Bisamberg-Oberpullendorf-Gruppe
Bisamberg-Oberpullendorf-Gruppe (Tafel 34; Karte 4)
Regionalgruppe des Epi-Lengyel-Horizontes in Österreich. Von E. Ruttkay (1976a) aufgestellt. Zusammenfassung zweier, voneinander typologisch nicht deutlich abgegrenzter Gattungen (Typus Bisamberg, Typus Oberpullendorf).
Verbreitung: 44 Fundorte im mittleren Burgenland, um den Neusiedlersee, in den östlichen Alpentälern und in der Umgebung von Wien. Vereinzelte Fundpunkte in Niederösterreich.
Gräber: Ein Körpergrab (Schleinbach, Niederöstereich) und ein Brandgrab (Siegendorf, Burgenland) enthielten je ein Gefäß; in Schleinbach auch Steingeräte (Taf. 34:3,7,8).
Siedlungen: in Schleinbach zwei rechteckige Hausgrundrisse in Form zusammenhängender Fundamentrinnen (Schwammenhöfer 1983).
Keramik: Oberfläche matt, kann aber bei Typus Bisamberg geglättet bzw. poliert sein. Oberflächengraphitierung bei beiden Typen beobachtet. Wichtigste Form ist die konische Schüssel mit eingezogenem Rand und herabhängenden Zungenbuckeln am Umbruch (Taf. 34:14), ein überregionaler Typus, der in der Kanzianiberg-Lasinja-Balaton-Gruppe, in der Jordansmühler und Münchshöfener Gruppe und gelegentlich in der Salcuta- und der Bodrogkeresztúr-Kultur vorkommt; die letzte Phase der klassischen Lengyel-Gruppen kennt diese Form nicht. Schüssel-Varianten stellen die Schüssel mit eingezogenem Rand und geschweifter Wand (Taf. 34:9) und die doppelkonische Schüssel dar. Fußschüsseln mit konischem niedrigem Fuß mehrfach belegt (Taf. 34:1), zweitwichtigste keramische Form, auch ein überregionaler Typus, der verzierte oder unverzierte zweihenklige Becher mit weich oder hart profiliertem Gefäßkörper, zylindrischem Hals und zwei gegenständig angebrachten, randständigen Bandhenkeln (Taf. 34:3). Der ähnlich verzierte Henkelbecher mit einem randständigen, den Hals überbrückenden Henkel mit einem senkrechten Ösenhenkel am gegenüberliegenden Umbruch (Taf. 34:4) nur einmal belegt. Der Topf mit zwei randständigen Henkeln und hochliegendem Körperumbruch eine Weiterführung des ähnlichen Lengyel-Topfes (Taf. 34:10). Als Lengyel-Form gilt auch die doppelkonische Butte mit kurzem zylindrischem Hals und in zwei Reihen zu je drei Stück angeordneten waagerechten Henkeln mit rundovalem Querschnitt (Taf. 34:5). An den Henkeln lassen sich gelegentlich noch Reminiszenzen der spitz hinaufzeigenden „Buttenhenkel“ der klassischen Lengyel-Kultur beobachten. Doppelkonische Vorratsgefäße in zwei Varianten. Die eine mit konisch aufsteigenden Wänden, rundem Umbruch und leicht eingezogenem Oberteil; auf dem Umbruch zwei gegenständige, englichtige senkrechte Bandhenkel, die andere mit zwei waagerechten Henkeln auf der Schulter (Taf. 34:13).
Das Ornamentsystem durch gerade Linien gekennzeichnet – Becher und zeihenkeliger Topf zeigen parallel umlaufende Linien am Hals, alternierende Linienbündel oder Flechtwerk auf der Schulter oder am Bauchumbruch; am eingezogenen Rand der Schüssel Linienbündel oder Flechtwerk. Verzierungstechnik Einritzung oder Riefelung, beim Typus Bisamberg auch Kannelur. Die Schüsseln haben mannigfaltige Knubbenzier am Rand oder am Umbruch. Charakteristisch die meist waagerecht oder senkrecht durchbohrten hinaufzeigenden tierpfoten oder dreieckigen Applikationen am Umbruch der Schüsseln mit eingezogenem Rand (Taf. 34:2).
Tongeräte: Der kalottenförmige Löffel mit Tülle ein kennzeichnender Lengyel-Typus. Hakenstiellöffel in der späten Phase der einheimischen Lengyel-Gruppe nachgewiesen, wobei der Griff einen rechteckigen Querschnitt zeigt. Der Vollgrifflöffel mit rundem Griffquerschnitt dürfte erst in der Epilengyelzeit auftreten (Taf. 34:11). Das konische Tongerät mit durchlöcherter Wand (Glutgefäß?) in Bruchstücken auch in der frühen Lengyel-Kultur bekannt (Taf. 34:6). Es tritt häufig im Scherbenkonvolut der Bisamberg-Oberpullendorf-Gruppe auf. Ein wichtiges Tongerät ist der Gusstiegel.
Steingeräte: Im Grab von Schleinbach ein flacher Schuhleistenkeil (Dechsel) und ein längliches Rundbeilchen, beide aus Amphibolith, gemeinsam mit einem zweihenkeligen Becher (Taf. 34:3,7,8). Unter den Siedlungsfunden von Oberpullendof ähnliche Steingeräte und zahlreiche trapezförmige und rechteckige Beile aus hellgrünem Tremolithfels (Ruttkay 1976a, 290f.). Feuersteingeräte aus sicheren Komplexen nicht bekannt.
Kupferfunde: Obwohl Metallfunde im Verband mit Keramik der Bisamberg-Oberpullendorf-Gruppe nicht registriert sind, die Kenntnis der Kupfergießerei, die älteste des mittleren Donauraumes, für die Bisamberg-Oberpullendorf-Gruppe nachgewiesen. In der Siedlungsgrube von Bisamberg wurden Bruchstücke eines tönernen Gusstiegels angetroffen. Die Untersuchung der Stücke mittels eines Emissions-Spektrometers durch Dr. A. Hauptmann im Bergbaumuseum Bochum ergab an der Innenseite des Tiegels eine deutliche Anreichung von Kupfer.
Kulturell-chronologische Einordnung: Die Bisamberg-Oberpullendorf-Gruppe letzte Etappe einer lang andauernden autochthonen Entwicklung, Endphase und Höhepunkt der einheimischen Lengyel-Kultur, der Jordansmühler Kultur an die Seite zu stellen. Verwandt mit der Kanzianiberg- und slowenischen Lasinja-Formung, der Balaton-Gruppe und der jüngeren Phase der → Münchshöfener Gruppe. Gleichzeitig mit der Ludanice- und z. T. der Wyciaze-Zlotniki-Kultur. Auswärtige Beziehungen der Bisamberg-Oberpullendorf-Gruppe mit dem Salcuta-Krivodol-Bubanj-Hum Ia-Komplex (vor dem Erscheinen des Scheibenhenkelhorizontes), u. a. durch das Auftreten des zweihenkeligen Bechers im Keramikinventar der Bisamberg-Oberpullendorf-Gruppe deutlich fassbar. Ein 14C-Datum: Pitten, Pol. Bez. Neunkirchen, Niederösterreich, Grube 1: GrN 14015: 5240±70 BP, 3290 bc. (cal. zwischen 4240-4000 v.u.Z,).