Mondsee-Gruppe
Mondsee-Gruppe (Tafel 50; Karte 5; Tabelle 29 u. 30)
Forschungsgeschichte: Seit Entdeckung der ersten Pfahlbaustationen im Mond- und Attersee (Seewalchen/Attersee 1870, Station See/Mondsee 1872) stand umfangreiches Fundgut zur Verfügung, das besonders durch die Baggerungen von M. Much in der Station See zutage gefördert wurde. Weder damals noch heute sind geschlossene Komplexe aus den Pfahlbausiedlungen bekannt. Die Kupferfunde zunächst von M. Much (1893), die Keramik von M. Hoernes (1905) ausführlich besprochen, in einen größeren Zusammenhang gestellt und ihr spätneolithisches bzw. kupferzeitliches alter festgelegt. Monographisch bearbeitet wurde das Fundgut erst 1927 (Franz/Weninger 1927). Benennung auf Anregung A. Götzes (1900b, 272) durch M. Hoernes (1915/16). P. Reinecke (1924) schloss Mondsee seiner Altheim-Gruppe an und betrachtete beide als Teil eines spätneolithischen Kulturkreises (Reinecke 1940). Nach L. Franz und G. Kyrle (Franz/Weninger 1927; Kyrle 1927) beschäftigte sich R. Pittioni mehrfach mit der Mondsee-Gruppe. Er erkannte wie Reinecke die enge Verwandtschaft zwischen Altheim und Mondsee; beide wären durch Einflüsse der Trichterbecherkultur entstanden. Entgegen seiner früher vertretenen Ansicht war er später der Meinung, dass die Mondsee-Gruppe nicht als direkter Nachfolger von Münchshöfen aufgefasst werden darf (Pittioni 1980 I/1, 28).
Nach J. Driehaus (1960a) bildet die Altheimer Gruppe zusammen mit Pfyn, dem mitteldeutschen und böhmischen Baalberge und der „älteren mährischen Gruppe“ (Trichterbecherkultur II und III nach Zapotocný) den jungneolithischen mitteleuropäischen „Nordalpinen Kreis“. Die Mondsee-Gruppe sei jünger als Altheim und damit endneolithisch. Nur die Anfänge der Mondsee-Gruppe lägen zeitgleich mit dem ausklingenden Altheim noch im Jungneolithikum Bei der Spätdatierung der Mondsee-Gruppe spielt bei Driehaus u.a. die Furchenstichkeramik und die Kerbleistenkeramik des Salzburger Landes eine wichtige Rolle. Der endneolithischen Datierung schloss sich auch H. Müller-Karpe (1974, 218 f.) an. K. Willvonseder (1963-1968) legte den Gesamtbestand der Attersee-Pfahlbaustationen vor. Er periodisierte, wie Pittioni und Driehaus, nach den Metallfunden. Formengruppe I ist kupferzeitlich, Formengruppe II gehört der entwickelten Frühbronzezeit oder der frühen Mittelbronzezeit, Formengruppe III der Urnenfelderkultur an. Wie Driehaus versuchte Willvonseder mit der Mondseeware aus Landsiedlungen (keine geschlossenen Funde) zu datieren. Für die Anfänge der Mondsee-Gruppe suchte Willvonseder Hinweise in den Schichten der Paura, wo Mondsee-Scherben in Mischlage mit Keramikfragmenten mittelneolithischer Tradition zutage traten. Das Ende der Mondsee-Gruppe setzte