Endes der Donauländischen Welt
Ruttkay 1991, Elisabeth: Das Ende der Donauländischen Welt und Südosteuropa.
Mitt. Anthr. Ges. Wien 121, 1991:159–181.
[Es gibt nur 1 14C-Datum der Epilengyelzeit, der Siedlungsgrube Pitten/Wr.Neustadt Gr.N-14015: 5240±70 = 3290 bc = 4030 kalBC.]
Ruttkay diskutiert hier die Endphase der Donauländischen Welt des östlichen Alpenvorlandes als einen Modellfall für Mobilität, die sich gegenüber der vorangehenden Etappe (Epi-Lengyelzeit) durch fortschrittlichere Keramikformen (Henkeltasse) und fortschrittlichere technologische Kenntnisse (Kupfergießen) auszeichnet. Diese Fortschritte sind nicht auf Wanderungen oder Übersiedlung einzelner Menschengruppen aus einem kulturhistorisch höherstehenden Gebiet zurückzuführen. Im Gegenteil ist von einer kontinuierlichen autochthonen Entwicklung auszugehen. Die Mobilität der hier untersuchten Zeitspanne ist aber trotzdem eine reale Gegebenheit, deren Ursache in der Kupferversorgung Mitteleuropas zu suchen Ruttkay möglich erscheint.
Die Epi-Lengyel-Zeit ist die erste Phase dieser Aktivität des Südostens, die auch in der Folgezeit, in den Epi-Salcuta-Epochen weiter aufrechterhalten blieb. Ruttkay betrachtet dies als die Endphase der Donauländischen Welt und als deren Hochblüte schlechthin, mit der ausgedehntesten Ökumene und beachtenswertem Kupfer- und Goldschmuck.
Dem Salcuta-Bubanj-Krivodol-Komplex gehören drei miteinander eng verwandte Kulturen an. Die Salcuta-Kultur in Siebenbürgen, Banat und Oltenien; die Bubanj-Kultur in Ostserbien, Kosovo, Albanien und Pelagonien; die Krivodol-Kultur in Nordwest-Bulgarien.
Von diesem Gesamtkomplex („Salcuta-Komplex“) sind bedeutsame Impulse auf die Epi-Lengyel-Kultur (Böhmen, Mähren, Südwest-Slowakei, Transdanubien, Alpenostrand in Steiermark, Kärnten, Slowenien und Kroatien) wahrnehmbar.
S. 166/9: Es erscheinen in der Epilengyel-Zeit des östlichen Alpenvorlandes Typologien, die sich aus der einheimischen Entwicklung nicht ableiten lassen. Die deutlichsten Typen, die aus der Fremde kamen, sind die zweihenkelige Tasse (Abb. 2,2; Abb. 7,1–3) und der Becher mit asymmetrischen Henkeln (Abb. 2,3; Abb. 7,4). Dazu kommen als „Fremdlinge“ – unter anderem – eine lineare Verzierung der Schüsselränder (Abb. 4,1), sowie umlaufende Halsverzierung (Abb. 7,1,4,7), Flechtmuster (Abb. 4.1; Abb. 7,7) schräge, alternierend angebrachte Linienbündel (Abb. 7,1).
Auch das Glutgefäß (Abb. 6,6) kann wegen seines häufigen Auftretens im Fundgut als Zeichen auswärtiger Impulse gelten.
S. 169: Da nicht ausschließlich die zweihenkelige Tasse, sondern auch der seltene Becher mit asymmetrischem Henkel zu den Neuerungen des epilengyelzeitlichen östlichen Alpenvorlandes gehört (Abb. 2,3; Abb. 7,4) und der in Siedlungen des Salcuta-Komplexes nachgewiesen ist (Djakovo, Telis) (Georgiev 1981, 17a; Cochadziev 1984, Abb. 18,7; Gergov 1987, Abb. 5,5; Kalicz-Schreiber 1991, Taf. 14,1–2), bestimmt dies in großen Zügen die Richtung, wo man das Ursprungsgebiet der zweihenkeligen Tasse suchen sollte. Die zweihenkeligen Tassen des östlichen Alpenvorlandes haben ihre besten Entsprechungen in den zweihenkeligen Tassen der graphitbemalten Keramik.
