl in erhöhter Mobilität zu sehen, deren Ursache in der Kupferversorgung Mitteleuropas zu suchen ist.

Dem Salcuta-Bubanj-Krivodol-Komplex gehören drei miteinander eng verwandte Kulturen an. Die Salcuta-Kultur in Siebenbürgen, Banat und Oltenien; die Bubanj-Kultur in Ostserbien, Kosovo, Albanien und Pelagonien; die Krivodol-Kultur in Nordwest-Bulgarien.

Von diesem Gesamtkomplex („Salcuta-Komplex“) sind bedeutsame Impulse auf die Epi-Lengyel-Kultur (Böhmen, Mähren, Südwest-Slowakei, Transdanubien, Alpenostrand in Steiermark, Kärnten, Slowenien und Kroatien) wahrnehmbar.

Ruttkay schreibt auf S. 166/9: Es erscheinen in der Epilengyel-Zeit des östlichen Alpenvorlandes Typologien, die sich aus der einheimischen Entwicklung nicht ableiten lassen. Die deutlichsten Typen, die aus der Fremde kamen, sind die zweihenkelige Tasse (Abb. 2,2) und der Becher mit asymmetrischem Henkel (Abb. 7,4). Dazu kommen als „Fremdlinge“ – unter anderem – eine lineare Verzierung der Schüsselränder (Abb. 4,1), sowie umlaufende Halsverzierung (Abb. 7,1; 7,4; 7,7), Flechtmuster (Abb. 4.1 und Abb. 7,7) und schräge, alternierend angebrachte Linienbündel (Abb. 7,1). Auch das Glutgefäß (Abb. 6,6) kann wegen seines häufigen Auftretens im Fundgut als Zeichen auswärtiger Impulse gelten.

Ruttkay S. 169: Da nicht nur die zweihenkelige Tasse, sondern auch der seltene Becher mit asymmetrischem Henkel zu den Neuerungen des epilengyelzeitlichen östlichen Alpenvorlandes gehört (Abb. 7,4) und der in Siedlungen des Salcuta-Komplexes nachgewiesen ist (Djakovo, Telis) (vgl. Georgiev 1981; Cochadziev 1984; Gergov 1987; Kalicz-Schreiber 1991), bestimmt dies in großen Zügen die Richtung, wo man das Ursprungsgebiet der zweihenkeligen Tasse suchen sollte. Die zweihenkeligen Tassen des östlichen Alpenvorlandes haben ihre besten Entsprechungen in den zweihenkeligen Tassen der graphitbemalten Keramik.

Zusammenfassend stellt Ruttkay fest, dass die auswärtigen Beziehungen der Epilengyel-Gruppe, die anhand der oben angeführten keramischen Qualitäten wahrgenommen wurden, nicht ausreichen, um eine Einwanderung von Volksgruppen aus dem vermeintlichen Ursprungsland der graphitbemalten Keramik, nachweisen zu können. Dazu fehlen Geschirrserien (Typenfronten), die im Epilengyelgebiet gleichermaßen vorhanden sein müssten wie im Ursprungsland.

Da das Verbreitungsgebiet des Salcuta-Komplexes sich nicht in unmittelbarer Nachbarschaft des östlichen Alpenvorlandes befindet, sind diese Neuerungen kein „Durchsickern“. Es bleibt daher nur die Möglichkeit, die in der Keramik festgestellten Fremdelemente auf Handels-Mobilität zurückzuführen. Da die Epilengyel-Zeit gegenüber der ganzen vorangehenden Entwicklung durch reiche Kupferverwendung gekennzeichnet ist, war es wohl der Handel mit Kupfer (siehe hierzu die gleich anschließende Veröffentlichung von Hauptmann/Ruttkay 1991).

Wie umfangreiche metallurgische Untersuchungen von Evgenij N. Cernykh gezeigt haben, verlagerte sich der Schwerpunkt der Erzgewinnung am Balkan auf die Erze des Nordbalkans.



Weitere Forschungen Ruttkays zum Entstehen der „Mondsee-Gruppe“ 1991/97

Hauptmann 1991, Andreas; Ruttkay, Elisabeth: Untersuchung von epilengyelzeitlichen Gußlöffelfragmenten von Bisamberg-Hochfeld, Wien-Umgebung, NÖ. Mitt. Anthrop. Ges. 121, 1991:182–184.

Die Tiegelfragmente stellen den ältesten Nachweis einheimischer metallurgischer Tätigkeit dar, der an die Wende des 5. zum 4. Jt. v. Chr. datiert wird. Das Kupfer enthält auch Spuren von Zink, Blei, Kobalt und Antimon – und ist damit kein „Mondseekupfer“.

Damit erbringt Ruttkay einerseits den Nachweis, dass erst mit dem Epi-Lengyel Metallurgen im österreichischen Raum anwesend sind, andererseits dass diese – noch – kein Mondseekupfer hatten.


Ruttkay 1991, E.: → Höbenbach/Krems. Mittelneolithische Kontakte NÖs mit Niederbayern. Ann. NHM Wien, Bd. 92 A, 1991:105–124.

⇒ Ruttkay trennt hier Hells Salzburger Siedlungen von der Mondsee-Gruppe.
[Anm.: Maxglan und Rainberg haben mit Salzach–Donau einfachen Zugang zu den nö Siedlungen.]

Henkeltasse auf Tafel 1/1; nicht 1/2 lt. Ruttkay

Ruttkay schreibt auf S. 105: "Beide Gruben erlauben, die Siedlung von Höbenbach/Krems mit bayerischen Kulturgruppen in Beziehung zu setzen, was für das Neolithikum Niederösterreichs selten gelingt."

Ruttkay S. 118 f.: „Die meisten [in NÖ] vorkommenden Tonwaren sind Nachweise eines Importes. Sie sollten aus einer Gegend hierher gelangt sein, wo die kennzeichnende Verzierung beheimatet ist, aus Niederbayern. Dieser Gruppe könnten auch der Becher von Salzburg-Maxglan (Hell 1954) und vielleicht weitere schnittverzierte Fragmente (Hell 1953) zugeteilt werden. In diese Stufe ließen sich auch das Bruchstück aus der Rössener Kultur (Hell 1954), die „lengyeloiden“ Becher und wahrscheinlich auch die Trichterrandschüssel (Hell 1965) von Maxglan unterbringen.“ Und: „Es wird angenommen, dass die mittelneolithische schnittverzierte Keramik in Niederösterreich ein Import aus Niederbayern ist. In Österreich war die hier diskutierte stich- und schnittverzierte Keramik bisher unbekannt.“

Ruttkay S. 108: Als Einzelfund aus 1927 von Höbenbach, wurde 1942 (von Beninger) eine Henkeltasse mit überrandständigem, hochgezogenem Henkel von der Prähist. Abt. angekauft (Abb. 6/1; Tafel 1/1 [nicht 1/2 lt. Ruttkay]), die sowohl in den niederösterreichischen Gruppen als auch in Altheim vorkommt. Damit kommt Ruttkay abschließend (S. 116) zum Schluss: „Es ist festzuhalten, dass das süddanubische Niederösterreich westlich des Wienerwaldes nicht nur im Mittelneolithikum, sondern auch im Jungneolithikum in einen Kreis überregionaler Kontakte eingeschaltet ist.“

Nachfolgend werden die Literaturstellen zu den vergleichenden Abbildungen dieser Henkeltasse gebracht:

  • Ruttkay (1991, Höbenbach): Abb. 6, 1; Tafel 1/1 (nicht Tafel 1/2).
  • Pittioni (1954, Badener Gruppe, Mittlere Phase): Abbildungen auf SS. 195, 196, 198, 206.
  • Driehaus (1960, Altheim): Tafel 32/1, 2; Tafel 57/7 (nicht Tafel 1 lt. Ruttkay).

Ruttkay 1997, E.: Jungneolithische Furchenstichkeramik im östlichen Mitteleuropa (FS B. Hänsel). Espelkamp-Berlin, 1997:165–180.

  • Einleitung: Im östlichen Mitteleuropa sind mit dem „Ende der Donauländischen Welt“ und dem Einsetzen des Jungneolithikums vielfältige Strukturänderungen verbunden. Typologisch sind die frühe Kupfermetallurgie und die allgemeine Benutzung einhenkeligen Trinkgeschirrs (Henkelschale, Krug). Beides ist wohl auf andauernde Beeinflussung von außen zurückzuführen. Die Studie beschäftigt sich mit der an die Epilengyelzeit unmittelbar anschließende Periode, bei der die Donauländische Welt immer noch deutlich spürbar ist. Das mit Furchenstich verzierte Krüglein ist das „Leitfossil“ der Zeit [FN 3].
    • Fußnote 3: „Seit 1989 beschäftigt sich ein interdisziplinäres FWF- und ÖNB-Projekt mit den jungneolithischen Pfahlbausiedlungen der Mondsee-Gruppe in den oö Salzkammergutseen. Eine der den Archäologen gestellten Fragen lautet: Wie ist die genannte Gruppe entstanden? Um diese Frage beantworten zu können, sind eingehende chronologische Untersuchungen nicht nur der Mondsee-Ware, sondern auch der ihr verwandten Keramiken erforderlich. Vorliegender Beitrag ist ein Teil des genannten Forschungsvorhabens.“
  • S. 175: Belege für die frühe Kupfermetallurgie sind „ein Erbe des einheimischen Epilengyelsubstrates, somit muss sie in Zusammenhang mit dem balkanisch-karpatischen metallurgischen Bereich gesehen werden [Ruttkay 1985, Strahm 1994, Hauptmann/Ruttkay 1991].
  • Ruttkay befasst sich in dieser Arbeit mit Furchenstich und Inkrustierung und bringt dazu sieben Abbildungen u.a. von der „Rebensteiner Mauer“ [ohne Furchenstich], Retz, Mödling, Hollabrunn, Mannersdorf, Ossarn, Slowakei, dem Gajary-Stil und der Bodrogkeresztur-Kultur (Slowakei, Ungarn und Rumänien).
    Überzeugende Ähnlichkeiten zu dem mit Furchenstich verzierten Krüglein, dem „Leitfossil“ der Zeit (S. 165) und der Mondsee-Gruppe sind wenig/nicht zu erkennen.
    [Anm.: Ruttkay verwirft in ihrer Veröffentlichung 2004 (mit Pernicka und Pucher) die Zusammen-Gehörigkeit der angeführten Stationen zur Mondsee-Gruppe.]

Das FWF-ÖNB-PFAHLBAUPROJEKT von Elisabeth Ruttkay (1989-1995)

  • Univ.-Prof. Dr. Herwig Friesinger (Mai 2013): „… es wäre durchaus wünschenswert, dass in weiterer Folge auch die übrigen Materialien, aufgeschlüsselt in einzelne Publikationen, in den MPK erscheinen. So könnte man eine wissenschaftliche Schuld Österreichs abtragen und den Wunsch von Frau Elisabeth Ruttkay erfüllen, die diese Aufgabe als Lebenszweck ihrer späten Jahre ansah.“ (Vorwort in → MPK Bd. 81, 2013:7)

Hoffnungen von Jahrfünft geförderter Pfahlbauforschung 1989–1995

Nachfolgend wird das Transkript des Berichts von E. Ruttkay in Zs. Arche 1995 zu einem halben Jahrzehnt intensiv geförderter interdisziplinärer Forschungen des → Pfahlbauprojekts von FWF und ÖNB unter dem Titel „Neue Hoffnungen. Das Pfahlbauprojekt von FWF und ÖNB-Jubiläumsfonds“ gebracht, in der auch mehrere Veröffentlichungen (vgl. die folgende Auflistung) zu den Forschungen angekündigt werden. Der Forschungsaufwand betrug 50–70 Personenjahre.

  • Pucher, Erich: Archäozoologische Bestimmung der neu zutage geförderten Tierknochen aus der Station See/Mondsee.
  • Bachner Margit: Erfassung und Untersuchung der Altfunde der Muchsammlung (Wiener Dissertation)
  • Keramikfunde der Grabungen Offenberger und Kunze (Vorlage als Kataloge erfolgt bzw. z.T. im Druck)
  • Antl-Weiser, Walpurga: Die Silices der Station Mondsee (über 2000 Stücke; es gibt bereits Manuskript)
  • Holzer, Veronika: Die Schnüre und Geflechte der Station Mondsee (es gibt bereits Manuskript)
    [Mitarbeit am Pfahlbauprojekt der Prähistor. Abt. des NHM (P1985-HIS), Leitung E. Ruttkay. Grafische Dokumentation Fundmaterialien und wissenschaftl. Aufarbeitung Schnüre und Geflechte der Station Mondsee und Steinbeile und Keramik von Misling I und II.]
  • Obereder 1993, Pernicka, Ruttkay: Metallfunde aus Kupfer und Bronze aller Stationen (Manuskript wird noch bearbeitet)
  • Monographische Bearbeitungen der Attersee-Stationen; Beginn mit der Aufnahme der Stationen von Misling und Seewalchen
  • Kataloge aller Funde: es liegen bereits die Tuschzeichnungen und computermäßig erfassten Kataloge aller Funde vor
  • die Aufarbeitung von Misling durch Veronika Holzer ist fast fertig
  • künftig sollen die neuentdeckten Stationen Abtsdorf 1, 2 und 3, Aufham 2, Kammer, Litzlberg, Litzlberg Nord 1 und 2, Nußdorf) aufgearbeitet werden

Die Berichte werden in den Mitteilungen der Prähistorischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften erscheinen.


Die erzielten Forschungsergebnisse bis 2020

Pawlik 1993, P.: Die botanische Untersuchung der jungneolithischen Feuchtbodensiedlung Station See am Mondsee, OÖ. Teilergebnisse.
Unpublizierter Bericht für das Pfahlbauprojekt.

Pucher 1997, Erich und Engl, Kurt: Studien zur Pfahlbauforschung in Österreich. Materialien I - Die Pfahlbaustationen des Mondsees: Tierknochenfunde. Mitt. d. Prähistor. Komm. Bd. 33. Öst. AdW 1997. 151 Seiten.

Lochner 1997, Michaela: Studien zur Pfahlbauforschung in Österreich. Materialien I – Die Pfahlbaustationen des Mondsees: Keramik. Mitt. d. Prähistor. Komm. Bd. 32, Öst. AdW 1997, 395 Seiten

Bachner 2002, Margit: Die Keramik der Seeuferstation See/Mondsee - Slg. Much, Inst. f. Ur- und Frühgeschichte, Diss., 3 Bände: Text, Katalog, Tafeln; Wien 2002. [Anm.: Doktorat bei Mondsee-Protegé Prof. Herwig Friesinger]

  • Margit Bachner ordnet alles, was Willvonseder, Beninger, Hell, Lippert, Mitterkalkgruber, Schmitsberger je als „mondseeisch“ angeführt haben, zur „Mondseegruppe“. Sie behandelt auf 110 Seiten Text hauptsächlich die Keramik, aber auch die Stein-, Knochen- und Geweih-Artefakte; weiters die organischen Reste, die Kupfergegenstände und die Tierknochenfunde. Mit „aufopfernder“ Hingabe hat Bachner alle verfügbaren Funde mit größter Sorgfalt im Katalog bemaßt sowie morphologisch eingeordnet und auf 133 Tafeln in außerordentlicher Detailgenauigkeit abgebildet.
  • Bachner; S. 86 Zur Herkunft der Mondsee-Kultur: „Neuere Funde belegen eine engere Anknüpfung auch an die Pfyner Kultur, wie beispielsweise mehrere Gusstiegelfragmente aus dem rechtsrheinischen Gebiet der Pfyner Kultur, der Kupferdolch von Schorrenried bei Reute und eine Kupferspirale von Niederwil „Egelsee“ in der Schweiz (Winiger 1981), alles Typen die in der Mondsee Gruppe ebenfalls vorkommen.“

Antl-Weiser 2006, Walpurga: Silexplatten als Grundform für Geräte in der Station See/Mondsee. FS Elisabeth Ruttkay. Arch. Austr. 2006:96-103.
Eine monographische Aufarbeitung des Silexmaterials von See/Mondsee stand 2006 kurz vor dem Abschluss; es blieb aber beim überblicksmäßigen Vorbericht.

  • Die Silexgeräte der Station See/Mondsee sind aus Fragmenten von dünnen Silexplatten hergestellt. Antl-Weiser vermutet als Herkunft Baiersdorf in Bayern, sie können aber auch mit Abensberg verglichen werden. Sie untersuchte aus Plattensilex: 38 Pfeilspitzen, 16 Sichelmesser, 47 Messer und 23 kleinere Werkstücke.

Reiter 2011, Violetta: → Die Steinbeile vom Mondsee/Station See aus der Sammlung Matthäus Much. Diplomarbeit Univ. Wien 2011; 634 Seiten: Bd. 1: 226 S. Text; Bd. 2: Katalog Tafeln 1–99: Bd. 3: Katalog Tafeln 100–199 und Anhang: Zusammenfassung und Lebenslauf. Achtung: 339 MB.

  • enthält auf S. 148 ff. auch Angaben zu → Materialien; mögliche Herkünfte entsprechend M. Götzinger: Götzinger 2008, Michael: Die Steinrohstoffe der Mondseebeile in Studiensammlung d. Inst. f. Ur- und Frühgeschichte der Univ. Wien, Archäologie Österreichs 19/2, 2008:39–42.

Reiter 2013, Violetta: Ressourcenmanagement im Pfahlbau. Technologie und Rohmaterial der Steinbeilklingen vom Mondsee, Mitt. Prähist. Komm. 81, 2 Bände: Text 156 S., Katalog 399 S.

Holzer 2020, Veronika: → Textilfunde aus der Seeufersiedlung See am Mondsee, Prähistorische Forschungen online (Hrsg.: Grömer, K.; Kern, A.: Anthrop. Ges., Wien), Bd. 10, 2020, 60 Seiten.)

  • Der von Dr. Veronika Holzer im Rahmen des „Pfahlbauprojektes“ erstellte Katalog mit der Auflistung aller ca. 100 Textilreste aus See/Mondsee lag seit 1996 druckfertig vor und wurde nun 2020 online veröffentlicht.

Holzer (in Vorbereitung), Veronika: Studien zur Pfahlbauforschung in Österreich. Materialien II - Die Pfahlbaustationen Misling I und Misling II / Attersee. Veröffentlichung geplant in MPK, Österr. AdW, Phil.-histor. Klasse.



Weitere Forschungen Ruttkays zur kupferzeitlichen Mondseegruppe 1993–1999

Obereder 1993, J.; Pernicka 1993, E.; Ruttkay, E.: → Die Metallfunde und die Metallurgie der kupferzeitlichen Mondseegruppe. Ein Vorbericht. Arch. Österreichs 4/2, 1993:5–9. Eine Langfassung wurde nicht mehr erstellt.

  • Pernicka setzte seine Forschungen ohne Ruttkay bis 2012 fort mit dem Ergebnis: Es gibt keine "passende" Kupfer-Arsen-Quelle für das Mondsee-Kupfer in Europa und Südost-Europa.
Rasiermesser Seewalchen um 1500 v.Chr.

Ruttkay 1996, E.: Rasiermesser Typus Padnal aus dem Pfahlbau von Seewalchen am Attersee. – Archäologie Österreichs 7/2, Wien 1996: 29–31.

  • Ist ein zweischneidiges Rasiermesser aus Bronze mit kreuzförmigem, flachem Griff und gedengelten Schneidekanten. Der zurückgebogene Griffteil ist eine „Fingerrast“. Die Länge ist in Oberansicht 8,5 cm, die Länge des zurückgebogenen Griffteils 1,5 cm, die Breite des Blattes ist 1,6 cm.
    Damit ist die oö, bronzezeitliche „Attersee-Gruppe“ (nach Willvonseder) rahmenmäßig mit Padnal bei Savognin in Graubünden gleichzeitig und gehört in die Bronzezeit mit dem Abtsdorf I – 14C-Datum 3180 ± 90 BP (= Kalenderjahr 1500 ± 100 v. Chr.). Ruttkay: „Die Zeit ist hier durch Ostbeziehungen gekennzeichnet. Das Rasiermesser von Seewalchen zeigt aber eine eindeutige Westorientierung an.“
Mondseetypologie 1997 (1) Gefäß und Gusslöffel vom Attersee (2) Henkelkrüge, Steinschmuck, Sichel, Tierplastik, Rundnacken-, Knaufhammeraxt (Mondsee) (3) Gefäße (Mondsee, endneolith.)

Offenberger 1997, J. & Ruttkay, E.: Pfahlbauforschung in den österreichischen Salzkammergutseen. In: Schlichtherle, H.: Pfahlbauten rund um die Alpen. Archäologie in Deutschland, Sonderheft, Stuttgart 1997:76–80.

Elisabeth Ruttkay hatte mit Johann Offenberger offenbar ein recht gutes Verhältnis, wenn sie gemeinsam mit ihm diese reputationsträchtige Arbeit zur österreichischen Pfahlbauforschung veröffentlicht, in der die Leistungen Offenbergers ausgiebig in positivem Licht dargestellt werden.

  • Attersee hat 23 jungneolithische Siedlungen (1 unsicher). Nur Abtsdorf I stammt aus entwickelter Früh- und früher Mittelbronzezeit; vereinzelt gibt es bronzezeitliche Gegenstände im Fundgut verschiedener Stationen (zeigen, dass auch die bronzezeitliche Besiedlung am Attersee in breiterem Umfang stattfand). Seespiegelanstieg um 3–4 m. Alle Siedlungen wurden am trockenen Ufer errichtet (außer Mooswinkel: landwärts steiler Berghang und seewärts steiler Abfall mit Pfählen für Plattform). Arsenhältiges „Mondsee“-Kupfer mit ganz wenig Verunreinigungen: 32 Flachbeile und 160 Gusstiegel aus Ton. Reichverzierte Tonware neben der einfachen Siedlungskeramik, diese mit Ähnlichkeit zu Pfyn und Altheim. See/M. zeigt Zweiphasigkeit der Siedlung; Aufham und Weyregg haben zwei durch Seekreide getrennte Kulturschichten. Viele der in älterer Literatur genannten Siedlungen müssen als gestört/zerstört gelten – auch am Westufer des Attersees (Anm.: Ausnahmen sind z.B. Litzlberg-Süd, Aufham, Nußdorf – insgesamt sind von 29 nur 7 Stationen gut erhalten).
  • Abbildungen in der Arbeit: a) der 23 Pfahlbausiedlungen in den Salzkammergutseen (Neolithikum, Bronzezeit); b) der 3 typologischen Perioden der Mondseegruppe mit Bemaßung (vgl. die nebenstehende Abbildung); c) der verzierten Keramik und tönernen Tierfiguren und Kalksteinschmuck; d) von Bronzenadeln und Kupferfunden.
  • Ein wissenschaftlicher Vergleich von Ruttkays Mondsee-Typologie 1997 (nebenstehende Abbildung) mit jener aus 1990 (siehe weiter oben) zeigt eine völlig veränderte Form der typischen "Mondsee-Krüge" im Abschnitt 2 der „klassischen Periode“ der Mondsee-Gruppe.

Ruttkay 1998, E.: Die Mondseegruppe (S. 344–350). 4. Abschnitt im Kapitel IX: Älteres Jungneolithikum im Gebiet der östlichen Ausläufer der Alpen. In: Preuß, J.: Das Neolithikum in Mitteleuropa. Bd. 1/2 Übersichten zum Stand der Forschung; Beier & Beran Weissbach 1999.

  • Abschnitte 1–3: Älteres Jungneolithikum: Anfangsphase (unbemaltes Lengyel; 3 Epi-Lengyel-Gruppen: Kanzianiberg-Lasinja mit Keutschacher See, Bisamberg-Oberpullendorf und Münchshöfen. Es gibt südöstliche Anregungen bes. in Bisamberg-Oberpullendorf: zweihenkelige Becher aus dem Gumelnita-Salcuta-Krivodol-Kreis und auch einheimische Kupfergießerei. Entwickelte Phase (Mährisch-Österreichisches Baalberge, Furchenstichkeramik, Scheibenhenkel). Geschlossene Komplexe mit Kupfer – Gold-Hortfund Stollhof.
  • Abschnitt 4: Die Mondseegruppe (Materielle Kultur und chronologische Einordnung – mit Gruppenkalibration: 3700–3100, Frühe Metallurgie)

Mit diesem Link wird ein kompaktes Exzerpt von Ruttkays → Mondsee-Gruppe 1998 gegeben.

Die Mondsee-Gruppe ist die erste neolithische Kultur im Salzkammergut. Die östliche Linienbandkeramik und auch die spätere Lengyel-Kultur gelangten nur bis zum Raum Linz. Vom Westen her erreichte die bayerische Oberlauterbach-Gruppe die Salzach und den Umkreis von Linz. Erst zur Epilengyelzeit wird die Nachbarschaft der Salzkammergutseen bei der Traun und im Raum Salzburg von der bayerischen Münchshöfener Gruppe besiedelt. Münchshöfener Elemente kommen aber in der Keramik der Mondsee-Gruppe nicht vor. Die Mondsee-Gruppe soll „nicht durch ihre verzierte Ware, sondern durch ihre Gebrauchskeramik charakterisiert werden.“

Wenngleich Driehaus Mondsee jünger als Altheim einstufte, gilt heute als sicher, „dass die Anfänge der Mondsee-Gruppe viel älter anzusetzen sind und Mondsee nicht als eine endneolithische Gruppe anzusprechen ist“, weil typologische Untersuchungen ebenso wie die 14C-Daten es eindeutig verlangen.

Die Siedlungen brechen im Endneolithikum ab, bis das Gebiet in der Zeit der entwickelten Frühbronzezeit wieder durch die „Attersee-Gruppe“ besiedelt wird. Dieser Hiatus in der Besiedlung der Seeuferpartien wurde nicht nur für die Salzkammergutseen Österreichs, sondern auch für die Feuchtbodensiedlungen Südwestdeutschlands festgestellt.

Ruttkay verwirft Forschungen, nach denen die ostalpinen Abbaustellen (Mitterberg) bereits in der Zeit der Mondsee-Gruppe als Rohstofflieferanten wirkten, da die Bergbaugeschichte in den Alpen nur bis an den Anfang der mittleren Bronzezeit zurückzuverfolgen ist.


Ruttkay 1999, E.: In: Preuss, J. (Hrsg.), Das Neolithikum in Mitteleuropa. Bd. 2, Kulturübersichten in alphabetischer Ordnung. Beier & Beran Weissbach 1999

Verzierungsmuster Mondseekeramik links: Bauchmuster, rechts Halsmuster
  • hier geht es zum Transkipt der → Mondsee-Gruppe (S. 75–78)
    • Ruttkay: „Die jungneolithische Mondsee-Gruppe ist eng verwandt mit der Pfyner Kultur, der Altheimer Kultur und anderen Gruppen des Nordalpinen Kreises nach Driehaus. Pfyn und die Mondsee-Gruppe sind durch die frühe Kupferverwendung und Kupfererzeugung ausgezeichnet. Als Erbauer von Pfahlbausiedlungen (Feuchtbodensiedlungen) gehört die Mondsee-Gruppe zu einem zirkumalpinen Kreis von jungneolithischen Kulturen wie die Pfyner Kultur, der Cortaillod-Chassey-Lagozza-Komplex, die späte Cultura di vasi a bocca quadrata und frühes Laibach. Diese sind nicht nur durch ähnliche Siedlungsgewohnheiten, sondern durch eine allgemeine kulturmorphologische Verwandtschaft miteinander verbunden.
    • Der Ursprung der kennzeichnenden reichen Verzierung der Mondsee-Keramik ist noch unbekannt.“
      (Anm.: Wie aus dem Wort „noch“ zu entnehmen ist, ging Ruttkay 1999 davon aus, den Ursprung der verzierten Mondseer Ware in absehbarer Zeit zeigen zu können.)


Alle PUZZLE-TEILE in: "Prehistoric lacustrine villages on the Austrian lakes" 2004

Keramikauswahl der Mondsee-Gruppe. 1–6: Mondsee I; 7–13: Mondsee II: Strasil-Grafik n. Lochner 1997, Bachner 2002
Offenberger: zwei stratigraphische Schichten See/Mondsee

Ruttkay 2004, E.; Pernicka, E.; Pucher, E.; Cichocki, O.: Prehistoric lacustrine villages on the Austrian lakes – Past and recent research developments. In: Menotti, F. (ed.): → Living on the Lake in Prehistoric Europe: 150 Years of Lake-Dwelling Research. Roudtlege London und New York 2004:50-68.

[Anm.: Man beachte in der nebenstehenden Abbildung die nun von Ruttkay getroffene, deutlich unterschiedliche Auswahl der Mondseekeramik gegenüber ihren früheren Arbeiten.]

Ruttkay bemerkt zur Datierung, dass diese wegen fehlender Stratigraphie „nur nach Typologie oder grob durch Radiokarbondatierung erfolgen kann. 1981 wurde der umfangreiche Keramikbestand durch Ruttkay in drei neolithische Stufen (Mondsee I – III) eingeteilt. Davon sind die bronzezeitlichen Funde (Abtsdorf I, Seewalchen I) durch eine Siedlungsunterbrechung von über einem Jahrtausend getrennt.

Es gibt jedoch moderne Informationen: zwei aufeinanderfolgende, gut dokumentierte Schichten der Station See am Mondsee aus Offenbergers Ausgrabung (ArchA 1986:213–16). Leider ist das Material dieser Ausgrabung, einschließlich der geborgenen Funde, noch nicht ausgewertet. (vgl. die Abbildung)

Die Gruppenkalibrierungen der Pfahlbaustationen am Mondsee und Attersee ergaben Werte von 3700–3100 cal. BC. Der erste Horizont markiert den Beginn von Mondsee I im 38. Jh. v. Chr.; der zweite markiert die Blütezeit von Mondsee in der Mitte des 4. Jt. v. Chr.

„Die Kleinräumigkeit des Verbreitungsgebietes lässt nur die Bezeichnung "Gruppe" zu. Das Vorhandensein von für Mondsee charakteristisch erscheinenden Waren an einem anderem jungneolithischen Fundplatz bestätigt nicht die Zugehörigkeit des Fundplatzes zur Mondsee-Gruppe. B. Ottaway hat dies mit Neutronenaktivierungsanalyse von Proben aus Götschenberg bei Bischofshofen eindeutig nachgewiesen. Die Tone der unverzierten einheimischen Waren unterschieden sich deutlich von denen der verzierten Mondseer Scherben. Bei den (verzierten) Mondseer Waren am Götschenberg handelt es sich trotz der Nähe zum Mondseer Gebiet um Importkeramik. Diese Entwicklung stellt einige Karten der Mondsee-Gruppe stark in Frage."

[Anm.: Ruttkay weicht von ihren Arbeiten aus 1981 und 1991 nicht wesentlich ab, wenngleich sie andere Keramiktypen zeigt. Jedenfalls aber engt sie das Vorkommen der Mondsee-Gruppe in anderen Stationen deutlich ein.]


Pernicka: Die Seeufersiedlungen zeigen eine ausgeprägte "Industrialisierung" der Kupferverarbeitung. Die metallurgischen Aktivitäten in den Pfahlbausiedlungen sind kein improvisiertes Nebengewerbe der einheimischen Bauern, was insbesondere für die Mondseegruppe gilt. Hier sind 160 Gusstiegel dokumentiert. Pernicka erkannte mittels 70 Analysen das arsenhältige und sonst reine „Mondseekupfer“. Die Kupfer-Verarbeitung durch die Mondseer scheint besonders profitabel gewesen zu sein. Mondseer Kupfer wurde auf Gusstiegelfragmenten in der Umgebung von Prag und Mittelmähren gefunden. Erhebliche Mengen arsenhaltigen Kupfers erreichten die Trichterbecherkultur zwischen 3800/3700 und 3300 cal. BC.

Betrachtet man den gesamten Komplex der neolithischen Funde aus den Pfahlbausiedlungen der Salzkammergutseen, so war der allgemeine Wohlstand der Bewohner unübersehbar. Dies wird durch den Reichtum an Kupferäxten und Kupferdolchen (es sind 37 Äxte und 11 Dolche dokumentiert) eindrucksvoll belegt. Um dies richtig einzuschätzen, sollte ein Vergleich mit dem Fundkorpus der typologisch verwandten Altheimer Gruppe angestellt werden.

Die Pfahlbau-Leute werden oft als "Pfahlbauern" bezeichnet. Am Mondsee trifft dies nicht ganz zu. Die auffälligsten Elemente der archäologischen Mondseer Überlieferung sind die Metallfunde und die lokale Kupferverarbeitung. In der Sozialstruktur deutet dies auf eine funktionale "Kupfergießerzunft" hin. Es muss jedoch betont werden, dass die Kupferverarbeitung im 4. Jt. v. Chr. in Mitteleuropa nicht ohne eine Ausbreitung der Metallurgie aus dem Balkan und den Karpaten denkbar ist.

Es gibt zwei regionale Konzentrationen von Metallfunden: im Salzkammergut mit dem Mondsee und in der Ostschweiz v.a. um den Bodensee und den Zürichsee, also den Gebieten der Mondsee-Gruppe und der Pfyner Kultur. Die Metallzusammensetzung dieses Horizonts ist ziemlich einheitlich: arsenhältiges Kupfer ohne andere Nebenelemente. Diese Kupferart ist während dieser Periode auch im Karpatenbecken ebenso wie rund um das Schwarze Meer sehr häufig. Da kein größeres alpines Kupfervorkommen bekannt ist, das nur mit Arsen vergesellschaftet ist, ist die Herkunft des Erzes, aus dem das Mondseekupfer gewonnen wurde, ungewiss.

[Anm.: Pernicka sieht Mondsee als Kupferzentrums Mitteleuropas mit einer „Kupfergießerzunft“, die vom Balkan/Karpaten stammt. 2012 stellt er fest, dass es in Europa kein entsprechendes Erz gibt und weist in Richtung Kaukasus.]


Pucher: Die Mondseer Tierhaltung ging nicht über ein sehr primitives Niveau hinaus. Die Rinder der Mondsee-Fauna waren im Vergleich zur zeitgenössischen Fauna des angrenzenden Donauraums auffallend klein. Die Größenunterschiede zwischen Donau- und Alpenrind sind auf die Existenz von zwei verschiedenen Rassen zurückzuführen und nicht auf lokale Gegebenheiten Das Mondseer Hausvieh ist auf die (süd)westliche Zuchtgemeinschaft (Chassey-Cortaillod-Lagozza-Gruppe) zurückzuführen.. Erfolgreiche Landwirtschaft erfordert Tierrassen, die unter den lokalen Bedingungen nicht leiden, sondern ihnen gut angepasst sind.

„Diese Anpassung konnte von den Bauern nicht in einem kurzen Zeitraum erreicht werden. Sie war das Ergebnis eines Selektionsprozesses, der damals mehr durch die Natur als durch gezielte Züchtung bestimmt war. Zusammen mit der Art der Tiere musste sich auch die Erfahrung mit ihrer Haltung entwickeln. Dieses besondere biologische Wissen entwickelt sich unter vorindustriellen Bedingungen in der Regel als Tradition, die von Generation zu Generation weitergegeben wird. Dies erklärt, warum die Fauna weit weniger im Mittelpunkt von Handel und Austausch stand als andere Gegenstände wie Töpferwaren und andere kurzlebige Modeaccessoires. Einmal übernommen, blieb die Fauna in der Regel jahrhundertelang in einem Gebiet und entwickelte sich nur allmählich weiter. Es besteht keine Notwendigkeit, die vollständige Isomorphie von Wirtschaftssystemen und archäologischen Einheiten zu postulieren.“

[Anm.: Pucher diagnostizierte schon 1997 die Heimat des Mondseer Viehs in der Schweizer Cortaillod-Kultur; er sah aber keine Nachweise für einen (kontinuierlichen) Verbreitungsweg entlang der Alpen.]


Ruttkay erforscht die Herkunft des einhenkeligen inkrustierten Kruges 1981 bis 2006

Ruttkay hat der Herkunft der verzierten Keramik – offenbar in zielführender Richtung – erfolgreich nachgeforscht. Von 1981 bis 2006 – über ein halbes Jahrhundert – befasste sie sich mit der Herkunft der verzierten, inkrustrierten Krüge. Sie kommt zwar zu klaren Formulierungen zu deren Herkunft aus Südost-Europa, sie scheut aber überraschenderweise auch noch 2004 vor einer solchen expliziten Aussage hinsichtlich des konkreten Mondseekruges zurück.

Ruttkay 1981 in „Periodisierung des Neolithikums“: Der mit Epi-Lengyel fassbare südöstliche Impuls, ist mit den Namen Salcuta, Karanovo verbunden. Gleichzeitig taucht die Furchenstichkeramik – auch in Mondsee auf. Dieser südöstliche Impuls brachte auch die bedeutendste Errungenschaft – die Kupferbearbeitung – mit sich; ebenso den „Pfahlbautopf“."

Ruttkay 1985 in: „Fernbeziehungen im neolithischen Europa“: Sie untersucht hier die Beziehungen zwischen mittlerer und unterer Donau und sieht eine enge Zusammengehörigkeit von Epi-Lengyel mit Salcuta, Vinca usw.

Ruttkay 1990 in: „Beiträge zu Typologie und Chronologie der Salzkammergut-Stationen“. Sie trennt hier strikt die Keramik in verzierte (= Fremdkörper) und unverzierte Keramik mit anderem Verwandtschaftskreis. Die Herkunft der verzierten Keramik lässt sie offen. Die furchenstichverzierte Keramik ist auch in NÖ, Mähren usw. ein Fremdkörper.

