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Die Beziehungen des Nordalpinen Raumes und des Karpatenbeckens in der frühen Kupferzeit

von Barbara Ottaway und Christian Strahm

S. 125: Ausgehend von Metalltypen von Schweizer Kupferbeilen glauben Ottaway und Strahm chronologische und kulturelle Verknüpfungen von Südwestdeutschland und der Schweiz nach Südosteuropa aufzeigen zu können. In erster Linie handelt es sich um eine Weitergabe der Technologie.

S. 128-131: Aus typologischen Cluster-Analysen fanden sie drei Arten von Schweizer Flachbeilen: die Typen Thaygen (Ost- und Zentralschweiz), Bevaix und Robenhausen (Ostschweiz); zusätzlich fanden sie noch die zwei Typen der Messer und die einfachen Spiralen.

S. 132 u., 133: es gibt einige Robenhausener Flachbeile in Mondsee und eines aus Altheim und eines aus Judenburg. Zur Schweiz vergleichbare Messer gibt es zwei aus Seewalchen und eines aus Asparn bei Wien, der Slowakei (Laznanykultur) und Ungarns; diese haben Verbindungen in das Karpatenbecken und bis in die die Ukraine. Ob sich dahinter verschiedene Kulturströmungen, die sich im Voralpenraum treffen, verbergen, ist nicht zu entscheiden.

Die Verbindungen, die durch die einfachen Spiralen bezeugt werden, weisen in das gleiche Gebiet. Die nächsten Entsprechungen finden wir wieder im reichen Mondseematerial, wo sowohl von den Stationen See und Seewalchen mehrere Spiralen vorliegen. Weitere Spiralen gibt es in Wien und deutlich weiter östlich (Balaton II-Kultur).

Zusammenfassend stellen sie fest, dass durch die Robenhausener Beile, die Messer und Spiralen Beziehungen zwischen der Ostschweiz, dem Ostalpenraum, der Slowakei und dem Karpatenbecken aufgezeigt werden.

Chronologisch sind die Thayngener Beile, Robenhausener Beile und einfache Spiralen eindeutig der Pfyner Kultur zuzuordnen, während die einfachen Messer zumindest in einen gleichen Zeitraum datiert werden. Die Vergleichsfunde dieser Typen lagen einmal in Altheim in der Altheimer Kultur, zum anderen in Mondsee und Seewalchen, wo wir alle Typen zusammen wiederfinden. Es zeigt sich, dass die Mondsee-Kultur in Bezug auf die Metallurgie eine der Pfyner Kultur sehr ähnliche Erscheinung ist, eine Feststellung, die einmal genauer untersucht werden müsste.

Wir können damit von dem allerdings auch durch andere Vergleiche gestützten Ergebnis ausgehen, dass Phyn-, Altheim- und Mondsee-Kultur zu einem bestimmten Zeitpunkt nebeneinander bestanden haben. Dass jedoch in der Mondsee-Kultur auch noch andere Zeitstufen enthalten sind, legt das sehr inhomogene Material nahe, so dass wir hier nur von einer Gleichzeitigkeit der verwandten, hier diskutierten Erscheinungen sprechen möchten.

S. 134: Durch die verschiedenen hier diskutierten Beziehungen können wir nun folgende Kulturen in ungefähr den gleichen Zeitraum stellen:

Cortaillod-Pfyn–Altheim–Mondsee (nur teilweise)–Ludanice–Laznany–Balaton II–-Bodrogkeresztür–Tripolje C.

Es stellt dies einen sehr weit gefassten aber gut umrissenen Horizont dar, dessen einzelne Gleichsetzungen schon öfters, auch durch andere Funde, angedeutet worden sind, der aber hier erstmals in diesem weiten Zusammenhang bis nach Westeuropa auf direktem Wege herausgearbeitet werden konnte. Selbstverständlich ist es aber nicht so, dass diese Verbindungen eine genaue Parallelisierung der erwähnten Kulturen erlauben würden, sondern dass sie nur in einen breiten chronologischen – nicht genetischen – Horizont gehören, der im Einzelnen aber gewisse Verschiebungen enthalten kann.

- Es gibt aber keinerlei Einfluss der Badener Kultur auf diese Kulturen.

- Die Badener Kultur ist jünger als Balaton oder Bodrogkeresztür.

- Auch die Cortaillod-Kultur ist jünger als Saone-Rhone-Kultur

Die Gleichzeitigkeit der erwähnten Gruppen wird auch durch deren Radiokarbondaten unterstützt. Es zeigt sich, dass sich die Medianwerte der drei Kulturgruppen Pfyn, Cortaillod und Mondsee zu einem erheblichen Teil überschneiden, d. h. deren teilweise Gleichzeitigkeit somit bewiesen ist. Für die Altheim Kultur ist nur ein Radiokarbondatum vorhanden: die Altheimer 14C-Bestimmung mit 3290 +/- 40 v. Chr. fällt nur in den äußeren Rand der Pfyner Kultur.

