„Steinzeit im Gau Salzburg“

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Die Steinzeit im Gau Salzburg

(in: Salzburger Landeszeitung, Samstag 3. August 1940, S. 10)

  • Nach seinen einleitenden Ausführungen in unserer Beilage vom 29. Juni beginnt der Leiter der Arbeitsgemeinschaft für Vor- und Frühgeschichte im Gauschulungsamt Salzburg, Oberbaurat Dipl.-Ing. Hell, hiermit eine Reihe chronologischer Darstellungen der Vor- und Frühzeit im Gebiet unseres Gaues.

Steinzeit, ein schlichter Begriff und doch läßt er dem Deutschen der Gegenwart den gewaltigen Abstand ermessen, der ihn trennt von dieser ältesten Vorzeit, da der Ahn im Kampf ums Dasein auf den Stein als vorzüglichsten Werkstoff angewiesen war.

Gerade der Hochstand unserer technischen Errungenschaften, die weitgehende Dienstbarmachung der Stoffe und Kräfte der Natur macht das Ausmaß der Mühe und Weite des Weges verständlich, die zwischen Vorzeit und Gegenwart liegen. Wollen wir Werden und Wesen unseres Volkes kennen lernen, so müssen wir diesen Weg erkunden, denn die tiefsten Wurzeln unserer Volkwerdung gehen in die Steinzeit zurück, und der Zusammenhang zwischen Blut und Boden kann erst aus der Kenntnis dieser ältesten Vergangenheit verstanden werden.

Der Beginn der Steinzeit ist es, der mit dem Aufgang der Menschheit überhaupt zusammenfällt. Die Einteilung erfolgt in die Nordische Zeit oder Altsteinzeit und nordische Urzeit, die Mittel- und Jungsteinzeit umfaßt. Die Jungsteinzeit setzt um 3500 vor Zeitr. ein und endet um 1800 vor Zeitr. Um 3000 v. Z. ist der nordische Lebenskreis schon klar zu fassen. Zwei Rassen heben sich bereits heraus. Die nordische Rasse in Mitteldeutschland als Trägerin der schnurkeramischen Kultur und die fälische Rasse in Nordwestdeutschland, Dänemark und Südschweden, der die Kultur der Großsteingräber eigen ist. Aus beiden zusammen erwachsen die Indogermanen, die zur Jungsteinzeit ganz Alteuropa erobern. Aus der Verbindung der Großsteingräberleute und der Schnurkeramiker gehen um 1800 v. Z. im Ostseeraum die Germanen hervor. Im Süden des germanischen Raumes sind zur Jungsteinzeit eine westische und eine ostische Gruppe zu unterscheiden, welch letztere durch die Kultur der Bandkeramik oder Donaukultur vertreten ist, der auch das Hakenkreuz entstammt.

Funde im Reichsgau Salzburg und am Mondsee

Hat auch der Gau Salzburg Anteil an ältester deutscher Vergangenheit gehabt? Salzburg ist ein kleines Gebirgsland und sein Siedlungsboden ist beschränkt auf die Flußtäler. Davon ist aber das Salzburger Becken ein ganz hervorragender Siedlungsraum; von drei Seiten bergumschlossen, ist es nach Norden weit geöffnet dem Zustrom aller Völkerwelten, die aus dieser Richtung kamen. Und aus der Ebene ragen als naturgeschaffene Felsburgen Anhöhen empor, die sicheren Schutz boten. Eine besondere Anziehung bildeten für den Steinzeitmenschen die harten und zähen Gesteine des Gaues, die für die Herstellung von Waffen und Werkzeug vorzüglich geeignet waren, wie Hornblendgestein und Serpentine für Äxte und Hämmer, Hornsteine (Feuerstein) für Dolche, Messer, Pfeilspitzen usw. Nicht zuletzt aber war es das Salz, eine schon damals stark begehrte Würze, die den Menschen zur Seßhaftwerdung im Gau veranlaßte.

Die Altsteinzeit der Alpen (Alpines Paläolithikum), da in der letzten Zwischeneiszeit hoch im Gebirge von der Schweiz bis in die Steiermark Höhlenbärenjäger hausten, läßt sich in Salzburg noch nicht sicher nachweisen. Es besteht jedoch nach Funden in einer Höhle am Schlenken größte Wahrscheinlichkeit für ihr Vorhandensein. Aus der Mittelsteinzeit sind auch noch keine Siedlungen festgestellt, obwohl an drei Orten schon Gerätschaften dieser Zeit zutage getreten sind.