Ruttkay 1991 in: „Ende der Donauländischen Welt und SO-Europa“:

  • S. 166/9: Es erscheinen in der Epilengyel-Zeit des östlichen Alpenvorlandes Typologien, die sich aus der einheimischen Entwicklung nicht ableiten lassen. Die deutlichsten Typen, die aus der Fremde kamen, sind die zweihenkelige Tasse und der Becher mit asymmetrischem Henkel. Dazu kommen als „Fremdlinge“ – unter anderem – eine lineare Verzierung der Schüsselränder, sowie umlaufende Halsverzierung, Flechtmuster und schräge, alternierend angebrachte Linienbündel.
  • S. 169: "Da nicht nur die zweihenkelige Tasse, sondern auch der seltene Becher mit asymmetrischem Henkel zu den Neuerungen des epilengyelzeitlichen östlichen Alpenvorlandes gehört und der in Siedlungen des Salcuta-Komplexes nachgewiesen ist, bestimmt dies in großen Zügen die Richtung, wo man das Ursprungsgebiet der zweihenkeligen Tasse suchen sollte. Die zweihenkeligen Tassen des östlichen Alpenvorlandes haben ihre besten Entsprechungen in den zweihenkeligen Tassen der graphitbemalten Keramik."
  • Da das Verbreitungsgebiet des Salcuta-Komplexes sich nicht in unmittelbarer Nachbarschaft des östlichen Alpenvorlandes befindet, sind diese Neuerungen kein „Durchsickern“. Es bleibt daher nur die Möglichkeit, die in der Keramik festgestellten Fremdelemente auf Handels-Mobilität zurückzuführen. Da die Epilengyel-Zeit gegenüber der ganzen vorangehenden Entwicklung durch reiche Kupferverwendung gekennzeichnet ist, war es wohl der Handel mit Kupfer.

Ruttkay 1997 in: „Jungneolithische Furchenstichkeramik im östlichen Mitteleuropa“ (FS B. Hänsel; Espelkamp-Berlin, 1997:165–180.):

  • S. 165 „Einleitung“: Das Ende der Donauländischen Welt (im Sinne von Pittioni 1954) mit dem Einsetzen des Jungneolithikums ist durch eine Vielfalt von Strukturänderungen gekennzeichnet. So verhält es sich im Einklang mit den unmittelbaren Nachbarn auch auf unserem Untersuchungsgebiet. Typologisch faßbar sind im östlichen Mitteleuropa die frühe Kupfermetallurgie und die allgemeine Benutzung einhenkeligen Trinkgeschirrs (Henkelschale, Krug). Beides ist wohl auf andauernde Beeinflussung von außen zurückzuführen. Die Verfasserin hat bereits Gedanken über frühes Kupfer in Ostmitteleuropa zur Diskussion gestellt und den definitiven Nachweis einheimischer Kupfergießerei in der Epilengyelzeit erbracht (Ruttkay 1985, 1991). Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit der an die Epilengyelzeit unmittelbar anschließende Periode, bei der die Donauländische Welt immer noch deutlich spürbar ist. Das mit Furchenstich verzierte Krüglein ist das „Leitfossil“ der Zeit [FN 3].“
    • Fußnote 3: „Seit 1989 beschäftigt sich ein interdisziplinäres FWF-Projekt mit den jungneolithischen Pfahlbausiedlungen der Mondsee-Gruppe. Eine der den Archäologen gestellten Fragen lautet: Wie ist die gesamte Gruppe entstanden? Um diese Frage beantworten zu können, sind chronologische Untersuchungen der Mondsee-Ware und auch der ihr verwandten Keramiken erforderlich. Dieser Beitrag ist Teil des Forschungsvorhabens.“
  • S. 175: „Der Keramikstil Gajary dürfte einen älteren Abschnitt der Gemischten Gruppe darstellen. Ein wichtiger Aspekt der Zeit ist die frühe Kupfermetallurgie, die in Verbindung mit Gajary-Keramik nachgewiesen ist. Die Hakenspirale, das Flachbeil und Gusstropfen sind wichtige Belege für die Kupferverarbeitung. Sie ist ein Erbe des einheimischen Epilengyelsubstrates, somit muß sie in Zusammenhang mit dem balkanisch-karpatischen metallurgischen Bereich gesehen werden.“ ... „Die Furchenstichkeramik in der Gemischten Gruppe ist einheimischen Ursprungs […] sie ist jünger als Epilengyel, besitzt jedoch mehrfach noch Elemente aus der ihr unmittelbar vorangehenden Zeit.“

Ruttkay 1998 in: „Die Mondseegruppe“: Die Mondsee-Gruppe ist die erste neolithische Kultur im Salzkammergut. Die östliche Linienbandkeramik und auch die spätere Lengyel-Kultur gelangten nur bis zum Raum Linz. Vom Westen her erreichte die bayerische Oberlauterbach-Gruppe die Salzach und den Umkreis von Linz. Erst zur Epilengyelzeit wird die Nachbarschaft der Salzkammergutseen bei der Traun und im Raum Salzburg von der bayerischen Münchshöfener Gruppe besiedelt. Münchshöfener Elemente kommen aber in der Keramik der Mondsee-Gruppe nicht vor. Die Mondsee-Gruppe soll „nicht durch ihre verzierte Ware, sondern durch ihre Gebrauchskeramik charakterisiert werden.“

Ruttkay 1999 in: „Das Neolithikum in Mitteleuropa“: „Die jungneolithische Mondsee-Gruppe ist eng verwandt mit der Pfyner Kultur, der Altheimer Kultur und anderen Gruppen des Nordalpinen Kreises nach Driehaus. Pfyn und die Mondsee-Gruppe sind durch die frühe Kupferverwendung und Kupfererzeugung ausgezeichnet. Als Erbauer von Pfahlbausiedlungen (Feuchtbodensiedlungen) gehört die Mondsee-Gruppe zu einem zirkumalpinen Kreis von jungneolithischen Kulturen wie die Pfyner Kultur, der Cortaillod-Chassey-Lagozza-Komplex, die späte Cultura di vasi a bocca quadrata und frühes Laibach. Diese sind nicht nur durch ähnliche Siedlungsgewohnheiten, sondern durch eine allgemeine kulturmorphologische Verwandtschaft miteinander verbunden. Der Ursprung der kennzeichnenden reichen Verzierung der Mondsee-Keramik ist noch unbekannt.[Anm.: Wie aus dem Wort „noch“ zu entnehmen ist, ging Ruttkay 1999 davon aus, den Ursprung der verzierten Mondseer Ware in absehbarer Zeit zeigen zu können.]

Ruttkay 2004 in: Prehistoric lacustrine villages on the Austrian lakes – Past and recent research developments: „Die Kleinräumigkeit des Verbreitungsgebietes lässt nur die Bezeichnung "Gruppe" zu.“ "Das Vorhandensein von für Mondsee charakteristisch erscheinenden Waren an einem anderem jungneolithischen Fundplatz bestätigt nicht die Zugehörigkeit des Fundplatzes zur Mondsee-Gruppe."

Ruttkay 2006: → Eine Siedlungsgrube mit jungneolithischer inkrustierter Keramik aus Puch-Scheibenfeld: Neue Beiträge zur Furchenstichkeramik und zum Scheibenhenkel. Annalen NHM 107A; 2006:267–304.

S. 287: „Die Scheibenhenkelgefäße dieser Gruppe [„Gemischte Gruppe“) sind ja keine Importe, sondern Nachahmungen innerhalb der eigenen Keramikherstellung. Übernahmen wie die hier diskutierten „Neuerungen“ im vorliegenden Fundgut aus Puch-Scheibenfeld. Es stellt sich somit die Frage: Ist die Gemischte Gruppe letztendlich als eine „Scheibenhenkelgruppe“ zu qualifizieren und als ein Glied dieser Kulturen und Kulturgruppen dem bis zur unteren Donau reichenden Verbreitungsgebiet mit Laznany, Hunyadihalom, Vajska, Episalcuta anzuschließen? (Karten: Ruttkay 1985: Taf. 2; Dies. 1997: Abb. 8). Nicht nur die Scheibenhenkel zeigen Verbindungen dem Osten an, sondern sämtliche (!) anhand des Fundes von Puch-Scheibenfeld diskutierten östlichen Elemente. Ihre Benutzung in der Gemischten Gruppe ist mehrfach belegbar und bis ins rumänische Banat zu der von Petre Roman präsentierten klassischen Stratigraphie der Kupferzeit des östlichen Karpathenbeckens […] und weiter nach Oltenien zu verfolgen. […] Wie die verzierte inkrustierte Ware in der Gemischten Gruppe entstanden sein kann (ebenfalls ein Ostimpuls), wurde bereits früher an anderer Stelle diskutiert (Ruttkay 1997).

S. 287: "Fassen wir zusammen: Auf ein Bündel von ausschließlichen Lengyelmerkmalen in der Keramik der Südwestslowakei und im anschließenden Österreich traf ein Ostimpuls aus dem Theißgebiet, der sich durch vorher unbekannte Qualitäten in der Keramikherstellung (daher „Neuerungen“) zu erkennen gibt. Die markanteste Neuerung ist, unter anderem, der mit scheibenförmigen Haftstellen angebrachte Henkel (Scheibenhenkel) auf gruppenspezifischem Geschirr. Diese Berührung zweier ausgedehnter, souveräner Kulturkomplexe (Epilengyel, Kulturen und Kulturgruppen mit Scheibenhenkel) auf dem genannten Gebiet signalisiert die Entstehung der Gemischten Gruppe mit inkrustierter Keramik, zugleich damit auch die Anfänge eines bedeutenden Kulturwandels, der zur frühen Badener Kultur führt."

Ruttkays letzte Arbeiten widmen sich Seewalchen und See/Mondsee 2005/06

Pfahlbaustationen in Gemeinde Seewalchen nach Czech 1984

Ruttkay 2005, E.: Seewalchen am Attersee. In: Reallexikon Germanischer Altertumskunde. Gruyter Berlin–New York; Bd. 28, 2005:68–74.

Mit dem folgenden Link wird ein komprimiertes Exzerpt dieses Artikels zu → Seewalchen am Attersee gebracht.

Die Funde zeigen eine jungsteinzeitliche Siedlung der Mondsee-Gruppe aus dem 4. Jt. v. Chr. und eine Siedlung der ausgehenden jüngeren Frühbronzezeit um 1650–1500 v. Chr. an.

1947 wurde die Station erstmals durch die Prähistorische Abteilung des NHM vermessen. Die späteren Taucharbeiten des BDA wurden nicht fertiggestellt. Es liegen keine Umriss- und pfahlgerechte Vermessung vor. Weiters gibt es den Verlust eines Großteils der Funde und das Fehlen von C14-Daten. Trotzdem ist Seewalchen neben See/Mondsee die zweitwichtigste Station im Salzkammergut, die auch durch Funde der ausgehenden jüngeren Früh-Bronzezeit ausgezeichnet ist.

Nach Fundanalyse Willvonseders existierte in Seewalchen ein jungneolithisches Dorf der Mondsee-Gruppe. Die Station lieferte aber auch noch zahlreiche Bronzefunde der jüngeren Früh-Bronzezeit bis in die anfängliche Mittel-Bronzezeit und vereinzelte der Spät-Bronzezeit (Urnenfelderkultur). Dass die früh- bis mittelbronzezeitlichen Funde (vornehmlich Nadeln und Randleistenbeile) evtl. an einer flussnahen Stelle (?) geopfert wurden, kann nicht ausgeschlossen werden. Dies ist um so mehr für Seewalchen zu vermuten, weil nach der Überlieferung die Bronzen an einer bestimmten Stelle des Sees im Bereich von Seewalchen I merklich komprimiert auftraten. Die etwa 20 gut erhaltenen früh- bis mittelbronzezeitlichen Nadeln sprechen eher für einen Ort des Kultes als für ein bronzezeitliches Dorf.


Tönerne Tierfiguren See/Mondsee (Franz & Weninger)

Ruttkay 2006, E. & Pucher, E.: Votivfiguren oder Spielzeug? Tierplastiken aus einer Pfahlbausiedlung im oö Mondsee. Das Altertum 51/4, Berlin 2006:229–250.
[Anm.: ist die letzte Arbeit von Elisabeth Ruttkay zu den oö Pfahlbauten.]

Mit Much´s Baggerungen in See/Mondsee wurden 14 kleine tönerne Tierfiguren gewonnen, die ein halbes Jh. später vorgelegt wurden. Die Grabungen des BDA erbrachten 2 weitere Figuren. Sie erscheinen ganz isoliert im 4. Jt. v. Chr., in der figurative Kunst sehr selten ist. Die Analyse erfolgte durch Archäozoologie und Prähistorische Archäologie hinsichtlich der Morphologie der Figuren, um auch Aspekte der Archäosoziologie sowie die mentale Welt der Pfahlbauern zu streifen.

Pucher E.: Zoomorphologische Beschreibung der jungneolithischen Tierplastiken aus dem Mondsee und Bemerkungen zu den darauf erhaltenen Fingerabdrücken.

Die Fingerabdrücke

Die Länge der 11 erhaltenen Figuren (5 gingen verloren) liegt zw. 77 und 30 mm und alle sind beschädigt. Die beiden kleinsten sind sicher weibliche Hausschweine, was auch bei den anderen Figuren aufgrund des Rückenkamms zu vermuten ist.

Eigentümlicherweise zeigen die Mondsee-Plastiken nur entfernte morphologische Entsprechungen zu den Cortaillod-Figürchen aus Seeberg – Burgäschisee-West.

Pucher untersucht eingehend vorhandene Fingerabdrücke mit staunenswerter, beinahe kriminalistischer Akribie und kommt zum Schluss, dass die Figuren höchstwahrscheinlich von Kindern gemeinsam mit zierlichen, erwachsenen Frauen hergestellt worden sind.

Ruttkay, E.: Absolutchronologische Datierungsmöglichkeiten der jungneolithischen Tierplastiken aus dem Mondsee sowie die kulturhistorischen Aspekte der Plastiken.

Ruttkay ventiliert mehrere Herkunfts-Möglichkeiten: Cortaillod und Cucuteni-Tripolje (beide seien für die Mondsee-Gruppe zu weit entfernt), NÖ-Bemaltkeramik und Boleráz. Sie neigt zur Meinung, dass die Plastiken einem ganz späten Abschnitt der Boleráz-Gruppe (Arbon-Bleiche 3: 3384–3370 v. Chr.) zugeordnet werden könnten. Damit ergäbe sich „eine Datierung um 3.400 v. Chr. Dies wäre der allerletzte Zeitabschnitt für die noch aktive jungneolithische Pfahlbausiedlung „See“ am Mondsee.“

Ruttkay führt Marija Gimbutas´ „Mythologie Alteuropas“ an, wonach "das Schwein das „heilige Tier der Erdmutter“ war, „weil es schnell heranwächst und fett wird und zahllose Nachkommenschaft hervorbringt.“ Ruttkay stellt die Plastiken mit einem Brand eines Kornvorrats in Verbindung und gibt ihnen „eine erhöhte, symbolträchtige Bedeutung als ´Hüter des Vorrats´." Auch Kinder wurden in die Produktion dieser Figuren einbezogen, „um sie auf das künftige selbstständige Leben vorzubereiten.“



Altheim-Kultur ist mit Mondseekultur nicht "eng verwandt"

Paul Reinecke legt 1924 legt erste "falsche Fährte"

Formen des "Altheimer Kulturkreises" lt. Reinecke 1924 es ist keine Ähnlichkeit mit Mondsee-Keramik erkennbar

Reinecke 1915, Paul: → Altheim (Niederbayern). Befestigte jungneolithische Siedlung. Röm.-german. Korr.-blatt 8, 1915:9–11. (Reinecke begründet damit die „Altheim-Kultur“ und die „Münchshöfener Kultur“)

Reinecke 1924, Paul: → Der spätneolithische Altheimer Kulturkreis. Der Bayerische Vorgeschichtsfreund. 4, 1924:13–16.

  • Link zum Transskript seines Artikels → Der spätneolithische Altheimer Kulturkreis. (mit einer Tafel: vgl. die nebenstehende Abbildung)
    Es überrascht enorm, wie hier Reinecke Verbindungen mit anderen Gruppen „aus dem Ärmel schüttelt“ und diese seine Aussagen unhinterfragt über Jahrzehnte weiter tradiert werden.
  • Reinecke beschreibt in diesem Aufsatz die Altheimer Kultur anhand der Mondseekultur (!!!), die er – wie einige andere – mit Altheim in einen Topf wirft. Dadurch konnte er überhaupt erst Kupfer für die Altheimer Kultur reklamieren.
    Warum sich in der österreichischen Archäologie die Meinung verfestigen konnte, dass die Mondseekultur eng mit Altheim verwandt gewesen sei, ja sie sogar mit ihr "verschwistert" (Ruttkay) gewesen sei, ist unklar. (Wahrscheinlich hat niemand die Veröffentlichungen von Reinecke und Driehaus 1960 gelesen.)
  • Driehaus schreibt 1960, dass Reinecke vor allem in seinen Aufsätzen auf die Kupferfunde aus Altheimer Siedlungen hingewiesen habe. Es schien demnach, als sei das Bild dieser Gruppe stark vom Kupfer-Metall geprägt und der Begriff „Altheim“ war gleich einem „Nimbus von Kupfer“ umgeben.
    "Leider hat sich aber der schmale Bestand an sieben (7) Metallgegenständen – zwei Flachbeile, ein Blechanhänger, drei Pfriemen und ein kleiner Gussklumpen – seit der Ausgrabung von Altheim im Jahr 1914 nicht um ein einziges Stück vermehrt." (Driehaus 1960:75)

Martin Hell verfestigt als "Jünger" von Reinecke die Altheim-These

Der Bauingenieur Martin Hell entdeckte rund 100 prähistorische Siedlungen; hatte belastete Vergangenheit, sein Mitgliedsantrag zu NSDAP wurde 1941 abgelehnt; er wurde später aber mit Ehrungen überhäuft (Ehrenmitglied Univ. Innsbruck 1943; Dr.hc Univ. München 1953; Dr.hc. Univ. Wien 1955)

→ Willvonseder schreibt 1961 in seinem Artikel: → Martin Hell und die ur- und frühgeschichtliche Forschung in Salzburg. auf S. 98: „den größten Einfluss auf Martin Hell hatte Paul Reinecke, auch als Mentor“.
→ Danner 2015, Peter: → Archäologie in Salzburg von 1938 bis 1945. (vor allem Aufarbeitung von M. Hell) In: Archäologie in Österreich 1938–1945. Symposium Graz 1915.


→ Seine Bibliographie Nr. 42. Der Auhögel bei Hammerau. Heimatblätter, Beilage zum Reichenhaller Grenzboten 6 (21.3.1920)

Funde im Reichsgau Salzburg und Mondsee

→ Seine Bibl. Nr. 236: Die Steinzeit im Gau Salzburg. Salzburger Landes-Zeitung 181 (3./4.8.1940) mit 1 Karte.
Sein ganzer Artikel wird mit dem folgenden Transkript zur → „Steinzeit im Gau Salzburg“ wiedergegeben.

  • Hell beschreibt als Leiter „AG Vorgeschichte des Gauschulungsamtes Salzburg“ die ns Vorstellung der Herkunft der Germanen und in Folge der Salzburger. Die „Salzburger Fundstellen sowie die Altheimer Kultur und die Mondseekultur zeigten starke nordische Einflüsse auf, die auch auf "blutsmäßige Zusammenhänge" schließen ließen.“

→ Bibl. Nr. 237: Die „Mondseeleute“ im Gau Salzburg. Salzburger Landes-Zeitung 202 (28.8.1940).
Sein ganzer Artikel wird mit dem folgenden Transkript zu den → „Mondseeleuten“ wiedergegeben.

  • Hell postuliert Altheim und Mondsee als zeitgleiche nordische Kulturen und neben den Seesiedlungen auch Landsiedlungen in Oberdonau und auch im Gau Salzburg. Zu seiner nordischen Mondseekultur gehören nun auch seine salzburgischen Fundstätten Rainberg, Grillberg in Elsbethen, Auhögel bei Hammerau und Götschenberg bei Bischofshofen.

→ Bibl. Nr. 531. Salzburg in vollneolith. Zeit. Die Münchshöferkultur. ArchA 14 1954:11—34: Rainberg, Mattsee, Maxglan, Klinglberg, Götschenberg, Dürrnberg.
→ Bibl. Nr. 1006. Hell, Martin: Ein überragendes Forscherleben ging zu Ende. Prof. Dr. Paul Reinecke. Reichenhaller Tagblatt 88 (4.6.1958).


  • Viele Verweise auf Veröffentlichungen von „Hell, Martin“ in: Kyrle 1918, Georg; → Urgeschichte des Kronlandes Salzburg; Österreichische Kunsttopographie; Verlag Schroll, Wien 1918. (beinhaltet auch den Großteil von Hells Berichten zu den einzelnen Fundstellen – vgl. die obige Karte)
    und Hells umfangreichen Beitrag: Hell, M. & Koblitz, H.: → Die prähistorischen Funde vom Rainberge. (37 Seiten)

  • Hell , 1924, Martin: → Zur vorgeschichtlichen Besiedelung des Landes Salzburg. MGSL 1924:45–53. Hier Link zum → Transkript
    Neolithische Höhensiedlungen Rainberg, Götschenberg; bemalte Keramik vom Lengyeltypus; mehrmals Scherben vom Münchshöfertypus (Maxglan, Dürrnberg, Elsbethen); Keramiken mit Anklang an Altheim-, Münchshöfer-, Schussenrieder- und Michelsbergertypus. Jüngerneolithische Funde zeigen nahe Verwandtschaft mit der Altheimer-Kultur (Reinecke 1915) und vorangehende Münchshöfer-Kultur – eine Mischkultur. Eine Beeinflussung durch die Pfahlbauten ist möglich, von der sich ja importierte Gefäße des Mondseestiles auf den Höhensiedlungen Auhögl, Rainberg, Grillberg und Götschenberg fanden.
    Er sieht eine Mischkultur von der Art, wie sie H. Reinerth in seiner Aicherbühler-Kultur aufstellte, auch wenn diese „mancherlei eigene Züge aufweist, die es vielleicht einmal gerechtfertigt erscheinen lassen mögen, von einer besonderen salzburgischen Kulturgruppe des Spätneolithikums zu sprechen.“ (S. 53)
    Anm.: Den Auhögel bei Hammerau in Bayern am linken Ufer der Saalach entdeckte Fr. Weber: Eine Wohnstätte aus der jüngeren Steinzeit in Südostbayern. In: Beiträge z. Anthrop. u. Urgeschichte Bayerns, Bd. IX, 1891:137 ff, Bd. X, 1892:191 ff, Bd. XI, 1893:307 ff, Bd. XII, 1894:76 ff.
  • Hell 1940, Martin: → Urzeitlicher Kult im Gau Salzburg. MGSL 1940:1–12. Hier Link zum → Transkript
    Hell stellt hier seine früheren (1913, 1926, 1933) Salzburger Forschungen in den Dienst der ns Ideologie. Er skizziert vorgeschichtliche (ur- und groß-) germanische Kultstätten mit Weihehandlungen. Damals soll es einen Sonnenkult gegeben haben, was für den „geistigen Hochstand altgermanischer Religionsvorstellungen“ zeuge. Die Verehrung der Sonne habe ihren Ausdruck gefunden in Sinnzeichen, von denen die Sonnenscheibe, das Sonnenrad und das Hakenkreuz die wichtigsten seien. Diese Symbole gingen auf noch frühere Kulturen zurück: „Gegen Ende der nordischen Urzeit, vertreten durch die Jungsteinzeit, also noch vor 2000 v. Ztr., machen sich im Salzburgischen zwei Kulturgruppen besonders bemerkbar, die Altheimer Kultur und die Mondseekultur. Beide sind Mischkulturen mit vorwiegend nordischem Einschlag, der nicht nur kulturell, sondern auch blutsmäßig zu bewerten ist. Die Mondseekultur, die bisher im Pfahlbau bei Oberburgau am Mondsee die meisten Funde geliefert hat, aber auch am Rainberg, Grillberg bei Eisbethen, Götschenberg bei Bischofshofen vertreten ist, verwendet als Zierelement auf ihren Tongefäßen sehr häufig das Zeichen der Sonnenscheibe.“

Pittioni übernimmt unhinterfragt Reineckes und Hells Ansichten zur Gänze

Lit.: Pittioni 1954, Rudolf: Urgeschichte des österreichischen Raumes, Wien 1954. Die Mondseegruppe (S. 210–232)

Pittioni beschreibt „freihändig“ die Grenzen der Mondsee-Gruppe und bezieht sich bzgl. der Keramik [Fußnote FN 363] auf Reinecke 1924 (Der spätneolithische Altheimer Kulturkreis). In der Folge bezieht er alle verfügbaren Stationen in die Mondsee-Gruppe mit ein.

Pittioni nimmt (S. 213) „als Siedlungsbereich der Mondsee-Gruppe Oberösterreich und Salzburg mit dem westlich anschließenden Bayern an. Die Ostgrenze dürfte mit dem Unterlauf der Enns annähernd zusammenfallen, doch ist eine nähere Bestimmung … noch nicht durchführbar. Gegen Süden zu scheint der Alpenkamm eine natürliche Grenze … bewirkt zu haben, während gegen Westen durch das Salzachtal ein Vordringen bis zum Pinzgau möglich gewesen ist. Die derzeit südwestlichste Station ist der Götschenberg bei Bischofshofen. Nordtirol scheint von der Mondsee-Gruppe nicht mehr erreicht worden zu sein.“


Die von ihm verwendete Literatur bzgl der von ihm in die Mondsee-Gruppe einbezogenen Stationen stammt aus den 1930er-Jahren und stützt sich ausschließlich auf Willvonseder [FN 366, 368, 369, 370] und Hell [FN 364, 371, 372, 373, 374, 375].

Neben den Stationen an den Seen [366] zählt Pittioni (S. 213) zur Mondsee-Gruppe: „… aus Oberösterreich das bekannte Steinschlägeratelier bei Laussa-Losenstein [FN 368] und eine ähnliche Anlage an der Rebensteinmauer [FN 369] im Bereich der Gemeinde Garsten. Eine verhältnismäßig reiche … Besiedlung ist für das Mühlviertel, im Besonderen für das Gallneukirchener Becken [FN 370] anzunehmen. Aus dem Land Salzburg können folgende Fundorte genannt werden: Salzburg-Stadt mit dem Rainberg [FN 371], der Schlossberg bei Mattsee [FN 372], der schon früher erwähnte Götschenberg [FN 364] bei Bischofshofen, der Grillberg bei Elsbethen [FN 373], Liefering [FN 374] und Hallwang [FN 375].“

[FN 371] Tongefäßscherben Nr. 14 u. 15

Pittioni sieht es als erwiesen an (S. 228), „dass es sich nur um Pfahlbauanlagen über dem Wasserspiegel handeln kann. Die Ursache für die Errichtung von Pfahlbausiedlungen ist kaum zu ergründen, doch könnte man mit Rücksicht auf die Schweizer Verhältnisse an westeuropäische Einflüsse denken, die vielleicht auch durch die Verwendung des Zwischenfutters (S. 223, Abb. 151,2) angedeutet erscheinen.“

Driehaus lehnt 1960 jegliche Verbindung Altheim-Mondsee ab

Das 1914 ausgegrabene Grabenwerk von Altheim

Driehaus 1960, Jürgen: → Die Altheimer Gruppe und das Neolithikum in Mitteleuropa. Verl. Röm.-Germ. Zentralmuseums. In Komm. R. Habelt 1960. 245 Seiten, 59 Tafeln.

S. 75 f.: „Geräte aus Kupfer: Seitdem die Ausgrabungen des Erdwerks von Altheim bekannt wurden, ist der Begriff Altheim gleich einem Nimbus vom Kupfer umgeben. P. Reinecke hat in seinen Aufsätzen immer wieder auf die Kupferfunde aus Altheimer Siedlungen hingewiesen. Es könnte demnach scheinen, als sei das Bild dieser Gruppe stark vom Metall geprägt. Leider hat sich jedoch der Bestand an 7 Metallgegenständen – zwei Flachbeile, ein Blechanhänger, 3 Pfriemen, ein kleiner Gußklumpen – seit der Ausgrabung von Altheim im Jahre 1914 nicht um ein einziges Stück vermehrt.
Die beiden Flachbeile gehören verschiedenen Typen an. Das gedrungene Beil aus Altheim mit ausgehämmerter Schneide findet im näheren Umkreis seine Parallele in Beilen der Ufersiedlungen des Mond- und Attersees. Die Blechplatte aus Altheim läßt sich mit den bekannten Blechanhängern vergleichen, ist in Süddeutschland ohne Vergleichsstücke. Die drei Pfriemen und der Schmelzklumpen sind typenlos.
Spuren eigener Verarbeitung (Schlacken und Gußtiegel) wurden nicht gefunden. Bei dem kleinen Kupferklumpen aus Altheim kann es sich um ein geschmolzenes Gerät handeln. Die vorliegenden Metallgeräte dürften eingetauscht sein.
Ebenso fehlen indirekte Anzeichen einer Begegnung mit Metall auf breiter Grundlage. Auf die Steingeräteindustrie haben Metallformen kaum eingewirkt. Abgesehen von Knaufhammeräxten, die zwar Metallvorbilder kopieren, aber als überregionalerTypus keine weiteren Schlüsse erlauben, ahmt nur ein steinernes Flachbeil vom Auhögl ein Kupferbeil nach. Die Silexindustrie bleibt im Gegensatz etwa zum Endneolithikum der Südwestschweiz, wo Silexgeräte von Kupfervorbildern geradezu durchtränkt sind, vom Metall unberührt.“

Driehaus (S. 119 f.) „Dieser nicht einmal in alle Einzelheiten dringende Vergleich hat gezeigt, dass es weder sachlich noch methodisch vertretbar ist, Altheim und Mondsee zu einem Kulturkreis oder gar zu einer Gruppe zusammenzuschließen. In der Keramik sind, wie schon M. Hell betonte, beide Gruppen deutlich voneinander getrennt. Diese Trennung gilt nicht nur, wie man bei einer oberflächlichen Betrachtung glauben könnte, für die Feinkeramik, sondern ebenso für die grobe Ware. Schmuck und Tonplastik scheiden beide Gruppen grundsätzlich.
Noch vor wenigen Jahren schien es, als seien die Altheimer und die Mondseegruppe Nachbarn gewesen, die etwa im Salzachtal aneinandergrenzten. Inzwischen sind aber durch die unermüdlichen Arbeiten M. Hells so zahlreiche Funde zutage gekommen, dass an eine unmittelbare Nachbarschaft nicht mehr gedacht werden kann.“

Matuschik zeigt 1991 die klare Trennung von Altheim und Mondsee

Matuschik 1991, Irenäus: → Grabenwerke des Spätneolithikums in Süddeutschland. Fundberichte aus Baden-Württemberg Bd. 16, 1991:27–55.

Matuschik bringt als einer der wenigen Autoren, die überörtlich archäologisch forschen, einen räumlichen und zeitlichen Überblick über die Kulturen des süddeutschen, schweizerischen und oberösterreichischen Raumes.

Die erste Grafik des frühen Jungneolithikums zeigt v. a. die Verbreitung der Michelsberger Kultur; an der Donau gibt es etwa bei Regensburg die sogenannte „Fazies Wallerfing“; am Bodensee die Hornstaader und am Zürichsee die Zürcher Gruppe.

In der zweiten Grafik zum späten Jungneolithikum sieht man in der Schweiz die Cortaillod- und die Phyner Kultur; in Bayern konzentriert sich die Altheimer Kultur an der Donau bis etwa Regensburg und um Altheim im Isargebiet; bevorzugt wurden Anhöhen, Geländezungen oder Gelände- bzw. Terrassenkanten, in seltenen Fällen, so in Altheim, liegen die Anlagen im Flachland. Die Grundform der Anlagen hängt von der jeweiligen Geländelage ab; während bei Anlagen auf sanft abfallenden Anhöhen oder im Flachland die Gräben rundum geführt wurden, wurden bei Geländezungen oder Terrassenkanten die Geländeabfälle ausgenutzt.
In Oberösterreich zeigt sich an Mondsee und Attersee die Mondsee-Gruppe. In der Schweiz liegen die Pfahlbauern um die Seen.

Das frühe Endneolithikum (dritte Grafik) zeigt in der Schweiz an Bodensee und Zürchersee die Horgener Kultur und recht verbreitet Funde der Chamer Kultur an der Donau. Im Salzkammergut scheint keine Besiedlung mehr auf.

Die vierte Grafik zum späten Endneolithikum zeigt den Übergang zu den neu auftauchenden Kulturgruppen der Schnurkeramiker und der Glockenbecher. Die Schnurkeramiker (Kreise) dringen vor allem in das Alpenvorland ein, während sich die Glockenbecher (Punkte) eher am mittleren Rhein und an der Donau um Regensburg zeigen.


Altheimkultur ≠ Mondseekultur und Pfahlbaukulturen in Schweiz

Die nebenstehende Grafik bringt einen Ausschnitt aus der obigen zweiten Grafik, um die Gegebenheiten zu den beiden Kulturen Altheim und Mondsee näher darstellen zu können.

Wie unmittelbar zu erkennen ist, massiert sich die Altheimer Kultur südlich des Regensburger Donauknies und um die namengebende Fundstelle von Altheim im Isargebiet. Eine einzelne – völlig dislocierte – Altheimer Station soll es entsprechend Martin Hell an der Saalach (siehe ◼️) bei Auhögl bei Hammerau (auf bayerischer Seite) gegeben haben.

Die Mondsee-Kultur zeigt sich als seengebundene Kultur um den Mond- und Attersee.

Nun gibt es weitere Nennungen zur Mondseekultur bei Paura (Beninger 1961) am Zusammenfluss von Traun und Vöckla und im Osten Oberösterreichs an der Enns und sogar bis Niederösterreich; wer diese Stationen aufgebracht hat ist unklar. Weitere vier Stationen sollen an der Salzach liegen: diese Nennungen sind ausschließlich auf Martin Hell zurückzuführen, der dort einzelne Scherben der Mondseekultur fand.

Es liegt auf der Hand, dass wegen der Vermutungen von Martin Hell bzgl. 1 Altheimer Station an der Saalach und 4 gewillkürten Mondseer Siedlungen an der Salzach (zw. Salzburg und Bischofshofen) keine Verwandtschaft zwischen Altheimer und Mondseer Kultur abgeleitet werden kann.

Das widerspricht nicht, dass Mondseer Keramik und Kupfergeräte in diese Stationen gekommen sein können; dies vor allem bei talwärts gelegenen Stationen entlang der Vöckla und Traun und auch entlang der Donau.

Saile, Altheim-Experte, erwähnt Mondsee gar nicht mehr

Keramische Klassifikationseinheiten in Mitteleuropa im 37.Jahrh. v. Chr.

Saile 2012, Thomas: → Altheim – ein Jahrhundert Erdwerk. In: H. Meller, S. Friederich (eds.), Salzmüde – Regel oder Ausnahme? Internationale Tagung 2012 in Halle (Saale). Tagung Landesmuseums f. Vorgeschichte 16:197–208.

Saile 2014: Th. Saile, → 100 Jahre Altheim. Aktuelle Anmerkungen zu einem altbekannten Platz. Niederbayerischer Archäologentag 32, 2014:37 – 58.

Auch der Arbeit von Saile (2014): → Ein Kampf um Altheim? Zur Unschärfe vorgeschichtlicher Lebensbilder kann keine Ähnlichkeit zur Altheimer Kultur entnommen werden. (3.700 – 3.300 v.Chr.; schmucklose Keramik; nur 6 Kupfergegenstände mit wenig Arsen, Kupfer aus Salzachtal; 3 Gräben errichtet mit 3.500 Manntagen)

Saile 2015, Thomas: → The earthworks at Altheim: Built by many for many. In: J. Müller et al. (eds.), Megaliths – Societies – Landscapes. Proceedings of the international conference »Megaliths – Societies – Landscapes. Early Monumentality and Social Differentiation in Neolithic Europe« (2015) in Kiel. Vol. 1, Bonn 2019:131–151.


Radiokarbondatierung Altheimer Erdwerke

Saile 2017, Thomas: → Die jungneolithischen Erdwerke von Altheim. Praehistorische Zeitschrift 92, 2017:66–91.

Zur beigefügten Radiokohlenstoff-Datierung der Erdwerke von Altheim: "Das früheste Datum wurde für eine Probe aus dem kleinen Testgraben an der Nordostseite von Altheim II ermittelt, was darauf hindeutet, dass die kleine rechteckige Anlage etwa zu Beginn des 37. Jahrhunderts v. Chr. angelegt wurde. Vier Daten aus dem inneren Graben von Altheim I deuten darauf hin, dass er um die Wende des 36. Jahrhunderts v. Chr. angelegt wurde.“

„Zwar sind Kupferobjekte im Altheimer Kulturmilieu selten, trotzdem ist "die Vorstellung von Altheim von einer Aura des Kupfers umgeben" (Driehaus 1960, 75; dieses falsche Gerücht wurde von Reinecke aufgebracht). Aus dem Mittelgraben, aus dem bereits das bekannte (einzelne) Altheimer Kupferbeil (Pászthory / Mayer 1998, 25 ff. Nr. 17) stammt, wurde 2013 ein flaches Stück Kupferblech von 6,3 cm Länge und 3,7 cm Breite geborgen, das an den beiden kürzeren Seiten aufgerollt ist (Zirngibl et al. 2014, 32 Abb. 34). Dieses Objekt – wahrscheinlich ein Anhänger – hat Parallelen im Bodenseeraum und unter dem Schmuck aus Brześć Kujawski, Jordansmühl und Baalberge.“


Saile 2023, Thomas: → Warum immer wieder Altheim? In: Uthmeier, T. et al.: Steinzeit in Bayern. Darmstadt 2023:949–954.

