Die grundlegenden Pfahlbau-Forschungen am Mondsee und Attersee

Aus atterpedia
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Inhaltsverzeichnis

Die frühen Pfahlbauforschungen am Mondsee und Attersee

de-academic: → Für und Wider

Morlot-Vortrag über Pfahlbauten 1863

Die erste Anregung, in Seen nach Pfahlbauten zu suchen, ging vom Schweizer Gustav von Morlot aus. Morlot war 1846 „Geologischer Commissar“ des von Erzherzog Johann gegründeten „Gnostisch-Montanistischen Vereins“ für Oberösterreich; er wurde 1851 Professor für Geologie in Lausanne. Ab 1854 wandte er sich der Archäologie und Prähistorie, und insbesondere der Pfahlbauforschung, zu. Bei einem Besuch 1863 in der Geologischen Reichsanstalt hielt er einen viel beachteten Vortrag über Schweizer Pfahlbauten und führte (zu Pfahlbauten) aus: „Sie kommen fast in allen Seen der Schweiz vor … und müssen auch in den Ostalpenseen zu finden sein.“

Im Sommer 1864 forschte im Auftrag der k.k. Akademie der Wissenschaften der Wiener Geologe und Ichthyologe Kner in den Salzkammergutseen nach Pfahlbauten, hatte aber keinen Erfolg, obwohl er an den richtigen Stellen suchte - wie sich erst später herausstellte. Hochstetter forschte ebenfalls im Auftrag der k.k. AdW an den Seen von Kärnten und Krain und vermutete mehrere mögliche Fundstellen. Jene am Keutschachersee wurde in seinem Auftrag am 17. und 18.9.1864 von Hr. Ullepitsch untersucht.

In der Folge kam es zu Auseinandersetzungen in der k. k. AdW, was zur Abspaltung und Gründung der "Anthropologischen Gesellschaft" führte.

Erst 1871 begannen dann ernsthafte Pfahlbauforschungen durch Graf Gundaker v. Wurmbrand am Attersee, der bei Seewalchen und Nußdorf fündig wurde; er vermutete auch einen Pfahlbau beim Ausfluss des Mondsees, den Much im Folgejahr auch fand.

K.u.k. Akademie der Wissenschaften Wien

Ferdinand Hochstetter, 1857 Lithographie v. Adolf Dauthage

Hochstetter, Christian Gottlob Ferdinand Ritter v. (polyt. Inst., Wien): → Bericht über Nachforschungen nach Pfahlbauten in den Seen von Kärnthen und Krain. Sitzungsberichte der AdW, math.-naturwiss. Klasse, 1865, Band 51, S. 261–282.

  • Hochstetter, F.: → Ueber Pfahlbauten. (Vortrag 7.11.1864) Verein zur Verbreitung naturwiss. Kenntnisse (1866). S. 1-34.
    S. 7: „Auf Antrag des Präsidenten der kais. AdW, Freiherrn v. Baumgartner, liess die k. Akademie im verflossenen Sommer und Herbst die österreichischen Seen nach Pfahlbauten durchforschen, und wie zu erwarten stand, blieben diese Nachforschungen nicht erfolglos. Ein Theil dieser Aufgabe, die Untersuchung der Seen von Kärnten und Krain, war mir zugefallen. Ich war so glücklich, an vier Seen Kärntens, am Wörther-, Keutschacher-, Rauschelen- und Ossiacher-See Punkte nachzuweisen, wo theils Pfahlwerk, theils Gegenstände, die ausgebaggert wurden, wie Topfscherben, Haselnüsse, Kohlen und Knochen, auf alte Niederlassungen hindeuten.“
Rudolf Kner, Lithographie von Josef Kriehuber, 1852 sein → Leben und Werk

Kner Rudolf (Ichthyologe; AdW): → Bericht über die Untersuchung der Seen OÖs bzgl. etwa vorhandener Pfahlbauten (im Auftrag der kaiserlichen Akademie). Si.-Ber. der AdW math.-naturwiss. Klasse, 1865, Band 50, S. 332-346.

Kner (S. 337-344) prospektierte auf mögliche Pfahlbau-Stationen: Mattsee, Wallersee, Hallstätter-See und Wolfgangsee und sah keine Verdachtsstellen für mögliche Pfahlbaustationen.

Am Mondsee hat Kner aber höchstwahrscheinlich die Station Scharfling entdeckt: „Zwar erwiesen sich viele Pfähle als Eichen-Wurzelstümpfe. Nebst solchen Wurzeln zogen wir allerdings auch ein Paar mehr als ½ Fuß dicke und unten zugespitzte Pfahle aus, deren teigiges Holz zwar auf ziemlich hohes Alter schliessen liess, die aber zu seicht (nur ½ bis 1 Fuss tief) im Boden staken, um sie der Zeit der Pfahlbauten zuzumuthen.“

Andererseits führt er aus: „Eichen von solchem Durchmesser und mit so ausgedehnten Wurzelstöcken konnten nur in festem Boden wachsen, es musste daher an dieser Stelle einstens trockenes Land sein. … und der feste Grund, in welchem jene Eichen wurzelten, Seeboden geworden sein. Möglicher Weise könnte er eine kleine Insel gewesen sein, in diesem Falle bliebe aber dann keine andere Erklärung als eine erfolgte Senkung des Bodens anzunehmen (was er aber als unwahrscheinlich einschätzte).“

Am Attersee fielen ihm Stellen zwischen der Teufelsbrücke und dem Ort Attersee auf: Um die Teufelsbrücke die Station Abtsdorf und auch die Station Aufham. Weiters bezeichnet er Lietzelberg-Süd als mögliche Station. Um das Schloss Kammer sieht er keine Verdachtsstellen, ebenso wie am östlichen Atterseeufer.

Hofmann, Elise (Tochter von M. Much): → Pflanzenreste der Mondseer Pfahlbauten; Vorgelegt in der Si. am 3. Juli 1924. Si.-Ber. AdW math.-naturwiss. Klasse, Bd. 133, 1924:379–409.

  • Rudolf Much beschreibt zu Beginn die Ausbeutung des Pfahlbaus See am Mondsee durch seinen Vater Matthäus Much.
  • Material: Getreide, Brote, Obst, Schnüre und Gewebereste, Hölzer und Holzgeräte, Baumhölzer; Rinden, Stroh, Moose.

Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft Wien

Zur Einordnung der Anthropologischen Gesellschaft und "unserer" Forscher:

Matthäus Much-Porträt im Pfahlbaumuseum Mondsee
Gundakar von Wurmbrand Link: → seine Biographie
  • Ausschussräte seit Gründung der Anthropologischen Gesellschaft am 13.2.1870 in Wien sind neben neun anderen: Johann Graf Wilczek (bedeutender finanzieller Förderer der Pfahlbauforschung am Attersee) und Gundaker Graf Wurmbrand (Forscher, Liberaler; später Landeshauptmann von Steiermark)
  • ab 14. Februar 1871 wird auch Matthäus Much Ausschussmitglied
  • Bedeutsame Mitglieder der Anthropologischen Gesellschaft waren 1876 neben Hans Wilczek, G. Wurmbrand und F. Hochstetter (polyt. Institut) und M. Much: Charles Darwin, Ernst Haeckel, Theodor Billroth, Eugen Ransonnett, Friedrich Simony und Eduard Suess


Mittheilungen der antropologischen Gesellschaft, Wien, Band I, Wien 1871, erschienen am 15. September 1871.

