Erstberichts zur Ausgrabung von Altheim 1915

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Altheim (Niederbayern). → Befestigte jungneolithische Siedelung.

Im Hintergrunde der lößbedeckten fluvioglazialen Hochterrasse, die den linken Rand des Isartal-Einschnittes bei Landshut begleitet, zeigten sich im Herbst 1911, wie uns der leider zu früh verstorbene Konservator des Landshuter Museums, Hauptlehrer J. Pollinger, meldete, unweit der Bahnstation Mirskofen neben der Unterführung des Holzener Sträßchens auf einem Felde des Ökonomierates Münsterer von Altheim (Bz.-A Landshut, Niederbayern) beim Tieferpflügen mehrere einigermaßen parallele schwarze Streifen. Die Bedeutung dieser Streifen war von vornherein klar, der tieferreichende Pflug hatte hier schwarz eingefüllte Gräben einer vorgeschichtlichen Befestigung angeschürft. Da Pollinger schon vor Jahren zu beiden Seiten des angrenzenden, in vorgeschichtlicher (insbesondere bandkeramischer) Zeit stark besiedelten Holzener Tälchens lange schwarze Streifen aufgefallen waren, sprachen wir zunächst alle diese Spuren als Reste einer einzigen großartigen neolithischen Festungsanlage (von mehr als 700 m) Durchmesser an. Probeschürfungen, die Pollinger und wir im Frühjahr 1912 und 1913 vornahmen, bestätigten die Grabennatur der schwarzen Streifen. Die durch das Entgegenkommen des Grundbesitzers im Frühjahr und Sommer 1914 dem Generalkonservatorium ermöglichten umfangreichen Ausgrabungen lehrten jedoch, daß diese Gräben auf dem Münstererfelde nur eine ganz kleine Siedelung, offenbar einen Einzelhof, umschließen. Allerdings konnte der Nordwestteil der Anlage, der auf einen benachbarten Acker übergreift, bisher nicht untersucht werden.

Ein dreifaches Grabensystem umgibt die Siedelung. Die bis 2,5 m breiten, gegen 1,5 m in den Löß eingetieften, vor der Zerstörung der Anlage jedoch schon etwas zugeflößten Sohlgräben folgen in Abständen von 7—10 m. Der innere Ringgraben umschließt eine Fläche von kaum 42 m NO—SW-Durchmesser (die Länge der NW—SO-Axe kann vorerst nicht angegeben werden). Den Eingang zur Siedelung fanden wir auf der Südostseite. Über den äußeren wie den mittleren Ringgraben führen in etwa 25 m Abstand je zwei (im Graben ausgesparte) Erdbrücken mäßiger Breite. Ihnen entspricht bei dem hier stark und mit dem Südschenkel sogar in gebrochener Linie einspringenden inneren Ringgraben nur eine und zwar etwas breitere Torlücke, die ungefähr in der Mitte zwischen den beiden äußeren Durchlässen liegt. Zweifellos war der Aushub der Gräben einst als Wall unmittelbar hinter den Einschnitten aufgeschichtet. Beim Innenring trat dazu noch eine Mauer aus Lehm und Holz (Gräbchen, große und kleine Pfostenlöcher; Lehmbrandeinfüllung im Graben). Übrigens hat die Pflugkultur seit Jahrhunderten an dieser Stelle das ursprüngliche Niveau stark zerarbeitet und beträchtliche Erdmassen vom Südwestrande abgeschürft, um sie am Nordostrande bis Meterhôhe aufzutragen. Das ist wohl auch die Ursache, weshalb sich das Innere der Befestigungsanlage als auffallend fundarm erwies. Hier konnten wir bisher nur zwei bescheidene Wohngruben feststellen, deren eine (mit Keramik der âlteren süddeutschen Hügelgrâberbronzezeit), weil wesentlich jünger, übrigens nicht zur befestigten Siedelung gehôrt.