Das Interesse besteht hinsichtlich des Zwecks solcher Erdwerke. Nur 5 % der etwa 600 Fundstellen vom Altheimer Typ haben Erdwerke. Saile hofft, die Zeitstellung und weitere offene Fragen klären zu können.


Reitmaier 2019, Florian: → Die Erdwerke der Altheimer Kultur. 37. Niederbayerischer Archäologentag 2019. Rahden/Westf. 2019:93–150. (Er bringt keinerlei Bezug der Altheimer Kultur zum salzburger oder oberösterreichischen Raum.)

Das Verbreitungsgebiet der Altheimer Kultur wird im Norden und Osten von der Donau begrenzt. Im Süden lassen sich Siedlungsspuren bis ins Inntal nachweisen, die westliche Ausbreitung reicht bis zum Lech. Dieses Gebiet hat hervorragende landwirtschaftliche Böden. Neben der Donau gibt eine größere Ansammlung bei Landshut.


Paszthory 1998, K. und Mayer, E.: → Die Äxte aus Bayern. Prähist. Bronzefunde, Verl. Steiner, Stuttgart 1998.

S. 25 ff.: Es gibt nur ein (1) namengebendes „Altheim-Beil“ aus Station Altheim; in der gesamten Altheimer-Gruppe gibt es vier (4) Stück in: Altheim, Au, Hesselberg und Kempfhausen (Starnberger See); sie haben nur geringen Arsenanteil. Die meisten Beile vom engeren Altheim-Typ lieferte die österreichische Mondsee-Gruppe. Nahestehende bzw. typzugehörige Beile liegen aus Seerandsiedlungen der Pfyner Gruppe und der jüngeren Cortaillodkultur vor. Eine Fundkonzentration zeichnet sich im oö Seengebiet ab.

Fehlender inhaltlicher und zeitlicher Konnex von Altheim zu Mondsee

Ottaway 1982, Barbara: Earliest Copper Artifacts of the Northalpine Region - Their Analysis and Evaluation. Schriften des Seminars für Urgeschichte der Universität Bern, Heft 7, 1982: 242 Seiten; S 243–351: Abbildungen, Karten, Folien, Anhänge und Computer-Ausdrucke. Ist lt. Ruttkay 1993 das wichtigere Buch gegenüber deren Dissertation.

Schmitz 2004: "Demgegenüber erbrachten die Stationen See und Scharfling zahlreiche Kupferflachbeile, Dolche, gekrümmte Klingen, Spiralen, Pfrieme, Angelhaken, Gussreste aus arsenhaltigem Kupfer. sowie Reste von mehr als 160 Gusslöffeln. Insgesamt sind rund 190 Metallfunde der Mondseegruppe bekannt, etwa 75 von diesen, die der Sammlung Schmidt angehörten, sind seit 1945 verschollen."

Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege:UNESCO-Pfahlbau-Fundstellen in Bayern: Siedlung Kempfenhausen am Starnberger See lag auf ehemals trocken gefallener Insel, heute 4 ½ m unter Wasser; 3.728–3.719 v.Chr., "das heißt am Beginn der Altheimer Kultur des bayerischen Jungneolithikums"; Zeitstellung passt zu Auflassen von "See" und Scharfling; Mondsee-Arsenkupfer (Ahle und Beil); Ableger der Mondseekultur? Töpfe vglb. zu Mondsee-Keramik aber schmucklos; keinerlei landwirtschaftliche Tätigkeiten.

David Mitterkalkgrubers jungneolithische Siedlungen einer "Mondsee-Kultur" im Ennstal

Mitterkalkgruber 1954, David: → Jungsteinzeitliche Siedlungen im Ennstal. JB Oö Musealverein 1954:123–140.

S. 124: Das gesamte Grabungsergebnis (Langensteinerwand in Laussa) wurde von Georg Kyrle einer eingehenden Bearbeitung unter Berücksichtigung der geographischen Verhältnisse unterzogen. Die Form der Steinwerkzeuge und die Keramik, insbesondere die Art der Verzierung derselben, ließen ihn diese Siedlung in den Kreis der ostalpinen Pfahlbaukultur, der Mondseekultur, einreihen *).

  • *) Bibliographie zur Urgeschichte Österreichs (1931), Nr. 1665. — G. Kyrle, Jungsteinzeitliche Funde aus dem unteren Flussgebiete der Enns, Wiener Prähist. Zeitschrift V (1918), S. 18—47. — G. Kyrle, Reallexikon 7, S. 250—251: Laussa. Äneolithisches Steinwerkzeugatelier, das an einer tief im Mittelgebirge liegenden Stelle gut geschützt angelegt wurde, in dem bei der Zuarbeitung der Bachgeschiebe auf Äxte auch das Steinschneiden in Verwendung stand. — Langensteinerwand.

S. 134: Mitterkalkgruber: "Zusammenfassend kann gesagt werden, dass in diesem Gebiet im jüngeren Teil der Siedlungsperiode eine Überschneidung und Vermischung nordischer und donauländischer Kulturelemente stattfand, wobei aber das donauländische Element noch sehr stark nachwirkt. Meines Erachtens hat ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Mondseekultur, wie bisher angenommen wurde, nicht bestanden. Nach den bisherigen Forschungsergebnissen hat der Siedlungsraum im Voralpengebiet östlich der Enns seine eigene Kulturentwicklung, deren Wurzel nur im Donauraum zu suchen ist, durchgemacht. Die in diesem Gebiet gefundenen eindeutigen Mondseetypen fallen unter den übrigen Kulturresten auf und wirken fremdartig. Sie mögen im Handelswege hierher gelangt sein. Zudem ist der Raum westlich der Enns bis zum Steyrtal hinüber fundfrei. Fundberichte liegen erst von Molln, Kirchdorf, Micheldorf, Klaus, Steyrling und Brunnenthal-Pernerau vor. Die Handelsbeziehungen, die sicher bestanden, hatten nicht nur einen regen Güteraustausch zur Folge, sondern brachten auch eine kulturelle Beeinflussung mit sich. Es ist daher erklärlich, warum gerade in diesem Gebiet eine klare Trennung der Kulturzugehörigkeit oft nicht ohne weiteres möglich ist."


Mitterkalkgruber 1957, David: → Paläolithische Hornsteinartefakte vom Rebenstein in Laussa. JB Oö Musealverein 1957:127–131.

Mitterkalkgruber S. 131: "Mit diesem Fund ist in Oberösterreich das Paläolithikum [die Altsteinzeit; vor letzter Eiszeit] erstmals festgestellt und damit auch eindeutig nachgewiesen." (Mit Gutachten von → Maria Mottl, Paläontologin am Landesmuseum Joanneum in Graz und dem Geologen → Josef Schadler.)


„Mondseeische“ Krüge?
„Mondseeische“ Krüge?
Adolf Hitler bei Besuch in Linz geschenkte Serpentin-Doppelaxt

Mitterkalkgruber 1992, David (1913–1996): Die Jungsteinzeit im oö Ennstal und ihre Stellung im ostalpinen Raum. Linzer archäologische Forschungen, Sonderband IX. Magistrat Linz, 1992. 182 S. und 73 Tafeln.

Mitterkalkgruber wird im Vorwort für seine jahrzehntelange Forschungs- und Sammlungstätigkeit in diesem Raum gedankt und dass er trotz seines fortgeschrittenen Alters noch sein gesamtes Material vorgelegt hat. Mitterkalkgruber sieht nun für die meisten Stationen enge Verbindungen zur Mondsee-Kultur. Leider sind viele seiner Rückschlüsse von den damaligen (Lehr-)Meinungen – die nicht ihm vorzuhalten sind – beeinflusst, die aber mittlerweile vor allem wegen neuerer 14C-Daten nicht mehr zutreffen. Insoferne wäre es heute einfach möglich, seine ehemaligen Funde und Schlussfolgerungen neu zu bewerten und einzuordnen.

Mitterkalkgruber bedankt sich in seinem Vorwort: "Dass mir die Vollendung meines Lebenswerkes trotz meines hohen Alters noch vergönnt ist, verdanke ich vor allem Frau Dr. Elisabeth Ruttkay. Ich danke ihr von ganzem Herzen für die wissenschaftliche Führung und ihre selbstlose Hilfe. Herr Dir. Eduard Beninger hat mich als Mitarbeiter bei verschiedenen Grabungen in spezielle Grabungstechniken eingeführt und bei der Bestimmung meines Materials beraten. Mein Dank geht auch an die Herren Univ.-Prof. Dr. Kurt Willvonseder und den Univ.-Prof. → Walter Modrijan, Salzburg."

Die nunmehrige Zuschreibung der Ennser Stationen zur Mondsee-Gruppe ist wegen der hauptsächlich zitierten Autoren nicht verwunderlich. Da sich Mitterkalkgruber als Vergleichsobjekte fast nur auf Franz-Weninger, Willvonseder, Beninger und Kunze stützt, bleiben keine anderen Verbindungen möglich. Die Literatur zur MOG der beiden Autorinnen aus der damaligen Tschechoslowakei wurde ihm wohl von Ruttkay vermittelt – von MItterkalkgruber aber nicht verwendet.

In seinen Auswertungen des Materials je Fundort stützt sich Mitterkalkgruber insbesondere auf:

  • Beninger 1961, E.: Die Paura an der Traun. Eine Landsiedlung der Pfahlbaukultur und ihre Verkehrslage in ur- und frühgeschichtlicher Zeit.
  • Hell 1927 (Götschenberg bei Bischofshofen), 1954 (Salzburg in vollneolithischer Zeit)
  • Willvonseder 1963-68: Die jungsteinzeitlichen und bronzezeitlichen Pfahlbauten des Attersees
  • Franz-Weninger 1927: Die Funde aus den prähistorischen Pfahlbauten im Mondsee.
  • Kyrle 1918: Jungsteinzeitliche Funde aus dem unteren Flussgebiet der Enns
  • Pittioni 1954: Urgeschichte des österreichischen Raumes
  • Kunze 1981 Keramik der Pfahlbauern (nur wegen vergleichbarer Mondsee-Keramik verwendet)
  • Medunova-Benesova 1981: Jevisovice, Stary-Zamek (in Tschechisch)
  • Nemejcova-Pavukova 1984: K problematike trvania a konca bolerázskej skupiny na Slovensku (Zur Problematik von Dauer und Ende der Boleraz-Gruppe in der Slowakei.) In: Slovenska Archeologia, Bratislava, S. 75–146. (in Slowakisch)
  • Ruttkay 1971: (Siedlungsreste in Schwechat), 1976 (Beitrag zum Problem des Epi-Lengyel-Horizontes in Österreich), 1981 (Typologie und Chronologie der Mondsee-Gruppe)
  • Driehaus 1960, J.: Die Altheimer Gruppe und das Jungneolithikum in Mitteleuropa
  • Burger 1988, I.: Die Siedlung der Chamer Gruppe von Dobl (nur bzgl. „Cham“)

Erstmals nennt Mitterkalkgruber auf Seite 165 eine Randscherbe eines Gusslöffels oder Schmelztiegels und 8 Fragmente sowie einen Gusstropfen aus Kupfer (leider ohne Bestimmungen).

Hinsichtlich der Fleischversorgung in den Stationen berichtet er:

  • Rebensteiner-Mauer: nur Wildtiere, keine Haustiere
  • Langensteiner Wand: Hausschwein, Schaf und Ziege; Wildtiere
  • Prückler-Mauer: Hausschwein, Hausrind, Schaf und Ziege; Wildtiere

Berichtenswert ist (S. 22), dass Mitterkalkgruber seine Forschungen anlässlich des Neubaus der Mühlbachbrücke an der Eisenstraße 1933 begann, bei der einige Funde gemacht wurden. Darunter befand sich eine doppelschneidige Axt aus Serpentin, die „...anlässlich eines Besuches Adolf Hitlers in der Stadt Linz diesem zum Geschenk gemacht wurde. Sie ist nunmehr verschollen. Der einzige erhalten gebliebene Beleg ist eine vom Verfasser angefertigte Zeichnung der Kontur des Gerätes.“ (vgl. die nebenstehende Abb.)



Frühe Kulturen in OÖ und naturräumliche Voraussetzungen für die Besiedlung der Seen

Die (aller)frühesten Neolithiker in Österreich und OÖ

Als Halskette recycelte Armringe (vgl. zwei rechts) aus Eggenburg NÖ 5500–5200 v.Chr.

Die nach Norden gewanderten Neolithiker/Linearbandkeramiker waren sich ihrer Herkunft vom Schwarzen Meer und der Ägäis noch lange bewusst.

Der dortige Schmuck wurde aus der Spondylus-Muschel hergestellt, die im Meer in einer Tiefe von 3 bis 20 m vorkam. Aus deren linker Muschelhälfte wurden in einem aufwändigen Verfahren viele unterschiedliche Schmuckgegenstände hergestellt. Die bedeutendsten waren: aus nur 1 Muschel Armring, Ringschmuck, V-Klappen und scheibenförmiger Anhänger; beliebt waren auch Fingerringe, Ohrringe, Anhänger; recht kleine Objekte sind Perlen, Knöpfe usw. Falls Armringe zerbrachen, wurden daraus imposante Halsketten produziert (vgl. die nebenstehende Abbildung).

Das Grab I in Eggenburg in NÖ gehört zur ältesten Linearbandkeramik und beinhaltete eine junge Frau. Man fand dort 2 intakte Armringe, 14 gebogene recycelte Ringe 1- oder 2-fach durchbohrt und 14 scheibenförmige Perlen einer Halskette. In Grab II fanden sich 4 gebogene recycelte Ringe; 12 scheibenförmige Perlen eines Armbandes und 12 scheibenförmige Perlen einer Halskette.

Mit der Ausdehnung der Linearbandkeramiker über Europa verbreitete sich dieser Schmuck überall hin und gelangte sogar bis nach Paris – 4.000 km vom Ursprungsort der Spondylus-Muschel entfernt.

Die Wegstrecke bis NÖ beträgt rund 1.800 km, jene bis Linz rund 2.000 km. Von den 16 linearbandkeramischen Fundstellen mit Spondylus-Artefakten in Österreich befinden sich 11 in NÖ (davon 8 nördlich und 3 südlich der Donau), 3 im nördlichen Burgenland und 2 in Oberösterreich: Haid (mährisch-bemalte Keramik) und Rutzing (Notenkopfkeramik), beide knapp südlich von Linz. Diese Funde zeigen Datierungen beginnend vor allem mit 5.500 bis 5.000 v. Chr., weniger werdend bis 4.500 und die letzten Spondylus-Funde um 4.200 v. Chr.

Das frühe und mittlere Neolithikum in Oberösterreich (Grömer 1999, 2001/02)

Heinz Gruber vom Bundesdenkmalamt schreibt, dass eine grundlegende Zusammenfassung des Forschungsstandes über das frühe und mittlere Neolithikum von Karina Grömer (2001) gegeben wird:

Grömer 1999, Karina: Leonding – Neolithische Siedlung mit Befestigung und Einzelgrab, Diplomarbeit Univ. Wien 1999. (war umfassende Basis für →)

Grömer 2001a, Karina: Jungsteinzeit im Großraum Linz. Siedlungs- und Grabfunde aus Leonding (mit Beurteilung der Felsgesteingeräte und der Silices sowie archäozoologischem Teil). Linzer Archäologische Forschungen 33, Magistrat Linz; 153 Seiten Textteil; mit umfassendem Katalog und Abbildungen; insgesamt 326 Seiten.

  • S. 135–142: Oberösterreich im Früh- bis Frühjungneolithikum
  • S. 137: Chronologietabelle zum Früh- und Mittelneolithikum in OÖ und den angrenzenden Gebieten Württemberg, Bayern, OÖ/Sbg, Böhmen, Mähren, NÖ, SW-Slowakei (nach Lenneis 1977, Nadler 1994, Petrasch 1994, Zapotocká 1986)
  • Altheim 4150 v.Chr.; Mondsee 4050 v. Chr.
  • S. 139: Abbildung 53: Kartierung bandkeramischer Fundstellen in OÖ (Vorkommen nur im Linzer Raum; nichts im Eferdinger oder Welser Gebiet)
  • S. 141: Abbildung 54: Kartierung mittel- und frühjungneolithischer Fundstellen in OÖ, Salzburg und Tirol (incl. SOB-Fundstellen in NÖ)
  • Anm.: Grömer weist S. 138–40 darauf hin, dass die Forschungsgeschichte der Münchshöfener Gruppe in OÖ von Missverständnissen geprägt ist. Wegen der Meinung, dass die Lengyelkultur nicht so weit westlich reicht, wurden in OÖ alle unverzierten Gefäße als Münchshöfen angesprochen. Grömer konnte nach Recherchen einen Teil dieser „alten“ Fundorte eliminieren, aber auch um einige neue Fundorte bereichern; die östlichsten liegen im Ennstal. Es stellt sich die Frage, ob die schwer zu Lengyel bzw. zu Münchshöfen zuzuordnenden Stücke nicht gerade ein Ausdruck von deren Mischgemeinschaft sind.

Grömer, 2001b, Karina: → Neolithische Siedlung mit Lengyelgrab in Leonding. Die Stellung OÖs im Früh- und Mittelneolithikum. JB OÖ Musealverein 146/I, 2001:9–41.

  • S. 32–39: Oberösterreich im Früh- und Mittelneolithikum (Text baut stark auf der vorigen Arbeit auf: siehe den dortigen Internet-Link.); S. 28: (idente wie vorige) Chronologietabelle; Lössgebiete für Besiedlung ...
Chronologietabelle mitteleuropäisches Neolithikum

Grömer 2002, Karina: → Das Neolithikum im oberösterreichischen Mühlviertel. Neolitické a eneolitické osídlení hornorakouského Mühlviertelu. Archeol. výzkumy v jižních Čechách 15, 2002:7–54.
S. 33: keine Funde der Mondsee-Gruppe im Mühlviertel; S. 47: viele Funde um Donau

S. 49 (angepasste und deutlich verlängerte) Chronologietabelle:

  • vor ~ 5.000 v.Chr.: in Bayern Linearbandkeramik; in NÖ und OÖ Notenkopfkeramik
  • bis ~4.500 v.Chr.: in Bayern SOB SüdOstBayerisches Mittelneolithikum; in NÖ MOG Mährisch-Ostösterreichische Gruppe (Lengyel-Kultur); in OÖ Mischkultur aus MOG und SOB im Donautal
  • 4200 v.Chr.: in NÖ Epilengyel, in Bayern und angrenzendem OÖ Münchshöfen;
    in OÖ gefolgt von Mondsee und erst dann von Altheim (~3700 v.Chr.);
    gefolgt von Cham um 3000 v.Chr. und Schnurkeramik/Glockenbecher um 2600/2500 v.Chr.

Naturräumliche Voraussetzungen für LBK-Besiedlung (Grömer, Lenneis)

Grömer (2001a), Karina begleitet Ihre Arbeit „Jungsteinzeit im Großraum Linz“ mit einem umfassenden Überblick zu den naturräumliche Voraussetzungen für LBK-Besiedlungen - unter Bezugnahme auf Lenneis 1982 - ein. Dabei zeigt sie die Kriterien für die Auswahl eines Ortes auf:

  • Nähe eines kleineren Wasserlaufs (zur Donau wurde wohl wegen der Auwälder ein Mindest-Abstand von 2–7 km eingehalten)
  • Bodenqualität: beliebt waren Schwarz- bis Braunerden aus Löss (wie von allen Bandkeramikern)
  • Klima: regenarme Gebiete mit einer Isohyete von unter 900 mm Jahresniederschlag und besonders warme Gebiete mit einer Isotherme von 8–10 °C.
  • Höhenlage: Notenkopfkeramische Freilandsiedlungen bevorzugten Höhenlagen zwischen 150–350 m. Jene des Sarka-Typus liegen etwas höher, zwischen 200 und 400 m, während hingegen in der Bemaltkeramik ähnliche Lagen wie in der Bandkeramik besiedelt wurden.

Mit dem folgenden Link zu den → Naturräumlichen Voraussetzungen werden die Ausführungen von K. Grömer (2001a) in kompakter Form dargelegt.


Lenneis 1989, Eva: → Zum Forschungsstand der ältesten Bandkeramik in Österreich. Arch. Korr.-blatt 19, 1989:23–36.

S. 23: „Ein Vergleich des Siedlungsverhaltens der ältesten LBK mit dem der Notenkopfkeramik ergab, daß der Siedlungsraum beider Kulturen durch die gleichen Umweltfaktoren eingeschränkt wurde. Diese Faktoren sind die Verteilung der anbaugünstigen Böden (Braunerden aus Löß) und deren ausreichende Aufschließung durch das Gewässernetz sowie gewisse klimatische Bedingungen. So scheinen die Isohyete von heutigen 900 mm Jahresniederschlages und die Isotherme von durchschnittlich heutigen 7°C Jahrestemperatur echte klimatische Grenzwerte für die bandkeramische Besiedlung in unserem Raum zu sein. Gesucht waren – wie überall im Verbreitungsgebiet der Bandkeramik – die regenärmsten und die wärmsten Zonen, wobei sich in der Verteilung der Fundplätze der ältesten und der jüngeren LBK auf die einzelnen Klimazonen vorläufig keine nennenswerten Unterschiede feststellen lassen.“


Verbreitung LBK in Österreich und Nachbargebieten

Lenneis 1982, Eva: Die Siedlungsverteilung der Linearbandkeramik in Österreich. Archaeologia Austriaca 66, 1982:1–19.

Lenneis bringt 1982 mehrere Karten, die das Gewässernetz, die Bodentypen, Niederschlag und Temperatur in Verbindung mit der Verbreitung der Linearbandkeramik in Österreich zeigen. Grömers Fundstelle Leonding fügt sich gut in dieses Bild ein.

  • S. 9: „Gebiete mit über 900 mm Jahresniederschlag dürften den bandkeramischen Bauern als nicht mehr besiedelbar erschienen sein. Diese Grenze liegt in manchen Gebieten sogar noch tiefer und zwar schon bei 750/800 mm und darunter.“
  • S. 11: Es gibt „eine deutliche Bevorzugung der jeweils wärmsten Gebiete mit einer heutigen durchschnittlichen Jahrestemperatur von 8–10°C, eine relativ geringe Besiedlung der Zone von 7–8°C und als Grenze des Siedlungsraumes die 7° C-Isotherme.“

Dass sich diese Siedlungsverteilung als sehr dauerhaft eingestellt hat, erkennt man an der fast identen Verteilung in der → fast ein Jahrtausend jüngeren Epi-Lengyel-Zeit in der Dissertation von Elisabeth Ruttkay (siehe weiter oben).

Klimatisch ist das Vorland der wärmste Teil des Landes OÖ, wobei die höchsten Temperaturen, gegen 9 °C Jahresmittel in den Donauniederungen, die niedrigsten im Hausruckgebiet mit unter 7 °C erreicht werden. Die Niederschlagsmenge liegt im Eferdinger Becken und in den Donauniederungen bei 800 mm, gegen den Alpenrand hin bei 1000 mm und im Hausruck bei über 1250 mm.

Das Seengebiet kam demnach weder für die Linearbandkeramiker noch für die Epi-Lengyel-Leute als Siedlungsraum in Frage.


Lokal-Klima und dessen Bedeutung für die Rinderhaltung

Ivanova 2021, Maria et mult. al.: → Seasonal calving in European Prehistoric cattle. Scientific Reports 11, Article number: 8185 (2021) 11 p.

Verteilung Kälbergeburten im Jahresverlauf Chasséen 4500-3800 v.Chr.; LBK ~5000 v.Chr. Datumszählung im Jahreslauf gegen Uhrzeiger

Obwohl das Fortpflanzungsmuster des prähistorischen Auerochsen nicht direkt dokumentiert ist, ist eine saisonale Fortpflanzung dieses großen Huftiers sehr wahrscheinlich. Beobachtungen an der letzten verbliebenen Auerochsenpopulation in Polen im 17. Jh. deuten darauf hin, dass sich die Fortpflanzung auf begrenzte Zeiträume im Jahr beschränkte, mit einer kurzen regelmäßigen Paarungszeit im Spätsommer und dem Kalben im späten Frühjahr.

Bei Rindern ist die Ernährung ein wichtiger Faktor für die Reproduktionsleistung. Ungezüchtete Herden ursprünglicher Rassen, die in Naturschutzgebieten in Europa gehalten werden, zeigen eine saisonale Fortpflanzung, die mit der Dynamik der Vegetation synchronisiert ist. Das Fortpflanzungsmuster von Hausrindern hängt also von der Verfügbarkeit von Nahrungsressourcen und der physiologischen Fähigkeit zur saisonalen Fortpflanzung ab.

Wie der Abbildung zu entnehmen ist, kalbten die Rinder der französischen Chasséen-Gruppe zwischen April und August, sodass die Kühe gegen Ende der Trächtigkeit mehr Futter für die Entwicklung des Embryos zur Verfügung hatten. Demgegenüber kalbten die LBK-Rinder deutlich früher zwischen Februar und Juni.

Die aus Frankreich in die Schweiz gekommenen Rinder der Chasséen-Gruppe waren auch an Seehöhen von über 400 m (Schweizer Mittelland um Genfer und Bieler See) angepasst und dem damit um etwa 2–3 Wochen späteren Einsetzen der Vegetationsperiode.

Die raum-zeitliche Abfolge der Kulturen in Oberösterreich

Mayer 2009, Christian (Bundesdenkmalamt Wien): Abbildungen. In: Gruber 2009, H.: → Das Neolithikum in OÖ – Ein Überblick zum Forschungsstand. Fines Transire 18, 2009:133–143.

Gruber verwendet hier die grafischen Aufbereitungen von Dr. Mayer des BDA zur Darstellung der chronologischen Abfolge der Kulturen in Oberösterreich.

Wie vor allem den beiden ersten Grafiken von Christian Mayer (Bundesdenkmalamt) zu entnehmen ist, gab es im Alpenvorland nur ganz wenig Besiedlung – diese konzentrierte sich vor allem in agrarisch günstigen Löss-Gebieten. Damit kann man davon ausgehen, dass die Besiedlung der Salzkammergut-Seen nicht auf eine bodenständige, vorhandene Bevölkerung aufbauen konnte.

  • In der ersten Abbildung sieht man für das Frühneolithikum die Verteilung von Notenkopf-Keramik vor allem in NÖ, aber nur wenig im Linzer Bereich und einige Fundstellen der „vasi a bocca quadrata“-Kultur im Kärntner Raum. Das Alpenvorland ist letztlich unbesiedelt.
  • Die nächste Karte des Mittelneolithikums zeigt die Abfolge von Lengyel (NÖ, wenig OÖ), Mondsee und das folgende Baden. Plötzlich sind die Seen mit "Mondsee-Kultur" dicht besiedelt. In dieser Karte werden viele Stationen auch abseits der Seen der Mondsee-Kultur zugeschlagen.
  • Die dritte Abbildung vergleicht die Stationen der bayerischen Münchhöfener Kultur mit jenen der Mondsee-Kultur (und zeigt viele weitere Kulturen in NÖ).
  • Die vierte Abbildung des Endneolithikums zeigt die Fundstellen der Chamer Kulturgruppe im Vergleich mit jenen der Mondsee-Gruppe. Hier ist auch zu sehen, dass die Jevisovice-Gruppe - die Ruttkay zeitgleich mit Mondsee ansetzte - erst gegen Ende der Mondsee-Gruppe aufscheint. In NÖ treten mehrere weitere Kulturgruppen in Erscheinung.
  • Die letzte Grafik zeigt – nach dem Ende der Mondsee-Attersee-Kultur – die Fundstellen der Schnurkeramik (Corded Ware) und der Glockenbecherkultur (Bell Beaker), die sich insbesondere in NÖ und Burgenland ausbreitet. In OÖ treten beide Gruppen im Linzer Raum auf; an den Seen treten beide Gruppen nicht auf.

Gibt es Gruppen in der Nähe, mit denen "Mondsee" verwandt sein könnte?

Lenneis 2016, Eva; Pieler, Franz: → Relative Chronologie der Linearbandkeramik in Österreich. In: Centenary of Jaroslav Palliardi's Neolithic and Aeneolithic Relative Chronology. 2016:45–66. (Zeit bis Vor-Lengyel; mit 8 Tafeln)

Die ältesten Funde der sich formierenden Linearbandkeramik in Österreich stammen von Brunn/Gebirge und datieren auf 5670–5413 BC und die Keramikformen ähneln jenen der Starcevo-Kultur. Der darauf folgenden Notenkopf-Keramik vor allem in Niederösterreich – in OÖ nur in Leonding – folgt die Lengyel-Zeit.

Lippert 1978, Andreas: → Der Götschenberg bei Bischofshofen. MGSL 1978:1–16; Tafeln 17–44. (keine Ähnlichkeit mit Mondsee-Gruppe; ev. einzelne Importstücke)

Lippert 1992, Andreas weist in „Der Götschenberg bei Bischofshofen“ (MPK 27) im Salzburger Alpenvorland folgende Siedlungen der Altheimer Kultur zu: Götschenberg bei Bischofshofen. Grillberg bei Elsbethen, Rainberg, Schloßberg, Salzburg (Krankenhaus), Liefering und Hallwang.


Chronologisches Modell für neolithische Kultur-Phänomene der 2. Hälfte des 5. Jt. in Mitteleuropa

Gleser 2016, Ralf: → Neue Überlegungen zur Chronologie der postbandkeramischen Kulturphänomene in Mitteleuropa. In: Centenary of Jaroslav Palliardi´s Neolithic and Aeneolithic Relative Chronology. 2016:107–116.

Ab der zweiten Hälfte des 5. Jt. können die Kulturen gut in Horizonte gegliedert werden, weil die archäologischen Kulturen gut als aufeinander folgend zu erkennen sind. Die Anzahl der erkannten Stilstufen ist deutlich kleiner als im vorangehenden Mittelneolithikum. Die Keramikstile wurden viel dauerhafter produziert als in der Zeit davor. Z. B. ist für die Stufe MOG IIb nach Ruttkay eine Dauer von 260 Jahren bzw. 9 Generationen anzunehmen; für die Schiepziger Gruppe des Epi-Lengyel ist eine Laufzeit von 300 Jahren zwischen 4100 und 3800 cal.BC zu erkennen. Im Gegensatz dazu überdauerten in der ersten Hälfte des 5. Jt. keramische Stile oft nur 2 bis 4 Generationen.

Anm.: Demgegenüber zeigt die Mondsee-Attersee-Gruppe eine enorme Beständigkeit über den ganz außergewöhnlich langen Zeitraum von über 1.000 Jahren (3.800 – 2.700 v. Chr.).


Exkurs: Die erstmalige dendrochronologische Datierung der Kulturen 1991

detaillierte kalibrierte chronologische Daten zu Kulturen

Nachfolgend werden unter Verwendung von:

die ehemals bestmöglichen chronologischen Informationen aufbauend auf C14-Daten unter Verwendung der Dendrochronologie für die neolithischen Kulturen in Schweiz, BRD und Österreich gebracht:

  • Bayern: Südostbayerisches Mittelneolithikum (SOB) bis 4.500 v. Chr.
  • Bayern: Münchshöfen von 4.500 – 4.100 v. Chr.
  • Balkan: Salcuta-Gumelnita bis 4.100 v. Chr.
  • Südwest-Slowakei: Lengyel 4.500 – 4.100 v. Chr.
  • Niederösterreich: Mährisch-Ostösterreichische Gruppe (MOG; bemalte Keramik) bis 4.100.
  • Niederösterreich: Epi-Lengyel 4.100 – 3.500 v. Chr.
    --------------------------------------------------------------------------------
  • Mondsee I und II: 3.900 – 3.300 ; III: 3.400 – 2.700 v. Chr.
    --------------------------------------------------------------------------------
  • Schweiz: Egolzwil 3 4300 – 4200 v. Chr.
  • Schweiz: Wauwil 4300 - 3.800 v. Chr.
  • Schweiz: Cortaillod 4.200 – 3.900 v. Chr.
  • Schweiz: Cortaillod (Twann) 3.900 - 3.400 v. Chr.
  • Schweiz: Pfyn 3.900 - 3.600 v. Chr.
  • Schweiz: Horgen 3.200 - 2.800 v. Chr.
    --------------------------------------------------------------
  • Ägypten: 1. Dynastie 3.000 - 2.700 v. Chr.




Der Weg des Kupfers ins Salzkammergut und seine Metallurgie

Kupfer-Ausbreitung in Zentraleuropa bis in Schweiz

Suter 2013, Peter: Das Leben am See – Wirtschaft, Haus, Handwerk, Verkehr, Austausch. In: → Die Pfahlbauer – Am Wasser und über die Alpen. Archäologischer Dienst des Kantons Bern 2013.

Abb. S. 82: Die Kupfer-Metallurgie kommt in intensivem Ausmaß von SO-Europa um 3800 v.Chr. bis in die Schweiz; sie trifft aus Frankreich aber erst um 2900 v.Chr. in der Schweiz ein.

Die Schweizer Kupfergegenstände (vgl. Gross 2021 Tab. 11) haben eher geringe Arsen-Gehalte von unter 1 %; es gibt eine einzelne Ausnahme bei Hitzkirch um 4.000 v.Chr. (1,9 % As) und drei in der Zeitspanne 3.000-2.700 v.Chr. mit bis 2 % Arsen im nahen Frankreich.


Kupfer-Artefakt-Importe vor 4000 BC aus dem Karpatenbecken nach Mitteleuropa

Noch vor Ende des 5. Jahrtausends werden von kupfernen Vorbildern „abgekupferte“ (kopierte, gespranzte) Steinäxte gefunden: Doppelaxt aus Serpentinit in Cham-Eslen (4300–4000 BC) im Zugersee mit kupfernem Vorbild aus Südosteuropa; ebenso die steinernen „Aichbühler Hammeräxte“ in Oberschwaben (4200–4000 BC) mit Vorbildern aus dem Karpatenbecken (Driehaus 1960).

Etwa zur gleichen Zeit kommen im westlichen Mitteleuropa die ersten importierten (echten) Kupfergeräte auf. In Italien am Oberlauf der Etsch/Adige gibt es eine Reihe von Beilklingen vom Typ Szakálhát (Karpaten-Schwergerät).

Weitere Funde dieses Schwergeräte-Horizonts reichen nördlich der Alpen (v.a. in Österreich) weit nach Westen (alle Angaben nach Mayer 1977): Linz-St.Peter (OÖ; Hammeraxt und Flachbeilklinge), Steindorf (Kärnten, Depot mit 2 Siria-Äxten), Missingdorf (NÖ, Axt vom Typ Jászladány), Mitterretzbach (NÖ, Axt vom Typ Jászladány). Massive Flachbeile aus demselben chronologischen Horizont (Ende 5. Jt. v. Chr.) entdeckte man bis nach Salzburg. (Mayer 1977, Eugen Friedrich: Die Äxte und Beile in Österreich. Prähist. Bronzefunde, Abt. IX, Bd. 9; Beck, München 1977. 295 Seiten.)

Weiters ist der Fund einer fragmentierten Kupferaxt vom Typ Siria aus Überlingen am Bodensee (Baden-Württemberg) anzuführen, ein Schwergerätetyp, der in Gräbern der Bodrogkeresztúr-Kultur (Typus „Aszód“) belegt ist und in denselben Zeithorizont gehört wie die Kupferäxte vom Typ Jászladány. Sie wurde im südlichen Karpatenbecken aus bosnischem oder ostserbischem Erz hergestellt. Neuere 14C-Daten verweisen auf die Zeit 4300–4000 calBC. (Matuschik 1997, Irenäus: Eine donauländische Axt vom Typ Siria aus Überlingen am Bodensee. Prähist. Zs. 2002:81–105.)

Weiters eine Kupferahle von Schernau bei Dettelbach (Bayern) kurz nach der Mitte des 5. Jt. v. Chr. mit chemisch südost-europäischer Herkunft. (Lüning 1973, Jens: Der älteste Kupferfund im süddeutschen Raum. Arch. Korrbl. 3, 1973:15–22.

Weiters gibt es Belege für Import von Kupferobjekten im Schweizer Mittelland und in Südwest-Deutschland kurz nach der Wende zum 4. Jt. v. Chr. – eine Gruppe von Objekten mit eindeutigen Bezügen zum Ostalpenraum. Das bekannteste Objekt ist die mit drei Buckeln versehene Kupferscheibe aus Hornstaat-Hörnle IA mit engen Parallelen im westlichen Karpatenbecken, die dendrochronologisch auf 3917–3902 datiert ist (Matuschik 1997). Aus Egolzwil 4 stammt eine massive Beilklinge vom Typ Hartberg, die an den Anfang des 4. Jt. gehört und noch zu den Schwergeräten gehört. Die Beilklinge aus Horw LU-Fondlenhöhe ist typologisch dem Ende des 5./Beginn 4. Jt. zuzuweisen. (van Willigen 2018, S. et al.: → Zwei jungneolithische Äxte aus Kupfer und Stein im Museum Zofingen AG. JB Archäologie Schweiz 2018:23–40.)