Die Metallanalysen (S. 136)

Zur neolithischen Mondsee-Kultur wurden nur diejenigen Objekte gerechnet, welche typologisch im Altheim-, Cortaillod- oder Phyn-Horizont vertreten sind.

Kupferart Ia enthält durchschnittlich 0,4 % Arsen; beinhaltet Flachbeile aus Altheim, Mondsee, Seewalchen und Bodensee und Spirale und Pfriem aus Mondsee (= früheste Kupferart in der Schweiz, Süddeutschland und Österreich; nicht am Neuenburger See)

Kupferart II (Pfyner Horizont); Thayngen, Messer (auch Rainberg und Salzachtal); hoher Eisengehalt; viele Gusstiegel in der Ostschweiz

Kupferart III hat noch mehr Arsen als in Art Ia – wurde in verschiedenen Menge dem Kupfer Ia zugesetzt; Cortaillod-Kultur, Mondsee-Kultur (11 Flachbeile, Dolche und Messer), Altheimer Kultur (Anhänger, Stück Kupfer); Horgener und Lüscherzer Kultur; auch in Baden-Ossarn-Gruppe (Dolch aus Asparn)

Kupfer-Art II und II´: Mehrere gleiche Funde in der Schweiz, aber nur zwei in Österreich entlang Salzach und an Traunmündung: entweder Mondsee-Siedlungen zu dieser Zeit vorübergehend nicht bewohnt oder die Träger der westlichen spätneolithischen Kulturen kamen selbst zum Abbau des Kupfers in das Alpengebiet an der Salzach.

Zusammenfassend konnten wir mit Hilfe der Cluster Analyse drei der frühesten Kupferarten im nordalpinen Gebiet aus den Metallanalysen herausschälen; dies sind die Kupferarten Ia, II/II´ und III und wurden höchst wahrscheinlich von einem metallurgisch fortgeschrittenen Zentrum, welches schon mit der Arsenlegierung vertraut war, importiert.

Die Kupferart II/II´stellt mit ziemlicher Sicherheit eine lokale Ausbeutung in dem Salzafch Gebiet dar. Dadurch, dass Gusskuchen dieses Kupfers nicht nur in der Salzach Gegend, sondern auch in der Schweiz gefunden wurden, konnte darauf geschlossen werden, dass nicht die fertigen Objekte, sondern auch Gusskuchen transportiert und in der Pfyner Kultur verarbeitet wurden. Diese Kupfer II und II´ sind dem ostalpinen Kupfer Pittioni´s – nach dessen eigenen quantitativen Analysen gleich.

Zu einer späteren d. h. der Auvernier- und schnurkeramischen Phase, wurde ein zweites Abbaugebiet, in ähnlicher Gegend wie das erste, aber durch unterschiedliche Spurenelemente erkennbar, benutzt. Wiederum wurde dieses Kupfer, diesmal sogar fast ausschließlich, in der Schweiz verwendet, wobei nicht ausgeschlossen werden muss, dass die Verbraucher in der Schweiz selbst zu den Kupfergewinnungszentren gingen.

Es bestehen also zweifach indirekte Beweise, dass das Kupfererz in dem erzführenden Gebirge entlang der Salzach in Österreich gewonnen wurde, d. h. in einer Gegend, wo wir für den Beginn der Bronzezeit direkten Beweis (vom Mitterberg) für den Kupferbergbau haben. Pittoni hatte schon einmal vorgeschlagen, dass dieser Bergbau vor der Bronzezeit begonnen hätte, gab jedoch diese These 1964 wieder auf. Wir können nun – auf dem Umweg über die Analysen der Metallfunde selbst – mit einiger Sicherheit feststellen, dass der Abbau der Kupfererze schon im Neolithikum und zwar einmal zur Zeit des Pfyn-Cortaillod-Altheim-Mondsee-Horizonts und sodann während des Auvernier-Schnurkeramischen Horizontes stattgefunden hat.

Die Verbindungen, die auf rein typologischer Basis zwischen Ostschweiz und Karpatenraum aufgezeigt wurden, konnten also durch Heranziehen der Metallanalysen in zwei Fällen nur bis in den österreichischen Raum unterstützt werden. Es ist möglich, dass zwei weitere Kupferarten (die beiden arsenhaltigen, frühen Kupfer) über Südosteuropa in die nordalpine Gegend kamen, aber dies kann momentan noch nicht durch die hier angewandten Methoden bewiesen werden.