Willvonseder anhand von Kupferfunden etwa in die Zeit des Depotfundes von Brno-Lisen. Willvonseder ließ die Mondsee-Gruppe aus dem oberösterreichischen Zweig der Münchshöfener Gruppe entstehen und rechnete noch mit Impulsen von der mährisch-niederösterreichischen Trichterbecherkultur. Ein etwas später angesetzter Impuls sollte gleichzeitig mit dem ersten Metall die Verzierungstechnik mit Furchenstich aus den östlichen Gebieten das Salzkammergut gebracht haben. Die Pfahlbaustationen der Salzkammergut-Seen bestanden kontinuierlich auch noch in der entwickelten Früh- bis frühen Mittelbronzezeit (Formengruppe III). 1977 wurde eine neue Station, Abtsdorf I/Attersee, entdeckt, die ausschließlich gut datierbare bronzezeitliche Keramik der Stufe A2/B1 lieferte (Ruttkay 1982). Zusammen mit der Formengruppe II der Metallfunde von Willvonseder bildet diese Keramik die Attersee-Gruppe. Eine Siedlungskontinuität in den Pfahlbausiedlungen zwischen der Mondsee- und der Attersee-Gruppe ist nicht nachweisbar. Der Vorschlag, die Mondsee-Gruppe in drei Entwicklungsphasen zu gliedern, bedarf der Überprüfung (Ruttkay 1981). Für die neuere Forschung ist die Mondsee-Gruppe eine weitgehend mit Altheim gleichzeitige jungneolithische Gruppe, die bis in das Endneolithikum dauerte (Pleslová-Stiková 1985; Zapotocký 1986b; Burger 1988). Ihre Anfänge können noch nicht bestimmt werden. Seit 1970 Bestandsaufnahme der Pfahlbausiedlungen (Feuchtbodensiedlungen) Österreichs. Bisher acht neue neolithische Stationen entdeckt. Viele Pfähle 14C datiert; verschiedene naturwissenschaftliche Forschungsprojekte eingeleitet (Offenberger 1976; 1981; 1986).
Verbreitung: Das Kerngebiet der Mondsee-Gruppe bilden die im Uferbereich von Mond- und Attersee liegenden, etwa 20 Pfahlbaustationen (Feuchtbodensiedlungen) Karte 5). Hinzu kommen Landsiedlungen in Oberösterreich, im westlichen Niederösterreich und im Land Salzburg. Diese Siedlungspunkte deuten an, dass auch die Täler der Salzach, der Enns und der Traun nach Norden zur Donau zum Verbreitungsgebiet der Mondsee-Gruppe gehören. Im bayerischen Gebiet liegt die jungneolithische Siedlung Ainring, Auhögl, die mal der Altheimer Gruppe, mal der Mondsee-Gruppe zugeteilt ist.
Gräber sind bisher nicht bekannt.
Siedlungen: Siedlungsreste liegen heute auf den Strandplatten der Salzkammergutseen. Die größte vermessene Station Aufham I misst 13.000 m². Die Fußböden der Häuser auf Unterzügen errichtet, diese mit Pflöcken im Boden festgemacht. Verschiedene hölzerne Bauteile erlauben die Rekonstruktion von rechteckigen Hütten mit Flechtwerkwänden. Die Siedlungen haben im Neolithikum im Uferbereich der Seen gestanden, und man kann bei einer Tiefenlage der Pfähle von 8m (Mooswinkel) von echten Pfahlbauten sprechen.
