„Mondseeleuten“

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Die „Mondseeleute“ im Gau Salzburg.

  • In unserer Ausgabe Nr. 181 über die Jungsteinzeit im Gau Salzburg wurde an Hand einer Fundkarte dargelegt, daß bis 2000 v. Z. in unserem Gau mehrere Kulturgruppen nachweisbar sind, unter ihnen als nordisch betont die beiden zuletzt und gleichzeitig bestehenden Gruppen der Altheimer- und der Mondsee-Kultur. Im folgenden wird die letztgenannte Kultur des näheren gewürdigt.

Am Mondsee hat Matthäus Much, der Altmeister ostmärkischer Vorzeitforschung, vom Jahre 1872 an Forschungen angestellt und hierbei ein Pfahlbaudorf in der Ortschaft See und weitere Pfahlbauten bei Scharfling festgestellt. Damals konnten die Pfahlbauten von See eingehend erforscht und viel Material geborgen werden.

Der Pfahlbau in See liegt beim Ausfluss des Mondsees, gegenüber Oberburgau, auf der linken Seite des Seeausflusses, und zwar zwischen der Segnerbrücke und dem dortigen Gasthaus. Das Pfahlbaudorf hatte eine Länge von 100 Metern und 40 Meter Breite. Heute noch, nach mehr als 4000 Jahren, sieht man vom Boot aus, über die Stelle fahrend, in 3 bis 4 Meter Wassertiefe die Reste von über 5000 Pfählen aus dem Seegrund ragen. Die Pfähle ragten damals über den Seespiegel empor und trugen auf Holzrosten die ebenfalls aus Holz bestehenden Häuser.

Haus und Herd sind versunken und jegliche Kunde einstigen Lebens ist verklungen, jedoch am Grunde des Sees liegt zwischen den Pfahlresten noch heute die Hinterlassenschaft der alten Seebewohner. Da fanden sich denn massenhaft Reste von Tongeschirren mit eigenartigen Verzierungen, Beile und Hämmer, Speer- und Pfeilspitzen, Messer, alles aus Stein, sowie Gerät aus Holz, Knochen und Hirschhorn. Schmuck ist durch Steinperlen und durchbohrte Tierzähne vertreten. Nicht selten sind kleine Tonfigürchen, Schwein, Rind und Hund darstellend. Vereinzelt findet sich schon Kupfer in Gestalt von Beilen, Dolchen, Angelhaken und Pfriemen. Zahlreich sind die vegetabilen Reste. Gusslöffel und Schmelztiegel sprechen für erste Verarbeitung von Kupfer.

Mit diesen Funden kam eine bis dahin unbekannte Kultur der Vorzeit wieder ans Licht, die den Namen Mondseekultur erhielt. Weitere Forschung wies ihre Verbreitung auch am Attersee nach, wo schon zwölf Pfahlbaustationen bekannt sind. Zur Reichhaltigkeit dieser Fundschichten des Seebodens sei angeführt, dass ein Fischer am Nordende des Attersees im Laufe einiger Jahre bei seinen Fischzügen vom Seegrund 700 Steinbeile, 60 Steinhämmer, 70 Feuersteinklingen, 50 Feuersteinpfeilspitzen, 450 Klopfsteine und 100 Tongefäße (Sammlung Max Schmidt, Budapest) heraufholte.

Und nicht nur am Spiegel des Mond- und Attersees entfaltete sich diese Kultur, sie wurde auch in Landsiedlungen angetroffen, und zwar in Oberdonau, insbesondere aber auch im Gau Salzburg. Hier sind es die Höhensiedlungen, am Rainberg, Grillberg in Elsbethen, Auhögel bei Hammerau und Götschenberg bei Bischofshofen, wo die Mondseekultur sich entfaltet hat. Der Götschenberg ist dabei besonders wichtig, da das Kupfer der Pfahlbauten höchstwahrscheinlich aus dessen Umgebung (Mitterberg) stammt. Bezeichnend für die Mondseekultur ist ihr starker nordischer Einschlag in der Form ihrer schön geschwungenen Knaufhämmer, den sichelförmigen Feuersteinmessern und der eigenartigen Gefäßverzierung in Tiefstichtechnik, wobei die vertieften Muster mit Kalk weiß inkrustiert wurden.