Zur Jungsteinzeit aber, und zwar wohl schon vor 3000 v. Z. tritt der Gau Salzburg voll in das Zeitgeschehen deutscher Vorgeschichte ein. Als im nördlichen Deutschland sich die Großsteingräber wölbten, blühte auch in Salzburg schon eine Bauernkultur, die neben Jagd und Fischerei, Ackerbau und viehzucht betrieb und alle sonstigen Errungenschaften ihrer Zeit sich angeeignet hatte, wie Hausbau, Steinbearbeitung durch Schleifen, Bohren, Sägen, weiters Töpferei, Spinnen, Netzen, Flechten, Weben usw.

Sichere Kunde dieser Zeit bringen uns die Bodenfunde, und zwar sind dies Einzelfunde, zumeist einzelne Waffen und Werkzeuge aus Stein, dann aber die im Boden liegenden Grundrisse der Behausungen mit ihrem erhaltenen Wohnungsinventar an Gerät aller Art, wie Spinnwirtel, Webstuhlgewichte, Reibplatten, Mahlsteine und besonders viel Tongefäßresten.

Die Orte, wo Funde der Jungsteinzeit gemacht wurden, sind in nebenstehender Karte eingetragen, wobei die Wohnstellen durch volle und die Einzelfunde durch leere Dreiecke bezeichnet werden. Wie ein Blick auf der Karte zeigt, drängen sich die Siedlungen im Salzburger Becken zusammen, woselbst der Rainberg in Salzburg die bedeutsamste ist, der mit seiner Oberfläche von 4 Hektar leicht für mehrere hundert Menschen Raum bot, und auch für die folgenden Abschnitte der Vor- und Frühgeschichte die bedeutsamste Ansiedlung, den wirtschaftlichen und politischen Mittelpunkt des Gaues bildet. Im Gebirge ist nur der Götschenberg bei Bischofshofen bewohnt, woselbst Beile und Hämmer aus zähem Tauerngestein in größerem Ausmaß hergestellt wurden. Der Nachweis von Salzgewinnung aus Quellsohle am Dürrnberg macht diesen Ort zur ältesten Saline Deutschlands. Besonders guten Einblick in die Lebensweise der Zeit geben die Pfahlbauten am Mondsee, das im schützenden Seegrund auch alle organischen Reste wie Holz, Textilien, Nahrungsmittel, Dörrobst und sogar Brote sich erhalten haben. Die Siedlungen liegen meist auf Anhöhen, aber auch im Flachland. Die Wohnbauten sind Wohngruben, zeltförmig überdacht, und Rechteckbauten aus Holz, wobei das nordische Rechteckhaus mit Vorraum ebenfalls vertreten ist. Eine Sonderform bilden die Pfahlbauten am Mondsee. Bewohnt ist auch eine Halbhöhle in Elsbethen.

Auch die Einzelfunde schließen sich im Salzburger Becken eng zusammen. Sie stralen aber auch schon in das Gebirge aus. Ja, der Fund eines Steinbeiles am Kreuzkogel bei Böckstein in 2500 Meter Höhe zeigt, daß der Steinzeitmensch auch schon in das Hochgebirge vorgedrungen ist.

Was das Kartenbild zeigen kann, beruht selbstverständlich auf den bisher gemachen Funden, die vielfach dem Zufall zu verdanken sind. Meine zielbewußte Forschung in kommender Zeit wird dieses Bild noch wesentlich erweitern.

Die Bedeutung Salzburgs zur Jungsteinzeit im Rahmen deutscher Vorgeschichte geht schon daraus hervor, daß die ganze Reihe verschiedener Kulturgruppen, die der süddeutsche Raum aufzuweisen hat, auch im Gau Salzburg nachweisbar ist. Von diesen seien nur die beiden letzten, die Altheimer Kultur und die Mondsee-Kultur genannt, in denen schon erstmals Kupfer auftritt, dessen Erstentdeckung wahrscheinlich vom Götschenberg bei Bischofshofen ausgegangen ist, in dessen Felsen Kupferkiesgänge anstehen. Was diese beiden Kulturen uns besonders wichtig macht, ist der Umstand, daß sie in den Formen der Waffen und Werkzeuge sowie in der Verzierung der Tongefäße starke nordische Einflüsse zeigen, die auch auf blutsmäßige Zusammenhänge schließen lassen.

So erweist sich auch unser Gau als fruchtbarer Nährboden ältesten deutschen Ahnenlebens, und tief wurzelt deutsche Vergangenheit in der heimischen Scholle. Künftige Forschung wird ein großes Arbeitsfeld darin finden, die unendliche Vielfalt des Zusammenhanges zwischen Blut und Boden auch hier mehr und mehr aufzuzeigen und unserer Erkenntnis näherzubringen.

Martin Hell