Keramik: Die kennzeichnende Keramik der Mondsee-Gruppe ist grau/dunkelgrau, hart bis mäßig gut gebrannt. Die verzierten Gefäße waren inkrustiert; als Inkrustierungsmasse Kalziumkarbonat bestimmt (Sauter Rossmanith 1967). Meist ist der Krug, gelegentlich auch der zweihenkelige Topf, der zweihenkelige Becher und das doppelkonische Ösengefäß verziert. Beim Halsmuster (Abb. 102 rechts) herrschen die umlaufenden Linienbänder mit hängenden oder stehenden, schraffierten Dreiecken und runden Einstempelungen vor. Häufige Bauchverzierung (Abb. 102 links) sind das „Sonnenmuster“, oft mit schraffierten Dreiecken kombiniert, Voluten aus Leiterband, das auch in der Linienbandkeramik bekannte A-Ornament, der Bogenhaken und die Girlande. Beliebt waren ineinander gesetzte Winkelhaken, ein im Lengyel-Kreis bekanntes Motiv. Plastische Ornamente selten: Gekerbte Ränder, glatte und gekerbte Randleisten („Arkadenrand“), Warzengruppen und Henkel mit Längsrippen. Kennzeichnende Form der Mondsee-Gruppe ist der verzierte und unverzierte Krug (Taf. 50:20,22-24). Die Henkeltasse ist variationsreich, aber wenig charakteristisch (Taf. 50:21). Ebenso vereinzelt kommen der tonnenförmige oder doppelkonische Henkelbecher und der zylindrische Becher mit zwei unterrandständigen, senkrechten Doppelösen vor. Der zweihenkelige Topf (Taf. 50:25) ist ein mittelgroßes Gefäß mit unterschiedlicher Profilierung, meist verziert. Auch der zweihenkelige Becher hat verschieden geformte Gefäßkörper, er ist selten verziert (Taf. 50:26), ebenso wie das doppelkonische Ösengefäß (Taf. 50:27), das am Umbruch mit zwei Ösenpaaren versehen ist. Weiter unverzierte Kleingefäße der Napf (Taf. 50:9) und mannigfaltige Schüsselformen (Taf. 50:13,18). Die Knickwandschüssel (Taf. 50:19) mit Warzengruppen am Knick. Eine ganze Reihe von Gefäßen verschiedener Abmessungen fällt in die Kategorie der Trichterrandgefäße (Taf. 50:12,14,15,17), wobei Schüsseln, Töpfe und Großgefäße mit fließenden Übergängen unterschieden werden. Der Trichterrandtopf gelegentlich mit einem „Arkadenrand“ versehen (Taf. 50:12). Der Trichterbecher mit Innenösen (Kochtopf) ist eine markante überregionale Form (Taf. 50:15). Auch Zapfenstiellöffel (Taf. 50:8), scheibenförmige und flach-doppelkonische, verzierte Spinnwirtel, Tonspulen und Miniaturgefäße gehören zum Inventar der Mondsee-Gruppe.
Geräte aus Felsgestein sind zahlreich (Taf. 50:1-7). Diabas, Amphibolith und Serpentin wurden gern verwendet. Besonders die Attersee-Stationen lieferten eine große Anzahl an massiven, gepickten und auch geschliffenen Oval- und Rechteckbeilen, erstere auch mit spitzem Nacken. Die wichtigsten Äxte (Streitäxte) sind die flache Hammeraxt (Taf. 50:4), die Knaufhammeraxt (Taf. 50:1) und die Rundnackenaxt (Taf. 50:2), die alle bei der Einordnung eine wichtige Rolle spielen (Zapotocký 1986a). Runde und doppelkonische Keulen aus Felsgestein (Taf. 50:10) gelten als Waffen; Rillen-, Klopf- und Mahlsteine als Arbeitsgeräte.
Silexknollen dienten als Rohmaterial für Schmalklingen, Schaber und für den Großteil der untersuchten Pfeilspitzen (Abb. 103:14,15); Plattensilex wurde für Sicheln, größere Spitzen und Pfeilspitzen benutzt (Abb. 103:16) (Morgan 1983).
Geweih- und Knochenartefakte: Neben Knochenspitzen mit und ohne Gelenkenden und Meißeln zwei Spezialgeräte nennenswert: die zweizinkige Rippenspitze (Hechelzahn) und ein anderes zweizinkiges Gerät aus Röhrenknochen mit Gelenkenden, dessen Funktion noch nicht bestimmt werden konnte. Unter den Hirschgeweihartefakten sind Flachhacken, Sprossenfassungen, Spanmeißel und der „Sprossenschmuck“ anzuführen. Ein langes Geweihsprossende, am unteren Drittel durchbohrt, besitzt Parallelstücke in Altheim und wird von J. Driehaus als „dolchstabähnliche Waffe“ angesprochen. Auch die Pfyner Kultur kennt diese „Waffe“ (Wyss 1970, Taf. 11:7).