  • 1. Sitzung der "Section für Urgeschichte" (S. 45): Am 27. Februar versammelten sich die Herren: Freih. v. Andrian, v. Hauer, v. Hochstetter, Kanitz, v. Mojsisovics, Freih. v. Sacken, Simony und Gf. Wurmbrand zur Constituirung der Section für Urgeschichte und erwählten Franz v. Hauer zum Obmanne.
    • Als Aufgaben der Section, welche theilweise noch in diesem Jahre zur Lösung gelangen sollen, wurden nach eingehender Debatte festgestellt: Die Erforschung von Seen und Mooren und zwar zunächst im Sinne der von J. Graf Wilczek für diesen Zweck gewidmeten Summe, jener von Oberösterreich. Ueber Aufforderung der Section erklärt sich Hr. Prof. Simony bereit, mit Benützung seiner reichen Studien über die Seen des Salzkammergutes die bezüglichen Vorarbeiten im Monat August zu beginnen. Zu seiner Unterstützung beschliesst die Section die Berufung eines Fischers aus der Schweiz, welcher sich bei der Untersuchung der dortigen Seen nach Pfahlbauten praktische Erfahrungen zu erwerben in der Lage war. Derselbe soll Anfangs September eintreffen, zu welcher Zeit mehrere Sectionsmitglieder in Oberösterreich anwesend, sich gleichfalls an den bezüglichen Arbeiten zur Erforschung des Atter-, Gmundner-, HalIstätter- , Matt-, Mond-, Trummer-, Waller- und Wolfgangsee´s zu betheiligen gedenken.
  • Simony 1871, Friedrich: → Die Pfahlwerke bei Kammer und Litzelberg im Attersee. — Mitth. d. anthropol. Ges. in Wien. 1871. S. 70–72. (Simony: ... sind keine Pfahlbauten.)
  • Wurmbrand, Gundaker Graf v. (unter Beteiligung von Simony, Wilczek, Andrian, Hauer u.a.): → Untersuchung der Pfahlbauten im Salzkammergut.; S. 145 - 156. Vor allem bei Seewalchen wurde viel gebaggert; aber auch bei Nußdorf (S. 149 unten) wurde bereits ein zweiter Pfahlbau bemerkt. ("So wäre denn ausser bei Seewalchen und unter Nussdorf am Attersee vorläufig kein Pfahlbau von mir gefunden worden.") Am Hallstättersee, Wolfgangsee und Traunsee wurde nichts gefunden. Wurmbrand vermutet einen Pfahlbau beim Ausfluss des Mondsees: "Eine Stelle dürfte sich südlich vor dem Ausfluss der Ache befinden". [Anm.: Diesem Hinweis Wurmbrands ist Much gleich im nächsten Frühjahr (aber ohne Wurmbrand) nachgegangen und wurde fündig.]
    • Auffindung des ersten Pfahlbaus am Attersee am 25. August 1870 bei Seewalchen.
      [Anm.: Wurmbrand und Wilczek trafen – von Hallstatt kommend – am 25. August am Attersee ein, wo sie zunächst Pfähle beim Schloss Kammer besichtigten. Laut Archiv-Studium im Schloss waren diese erst 200 Jahre zuvor eingeschlagen worden. Darauf verlagerte Wurmbrand seine Tätigkeit auf die Seewalchener Seite beim Seeausfluss, wo er rasch fündig wurde. Das tatsächliche Datum des Auffindens dürfte also wohl der 26. August gewesen sein.]

Mittheilungen der → anthropologischen Gesellschaft, Wien, Band II, Wien 1872.

  • Wurmbrand, Gundaker Graf von: Schreiben an Sectionsrath Ritter von Hauer, über die in den oö Seen fortgesetzten Pfahlbauuntersuchungen. S. 1-7. (Überblick zu den neu entdeckten Stationen am Attersee: Ende Juli/Anfang August Auffinden der Stationen bei Aufham (eine Erhöhung des Seebodens, mit Binsen bewachsen, verriet mir die Stelle) und direkt vor Weyeregg; später wurden am Attersee noch entdeckt: Attersee nahe der Landungsbrücke, Puschacher nördlich von Weyeregg und Kammer nahe dem Ufer).
  • Much, M.: Erster Bericht über die Auffindung eines Pfahlbaues im Mondsee. S. 203-206. (Anm.: „Er hat es als Erster gewusst…“: arg.: „voraussetzen ließen“). Anm.: Fußnote zum Text: „Die zugehörigen Abbildungen wurden im Archiv der Gesellschaft deponiert.“
  • Wurmbrand, Gundaker Graf von: Ergebnisse der Pfahlbau-Untersuchungen II. S. 249-273. (Überblick zu den Stationen Seewalchen, Aufham, Weyeregg, Puschacher, Attersee, Kammer, Gmunden und Keutschach; 6 Tafeln mit Abbildungen, Tabelle der Funde)
  • Much, M.: Erklärung einiger Gegenstände aus dem Pfahlbaue im Mondsee. S. 322-324. (mit zwei Tafeln von Mondseer Krügen, Steinbeilen)

Mittheilungen der → antropologischen Gesellschaft, Wien, Band III, Wien 1873.

  • Wurmbrand: Kleiner Bericht zu Weyeregg und Puschacher (S. 103 f.)

Mittheilungen der → antropologischen Gesellschaft, Wien, Band IV, Wien 1874.

  • Much, M.: Über die Resultate der Wiener Weltausstellung 1873 in Wien in urgeschichtlicher Beziehung. S. 1-30.
  • Wurmbrand, G. Graf v.: Fund-Notiz. Pfahlbauten im Neusiedlersee. S. 291-292. (im ausgetrockneten Neusiedlersee; es wurden keine Pfähle gefunden)
  • Much, M.: Zweiter Bericht über Pfahlbauforschungen in den oberösterreichischen Seen. S. 293-308. (Station Scharfling; Much beschreibt S. 295 f. die enorme Kraft des Eisdrucks auf senkreche Pfähle von Pfahlbauten; romantisierendes Einrammen von Pfählen mit Schlägeln; erfolglose Untersuchungen am Fuschlsee und Wolfgangsee; S. 300: künstliche Stein-„Hügeli“; S. 301 Andeutung eines „Bergsturzes“; weitere Aufsammlungen in See; Beschreibung von Funden; viele Vermutungen)

Mittheilungen der → antropologischen Gesellschaft, Wien, Band V, Wien 1875.

Experiment Steinbeilbohrung
  • Much, M.: widmet sich bereits Germanen-Forschungen: "Germanische Wohnsitze und Baudenkmäler in NÖ": S. 37–116
  • Wurmbrand, Gudakar Graf v.: Ergebnisse der Pfahlbau-Untersuchungen III. S. 117-138; 4 Tafeln. Ganz ausgezeichneter Bericht! (Weyeregg mit besonders reichem Fundmaterial; Funde von Puschacher sind in Villa Aegidi in Weißenbach; sehr moderne Überlegungen zu den Pfahlbauern und auch zu deren Bronze; Beschreibung von Fundstücken und Experimente zu deren Herstellung; wenig (eingeführte?) Bronzen am Attersee; Bronze-Schmelzen und -Gußformen; Schwein, Rind, Schaf, Ziege, Hund; Tabelle der Knochenreste)
  • S. 121 f. Erstes Pfahlbau-Experiment durchgeführt von Graf Wurmbrand: Bohren eines Loches in Steinbeil mittels Bohrvorrichtung aus Geweihstangen wird in diesem Artikel von Graf Wurmbrand ausführlich beschrieben.
  • Frass, Prof. Dr. Oskar: Bestimmung der in den Pfahlbauten Oberösterreichs gefundenen Knochenreste; S. 136-138. (in den Stationen Weyeregg, Puschacher, Seewalchen, Attersee; auch 1 menschliche Hinterhauptschuppe in Weyeregg; wenig Jagdwild).

Seine Auswertung der Tierknochen zeigt folgendes Ergebnis: Weyeregg: 50 Wild- und Hausschweine, 20 Rinder, 40 Schafe (Ziegen), 5 Hunde, 2 Bären, 1 Gabelhirsch, 16 Rothirsche, 4 Füchse und 1 Wiesel. Puschacher: Schwein, Rind und Ziege. Seewalchen: 3 Schweine, 3 Rinder, 3 Ziegen und 1 Hirsch. Attersee: Rind, Ziege und Rothirsch.

Much Gefäßformen

Mittheilungen der → antropologischen Gesellschaft, Wien, Band VI, Wien 1876.

  • Much, M.: Dritter Bericht über die Pfahlbauforschungen im Mondsee (in den Jahren 1875-1876) S. 161- 194, mit 1 Abbildung, 4 Tafeln mit „Mondseer“ Keramik, 1 Tabelle. ( ... in Scharfling wieder kein Erfolg – obwohl ein Pfahlbau da sein müsse; wieder Funde bei See; ausführliche Besprechung; Bronze fehlt bisher; Töpfe usw., Tierfiguren; Schmuckgegenstände; Getreidekörner; Apfelspalten; Brandspuren; Wohnstätten über dem See). Insgesamt zeichnet er ein Bild seiner Vorstellungen zum Leben der Pfahlbauern.

Mittheilungen der antropologischen Gesellschaft, Wien, Band VII, Wien 1877.