Zur überraschenden Verlagerung der Kupfer-Metallurgie innert Europa

Govedarica 2016, Blagoje: → Das Phänomen der balkanischen Kupferzeit. In: Der Schwarzmeerraum vom Neolithikum bis in die Frühneuzeit (6000–600 v. Chr.) Prähist. Arch. in SO-Europa Bd. 30, VML 2016:11–22.

S. 14: Die Spät- oder Hochkupferzeit (4550–4200 v. Chr.) ist auf dem ganzem Ostbalkan einschließlich dem unteren Donaugebiet und der Schwarzmeerküste (Karanovo VI; Varna-Kultur) gut belegt. Diese Phase bildet die Blütezeit der balkanischen Kupferzeit, in der das Tellsiedlungsnetz seine größte Expansion erreicht, die Kupfermetallurgie einen überregionalen Aufschwung erlebt, die Goldproduktion floriert und die Produktion von Salz wahre industrielle Züge annimmt.
Von der erreichten sozio-kulturellen Entwicklung und dem Wohlstand zeugen am besten die Nekropolen Varna I und Durankulak sowie reiche Siedlungen wie Pietrele u. a., ebenso wie die Salzindustrieanlage in Provadia. Todorova und Vajsov schreiben, dass es in Ostserbien, Westbulgarien und Oltenien während dieser Zeit zur vollen Entfaltung des Krivodol-Salcuţa-Bubanj-Komplexes kam.

S. 15: Die Übergangsperiode umfasst zwei sukzessive Phasen: End- oder Finalkupferzeit und den Anfang der Bronzezeit.

  • Die Finalkupferzeit (Übergangsperiode I: 4200–4000 v. Chr.) stellt die letzte Phase der eigentlichen Kupferzeit dar. Kulturprägend ist die Salcuţa III-Kultur mit dem Bubanj-Krivodol-Salcuţa-Komplex im westlichen Schwarzmeergebiet. Keramikformen dieser Kultur treten an der Schwarzmeerküste zusammen mit den Elementen der Spät-Varna-Kultur auf.
  • Mit dem Anfang der Bronzezeit (Übergangsperiode II: 4000–3800 v. Chr.) wird dann endgültig die bisherige Entwicklung beendet, die durch das Verschwinden der eigentlichen Kupferzeit und das Auftreten der Cernavodă I-Kultur und dem Salcuţa IV-Horizont markiert ist.

Verbreitung von Kupferartefakten 4600–4400 v.Chr.

Schier 2016, Wolfram; Rosenstock, Eva; Scharl, Silviane: → Ex oriente lux? – Ein Diskussionsbeitrag zur Stellung der frühen Kupfermetallurgie Südosteuropas. In: Von Baden bis Troja – Jubiläumsschrift für Ernst Pernicka. ÖstAdW, VML 2016:59–122. (Die Grafiken wurden von Dr. Stefan Suhrbier erstellt.)

Frühe Kupferzentren im Vinča-Gebiet und später im Gebiet von Varna und der „Kodžadermen-Gumelniţa-Karanovo VI Kultur“ an der Schwarzmeerküste – die spätestens im 43 Jh. endeten – hatten umfangreiche und hoch-qualitative Kupferproduktionen. Später konzentrierten sich die kreuzschneidigen Axthacken und jüngeren Hammeräxten auf die nördlichere Bodrogkeresztúr-Kultur. Diese lässt sich nach neuen 14C-Daten auf die Zeit 4250–3950 calBC datieren.

In den letzten zwei Jahrhunderten des 5. Jt. (Abb. 12) lässt sich ein großer zusammenhängender Verbreitungsraum mehrerer hunderter kupferführender Fundstellen erkennen. Er reicht von NW-Bulgarien und Ostserbien bis nach Nordmähren. Sein Kernbereich umfasst Siebenbürgen und die Osthälfte des Karpatenbeckens, er lässt sich im Wesentlichen mit der Bodrogkeresztúr-Kultur assoziieren. Der westpontische Raum, von Thrakien bis zur Dobrudscha, ist hingegen weitgehend fundleer, in diese Zeit fällt die „Übergangsperiode“ nach dem Ende der bulgarischen Spätkupferzeit und der südrumänischen Gumelniţa-Kultur.

Im Zeitraum 4000–3800 (Abb. 13) ist erneut eine deutliche Verlagerung der Dichtezentren zu erkennen. Während Siebenbürgen und das Theißgebiet nur wenige Kupferfunde aufweisen, findet sich eine starke Konzentration im Raum Westslowakei-Mähren, eine weitere in Mitteldeutschland. Erstmals treten Kupferfunde jetzt im südwestdeutsch-schweizerischen Raum auf. Moderate Verdichtungen bestehen weiterhin in Kroatien, außerdem im Bereich der Cucuteni AB-Kultur zwischen Ostkarpaten und Dn’estr sowie der Tripol’e B2-Kultur am mittleren Dn’epr.

Verbreitung von Kupferartefakten 3800–3600 v.Chr.

Zwischen 3800 und 3600 (Abb. 14) bleiben Verbreitungsschwerpunkte von Kupferartefakten in der Westslowakei und Mähren sowie in Mitteldeutschland bestehen, während sich die größte Verdichtung im Raum zwischen Bodensee und Schweizer Mittelland ausmachen lässt. Aus zahlreichen Uferrandsiedlungen der Pfyner und Cortaillod-Kultur sind nicht nur Kupferkleinartefakte, sondern auch Gusstiegel und sonstige Spuren lokaler Produktion nachgewiesen, häufig dendrodatiert. Die Zone nordalpiner Kupferproduktion lässt sich nach Osten bis zur Mondseekultur verfolgen. In Südosteuropa ist eine gewisse Fundkonzentration im östlichen Siebenbürgen zu verzeichnen, die nach Norden ins Gebiet der Cucuteni B-Kultur ausstrahlt und im Süden mit einzelnen Fundpunkten bis Thrakien reicht.

Während der letzten hier betrachteten Zeitscheibe 3600–3400 (Abb. 15) bestehen weiterhin Verdichtungsräume in der Westslowakei, Mähren und in Mitteldeutschland (Einzelfunde von Flachbeilen), wohingegen das Karpatenbecken und Südosteuropa weitgehend fundleer erscheinen. Einzig im Bereich der Tripol’e C1-Siedlungen am mittleren Dn’epr lässt sich eine kleinräumige Fundkonzentration ausmachen. Die südwestdeutsch-schweizerische Fundkonzentration ist in dieser Zeitscheibe verschwunden.

Es wird unerwartet deutlich, dass die Verbreitung von Kupferartefakten und die mit ihnen verbundenen metallurgischen Kenntnisse und Fähigkeiten keine lineare Diffusion zeigen. Dichtezentren lösen sich ab; neu auftretende Verdichtungen sind mit einem Rückgang früherer benachbarter Schwerpunkte verbunden. Besonders deutlich ist dies mit der Verlagerung des bulgarisch-westpontischen Schwerpunkts (4600–4200) nach Siebenbürgen und das Karpatenbecken 4200–4000 und erneut um 4000 BC in den slowakisch-mährischen Raum.

Die Ausbreitung der Kupfermetallurgie nach Mitteleuropa

Erst als Kupfer gesellschaftlich etabliert war, breitete sich die Kupfermetallurgie und das Wissen um die technischen Prozesse auch Richtung Mitteleuropa aus. Bis in die zweite Hälfte verlief eine Ausbreitungsgrenze durch Transdanubien. Bereits in der ersten Hälfte des 5. Jt. spielte Kupfer östlich der Theiß und im südlichen Transdanubien eine Rolle. Während Kupfer in Tiszapolgár und Bodrogkeresztúr einen festen Platz hatte, kam Kupfer in der nordwestlichen Lengyel-Kultur eine völlig untergeordnete Rolle zu.

Erst als es in der zweiten Hälfte des 5. Jt. v. Chr. zu deutlichen Veränderungen in der nordwestlichen Lengyel-Kultur kommt, gewinnen dort auch Kupfer (v. a. Schwergeräte) und die Kupfermetallurgie an Bedeutung. Auch wenn zahlreiche Kupferfunde dieser Zeit und Region Einzelfunde sind, weisen die räumliche Konzentration und regional abgrenzbare Formen auf eine eigenständige Kupfermetallurgie in den Westkarpaten hin.

Gleichzeitig verändern sich Ende des 5. Jt. v. Chr. die genutzten Kupferquellen. Die Artefakte sind nun aus westslowakischem Kupfer hergestellt, dem sogenannten Nógrádmarcal-Kupfer.

Erst jetzt verbreitet sich diese Innovation weiter nach Westen und es gibt eine pyrotechnische Verarbeitung von Kupfer in Bisamberg-Oberpullendorf, Keutschacher See und Makotřasy (Tschechien). Aus Bisamberg-Oberpullendorf stammt Keramik, die mit dem Fragment eines Gusstiegels vergesellschaftet war. die Keramikfunde verweisen auf das 41. Jh. v. Chr. Aus gleicher Zeit stammen Gusslöffelfragmente mit anhaftenden Kupferrückständen aus der Feuchtbodensiedlung vom Keutschacher See (14C-Daten zeigen 4100–3700, Dendrodaten 3947–3871 v.Chr.)

Die Phase des Imports von Kupfergegenständen aus Südosteuropa und anschließend aus dem westkarpatischen Raum wird im Lauf des 39. Jh. v. Chr. schließlich von der eigenständigen Produktion lokaler Formen aus einer neuen Kupferart – dem Mondseekupfer – abgelöst, das sich durch seinen Arsengehalt auszeichnet. Im Bereich der Pfyner und der Mondsee-Kultur lässt sich nun eine lokale Kupferproduktion fassen, die u. a. durch Gusstiegelfunde, Rohlinge, Halbfabrikate und Schleifwerkzeuge belegt ist. Nachweisbar ist v. a. die Herstellung lokaler Flachbeilformen,. [Daneben sind in geringerer Zahl aber auch Dolche, Ahlen, Meißel oder Schmuck in Form von Hakenspiralen belegt. Einzelne Typen belegen das Fortbestehen der Kontakte in den südosteuropäischen Raum anhand formaler Ähnlichkeiten.

Der Weg zur und die Kupfer-Metallurgie

Der Beginn der Kupfermetallurgie, der die pyrotechnische Verarbeitung von Metallen einleitet, ist ein grundlegender Schritt in der Menschheitsgeschichte. Bei diesem Innovationsprozess und dem damit verbundenen Technologietransfer sind sowohl technische als auch gesellschaftliche Voraussetzungen zu berücksichtigen, die beide eine conditio sine qua non darstellen.

Bei der frühen Herstellung neolithischer Keramik wurden Temperaturen zwischen 500 und 800°C erreicht. Erst für die Produktion sehr hart gebrannter und polychromer Keramik, wie sie am Ende des 6. Jt. v. Chr. im Bereich ab der Stufe Vinča B in Südosteuropa auftritt, sind der Einsatz von Reduktionstechniken sowie Temperaturen im Bereich von 850 bis 1100°C nötig, die nur in zweikammerigen Brennöfen und die Verwendung von Holzkohle erreicht werden können. Lochtennen, die die Existenz solcher Öfen bestätigen, liegen ab der Stufe Vinča C (ca. 5000–4750 calBC) aus Rumänien und Nordbulgarien vor. Der derzeit älteste direkte Beleg für Kupferverhüttung ist der Schlackebrocken aus der Siedlung von Belovode/Serbien, der um 5000 v. Chr. datiert wird.

Haubner 2020, Roland: → Die prähistorische Kupfermetallurgie – allgemeine Betrachtungen. Berg.-Huettenmänn- Monatsh. 166 2021:343–351.

  • Die Rituale zur Metallgewinnung wurden durch mündliche Überlieferung weitergegeben. Eine solche Werkanleitung könnte bei den metallurgischen Handwerksmeistern etwa gelautet haben: „Suche die bunten Steine und sammle sie ein. Mach diese bunten Steine im Feuer so heiß, bis das rote unzerbrechliche Material entsteht!“ (bei oxydischen Erzen). Oxidische Kupfererze lassen sich leicht mit Kohlenstoff zu metallischem Cu reduzieren. Dies kann einfach in einem Tiegel oder Herd im Holzkohle-Feuer erfolgen. Von der Dauer des Reduktionsschritts ist es abhängig, wieviel Sauerstoff im Cu gelöst bleibt und somit wieviel Cu-Cu2O Eutektikum gebildet wird. Durch das Vorliegen eines Eutektikums kann bereits beim Schmelzpunkt von Cu (1085 °C) eine vollständig aufgeschmolzene Legierung erhalten werden. Aus der Mondseekultur sind Cu Gegenstände mit Cu-Cu2O Eutektikum im Gefüge bekannt. Eine vollständige Entfernung von Sauerstoff aus der Schmelze war zu dieser Zeit nicht möglich – wobei aber enthaltenes Arsen als Desoxidationsmittel wirkte, dadurch aber der Schmelze verloren ging.
  • Fahlerze als Erzbasis erfordern bereits einen zweistufigen Prozess, um metallisches Kupfer (Cu) herzustellen. Chemisch müssen die Elemente Schwefel (S) und Arsen (As) oxidiert und das Cu reduziert werden. Um Schwefel aus dem Erz zu entfernen muss es „geröstet“ werden, dabei bildet Arsen gasförmiges As4 oder As2, welches abdampft. Von den Sulfiden reagiert zuletzt Cu2S. Nur wenn gleichzeitig metallisches Cu und gasförmiges As vorliegen, wird Cu3As gebildet. Dieses ist weitgehend stabil und zersetzt sich erst, wenn Cu zu Cu2O oxidiert wird. Nur dieses As verdampft während der Weiterverarbeitung durch Schmelzen und Gießen nicht. In der Praxis bedeutet dies, dass beim Rösten ein Großteil des Schwefels zu SO2 reagiert, Cu2O gebildet wird und As abdampft. Im nachfolgenden Reduktionsschritt des Cu2O mit Kohlenstoff aus Holzkohle wird noch vorhandenes As in der Schmelze aufgenommen, und es entstehen Arsenbronzen. Es ist von der Prozessführung abhängig, wieviel As in die Bronze eingebaut wird. Fehlerze werden in der Schweiz erst ab dem Ende des 4. Jt. abgebaut und verhüttet.

Mödlinger 2019, M.; Haubner, R.: → Arsenic loss during metallurgical processing of arsenical bronze. Archaeol. Anthropol. Sci. 11, 2019:133–140.

  • Die Verluste von Arsen aus einer As-Cu-Legierung sind beim Schmelzen und Erstarren unter oxidierenden Bedingungen (also Luft-Sauerstoff) ziemlich hoch und nehmen bei höheren Arsen-Gehalten überproportional zu. Bzgl. des Arsenverlustes bei prähistorischem Recycling sind zu berücksichtigen: chemische Zusammensetzung des Metalls; Zusammensetzung der zusammenzuschmelzenden Metalle; Schmelz- und Gießbedingungen (Temperatur, Atmosphäre, Zeit) und die Geometrie der recycelten Metallobjekte, des Tiegels und der Gussform.

Die "phänomenalen" Eigenschaften von geschmiedetem Arsen-Kupfer

Härte wg. Δ-Dicke-% durch Kaltschmieden; As-Kupfer 2–3-mal härter als pures Kupfer; bearbeitet nach Ottaway (diese nach Tylecote)

Ottaway 2014, Barbara; Heeb, Julia: → Experimental Archaeometallurgy. In: Archaeometallurgy in Global Perspective: Methods and Syntheses. New York: Springer. 2014:161–192.

S. 176: Die früheste Kupferlegierung in Europa war arsenhältiges Kupfer, erst ein Jahrtausend später folgte Zinnbronze. Archäologische Nachweise werden nur durch Metallanalysen erbracht. Ein Blick auf die nebenstehende Abbildung zeigt, dass einer der Gründe für das Legieren ein rein technischer sein könnte, nämlich die Verbesserung der Eigenschaften. So lässt sich beispielsweise die Härte von reinem Kupfer durch Kaltschmieden nicht so stark erhöhen wie durch Bearbeitung von legiertem Kupfer (vgl. die Verdopplung bis Verdreifachung der Härte von geschmiedetem Arsenkupfer gegenüber purem Kupfer in der nebenstehenden Abbildung). Wie in der Abbildung extra herausgearbeitet, ist der Härte-Anstieg bereits bei nur geringem Kaltschmieden viel steiler als bei purem Kupfer.

Die Attraktion des Arsen-Kupfers ergab sich also nicht durch die materielle Zusammensetzung selbst, sondern vor allem durch die Arbeit der Schmiede: durch die Kaltverformung wurden die Schneiden der Beile (Messer usw.) bedeutend härter als bei reinem Kupfer.

Weitere Punkte, die für legiertes Arsen-Kupfer sprechen, sind der niedrigere Schmelzpunkt von Legierungen im Vergleich zu reinem Kupfer und die Verringerung der Porosität mit zunehmenden Legierungselementen. Planschliffe von arsenhältigem Kupfer zeigen mit ansteigendem Arsengehalt eine frappant inverse Beziehung zur Porosität des Metalls, was besonders beim Nachschärfen von Beilen und Messern (keine Lunker im Metall) von ausschlaggebender Bedeutung ist.

Eigenschaften von Arsen und Kupfer → keine "künstliche Legierung" möglich

Schroeder 2015 et al.: → Problematik, Klinik und Beispiele der Spurenelementvergiftung – Arsen Toxichem Krimtech 82(3); 2015:327–339.
→ Arsen-Dämpfe sind ziemlich giftig!


Pernicka 2011, E.; Meliksetian, K. et al.: → Chemical, Iead isotope and metallographic analysis of extraordinary arsenic-rich alloys used for jewellery in Bronze Age Armenia. Metalla, Archaeometallurgy in Europe III, Bochum 2011.

Bisher wurden einige kleine Kupfer-Perlen aus Maikop mit 18–21 Gew.-% As gemeldet (Ravich & Ryndina, 1995).

"In Anbetracht der Tatsache, dass Arsen ein extrem flüchtiges Element ist, das sich beim Schmelzpunkt von Kupfer (1085 °C) in der Gasphase befindet, ist die Herstellung von Cu-As-Legierungen sicherlich eine problematische Aufgabe. Obwohl die Temperatur des Eutektikums im Cu-As-System viel niedriger ist (685 °C für eine Schmelze mit einem As-Gehalt von 21 %), liegt sie doch weit über dem Sublimationspunkt von Arsen (615 °C), so dass die antiken Handwerker eine fortschrittliche Schmelztechnik angewandt haben müssen, um solche ungewöhnlichen Legierungen herzustellen."


Junk 2003, Margrit: → The Influence of Arsenic on the Properties of Copper. In: Material properties of copper alloys containing arsenic, antimony and bismuth. Diss. Univ. Freiberg; 274 Seiten, 2003:19–26 (The influence of arsenic on copper).

  • p. 172, Fig. 8.2: Kaltverformung von Kupfer und Arsenkupfer (Vickers Härte: 55 → 140 VH bei 20 % Verformung; 55 → 160 VH bei 60 % Verformung: es kommt also zu einer Verdreifachung der Härte gegenüber Kupfer)

Arsen-Kupfer ist deutlich härter und zäher als pures Kupfer. Es ist einfacher gießbar und kann mit Gussformen in Massenproduktion hergestellt werden. Von besonderer Bedeutung ist, dass es z. B. bei Beschädigung als Neu-Guss zur Gänze wiederverwendbar ist, ohne dass die Qualität darunter leidet - wenngleich dabei Arsen verloren geht.


Der Schmelzpunkt von Kupfer liegt bei 1085 °C.

Arsen sublimiert bei einer Temperatur von 615 °C, geht also aus dem festen Aggregatzustand direkt in die Gasphase über (und verdampft).

Das spezifische Gewicht von Kupfer beträgt 8,9 kg/dm3, jenes von (metallischem) Arsen 5 kg/dm3; d.h. (noch) festes Kupfer geht in flüssigem Arsen (mit 615 °C) unter - während das Arsen bei weiterem Erhitzen sublimiert.

Deshalb konnte "Arsen-Kupfer" nicht durch künstliches Legieren hergestellt werden. Wollte man Kupfer durch Beifügung zu flüssigem Arsen legieren, würde sich flüssiges Arsen über dem noch festen Kupfer befinden und verdampfen. Würde man metallisches Arsen zu flüssigem Kupfer von rd. 1100 °C hinzufügen, würde dieses auf dem schwereren Kupfer schwimmen und ebenfalls verdampfen.

Zudem verbrennt Arsen bei über 180 °C an der Luft (von selbst) mit bläulicher Flamme zu einem weißen Rauch von giftigem Arsen(III)-oxid (Arsenik). Arsen-Stäube sind leicht entzündlich. In natürlich vorkommender Legierung ist Arsen weniger und nur unter oxidierenden Bedingungen flüchtig.

Maikop-Kupfer und dessen Arsen-Gehalt (bis ≤ 10 % max.)

Untersuchte Maikop-Kupfergeräte

Einen guten Überblick zu kaukasischem Arsenkupfer gibt Alistair Pike (Britisches Museum): → Analysis of Caucasian metalwork – the use of antimonal, arsenical and tin bronze in the Late Bronze Age In: Ancient Caucasian and Related Material in the British Museum. The British Museum, London 2002:87–92.

In der Archäologie wird Fahlerz auch manchmal als Synonym für Arsenbronzen verwendet, wie sie besonders in der Frühen Bronzezeit gebräuchlich waren. Im Kaukasus stand Fahlerz natürlich an, während es an Zinn mangelte, daher wurde es hier bis zum Ende der Bronzezeit bevorzugt genutzt.

S. 90: Das Vorhandensein von Arsen in Kupfer erhöht die Härte des Metalls und wirkt außerdem als Antioxidantium, das die Bildung von Gasporen beim Gießen verringert. Der Arsengehalt der Gegenstände variiert von keinem bis zu 5,5 %, mit einem Mittelwert von etwa 2,5 %. Der "ideale" Arsengehalt liegt bei 4–5 %, was den besten Kompromiss zwischen Härte und Elastizität darstellt. Arsen entweicht beim Erhitzen rasch aus arsenhaltigem Kupfer in einer oxidierenden Umgebung.

Arsenkupfer mit 1–3 % Arsen hat eine rote Farbe, mit 4–12 % Arsen eine goldene Farbe und mit 12–18 % eine silberne oder graue Farbe. Die gegossenen Gegenstände aus arsenhaltigem Kupfer haben einen höheren Arsengehalt (3-5 %) als die bearbeiteten Dolchklingen aus arsenhaltigem Kupfer.


Arsen-Spektralanalysen Maikop und Novosvobodnaia

Selimkhanov 1962, Isa R. bringt in: → Spectral analysis of metal articles from archaeological monuments of the Caucasus. Proc. of the Prehistoric Society, Vol. 28, 1962:68–79: die Ergebnisse von 27 Analysen von Artefakten aus dem Maikop-Kurgan. Fast durchgängig wird arsenhaltiges Kupfer mit 3-10 % Arsen verwendet.

Wie der nebenstehenden Tabelle zu entnehmen ist, beträgt der durchschnittliche Arsengehalt der Gegenstände aus dem Maikop-Kurgan 5,5 % und maximal 9,1 %; jener aus dem späteren Novosvobodnaia-Kurgan 4,9 %; ohne den Ausreißer mit 0,7 % As beträgt er 5,3 % und maximal 10,0 %.
Aus der Tabelle ist auch die außerordentliche Reinheit des Kupfers hervorzuheben: andere Elemente kommen nicht einmal im Promille-Bereich vor.

Andere Fundstellen am Kaukasus lieferten folgende Arsengehalte im Kupfer: Kiultepe (Türkei) durchschnittlich 3,8 %, maximal 6,1 %; Shengavit (Armenien) durchschnittlich 2,7 %, maximal 3,1 %; Gräber in Dagestan durchschnittlich 1,9 %, maximal 2,5 %.

Mondseer Arsenkupfer aus Maikop; Bezugsende mit Novosvobodnaija (~ 3.300 v. Chr.)

Ravich 1995, Irina; Ryndina, Natalia: → Early Copper-Arsenic Alloys and the Problems of their Use in the Bronze Age of the North Caucasus. Japan Inst. of Metals: Bull. of the Metals Museum, Vol. 23, 1995:1–18. (Researchers of All-Union Inst. of Conservation, Moskau)

Die Farbe der Arsenkupfer-Legierung ist rötlich bei einem Arsengehalt von 1–3%, golden bei 4–12% und silbern bei 12–18%. Ausgehend von reinem Kupfer mit einer Brinell-Härte von 50, steigt die Härte (noch ohne Kalt-Verformung) auf 90 bei einem Anteil von 10 % Arsen.

Besonders durch Kalt-Verformung kommt es bei einer Reduktion der Dicke des Metalls von: 0% – 40% – 80% zu einer deutlichen Zunahme der Härte: bei 2% Arsengehalt: 50 – 120 – 160 kg/mm²; bei 4% Arsengehalt: 60 – 145 – 200 kg/mm²; bei 6% Arsengehalt: 75 – 170 – 240 kg/mm². [Anm.: Bei Zinn-Bronze mit 5% Zinnanteil werden ganz ähnliche Härte-Werte wie bei 6%igem Arsenkupfer erreicht.]


S. 12: Maikop (bis ~ 3.300 v. Chr.): Nicht nur die Dolche der Maikop-Kultur wurden nach dem Herstellungs-Schema I hergestellt, sondern auch die Dolche, die zur Usatovo-Kultur gehören. Nach Ryndina und Kon'kova hatten die großen Usatovo-Dolche die gleiche Struktur und die gleiche Art der intergranularen Korrosion wie die Maikop-Dolche. Budd fand auch bei Dolchen der oberösterreichischen Mondseekultur die gleichen Strukturen. Daraus können wir schließen, dass es im CMP-Gebiet und auch in den angrenzenden Regionen Mitteleuropas ähnliche technologische Traditionen der Dolchherstellung gab.

Da die lokalen nordkaukasischen Artefakte (Beile, Schwerter, Kessel, Trensen) die gleichen Verunreinigungen aufweisen wie die gerade beschriebenen Dolche, können wir annehmen, dass dieses Metall-Zentrum im Nordkaukasus lag.


Novosvobodnaija (ab ~ 3.300 v. Chr.): Ein zweiter Prozess der Dolchherstellung (Herstellungsschema-Schema II) wurde durch mikroskopische Untersuchung von fünf Artefakten, die in den Dörfern Bamut, Inosemzevo und Novosvobodnaija ausgegraben wurden, beobachtet. Die Dolche hatten schmale dreieckige Klingen mit einer Rinne in der Mitte, die von zwei länglichen Mittelrippen gebildet wurde.

Trotz des ähnlichen Typs und Herstellungsverfahrens wiesen die Dolche unterschiedliche Verunreinigungen auf, einige von ihnen waren reich an Nickel (0,3-1%). Wie bereits erwähnt, enthielten einige der nordkaukasischen Erze Nickel. Wir können also davon ausgehen, dass diese betrachteten Dolche lokal aus anderen Erzquellen hergestellt wurden.

Die Stämme, die die Maikop-Stämme ablösten, unterschieden sich erheblich von ihren Vorgängern in den Bestattungsbräuchen, den keramischen Formen und den Metall-Gegenständen. Die für die Maikop-Kultur typischen Dolche, Kessel und Trensen verschwanden, und neue Ornamente (anders geformte Nadeln, Armbänder, Perlenketten, Metallplatten und Medaillons) traten an die Stelle der früheren Metallgegenstände. Die Funde von Werkzeugen und Waffen sind nicht sehr zahlreich; sie hatten oft Schnurornamente und wurden im Wachsausschmelzverfahren hergestellt, das in dieser Zeit zur Hauptmethode bei der Herstellung von Metallgegenständen wurde. So wie das Metall des Nordkaukasus (der Arsenanteil der Legierungen war mit 3-5% As so hoch wie zuvor), so lassen auch die Zugehörigkeit der nordkaukasischen Artefakte zur lokalen Metallproduktion keine Zweifel aufkommen.

Metallurgische Forschungen zum "Mondsee-Kupfer"

Die Metallurgen Budd, Gross und Schmitz zum "Mondsee-Kupfer" (bis ≤ 10 % max. As)

bis 11 % Arsengehalt des Kupfers der Funde aus See am Mondsee

Budd 1991, P.: → A metallographic investigation of eneolithic arsenical copper artefacts from Mondsee, Austria. Historical Metallurgy 1991:99–108.

Budd untersuchte 14 Objekte aus der Sammlung Much der Universität Wien: 10 Mondsee-Beile und 2 Dolche; die Arsen-Gehalte schwanken einerseits von wenig bis zu 3, 5 und einmalig sogar 10,7 % (vgl. die nebenstehende Tabelle).

Das ist deshalb so relevant, weil hohe Arsengehalte von Kupfer in Europa äußerst selten sind. In der Stuttgarter Datenbank von Pernicka kommen Arsengehalte über 3 % nur mit drei Prozent und Arsengehalte über 5 % nur mit einem Prozent vor.


Gross 2021, Eda et al.: → Diversity of resources and volatility of metallurgical networks—multi‑methodological provenance analysis of neolithic and EBA‑copper‑artefacts from Switzerland and eastern France. In: Archaeological and Anthropological Sciences (2021), 34 pages. [ 34 x „Mondsee“]

Die untersuchten Schweizer Kupfergegenstände haben durchwegs Arsen-Gehalte, zumeist unter 1 %; es gibt eine einzelne Ausnahme bei Hitzkirch um 4.000 v.Chr. und drei in der Zeitspanne 3.000-2.700 v.Chr. mit unter 2 % im nahen Frankreich.

Die hier gewonnenen Daten zeigen auch deutlich, dass die Axt-Typologie vollständig von der Erz-Provenienz entkoppelt ist, was bedeutet, dass Materialbeschaffung und metallurgische Verarbeitung voneinander unabhängig waren.


Schmitz 2004, Albert: → Typologische, chronologische und paläometallurgische Untersuchungen zu den Kupferflachbeilen und Kupfermeißeln in Alteuropa. Dissertation; Band 1: Text, 668 Seiten. (646 x Arsen. 153 x Mondsee, 6 x Kaukasus, 4 x Maikop, Cortaillod, Pfyn usw.); → Band 2: Programm-Code, Abbildungen, 662 Seiten.

Schmitz 2004 befasst sich in seiner Dissertation intensiv mit dem „Mondseekupfer“ und dessen weiträumiger Verbreitung in Europa. Eine Suche in seiner Dissertation ergab 153 Treffer zu „Mondsee“ und 27 zu "Mondseegruppe".

Insgesamt sind rund 190 Metallfunde der Mondseegruppe bekannt, etwa 75 von diesen, die der Sammlung Schmidt angehörten, sind seit 1945 verschollen.

S. 98: Die Stationen „See“ und „Scharfling“ erbrachten weiters Dolche, gekrümmte Klingen, Spiralen, Pfrieme, Angelhaken, ein Blechfragment, Gussreste und Reste von mehr als 160 Gusslöffeln. 545 ff.: Der Bestand an kupfernen Flachbeilen der Mondseegruppe (vom Mondsee und Attersee) lag per 1989 bei 37 Exemplaren. Es stehen hierzu 37 auswertbare Metallanalysen aus folgenden Fundorten zur Verfügung: Attersee (vier), Seewalchen (vier), Weyregg (vier), Unterach (25). Der Arsengehalt schwankt zwischen 0,5 und 5 (max. 11) %. Schmitz vermutet die Herkunft des Mondseekupfers aus dem Kaukasus. (S. 546:) „Ergänzend ist durch Analysen von Kupferresten aus Gusslöffeln sowie der Gusstropfen selbst nun auch gesichert, dass dieses Kupfer dasselbe wie das der Fertigprodukte ist, die wohl zur Gänze in den Stationen der Mondseegruppe erzeugt wurden.“ Charakteristisch ist das verwendete arsenhaltige Kupfer, das von hier aus weitreichend exportiert wurde.

S. 584: „Die erweiterten Handelskontakte führten dazu, dass sich ab dem Ende der Frühkupferzeit II zunehmend Arsenkupfer etablieren konnte. Der Ursprung dieser Technologie kann in östlicher Richtung gesucht werden, ohne nun das genaue Herkunftsgebiet benennen zu können."

Altheim bringt demgegenüber nur 6 arsenhaltige Kupferfunde, darunter ein Flachbeil und drei Pfrieme. Ottaway 1994:238 schreibt: „Diese Funde (aus Altheim) sind zeitgleich und typologisch wie auch z.T. spurenelementarisch denjenigen der Mondseekultur sehr ähnlich.“ (S. 226:) „Im Mondseegebiet, das als Quelle für die sogenannten "Altheimer Beile" diente, kommt der Typ Vinca ebenfalls vor.“

(S. 585:) „… so sind lokale Produktionen in der Schweiz, dem Bodenseeraum, in Westdeutschland, in Südskandinavien und in Polen festzustellen. Das signifikante Material stammt offenbar aus dem oberösterreichischen Raum, so dass sich die von Schubert definierte Materialgruppe Mondsee, trotz fehlender konkreter Bergbaunachweise, an diesem Herkunftsgebiet festmachen lässt.“


Turck 2010, Rouven: → Die Mondsee-Metallurgie. In: Die Metalle zur Zeit des Jungneolithikums in Mitteleuropa. (S. 37-42); Masterarbeit Univ. Heidelberg 2008. In: Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie 185 (Bonn 2010)
Es ist opinio communis, dass die Feuchtbodenbesiedlungen der Nordalpen ein zusammengehöriges, vergleichsweise einheitliches Phänomen darstellen. Im frühen 4. Jt. v. Chr. brechen die Importe aus Südosteuropa ab, während die eigenständige Produktion von Kupfergeräten einsetzt.


Die Metallurgin Barbara Ottaway 1977, 1979, 1982

Ruttkay trifft Ottaway 1977 bei Budapester Symposium

Ruttkay nahm 1977 an einem Syposion in Budapest über Die Bronzezeit in Südosteuropa und den Nachbarländern teil und brachte selbst einen Beitrag zur Erforschung der Leitha‐Gruppe. Dort trug auch die Edinburgher Dissertantin Barbara Ottaway (gem. mit Chr. Strahm) über Die Beziehungen des Nordalpinen Raumes und des Karpatenbeckens in der frühen Kupferzeit vor und Ruttkay war offenbar von ihren archäologischen und metallurgischen Ausführungen wissenschaftlich sehr beeindruckt, sodass sie sich auch in die Erstellung der Dissertation Ottaways einbrachte.

Ottaway 1977, Barbara u. Strahm, Christian: → Die Beziehungen des Nordalpinen Raumes und des Karpatenbeckens in der frühen Kupferzeit. In: N. Kalicz, R. Kalicz-Schreiber (Hrsg.): → Die Frühbronzezeit im Karpatenbecken und in den Nachbargebieten; Symposium in Budapest-Velem, 1977:125–143.
Da diese in ihren Aussagen für die Mondseekultur hoch interessante Veröffentlichung nicht öffentlich verfügbar ist, wird hier ein → Kompaktes Exzerpt dieser Veröffentlichung gebracht.

In ihrer Veröffentlichung "Die Metallfunde und die Metallurgie der kupferzeitlichen Mondseegruppe. Ein Vorbericht" (Zs. Archäologie Österreichs 4, H. 2, 1993:5–9) bezieht sich Ruttkay – zumindest in den Anmerkungen – direkt auf Ottaway (Anm. 11) und Strahm (Anm. 5), wobei sie deren Veröffentlichung aus 1977 (siehe gleich unten) aber nicht anführt. Die von ihr angekündigte gemeinsame „Gesamt-Publikation“ kam offenbar nicht zustande. Die durch Antl-Weiser 1995 von Ruttkay (1993) übernommene Meinung ("eine mit Altheim eng verwandte Gruppe") ist nicht belegbar. Die Altheimer-Gruppe hat keine Beziehung zur Bewirtschaftung von Seen und deren hydrologische Beherrschung. Das einzige, was auch bei der Altheimer-Gruppe vorkommt, ist die Anlage von tiefen und langen Gräben – allerdings auf dem Trockenen rund um ihre Siedlungen. Dass sich Ruttkay vor allem auch auf unpublizierte Clusteranalysen von Strahm stützt und die österreichischen Beile ohne Beleg als "Altheim-Beile" bezeichnet, ist überraschend.

  • Antl-Weiser (1995), S. 10: „Einundzwanzig Stationen vom Mond- und Attersee gehören der jungneolithischen Mondsee-Gruppe an. Nur die im Jahr 1976 im Attersee entdeckte Siedlung Abtsdorf I stammt aus der Bronzezeit und wird anhand von 14C-Daten in das 16. Jh. v. Chr. datiert. Die Mondsee-Gruppe zählt heute zum jungneolithischen nordalpinen Kreis nach Driehaus und ist für die österreichische und die neuere ausländische Forschung eine mit Altheim eng verwandte Gruppe". Sie wird in drei Abschnitte unterteilt: einen älteren typologisch problematischen Abschnitt um 3.800 v. Chr., einen vollständig entwickelten Abschnitt von 3.700 bis 3.300 v. Chr. und einen dritten Abschnitt, der um 3.000 v. Chr. anzusetzen ist (Ruttkay 1981, Raetzel-Fabian 1986:66, Obereder et al. 1993).“

Ottaways Dissertation 1978

Ottaway 1978, Barbara: → Aspects of the earliest copper metallurgy in the norhern sub-alpine area in its cultural setting: ausgezeichnete und tiefschürfende metallurgische Dissertation an der University of Edinburgh → Volume I (Text, 347 pages); → Volume II (Appendix, figures, data)

→ S. 214: Clustering; S. 220: Table; S. 222: Cluster 2, 10, 1.5; S.229-238: Discussion

Ruttkay unterstützte Ottaway intensiv bei der Erstellung ihrer Dissertation (eine Suche ergab 26 Treffer bzgl. "Ruttkay") und brachte dabei eine größere Anzahl östlicher Kulturen ein. Trotzdem sah Ottaway (S. 74) die deutlich unterschiedlichen Höhensiedlungen eher in Verbindung mit Altheim als die Seesiedlungen. "Die Cortaillod-, Pfyn-, Mondsee- und Horgen-Kulturen finden sich vorwiegend an oder in der Nähe von Seeufern, in Mooren oder an Flussufern, aber immer mit einigen Vorposten auf Hügeln oder Felsen. Die Höhensiedlungen sind zwangsläufig von ganz anderem Charakter. Dies und die Tatsache, dass das Verhältnis von grober zu feiner und verzierter Ware auf Höhensiedlungen ganz anders als bei den Seen ist, ließen den Salzburger Landesarchäologen Hell in den 1940er-Jahren vermuten, dass die Salzburger Höhensiedlungen eher zur Altheimer als zur Mondseer Kultur gehören. Demgegenüber sah Willvonseder diese Höhensiedlungen in Verbindung zur Mondseekultur."