Desto ergiebiger an Funden waren die Ringgräben, insbesondere der innere, und bei den anderen die Partien neben den Toren. Um die kleine Befestigung hat, bevor sie zerstört wurde, ein heftiger Kampf getobt. Überaus zahlreiche Feuersteinpfeilspitzen mit zumeist abgebrochener Spitze, Nester faustgroßer Schleudersteinen (Gerölle), in der Regel in wirrem Durcheinander liegende Menschenknochen, wohl von nachträglich durch wilde Tiere verzogenen Leichen der Gefallenen, die Brandeinfüllung des inneren Grabens, all das sind stumme Zeugen dieses Dramas einer grauen Vorzeit. Die Unmengen von Tongeschirr im inneren wie mittleren Graben dürften auch wohl andeuten, daß bei diesem Kampfe selbst Tongefäße auf den anstürmenden Feind geworfen wurden. Daneben fand man noch in einiger Fülle allerhand Stein-, Silex-, Ton-, Knochen- und Hirschhorngerät, insbesondere im innern Graben.

Das Fundmaterial dieser befestigten Siedelung ist durchaus einheitlich, es hat ausgesprochen neolithisches Gepräge. Die Knaufhämmer aus Stein deuten auf jungneolithische Zeiten, ebenso die dreieckigen Pfeilspitzen, ein flaches Kupferbeilchen (ohne Randleisten), Pfriemen und ein Plâttchen mit aufgerolltem Ende aus Kupfer oder zinnarmer Bronze. Die (beispielsweise im Kreise der Bandkeramik ganz fehlenden) dreieckigen Steinbeile von ovalem Querschnitt erscheinen hier, was für die noch wenig klare Zeitstellung dieser Typen wichtig ist. Das Knochen- und Horngerät der Siedelung mahnt jedoch an alte Zeiten.

Größte Beachtung verdient die langsam aus den Scherben wiedererstehende Keramik der Altheimer Siedelung (bis Mitte Februar 1915 waren bereits 120 Gefäße ergänzt). Geritzte und Stich-Verzierung fehlt bei diesem Hausgeschirr so gut wie ganz, reichlich finden sich jedoch Zapfen, Buckel, Schnurösen und Tupfenleistenränder, vereinzelt auch andere plastische Elemente. In fast allen Einzelheiten verrät sich die Tonware als durchaus neolithisch; aber trotz aller Anklänge an alt- wie jungneolithische Typen will bei diesen Henkelkrügen, Tassen, Bechern, Flaschen, Schüsseln und Näpfen, Amphoren (ähnlich den schnurkeramischen) und großen Vorratsgefäßen nichts mit irgend einer unserer geläufigen neolithischen Gattungen vollkommen übereinstimmen. Vielmehr handelt es sich bei dem Altheimer Material um eine neue, selbstândige, unmittelbar der eigentlichen frühen Bronzezeit (der triangulären Dolche, frühen Randleistenbeile usw.) vorangehende spätneolithische Gruppe, die in Südostbayern bereits eine gewisse Verbreitung hat, wie wir jetzt wissen. Denn Proben analoger Keramik fanden sich in Wohngruben auch in der Umgebung von Straubing, Plattling und Landau a. Isar (Niederbayern); ebenso dürfte die große Siedelung auf dem Auhögl bei Hammerau a. Saalach (Ob.-Bayern) mit ihren entsprechenden Pfeilspitzen, Mondsichelmessern, Knaufhämmern und Geschirr mit Fingertupfenrändern sich hier anschließen.

Zu dem Münchshôfer Typus, der dem bandkeramischen Kreis nahesteht, gesellt sich in Südostbayern nun eine zweite, neue Sondergruppe des süddeutschen Neolithicums. Soweit wir im Augenblick sehen, findet der Altheimer Typus in allerhand Einzelheiten Parallelen in Nord- und Mitteldeutschland, Böhmen und Osteuropa, die möglicherweise einen zeitlichen Zusammenhang bekunden. Aber vorerst versagt hierbei ein wesentlicher Bestandteil gänzlich, nämlich die Ornamentik; und so kommen wir vorläufig nicht über recht lockere Beziehungen hinaus. Für Süddeutschland gibt der Altheimer Fund jedoch einen Abriss einer neuen, irgendwo am Ende unseres Neolithicums stehenden Kultur in satten Farben.

Unmittelbar südlich vom Befestigungswerk stießen wir übrigens auf eine frühlatènezeitliche Wohngrube. Auf dem Acker wurden zudem noch ein Frühhallstatt-Brandgrab und Spâtlatènescherben, in einem anstoßenden Hopfenfelde ein römisches Tegulastück gefunden, außer der schon oben erwähnten älterbronzeitlichen Wohngrube alles Zeugnisse jüngerer Siedelung am unteren Ende des Holzener Tâlchens.

P. Reinecke (München)