  • Wurmbrand, G. Graf v.: Aufklärungen. Entgegnung (Anm.: zu Much) in Betreff der Bohrungen von Steingeräthen und in Betreff thönener Lampen und Löffel. S. 96-104.
  • Wurmbrand, G.: Über die achte Jahresversammlung der deutschen anthropologischen Gesellschaft in Konstanz. S. 265–281.
    • S. 268 f.: „Wir sehen uns die sehr reichen Sammlungen aus den Pfahlbau-Stationen Wangen, Lützelstetten, Unteruhldingen und Konstanz näher an. Alle diese Stationen zeigen im großen Ganzen dieselben Kulturverhältnisse wie Attersee, Weyeregg und Mondsee bei uns.
      Überall eine große Anzahl von geschliffenen Serpentin- und Diorit - Beilen, gebohrte Hämmer (deren Steinkerne noch vorhanden sind), bearbeitete Knochen- und Hirschhorngeräte, Feuersteingeräte und ornamentierte Tongefäße aus ungeschlemmter Masse.
      Es war zum ersten Mal, dass ich reiche Sammlungen von Bodenseepfahlbauten vor mir sah; die Ähnlichkeit derselben im großen Ganzen mit denen, welche ich aus Österreich kenne und denen, die ich später in Zürich sah, ist wirklich überraschend. Wenn wir von einiger Verschiedenheit gewisser Topfformen und von gewissen Werkzeugen absehen, die dort häufiger und hier seltener vorkommen, so geben alle diese Pfahlbauten ein so gleichartiges Kulturbild, dass die Annahme ein und desselben nationalen Ursprunges der Pfahlbauten wohl gerechtfertigt sein dürfte.“

Mittheilungen der antropologischen Gesellschaft, Wien, Band VIII, Wien 1878.

  • Much, M.: Über den Ackerbau der Germanen. S. 203 f. und: Über die Kosmogonie und Anthropogenie des germanischen Mythos. S. 324 f.
  • Weninger, Funde aus dem Pfahlbau im Mondsee. Mitth. d. Anthrop. Ges. in Wien. Sitzungsber. 1916/1917, S. 45/46. (Anm.: ist eine Aufzählung ohne Sachbezug.)


Much 1885, Matthäus: → Die Pfahlbauten und die Heimat der Indogermanen. (Vortrag 28.1.1885) Zs. d. Vereins zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse (1885). S. 249-298.
Much beschreibt hier auf den Seiten 267-278 ausführlich den Pfahlbau in See am Mondsee mit all seinen Funden aus Stein, Ton, Stoffen, Nahrungsmitteln, Haustieren und Jagdtieren. Auf den Seiten ab 278 geht er auf die Indogermanen und deren "Urheimat" ein und vermeint, dass diese die Errichter der Pfahlbauten gewesen seien.

Much 1902, Matthäus postulierte in : → Die Heimat der Indogermanen im Lichte der urgeschichtlichen Forschung. Verlag: Hermann Costenoble; Jena und Berlin, 1902; im Kapitel „Die Rasse“ (S. 245): eine Art Urbevölkerung der Indogermanen in Nordeuropa: “Durch die bisher beigebrachten archäologischen Thatsachen glaube ich nachgewiesen zu haben, dass in den Grundlagen der Kultur und im Wesen der steinzeitlichen Bewohner Mittel- und Nordeuropas und in sonstigen Erscheinungen, die als Merkmale dienen, nichts zu finden ist, was ein fremdartiges, etwa der asiatischen Kultur verwandtes Gepräge zu geben vermöchte, weshalb auch die Träger dieser Kultur und dieser Merkmale nicht von fremder, aussereuropäischer Herkunft sein können.”


Mondseekupfer-Beile
Kupferbeile, Dolche
Spiralen, Angelhaken

Much 1893, Matthäus († 17. Dezember 1909): → Die Kupferzeit in Europa und ihr Verhältnis zur Kultur der Indogermanen, Jena 1893, 376 Seiten.

Much hat aus dem Mondsee in 10 Grabungssommern geborgen (S. 9–14):

528 Steinbeile, 51 Steinhämmer, 529 Feuerstein-Pfeilspitzen, 438 Schaber, 192 prismatische, zum Teile weiter bearbeitete Messer, 26 Bohrer, 78 gezähnte Sägen, 54 sonstwie angearbeitete Feuersteine, 86 Krummmesser, sämtlich aus Feuerstein, 350 Klopfsteine, 19 Glättsteine, 2 Ambosse, 2 Schlägel, etwa 60 Mühlsteinplatten zum Teil mit den Läufern, mehr als 200 Schleifsteine, zusammen 2595 Werkzeuge und Waffen aller Art aus Stein, wozu sich noch beiläufig 160 Nuklei und 2 bis 3000 Splitter aus Feuerstein und mehrere hundert Kochsteine gesellen.
An Knochengeräten wurden gewonnen: 23 Keulenknäufe aus Hirschhorn, 65 bearbeitete Hirschhornstücke, 2 Beilfassungen aus Hirschhorn, 220 Knochenpfriemen, 21 Knochennadeln, 8 Rippenstücke von Flachshecheln, z. T. zweizinkig, 18 doppelzinkige Pfriemen, 45 Waffen und Werkzeuge aus dem Fersenbein u. s. f., 16 geschärfte Messer aus Schweinshauern, 1 Pfeilspitze aus Knochen, 354 Spateln, 100 angearbeitete Knochenstücke, zusammen 870 Gegenstände aus Horn und Knochen. An Schmucksachen fanden sich 398 Perlen, 20 Zierscheiben – oder Knöpfe – und 5 Anhängsel aus Stein, 1 Perle aus Thon, 1 Anhängsel aus einer Vogelkralle, 24 polierte und 272 durchbohrte Zähne, zusammen 697 Schmuckstücke aus Bein und Stein.
Zu diesen 4162 Werkzeugen, Waffen und Schmucksachen kommen 118 ganze Gefäße, 1380 Scherben, soweit sie für Technik, Form, Ornament, Nebenteile und sonstige Eigenschaften von Bedeutung sind, ungerechnet die übrigen tausende, 18 Spinnwirtel, 22 Webstuhlgewichte, 70 desgleichen in Bruchstücken, 3 Löffel nebst Bruchstücken von solchen, 16 Tonfiguren nebst Bruchstücken von solchen, 5 ganze Schmelztiegel und mehr als 25 andere in 140 Bruchstücken, zusammen 1661 Gegenstände aus Ton, dann Holzgegenstände, Schnüre und Geflechte aus Bast, Getreide (Weizen und Gerste) ausgedroschen und in Ähren, Brot, Haselnüsse (ganze und gebrochenen Schalen), Äpfel in Spalten, Samen, Topfscherben mit Speiseresten, Holzschwämme, Tannenzapfen, verkohltes Stroh, Heu, Moos, Tannennadeln, Wandbewurf, Graphit, Rötel, Glimmer, Pechkohle, Kalkspat, Eisenkies, andere Mineralien und Versteinerungen, Tierknochen, zerschlagene, mit Hiebspuren, gebrannt, von Hunden benagt und in der Mehrheit von Haustieren herrührend.
Neben diesem reichen und mannigfaltigen Bestande an Stein- und Knochengerät fanden sich auch 29 Gegenstände auf Kupfer (Fig. 1–23: S. 12–14), und zwar 14 Beile und Bruchstücke von Beilen, 6 Dolche, 3 kleine Spiralscheiben aus gehämmertem Draht, 4 Pfriemen, ein Fischhaken und ein formloses, offenbar beim Schmelzen abgetropftes Stück, endlich jene zwei Gegenstände aus Bronze, und zwar der obere Teil eines Dolches mit den Nietlöchern für den Griff und eine Nadel ohne Kopf. Alle diese Metallsachen lagen mitten in der Kulturschicht zwischen Moder und Mulm und den übrigen Fundsachen zerstreut.
Außer diesen Gegenständen aus Metall fanden sich zahlreiche Gusslöffel und Gussschalen (Schmelztiegel) aus Ton mit anhaftenden Kupferteilchen, Schlackenstückchen und mit Überzug von Schwefelkupfer, sowie mit den deutlichsten Spuren, dass sie einer großen Hitze ausgesetzt gewesen und zum Gießen von Kupfersachen gedient haben. Es unterliegt also keinem Zweifel, dass in den Pfahlbausiedlungen im Mondsee Werkzeuge und Schmucksachen aus Kupfer neben Steingeräten im Gebrauche gewesen und an Ort und Stelle erzeugt worden sind.
Den Funden im Mondsee stellen sich jene in den Pfahlbauten des nahen Attersees als vollkommen gleichartig zur Seite. Die Baggerungen haben ergeben, dass auch hier die menschliche Tätigkeit auf einem Bestande an Werkzeugen aus Stein und Knochen beruhte, die sowohl in Bezug auf die Form als auch auf das Material genau denen aus dem Mondsee entsprechen. Nebstbei aber erschienen so wie dort auch hier Gegenstände aus Metall (einige aus Bronze, andere aus Kupfer). Durch die völlige Gleichartigkeit der Tongefäße werden sie in dieselbe Zeitperiode gestellt. Es ist noch zu bemerken, dass sich auch hier die bei den Funden im Mondsee erwähnten Schmelztiegel vorfanden.