Ottaways unrichtige Übernahmen zur Lage von Altheim- und Mondsee-Kultur
Verteilung der Mondsee-Kultur (nach Willvonseder 1968)
Verteilung der Altheim-Kultur (nach Driehaus 1960)

Die von Ottaway in ihrem Volume II zu Grunde gelegten zeitlichen Vorkommen der Altheim- und Mondseekultur (Abb. 6 und App. I) und räumlichen Verbreitung der Altheimkultur (Abb. 11; nach Driehaus 1960) und Mondseekultur (Abb. 18; nach Willvonseder 1968) - vergleiche die nebenstehenden Abbildungen - treffen nicht zu.

Die Mondsee-Kultur kommt nur im Seengebiet vor, wenngleich andere Stationen Mondsee-Keramik aufweisen – die sie wohl durch Handel erworben haben. Die Altheim-Kultur kommt im Salzburgischen überhaupt nicht vor, wenngleich Hell dies – in Verehrung von Reinecke – in die Welt gesetzt hat.

  • Willvonseder 1968, Kurt: Die jungsteinzeitlichen und bronzezeitlichen Pfahlbauten des Attersees in Oberösterreich. Mitt. Prähistor. Komm. der ÖAW Wien. Band 11/12, 453 S.
  • Driehaus 1960, Jürgen: Die Altheimer Gruppe und das Jungneolithikum in Mitteleuropa. Röm.-Germ. Zentralmuseums. R. Habelt, Mainz 1960. 245 Seiten. (basierend auf seiner Diss.: "Die Formen der Altheimer Kultur im Rahmen der Europäischen Kupferzeit", München, 1953.)
Ottaways überraschende, selektive Auswahl der Literatur von Martin Hell
  • Link zu Willkürliche Auswahl der Veröffentlichungen von Martin Hell: Dieses selektive Material wurde Ottaway offenbar von Ruttkay zur Verfügung gestellt: (vgl. den Dank Ottaways an Ruttkay im vorigen, letzten Absatz).
    Überraschenderweise verwendet Ruttkay keine einzige der von ihr Ottaway zur Verfügung gestellten Veröffentlichungen Hells in ihrer „Mondsee-Veröffentlichung“ 1981. Im Gegenteil verwirft sie mit diesen Argumente von Driehaus. Hells Veröffentlichung aus 1913 zum Rainberg ist die einzige, die sie anführt, um sie sogleich als irrelevant zu verwerfen.
Kompaktfassung von Ottaways Mondsee-Kapitel (S. 71-82)

Link zu: → Ottaway-Exzerpt: Kontakte, Herkunft und Datierung der Mondseekultur (S. 80 ff.) in Langfassung.
Diese wichtigere Arbeit Ottaways aus 1978 wurde von Ruttkay – im Gegensatz zu jener aus 1977 – weder 1981 noch 1993 berücksichtigt.

Das Gebiet der Mondsee-Kultur liegt lt. Willvonseder zw. Salzach, Enns und Donau; es gibt viele Pfahlbau-Siedlungen um Mond- und Attersee; ein weiterer Cluster von (zugehörigen) Höhensiedlungen liegt um Salzburg, ausschließlich entsprechend den Veröffentlichungen von Martin Hell aus 1916–1975. Östlich der Enns werden noch einzelne zu Mondsee ähnliche Siedlungen angeführt sowie Paura an der Traun und Gerlham bei Seewalchen. Da sich die Funde der Höhensiedlungen von jenen der Ufersiedlungen unterschieden, ordnete sie Hell eher der Altheimer- als der Mondsee-Kultur zu. Ottaway beklagt, dass es nur ganz wenige Fund-Auswertungen gibt. Sie beschreibt die Fundgegenstände; die Mondseekrüge unterscheiden sich klar von jenen Altheims. Steinwaffen und -hämmer kommen bei Land-, See- und Minen-Stationen vor. Im Anhang werden viele Abbildungen zur Mondsee- und Altheimkultur gebracht.

Die Kupferfunde umfassen Flachbeile, Messer, Dolche, Spiralen und Ahlen. Die meisten kommen vom Mond- und Attersee, aber die Landfunde wie in Paura lassen keinen Zweifel an deren Kupfergebrauch zu. Kupferfunde in und um Salzburg wie auch Schmelzen und Perlen sind häufig, aber alle sind Rettungsgrabungen von Hell, der sie zeitlich nicht zuordnen konnte und er benannte die Begleitkeramiken als Münchshöfener-, Michelsberg-, Altheim- und Cham-Kultur.

Es gibt (damals) 13 Radiokarbondaten vom Mond- und Attersee, deren Mittelwert zwischen 2.880 und 2.460 v.Chr. liegt mit Randwerten von 3.000 und 2.300 v.Chr. Diese sind damit zeitgleich mit Cortaillod- und Pfynkultur der Schweiz und überschneiden sich mit Michelsberger und Trichterbecherkultur und vielleicht dauerte auch die Altheimkultur bis zu diesem Horizont.

Die Ähnlichkeit zur Altheimkultur wurde v.a. durch Driehaus (1960) und Pittioni (1954) herausgestellt: gleiches Feuersteinmaterial, einzelne Feuersteingeräte (Sicheln) und ähnliche Steingeräte und Höhensiedlungen. Der Henkelkrug war in abgewandelter Form auch in Altheim bekannt. Ein Flachbeil und Ahlen ähneln Mondseer Kupferfunden. Jedoch könnten alle diese gemeinsamen Faktoren durch die gleichen wirtschaftlichen Bedürfnisse und das Vorhandensein des gleichen Rohmaterials erklärt werden.

„Ein überzeugenderer Beleg für den Kontakt sind die Grenzsiedlungen um Salzburg selbst. Einige von diesen (Hainberg, Ainring, Auhögl) werden mit gleichwertigen Argumenten abwechselnd der Altheimer Kultur (Driehaus 1961, Hell 1943) und der Mondsee-Kultur (Willvonseder 1968, Reitinger 1968) zugeordnet. Dies ist das beste Indiz für eine echte kulturelle Überschneidung mit starken Kontakten. Die zeitliche Stellung der gesamten Altheimkultur ist natürlich ungewiss; es ist jedoch sicher, dass sie nicht so lange bestand wie die Mondseekultur.“

"Letztere ist während ihrer gesamten Dauer erstaunlich einheitlich und muss bis zu ihrem Ende eine eng zusammenhängende Volksgruppe gewesen sein: obwohl etliche Metallartefakte aus Bronze sind, d. h. sie Kontakte zu technologisch fortgeschritteneren Menschen oder Zentren hatte, findet sich nichts davon an Fundstellen, an denen sich Mondsee- oder frühbronzezeitliche Gruppen vermischt haben (Reitinger 1968, 61).“

„Es ist unklar, wo die Urspünge der Mondseekultur liegen. Die Vorgängerkultur in Oberösterreich und um Salzburg war die Münchshöfener Kultur, von der 6 Stationen sicher bekannt sind.

Maxglan und Rainberg, beide nahe Salzburg, wurden beide durch Hell (1954) ausgegraben, und gehören zu dieser Gruppe (Ottaway: "Ich danke Elisabeth Ruttkay für die Erlaubnis zur Nutzung dieses Materials noch vor Veröffentlichung). Beide Stationen beinhalteten Kupferfunde und der Vorschlag ist deshalb hoch interessant. Die Münchshöfener Kultur ist – entsprechend Ruttkay – Teil des großen Epi-Lengyel-Komplexes, zu dem Belaton-I, Jordanov- und die Lasinja-Kultur gehören. Das würde wiederum ein hoch interessanter Horizont sein, da Kupfer in den Gräbern der Jordanov-Kultur bekannt ist." (Ottaway 1978)


Erhellende Ottaway: Earliest Copper Artifacts of the Northalpine Region (1982)

Verbreitung des Ersten Kupferführenden Horizonts

Ottaway 1982, Barbara: Earliest Copper Artifacts of the Northalpine Region – Their Analysis and Evaluation. Schriften des Seminars für Urgeschichte der Universität Bern. Heft 7, 1982. 351 Seiten.

Ottaway weitet ihre Dissertation hiermit auch auf Schweizer Kulturen aus. Drei Cluster von Kupfersorten (1.5, 2 und 10) in der Mondsee-Gruppe und in Schweizer Kulturen bilden die chronologisch ältesten (arsenreichen) Kupfervorkommen am Nordrand der Alpen. Dazu gehören auch die entsprechenden Kupfermetallurgien und Spezialkenntnisse wie Hochtemperatur-Schmelzöfen (> 1.100 °C; anaerob), Gießen und Schmiedearbeiten. Das arsenreiche Kupfer stammt nicht aus Europa.

Ottaways chronologische und metallurgische Analyse

Der von Barbara Ottaway untersuchte Zeitraum umfasst ca. 4.300 bis 2.700 v. Chr. Sie untersuchte 362 Artefakte (ohne solche mit über 2 % Zinn: „echte“ Bronze) aus Österreich, der Schweiz und Süddeutschland mittels Neutronenaktivierungsanalyse und Atomemissionsspektrometrie. Ottaway steuerte selbst rd. 100 zusätzliche, neue Kupfer-Analysen bei. Die Analysen der 31 chronologisch frühen Mondsee-Artefakte entnahm sie SAM-Publikationen (SAM = Studien zu Anfängen der Metallurgie; Stuttgart). Eine Clusteranalyse brachte 10 gut definierte Hauptgruppen von Kupferartefakten.

Nördlich der Alpen tauchen – als Importe aus Südost-Europa – allererste Kupferfunde in der 2. Hälfte des 5. Jahrtausends v. Chr. bis zur Wende zum 4. Jt., aber nur als Einzelfunde auf.

Ottaway konnte chronologisch für den Nordalpenraum insbesondere 3 kupferführende Horizonte herausarbeiten:

Verteilung Cluster 1.5, 2 und 10 des Mondsee-Kupfers
Anzahl der Cluster-Artefakte je Kultur u. Chronologie

Erster kupferführender Horizont: Mondsee-Gruppe, Cortaillod-Kultur, Pfyner Kultur (3.900-3.500 BC), Altheimer Kultur

  • Anm. 1: Ottaway führt Altheim noch an erster Stelle, da ehedem Altheim das älteste 14C-Datum hatte.
  • Anm. 2: Ottaway verweist S. 199 darauf, dass die Cortaillod-Kultur ihre Rinder von der französischen Chasséan-Kultur bekamen.

Mit diesem Horizont beginnt die erste, früheste wirkliche Kupferverwendung [Ottaway S. 192-195].
Das in diesen Kulturen vorkommende arsenreiche Kupfer gehört zu den Clustern 2, 10 und 1.5.
Cluster 1.5 kommt vor allem direkt in Mondsee vor.
Wie den nebenstehenden Grafiken zu entnehmen ist, kommt das Mondsee-Kupfer neben den oberösterreichischen Seen vor allem am Zwei-Seen-System Bielersee und Neuenburgersee und ein wenig im Pfyner Gebiet vor.
Die Anzahl der Altheimer Kupferobjekte stammen nicht aus Altheim selbst, sondern von Stationen in Salzburg und dem benachbarten Bayern, die Altheim durch Hell und anderen (z. B. auch von Pittioni) zugerechnet worden sind.
Cluster 10 von diesen drei frühesten Kupfergruppen enthält besonders viel Arsen und stammt wahrscheinlich von außerhalb des Untersuchungsgebietes.
Attersee und Pfyn verfügen über Metallbearbeitung und Schmiede; wahrscheinlich auch die Cortaillod-Kultur.
Zeitgleich nutzen auch östliche Kulturen in der Slowakei (Laznany), Westungarn (Balaton 2-3) und Ostungarn (Bodrogkeresztur) Kupfer.
Die zeitgleiche Chasséan-Kultur in Frankreich nahe Schweiz nutzte Kupfer auch später noch nicht (das Schweizer Kupfer kam nicht aus dem Süden).


Zweiter kupferführender Horizont: Horgener Kultur (3.300-2.800 BC), Lüscherz, Cham (3.500-2.700 BC), Baden-Boleraz

  • Auf den ersten Horizont folgt eine Diskontinuität, in der Kupfer wesentlich seltener auftritt. Zu dieser Zeit gab es in Norddeutschland Verschiebungen, die noch vor der Schnurkeramik auftraten. In allen der angeführten Kulturen gab es nur geringe Kupferverwendung, auch im Boleráz der CSSR. Das späte Chasséan von Frankreich zeigt erstmals einige wenige Kupfer-Artefakte. Zu dieser Zeit kommen die neuen Kupfer-Sorten 5, 7 und 9 in die nördliche Alpenregion.

Dritter kupferführender Horizont: Baden-Ossarn, Auvernier, Frühe Schnurkeramik

  • Es kommt zur Rückkehr einer reichen, Kupfer-verwendenden Phase. Auvernier, Frühe Schnurkeramik und die Baden-Kultur haben die gleichen Artefakte wie im ersten Horizont (Flachäxte, Dolche, zweischneidige Messer usw. sowie zusätzlich Spiralen und Ösenringe).
    Dieser Horizont liegt in der Zeit des Kupfer-Abbaus und -Schmelzens entlang des Salzachtales mit den Kupfersorten 3 und 4. Dieses Kupfer wurde hauptsächlich im westalpinen Gebiet (v.a. Schweiz) benutzt.

Als ein wichtiges Ergebnis ihrer Untersuchung hob Ottaway hervor, dass man beim Vergleich des ersten mit dem dritten kupferführenden Horizont eine Umkehr der Versorgung mit Metall feststellt. Im dritten Horizont ist der Nordalpenraum unabhängig von Südost-Europa und scheint sogar mehr Kupfer und auch eigene Rohstoffquellen zur Verfügung zu haben. Die Umkehr des Südost-Einflusses beginnt nach Ottaway bereits am Ende des ersten Horizonts [S. 68].



Ottaway gruppiert die Analysen der Kupferobjekte mithilfe der Cluster-Analyse. Die Gruppierung ergab insgesamt 10 Cluster [S. 342–345].

Die Cluster wurden von Ottaway schließlich als „Kupfersorten“ bezeichnet, und es zeigte sich, dass die Cluster 1.5, 2 und 10 die frühesten Kupfersorten waren. Diese 3 Cluster zeichnen sich alle durch das Element Arsen aus [S. 125]. Die Mondsee-Gruppe selbst umfasst insgesamt 34 Artefakte, die insbesondere in diese 3 Cluster fallen [S. 117].

Nachfolgend soll auf jene Cluster kurz eingegangen werden, die für die Mondsee-Gruppe von besonderer Bedeutung sind.

Cluster 2: Mit insgesamt 45 zugewiesenen Artefakten handelt es sich um einen großen Cluster. Ein Arsengehalt von im Mittel leicht über 0,5 Gew.-% ist charakteristisch. Weitere charakteristische Elemente und in geringer Konzentration vorhanden sind Antimon und Silber. Im allgemeinen nicht vorhanden sind die Elemente Zinn, Gold, Zink und Kobalt. Nickel kommt mit einem großen Streubereich vor. Geographisch zeigt Cluster 2 einen Schwerpunkt um die Schweizerischen und österreichischen Seen [S. 126 f.].

Cluster 10: Mit 65 Objekten ist auch Cluster 10 sehr groß. Er weist den höchsten Arsengehalt der Objekte auf bei einem mittleren Arsengehalt von 1,7 Gew.-% und geringer Variation. Weiterhin sind Silber und Antimon für die Einordnung wichtig. Viele Flachbeile und Dolche sind hier enthalten [S. 128].

Cluster 1.5: Dieser Cluster ist mit nur 23 Artefakten der kleinste der frühen Arsen-Cluster. Ihn zeichnet der geringste aber nur wenig variierende Arsengehalt von im Mittel um 0,2 Gew.-% Arsen aus [S. 129]. Dieser Cluster kommt nur in der Mondsee-Gruppe vor.

Die Objekte des Mondsee-Kupfers sind größtenteils in den Clustern 2 und 10 enthalten. Ottaway stellte das charakteristische Arsen als wichtigstes Nebenelement des Kupfers heraus und wies auf die Anteile von Antimon und Silber hin, die eine wichtige Rolle bei der Gruppierung der Objekte bildeten.

Zur Herkunft der Kupfer-Technologie schreibt Ottaway zusammenfassend, dass „die Einführung des Kupfers in den nordalpinen Raum nicht auf eine einzige Kultur zurückzuführen ist, sondern auf ein kompliziertes, auf mehrseitigen Kontakten bestehendes Netz" [S. 206].

Es ist nicht wahrscheinlich, dass das Metall und die Metallurgie von nur einem metallurgischen Zentrum eingeführt wurde, da sich die Kupfersorten im 2. und 3. Horizont beträchtlich wandeln. In diesen späteren Horizonten wurde das Kupfer in den kupferreichen Ostalpen lokal abgebaut und wurde vorrangig im westlichen Bereich (Schweiz) genutzt [S. 195].

Ergebnis: Die Arsen-Kupfer-Technologie verbindet Mondsee mit Bielersee

Die Cluster 2 und 10 des Arsen-Kupfers zeigen die klare Verbindung zwischen Mondsee und Bielersee, wobei die Anteile – trotz der gegenteiligen Intensität der Forschung – in Mondsee klar überwiegen. Die besonders arsenhältigen Artefakte des Clusters 10 konzentrieren sich nur in Mondsee (samt den Altheim zugeschlagenen Stationen) und am Bielersee/Neuenburgersee.

Dass die Arsen-Kupfer-Artefakte also gerade an diesen Zwei-Seen-Systemen auftreten ist ein weiterer Hinweis auf die enge Verbindung. Jedenfalls gab es am Mondsee die entsprechende Metall-Technologie, die bedeutsames Know-how zur Voraussetzung hat; inwieweit dies auch am Bielersee vorhanden war ist noch zu untersuchen.

Zielführende einfach mögliche Aktualisierungen von Ottaway 1982

Solche Aktualisierungen sind einfach möglich, da Barbara Ottaway dankenswerterweise ihren gesamten Datensatz samt Methodik im Anhang offen gelegt hat.

Ottaways ehemalige Zeitstellung der Kulturen

Chronologische Adaptionen

Besonders störend ist z. B. die viel zu frühe Zeitstellung von Altheim, die die Clusterbildung beeinflusst.

Ottaway legte mit dem Stand 1982 die folgenden unkalibrierten 14C-Daten zugrunde (vgl. Abb.):

  • Altheim 3300 v. Chr. [nur 1 Datum verfügbar]
  • Pfyn 3500 3100 – 2800 2700 [32 Daten]
  • Cortaillod 3400 3100 – 2700 2200 [45 Daten]
  • Mondsee 3000 2800 – 2400 2200[15 Daten]
  • Baden Boleráz 2700 – 2550 [6 Daten]
  • Horgen 3300 2500 – 2400 2000 [21 Daten]
  • Lüscherz 3000 2600 – 2300 2200 [6 Daten]
  • Cham 2450 2400 - 2100 1900 [5 Daten]
  • Baden classis 2500 - 2100 [14 Daten]
  • Saone-Rhone 2600 2300 - 2200 2100 [26 Daten]
  • Schnurkeramik 2600 2350 - 1800 [20 Daten]

Räumliche Zuordnungen

Besonders der räumlichen Verortung der hier vor allem angesprochenen hoch-Arsen-hältigen Artefakten kommt besondere Bedeutung zu. Dies trifft wiederum für Altheimer Funde zu, die in Altheim selbst Importe gewesen sind. Gleiches gilt wohl für Einzelfunde in den Salzburger Stationen. Dass viele Einzelfunde (z. B. vereinzelt in Niederösterreich, aber auch in Steiermark als größere Ansammlung) wohl mit Handel mit Mondsee zusammenhängen, könnte mit metallurgischen Analysen (SAM) einfach verifiziert werden.



Die Schweiz hat im 4. Jt. abseits der Seen wenig „Mondsee-Kupfer“, an Seen schon

Ergebnisse der Untersuchungen der Metalle abseits der großen Seen

Funde 3850–3500 v.Chr. = grün markiert; untersuchte (schwarze Kreise) und nicht untersuchte (leere Kreise)

Gross 2021, Eda; van Willigen, Samuel et al.: → Diversity of resources and volatility of metallurgical networks—multi‑methodological provenance analysis of neolithic and EBA‑copper‑artefacts from Switzerland and eastern France. Archaeological and Anthropological Sciences 2021, 34 Seiten.

Die nebenstehende Abbildung zeigt die analysierten (schwarze Kreise) und die nicht analysierten (leere Kreise) der Kupferfunde des Zeitraums 4300–1800 v. Chr.

Es wurden 14 Schweizer Kupferartefakte der Zeitspanne 3850–3500 v. Chr. (grün markiert) auf ihre Blei-Isotopen-Zusammensetzung analysiert: Egolzwil-4 & 2x Hitzkirch (westlich Zürichsee); 4x Risch & Cham & Zug (nahe Zugersee), Oberriet & Wartau & Mels (Ostschweiz südlich Bodensee); Thayngen & Wilchingen (westlich des Bodensees). (vgl. auch die Abb. 1 und 2 in der angeführten Veröffentlichung)

Eda Gross: "Es konnten umständehalber keine Kupferfunde der Pfahlbaustationen vom Bodensee, Bielersee, Neuenburgersee oder Genfersee analysiert werden".

Blei-Isotopen-Signaturen untersuchter Schweizer (schwarze Quadrate) und der Mondseer Funde (graue Quadrate
Zoom der Pb–Verhältnisse Schweiz (schwarze Quadrate) gegenüber Mondsee (graue Quadrate)

Die nebenstehende Abbildung zeigt für die Zeitspanne 3850–3500 v. Chr. die Blei-Isotopen-Zusammensetzungen der 14 Schweizer Objekte (schwarze Quadrate) und jene der 25 Kupferobjekte aus dem Mondsee-Attersee-Gebiet (graue Quadrate): dabei sind auf der senkrechten Achse die Werte der 207Pb zu 204Pb–Verhältnisse gegenüber den Werten der 206Pb zu 204Pb–Verhältnisse auf der waagrechten Achse eingetragen.

In der Projektion sind fünf Schweizer Objekte isotopisch nah (aber nicht identisch) mit der recht kompakten Gruppe, die aus 25 der 29 Objekte aus dem Mondsee-Attersee-Gebiet besteht, nämlich vier Flachäxte aus Wilchingen (Nr. 11), Hitzkirch-Seematte (Nr. 4), Risch (Nr. 7) und Mels (Nr. 12) sowie ein unbestimmtes Fragment aus Zug (Nr. 17).

Wie in der Zoom-Darstellung deutlich zu erkennen ist, liegen die Blei-Isotopen-Zusammensetzungen des „Mondsee-Kupfers“ recht geordnet auf einer sehr schmalen Ellipse. Die fünf Schweizer Funde liegen am unteren Rand dieser Ellipse (drei) und zwei weitere liegen klar innerhalb der Ellipse – und sollten damit jedenfalls aus „Mondsee-Kupfer“ bestehen. Offenbar kam also „Mondsee-Kupfer“ – durch Handel, Tausch, Geschenke – auch in Stationen ohne Pfahlbauten.

Demgegenüber zeigen die übrigen neun Schweizer Beilklingen Blei-Isotopen-Zusammensetzungen, die weit außerhalb dieser Gruppe liegen und haben damit keinerlei Verwandtschaft mit dem Kupfer der Mondseer Artefakte. Die Blei-Isotopen-Signaturen haben gezeigt, dass bei diesen eine Herkunft aus den Lagerstätten um Mondsee und Attersee ausgeschlossen ist.

Insgesamt ist zu sagen, dass die 14 Schweizer Objekte aus dieser Zeitspanne isotopisch sehr heterogen sind. Weder bilden die drei gebildeten Typen von Beilen eine homogene Gruppe, noch stimmen die Isotopenwerte einer dieser typologischen Gruppen mit den Werten der Funde aus dem Mondsee-Attersee-Gebiet überein.

Objekte, die dieser metallurgischen Tradition zuzuordnen sind, wurden in vielen voralpinen Pfahlbauten sowie in einigen Höhensiedlungen und Erdwerken aus dieser Zeit gefunden. Sie weisen ein einheitliches Erscheinungsbild auf und es ist zu vermuten, dass sie ein gemeinsames metallurgisches Know-how widerspiegeln. (Mondseer und Schweizer Pfahlbaustationen)

Die anderen Schweizer Funde dieser Zeitspanne weisen keine einheitliche Blei-Isotopen-Zusammensetzung auf; einige von ihnen stammen wahrscheinlich aus dem sächsisch-böhmischen und/oder dem slowakischen Erzgebirge, während andere Objekte wahrscheinlich aus ostalpinem Kupfer hergestellt wurden. Es ist wahrscheinlich, dass das Rohmaterial in Form von Perlen und Metallstücken in die südwestlichen Regionen nördlich der Alpen gelangte. Diese wurden dann in Tiegeln umgeschmolzen, gegossen und zu lokal spezifischen Axtformen geschmiedet (z.B. Thayngen-, Bottighofen-, Robenhausen- und Altheimer Beile).

Die hier gewonnenen Daten zeigen deutlich, dass die Axt-Typologie vollständig von der Erzprovenienz entkoppelt ist, d.h. Materialbeschaffung und metallurgische Bearbeitung waren voneinander unabhängig.

Aufschlussreiche, erhellende Zusammenfassung zur Metallurgie jener Zeit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es verschiedene metallurgische Traditionen aus unterschiedlichen, weit entfernten Innovationszentren gibt. Die Metallurgie dieser Zeit stammt aus verschiedenen Traditionen, die aus unterschiedlichen Hotspots und Abbaugebieten stammen. Die Metallurgie dieser Zeit muss im Zusammenhang mit ihren Verbindungen zu anderen metallurgischen Zentren betrachtet werden. Der Transfer von Wissen, Material und Personen wird möglicherweise durch kleine Gemeinschaften unterstützt, die über exklusives ökologisches und technologisches Wissen verfügen und ihre Interessengebiete ausweiten wollen. Einzelpersonen mit Verbindungen zu Innovations-Hotspots könnten aktiv an der Prospektion und dem Abbau von Erzen sowie der Entwicklung von Metallurgien in den Alpen und den voralpinen Seen beteiligt gewesen sein oder diese initiiert haben. Wenn diese metallurgischen Traditionen wirklich nur von wenigen Entscheidungsträgern geprägt wurden, dann sind Abbrüche des Wissenstransfers aufgrund biografischer Unsicherheiten und der Unbeständigkeit und Verletzlichkeit sozialer Beziehungen im interkulturellen Kontakt eher die Regel als die Ausnahme.

Matuschik vertritt noch 1998 eine überholte Herkunft des Mondseekupfers

Matuschik 1998, Irenäus: → Kupferfunde und Metallurgie-Belege, zugleich ein Beitrag zur Geschichte der kupferzeitlichen Dolche Mittel-, Ost- und Südosteuropas. Zs. Unterwasserarchäologie 1998, 49 Seiten.

Matuschik erstellte in seinem Anhang eine umfangreiche Liste von Kupferfunden und auch Gusslöffeln und zieht daraus recht überholte Schlüsse, wenn er z.B. aus der Form die Herkunft des Kupfers ableitet. Weiters wirft er Altheim mit nur 6 Kupferfunden in einen Topf mit Mondsee mit deren über 160 Gusstiegelfunden und rund 190 Metallartefakten.

Einfache Forschung zum Zusammenhang von Schweizer mit Mondsee-Stationen

Da es in vielen Schweizer Pfahlbauten Kupferfunde gibt, ist es einfach möglich, Blei-Isotopen-Untersuchungen anzustellen, die einen Vergleich des in Mondsee verarbeiteten Kupfers mit dem in den einzelnen Pfahlbaustationen der Schweizer Seen gefundenen Kupfers hinsichtlich ihrer Provenienz anzustellen.



Der Metallurg Ernst Pernicka

Pernickas grundlegende Metallurgie-Forschungen

Kupfer-Metallfunde bis 4.500 v. Chr.: SO-Europa
kalibrierte 14C-Chronologie Vorderasien – Europa

Pernicka 1990, Ernst: → Gewinnung und Verbreitung der Metalle in prähistorischer Zeit. JB Röm.-German. Zentralmuseum Mainz 1990, 109 Seiten; ist das Standardwerk; [Achtung: 235 MB].

Wie der nebenstehenden Abbildung zu entnehmen ist, häufen sich bis 4.500 v. Chr. die Metallfunde aus Kupfer westlich des Schwarzen Meeres mit der sogenannten → Link: Carpaten-Balkan-Metallurgie-Provinz (CBMP) mit den Kulturen Vinca, Gumelnita, Karanovo VI, Cucuteni A und Tripolje sowie deren umfangreicher Kupferproduktion sowie Goldbeigaben in die Gräber in Varna (insbesondere Grab 43).

Um 4.300-4.100 v. Chr. kam es zu → Link: ersten Invasionen der Suvorovo-Kultur aus den Steppen der Ukraine und mehr als 600 Siedlungen im unteren Donautal und Ostbulgarien wurden dabei niedergebrannt.

Danach ist das Balkanhochland leer und es lassen sich zwischen 3.900 und 3.300 v. Chr. keine dauerhaften Siedlungen mehr nachweisen. Verbrannte Siedlungen enthalten menschliche Skelette, die als massakriert angesehen werden. Die letzte kupferzeitliche Zerstörungsebene bei Karanovo VI. enthielt 46 menschliche Skelette, die ebenfalls als Massaker gedeutet werden.

Die kupferverarbeitenden Kulturen in Mitteleuropa wechseln um 4.000 v. Chr. zu serbischen Erzen. Metallgegenstände werden nun aus neuen arsenhaltigen Bronze-Legierungen hergestellt.

Pernicka schreibt auf Seite 51: „Im Alpenraum fehlen die Anfänge mit gediegen Kupfer fast vollständig. Die Metallverarbeitung – belegt durch Schmelztiegelfunde – setzt in Mondsee, Cortaillod, Pfyn und Altheim gleich mit arsenhaltigem Kupfer ein (Ottaway 1982: Earliest Copper Artifacts in Northalpine Region) und verläuft in der Folge mit der Entwicklung in Südosteuropa parallel.“ und auf S. 88: "In Europa ist diese Metallsorte völlig unbekannt."


Pernicka 1997, Ernst; Todorova, H.:Prehistoric copper in Bulgaria: Its composition and provenance. Eurasia Antiqua Bd. 3 1997. S. 41–180. Disc. p. 118.

  • Auf Basis dieser frühen und umfassenden metallurgischen Untersuchung Südosteuropas mit der Expertin Todorova kannte Pernicka die dortigen Erzverhältnisse tiefschürfend. Damit konnte er später die Herkunft des Mondseekupfers aus dieser Region ausschließen.
  • S. 147–156: Im Endneolithikum zeigen die bulgarischen Proben minimalste Arsengehalte weit unter Promillebereich; in früher Kupferzeit gibt es vereinzelt 2,5 bis 3,4 ‰; später wieder sind sie fast Arsen-frei, seltenst bis 1 %; in der Proto-Bronzezeit gibt es erstmals Werte von 1 – 2 %, ausnahmsweise 3,7; 4,9 und 8,4 % Arsen-Gehalt; in Spätbronzezeit durchwegs unter ½ %; einmalig wird 1 ½ % Arsengehalt erreicht.

Pernicka 1998, Erich: → Die Ausbreitung der Zinnbronze im 3. Jahrtausend, in: Mensch und Umwelt in der Bronzezeit Europas; Oetker-Voges Verlag, Kiel 1998.

Der Metallurg Pernicka beschreibt den Umschwung von Kupfer zu Arsen-Bronze als wichtigstem Rohstoff für Geräte und Waffen: Arsen-Bronze ist leichter zu verarbeiten, vor allem zu gießen, als Kupfer. Die Legierung hat einen niedrigeren Schmelzpunkt als reines Kupfer (1085 °C) und sie neigt beim Guss weniger zur Blasenbildung. Denn Kupfer hat die für den Gießer unangenehme Eigenschaft, im geschmolzenen Zustand Sauerstoff aufzunehmen und beim Erkalten in Form von Blasen im Guss wieder abzugeben. Es ist deshalb nützlich, dem geschmolzenen Kupfer sogenannte Antioxidantien beizugeben, die den Sauerstoff binden. Arsen ist ein solches Material. Der Arsenanteil härtet aber auch das Metall, sowohl im gegossenen Zustand als auch nach der Bearbeitung. Durch Kaltdeformation kann sogar die Härte von normalem Stahl (nicht abgeschreckt) erreicht werden. Diese Eigenschaft hat zur Herstellung von wesentlich verbesserten Werkzeugen und Waffen geführt. Es gibt also gute Gründe, um Arsen-Kupfer zu verwenden.

Viele natürliche Kupferlagerstätten enthalten Arsen als Begleitelemente, die bei der Verhüttung zumindest teilweise ins Kupfer gelangen. Es ist deshalb auch unklar, ob es sich bei Arsenkupfer um absichtliche Legierungen handelt oder um reine Zufallsprodukte, die durch die Erzbasis vorgegeben waren. Reines Arsen oder Arsenverbindungen kommen zwar in der Natur vor, sind aber recht selten. Deshalb ist die absichtliche Herstellung von Arsenkupfer aus zwei verschiedenen Materialien unwahrscheinlich. Eher ist an eine mehr oder weniger gezielte Auswahl von arsenhaltigen Kupfererzen zu denken. Eine Erzauswahl dürfte in gewissem Umfang zwar möglich gewesen sein, aber es war nicht vorherzusehen, welche Zusammensetzung das Metall haben würde. Außerdem ist es aber wegen der Flüchtigkeit des Arsens schwierig, Kupfer mit mehr als etwa 5 % Arsen herzustellen, so dass die erreichbare Härte der Legierung unter der der späteren Zinn-Bronze mit 10 % Zinnanteil liegt. (Anm. von Pernicka: Nur ein Prozent der analysierten prähistorischen Metallfunde in der Stuttgarter Datenbank enthalten mehr als 5 % Arsen und nur drei Prozent mehr als 3 % Arsen. Besonders arsenreiche Kupferobjekte treten vorwiegend in Vorderasien auf.)

Wenn also mit Arsenkupfer ein wesentlich härteres Metall als reines Kupfer zur Verfügung stand, ist der rasche Ersatz des Kupfers durch Arsen-Kupfer für die Herstellung von Werkzeugen und Waffen leicht einsichtig.

Die Verwendung von Arsenkupfer-Bronzen beginnt – rund tausend Jahre vor Einführung der Zinn-Bronze – bereits am Beginn des 4. Jt. nahezu zeitgleich in einem sehr großen Gebiet, das vom Iran über den Kaukasus und rund um das Schwarze Meer reicht.



Pernickas Forschungen zur Herkunft des "Mondsee-Kupfers" 1993-2012

Obereder (1993), J.; Pernicka, E.; Ruttkay, E.: → Die Metallfunde und die Metallurgie der kupferzeitlichen Mondseegruppe. Ein Vorbericht. Arch. Österreichs 4/2, 1993:5-9.

"Mondseekupfer "kann charakterisiert werden als arsenhaltiges Kupfer, das ansonsten relativ rein ist (Sb, Ag und Ni durchwegs sehr geringe Werte. ...) Ergänzend ist durch Analysen von Kupferresten aus Gusslöffeln sowie der Gusstropfen selbst nun auch gesichert, dass dieses Kupfer dasselbe wie das der Fertigobjekte ist, die wohl zur Gänze in den Stationen der Mondseegruppe erzeugt wurden. Die Herkunft des arsenhaltigen Kupfers liegt weiterhin im Dunklen, da entsprechende Erzlagerstätten im geographischen Umfeld der Mondseegruppe nicht gefunden wurden. Da die Arsentechnologie Parallelen bzw. Vorgänger im östlichen Karpatenbecken sowie in den östlich hieran angrenzenden Gebieten hat, wird auch an eine Herkunft dieses Kupfers aus diesen Gebieten gedacht. Andererseits stünde dann das massive und einheitliche Vorkommen bzw. die lokale Produktion der Mondseegruppe sehr isoliert da."

Pernicka 2004, E.; Ruttkay, E., Pucher, E.; Cichocki, O.: → Prehistoric lacustrine villages on the Austrian lakes: past and recent research developments. in: Menotti, Francesco. 150 years of lake dwelling research. p. 50-69.

"Da kein größeres alpines Kupfervorkommen bekannt ist, das nur noch Arsen aufweist, ist die Herkunft des Erzes, aus dem Mondseekupfer gewonnen wird, ungewiss."