Auch mehrere Miniaturgefäße des Burgenlades, Kroatiens und zwei aus Bulgarien zeigen auch diese Zusammenhänge an. Es sind ähnliche Miniaturgefäße aus NW-Bulgarien und Bubanj in Serbien bekannt. Der Salcuta-Komplex besitzt mehrere Parallelen zu den verzierten Doppelhenkeltassen der Epilengyelzeit des östlichen Alpenvorlandes Sie stecken ein Gebiet östlich und westlich des Westbalkans und an der unteren Donau aus, das als Ausgangspunkt der verzierten Becher der Bodrogkeresztur-Kultur und der Epilengyelzeit anzusprechen ist. Rechnet man das wiederholte Auftreten des Glutgefäßes in der Epilenhyelzeit (Abb. 6.6), das in gleicher Form auch im äneolithischen Nordbalkan in Salcuta, in Krivodol u.a.m. vorkommt, dazu, wird die oben angedeutete Richtung bekräftigt. Die Verwendung der Graphitierung im ausgehenden Lengyel und besonders in der Epilengyelzeit dürfte, wie auch die lineare Verzierung der Schüsselränder, ebenfalls von der graphitbemalten Keramik abzuleiten sein.
Zusammenfassend: die auswärtigen Beziehungen der Bisamberg-Oberpullendorf-Gruppe, die anhand der oben angeführten keramischen Qualitäten wahrgenommen wurden, reichen nicht aus, um eine Einwanderung von Volksgruppen aus dem vermeintlichen Ursprungsland, aus dem Bereich der graphitbemalten Keramik, nachweisen zu können. Dazu fehlen Geschirrserien (Typenfronten), die im Untersuchungsgebiet gleichermaßen vorhanden sein müssten wie im Ursprungsland. Im Gegenteil erwies sich die einheimische Kulturgruppe – die Lengyel-Kultur – als ausschlaggebendes Element in der Gestaltung der Hinterlassenschaften der untersuchten Zeit. Diese Erfahrung wurde auch in Böhmen, dem besterforschten Gebiet für diese Problematik, gemacht, wo die unbemalten Lengyel-Stufe (Stresovice) als Grundlage einer vornehmlich autochthonen Entwicklung zur Jordansmühl-Gruppe angesprochen wird.
Da das Verbreitungsgebiet des Salcuta-Komplexes sich nicht in der unmittelbaren Nachbarschaft des östlichen Alpenvorlandes befindet, können die Neuerungen aus der späten graphitbemalten Keramik nicht als Ergebnisse eines Durchsickerns aufgefasst werden. Es bleibt daher nur die Möglichkeit, die in der Keramik des Bisamberg-Oberpullendorf-Gruppe festgestellten Fremdelemente auf eine Mobilität zurückzuführen, die mit dem Handel begründet ist. Da die Epilengyel-Zeit gegenüber der ganzen vorangehenden Entwicklung durch reiche Kupferverwendung gekennzeichnet werden kann, dürfte es hier den Handel mit Kupfer bedeuten. Die Anfänge einheimischer Erzeugung eines regional differenzierten Kupferschmuckes in Mitteleuropa fällt in diese Zeit (Ottaway, 1973, Fig. 10, Fig 13; u.a.m.). In diese Richtung weisen die Fragmente von Gusstiegeln aus der Grube von Bisamberg (Abb. 2,11).
Kupferhandel
Das Verbreitungsgebiet des Salcuta-Komplexes in der Zeit der klassischen Salcuta liegt um den Westbalkan, im Timoktal, an der unteren Donau in Eltenien und im Banat. Das oben angedeutete Verbreitungsgebiet befindet sich in der Mitte der siebenbürgisch-mittelbalkanischen Kupfererzlagerstätten (Preuschen 1953), einem Gebiet, auf dem bereits früher, in der Zeit der jüngern Vinca-Kultur, Kupferbergbau betrieben wurde (Jovanovic 1982, 1983; Strahm 1990, Abb. 3). Dass die Berggbautätigkeit in Ostserbien in der Folgezeit nicht aufhörte, wird allgemein angenommen (Jovanovic 1982, 148; Todorova 1981, 9, 45; Patay 1983, 249; Tasic 1982).