Robert Munro (1890)und Johannes Hoops (2015-16)

Munro 1890, Robert: → The Lake dwellings of Europe. Scottish Society of Antiquaries; London, Paris & Melbourne, 1890; 664 p. (Mondsee und Attersee pp. 156–163)

Mit dem folgenden Link wird eine → kompakte Darstellung von Robert Munro über die Funde von Mondsee (Station See), Attersee (Stationen Seewalchen und Weyregg) und des Neusiedlersees (Funde im ausgetrockneten See) gebracht.

Henkelbecher aus Pfahlbau des Mondsees

Hoops 1916-16, Johannes: → Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Dritter Band, K – Ro. Verlag Trübner; Straßburg 1915–16.

S. 29: Die Keramik der Pfahlbauten lässt sich in eine östliche und eine westliche Gruppe trennen, ohne dass diese in einem Zusammenhange miteinander stehen.

  • Die westliche aus den Schweizer Pfahlbauten ist älter. Ihre Technik ist roh. Die Formen einfach: Henkelkrüge, Tulpenbecher, tiefe Schalen und Näpfe, glockenförmige Misch- und Vorratsgefäße, enghalsige Töpfe mit Spitzboden, wannenförmige Gefäße und Schöpfkellen. Die Verzierungen sind primitiv: Leisten mit Tupfen, Fingerspitzeneindrücke, Zickzacklinien. Eine Sondergruppe mit reicherer, weiß inkrustierter Ornamentik ist am Bodensee in Württemberg lokalisiert (Schussenrieder Typus).
  • Die östliche Gruppe, genannt nach den Funden im Atter- und Mondsee, gehört in die Stein-Kupferzeit und ist in Formen und Verzierungen reicher. Sie schließt sich an Erscheinungen an, die man südöstlich bis in die Balkanländer … verfolgen kann. (Abb. 5.)

Kurt Willvonseder (Pfahlbauten am Attersee 1963–1968)

Willvonseder 1933, Kurt: Oberösterreich in der Urzeit. Deutsches Vaterland - Österreichs Zs. für Heimat und Volk. Wien 1933; 111 Seiten, 100 Abb. mit 303 Figuren und 4 Karten. (OÖs Urzeit bis zu römischer Okkupation; Pfahlbaufunde von Seewalchen und See/Mondsee); → Rezension durch Paul Reinecke

Willvonseder will mit diesem Buch ein Mittelding zwischen einer wissenschaftlichen Monographie und einer volkstümlichen Darstellung finden. Dazu entwickelt er den Text anhand der 100 Abbildungen. Dazu hat er umfangreiches Bildmaterial gesammelt und er hofft daher, „dass diese Arbeit als B i l d e r b u c h auch für den Fachmann einigen Wert hat.“ Tatsächlich behandelt er die Pfahlbauten auf den Seiten 14 bis 28 anhand der 19 recht illustrierenden Fotos und Abbildungen der Pfahlbauten und Funde aus See/Mondsee (10) und Seewalchen (9).

Willvonseder (S. 28–31): „Die Pfahlbaukultur war nicht nur an den Ufern der Salzkammergutseen heimisch; ihre Verbreitung erstreckte sich über das gesamte alpine Vorland.“ Er zählt dazu: Rainberg bei Salzburg, Götschenberg bei Bischofshofen, Langensteinerwand bei Losenstein, Parthenbacheralm, Prücklergut bei Lausa, Humsenbauernkogel bei Michldorf, Mühlbachgraben, Hartheim bei Kranzing, Rudling bei Eferding, Ransbach bei Ried und im Mühlviertel: Mauthausen, Engerwitzdorf und Gramastetten am Limberg.

Willvonseder 1937, Kurt: Die mittlere Bronzezeit in Österreich, Verl. Schroll, Wien 1937, 482 Seiten. (ist glg. Habilitationsschrift an Univ. Wien)

  • Willvonseder berichtet über seine vielfältigen Museumsbesuche im In- und Ausland. In seiner „Formenkunde“ bringt er auf S. 111 als einziges "Pfahlbauten"-Kupferobjekt eine „Nadel mit gewelltem Schaft“ aus Seewalchen (mit grafischer Abb.; aus Sammlung weil. M. Schmidt, Budapest - das er besucht hatte).

Willvonseder 1955, Kurt: → Das Mondseeland in urgeschichtlicher Zeit. OÖ Heimatblätter 1955, S. 97–112. (Historie der Pfahlbauforschung - vor allem des Mondseelandes; Ankündigung seiner Monographie der Atterseefunde. S. 103 … Mondseekultur, die der Altheimer Kultur nahesteht)

Willvonseder 1966, Kurt: → Eine bronzezeitliche Moorsiedlung in Gerlham bei Seewalchen. JBOÖMV Bd. 111, 1966:154–160.

Willvonseder 1963–1968, Kurt: → "Die jungsteinzeitlichen und bronzezeitlichen Pfahlbauten des Attersees in OÖ", Mitt. Prähistor. Komm., 1963–1968, XI. u. XII. Bd.; (Graz 1963, Wien 1968), 453 S., 34 Tafeln, 5 Abb.

BESPRECHUNG OFFEN

- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

Obermair 2015, Robert: → Das NS-Engagement Kurt Willvonseders und die schwierige Frage nach der Entnazifizierung der Wissenschaft. Archaeologica Austriaca, Bd. 99; Österr. AdW, Wien; 2015:155–175.

Danner 2020, Peter: → Kurt Willvonseder (1903-1968). Ein Prähistoriker mit vielen Aufgaben zwischen 1938 und 1945. In: Daniel Modl & Karl Peitler (Hrsg.), Archäologie in Österreich 1938-1945. S. 266 – 303 (741 Fußnoten, sehr viel Literatur).


Alexandra Morgans „Die Mondsee-Gruppe“ 1983

Morgan 1983, Alexandra (London): Die Mondsee-Gruppe (Kap. 4.3; S. 61–73) ihrer Dissertation: "Die Silexpfeilspitzen vom Mondsee, OÖ, im Rahmen des Jung- und Spätneolithikums Zentraleuropas". Archäologia Austriaca, Band 67, Verlag Deuticke, Wien 1983:1–97. [Anm.: Diss. bei Richard Pittioni, Vorst. d. Inst. f. Ur- und Frühgeschichte Wien.]

Morgan geht hier auch auf den „Ursprung der Mondsee-Gruppe“ (Abschnitt 4.3.1) ein. Dabei unterscheidet sie das keramische Fundgut in
1. feingemagerte, furchen- und stichverzierte, weißinkrustierte Ware mit kleinen, bauchigen Henkelkrügen oder Töpfen;
2. grobgemagerte und schlechtgebrannte Gebrauchskeramik für größere Töpfe mit fingertupfenverziertem Mundsaum.
Somit musste sich die Forschung (gemeint ist Ruttkay 1981) – auch mangels einer durch Grabungen belegten Stratigraphie – mit einer vergleichenden Studie der keramischen Formen und Verzierungselemente begnügen.

Daraufhin stellt Morgan detailliert die Erklärungsversuche zur unterschiedlichen Keramik von Franz und Weninger 1927, R. Pittioni 1954, Willvonseder 1963–68 und Driehaus 1960 dar und schließt, dass die Impulse, welche zur Bildung der Mondsee-Gruppe geführt haben, noch nicht eindeutig bestimmt werden könnten. Sie listet zwar alle möglichen Fundstellen von Mondsee-Keramik auf, wobei sie aber vor allem Beningers Paura und Hells Salzburger Funde abqualifiziert.