Kupferfunde: Ungewöhnlich reiches Inventar. Bereits in der Zeit der Entdeckung der Pfahlbaustationen wird vermutet, dass ihre Siedlungen mit der ostalpinen Kupfergewinnung im Zusammenhang stehen. In dem dem Salzkammergut naheliegenden Mitterberger Kupferabbaugebiet konnte die Mondsee-Gruppe unter Tage noch nicht nachgewiesen werden, obwohl die metallurgische Analyse der Flachbeile mit kennzeichnendem Arsengehalt die Verbindung der Stationen mit diesem Bergbaugebiet andeutet. Auf Schmelz- und Gusstätigkeiten hinweisende Funde – Schmelzschalen, Gussform (Abb. 103:17,18), Gusstropfen – sind in den Ufersiedlungen vielfach vorhanden. Die wichtigsten Kupferfunde der Mondsee-Gruppe sind Flachbeile vom Typus Altheim und Vinca, Griffplattendolche, kleine Messerklingen mit konvexer Schneide (Rasiermesser?), Pfrieme mit vierkantigem Querschnitt und kleine Spiralrosetten (Abb. 103:1-6) (Maier 1977, Pittioni 1957; 1966; 1980, I, 1,28-29,33-37; Ottaway 1982).
Schmuck: Neben Kupferschmuck sind zylindrische Perlen, Nachahmungen von Tierkrallen als Anhänger und konische Knöpfe mit V-bohrung, gelegentlich mit eingestochenem Perlenrand aus weißem Kalkstein, zahlreich vorhanden (Abb. 103:10). Scheibenförmige, punktverzierte Knochenknöpfe, in der Mitte zweifach durchlocht (Abb. 103:9), gelten als Anzeichen einer endneolithischen Phase der Mondsee-Gruppe (Strahm 1982c). Anhänger sind auch aus durchbohrten, oblongen, flachen Kieseln (Abb. 103:8), Tierknochen und Tierzähnen (darunter Bärenzähne) gefertigt.
Kunst und Kult: Steinerne Miniaturstreitäxte, Miniaturgefäße, Tierfigürchen aus Ton, Anhänger mit Amulettcharakter (Abb. 103:12,13).
Organische Substanzen wie Mattenreste, Schnüre, Holzschäftungen, verkohltes Getreide, Obst und Tierknochen in den Stationen vielfach erhalten (Hofmann 1927, Wolff 1977b; Offenberger 1981).
Kulturell-chronologische Einordnung: Die im weitesten Sinne zur Trichterbecherkultur zählende, jungneolithische Mondsee-Gruppe ist eng verwandt mit der → Pfyner Kultur, der → Altheimer Kultur und anderen Gruppen des Nordalpinen Kreises nach Driehaus. Pfyn und die Mondsee-Gruppe sind durch die frühe Kupferverwendung und Kupfererzeugung ausgezeichnet. Als Erbauer von Pfahlbausiedlungen (Feuchtbodensiedlungen) gehört die Mondsee-Gruppe zu einem zirkumalpinen Kreis von jungneolithischen Kulturen wie die Pfyner Kultur, der Cortaillod-Chassey-Lagozza-Komplex, die späte Cultura di vasi a bocca quadrata und frühes Laibach. Diese sind nicht nur durch ähnliche Siedlungsgewohnheiten, sondern durch eine allgemeine kulturmorphologische Verwandtschaft miteinander verbunden. Der Ursprung der kennzeichnenden reichen Verzierung der Mondsee-Keramik ist noch unbekannt. Das Ende der Mondsee-Gruppe ist in das Endneolithikum, vor dem Erscheinen der Glockenbecherkultur zu setzen. Unkalibrierte 14C-Daten zwischen 3000 und 2300 b.c. (Breunig 1987, 296). (Vgl. auch E. Ruttkay Kap, B IX.4)