Wie umfangreiche metallurgische Untersuchungen von E. N. Cernych gezeigt haben, wurde in dieser Zeit das polymetallische Erz Nordthrakiens nicht mehr abgebaut, und der Schwerpunkt der Erzgewinnung am Balkan verlagerte sich auf die monometallischen Erze des Nordbalkans. Nach der Terminologie des Laboratoriums des Württembergischen Landesmuseums Stuttgart gehören diese Erze zur Materialgruppe N, allenfalls zur Gruppe E 00 (Patay 1984, 10).
S. 175: Die Datierung der angeführten Beispiele von Äxten ermöglichen, die Änderung der epilengyelzeitlichen Keramik in Zusammenhang mit der Kupferversorgung Mitteleuropas zu sehen, die möglicherweise durch den Handel mit östlichen Schwergeräten, „Barrenäxten“, geschah. Die Mobilität dieser Zeit bedeutet die Metallisierung der ausgehenden Lengyel-Kultur, die anhand des neuen Grabfundes von Trebestovice (Böhmen) wieder deutlich gemacht werden konnte.
Der Beleg einheimischer Metallurgie im Sinne von Cernych 1982, in Form von Tiegelfragmenten am Bisamberg (Abb. 2,11) (siehe Beitrag A. Hauptmann & E. Ruttkay im vorliegenden Band) ist ein wichtiger Aspekt der Epilengyelzeit des östlichen Alpenvorlandes. Ob die Menschen der klassischen Lengyel-Kultur bereits Kupfergegenstände erzeugt haben, wird diskutiert. Eindeutig ist diese Tätigkeit für die Bisamberg-Oberpullendorf-Gruppe und die Zlotniki-Kultur Kleinpolens nachgewiesen. Nach der oben angedeuteten und auch nach der allgemeinen kulturgeschichtlichen Situation in Ostmitteleuropa und am Nordbalkan ist es naheliegend, dass die Übernahme und breitere Verwendung der Kupfermetallurgie im ausgehenden Lengyel auf Impulse aus dem metallurgischen Bereich der balkanisch-karpatischen Region in der Zeit der späten graphitbemalten Keramik zurückzuführen ist (Cernych 1982, 1988; Renfrew 1969, 1972, Abb. 127)
Hauptmann, A.; Ruttkay, E.: Untersuchung von epilengyelzeitlichen Gusslöffelfragmenten von Bisamberg-Hochfeld.
Mitt. Anthrop. Ges. Wien (MAGW), Bd. 121, 1991:182–184.
Das in Bisamberg-Hochfeld gefundene Gusstiegel-Fragment stellt den ältesten derartigen Fund in Österreich dar, der den Anfang der Metallurgie im östlichen Alpenvorland signalisiert. Da ein Schmelzprozess zur Gewinnung des Metalls aus Erzen aus metallurgischen Gründen auszuschließen ist, handelt es sich bei den Fragmenten aller Wahrscheinlichkeit nach um ein Gefäß (Tiegel), in dem Kupferstücke zum Guss erhitzt worden sind. Sehr typisch ist die beginnende Verschlackung der Keramik am inneren Tiegelrand: sie zeigt, dass dieser von oben bzw. innen her erhitzt worden ist, wobei die Gefäßwandung lediglich bis zum oberen Rand der Metallschmelze durch hohe Temperaturen verglast bzw. verschlackt worden ist. Charakteristisch ist hier die Bildung von roten Kupfersilikaten. Der Gehalt des Kupfers an Zink, Blei, Kobalt, Antimon lässt bei der angewandten Messmethode keinerlei Rückschlüsse auf einen Lagerstättentypus zu.
Das 14C-Datum aus der Epilengyel-Siedlung von Pitten ( Wr. Neustadt datiert den Fund an die Wende des 5. zum 4. Jahrtausend v. Chr. (Gr.N-14015 5240 ± 70 3290 bc, 4030 BC kal).