Auf den Seiten 65–73 geht sie anhand einer Analyse der Pfeilspitzen auf die „Beziehungen der Mondsee-Gruppe zum Jung- und Spätneolithikum Zentraleuropas“ ein. Dabei stellt sie fest, „dass sich die Pfeilspitzen der Mondsee-Gruppe mit ihrer geraden Basis, der seltenen Verwendung von Plattensilex und ihrer groben Bearbeitung stark von den Pfeilspitzen aus Altheim abheben.“ Auch zur Vucedol-Kultur sieht sie keinen Zusammenhang und schreibt: „U. E. macht die Mondsee-Keramik mit ihrer relativen Formenarmut und ihrer viel gröberen Ausführung doch einen sehr verschiedenen und primitiveren Eindruck. Genetisch weist Vucedol sowohl Lengyel- bzw. bemaltkeramische, wie auch Badener Elemente auf. Sie ist ebenfalls mit der Lasinja-Kultur verwandt.“ In der Folge zeigt sie [Anm.: z.T. irrige] chronologische Zusammenhänge von Driehaus, Pittioni und Ruttkay auf.

Daraufhin wendet sie sich möglichen westlichen Einflüssen auf die Mondsee-Gruppe zu. Die Keramik der südfranzösischen Chasséen-Gruppe erinnert an die Mondsee-Keramik, nicht aber die Pfeilspitzen. Hingegen hätten Schussenried und die Mondsee-Gruppe eine ganze Reihe von gemeinsamen Zügen: 1. In der Keramik: Formen (Trichtertöpfe und Henkelkrüge), Verzierungstechnik (Tiefstich und z. T. auch Inkrustation), Verzierungsmotive (Fingertupfenleisten, hängende Dreiecke, usw.); 2. Siedlungsweise: Moor- und Uferrandsiedlungen; 3. auch die Pfeilspitzen scheinen recht ähnlich.

Wegen der Beziehungen zwischen Altheim und Pfyn, auf welche Driehaus aufmerksam macht, liege es nahe, auch nach etwaigen Kontakten zwischen der Mondsee-Gruppe und den Schweizer „Pfahlbaukulturen“ zu suchen. Die Pfyner Pfeilspitzen machen aber einen gröberen Eindruck als das Altheimer Material und ähneln eher den gröberen Stücken aus See. Das gleiche muss man auch von den Pfeilspitzen der Cortaillod-Kultur sagen. Hier gibt es umfangreiches Material, besonders die 98 Pfeilspitzen von Burgäschisee-Süd *). Die Ähnlichkeiten mit dem Mondsee-Material sind zahlreich. Nach den Messungen entspricht die Variationsbreite der Pfeilspitzen jener aus See. Die Pfeilspitzen, die wir aus anderen Fundorten der Cortaillod-Kultur kennen, entsprechen denen von Burgäschisee-Süd: „die Pfeilspitzen der Cortaillod-Kultur gleichen dem vorliegenden Mondseer Material.“

„Vergleicht man nun die Pfeilspitzen von Mondsee, Cortaillod und Altheim, so nimmt Mondsee in Form und Bearbeitung etwa eine „Mittelstellung“ zwischen Cortaillod mit groben und seltener flächenretuschierten Stücken mit gerader oder eingezogener Basis und oft ungleichmäßiger Schneidenausbildung, und Altheim mit sehr schön bearbeiteten, symmetrischen Exemplaren mit ausschließlich eingezogener Basis ein.

Morgan: "Die Möglichkeit von Kontakten zwischen der Mondsee-Gruppe und Pfyn bzw. Cortaillod, hoben auch Sangmeister und Strahm (1973) wegen der Ähnlichkeiten gewisser Metallfunde und dem Gebrauch von „Arsenbronze“ hervor. Diese heben bereits 1973 die Rolle der „Arsenbronze“ hervor: erst eine solche Legierung **) ermögliche das Gussverfahren der typischen Mondsee-Beile.“

  • **) Sangmeister 1973, E.; Strahm, C.: Die Funde aus Kupfer in Seeberg, Burgäschisee-Süd. In: Acta Bernensia 2/6, Seeberg, Burgäschisee-Süd. Steingeräte und Kupferfunde. Bern 1973:189–259.
    Zusammenfassung S. 218 f.: „Die Kupferfunde von Burgäschisee-Süd vertreten eine Arsenbronze, die zu einem Zeitpunkt eingeführt wird, als sich … die Mondsee-Gruppe zu bilden beginnt … und es kommen erstmals materialgerechte, d.h. materialsparend hergestellte kleine Rechteckbeile in Gebrauch. Dabei darf ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Aufkommen der Arsenbronze gesehen werden, die erst die Verfertigung so feiner Stücke im Gussverfahren ermöglicht. Die Verbreitung des neuen Materials hält sich weitgehend an den Alpenrand, so dass nicht zu verwundern ist, wenn sie auch weit im Westen, eben bei Pfyn und Cortaillod, angetroffen wird. Dort brauchte sie nicht zu älteren Materialien in Konkurrenz zu treten. In der Schweiz war die Verwendung von Arsenbronze für Perlen, kleine Beile, Pfrieme, Meißel und vielleicht noch andere Formen eine kurze Periode. Die kupferarme Horgener Kultur und die Lüscherzer Gruppe lassen die von Cortaillod und Phyn eingeleitete Entwicklung abbrechen.“


Die Pfahlbau-Forscher Kunze und Offenberger

Walter Kunze: Pionier der Pfahlbauforschung (Tauchgrabungen 1960-63)

Der Mondseer Historiker und Lehrer Dr. Walter Kunze (1918 – 1.8.2008) begann und förderte bereits Anfang der 1960er-Jahre die Unterwasserforschungen in der Pfahlbaustation „See“ am Mondsee.

Aufnahme des Pfahlfeldes See/Mondsee durch Kunze 1986
Gefäße und Steinäxte aus See und Mooswinkel Kunze 1986
Mondseekrug aus Station See/Mondsee nach Kunze 1986

Ihm zu Ehren wird mit dem folgenden Link → eine vollständige Liste der Veröffentlichungen von Dr. Walter Kunze mit Bezug auf die Pfahlbauten gebracht. (Anm.: einschließlich der photographischen Dokumentation der Herstellung des letzten „Mondseer Einbaums“.) Die meisten seiner Berichte erschienen in den Mitteilungen des Mondseer Heimatbundes in den Jahren 1960–1968.

Kunze, 1972 beschreibt detailliert → die ersten Tauchgrabungen, Fundbergungen und Restaurierungen in seinem Artikel: Pfahlbauten am Mondsee. Prähistorie und Archäologie in OÖ; Kulturzeitschrift OÖ 1972/73, OÖ Landesverlag, Linz 1972:3–5.


Kunze 1981, W.; Vogelsberger, A.: Keramik der Pfahlbauern - Berichte über Untersuchungen der jungsteinzeitlichen Töpferei am Mondsee. Schriftenreihe des OÖ Musealvereins – Ges. f. Landeskunde, Bd. 11, 1981, 77 Seiten.

Kunze untersucht 1290 Keramikfunde und klassifizierte sie wie folgt:

  • 11 verzierte und 18 unverzierte Krüge: davon 14 mit 1 Henkel und 4 mit 2 Henkeln
  • 29 Töpfe, 25 Schüsseln, 14 Näpfe, 9 Schalen, 10 Becher, 8 (große) Vorratsgefäße
  • 491 Randstücke ohne Verzierung und 54 Randstücke mit Verzierung
  • 161 Wandstücke ohne Verzierung und 38 Wandstücke mit Verzierung
  • 9 Randstücke mit Knubben und 6 Randstücke mit Schnurösen
  • 12 Wandstücke mit Knubben und 6 Wandstücke mit Schnurösen
  • 245 Boden-Wand-Stücke, 41 Wand-Bodenstücke und 73 Bodenstücke
  • 27 Stücke mit Henkel oder Henkelansatz und 6 Stücke mit Durchbohrungen

Die grauschwarzen Farbtöne überwiegen bei weitem, daneben kommen auch Farbabstufungen von Weißgrau über Hellgrau, Ocker, Braun, Rötlich, Grau, Grauschwarz bis Schwarz vor.

Von den Keramikstücken sind 11 % mit Ornamenten versehen: 5,1 % mit in die Wand getieften Ornamenten, 2,1 % mit ornamentiertem Mundsaum, 1,2 % mit Fingertupfenornamenten, 0,8 % mit Leisten und 1,7 % mit Knubben.

Wie aus den Fundanteilen der Aufsammlung von Kunze hervorgeht, weichen die Vorstellungen über die „typische“ Mondseekeramik – den Mondseekrug – von den realen Gegebenheiten deutlich ab.

