„Zum verarbeiteten Kupfer“

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Zum verarbeiteten Kupfer“ (S. 59 f.)

Matuschik 2016, Irenäus: Neufunde von Gusstiegeln aus Sipplingen am Bodensee. Ein Beitrag zum Einsetzen der „Gusstiegelmetallurgie“ im nördlichen Alpenvorland und zur Frage nach der Herkunft des genutzten Kupfers. In: G. Körlin, u. a. (Hrsg.): From Bright Ores to Shiny Metals. Festschrift für Andreas Hauptmann. Der Anschnitt, Beiheft 29. Verlag Marie Leidorf, Bochum 2016:49–68.


Verteilung der Funde von Gusstiegeln 4. Jt. v. Chr.
Auflistung der Fundstellen

… so ist abschließend auf die Frage einzugehen, was für ein Kupfer es war, das in den frühesten Tiegeln des nördlichen Voralpengebiets verarbeitet wurde. Soweit Kupferanhaftungen an Tiegeln anderer Fundorte analysiert wurden, ergaben sie ein relativ reines Kupfer, bei dem nur die Arsenanteile geringfügig erhöht sind (Bleuer 1993: 212; Leuzinger 2007; Frank & Pernicka 2012). Damit ist ein Zusammenhang mit der Verarbeitung und möglicherweise auch Produktion eines arsenhaltigen Kupfers vom Typ Mondsee gesichert. Es liegen Indizien dafür vor, dass das Kupfer vom Typ Mondsee bereits im 39. Jh. v. Chr. im Umlauf war. Die Nutzung von Gusstiegeln dürfte im Voralpengebiet demnach eingesetzt haben, als in diesem Raum auch Kupfer vom Typ Mondsee üblich geworden ist.

Die Frage nach der Herkunft dieses Kupfers wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Während in einem Teil eine ostalpine Materialherkunft vertreten wird (Matuschik 1998, Klassen 2000), wird in einem anderen Teil angenommen, dass das Material an südosteuropäischen (Frank & Pernicka 2012) oder slowakischen (Strahm 2012) Erzlagerstätten gewonnen und in das nördliche Voralpengebiet importiert wurde. Durch spurenanalytische und bleiisotopische Untersuchungen allein ist eine Antwort auf die gestellte Frage offenbar nicht möglich (Frank & Pernicka 2012), zumindest noch nicht. Hier, in einer Studie, in der die Gusstiegel im Vordergrund standen, soll die Frage aufgegriffen werden, ob nicht ihre Verbreitung (Abb. 7) Hinweise auf die Materialherkunft umfasst.

Sollte die Importthese zutreffend sein, dann wäre zu postulieren, dass sich die Metallurgiebelege in den naturräumlich begünstigten und intensiv besiedelt gewesenen Siedlungskammern in Niederösterreich, Mittelböhmen und an der oberen Donau häufen. Tatsächlich ergaben diese Regionen aber nur wenige Funde, während die Funde am Alpenfuß und in den Alpentälern, beides Regionen, die naturräumlich benachteiligt sind, häufig sind. Bei Zugrundelage der Importthese wäre also zu urteilen, dass in die agrarisch begünstigten Besiedlungszentren wenig und zum naturräumlich benachteiligten Alpenfuß viel Fernimport gelangt ist – ein Bild, das kulturhistorisch betrachtet nicht plausibel wäre. Deshalb ist viel wahrscheinlicher, dass sich die Funde in einem starken Ausmaß auf den Alpenfuß beziehen, weil das genutzte Kupfer auch in den Alpen produziert wurde (zu den inneralpinen Lagerstätten Krause 2003). Damit spricht das Verbreitungsbild der Metallurgiebelege für eine „lokale“ Materialherkunft und gegen die Importthese. Weiterhin ist auffällig, dass die Fundverteilung deutlich bipolar ist mit einer Fundhäufung im Bereich der Mondsee-Gruppe und mit einer zweiten, sehr ausgeprägten Fundhäufung im Bereich der Pfyner Kultur (Abb. 7), wo die Anzahl der Gusstiegel pro Siedlung teilweise beträchtlich ist, indem etwa aus der nur teilweise ausgegrabenen Siedlung von Meilen-Schellen ca. 30 Tiegel stammen (Altdorfer & Conscience 2005). Sollte die westliche Fundhäufung durch Import aus dem nordostalpinen Raum zu erklären sein, dann wäre wiederum zu fragen, weshalb derart viel Material nach Westen und nur äußerst wenig in die nördlich vorgelagerte Siedlungskammer im bayerischen Donautal gelangt ist. Auch dieses Bild wäre wenig plausibel und der in einem starken Ausmaß einseitige Materialvertrieb nach Westen hin erklärungsbedürftig, ohne dass die Quellen eine Erklärungsmöglichkeit dazu abgäben. Sie vermitteln vielmehr ein gegenteiliges Bild, da für die Pfyner Kultur ansonsten keine besonderen Beziehungen zur Mondsee-Gruppe darzustellen sind, während sie bei der Altheimer Kultur nach Ausweis von Silexmaterial bayerischer Provenienz in den Siedlungen der Mondsee-Gruppe (Binsteiner 2006) deutlich sind. Bei der Annahme, dass die Metallurgie der Mondsee-Gruppe zum einen und der Pfyner Kultur zum anderen auf der Kupferproduktion an unterschiedlichen inneralpinen Lagerstätten basiert hat, löst sich der Widerspruch aber auf. Auf eine zentralalpine Materialherkunft des Kupfers der Pfyner Kultur weisen auch Schlackefunde hin (Fundliste im Anhang, Nr. 28, 41), die teilweise von berufener Seite als Fayalithschlacken bestimmt wurden und von denen die aus Steckborn-Schanz stratifiziert ist. Einen Hinweis auf das mögliche Herkunftsgebiet gibt der räumliche Bezug der besonders tiegelreichen Stationen am Zuger-, Zürich- und Bodensee – beim Zuger- und Zürichsee über den Walensee – auf den Alpenrhein; er führt zu den Kupfererzlagerstätten in Graubünden.


Fundliste:

Metallurgiebelege (Gusstiegel, -tropfen und Schlacken) des 4. Jt. v. Chr. im nördlichen Voralpengebiet unter Berücksichtigung eines östlichen (Nr. 1) und eines böhmischen Fundes (Nr. 2). Nr. 3: Gusen-Berglitzl (späte Trichterbecherkultur); Nr. 4: Ertl „Schweighofer Mauer“ (J. Maurer)

Auflistung der Fundstellen