Prof. Dr. Ernst Pernicka, Univ. Heidelberg

Pernicka 2010/2012, Ernst & Frank Carolin: Copper artefacts of the Mondsee group and their possible sources. In: → Lake Dwellings after Robert Munro. Proc. Intern. Seminar: The Lake Dwellings of Europe. Univ. Edinburgh 2010:113–138. → Wesentliche Aussagen

  • basierend auf Langfassung: Frank 2010, Carolin: Kupfer der Mondseegruppe. Die Metallfunde der Mondseegruppe aus Wien und Überlegungen zur Frage nach der Herkunft des Kupfers, Magisterarbeit bei Pernicka (2010/korr. 2012) Eberhard-Karls-Univ. Tübingen, 2010. 2 Bände: Textteil 102 S.; Anhang mit 44 Abb., 12 Tab. und 5 Tafeln. Mit diesem Link wird eine → kompakte Darstellung ihrer Arbeit gegeben.
  • Als Ergebnis ihrer Arbeit stellte sie fest, dass sowohl aufgrund der chemischen Zusammensetzung als auch wegen der Blei-Isotopen-Analysen eine Herkunft des „Mondsee-Kupfers“ aus den Ostalpen und dem Balkan unmöglich ist. Auch die historischen Bergwerke „Ai Bunar“ und „Majdanpek“ kommen nicht in Frage, da diese nur Reinkupfer ohne jegliches Arsen lieferten.
    Frank stellt aber auch fest, dass es serbische Artefakte gibt, die aus ähnlichem Kupfer bestehen wie die Mondseer Artefakte, aber auch für diese gibt es keine Lagerstätte.

Nach Pernicka (2010) stammt das arsenhaltige sogenannte „Mondseekupfer“ nicht vom Mitterberg, nicht aus den Alpen und auch nicht aus Südost-Europa. Mondsee-Kupfer hat besonders viel Arsen: 0,5–5%

Er kommt zu den folgenden Schlussfolgerungen (S. 131): "Die chemischen und Blei-Isotopen-Eigenschaften des von der Mondseegruppe verwendeten Kupfers sind relativ homogen. Das dominierende Element ist Arsen, so dass die Bezeichnung "arsenhaltiges Kupfer" am treffendsten ist. Ein Vergleich der chemischen und Isotopen-Daten der ostalpinen Erze mit dem "Mondseekupfer" zeigt, dass es keine Korrelation gibt und dass die ostalpinen Kupfererze als mögliche Quellen ausgeschlossen werden müssen, obwohl die Verteilung des arsenhaltigen Kupfers im vierten Jahrtausend v. Chr. und die Verteilung der für die Mondseegruppe charakteristischen Metalltypen eine deutliche Tendenz nach Südosteuropa aufweisen, gibt es bisher keine gute Korrelation der Isotopendaten mit bekannten Kupferlagerstätten von dort."

Die abschließende Arbeit Pernickas zur Herkunft des "Mondseekupfers" 2012

Pernicka schließt sich Chernykhs Ansichten an
Verteilung von Arsenkupfer im 4. Jt. v. Chr.; Quelle = dunkle Ellipse CPMP um Kaukasus
Arsengehalt Mondseer Kupfer; vgl. den Unterschied der Dolche zu Äxten

Pernicka 2012, Ernst: → The Development of Metallurgy in Western Anatolia, the Aegean and Southeastern Europa before Troy. In: → Western Anatolia before Troy in the 4th Millenium BC Int. Symp. KHM Wien 2012.
Hier gibt es den Link zu dem Transskript des übersetzten Artikels von Pernicka zu den → Kupfer-Legierungen S. 452–456.

Pernicka (S. 452): "Auf den Höhepunkt der Metallproduktion im späten 5. Jt. v. Chr. folgt eine an Metallfunden auffallend arme Periode im südöstlichen Europa und der Ägäis. Jedoch erscheint kurz darauf arsenhaltiges Kupfer als neues Material fast gleichzeitig vom Nahen/Mittleren Osten bis nach Mitteleuropa (Mondsee, Cortaillod) [20]. Pernicka schreibt: "Entsprechend Chernykh et al. [21] markiert dies die Umstrukturierung der kulturellen Beziehungen zwischen Anatolien und Europa, die zur Bildung der so genannten Zirkumpontischen Metallurgischen Provinz führte, die sich, wie wir heute wissen, bis in den Iran und Zentralasien erstreckte" (vgl. die Abb.).


Fußnote[20]: Edward Sangmeister 1971; Eckehart Schubert 1981 [beide siehe unten]

Fußnote[21] Anm. von Pernicka: "Chernykh 1991 et al. beschreiben die Verbreitung von arsenhaltigem Kupfer in der von ihnen so bezeichneten frühen Bronzezeit und schließen die Kura-Araxas- und die Maikop-Kultur ein. Diese Terminologie stimmt jedoch nur mit der Periode der Frühbronzezeit 1 in Ostanatolien überein, die bereits in der zweiten Hälfte des vierten Jt. v.Chr. beginnt."


[Anm.: Wie bekannt, beginnt die Mondseekultur mit ihrem "Mondsee-Kupfer" (vor allem mit der weit überwiegenden Fundanzahl an stark arsenhältigen Kupfergegenständen und -gusstiegeln in See/Mondsee) gleich nach Beginn des 4. Jt. v. Chr., sodass ostanatolische (Kura-Araxas ab 3.300 v. Chr.) und andere Kulturen nach der Mitte des 4. Jt. nicht in Frage kommen. Damit verbleibt – bisher aber ohne metallurgische odaer archäologische Nachforschungen – die Maikop-Kultur als Quelle des "Mondsee-Kupfers".]

[Anm.: Dass die metallarme Periode um 4.000 v. Chr. auch in der Ägäis auftritt, spricht gegen den Vorschlag von Sangmeister einer iberischen Herkunft des Arsen-Kupfers.]

Pernicka: "Das metallurgische Problem der Herstellung von Arsenkupfer liegt in der hohen Flüchtigkeit von Arsen (Sublimationspunkt 615 °C), so dass es – anders als das Metall Zinn 1000 Jahre später – der Kupferschmelze nicht direkt zugesetzt werden kann, obwohl das Element auch in der Natur vorkommt."
Das spricht dafür, dass arsenreiche Erze allein oder als Mischung mit europäischen Kupfererzen verwendet wurden.



Zu Pernicka 2012 gehörige Literatur

Sangmeister 1973, Edward: Aufkommen der Arsenbronze in SO-Europa. In: Actes du VIIIe Congrès International des Sciences Préhistoriques et Protohistoriques 1971. Verlag: Union internationale des sciences préhistoriques et protohistoriques, Beograd 1973 Bd. 1, S. 109–138. (vom Hören-Sagen)

  • Grundlage von Sangmeisters Untersuchung bilden die 22.000 Metallanalysen aus dem mittel- und südosteuropäischen Raum der AG für Metallurgie des Altertums (SAM) in Stuttgart. Sangmeister kommt lt. Schubert (s. u.) in seiner Studie zu dem etwas überraschenden Ergebnis, dass die südosteuropäische Arsenmetallurgie letztendlich ein Ableger der iberischen sei. Von einem frühen Arsenzentrum in Portugal sei die Kenntnis der Arsenverarbeitung über die Ostägäis in den Balkanraum vermittelt worden.

S. 117: Sangmeister: Neben den Arsenkupfer-Funden in SO-Europa an der unteren Donau, Böhmen, Mähren, Mondsee und Schweiz kommt Arsenkupfer-Erz auch auf der iberischen Halbinsel vor und er schreibt in Fußnote 4: „Laut mündlicher Auskunft von Dr. O. da Veiga Ferreira, Servicos Geologicos, Lissabon, gibt es in Portugal Kupfererze mit 4–6% Arsen“ und weiters "mit bis zu 6 % Arsen im Schmelzprodukt in Portugal."
S. 118: Wie erklärt sich das annähernd gleichzeitige Auftreten von Arsen-Kupfer in SO-Europa, in der Schweiz, in Mittel- und Südwesteuropa? Wenn hier das Material nicht importiert wurde, muss entweder das Rezept zur Herstellung der Arsenlegierung oder das Aufsuchen arsenhaltigen Kupfererzes relativ rasch verbreitet worden sein.
S- 127: Es wäre möglich an eine Entdeckung der Arsenbronze in Südosteuropa zu denken. Es gibt aber noch ein zweites europäisches Zentrum d. i. die Iberische Halbinsel. Das sogenannte Tejo-Beil Portugals ist vergleichbar zum Altheim- und Mondseebeil; auch das südöstliche Rechteckbeil ist ganz ähnlich.
S. 129: Sangmeister schlägt als Erklärung vor: „Die Arsenbronze wird in Portugal entdeckt, wo es Roherz mit angeblich bis 6 % Arsen gibt. Von dort kommt es als Material und ebenso Rezept seiner Herstellung in die Ägäis. Die Beziehungen zwischen der Ägäis und Südosteuropa vermitteln die Kenntnis nach Norden, wo einerseits von Rumänien aus, evtl. vom Südostalpenraum aus, andererseits – gebunden wohl an die uns unbekannten Lagerstätten – eine Eigenproduktion einsetzt, die sich an ein spezielles Programm hält: scharfkantige Rechteckbeile und Dolche mit Rippen und Nieten, die in Kreta ihre Vorformen haben. Wir hätten damit eine erste fassbare Einwirkung der Metallurgie der Ägäis, da ja in Früh- und Vollkupferzeit Verbindungen der Formen nur nach Anatolien nachweisbar sind (Beil vom Plocnik–Typ in Troja). Während die Verwendung von Arsenkupfer in Südosteuropa nur eine Episode bleibt, verwendet man es in Südwesteuropa bis tief in die Frühbronzezeit.“


Schubert 1981, Eckehart [Denkmalpflege Hessen; Namengeber von „Mondseekupfer“]: Zur Frage der Arsenlegierungen in der Kupfer- und Frühbronzezeit Südosteuropas. In: Studien zur Bronzezeit. FS Wilhelm Brunn, Mainz 1981:447–459.

  • Zitat S. 453: „Es ist sehr bezeichnend, dass der metallurgische Umschichtungsprozess im Spätneolithikum, der sich im Auftreten des arsenhaltigen Kupfers zeigt, mit weitreichenden kulturellen Veränderungen Hand in Hand geht, die sich etwa im Abbruch der bemaltkeramischen Kulturen andeuten. Weiterhin wurde durch den Arsenanteil ein verbessertes Produktionsverfahren möglich. Nun treten erstmals feste Gussformen auf, nachdem man viele Jahrhunderte in verlorener Form gegossen hatte. Die neuen Metalltypen sind kaum im Westen, sondern im Osten zu suchen.
    Die Gedanken von Sangmeister wird man wohl, soweit es die Entwicklung an der unteren Donau betrifft, fallen lassen und in einer anderen Richtung suchen müssen, die schon durch die Herkunft verschiedener Metalltypen und ihrer Träger vorgezeichnet ist: in den Steppengebieten und im Bereich des Kaukasus suchen. Wenn es nämlich im Osten einen Raum gibt, der über eine hervorragende und langlebige Arsenmetallurgie verfügte, so ist es der Kaukasusraum und sein Umland. Dort fehlt der ausgeprägte Naturkupferhorizont, den wir auf dem Balkan vor allem in Gestalt der Schwergeräte so deutlich fassen. An seine Stelle tritt mehr oder minder sofort das hochprozentige Arsenkupfer, das erst sehr spät durch die Zinnbronze abgelöst wird (vgl. Selimchanow 1977)."

Selimchanow 1977, Isa: Zur Frage einer Kupfer-Arsen-Zeit. Germania 55, 1977, 1–6.

  • Nach Selimchanow (Baku) gab es am Kaukasus nie reines Kupfer, sondern immer nur in Verbindung mit Arsen. Er zitiert auf S. 5 in Tabelle 1 für Gebrauchsgegenstände (Meißel, Nadel, Spachtel, Klinge) um 3.800 v.u.Z. Arsengehalte von 1,1 –3,7 % und in Tabelle 2 Fundstücke aus Stavropol/Nordkaukasus (nordwestlich von Maikop), die 3,3–11,3 % Arsengehalt aufweisen.

Der russische Metallurg Evgenij Černykh

Das System der Circumpontischen Metallurgischen Provinz (CMP) aus 1990/91

Černykh 1990, Evgenij, N. – Aviloval L. – Borceva T. – Orlovskaja L.: → El sistema de la provincia metalúrgica circumpóntica (Das System der Circumpontischen Metallurgischen Provinz). Trabajos de Prehistoria 47, 1990:63–101. (License CC BY-NC 4.0)

→ hier gehts zum ins Deutsche übersetzten TRANSKRIPT von Chernykh 1990/1991 (35 Seiten).

  • Abstract: Die Zirkumpontische Metallurgische Provinz stellte ein eng miteinander verbundenes System von Produktionszentren für Kupfer, arsenhaltige Bronzen und Zinnbronzen mit ähnlicher Morphologie dar. Es spielte zweifellos eine zentrale Rolle in der Alten Welt und umfasste die Kulturen der frühen und mittleren Bronzezeit im südlichen Teil Osteuropas, des Kaukasus, Kleinasiens und der Balkan-Karpaten-Region. Das Problem der Morphologie und der Produktionstechnologie wird im Rahmen von weitreichenden Beziehungen, der Entwicklungsdynamik verschiedener kultureller und produktiver Systeme, der relativ schnellen Bildung der Provinz und ihrer zufälligen Zerstörung untersucht.
Abfolge der Metallurgiezentren: schwarz = CMP
  • Chernykhs Schlussfolgerungen (S. 99): In Südosteuropa erlebten Bergbau und Metallurgie einen raschen und beispiellosen Aufschwung: Im Chalkolithikum entstand die ursprüngliche und mächtige Metallurgieprovinz der Karpaten und des Balkans (CBMP). Sie datiert auf das Ende des 5. und den Beginn des 4. Jahrtausends v. Chr, [Anm.: Datum ist viel zu jung.] Auf dem Balkan gab es keine antiken Kupfervorläufer wie in Kleinasien. Die komplizierte Technologie des Gießens von Waffen und massiven Werkzeugen, der groß angelegte Bergbau (Ai Bunar und andere) und eine große Menge Gold (Varna) tauchten wie aus dem Nichts auf. Ein ähnliches Phänomen gibt es in der gesamten Alten Welt nicht.
    Ein weiteres Paradoxon ist offensichtlich: In der Frühbronzezeit, als die Circumpontische Metallugische Provinz entstand, folgte mit dem Zerfall der chalkolithischen CBMP-Provinz ein starker Rückgang der Metallproduktion in der Karpaten-Balkan-Region (vgl. die Abb.).
    Im Vergleich zur Cirkumpontischen Metallurgischen Provinz (CMP) handelte es sich bei der CBMP um ein kurzlebigeres System, das sich ohne erkennbaren Grund auflöste (so wie es sich gebildet hatte). Es wäre naheliegend, die Ursprünge der Circumpontischen Metallurgischen Provinz zumindest in den nördlichen Zentren des Balkans und der Karpaten (der Heimat der metallurgischen Produktion während des Chalkolithikums) zu suchen. Ein großer Teil der verglichenen Merkmale zeigt jedoch, dass die alten Stereotypen während der Frühbronzezeit eher verworfen als fortgeführt wurden. Die morphologische Analyse der Kategorienreihen, die Herstellungsprozesse und die Zusammensetzung der Legierungen sagen uns das gleiche. In der Tat haben einige Merkmale ihre Spuren hinterlassen, insbesondere in den Karpaten-Balkan-Zentren: Herstellung schwerer Waffen, eine beträchtliche Anzahl von Artefakten aus "reinem" Kupfer, Vorherrschaft von Werkzeugen und Waffen, ein vergleichsweise geringer Anteil von Funden aus Nekropolen, usw. Insgesamt handelt es sich jedoch um zwei unterschiedliche Komplexe.
Abb. 18: Anzahl Cu-/Bronzefunde je 10.000 km² je Gebiet EBA = Early Bronce Age, EBM = Middle Bronce Age
  • Der Nordkaukasus als das überragende Arsen-Kupfer-Zentrum: Ein weiterer Aspekt verdient eine Bemerkung: ein Index für die Dichte der Kupfer- und Bronzefunde pro Gebietseinheit. Die Notwendigkeit eines solchen Indexes ergibt sich aus der unterschiedlichen Größe der einzelnen untersuchten Regionen.
    Die Anzahl der Funde je 10.000 km² und Gebiet ist in dem nebenstehenden Histogramm (Abb. 18) zu sehen. Einige Fälle sind paradox. Während der Frühen Bronzezeit (EBA) war der Nordkaukasus, der über keine eigenen Erze verfügte, 4-mal reicher an Bronzefunden als Kleinasien und 1,7-mal reicher als der Transkaukasus, wobei die beiden letztgenannten die Quellen der Metallversorgung für die nordkaukasischen Kulturen (die «Maikop-» und die synchronen Steppenkulturen) waren. Die nordpontischen Einheiten haben im Durchschnitt viel größere Bronzesammlungen als die kleinasiatischen und sind etwas ärmer als die des Nordkaukasus.
    Während der Mittleren Bronzezeit (EBM) wurde das nordkaukasische Phänomen sogar noch beeindruckender: Die Zahl der dort gefundenen Bronzeartefakte hatte sich verdreizehnfacht. Das Missverhältnis zwischen dem Nordkaukasus und seinen südlichen Nachbarn wurde sogar noch größer: 7,5 im Vergleich zum Transkaukasus und 9 im Vergleich zu Kleinasien. Dies geschah trotz eines deutlichen Anstiegs der Produktion in diesen Regionen.
    Die Steppe zwischen dem Asowschen und dem Kaspischen Meer und den Ausläufern des Kaukasus – das Maikop-Steppe-Gebiet (der entstehenden Jamnaja-Gruppe) – weist eine noch größere Dynamik auf: von 1,5 Funden pro 10.000 km² in der Frühen auf 37 in der Mittleren Bronzezeit.

Chernykh 1991, Evgenij N. – Aviloval L. – Borceva T. – Orlovskaja L.: The circumpontic metallurgical province as a system. In: Lichardus (Hrsg.): Die Kupferzeit als historische Epoche. Saarbrücker Beiträge zur Altertumskunde. Bd. 55, Verlag Habelt, Bonn 1991:593–622. (Anm.: Ist gleichlautende englische Version des vorigen spanischen Chernykh-Artikels aus 1990.)



Weitere Arbeiten von Chernykh 2013 / 2014

Abb. 3: Die Kupferzeit der CBMP, 5. Jt. BC: CB – zentraler Block; PB - peripherer Block (Cucuteni-Tripolye-Kultur); SB - Steppen-Viehzuchtgemeinschaften

Chernykh 2014, Evgenij Nikolayevich: → Review – Metallurgical Provinces of Eurasia in the Early Metal Age: Problems of Interrelation. Iron and Steel Institute of Japan (ISIJ International), Vol. 54, 2014:1002–1009. (lt. Homepage des ISIJ: License CC BY-NC-ND)

→ Hier gehts zum ins Deutsche übersetzeten TRANSKRIPT von Chernykh 2014

  • Der Artikel konzentriert sich auf die vergleichende Analyse regionaler Modelle der frühen Metallproduktion im Nahen Osten (Anatolien, Mesopotamien, Levante und Iran) im 5. bis frühen 2. Jt. v. Chr. sowie die Carpaten-Balkan-Metallurgie-Provinz (CBMP) und die darauf folgende Cirkumpontische Metallurgische Provinz (CMP). Die Studie basiert auf der statistischen Analyse von Computerdatenbanken mit mehr als 3.500 kalibrierten 14C-Daten von historischen Kupfer/Bronze-, Gold-, Silber- und Blei-Artefakten. Die frühe Metallzeit wird in fünf chronologisch unterscheidbare Perioden unterteilt.

Abb. 4: Die Frühe Arsen-Kupferzeit der CMP, 5. Jt. BC: L-Ur – Spät-Uruk; K-Ar – Kura-Araxas; MK – Maikop-Großkurgan-Gemeinschaft; MSK - Maikop-Steppe-Kurgankultur.

Chernykh 2013, Evgenij Nikolayevich: Kultury nomadov v megastrukture Evraziyskogo mira. (Nomadische Kulturen in der eurasischen Megastruktur.) Moscow: Yask: Yazyki Slavyanskoy Kul’tury. 2013; Группа 1 и 2.
(Anm.: Unkalibrierte 14C-Daten bringen - wiederum - zu junge Altersangaben!)

Kapitel 9: The Origins of the Circumpontic Metallurgical Province (p. 132–141)
Chapter 9.1: Maykop Settlements and Economy and Mysteries of Maykop (p. 142–147)

  • Am Ende des 5. Jt. v. Chr. kam es in vielen der frühen Bergbau- und Metallverarbeitungszentren der Karpaten-Balkan-Metallurgie-Provinz zu einem erheblichen Rückgang der Aktivitäten. Die grundlegende dreigliedrige Struktur der Provinz blieb jedoch im Wesentlichen unverändert, aufgeteilt in die sesshaften Ackerbauern des Donaubeckens, die periphere Tripolye-Gemeinschaft und ihre Hirtennachbarn in der pontischen Steppe. Der Niedergang fiel mit einer Verlagerung der wichtigsten Produktionszentren der Karpaten-Balkan-Provinz nach Norden, in die Berge Siebenbürgens, zusammen. Die aktivsten Zentren des Bergbaus und der Metallurgie waren mit der letzten Kultur des zentralen Blocks, der Tiszapolgar-Bodrokeresztur-Kultur, verbunden, deren letzte Phasen uns ins vierte Jahrtausend v. Chr. führen (siehe: Anhang 1: Tabelle-Ap1; Abb. Ap1.6 und Ap1.9). Wahrscheinlich war es dieses nördliche Produktionszentrum, das die östlichen Tripolye-Gemeinschaften während der Phasen C1 und C2 mit Kupfer versorgte. Diese wiederum gaben dieses Metall an die Steppenhirten der Sredny-Stog-Kultur weiter.
    Im 4. Jt. v. Chr. entstand in Eurasien ein neues kulturelles und technologisches Phänomen, ein gefährlicher Konkurrent für die Karpaten-Balkan-Provinz.

Chernykh schwenkt 2013 auf Herkunft der CMP aus der CBMP ein

Рис. 3.6: Offizielle (blau) und Černykh´s Grenze (rot) zw. Europa und Asien

Černykh Evgenij Nikolaevič (geb. 1935) war Professor am und Leiter des Labors für naturwissenschaftliche Methoden (vor allem Metallurgie) in der Archäologie, korrespondierendes Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften und Doktor der Geschichte.

Seine Arbeit konzentrierte sich auf nomadische Kulturen in der eurasischen Welt. Er hat mit seinen Forschungen viel zum Verständnis von Geschichte und Kultur von Nomadengesellschaften beigetragen. Seine Arbeiten wurden auch ins Englische übersetzt und unter dem Titel "Nomadic Cultures in the Mega-Structure of the Eurasian World" als recht lesenswertes und reich bebildertes Buch (im Russischen noch zwei Bände) veröffentlicht.

Der Nomadenforscher Černykh war ein intensiver Verfechter einer „russischen“ Herkunft der Circumpontischen Metallurgischen Provinz (CMP), wie anhand der nebenstehenden Grafik gezeigt wird.

Bei der lt. Černykh „offiziellen“ Grenze zwischen Europa und Asien (blaue Punkte) gehören aber sowohl der Karpaten-Balkan-Raum als auch das Vorgebirge des Kaukasus – und damit das Gebiet der Maikop-Kultur – zu Europa.

Demgegenüber zieht Chernykh diese Grenze viel weiter westlich, sodass nur mehr das zentrale Karpaten-Balkan-Gebiet zu Europa gehört und alle weiteren Gebiete – die neben dem Kaukasus und dessen Vorgebirge auch die Tripolye-Kultur und alle Steppen-Bewohner (samt der späteren Jamnaja-Kultur) umfassen – werden dem asiatischen Gebiet der nomadischen Hirtenvölker zugeschlagen.


Chernykh et al. schreiben noch 1990/91 in „The circumpontic metallurgical province as a system“:

Ein weiteres Paradoxon ist offensichtlich: In der Frühbronzezeit, als die Circumpontische Metallugische Provinz entstand, folgte mit dem Zerfall der chalkolithischen CBMP-Provinz ein starker Rückgang der Metallproduktion in der Karpaten-Balkan-Region.

Im Vergleich zur Cirkumpontischen Metallurgischen Provinz (CMP) handelte es sich bei der CBMP um ein kurzlebigeres System, das sich ohne erkennbaren Grund auflöste (so wie es sich gebildet hatte). Es wäre naheliegend, die Ursprünge der Circumpontischen Metallurgischen Provinz zumindest in den nördlichen Zentren des Balkans und der Karpaten (der Heimat der metallurgischen Produktion während des Chalkolithikums) zu suchen. Ein großer Teil der verglichenen Merkmale zeigt jedoch, dass die alten Stereotypen während der Frühbronzezeit eher verworfen als fortgeführt wurden. Die morphologische Analyse der Kategorienreihen, die Herstellungsprozesse und die Zusammensetzung der Legierungen sagen uns das gleiche. In der Tat haben einige Merkmale ihre Spuren hinterlassen, insbesondere in den Karpaten-Balkan-Zentren: Herstellung schwerer Waffen, eine beträchtliche Anzahl von Artefakten aus "reinem" Kupfer, Vorherrschaft von Werkzeugen und Waffen, ein vergleichsweise geringer Anteil von Funden aus Nekropolen, usw. Insgesamt handelt es sich jedoch um zwei unterschiedliche Komplexe.


Chernykh 2014, Evgenij Nikolayevich formuliert in : → Review – Metallurgical Provinces of Eurasia in the Early Metal Age: Problems of Interrelation ziemlich klar:

Das Aufkommen der hochwertigen Arsen-Kupfer-Metallproduktion war einer technologischen Explosion sehr ähnlich. Gleichzeitig war die gesamte Proto-CMP-Produktion der vorhergehenden – Karpaten-Balkan-Metallurgie CBMP – sowohl vom technologischen als auch vom morphologischen Standpunkt aus unähnlich:

  • Erstens: absolute Dominanz der arsenhaltigen Bronzen – Cu+As und Cu+As+Ni.
  • Zweitens: die große Zahl von Gold- und vor allem Silberschmuck und sakralen Produkten
    (Silber wurde in den Zentren der Karpaten-Balkan-Metallurgischen Provinz CBMP nicht verwendet).

Eine paradoxe Situation war eng mit der Proto-CMP verbunden. Praktisch befanden sich alle Bergbau-, Metallurgie- und Metallverarbeitungsschwerpunkte in der südlichen Zone der von sesshaften Bauerngemeinschaften besetzten Provinz: das späte Uruk und seine synchronen Kulturen und Fundorte in Anatolien, Kura-Araxas und einige andere Kulturen im Südkaukasus. Demgegenüber gibt es in diesem Raum letztlich keine Metallfunde - ebensowenig in der dem Kaukasus vorgelagerten Steppe, wie den nachstehenden Daten entnommen werden kann.

Zur Ausstattung mit Metall zwischen Nordkaukasus, Südkaukasus und Maikop-Steppe

  • Proto-CMP: Fundzahlen im Nordkaukasus: 8910 und südlichen Gruppen 543
  • Proto-CMP: Metall-Anteile im Südkaukasus: Gold 28, Silber 22, Cu+As 493
  • Maikop-Kultur: Metallanteile in den Kurganen: Gold 7326, Silber 1152, Kupfer 391
  • Maikop-Kultur: Metall-Artefakte in den Kurganen: 8852 und anderswo 59
  • Maikop-Kultur: Metall-Artefakte im Nordkaukasus 8863 und Steppe-Maikop 47

Рис. 8.25: Zoomorphe und "abstrakte" Steinszepter.

Černykh 2013, Evgenij Nikolaevič beschreibt in → "Cultures in the Mega-Structure of the Eurasian World“ auch die Viehzüchter südlich und östlich der Tripolye-Gemeinschaft in der Proto-Circumpontischen Provinz. Ein kennzeichnendes Merkmal dieser Gruppen war das Vorhandensein ungewöhnlicher steinerner "Szepter" in ihren Gräbern, die offenbar Pferdeköpfe darstellen (Рис. 8.25).

An dieser Stelle ist auf die Darstellung in dieser Homepage: → Die Suvorovo-Kultur überrennt Alteuropas Südosten (4200/4100 v.Chr.) von Anthony hinzuweisen, der die deutlichen Unterschiede darstellte zwischen den Szeptern in Alteuropa, jenen der Suvorovo-Kultur – die mit den hier von Černykh präsentierten ident sind – und anderen pontisch-kaspischen Szeptern. Gerade diese Suvorovo-Kultur führte zum plötzlichen Untergang der Carpatho-Balkan-Metallurgie-Provinz (CBMP).

Chernykh zeigt die Handelsrichtungen der jungen CBMP auf, die sich fast ausschließlich auf die Hirtenvölker im Osten und Nordosten konzentrierten. Sie richteten sich weder nach Anatolien noch auf die benachbarte Balkanhalbinsel; stattdessen wandte man sich der Steppe und den kulturfremden Nomadengemeinschaften zu, die den sesshaften Kulturen der Karpaten-Balkan-Region in späteren Perioden so zu schaffen machten. [Anm.: Hier kommt erstmals der Hinweis auf den gewaltsamen Untergang der CBMP.]

Und: "Diese Kontakte wurden jedoch durch andere wichtige Ereignisse unterbrochen, die den Kulturen der Karpaten-Balkan-Provinz, die einst mit Gold- und Kupferschmuck, Waffen und beeindruckenden Töpferwaren geglänzt hatten, nichts Gutes brachten. Diese Ereignisse standen in direktem Zusammenhang mit "Kontakt" aus der Steppenzone – nicht mit den Hirten der pontischen Steppe, die als erste Kenntnisse über Metall entwickelten – sondern mit einer Hirtengruppe aus einer anderen, weiter entfernten Region." [Anm.: Černykh bezieht sich hier offenbar – ohne sie zu nennen – auf die Suvorovo-Leute, die er (vgl. die Szepter) wohl schon immer kannte.]

Černykh schreibt zur Bildung der Proto-Circumpontischen Metallurgie-Provinz: "Das erste war die Umstellung [gegenüber der CBMP] auf eine künstliche Legierung aus Kupfer und Arsen – auch wenn dies aus der Sicht eines modernen Metallurgen eine eher unerwartete Wahl ist – die von den Handwerkern dieser neuen metallurgischen Provinz eingeführt und später in einer großen Zahl von Produktionszentren Eurasiens übernommen wurde."

[Anm.: Dass dem Metallurgen und Archäologen Černykh unbekannt gewesen wäre, dass eine „künstliche Legierung“ nicht möglich ist, kann ihm nicht unterstellt werden. Warum er das dann schreibt, kann man nur dahingehend vermuten, dass er seinen früheren Aussagen (vgl. Chernykh 2014), dass der Materialwechsel von purem Kupfer der CBMP zum Arsen-Kupfer der CMP diese beiden Kulturen unterschieden hätte, nicht widersprechen wollte: Dieser Übergang war ja durch die anderen verfügbaren Erze – und nicht durch künstliche Legierung - bedingt.]

Abschließend schreibt Černykh, dass die "Struktur der frühen Cirkumpontischen Metallugischen Provinz in einigen wichtigen Punkten der Struktur ihrer Vorgängerin im Karpaten-Balkan-Raum ähnelte" und führt keine Unterschiede mehr an.



Vermutungen von weiteren Mondseekupfer-Forschern (Pittioni, Matuschik)

Studie Elementzusammensetzung Fertigobjekte Mondsee (Arsenkupfer) und Attersee (Zinnbronze)

Pittioni 1957, Richard: Urzeitlicher Bergbau auf Kupfererz und Spurenanalyse. Arch. Austr. Beiheft 1; Verl. Deuticke, Wien 1957:56.

Zitat aus Ottaway 1977: Pittioni vermutet in Mondsee "... ein unabhängiges Kupferzentrum, das nach Westen und Osten seine Produkte verhandelt hat."

Wie der nebenstehenden Tabelle zu entnehmen ist, unterscheiden sich die Metallobjekte vom Mondsee und vom Attersee recht deutlich. Die Funde von See/Mondsee zeigen deutliche Anteile von Arsen (As), jene vom Attersee weisen vor allem die überwiegenden Anteile von Zinn (Sn) auf und sind damit „klassische“ Bronze-Stücke – die einer späteren Periode angehören.

Pittioni 1964, Richard: Ergebnisse und Probleme des urzeitlichen Metallhandels. AdW, phil.-hist. Klasse, 244. Bd, 5. Abh.; 1964, 23 S.

Pittioni unterscheidet vier Kupferarten: ostalpines Kupfer (Mitterberg), nordtioler Kupfer (Bertagrube) und Ostkupfer (nur Handelsware). Die Handelsware aus Hortfunden bestehen aus sogenannten „Ringbarren“, d. h. verhältnismäßig kräftigen, zu einem fast geschlossenen Kreis zusammengebogenen Metallstäben mit stets ausgehämmerten und leicht eingerollten Enden mit einem Gewicht von rd. ¼ kg, die zu 87 % Ostkupfer sind. „Somit ist der Hauptkupferhandel von einem außerhalb der ostalpinen Lagerstätten befindlichen Produktionsgebiet ausgegangen und hat von diesem – vorläufig noch nicht näher umschreibbaren – Zentrum quer durch die Donausenke hindurch … die hier lebende bäuerliche Bevölkerung mit seinen Produkten versorgt.“ Verarbeitet wurde dieses Kupfer in Niederösterreich (z. B. Ossarn, Unterwölbling) und in Oberösterreich am Mondsee und Attersee.

In seiner Zusammenfassung (S. 22) verweist Pittioni auf notwendigerweise vorhandene Berufsgruppen: Händler kauften und verkauften das Kupfer. „Die Tatsache allein, dass der so viele technische Voraussetzungen zu erfüllende Bergbau nur durch einen geschulten Bergmannstand in befriedigender Weise bewältigt werden kann, schließt eine mit der handelsmäßigen Weitergabe der Bergbauprodukte beschäftigte Gruppe in sich. Sie hat nicht bloß eigenes Handelsgut weitergegeben, sondern anscheinend sogar – wie einschlägige Depots zeigen – durch den Gebrauch beschädigte Altwaren gesammelt.

(Beifügung: Das noch viel bedeutsamere herstellungsmäßige Knowhow – das eben nicht kopierbare Alleinstellungsmerkmal – ist das Gießen von arsenhältigem Kupfer, insbesondere damit der Arsengehalt und damit die einzigartigen Produkteigenschaften nicht verloren gehen.)

Anhang: Spektralanalysen von Erzen, Schlacken und Fertigobjekten seit 1957
1957: Nr. 444 – 462 Mondsee, Fertigobjekte ArchA Beiheft 1 1957, Tabelle 26
1957: Nr. 463 – 475 Attersee, Fertigobjekte ArchA Beiheft 1 1957, Tabelle 26
1960: Nr. 2546 – 2567 Attersee, Fertigobjekte ArchA Beiheft 28 1960, Tabelle 1
1963: Nr. 3512 – 3519 Mondsee, Ringbarren ArchA Beiheft 6 1963, Tabelle 24


Matuschik 2016, Irenäus: Neufunde von Gusstiegeln aus Sipplingen am Bodensee. (Einsetzen der „Gusstiegelmetallurgie“ im nördlichen Alpenvorland und Herkunft des genutzten Kupfers). In: G. Körlin: From Bright Ores to Shiny Metals. Der Anschnitt. Beiheft 29, VML, Bochum 2016:49–68.

Verteilung der Funde von Gusstiegeln 4. Jt. v. Chr.

Der folgende Link bringt das Transkript seines Abschnitts → „Zum verarbeiteten Kupfer“.

Matuschik argumentiert, dass sich im Falle von Importen des Mondsee-Kupfers – das bereits im 39. Jh. v. Chr. im Umlauf war – die Metallurgiebelege in den naturräumlich begünstigten und intensiv besiedelt gewesenen Siedlungskammern in Niederösterreich, Mittelböhmen und an der oberen Donau häufen müssten, was aber nicht der Fall ist, während die Funde am Alpenfuß und in den Alpentälern – beides Regionen, die naturräumlich benachteiligt sind – häufig sind. Bei Zugrundelage der Importthese wäre also zu urteilen, dass in die agrarisch begünstigten Besiedlungszentren wenig und zum naturräumlich benachteiligten Alpenfuß viel Fernimport gelangt ist – ein Bild, das kulturhistorisch betrachtet nicht plausibel ist.

Deshalb ist viel wahrscheinlicher, dass sich die Funde in einem starken Ausmaß auf den Alpenfuß beziehen, weil das genutzte Kupfer auch in den Alpen produziert wurde. Damit spricht das Verbreitungsbild der Metallurgiebelege für eine „lokale“ Materialherkunft und gegen die "Importthese".

Weiterhin ist auffällig, dass die Fundverteilung deutlich bipolar ist mit einer Fundhäufung im Bereich der Mondsee-Gruppe und mit einer zweiten, sehr ausgeprägten Fundhäufung im Bereich der Pfyner Kultur (vgl. die Abb.), wo die Anzahl der Gusstiegel pro Siedlung teilweise beträchtlich ist.

Sollte die westliche Fundhäufung (Schweiz, Bodensee) durch Import aus dem nordostalpinen Raum zu erklären sein, dann wäre wiederum zu fragen, weshalb derart viel Material nach Westen und nur äußerst wenig in die nördlich vorgelagerte Siedlungskammer im bayerischen Donautal (Altheimer Kultur) gelangt ist.