Es gibt nur 11 verzierte "Mondsee-Krüge" gegenüber 18 unverzierten Krügen. Nur ein Zehntel der Randstücke und ein Viertel der Wandstücke weisen eine Verzierung auf; auch Ornamente sind vergleichsweise selten. Die Krüge (29) sind ähnlich häufig wie Töpfe (29), Schüsseln (25) und Näpfe/Schalen/Becher (33).

An dieser Stelle ist auch Oberlehrer i. R. Karl Fornather zu erwähnen: Die vielen Bruchstücke von Gefäßen, es handelt sich um etliche tausend, wurden in Kistchen verstaut und in die vom Heimatmuseum eingerichtete Restaurierwerkstätte transportiert, wo sich Fornather jahrelang der überaus mühsamen Arbeit des Zusammensetzens der Bruchstücke unterzog. Restaurierbar ist ein Gefäß nur dann, wenn es als Ganzes in seiner Form gesichert erscheint: vergleiche hier insbesondere das große Vorratsgefäß in der vierten Abbildung, aber auch die Töpfe und Schüsseln in den anderen Abbildungen. Das Profil muss vom Boden bis zum Mundstück lückenlos vorhanden sein.

Im Folgenden werden zu Ehren von Walter Kunze, Alfred Vogelsberger und Karl Fornather aus

  • Kunze & Vogelsberger (1981): Keramik der Pfahlbauern - Berichte über Untersuchungen der jungsteinzeitlichen Töpferei am Mondsee. In: Schriftenreihe des OÖ Musealvereins – Ges. f. Landeskunde, Bd. 11, 1981

mit Genehmigung der Gesellschaft für Landeskunde und Denkmalpflege in Abstimmung mit JBOÖMV die von Alfred Vogelsberger erstellten Aufnahmen gebracht.

Alfred Vogelsberger bringt in einem eigenen Buch-Abschnitt seinen spannenden Bericht „Zur Technik der Töpferei“ mit seinen vielen eigenen Versuchen zum Ton, Formen, Brennen und Dekorieren. Dabei geht er auf die Analyse der aufgefundenen Keramikfunde ein und beschreibt in der Folge die ehedem verwendeten Werkstoffe. Daraufhin zeigt er die Aufbereitung des Tones und die verwendeten Formen und zeigt auch, wie er selbst einen „Mondseekrug“ formt und wie der Brennvorgang verläuft. Zum Abschluss wird in die gebrannte Keramik die Inkrustation eingebracht.


Dr. Walter Kunze (1918–1.8.2008)

Kunze 1986, Walter: Mondsee – 5000 Jahre Geschichte und Kultur. Selbstverlag Marktgem. Mondsee 1986; 191 S. (2. Aufl. 1990).

Der folgende Link bringt das Exzerpt (S. 9-15) des Kapitels → Die Pfahlbauforschung am Mondsee und die Mondseekultur.

1960 stellte sich dem Heimatmuseum Mondsee eine Tauchergruppe aus Salzburg zur Verfügung. Der Leiter des Unternehmens, Dr. Walter Kunze, wollte den Umfang des Pfahlfeldes See feststellen und den ganzen Mondsee nach Pfahlfeldern absuchen. Erstmals in Österreich kamen hier Taucher bei archäologischen Unterwasserarbeiten mit modernen Pressluftgeräten und Nasstauchanzügen zum Einsatz. Mit dem Oö. Landesmuseum (Dr. Josef Reitinger, Beiziehung von Dipl.-Ing. Vinzenz Janik als Fachmann für Bodenkunde) wurde die Lösung der Hauptfrage aller Pfahlbauforschung (Wassersiedlung oder Landsiedlung) in Angriff genommen. Bodenbohrungen und -untersuchungen im Bereich des Seeausflusses brachten den Nachweis, dass die Siedlung ehemals an Land errichtet worden ist. Einen weiteren Hinweis darauf ergab 1962 von der archäologischen Seite auch die Entdeckung eines waagrecht liegenden Balkens, der auf dem Seeboden durch Pflöcke befestigt war.

Die Fundbergungen des Heimatmuseums Mondsee wurden bis 1963 fortgesetzt und brachten einen umfangreichen Fundbestand zutage. Vor allem die Funde dieser Tauchforschungen stellen heute den Bestand des 1953 gegründeten „Pfahlbaumuseums Mondsee“ dar.

Es ist stark zu vermuten, dass diese Arbeiten von Walter Kunze den Auslöser für die Aufmerksamkeit des Bundesdenkmalamtes darstellten und zum Beginn der Pfahlbauforschungen durch – den begeisterten Taucher und Archäologen – Johann Offenberger führten.


Herrn Dr. Walter Kunze zu Ehren werden im Folgenden die eindrucksvollsten Bilder aus seiner Veröffentlichung zu „Pfahlbauten am Mondsee. Prähistorie und Archäologie in OÖ“ in der Kulturzeitschrift von OÖ 1972/73, Linz, OÖ Landesverlag; gebracht.


Johann Offenberger: Doyen der österr. Pfahlbauforschung (1967–1986)

RR Johann Offenberger (*1934, ✝23.7.2017)

Johann Offenberger hat im Oktober 2012 seine Forschungsergebnisse im Buch Weltkulturerbe "See“ (100 S.) veröffentlicht. (Quelle: → OÖ Nachrichten: "Das Märchen von Pfahlbauten direkt in den Seen": Autor und Bild: Norbert Blaichinger, 8.10.2012).Das Buch ist in den Mondseer Museen und im Buchhandel erhältlich. Er betont: „Dieses Buch soll ein Beitrag sein, dass an die 1986 eingestellten Pfahlbauforschungen in Österreich wieder erfolgreich angeknüpft wird.“

1970 entdeckten die Taucher und Forscher rund um Johann Offenberger (*1934; +23.7.2017) im Bereich von Mooswinkel am Mondsee den einzigen "echten" Pfahlbau Österreichs. Offenberger dazu: „Allerdings war es nicht eine bewohnte Siedlung, sondern eine Plattform als Anlegestation, eine "Schiffsanlegestelle" für den Fährdienst."

Es sei schlicht ein Märchen, zu glauben, die Pfahlbauten in See (am Mondsee), in Litzlberg oder Abtsdorf am Attersee wären im Wasser gestanden. Offenberger: „Die Wahrheit ist, dass die Pfahlbauten am Seeufer situiert waren und viel später durch massive Klimaänderungen unter Wasser gedrückt wurden.“ Sehr wohl wisse man heute aber, dass es im Rahmen der Pfahlbauweise verschiedene Arten gegeben hat. Worüber man im Bereich der Salzkammergutseen aber bis heute nicht verfügt, sind Grundrisse von Bauten. Ohne diese sind laut Offenberger auch Gedankenspiele über originale Nachbauten kaum realistisch. Anlässlich der OÖ Landesausstellung 1981 zum Thema „Das Mondseeland“ konnte von Hans Offenberger in den ehemaligen Mondseer Klosterräumen eine große Pfahlbauabteilung mit den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen eingerichtet werden. Als „Österreichisches Pfahlbaumuseum“ ist sie nach wie vor ein wesentlicher Teil der Mondseer Museumslandschaft.

1986 kam es zur gewillkürten, abrupten Einstellung der österreichischen Pfahlbauforschung, sodass nicht einmal mehr die begonnenen Vermessungen der Station See am Mondsee fertiggestellt werden konnten. Die Hintergründe liegen im Dunkeln. So schreibt Erwin Rupprechtsberger (Mondseekultur 2006, S. 14): „Die [von Offenberger] mit großem Engagement alljährlich durchgeführten Tauchuntersuchungen ebbten nach einigen Jahren aus explizit nicht genannten, für Insider aber erahnbaren Gründen ab.“ [Anm.: Es gibt Andeutungen in Richtung von kollegialem Neid und Eifersucht hinsichtlich eines möglichen Aufstiegs oder einer akademischen Karriere Offenbergers; die später vorgeschützten finanziellen Gründe waren es nicht.]

Offenberger wurde vom Bundesdenkmalamt unmittelbar zur Beaufsichtigung von Ausgrabungen ins Kloster Mondsee abkommandiert. Auch die Bearbeitung bereits durchgeführter Aufnahmen im Attersee konnte nach der Einstellung des Bestandsaufnahmeprojektes nicht mehr beendet werden. Dies betraf besonders die Siedlungen am Ausfluss des Mondsees und im Bereich Litzlberg.