Schluss (S. 139)

Aus den bisherigen Ausführungen ergeben sich zwei Erkenntnisse von überregionaler Bedeutung. Die erste ist chronologischer, die zweite kultureller Art. Durch die verschiedenen, hier erläuterten Beziehungen lassen sich die westeuropäischen Kulturen der frühen Kupferzeit ins chronologische Gerüst Südosteuropas einbinden. Zwar kann man dies auch umgekehrt formulieren: Denn speziell die schweizerischen Ufersiedlungen mit den klaren und gut auswertbaren Stratigraphien haben es erlaubt, ein eindeutiges Bild der neolithischen Kulturabfolge zu entwerfen, wogegen die komplizierten Schichtverhältnisse Südosteuropas schwieriger auszuwerten sind. Demzufolge besitzen wir hier einen festen Rahmen, in den man die kupferzeitlichen Kontaktgebiete einfügen könnte.

Es wurde gezeigt, dass die Pfyner Kultur, die bekanntlich nicht nur durch mannigfaltige Importfunde, sondern auch dendrochronologisch mit der Cortaillod-Kultur eng verflochten ist (und diese lässt sich wieder mit den Chasséen-Kulturen in Frankreich zusammenzubringen, so dass der Anschluss an Westeuropa gesichert ist) wegen der Kupferfunde und dem keramischen Formenschatz mit der Altheimer Kultur und der Mondsee-Kultur stark verknüpft ist. Diese Beziehungen ließen sich dann weiterverfolgen zu den früh- und mittelkupferzeitlichen Kulturen des gesamten Karpatenbeckens, die dem spätkupferzeitlichen Badener Komplex vorangehen. Dieser ist seinerseits über verschiedene, allerdings nicht immer ganz sichere Fäden an die historische Datierung des ägäischen Raumes und schließlich an Mesopotamien und Ägypten anzuschließen. Verfolgt man diesen Weg, der zwar von verschiedenen Autoren jeweils anders interpretiert wird, so kommt man damit etwa ins Ägypten der I. Dynastie, das nach Hayes auf ungefähr 3100 bis 2900 v. Chr. angesetzt wird. Es würde dies heißen, dass wir den hier herausgestellten Horizont vor 3000 ansetzen müssten. Es mag dies mancher herkömmlichen Anschauung widersprechen, stimmt jedoch mit den kalibrierten 14C-Daten einigermaßen überein. Festzuhalten gilt es jedenfalls, dass es damit gelungen ist, einen weiteren chronologischen Faden von Südosteuropa bis nach Westeuropa zu knüpfen.

Wichtiger als diese chronologischen Schlüsse aus unseren Beobachtungen scheint uns eine kulturelle Konsequenz daraus zu sein. Durch zahlreiche alte und neue Funde wissen wir, dass in der Pfyner Kultur eine rege Kupferverarbeitung stattgefunden hat. Wir kennen die verschiedenen Formen, wir kennen aber auch mehrere Gusstiegel. Da wir nachweisen konnten, dass die Kupfergeräte typologisch eng mit solchen aus dem Karpatenraum zusammenhängen, müssen wir auch annehmen, dass damit ein intensiver Metallhandel nahegelegt wird. Ob allerdings nur das Wissen um die Technik der Herstellung weitergegeben wurde, und man damit von einem frühen Kupferabbau in der Ostschweiz ausgehen kann, oder ob man auch den Rohstoff in Form von Gusskuchen – wofür wir einige Hinweise haben – verhandelt hat, können nur weitere, umfangreiche Analysen ergeben. Jedenfalls scheint es bisher auch keine Anhaltspunkte zu geben für eine selbständige Kupferindustrie in Transdanubien selbst. Lediglich in der Slowakei könnte sich eine solche entwickelt haben. Nicht zu vergessen sind aber die zahlreichen Verbindungen der Pfyner Kultur in den Ostalpenraum, wo wir im Bereich der Mondsee-Kultur nicht nur die meisten formalen Analogien zu unseren frühen Kupfertypen gefunden haben, sondern auch gleiche Kupfersorten, vornehmlich das Arsenkupfer und auch Gusskuchen nachweisen konnten. Es ist dieser Tatsache in der weiteren Forschung vermehrt Aufmerksamkeit zu schenken, denn es kann sich durchaus zeigen, dass wir auch in diesem Gebiet eines Tages ein unabhängiges Kupferzentrum, das nach Westen und Osten seine Produkte verhandelt hat, nachweisen können [69].

Nach der Einheitlichkeit der Objekte der Frühkupferzeit müssen wir jedenfalls damit rechnen, dass diese frühe Kupfergewinnung ursprünglich von einem einzigen Zentrum ausging. Erst in späterer Zeit, als wir recht unterschiedliche Kupfersorten in den Funden erkennen können, versuchte man offenbar auch andere Vorkommen zu erschließen, die jedoch weniger ergiebig waren, da diese Kupfersorten bald wieder verschwinden.

[69] Dies hat schon R. Pittioni: Arch. Austr. Beiheft 1 (1957) 56 angedeutet.