Diese „Mondseeleute“ betrieben neben Jagd und Fischerei (Angel, Netz) aber schon Ackerbau und Viehzucht. Sie waren also nicht nur Jäger, sondern schon richtige Bauern. Und in deren Lebensweise und Tätigkeit geben die Funde aus organischen Stoffen weiteren Einblick.

Es fanden sich schon einige Getreidearten, wie Hordeum hexastichum, die „heilige Gerste“ des Altertums, eine andere Art Hordeum polystichon, dann in großer Menge der Emmer sowie Weizen. Vom Getreide fand auch das Stroh Verwendung. Angebaut wurde auch schon die Erbse. Von Obstarten sind viel Holzäpfel nachzuweisen, wozu aber auch noch eine größere Form, also schon eine Kultursorte kommt. Wie die zahlreichen durchlochten Apfelspalten dartun, wurden die Äpfel schon als Dörrobst verwendet. An Früchten und Samen nachzuweisen sind ferner Haselnuss, Eibe, Stieleiche, Esche, Faulbaum, großblättrige Linde, wilde Rose, Hartriegel, Fichte und Zwergkiefer. Von Pilzen fanden sich der Feuerschwamm, sowie Bevis-Arten. Besonders interessant ist der Nachweis kleiner Brote, und zwar zweier Brotsorten. Das eine ist ein grobes Gebäck aus geschrotetem Weizen, die andere Sorte ein feineres, vergärtes Hirsebrot, von dem ein ganzes Stück eine runde Form mit 7,5 Zentimeter Durchmesser und 3 Zentimeter Höhe aufweist.

Zur Herstellung von Seilen, Schnüren, Fischnetzen und Matten wurde Lindenbast verwendet. Als Schwimmer für Fischnetze dienten Rindenscheiben von der Rotbuche. Von Hölzern, die sich in bearbeiteten Stücken fanden, wurden nachstehende Gattungen nachgewiesen, wobei die angeführte Ziffer die Zahl der Fundstücke angibt: Eibe 26, Tanne 2, Föhre 1, Rotbuche 58, Birne 7, Grauerle 8, Apfel 4, Feldahorn 8, Salweide 2, Feldulme 1, Esche 3, Buchs 1. Einer besonderen Beliebtheit erfreute sich die Eibe; man fand aus ihrem Holze Dolche, Pfriemen, sowie einen Bogen, es wurde also Eibenholz zu harten und elastischen Geräten verarbeitet. Rotbuche wurde gerne zu Axtstielen, als Bau- und Brennholz verwendet. Birnholz diente zum Schnitzen kleiner Gegenstände. Aus Feldahorn sind Löffel gefertigt. Für die Pfähle sowie den Hausbau wurde Nadelholz, aber auch Laubholz verwendet. Von Tieren wurden nachgewiesen: Rind, Schaf, Ziege, Schwein, Bär, Hund, Biber, Hirsch, Reh, Gemse und Steinbock.

Mit überraschender Deutlichkeit ist aus all dem zu erkennen, in wie weitgehendem Maße die steinzeitlichen Pfahlbauer schon das Tier- und Pflanzenreich ihrer Umwelt sich dienstbar zu machen und mit welcher Geschicklichkeit sie die Natur zu meistern verstanden. Diese Funde sprechen von einer schon ansehnlichen Kultur, der wir achtungsvolles Staunen und Bewunderung ihrer Leistung nicht versagen können. Dass neben Jagd und Fischerei auch bereits Haustierzucht und Ackerbau betrieben wurden, beweist aber die Tatsache, dass in dieser ersten Bearbeitung unserer Scholle durch den Steinzeitmenschen vor gut viertausend Jahren die Arbeit des heutigen Bauern zutiefst verwurzelt ist.

Ing. Martin Hell