Kreuzstein vor Kienbergwand
Auskolkung Kienbergwand in Wassertiefe von 3–4 m

Angeregt von der Abtragung des Materials des Kreuzsteins in Höhe des Seespiegels (vgl. die Abbildung links) interessierte sich Offenberger für eine mögliche äquivalente physische Auswirkung eines abgesenkten Sees. Falls die Wirkungen der Wellen des Sees den Kreuzstein so umformten, sollte es auch ähnliche Wirkungen der Wellen an der Kienbergwand – aber eben in 3–4 Meter Wassertiefe gegeben haben. 1989 ging Offenberger dieser Idee – auch nach seinem Abzug von der Pfahlbauforschung – weiter nach, stellte entsprechende Forschungen an und kam zu dem überraschenden Ergebnis, dass die Kienbergwand in der relevanten Wassertiefe entsprechende Auskolkungen aufweist (vgl. die nebenstehende Abbildung), was neben Janik einen zweiten Nachweis für einen abgesenkten Seespiegel darstellt.
[Anm. März 2024: Unzweifelhaft wirken Wellen erodierend auf anstehende Felswände ein; viel stärker dürfte aber die Wirkung von Frost an benetzten Felswänden einwirken – und damit gerade in Höhe des Seespiegels. Solches nunmehr 4700-jähriges Einwirken in heutiger Seespiegelhöhe wird im Sommer 2024 überprüft.]


Mit der Aufnahme der heimischen Pfahlbauten 2011 in das Weltkulturerbe wurden seine 1986 so plötzlich und radikal abgebrochenen ehemaligen Arbeiten mit der Veröffentlichung von Czech 2013 (FÖ 2013; siehe → weiter unten) nach 27 Jahren wenigstens noch abgeschlossen.

Seinen Nachlass von Fotos, Schriftstücken, Dokumentationen und persönlichen Aufzeichnungen verwahrt der Österreichische Archäologie Bund bis 2040.

Veröffentlichungen von Johann Offenberger:

Offenberger Das Pfahlbauerbe – „Brennpunkt“ Mondsee Jungsteinzeitliche Seeufersiedlungen im Salzkammergut. Die Detaildokumentation und der Versuch einer Analyse.

Link zur → Vollständigen Veröffentlichungsliste von Johann Offenberger.

Nachfolgend werden Links zu den digital verfügbaren Arbeiten sowie die beiden zusammenfassenden Bücher von Hans Offenberger gebracht:

Offenberger 1971, Johann: → Probleme und Techniken der Pfahlbauforschung. JbOÖMV 116, 1971. S. 9–21.

OFFEN Offenberger 1976, Johann (und Kral, Loub, Niedermayr, Wolff): Die oö Pfahlbauten – Die Untersuchungen des BDA in den Jahren 1970–1974. Archaeologica Austriaca, Beiheft 13. FS Pittioni, 1976: 249–285 mit Karten und Abb. samt Fotos. (detailliert zu Mooswinkel, Scharfling, Misling und Weyregg; Nachweis der Bauten auf dem Trockenen).

Offenberger 1976, Johann: → Die österreichischen Pfahlbauten – Ein Arbeitsbericht und: Schatz, Alfred (Tauchgruppe Haag): Methoden der Unterwasservermessung. und: Vymazal, Kurt (Tauchgruppe Haag): Holzartenbestimmung einiger Pfähle aus der neolithischen Station Attersee/Landungssteg. JbOÖMV Bd. 121a, 1976; S. 105–138.

OFFEN Offenberger 1981, Johann: Die österreichischen Pfahlbauten. In: Das Mondseeland. Geschichte und Kultur. Katalog zur OÖ Landesausstellung in Mondsee. Linz 1981. S. 295–357.

Offenberger 1997, Johann und Ruttkay, E.: → Pfahlbauforschung in den österreichischen Salzkammergutseen. In: Schlichtherle, Helmut (Hrsg.): Pfahlbau rund um die Alpen. Archäologie in Deutschland, Sonderheft 1997. S. 76–80.

Offenberger 2013, Johann: → Hafenanlage versus Fischzuchtanstalt: Ein römisches Bauwerk im Attersee vor Weyregg (OÖ); Eine wissenschaftliche Kontroverse. – JBOÖMV 2013: S. 9–38.

OFFEN Offenberger 2012, Johann: Buch: Weltkulturerbe „See“ – Ein Forschungsbericht. Historica-Austria Band 10, Jahrgang 2012. 100 S.

OFFEN: Offenberger 2015, Johann: Buch: Das Pfahlbauerbe – „Brennpunkt“ Mondsee, Jungsteinzeitliche Seeufersiedlungen im Salzkammergut. Die Detaildokumentation und der Versuch einer Analyse., Historica-Austria Band 13, Jahrgang 2015. 327 S.
[Anm.: Ist Offenbergers abschließendes Vermächtnis; wird in manchen Literaturlisten nicht angeführt.]


Der mit 10.2.2020 datierte Nachruf des Kuratorium Pfahlbauten auf deren Homepage wirkt befremdlich: → Pfahlbauforscher Johann Offenberger verstorben – also 2 ½ Jahre nach Johann Offenbergers Ableben am 23.7.2017: "Dieser - mit dem viele - auch wir - ihren Umgang mit ihm besonders in den letzten Jahren als herausfordern [sic] erlebt hätten - habe die Grundlage für die moderne Pfahlbauforschung in Österreich und für unseren Beitrag zum UNESCO-Welterbe geschaffen."Screenshot


Die Pfahlbauten-Bestandsaufnahmen der Taucher 1976–1989 (2013)

Nachfolgend werden die Ergebnisse der von Johann Offenberger initiierten Pfahlbausuche und -bestandaufnahmen in den "Fundberichten aus Österreich" (FÖ) des Bundesdenkmalamtes angeführt. Karl Czech war der Obmann des Tauchclubs Wels (UTC); die zweite Tauchergruppe kam von der TG Haag. Insgesamt waren über die Jahre 54 Taucher an diesen Arbeiten beteiligt.

a) "Fundberichte aus Österreich" zu "Pfahlbauten" bis Nr. 50 der gedruckten Jahrbücher: bis 2011.

Link zu den → 12 Berichten von Czech in den FÖ 1976 bis 1989

Gotsleben 1981 mit Vymazal: Vermessung der neolithischen Seeufersiedlung Kammer I, FÖ 20, 1981, 29–34.

Ruttkay 1982, Elisabeth: Archäologisches Fundmaterial aus den Stationen Abtsdorf I, Abtsdorf II und Weyregg I. FÖ 21, 1982, S. 19-23.

b) "Fundberichte aus Österreich" ab Nr. 50 bis Nr. 60 → ab 2012.in elektronischer Form (was es zu "Pfahlbauten" gibt)

Pollak 2011, Marianne: Erstmalige Unterschutzstellung der → Pfahlbaustationen Abtsdorf I–III und Litzlberg Süd: FÖ Bd. 50, 2011; S. 37.

Neubauer 2011, Daniel: Beschreibung der → Umrisslinien der Stationen Seewalchen und Kammer: FÖ Bd. 50, 2011; S. 350.

Gruber 2011, Heinz: → Pfahlbauten. Österreichs neues Welterbe. In: Bundesdenkmalamt; Zs. Denkmal Heute, Heft 1/2011, 37-41

Gruber 2011, Heinz: → Juni 2011: UNESCO »Prähistorische Pfahlbauten rund um die Alpen«; Litzlberg-Süd und Abtsdorf stehen unter Denkmalschutz; Neubauer: Tauchverein UW-Archäologie startet in Seewalchen; FÖ 50, 2011; S. 25; S. 350.

Gruber 2012, Heinz: → Eintragung der Prähistorischen Pfahlbauten rund um die Alpen als UNESCO-Welterbe; FÖ 51, 2012, S. 20.

Czech 2013, Karl:13. Bericht zur Bestandsaufnahme des Unterwasserkulturerbes in den Salzkammergutseen. In.: FÖ 52, 2013; S. 145–153. Im Attersee sind 23 Siedlungen bekannt, von denen erst 13 vermessen sind.

Gruber 2013, Heinz: → Unterschutzstellung der Pfahlbaustation Nußdorf am Attersee. FÖ 52, 2013; S. 19


Die archäologischen Forschungen der "Grande Dame" Elisabeth Ruttkay

Elisabeth Ruttkays "Typologie und Chronologie der Mondsee-Gruppe" 1981

Ruttkays Formengruppe 1–3 der Keramik der Mondsee-Gruppe

Mit dem folgenden Link zu → Ruttkays wesentlichen Pfahlbau-Veröffentlichungen in den Salzkammergutseen wird ihre Arbeit gewürdigt und im ebenfalls verlinkten offiziellen Nachruf wird auch ihre wesentliche Literatur angeführt.