Experimente zur historischen Kupfer-Metallurgie

„Wenn ein Prähistoriker versucht, den Schmelzprozess experimentell durchzuführen, wäre er in der Lage eines des Kochens Unkundigen, der mit Hilfe eines Kochbuchs, in dem alle Mengen- und Zeitangaben fehlen, ein kompliziertes Gericht bereiten sollte. (Franz Hampl, ArchA Beih. 14, 1976:58–67)

Hier gibt es den Link zur → Literatur zur Experimentellen Montanarchäologie

Eine einfache Darstellung der prähistorischen Kupfermetallurgie

Hanning Erica, Hannes Herdits und Elena Silvestri berichten über die technologischen Aspekte der Kupferverhüttung und das Schmelzen von Kupfererz:

Die Methode, die zur Herstellung von Kupfer verwendet wurde, ist abhängig von der chemischen Zusammensetzung des Erzes: Kupferoxide und Kupfercarbonate (z.B. das grüne Mineral Malachit (Cu2CO3 (OH)2) oder blauer Azurit (Cu3(CO3) (OH)2)) reagieren anders als Kupfersulfide (z.B. Chalcopyrit (CuFeS2) oder Fahlerze – eine Mischreihe zwischen Tennantit Cu6(Cu4(Fe,Zn)2)As4 S13 und Tetrahedrit Cu6(Cu4(Fe,Zn)2)Sb4 S13)).

Wie direkt zu erkennen ist, enthalten nur Fahlerze als Tennantit geringe Mengen Arsen, sodass diese sowohl wegen der geringen As-Menge als auch der wohl besonders schwierigen Metallurgie als Ausgangserze für das Mondseer Arsenkupfer ausscheiden.


  • Kupfercarbonate werden durch Erhitzen bei relativ niedrigen Temperaturen umgewandelt: (das entstehende Kohlendioxid und der Wasserdampf entweichen in die Atmosphäre; das entstandene Kupfer-Monoxid verbleibt)
    Cu2CO3(OH)2 + Wärme → 2CuO + CO2+ H2O
  • Anschließend können die Kupfer-Oxide in gediegen Kupfer-Metall umgewandelt werden, indem sie in einer durch unvollständige Verbrennung eines Brennstoffs wie Holz oder Holzkohle in der erzeugten reduzierenden Atmosphäre erhitzt werden:
    2CuO + 2CO → 2Cu + 2CO2

  • Kupfersulfide benötigen einen deutlich komplexeren Verhüttungsprozess. Im Falle von Chalcopyrit müssen der gebundene Schwefel und das Eisen entfernt werden, meistens durch eine Kombination von Rösten und Verhütten des Erzes.
  • Das Erz wird im offenen Feuer bei relativ niedrigen Temperaturen (ca. 600–900°C) geröstet, ohne dabei aufgeschmolzen zu werden. Dabei werden Schwefelverbindungen von Kupfer und Eisen in Oxide umgewandelt und das entstehende Schwefeldioxid entweicht als Rauch, der einen ätzenden „schwefeligen“ Geruch hat:
    2CuFeS2 + 5O2 → 2FeO + Cu2O + 4SO2
  • Nachdem der Schwefel vollständig entfernt und alle Bestandteile des Erzes völlig oxidiert sind, können die nun erzeugten Oxide in einer reduzierenden Atmosphäre (z.B. in einem Holzkohlefeuer mit niedriger Luftzufuhr mittels Blasrohren über Tondüsen oder Blasbälgen) zu Metall umgewandelt werden:
    Cu2O + CO → 2Cu + CO2 und: 3Cu2O + 3 FeO → 6Cu + Fe3O4
    (die letzte Komponente verbleibt als Schlacke)

Folgerungen für die Arsenkupfer-Metallurgie

Wie klar zu erkennen ist, muss für die Kupfer-Gewinnung trotz der hohen Temperaturen immer eine reduzierende Atmosphäre vorhanden sein (also das Vorhandensein von Kohlenmonoxid CO): dies ist aber nur durch die Verwendung von Holzkohle und einer streng einzuhaltenden – geringen – Luftzufuhr möglich.

Weiters sieht man direkt, dass eine vergleichbare Röstung bei arsenhältigem Kupfer unmittelbar zur Oxidierung und Verdampfung des Arsens geführt hätte. Bis heute ist die Aufbereitung arsenhältigen Kupfers das unentdeckte Geheimnis der Metallurgen von Maikop.

Die Maikop-Metallurgen müssen – zwangsweise – eine Methodik entwickelt haben, mit der sie das Arsenkupfer herstellen konnten: Falls sie so wie früher in der Umgebung von Varna das nun arsenhältige Kupfererz rösteten, waren die Röst-Arbeiter bald schwer vergiftet oder tot.

Gleichzeitig ist damit ersichtlich, dass auch beim Schmelzen von gediegen Arsenkupfer trotz der hohen Temperatur von rd. 1.100 °C strikt eine reduzierende Atmosphäre (also CO-Überschuss) eingehalten werden muss. Dazu war ein erfahrender Metallurg und eine eingespielte Mannschaft mit exakter, geringer Luftzufuhr mittels Tondüsen zum Schmelzofen (Tiegel) über die gesamte Schmelzdauer (mehr als 1 Stunde) erforderlich.

Trotzdem war auch der Gussprozess wegen der möglicherweise entstehenden Arsendämpfe gefährlich: dass das Arsenkupfer gegenüber gediegen Kupfer bessere Eigenschaften hatte, war ja darauf zurückzuführen, dass das Arsen allen Sauerstoff in der Schmelze oxidierte und als Arsenoxid „abdampfte“.

Angesichts der geringen gewichtsmäßigen Ausbeute von Kupfermetall (nur ca. 1 %) im Vergleich zum dafür notwendigen Erzeinsatz und den erforderlichen (unbekannten) komplexen Aufbereitungsarbeiten ist davon auszugehen, dass die Mondsee/Attersee-Metallurgen gediegen Arsenkupfer-Metall vom Kaukasus abholten.

Dafür spricht auch, dass in Mitteleuropa nur Gusstiegel/Gusslöffel und keine anderen Elemente des Metallurgie-Prozesses gefunden wurden. Damit verblieben nur mehr die Aufgaben Köhlerei, Schmelzofenbau, Formenbau und Guss sowie Schmieden.

Alle metallurgischen Prozesschritte: Montanarchäologische Experimente

Im Rahmen der „Montanarchäologie“ wurden bereits eine Unzahl von Experimenten durchgeführt. Diese gliedern sich nach Modl (2011): "Vom Kupfererz zur Bronzenadel" in die im folgenden dargestellten einzelnen Prozessschritte. Bei Modl (2011) – der an diesen Experimenten von 2001 bis 2011 arbeitete – gibt es auch eine umfassende Besprechung der Literatur zu allen Prozessschritten:

  • Erzabbau (Abbaugeräte, Feuersetzen zum Absprengen von Gestein, Pölzen)
  • Erzaufbereitung (Erzzerkleinerung, trocken- und nassmechanische Trennung zur Konzentration des Kupfererzes)
  • Erzröstung (Haufenröstung zur Entfernung des Sauerstoffs oder Schwefels durch Oxidation aus der Kupferverbindung;
    kommt für Arsenkupfererz nicht in Frage, da dann das Arsen oxidieren und sogleich verdampfen würde)
  • Köhlerei (Bau und 24/7-Betrieb des Meilers)
  • Herstellung der Tiegel für die Verflüssigung des Arsenkupfers im Schmelzofen
  • Verhüttung (Erzqualität, Holzkohlenzufuhr, mechanische Luftzufuhr mit Blasrohren oder handbetriebenen Blasbälgen über Tondüsen in das Holzkohlebett, mit Tiegeln für kleine Mengen; Öfen für größere Mengen: Gruben- und Schachtöfen)
  • [Legierung (Herstellung von Arsenlegierungen aus der gemeinsamen Verhüttung oxidischer und sulfidischer Kupfererze bzw. von Erzen mit lagerstättenbedingtem höheren Arsengehalt)]
  • Herstellung der Gussform für den Guss des Objekts (Wachsausschmelzverfahren oder geteilte Gusshälften)
  • Schmelzen und Guss (Schmelzofen, Anzahl von Luftkanälen zum Schmelzofen, Formmaterialien, Gussformen, Gusstechniken)
  • Schmieden (Entgraten, Treibarbeiten, Ringe, Verzierungsarbeiten)

Der konkrete Ablauf des Gussvorgangs

Form des Gusslöffels mit "Doppel-T-Profil"-Griff

Die beiden Öfen werden etwa 1 Stunde vorgeheizt, sodass die Ofenwände nicht mehr kühlend wirken. Dabei entsteht ein gleichmäßig durchgeglühtes Holzkohlebett. Der darin eingebettete Schmelztiegel – samt dem Arsenkupfer – erreicht langsam eine Ausgangstemperatur von 600 °C; wie auch die Gussform im anderen Ofen.

Arsen sublimiert bei einer Temperatur von 613 °C: damit wird es schwieriger als beim Schmelzen von reinem Kupfer: es darf zu keinerlei Luftüberschuss kommen.

Ab nun kann es auch zum Entstehen von giftigen Arsendämpfen (AsOx) kommen, sodass beim weiteren Hochfahren der Temperatur strikt auf eine reduzierende Atmosphäre (also nur CO2 und CO: kein freier Luft-Sauerstoff mehr) im Schmelzofen geachtet werden muss. Damit kommt der exakten Luftzufuhr eine wesentliche Bedeutung zu. Das Hochfahren der Temperatur durch besonders hohe Luftzufuhr kann also nicht so schnell erfolgen wie bei reinem Kupfer.

Wie lange es nun dauert, bis das Arsenkupfer geschmolzen ist und etwa auf rd. 1.100 °C erhitzt worden ist, wurde bisher aber in keinem Experiment untersucht. Dann wird der Gusstiegel aus der Glut genommen, um die flüssige Gussspeise in die Gussform zu gießen. Die Gussform kühlt in der Folge ab, sodass das Arsenkupfer-Artefakt entnommen werden kann.

Die Arbeit der Mondseer Schmiede und der Wanderschmiede in der Schweiz

Daniel Modl: Werkstatt, Ofen, Holzkohle, Blasebälge mit Düsen, Gusstiegel, Gussformen, Kaltschmieden

Die Darstellung beruht insbesondere auf der herausragenden Arbeit von Chefkurator Daniel Modl (Vom Kupfererz zur Bronzenadel – Experimentalarchäologische Untersuchungen zur urgeschichtlichen Kupfergewinnung und -verarbeitung im Bereich der heutigen Steiermark. Diplomarbeit Univ. Graz 2011, 413 Seiten.); aber auch Hanning (2015), Herdits (1997) und Holdermann/Trommer (Online-Site).

  • Antransport des Arsenkupfers in Barrenform (wohl von Rindern getragen), Werkzeugen und auch der
  • Gussformen (3–4 „modische“ Stücke) aus geeignetem Gestein (Speckstein, Sandstein, Glimmerschiefer): wurden wohl von den Wander-Schmieden mitgebracht. Zur Fertigung der steinernen Gussform wurden Werkzeuge aus Arsenkupfer verwendet. (Anm.: In Mondsee, der gesamten Schweiz und in Baden-Württemberg wurden aber keine steinernen Gussformen gefunden.)
  • Produktion der Holzkohle vor Ort (stückig; etwa 5–10 kg je Guss)
  • Errichtung des Schmelzofens (ca. 50 x 40 x 30 cm) mit Zuluftsystem über Düsen und besonderer Bedachtnahme auf mögliche Arsendämpfe (Schutzwände …); benötigt etwa 40–50 kg Lehm/Magerungsmittel
  • unmittelbar daneben einen Heizofen für das Vorheizen der Gussform - deshalb findet man immer Doppel-Öfen - (verhindert das schlagartige Erstarren des Gussmaterials beim Eingießen)
  • Herstellung der Gusstiegel (österreichisch „Gusslöffel“) aus etwa 1 kg Lehm/Magerung; gebrannt im Schmelzofen und
    Herstellung einer dazu passenden, abnehmbaren Holzzange zur Manipulation der Tiegel
  • Herstellung der Luftdüsen und Blasrohre oder Blasbälge für den Ofen (aus Lehm und Magerung)
  • Schmelzen des Arsenkupfers (mit Sicht auf Schmelzgut: Metallfarbe als Temperatur-Indikator)
  • Gießen der Schmelze in vorbereitete, vorgeheizte Gussform(en) und das folgende Abkühlen
  • Abschroten und Entgraten des Rohgusses
  • Ausschmieden der Schneide (Kaltschmieden)
  • Einmeißeln der Schäftungshilfe im Griffangelbereich
  • Schleifen und Polieren
  • Schärfen der Schneide

Gold und Silber von Varna und Maikop sowie im Umfeld des Mondsees

Pernicka 2014, Ernst: → Possibilities and limitations of provenance studies of ancient silver and gold. In: 6. Mitteldt. Archäologentag 2013, Metalle der Macht – Frühes Gold und Silber. LAmt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt 2014:153–164.

Bei Silber sind wegen der komplexen Herstellungsprozesse (Kupellation) nur wenige Informationen aus der chemischen Zusammensetzung zu gewinnen. Kennzeichnend für die Herkunft sind die Bleiisotopenverhältnisse, wobei zwischen gediegen Silber und aus Bleierzen gewonnenem Metall zu unterscheiden ist. Bei Gold ist es viel schwieriger, da Gold regelmäßig durch Goldwäsche und nicht bergmännisch gewonnen wurde. Weiters enthält es extrem wenig Blei; deshalb haben Isotopenanalysen bisher nur wenig zur Herkunft gebracht.

Das Gold von Varna (4.550 bis 4300/4200 v.Chr.) – aber kein Silber

Goldperlen aus Varna-Grab Nr. 43, 44. Jh. v.Chr.

Belegung des Friedhofs von Varna I: 4650 - 4300/4200 calBC (Grab #43: ca. 455o–445o calBC)

Pernicka 2014, Ernst; Leusch, V.; Armbruster, B.: → Kupferzeitliches Gold aus Varna – Herkunft, Zirkulation, Verarbeitung und Funktion In: 6. Mitteldt. Archäologentag 2013, Metalle der Macht – Frühes Gold und Silber. LAmt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt 2014:165–182. [mit beeindruckenden Abbildungen der Gold-Objekte]

Zusammenfassung: Das Gräberfeld von Varna I ist der früheste Beleg einer spezialisierten und entwickelten Goldverarbeitung sowie einer bis dahin unbekannten hohen sozialen Differenzierung. Die »chaîne opératoire« des Goldes in der späten Kupferzeit des Kodžadermen-Gumelniţa-Karanovo VI (KGK) Kulturkomplexes im Westpontikum wird rekonstruiert. Die Ergebnisse und deren Interpretation bzgl. der Produktionstechniken und -abläufe sowie der Verbreitung der Goldobjekte werden gebracht. Die Goldartefakte wurden ebenso untersucht wie auch geologische Prospektionen von Goldvorkommen im östlichen Bulgarien unternommen, die wahrscheinlich schon während der Kupferzeit genutzt wurden.

Die hier gebrachte → kompakte Darstellung von Varna I erinnert bzgl. Metallurgie von Gold und -legierungen; handwerklichen Fähigkeiten; Goldschmuck; serielle Wiederholungen; Gewandapplikationen; Prestigegeräten (Streitäxte, Beile); polychromem Schmuck mit seltenen Steinen usw. frappierend an die Ausstattung des Grabes im Oshad-Kurgan von Maikop.
Dies zeigt sich eindrücklich durch einen Vergleich der aussagekräftigen Abbildungen in den hier beifügten Artikeln zu Varna und Maikop.


Leusch 2019, Verena: → Zur Rolle der kupferzeitlichen Goldmetallurgie im westlichen Schwarzmeerraum – Untersuchungen der Goldfunde aus dem Gräberfeld Varna I (Bulgarien). Dissertation Univ. Tübingen 2019, 432 Seiten.

  • Sie geht tiefschürfend auf die Metallurgie des Gräberfeldes Varna I ein und berichtet dazu eingehend in ihrer → Zusammenfassung
    Auf den Seiten 187–195 geht sie auch auf die Organisation und Bedeutung des Goldschmiedehandwerks in Varna ein.

Leusch 2016, Verena; Pernicka, E.; Krauß, R.: → Zusammensetzung und Technologie der Goldfunde aus dem chalkolithischen Gräberfeld von Varna I – Ein Zwischenbericht. In: V. Nikolov (Hrsg.): Der Schwarzmeerraum vom Neolithikum bis in die Früheisenzeit (6000 – 600 v.Chr.). VML 2016:165–182.

Leusch 2014, Verena, Pernicka, E. and Barbara Armbruster, B.: → Chalcolithic gold from Varna – Provenance, circulation, processing, and function. In: Metalle der Macht – Frühes Gold und Silber. Halle/Saale 2014:165–183.

  • Varna hat die älteste spezialisierte Goldverarbeitung mit einem hohen Grad sozialer Differenzierung. Es werden die Produktionstechniken und -abläufe dargestellt. Es wurden auch geologische Prospektionen von Goldvorkommen im östlichen Bulgarien vorgenommen. Die Schmelztemperatur von Gold beträgt 1063 °C. Es werden beeindruckende, phänomenale Bilder der Goldfunde gebracht. Weiters werden die Prozesse innerhalb der metallurgischen Kette dargestellt mit ihren sich überschneidenden geologischen und sozioökonomischen Bereichen, welche Gewinnung, Herstellung und Austausch beeinflussen. Diese Prozesse waren gesellschaftlich reglementiert und somit Gegenstand einer wechselseitigen Kommunikation bzw. eines Austauschs. Es wird auch eine „Serienproduktion“ von Goldobjekten und deren Herstellungstechniken gezeigt.
  • Die Arbeit befasst sich mit der Herstellungstechnik, der Werkstattorganisation, der Verbreitung und Verwendung des Goldes und seiner Herkunft. Die Handwerker hatten eine vertikale Arbeitsteilung mit entsprechend differenzierten und komplexen sozio-ökonomischen Organisationsstrukturen. Betrachtet man die Komplexität der sog. Metallurgischen Kette wird der Bedarf an entsprechenden Organisations- und Produktionsstrukturen deutlich. Die Versorgung mit Kupfer und auch Gold erforderte, dass verschiedene Personen an Gewinnung, Verarbeitung und Handel der Rohstoffe beteiligt waren. Hinter den verschiedenen Arbeitsabläufen stehen Gesellschaftsgruppen, die als Akteure innerhalb dieser wirtschaftlichen Vernetzungen einen gewissen sozialen Status erlangten und in den reichen Bestattungen in Varna erkennbar werden.

Leusch 2012, Verena; Krauß, Raiko und Steve Zäuner: → Zur frühesten Metallurgie in Europa – Untersuchungen des kupferzeitlichen Gräberfeldes von Varna. Bulgarien-Jahrbuch 2012:64–82.


Das Gold und Silber von Maikop (ab 3900/3700 v.Chr.)

Gold-Collier aus Maikop-Kurgan, 37. Jh. v.Chr.

Hansen 2014, Svend: → Gold und Silber in der Maikop-Kultur. In: 6. Mitteldt. Archäologentag 2013, Metalle der Macht – Frühes Gold und Silber. LAmt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt 2014:389–410.

Zu Vergleichen mit den Schätzen von Varna wird hier auf das Kapitel → Abbildungen der bedeutsamsten Schätze und Internet-Links und vor allem auf die dort beigefügten Links zu umfangreichem Bildmaterial hingewiesen.

Gold im Kaukasus

Deutsches Bergbau-Museum: → Gold – Früher Bergbau im Kaukasus.

Der Westteil Georgiens umfasst als Land des „Goldenen Vlies“ der Argonautensage, die Kolchis (eine antike Landschaft zwischen dem Kaukasus und der Ostküste des Schwarzen Meeres), ein Synonym für den Goldreichtum in der Antike. [Anm.: wahrscheinlich wurden Schaf-Felle zum Herausfiltern der Goldseife verwendet – daher der Name „Goldenes Vlies“.]

Älteste → Goldmine der Welt 3400 v. Chr. im Kaukasus (Stöllner: Das Gold wurde in zwei Perioden abgebaut, einmal in der Zeit der Kura-Araxes-Kultur, also etwa zw. 3.400/3.300 und 2.800/2.700 v. Chr. und dann wieder nach der Zeitenwende.)

Gold im Umfeld von Mondsee? (z.B. an der Salzach)

Grundsätzliche Darstellung zur Ablagerung von → Waschgold (Seifengold) in einem Fluss.


Die Volkswagen-Stiftung gab eine umfangreiche Studie zu prähistorischem Gold in Böhmen, Mähren und Bayern in Auftrag:

Lehrberger 1997, et mult. al.: . → Das prähistorische Gold in Bayern, Böhmen und Mähren: Herkunft - Technologie - Funde. Památky Archeologické, Supplementum 7. Archäologisches Institut, Prag 1997; 552 Seiten. Bd. 1 Text, Bd. 2 Kataloge, Tafeln und Karten.

  • S. 33: „Die südbayerischen Goldvorkommen liegen alle in Schottern tertiären oder quartären Alters, wurden also während oder nach der Auffaltung der Alpen in deren Vorland abgelagert. Man nimmt an, dass die überwiegende Menge des Seifengoldes von primären Lagerstätten in den Zentralalpen stammt.“

Lippert 1978, Andreas: → Der Götschenberg bei Bischofshofen. Die bisherigen archäologischen Befunde. MGSLK 118, Salzburg 1978:1–44.

  • S. 15: „Unklar ist … das Verhältnis der Mondsee-Gruppe zum Bergbau und auch die Frage, wann der Bergbau auf Kupfererz einsetzte. Es ist auch vorläufig nicht auszuschließen, daß bei der Suche nach dem Erz östliche Prospektoren eine Rolle spielten. Am Rainberg bei Salzburg wurden jedenfalls Gußformen von ungarischen Äxten gefunden (Hell 1943).“

Lippert 1992, Andreas: Der Götschenberg bei Bischofshofen – Eine ur- und frühgeschichtliche Höhensiedlung im Salzachpongau. Mitt. prähistor. Komm. 1992. 192 Seiten. → Inhaltsverzeichnis
beinhaltet:

  • S. 19–48: Besiedlung im Neolithikum (Hütten, Feuerstellen außerhalb Hütten, Funde: Keramik, Kupferobjekte); S. 41: Kupferverarbeitung; S. 46: Der Kupferhandel
  • S. 86–91: Der Götschenberg im Rahmen der lokalen Siedlungsgeschichte (Neolithikum, Frühe Bronzezeit ...)
  • S. 111 – 168: Beiträge
    • Wilhelmy, Marcus: Keramikpetrographie an Mondseer und Götschenberger Keramik [Anm.: J. Maurer bezieht sich bzgl. "Mondseekeramik" nur auf diesen Beitrag.]
    • Ottaway, B.: Neutronenaktivierungsanalyse an Götschenberger und Mondseer Keramikproben [Anm.: J. Maurer berücksichtigt diesen Beitrag nicht, der die Mondseekeramik als Import nachweist.]
    • Moesta, H.: Bericht über die Untersuchungen einiger metallurgisch relevanter Fundstücke vom Götschenberg aus der Grabung Lippert

Hell 1951, Martin: Spuren alter Goldwäscherei bei St. Johann im Pongau. Demokratisches Volksblatt Nr. 161, (14.7.1951). Tageszeitung, Salzburg.

  • Seite 11: „Allgemein bekannt ist, dass in Salzburg von altersher Goldwäscherei betrieben wurde. Das Gold kommt von den Hohen Tauern und so erweist sich die Salzach etwa ab Taxenbach als goldführend. Der relativ reichste Goldgehalt findet sich in der Flussstrecke von Taxenbach [der Einmündung der Rauriser Ache in die Salzach] bis gegen Mitterberghütten [bei Bischofshofen], also in dem großen Knie der Salzach, wo diese aus dem Längstal in das Quertal des Flusses übergeht.“ Hell schreibt weiter, dass sich bei St. Johann Siedlungsspuren der Bronzezeit zeigen.

Das Gold aus dem Rauriser Tal wurde mit dem Geröll der Rauriser Ache bergab in die Salzach transportiert und gelangte so bis St. Johann und Bischofshofen usw., wo es aus dem Fluss gewaschen werden konnte.


Zu den → ältestbekannten und ertragreichsten Vorkommen zählt jedenfalls das von Rauris in der Goldberggruppe.

Das → Rauriser Tal des Goldes galt Jahrhunderte lang als Zentrum des Goldbergbaus in Österreich. In der Hochblütezeit (von 1460 bis 1560 n. Chr) wurden im Raurisertal und im Gasteinertal rund 10 % der Gold-Weltproduktion gewonnen. Zur absoluten Hochblütezeit 1550 wurde in Rauris in 450 Zechen gearbeitet.


Cech 2015, Brigitte: → Tauerngold – Historische und montanarchäologische Zeugnisse zum Edelmetallbergbau in den Ostalpen. Bergauf Bergab. 10.000 Jahre Bergbau in den Ostalpen, Bochum 2015:571-575.

Cech schreibt, dass das Gold wahrscheinlich aus den Flüssen gewonnen wurde; und weiter: "Im 2. Jahrhundert AC berichtet der griechische Historiker Polybios von der Entdeckung reicher Goldvorkommen im Gebiet der Norischen Taurisker [davon der "Tauern"-Name]: „Ferner erzählt Polybios, man habe zu seiner Zeit gerade über Aquileia bei den Norischen Tauriskern eine so ergiebige Goldgrube entdeckt, dass sich, wenn man zwei Fuß (~ 60 cm) tief die obere Erde wegräume, sofort Gold zum Ausgraben finde und dass die Grube nicht mehr als 15 Fuß (~ 4,4 m) tief sei. Ein Teil des Goldes sei sogleich gediegen, von der Größe einer Sau- oder Feigbohne, so dass nur der achte Teil beim Schmelzen verlorengehe, das übrige bedürfe zwar weiterer Schmelzung, sei aber dennoch ungemein gewinnbringend“ (Polybios 34.19, zitiert bei Strabon 4, 6,12)."

Indizien für die Herkunft der Pfahlbauern von Mond- und Attersee aus der Schweiz

Die Herkunft des Getreides als Indiz für die Herkunft unserer oö Pfahlbauern

Schlichtherle schreibt (1997, S. 13), dass die Ausbreitung einer Kulturpflanze die These einer Ausbreitung aus einer mediterranen Wurzel stützt. Es begann sich nämlich der Anbau von Nacktweizen durchzusetzen. Das Getreide muss vom Rhonetal ins Schweizer Mittelland gekommen sein, von wo sich sein Anbau sukzessive zum Bodensee fortsetzte. Die ältesten Funde von Nacktweizen in Europa stammen aus dem westmediterranen Raum, dem Siedlungsbereich der Cardial- oder Impressokultur.

Nacktweizen aus Tai in Südfrankreich um 5.300 v. Chr.

Bouby 2019, L. et al. berichten in : → Early farming economy in Mediterranean France: Fruit and seed remains from the Early to Late Neolithic levels of the site of Taï (ca 5300– 3500 cal BC). Vegetation History and Archaeobotany 28, 2019:17–34: auf S. 21 (und Tabelle 3 auf S. 22), dass in der „Höhle Tai“ in Südfrankreich bereits im dortigen frühesten Neolithikum neben Nacktgerste und einer Nacktweizenart (Triticum aestivum) auch die Spelzen-Weizenarten Einkorn und Emmer nachgewiesen wurden.
(Zitat S. 21 und zugehörige Tabelle 3 auf S. 22: „Hordeum vulgare var. nudum (naked barley), Triticum aestivum/turgidum (naked wheat), T. turgidum ssp. dicoccon (emmer) and T. monococcum (einkorn) were identified. Barley seems to be the most abundant species but many wheat grains were poorly identified. Most of the grains identified as barley belonged to the naked variety.“)

Maier 1998, Ursula: Der Nacktweizen aus den neolithischen Ufersiedlungen des nördlichen Alpenvorlandes und seine Bedeutung für unser Bild von der Neolithisierung Mitteleuropas. In: Archäologisches Korrespondenzblatt Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz Jg. 28, Heft 1, 1998:205–218.

  • Es handelt sich hier um freidreschende, tetrapoloide Weizenarten („Nacktweizen“): Hartweizen (Triticum durum), Rauhweizen (Triticum turgidum) und Weichweizen (Triticum aestivum). Die tetrapoloiden Formen haben sich entlang des Mittelmeeres nach SW-Europa verbreitet.
  • Freidreschende Getreidearten sind Getreide, deren Früchte beim Dreschen aus den Spelzen fallen; dazu zählen Weizen und Nacktgerste. Im Gegensatz dazu sind Dinkel, Gerste, Emmer und Einkorn Spelzgetreidearten, bei denen die Samenkörner mit den Spelzen verwachsen sind. Sie sind für die menschliche Ernährung wegen der erforderlichen Entspelzung in der Verarbeitung aufwändiger.
  • Über das Mittelmeergebiet und entlang seiner Küsten kam tetrapoloider Nacktweizen nach Südwesteuropa. Wahrscheinlich über das Rhonetal erreichte dieser im 5. Jt. das nördliche Alpenvorland. Er ist klimatisch gut angepasst und dadurch äußerst widerstandsfähig. Zwar besaß er nicht die hohen Erträge heutiger Zuchtsorten, war dafür aber besonders ertragssicher.
  • In der Cortaillod-Kultur (4.200–3.800 v. Chr.) der Westschweiz und Ostfrankreichs, war Nacktweizen zusammen mit Gerste bereits die vorherrschende Getreideart. Seinen Höhepunkt erreichte der Nacktweizenanbau im nördlichen Alpenvorland in der Pfyner Kultur (3.700–3.600 v. Chr.) sowie in der Hornstaader Kulturgruppe am Bodensee (3.915–3.904 v. Chr.), wo der Anteil des freidreschenden Weizens bis zu 70 % des Getreideaufkommens ausmachte (S. 214).

Wiethold u. Wähnert (2008): Die botanischen Makroreste. In: Trebsche, P.: → Die Höhensiedlung „Burgwiese“ in Ansfelden (OÖ). Bd 2.

  • S. 318: „Bei den Nacktweizenfunden aus den jungneolithischen Seeufersiedlungen handelt es sich überwiegend um tetraploiden Nacktweizen.“

Leider fehlen nach wie vor Untersuchungen der Nacktweizen-Arten aus den Ackerbau-Stationen am Attersee und jener von Scharfling: weder Mooswinkel noch See/Mondsee oder Misling waren Stationen mit viel Ackerbau.

Tatsächlich weisen die aktuellen Forschungen zu Mooswinkel (2023) neben anderen Weizenarten auch Nacktweizen aus: Triticum aestivum/durum/turgidum.

Anm.: Nach → Heiss 2023, et al. (S. 20) et al. existieren im Fundmaterial Mooswinkel 38 Ährenreste (rachis fragment) des Nacktweizens Triticum aestivum/durum/turgidum, sodass eine tiefergehende Bestimmung (tetra- oder hexaploider freidreschender Weizen) möglich sein sollte.

Link zu weiterer → Literatur zu Pflanzen der Schweizer und Mondsee-/Attersee-Pfahlbauern und (Kurs) zur Unterscheidung zwischen tetra- und hexaploidem Weizen.

Hofmann 1924, Elise (Tochter von Matthäus Much) berichtet nur recht allgemein Funde von Gerstenähren, Emmer und Weizenkörnern aus der Station See am Mondsee.

Die wahrscheinliche Herkunft der Haustiere

Jagd- und Haustiere

Die allgemeine Abstammung und Herkunft der Rinder

Scheu 2015, Amelie et al.: → The genetic prehistory of domesticated cattle from their origin to the spread across Europe. BMC Genetics 2015.

Insgesamt sprechen paläogenetische, archäologische und archäozoologische Daten für das folgende Szenario: Taurin-Rinder wurden in einer Region zwischen Südostanatolien und dem Zagros-Gebirge, Syrien und dem Libanon domestiziert. Der Domestizierungsprozess begann Mitte des 9. Jahrtausends v. Chr. mit einer geringen effektiven Anzahl wilder weiblicher Auerochsen. Nach 7.000 v. Chr. wurden die Hausrinderpopulationen von der zentralanatolischen Hochebene nach Westanatolien und in die Ägäis transportiert. Die ersten neolithischen Rinder wurden um 6.400 v. Chr. über folgende Routen nach Europa eingeführt:

  1. Über die Mittelmeerroute erreichten die wandernden Bauern rasch u. a. Süditalien, Südfrankreich und die Iberische Halbinsel per Schiff. Die geringe genetische Vielfalt deutet auf eine geringe Populationsgröße der Rinder hin, die im westlichen Mittelmeerraum ankamen.
  2. Auf dem zweiten Weg über das europäische Festland erreichten die Rinder schließlich Mittel-, West- (nach 5.500 v. Chr.) und Nordeuropa (nach 4.100 v. Chr.). Auch hier ging ein Großteil der genetischen Vielfalt während der Wanderung verloren.
Generelles zu Österreich und die Schweiz

Schmitzberger 2009, Manfred: → Haus- und Jagdtiere im Neolithikum des österreichischen Donauraumes. Dissertation Univ. Wien 2009, 189 Seiten.

  • beinhaltet auch Pfahlbauten; Detaildaten je Station im Anhang: Attersee S. 139); Mondsee (S. 143); Misling II (S. 150); Weyregg (S. 151)

Hafner 2003, A.; Suter, P.: → Das Neolithikum in der Schweiz. Journal of Neolithic Archaeology, 2003. CC-by-License. (S. 27: Anteile der Rinder in Schweizer Stationen 40-60 %)

Viehzucht und Rinder in der Schweiz

Im Historischen Lexikon der Schweiz wird zur Herkunft des Hausrindes geschrieben, dass die ersten in den jungsteinzeitlichen Siedlungen von Sitten (östlich des Genfer Sees; um 5000 v.Chr.) nachgewiesen werden und weitere Funde aus den Ufersiedlungen des Mittellandes um 4.300 v.Chr. gefunden wurden. Die Menschen versuchten, die Rinderhaltung zu intensivieren, wofür waldfreie Flächen für Wiesen erforderlich waren. Die durchschnittliche Widerristhöhe betrug ca. 110 cm. Demgegenüber lag die Auerochs-Widerristhöhe bei 132 cm (kleine ♀) bis 189 cm (großer ♂).

"Die früheste Beeinflussung der Schweiz durch neolithische Wirtschaftsformen erfolgte aus dem Süden (Italien, ab der 1. Hälfte des 6. Jt.) und Südwesten (Frankreich, etwa ab 5.500 v.Chr.): Ab 5.500 setzt sich die Kenntnis der Viehzucht auch weiter nördlich im Rhonetal und dem französischen Jura fest und die Fundstätten enthalten Knochen von Haustieren, vor allem von Schafen und Ziegen, aber auch Hausrind und Hausschwein sind nachgewiesen." (Chaix 1993, 1987 in: → SPM II - Die Schweiz vom Paläolithikum bis zum Mittelalter, S. 97).

Hafner/Suter schreiben 2003 zum → Neolithikum der Schweiz: Vallon des Vaux südwestlich vom Neuenburgersee ist mit dem Proto-Cortaillod der älteste Fundkomplex (2. Hälfte 6. Jt.) bei den Jurafußseen und dem Genfersee der Westschweiz; diese Rinder kamen aus Ostfrankreich und breiteten sich ins Schweizer Mittelland aus.
Das westliche Schweizer Mittelland (Egolzwil 3; 4.350 v.Chr.) gleicht den zeitgleichen Komplexen der Westschweiz mehr als jenen vom Zürichsee (Kleiner Hafner bei Zürich; 4.250 v.Chr.), die eher Affinitäten zur Ostschweiz/Bodensee haben.
Das Gebiet Ostschweiz/Bodensee beherbergte die Pfyner Kultur (4.250 - 3.500); die älteste Bodenseestation Hornstaad-Hörnle IA in Schwaben datiert um 3.900 v.Chr.

Schiebler 2007, Jörg: → Hausrinder in der Schweizer Jungsteinzeit. Archiv für Tierheilkunde 2007:23–29.
„Ab dem 40. Jahrhundert v. Chr. steigen die Anteile der Rinderknochen unter den Haustierknochen in der Ostschweiz auf 60–80 % und in der Westschweiz auf 40–60%. Die Rinder waren also die häufigsten Haustiere und lieferten auch die größte Fleischmenge. Da auch die Funddichten (Anzahl Knochen pro m²) ansteigen, sind größere Herdengrössen anzunehmen. Um die Mitte des 4. Jt. v.Chr. gibt es Veränderungen an den Fussskelettteilen, welche auf die Nutzung als Arbeitstiere hinweisen. In Arbon Bleiche 3 (3384–3370 v.Chr.) gelang der chemische Nachweis von Milchfett an Topfkrusten. Ab 2.750 v.Chr. steigen die Funddichten der Rinderknochen weiter deutlich an.“

Wettstein 1924, Ernst: → Tierreste aus dem Pfahlbau am Alpenquai in Zürich. Vierteljahrsschrift Naturforschende Ges. Zürich 1924, 50 S.

  • S. 102–113: Das Rind; S. 113: Ermittlung der Widerristhöhe der Rinder aus Unterkieferlänge: 103 bis 136 cm; aus Länge von Speiche, Mittelhand und Handwurzel: 110 bis 130 cm.

Wright 2021, Elizabeth: → Investigating cattle husbandry in the Swiss Neolithic. Archaeological and Anthropological Sciences (2021) 13: 36.

  • Diese umfassende Arbeit behandelt die Proportionen und Größen der Rinder des Neolithikums (4.300-3.500 v.Chr.) in der gesamten Schweiz und kommt zum Schluss (S. 18), dass die Proportionen und die Körpergröße der Hausrinder während der gesamten Cortaillod- und Pfyn-Kultur in der Ost- und etwas mehr in der Westschweiz recht klein waren. Für solche relativ kleinen Körpergrößen und -formen gibt es eine Reihe möglicher Erklärungen. Die eine wäre die bewusste Auslese kleiner, aber robuster Rinder durch den Menschen für einen bestimmten Zweck. Eine weitere Hypothese besagt, dass die Verringerung der Körpergröße das Ergebnis von Inzucht sein könnte, bei dem der Genpool der Rinder aufgrund eines Mangels an neuen Tieren von außerhalb sehr klein wurde. Die Autorin bringt auf S. 7 für die einzelnen Zeitabschnitte und Regionen auch die Anteile von Rindern, Schweinen und Ziegen/Schafen. Größere Anteile von Rindern gibt es erst ab etwa 4.000 v.Chr.; in der Ostschweiz auch schon davor.

Markert zur → Schweizer Viehwirtschaft mit den Schlachtungszeitpunkten von Rindern, Ziegen, Schweinen; Auerochen und Hirschen in Arbon Bleiche und Steckborn-Schanz



Archäozoologische Einordnung der Rinder vom Mondsee/Attersee

Puchers & Engls Analyse der Tierknochenfunde vom Mondsee 1997 OFFEN
Rekonstruktion neolithischer Haustiere durch Erich Pucher

Pucher 1997, Erich und Engl, Kurt: Studien zur Pfahlbauforschung in Österreich. Materialien I - Die Pfahlbaustationen des Mondsees: Tierknochenfunde. Mitt. d. Prähistor. Komm. Bd. 33. Öst. AdW 1997. 151 Seiten.

[Anm.: Erich Pucher war ab 1992 Leiter der Archäologisch-Zoologischen Sammlung des NHM; Kurt Engl Mitarbeiter in zahlreichen zoologischen Projekten; ab 1997 Tierarzt.]

Saliari 2018, Konstantina; Grömer, Karina, Kroh, Andreas; Trebsche, Peter; Tecchiati, Umberto: → Erich Pucher zum 65. Geburtstag. Ann. Naturhist. Mus. Wien, Serie A, 2018:5–18. (mit Bild des Geehrten)


Erich Pucher und Kurt Engl vermuteten bereits 1997, dass während des Neolithikums zwei verschiedene, dauerhaft isolierte Nutztierpopulationen in den Alpen existierten, die jeweils eine völlig unterschiedliche Geschichte und Herkunft hatten. Sie stellten auch fest, dass die Rinderknochen aus Mondsee gegenüber dem Donauraum von geringerer Größe und wesentlich graziler waren. Die Lage und Ausrichtung der Hornkerne zeigt mehr Ähnlichkeiten mit Rindern aus südlichen Regionen. Auch „der Vergleich [der Mondseer] mit den … neolithischen Schweinen des Schweizerischen Mittellandes zeigte, daß zwischen beiden Populationen kaum Größen- oder Proportionsunterschiede nachweisbar sind.“


Zum „denkbar ungünstigen Siedlungsplatz See/Mondsee“ schreiben sie auf S. 82: „Der lange bewohnte Siedlungsplatz lag von den Bedürfnissen der Land- und Viehwirtschaft her betrachtet denkbar ungünstig, so daß offenbar ganz andere Gründe für dessen Wahl ausschlaggebend gewesen sein müssen. Diese Gründe müssen jedenfalls derart triftig gewesen sein, daß eher ein Kümmern der Viehwirtschaft und die Ergänzung der Versorgung durch rege Jagdaktivitäten in Kauf genommen wurden, als den Siedlungsplatz in für die Land- und Viehwirtschaft geeigneteres Gelände zu verlegen.
Die Viehwirtschaft der Mondseekultur wirkt in ihrer anachronistischen Pionierhaftigkeit wie ein verirrter Fremdkörper, dessen unvermitteltes Erscheinen am Nordrand der Ostalpen nach einer Erklärung verlangt.“


Größenvergleich von frühen/heutigen Rindern durch Pucher

Im umfangreichen Kapitel: „Viehwirtschaft und Jagd der Mondseeleute in Beziehung zum europäischen Umfeld sowie deren mögliche Herkunft.“ (S. 83–100) behandeln sie einerseits die „Einwanderungswege der Viehwirtschaft im Neolithikum Europas.“ (mit den Abb. 22 und 23) und der „Nachdomestikation des Rindes im donauländischen Neolithikum“ und gehen auch detailliert auf „Die Viehwirtschaft im Trichterbecherkreis“ ein. Andererseits zeigen sie „Die westeuropäische Entwicklung“ und die „Überschneidungen zwischen Ost- und Westzweig der Viehwirtschaft“. In der Folge schreiben sie „Zum Eindringen der Viehwirtschaft ins eigentliche Alpengebiet“. Erst nach diesen umfassenden Analysen und Darstellungen kommen sie zu den „Schlussfolgerungen bezüglich der Mondsee-Viehwirtschaft".

Hierzu stellen sie fünf Arbeitshypothesen zu benachbarten Viehwirtschaften auf, die sich auf die europäischen Mittelmeergebiete, das donauländische Neolithikum, die Trichterbecherkulturen, die Pfahlbaukulturen des Schweizerischen Mittellandes und die Oberitalienische Tiefebene beziehen.

Daraus ziehen sie für „die so isoliert dastehende Viehwirtschaft der Mondseekultur“ logische Schlüsse:

  • „Die Viehwirtschaft der Mondsee-Kultur läßt sich nicht unmittelbar aus dem donauländischen Kulturkreis ableiten, da die relative Kleinheit ihrer Rinder innerhalb dieses Kreises ohne Parallelen dastünde.
  • „Eine Herkunft der Mondsee-Viehwirtschaft aus dem Trichterbecherkreis ist aus denselben Gründen und darüber hinaus auch noch wegen der dafür zu geringen Größe der Schweine ganz unwahrscheinlich.
  • „In der metrisch-morphologischen Beschaffenheit ihres Viehs und in der Versorgungsstruktur stimmt die Mondsee-Kultur erstaunlich gut mit einigen Komplexen der Cortailllod-Kultur überein. Eine Ausbreitung der Cortaillod- oder der damit verwandten Pfyner Viehwirtschaft bis in die Ostalpen läßt sich aber derzeit schon mangels an geeigneten und chronologisch entsprechenden Fundkomplexen aus den fraglichen Durchzugsgebieten (Nordtirol, Alpennordrand) … nicht belegen.“
  • Die Befunde für Norditalien (Bocca-quadrata-Kultur) und Kärnten (Lasinja-Gruppe) ermöglichen prinzipiell ebenfalls die Ableitung der Mondsee-Viehwirtschaft. Die Übereinstimmungen beziehen sich auf die Versorgung (Jagdanteil) und die unentwickelte Viehwirtschaft mit den primären Zügen des mediterranen Viehs. „Auch in diesem Fall sind die bisherigen Anhaltspunkte für ein vom Süden ausgehendes Eindringen der Viehwirtschaft bis ins Salzkammergut völlig unzulänglich.

Pucher schlussfolgert auf S. 100: „Damit kommen nur zwei mögliche Ursprünge der Mondsee-Viehwirtschaft in näheren Betracht, nämlich einerseits die schweizerischen Pfahlbaukulturen, andererseits die Lasinja-Kultur bzw. auch die Bocca-quadrata-Kultur.



Puchers eindrucksvoller Vergleich der Fußwurzelknochen
Rinder-Fußwurzelknochen aus verschiedenen Stationen:
Chamer Gruppe: Riekofen (Regensburg); Griesstetten (Oberpfalz) Altheimer Kultur: Ergolding (Landshut) Lasinja-Kultur: Keutschacher See Mondsee-Kultur: Mondsee-See, Pucher & Engl (1997) Frühneolithikum: Piancada (Friaul-Julisch Venetien) und Vasi a Bocca quadrata-Kultur: Razza di Campegine (Reggio Emilia) und Rocca di Rivoli (Turin).
Die Fußwurzelknochen von Auerochsen, Mondsee- vs. zeitgleiche Donauland-Rinder

Pucher 2003, ErichEinige Bemerkungen zu den bisher übergebenen Knochenaufsammlungen aus dem Keutschacher See in Kärnten vergleicht die Rinder-Fußwurzelknochen der Stationen von Keutschach, Mondsee und anderen Stationen und schreibt: „Man kann zusammenfassen, dass die Rinder im Gebiet des Keutschacher Sees zwar nicht so groß waren, wie dies z. B. im Donauraum (Linienbandkeramik, Lengyel-Kultur, Baalberg-Kultur, Chamer-Gruppe, Jevišovice-Kultur usw.) der Fall war, aber doch ein wenig größer als jene vom Mondsee.
Die Grafik verdeutlicht die Größenverhältnisse an Hand der lateral gemessenen Rinder-Fußwurzelknochen. Die Messwerte der beiden Fundstücke vom Keutschacher See liegen am unteren Rand der beiden Chamer-Komplexe, doch knapp oberhalb des Mittelwertes der Mondsee-Population. Sie fallen aber ziemlich zentral in die Variationsreihen norditalienischer Serien, die etwas über dem Mondsee-Niveau liegen. Bemerkenswert ist die relativ niedrige Lage des Mittelwerts von Ergolding, einer Feuchtbodensiedlung der Altheimer Kultur, wozu der Autor (Neumann 1990, 20) aber selbst anmerkt, dass gerade kleinere Stücke überproportional vertreten sein dürften.“

Pucher 2010, ErichSechs Jahrtausende alpine Viehwirtschaft. bringt auch einen eindrucksvollen bildlichen Nachweis der Größenverhältnisse der Fußwurzelknochen von Auerochse, Mondsee-Rindern und den zeitgleichen donauländischen Rindern, was sich auch in den ermittelten Widerristhöhen dieser Tiere mit Höhen von 180 cm, 115 cm und 130 cm deutlich widerspiegelt.

Pucher (S. 6): „So waren allen zirkumalpinen Pfahlbaukulturen Hausrinder mit Widerristhöhen der Kühe um 115 cm gemeinsam. Im Donauraum wurden dagegen schon im ausgehenden 6. Jt. v. Chr. große Rinder mit Widerristhöhen der Kühe von knapp 130 cm gehalten. Demgegenüber hatten lokale Auerochsenbullen beinahe 180 cm Widerristhöhe.

Dies ist umso interessanter, als die donauländischen Rinder bereits seit zwei Jahrtausenden in benachbarten Räumen lebten. Damit ist aber eine Abkunft der Rinder der Pfahlbauern von diesen recht unwahrscheinlich.

Bei Körpergrößen der Pfahlbauern von 160 cm der Männer bzw. 150 cm der Frauen ist es auch verstehbar, dass diesen Menschen kleines Vieh nicht unrecht war. Viel wesentlicher war aber die Anpassung des Viehs an Seehöhen von 400–600 m, wie in den Schweizer Herkunftsgebieten. In diesen Seehöhen setzt die Vergetationsperiode um drei Wochen später ein, sodass diese Rinder auch später kalbten als in den tieferen Lagen.

Link zur zitierten Literatur von Erich Pucher



Untersuchungen zu den Schafen der oberösterreichischen Pfahlbauern

Schmölcke (2018), Groß, Nikulina: S. 106: Größe und Proportionen der Knochen zeigen, dass das am Mondsee gehaltene Vieh ausnahmslos kleiner und graziler war als seine gleichaltrigen Artgenossen im österreichischen Flachland. Die Größe der Schafe am Mondsee schwankte zwischen 57 und 69 cm (im Durchschnitt 62 cm) und diese Werte zeigen mehr Ähnlichkeiten mit Größenberechnungen von Pfahlbauten aus dem schweizerischen Westalpenraum als mit gleichzeitigen österreichischen Tieflandstandorten. Kurt Engl und Erich Pucher vermuteten bereits 1997, dass während des Neolithikums zwei verschiedene, dauerhaft isolierte Nutztierpopulationen in den Alpen existierten, die jeweils eine völlig unterschiedliche Geschichte und Herkunft hatten. Heute ist durch umfassende überregionale Vergleiche belegt, dass die Neolithisierung der Schweiz im Gegensatz zu Österreich nicht vom Balkan aus, sondern auf dem alternativen Weg entlang der mediterranen Küstenlinien und des Rhônetals erfolgte; dies zeigt sich auch in der antiken DNA von Schafresten. Im Gegensatz zu Österreich wurde also die gesamte Schweiz, einschließlich des Rhônetals, während des Neolithikums kontinuierlich von mediterranen Haltungstraditionen beeinflusst. Besonders deutlich wird diese Entwicklung an folgendem Beispiel: Zur gleichen Zeit, als Ostösterreichs Schafpopulationen zusammenbrachen, lebten im westlichen Teil der Alpen Hirtenvölker mit einer stark schafbasierten Wirtschaft.

Grömer (2018) & Saliari: S. 134: In der zweiten Hälfte des 4. Jahrtausends und der ersten Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr. lassen sich bemerkenswerte regionale Unterschiede erkennen. Die Tiere der Mondseekultur (3800-3200 v. Chr.) scheinen einen Sonderfall darzustellen. Die Analyse von Schaf- und Ziegenresten aus dem Fundort Mondsee weist auf wesentliche Unterschiede zu zeitgenössischen Schafknochen aus dem Donauraum hin.
Bei den untersuchten Schafresten aus Mondsee handelt es sich um kleinere Individuen (62 cm Widerristhöhe). Ihre Hornkerne kamen der Wildform sehr nahe, waren aber kleiner und wiesen mehr Ähnlichkeiten mit Tieren aus der Schweiz auf. Es wurde daher vorgeschlagen, dass diese Tiere entlang der Alpen nach Österreich gelangt sein könnten.
Pucher & Engl (1997) stellten fest, dass die Schafe und Ziegen der Mondseekultur einen hohen Grad an Einheitlichkeit aufwiesen, aber Unterschiede zu den im Vorland gefundenen Tieren zeigten.
Schaf-Funde der Badener Kultur aus der Slowakei und Ungarn zeigen bemerkenswerte Unterschiede. Die Analyse ergab, dass zw. 3500-2800 v. Chr. die Widerristhöhe um etwa 10 cm zunahm. Ähnliche Veränderungen wurden bis nach Norddeutschland festgestellt und mit der Ankunft neuer Schafpopulationen aus dem Nahen Osten und dem südöstlichen Mittelmeerraum in Verbindung gebracht. So wurde der Nachweis interpretiert, dass die ersten Wollschafe im späteren Neolithikum auftraten. Solche Größen-Veränderungen konnten jedoch für Österreich bisher nicht bestätigt werden (Schmitzberger 2009).

Literatur Annalen NHM 2018

Genetische Herkunft der Schafe in Europa und See/Mondsee

Statistik analysierter Schafzähne: Fundorte, Zeitperiode und Kultur, Datierung mit cal BC, Anzahl der aDNA-Proben, Aufteilung auf aDNA-Haplogruppen A und B
Graphische Darstellung (der korrigierten Abbildung): "Lokalitäten der aDNA der selbst analysierten alten Schafe (mit schwarzer Umrandung) und der lokale Anteil der Haplogruppen A (rot) und B (grün)". Korrigiert wurden hier die Kreisgrafiken von Mondsee (A=1 / B=12) Eilsleben (A=2 / B=9), Estonia (70-90 % B) und Brixlegg (A=1 / B=11). Die Ergebnisse der Studien von Geörg (2013, Balkan), Rannamäe (2016a, Estland; nun geändert) und Ferencakovic ((2013, Mufflon) wurden (ohne schwarze Umrandung) hinzugefügt. Die Größe der Kreisdiagrame ist proportional zur Anzahl der erfolgreich analysierten Zähne.

Histor. Lexikon der Schweiz: Schafe sind mit den Ziegen die ältesten wirtschaftlich genutzten Haustiere. Die Stammform des Hausschafs ist der südwestasiatische Mufflon. Die Domestikation erfolgte in den vorderasiatischen Bergregionen (Türkei, Irak, Syrien) im 9. Jt. v.Chr. In der Schweiz erscheinen die Hausschafe um 5000 v.Chr. in den jungsteinzeitlichen Siedlungen und in den ersten Seeufersiedlungen des Mittellands (bis 4100 v.Chr.), wo sie mit den Ziegen unter den Haustieren dominierten. Die jungsteinzeitlichen Schafe waren von grazilem Körperbau mit einem eher langgezogenen Schädel (durchschnittliche Widerristhöhe 63 cm).

[Die Stammform der Hausziege ist die Bezoarziege, welche heute noch in Gebirgsregionen Kleinasiens beheimatet ist; wurde um 8.000 v.Chr. domestiziert.]

Nikulina 2020, Elena und Ulrich SchmölckeThe first genetic evidence for the origin of central European sheep. bringen "erste Ergebnisse eines umfassenden Projekts zur Genetik der prähistorischen Schafbestände in Mitteleuropa. Es zeigt sich, dass Schafe während des Neolithikums auf zwei verschiedene Arten in Mitteleuropa eingeführt wurden und dass beide Bestände unterschiedliche genetische Strukturen aufwiesen. Eine östliche Population verbreitete sich von der Balkanhalbinsel über Ost-Österreich nach Norden und ergab eine Mischung aus einer dominanten Haplogruppe B mit einer stabilen Haplogruppe A. Eine andere Population erreichte Mitteleuropa über eine westliche Route über Italien und Frankreich und bestand aus Schafen mit der stark überwiegenden Haplogruppe B und geringer Haplogruppe A." (Abstract)

"falsche" Original-Grafik

Wie der Tabelle und der Grafik entnommen werden kann, sind die Schafe mit ausschließlich Haplogruppe B im Mittelmeerraum und Schleswig-Holstein - später auch in Frankreich - anzutreffen. Wie deutlich zu erkennen ist, gibt es gerade in Österreich im Neolithikum zwei unterschiedliche Schafherkünfte. Das Vorkommen von Ratzersdorf (östlich St. Pölten) ist das älteste in Österreich und weist recht hohe Anteile der Haplogruppe A auf. Demgegenüber sind die Anteile der Haplogruppe A bei den Schafen des Mondsees wesentlich geringer, was dagegen spricht, dass diese Schafe von donauländischen Schafen - die im Osten Österreichs schon seit über tausend Jahren vorkommen - abstammen.

Woher kamen nun die Schafe der Pfahlbauern vom Attersee und Mondsee?

Nikulina und Schmölcke schreiben dazu, dass es nicht auszuschließen ist, dass die Schafe dieser neolithischen Bauern nicht über die Balkanhalbinsel eingewandert sind, sondern sich zunächst entlang der Mittelmeerküste, später ins Rhonetal und schließlich ins westliche Mitteleuropa ausgebreitet haben, wo sich die Michelsberger Kultur entwickelte, deren Bevölkerung ausschließlich Schafe der Haplogruppe B besaß.

Diese Hypothese konnte von den beiden Autoren aber nicht endgültig verifiziert werden, da Proben von frühneolithischen Schafen aus Frankreich, der Schweiz oder dem Rheingebiet in deren Studie nicht integriert waren.

Sie meinen aber, dass es aber mehrere Argumente gibt, die dafürsprechen, dass diese Erklärung richtig ist: Erstens gehört das europäische Mufflon, der verwilderte Überlebende der neolithischen Schafe auf den Verbreitungswegen entlang der Mittelmeerküsten zur Haplogruppe B. Zweitens haben sie an der einzigen untersuchten südfranzösischen Fundstelle, der späteisenzeitlichen Siedlung Mirebeau-sur-Bèze in der Region Bourgogne-Franche-Comté, ausschließlich Schafe mit Haplogruppe B nachgewiesen. Drittens weisen in Nordwesteuropa (Großbritannien) alle traditionellen Schafrassen nur Haplogruppe B auf, während in Nordosteuropa die traditionellen Schafrassen ähnliche Häufigkeiten der Haplogruppe A und B aufweisen wie in (Ost-)Österreich tausend Jahre zuvor.

  • [Anm.: in der kleinen Abbildung wird die unrichtige, irreführende Darstellung aus obiger Veröffentlichung gebracht. Hinsichtlich der Korrektur vgl. die richtigen Daten in der obigen Tabelle.]

Verwendete Literatur zur Herkunft der Schafe

Die – überraschende – genetische Abstammung unserer Hausschweine

Archäologische Belege deuten darauf hin, dass die Domestizierung von Schweinen im Nahen Osten um ∼10 500 Jahren BP begonnen hat, und die mitochondriale DNA (mtDNA) deutet darauf hin, dass die Schweine zusammen mit den Bauern um ∼8 500 Jahren vor heute nach Europa kamen. Einige tausend Jahre nach der Einführung von Schweinen aus dem Nahen Osten in Europa verschwand jedoch ihre charakteristische nahöstliche mtDNA-Signatur immer mehr und wurde durch jene von europäischen Wildschweinen ersetzt. Dieser Wechsel ist auf einen beträchtlichen Genfluss von lokalen europäischen Wildschweinen zurückzuführen.

Die Analysen ergaben, dass europäische Hausschweine aus der Zeit von 7.100 bis 6.000 Jahren v.Chr. sowohl nahöstliche als auch europäische Kern-DNA-Vorfahren haben. Bis zum späten Neolithikum (3.000 v.Chr.) war der genomische Anteil der nahöstlichen Hausschweine in Europa auf unter 50 % gesunken, und der nahöstliche Anteil an den modernen europäischen Hausschweinen beträgt heute 0 bis 4 %. Das deutet darauf hin, dass der Genfluss von europäischen Wildschweinen zu einem fast vollständigen Verschwinden der nahöstlichen Vorfahren führte. Darüber hinaus zeigt sich, dass eine Variante an einem Gen-Ort, der für die schwarze Fellfarbe zuständig ist, aus dem Nahen Osten stammt und in europäischen Schweinen erhalten geblieben ist. Damit zeigt sich, dass Schweine zwar nicht unabhängig voneinander in Europa domestiziert wurden, dass sich aber der größte Teil der vom Menschen vermittelten Selektion in den letzten 5.000 Jahren auf die genomische Fraktion von europäischen Wildschweinen abstammt, und nicht auf die Fraktion, die von den frühen neolithischen Bauern in den ersten 2.500 Jahren des Domestikationsprozesses selektiert wurde. Neben dem nahöstlichen Fellfarbe-Gen blieb auch jenes für geringere Größe erhalten.

Verschmelzungs-Simulationen zeigen, dass eine genomische Ersetzung dieses Ausmaßes als Ergebnis der Aufmischung einer lokalen Population in eine eindringende Population dann zu erwarten ist, wenn die eindringende Population relativ klein ist und keine starken Barrieren für die Kreuzung bestehen.

[Vgl. hierzu auch die geringe Vermischung der anatolischen Bauern mit den mesolithischen Jägern/Sammlern; demgegenüber aber die enorme Geschwindigkeit und Intensität der Vermischung der Schnurkeramiker mit den Neolithikern ab 2.700 v.Chr.]

Das Ausmaß, in dem der nahöstliche Anteil der frühesten Hausschweine in Europa aus dem Genom des modernen europäischen Schweins getilgt wurde, ist beispiellos. Obwohl Verschmelzung auch zwischen lokalen Wildpopulationen und örtlich versetzten Haustieren [z. B. Rinder, Pferde, Hunde, Hühner, Ziege] und Pflanzenarten [z. B. Weintraube, Äpfel, Mais] nachweislich häufig vorkommt, sind Schweine die einzige Spezies, deren Genom so stark verändert wurde, dass ihre ursprüngliche Abstammung in modernen Populationen kaum noch nachweisbar ist. Dies deutet darauf hin, dass Schweine ein deutlich geringeres Maß an reproduktiver Isolation von ihren wilden europäischen Artgenossen erfahren haben als andere sich ausbreitende Haustiere, die in den Regionen, in die sie eingeführt wurden, auf eng verwandte Wildarten trafen [z. B. Rinder, Hunde].

Erläuterungen zu den Abbildungen: (A) Karte mit der Verteilung der ostasiatischen (blau), nahöstlichen( gelb), europäischen (rot) und Y2-Haplogruppen (violett) bei Wildschweinen. Die schwarzen Punkte stellen die Standorte von 696 modernen und alten Wildschweine dar. Karte B: Das große Kreisdiagramm rechts oben zeigt die Gesamthäufigkeit dieser Haplogruppen bei Hausschweinen, kleine Tortendiagramme zeigen die Häufigkeiten an verschiedenen archäologischen Orten zwischen 8.000 und 5.100 Jahren vor heute und in Karte C zw. 5.100 und 180 Jahren vor heute [[vor der industrieller Revolution und vor der Einführung asiatischer Schweine in Europa]. Karte D zeigt die Verteilung bei heutigen, modernen Hausschweinen.

Literatur zur Schweine-Genetik

Zielführende Forschungen zur Herkunft (der Tiere) unserer Pfahlbauern

Es ist heute einfach und kostengünstig möglich, antike DNA (aDNA) von Knochen z.B. der Schafe, Rinder und Schweine aus See/Mondsee mit solchen aus Cortaillod-Kulturen der Schweiz und auch von Egolzwil, Kleiner Hafner/Zürich aber auch vom Bieler See zu analysieren und ihre genetische Verwandtschaft zu vergleichen.

Die Silexpfeilspitzen vom Mondsee sind ähnlich zur Schweizer Cortaillod-Kultur

Morgan 1983, Alexandra (London): Die Mondsee-Gruppe; Dissertation: "Die Silexpfeilspitzen vom Mondsee, OÖ, im Rahmen des Jung- und Spätneolithikums Zentraleuropas". Archäologia Austriaca, Kap. 4.3; S. 61–73.

Morgan stellt in ihrer Analyse der Pfeilspitzen fest, „dass sich die Pfeilspitzen der Mondsee-Gruppe mit ihrer geraden Basis, der seltenen Verwendung von Plattensilex und ihrer groben Bearbeitung stark von den Pfeilspitzen aus Altheim abheben.“

Die Keramik der südfranzösischen Chasséen-Gruppe erinnert sie an die Mondsee-Keramik, nicht aber die Pfeilspitzen. Die Pfyner Pfeilspitzen machen einen gröberen Eindruck als das Altheimer Material und ähneln eher den gröberen Stücken aus See.

Das gleiche muss man auch von den Pfeilspitzen der Cortaillod-Kultur sagen. Die Ähnlichkeiten mit dem Mondsee-Material sind zahlreich. Nach den Messungen entspricht die Variationsbreite der Pfeilspitzen jener aus See. Die Pfeilspitzen, die wir aus anderen Fundorten der Cortaillod-Kultur kennen (Burgäschisee-Süd) erlauben den Schluss: „die Pfeilspitzen der Cortaillod-Kultur gleichen dem vorliegenden Mondseer Material.“

„Vergleicht man die Pfeilspitzen von Mondsee, Cortaillod und Altheim, so nimmt Mondsee in Form und Bearbeitung etwa eine „Mittelstellung“ zwischen Cortaillod mit groben und seltener flächenretuschierten Stücken mit gerader oder eingezogener Basis und oft ungleichmäßiger Schneidenausbildung, und Altheim mit sehr schön bearbeiteten, symmetrischen Exemplaren mit ausschließlich eingezogener Basis ein."

Die Herkunft der Mondseer Beilschäftungen aus der Schweiz (20.6.24)

Aus der Station See am Mondsee liegen mit der Arbeit von Franz & Weninger 40 Beilschäftungen – die zum Teil auch für Kupferbeile verwendet wurden – als Funde aus Holz vor. Diese bestehen zumeist aus einem Knieholm und der eigentlichen in zwei Zinken gespaltenen Beilfassung für die Aufnahme des Beiles.

Vielleicht aus einem (ideologischen?) Beweggrund, da die Autoren einem Zusammenhang der oberösterreichischen mit den Schweizer Pfahlbauern recht ablehnend gegenüberstehen, bringen sie keine einzige Abbildung, mit der man konkrete Vergleiche mit Schweizer Beilschäftungen anstellen könnte.

  • Zitat der Autoren: „Wie schon auf S. 19 hervorgehoben, sind die für die Schweizer Pfahlbauten so typischen Zwischenschäftungen für Steinbeile im Mondsee selten.
    [S. 18/19: „Ein starker Unterschied macht sich in der Beilschäftung bemerkbar: im Mondsee ist die für die Schweizer Pfahlbauten so typische Schäftung mit Zwischenfutter nur schwach vertreten.“]
  • Diese Meinung der Autoren, dass ein Unterschied in der Beilschäftung zwischen Mondsee und der Schweiz darin bestünde, weil sie selten bzw. nur schwach vertreten wären, ist völlig unverständlich. Dies umso mehr, weil ja im Fundmaterial keine alternativen Beilschäftungen hervorkamen.

Pittioni (1954; S. 218 u. 228) berichtet auch von einer Vielzahl von Flachbeilen aus See am Mondsee, von denen die kleineren mit Zwischenfutter aus Hirschgeweih geschäftet waren.

Die beiden Autoren Franz & Weninger bringen dazu weder im Katalogteil "Hirschgeweih" Inventarnummern noch Abbildungen.

Die 40 Beilschäftungen von See am Mondsee

Franz 1927, Leonhard und Weninger, Josef: → Die Funde aus den prähistorischen Pfahlbauten im Mondsee. Materialien zur Urgeschichte Österreichs, hrsg. von Anthrop. Ges. und Prähistor. Ges., 3. Heft. Mit 10 Abb. im Text und 376 Abb. auf XLII Tafeln.

Kapitel 7. Holzgeräte und Hölzer mit Bearbeitungsspuren (Taf. XXXVI; S. 84–85)

Dank der konservierenden Wirkung des Seeschlammes ist eine ganz Reihe von Holzartefakten erhalten geblieben. Meist sind es allerdings nur Holzstücke mit Bearbeitungsspuren, zum Teil auch angebrannt, aber auch ein paar bessere Gegenstände: Dolche (Taf. XXXVI, 2, 3), ein unfertiger Löffel (Taf. XXXVI, 5) und einige Stiele für Kupferbeile, nämlich Kniehölzer, die an einem Ende gespalten sind; teilweise weisen die Spaltflächen noch Edelrostspuren auf, ein sicherer Hinweis darauf, daß in ihnen Kupferbeile befestigt gewesen sind. Über die zur Verwendung gelangten Holzarten berichtet auf S. 91 Dr. Elise Hofmann.

  • Beilschäftung, knieförmig gebogenes Aststück, der Stielteil ist abgebrochen, das Astwinkelstück und die eigentliche in zwei Zinken gespaltene Beilfassung erhalten, an ihrer Innenseite Spuren von Patina, von Kupferbeil herrührend. Erhaltene L. 13 cm [6394].
  • Beilschäftungen, knieförmig gebogene Aststücke, die Stielteile sind abgebrochen, nur die Astwinkelstücke und die eigentliche in zwei Zinken gespaltene Beilfassung erhalten. L. 11,3, 12 cm [6396, 6397].
  • Beilschäftungen, knieförmig gebogene Aststücke, die Stielteile sind abgebrochen, nur die Astwinkelstücke und die eigentliche in zwei Zinken gespaltene Beilfassung zum Teile erhalten. Erhaltene L. 9–13 cm [6395, 6400-6402, 6426, 6428].
  • Beilschäftungen, knieförmig gebogene Aststücke, die Astwinkelstücke und die Reste von den rundlich profilierten Stielteilen erhalten. L. 5,6–12,5 cm [6398, 6403, 6405].
  • Beilschäftungen, knieförmig gebogene Aststücke, nur die stabrunden Stielteile und die Astwinkelstücke erhalten, die eigentlichen Beilfassungen sind abgebrochen. Erhaltene L. 11,2–20,2 cm [6313–6315, 6404].
  • Schäftungsstiele für Beile, im Astwinkelstück gebrochen, die Stiele sind stabrund [6317, 6399].
  • Schäftungsstiele für Beile, meist stabrund oder rundlich profiliert. Erhaltene L. 6–17,4 cm, Dm. 1,7–3,7 cm [6312, 6327, 7337, 6339–6342, 6366, 6368, 6370 bis 6373, 6414–6418, 6423].
  • Astwinkelstücke von Beilschäftungen, die eigentliche Beilfassung und der Stielteil sind ganz abgebrochen [6316, 6383, 6890].

Richard Pittioni bringt in: „Zu den Beilschäftungen aus Mondsee.“ (ArchA 44, 1968:84–88.) die letzten vier verbliebenen Beilschäftungsreste der Urgeschichts-Sammlung der Universität Wien:


Zwischenfutter kleiner Steinbeile

Kapitel 5. Geräte aus Hirschgeweih (Taf. XXXV; S. 81 f.).

  • Schäftung aus der Basis eines Hirschgeweihes, aus dem Winkelstück zwischen Augensproß und Stamm gearbeitet, mit zylindrischer Bohrung [5520].
  • Flachbeil aus Stein, mit Schäftung aus der Basis eines Hirschgeweihes, Stirnzapfen und Rose sind abgeschnitten, der Augensproß abgeschnitten und gebrochen, im gehöhlten Stamm ist das Flachbei eingeklemmt, dieses ist hoch trapezförmig, hat einen fast ovalen Querschnitt, einen breiten, abgerundeten Nacken, eine gekrümmte Schneide, leicht gewölbte Breitseiten und ganz leicht gewölbte, gekrümmte Schmalseiten. L. des Beiles 8,4 cm, Schneidenbreite 4,8 cm, größte D. 2,4 cm, erhaltene L. der Schäftung 11,5 cm [5542].

Pittioni 1954, Richard: (Urgeschichte des österr. Raumes. Wien, 1954) schreibt zu den Mondseer Beilschäftungen mit Hirschgeweih-Zwischenfutter:

  • S. 218: „Steingerät ist [in Mondsee] in großer Zahl vorhanden. Kennzeichnend sind: die in verschiedener Größe angefertigten Flachbeile (Abb. 150, 151), von denen die kleineren mit Zwischenfutter geschäftet waren.“
  • S. 228: „Die Ursache für die Errichtung von Pfahlbausiedlungen [am Mondsee] ist kaum zu ergründen, doch könnte man mit Rücksicht auf die Schweizer Verhältnisse an westeuropäische Einflüsse denken, die vielleicht auch durch die Verwendung des Zwischenfutters angedeutet erscheint (vgl. die Zwischenfutterschäftung in der beigefügten Abb. 151, 2; S. 223)."
    [vgl. hierzu die nebenstehende Abb.]

Überblick zu den Beilschäftungen in den einzelnen Regionen der Schweiz

Hafner 2005, Albert; Suter, Peter: → Raum/Zeit-Ordnung und neue Denkmodelle. Archäologie im Kanton Bern, Band 6B, Bern 2005:431–498, mit Katalog und umfassendem Literaturverzeichnis.

  • Gliederung in die Schweizer Regionen (Westschweiz, Zentralschweiz, Ostschweiz / Bodensee, oberes Rhonetal und Alpenrheintal) und diese in Zeitperioden sowie nach … Beile, Lochäxte … Hirschgeweih …
  • Weiters Beilschäftungen (S. 455: bereits in Egolzwil).
  • Gusstiegel beschränken sich auf die Zeitspanne 3.750–3.500 v. Chr. (spätes Pfyn) in Zentral- und Ostschweiz; westlich des Zugersees sind bisher keine Gusstiegel gefunden worden.
Stangen- und Knieholme der Schweiz

Hafner 2000; Suter: → 3400 v. Chr. Die Entwicklung der Bauerngesellschaften im 4. Jahrtausend v. Chr. am Bielersee aufgrund der Rettungsgrabungen von Nidau und Sutz-Lattrigen.
→ S. 181: Stangenholm kommt vor allem in Zentralschweiz, Knieholm eher in Westschweiz vor

Suter 1993, Peter: Holme, Hirschgeweihfassungen und Steinbeilklingen – Gedanken zur Entwicklung des neolithischen Beiles im schweizerischen Mittelland. Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte 76, 1993:27–44.

Suter 1986, Peter und Schifferdecker, Francois: → Das Neolithikum im schweizerischen Mittelland. In: Chronologie – Archäologische Daten der Schweiz. Antiqua 15 der Schweizer. Ges. f. Ur- und Frühgeschichte. Basel 1986:34–43. (Egolzwil, Kl. Hafner, Cortaillod)
S. 38: „Es ersetzen Zwischenfutter aus Geweihstangenstücken die Fassungen und Sprossenteile."

Winiger 1981, Josef: → Feldmeilen-Vorderfeld – der Übergang von der Pfyner zur Horgener Kultur. Schweiz. Ges. f. Ur- und Frühgeschichte. Antiqua 8, 1981. 290 Seiten.

  • Die Pfyner Kultur in der Zentral- und Ostschweiz dauert von 3900-3500 und kennt auch Kupfer.
  • 200 Treffer „Zwischenfutter“: S. 38: Schäftung kleiner Beile mit Zwischenfutter aus Geweih; S.42: Pfyner Zwischenfutter
  • S. 54: „Pfyner Techniker … nehmen dadurch eine Sonderstellung ein, dass wir nur von ihnen Werkzeuge kennen, die zeigen, wie einfach die frühesten Kupfergießer angefangen haben – mit Schmelztiegeln aus gebranntem Ton, wie wir sie eigentümlicherweise nur noch von der Mondsee-Kultur kennen.“