Ruttkay 1981, Elisabeth: Typologie und Chronologie der Mondsee-Gruppe. – In: das Mondseeland – Geschichte und Kultur. Katalog der Ausstellung des Landes OÖ in Mondsee, Linz, 1981:269-294.

  • In dieser Veröffentlichung übernimmt Ruttkay – leider unhinterfragt – von Pittioni sowie Hell und Willvonseder sowie Beninger alle von diesen genannten Pfahlbaustationen, die neben den Pfahlbauten an Mond- und Attersee auch alle entfernten Stationen im Salzburgischen (Bischofshofen-Götschenberg, Salzburg-Rainberg, Salzburg-Elsbethen-Grillberg) und benachbaren Bayern (Ainring-Auhögl) sowie die Stationen an Enns und Steyr (Garsten-Sonnbichl, Laussa-Langensteinerwand und Prückelmauer, Mühlbach-Rebsteinmauer) sowie an der Traun (Stadl-Paura – Paura) sowie auch solche in Niederösterreich (Ertl-Hauserkogel, Grünbach-Hausstein und Ossarn).

Beiträge zur Typologie und Chronologie der Salzkammergut-Stationen 1990

Neue Mondsee-Typologie und Kupfer-Station Misling

Ruttkay 1990, E.: Beiträge zur Typologie und Chronologie der Siedlungen in den Salzkammergutseen. In: Höneisen, M.: Die ersten Bauern, Pfahlbaufunde Europas 2. Schweizerisches Landesmuseum Zürich; 1990:111–121.

Es ist von großem – auch wissenschaftshistorischem – Interesse, dass Elisabeth Ruttkay neun Jahre nach ihrer ersten „Typologie und Chronologie“ der Mondsee-Gruppe erneut den gleichen Titel für ihre Arbeit wählt. Es kommen nun auch deutlich andere Formen der „Mondsee-Krüge“ vor, was wohl auch auf ihrer Beschäftigung mit dem „Ende der Donauländischen Welt und Südosteuropa“ (siehe gleich oben) zu tun hat. Es kommt auch zu einer klaren Trennung in verzierte und unverzierte Ware. Dass sie den Gusslöffel von Misling wählt, lässt viel zu ihrer Gedankenarbeit vermuten.

Weiters befasst sich hier Ruttkay mit jungneolithischen Keramiken von Ossarn und den Gruben Wendl sowie Raab (NÖ), aber auch mit der Keramik der Lasinja-Kultur (Keutschachersee, Kärnten). Weiters bringt sie – erstmals – ausgewählte, bronzezeitliche, typologische Keramik aus Abtsdorf I sowie Bronzefunde aus Seewalchen (Messer und Rasiermesser).

Indem sie erstmals eine „Besiedlungsgeschichte des Salzkammergutes“ beschreibt, in der sie die verzierte Ware als „Fremdkörper“ bezeichnet, die unverzierte Ware einem anderen Verwandtschaftskreis zuweist und eine klare Trennung zur Bronzezeit (Abtsdorf I; vereinzelte Funde in anderen Stationen wie Seewalchen) formuliert, zeichnet sie ein völlig neues Bild der Entwicklung der Pfahlbaukultur der Seen.

  • Ruttkay listet hier 23 Stationen an Mond- und Attersee auf. Sie lässt die Frage nach der Herkunft der verzierten Mondsee-Ware als der „kennzeichnenden“ Keramik der Gruppe offen. Bei neueren Grabungen (Kunze in See), bei denen alle Scherben aufgehoben wurden, zeigt sich klar, dass die Menge der unverzierten Gefäße die der verzierten mehrfach übertrifft. Das Wesentliche für die Mondsee-Gruppe ist die unverzierte Keramik, da sie ihren Verwandtschaftskreis bestimmt; die verzierte Ware ist ein „Fremdkörper“. Auch in Baalberger Siedlungen in Südmähren und im norddanubischen NÖ erscheint die furchenstichverzierte Keramik als „Fremdkörper“. Diese Verzierungstechnik kam nicht schlagartig, sondern zögernd im östlichen Mitteleuropa im Lengyel-Milieu auf; der Ursprung dieser Technik konnte noch nicht bestimmt werden.
  • Wegen fehlender Stratigraphien kann eine relativchronologische Ordnung nur durch typologische Sortierung erfolgen (vgl. die Abbildung; siehe v.a. den Mislinger Gusslöffel rechts oben). Damit ergibt sich nach Ruttkay für die Besiedlungsgeschichte des Salzkammergutes: „Vom Ende des 38. bis zum Anfang des 34. Jh. v. Chr. lebte die jungneolithische Mondsee-Gruppe an den Ufern der Seen. In der 2. Jt.-Hälfte fehlen dann 14C-Daten. In dieser Zeit gibt es in NÖ die Badener Kultur (Ossarn) und es ist möglich, dass das „landfazielle Mondsee“ (Anm.: Land-, Höhensiedlungen) diese Zeitspanne in Anspruch nehmen wird. Ab dem 31. Jh. sind wieder Siedlungsaktivitäten an den Seeufern bemerkbar."
  • Ruttkay bringt auf S. 112 drei Beispiele von Keramik aus Ossarn (Gruben Wendl und Raab), die Mondsee-Importe aufweisen. Auf S. 114 bringt sie ausgewählte Funde der Attersee-Gruppe (insbes. Abtsdorf I; zwei Bronzefunde aus Seewalchen I: Dolch und Rasiermesser). Auf S. 115 bringt Ruttkay Keramik der Lasinja-Kultur (Keutschachersee, Kärnten), „um die Eigenständigkeit dieser Keramik gegenüber den Salzkammergutstationen zu illustrieren.“
  • Zu einer Wiederbelegung nach rd. einem Jahrtausend kam es in der Übergangszeit BZ A2/B1 (Bronzezeit), die in Abtsdorf I ein einziges 14C-Datum (unkalibriert 3180 BP; kal. 17.-15. Jh. v. Chr.) besitzt. Für die Spätbronzezeit der Seeufersiedlungen stehen uns weder ausreichende typologische Untersuchungen noch absolutchronologische Datierungen zur Verfügung.

Das Ende der Donauländischen Welt und Südosteuropa 1991

Ruttkay 1991, E.: Das Ende der Donauländischen Welt und Südosteuropa. Mitt. Anthr. Ges. Wien 121, 1991:159–181.

Ruttkays Forschungen zur kupferzeitlichen Mondseegruppe 1993-1999

Pernicka 1993, E.; Ruttkay, E.; Obereder, J.: → Die Metallfunde und die Metallurgie der kupferzeitlichen Mondseegruppe. Ein Vorbericht. Arch. Österreichs 4/2, 1993:5–9. Eine Langfassung wurde nicht mehr erstellt.

  • Pernicka setzte seine Forschungen ohne Ruttkay bis 2012 fort mit dem Ergebnis: Es gibt keine "passende" Kupfer-Arsen-Quelle für das Mondsee-Kupfer in Europa und Südost-Europa.
Rasiermesser Seewalchen um 1500 v.Chr.

Ruttkay 1996, E.: Rasiermesser Typus Padnal aus dem Pfahlbau von Seewalchen am Attersee. – Archäologie Österreichs 7/2, Wien 1996: 29–31.

  • Ist ein zweischneidiges Rasiermesser aus Bronze mit kreuzförmigem, flachem Griff und gedengelten Schneidekanten. Der zurückgebogene Griffteil ist eine „Fingerrast“. Die Länge ist in Oberansicht 8,5 cm, die Länge des zurückgebogenen Griffteils 1,5 cm, die Breite des Blattes ist 1,6 cm.
    Damit ist die oö, bronzezeitliche „Attersee-Gruppe“ (nach Willvonseder) rahmenmäßig mit Padnal bei Savognin in Graubünden gleichzeitig und gehört in die Bronzezeit mit dem Abtsdorf I – 14C-Datum 3180 ± 90 BP (= Kalenderjahr 1500 ± 100 v. Chr.). Ruttkay: „Die Zeit ist hier durch Ostbeziehungen gekennzeichnet. Das Rasiermesser von Seewalchen zeigt aber eine eindeutige Westorientierung an.“
Mondseetypologie 1997 (1) Gefäß und Gusslöffel vom Attersee (2) Henkelkrüge, Steinschmuck, Sichel, Tierplastik, Rundnacken-, Knaufhammeraxt (Mondsee) (3) Gefäße (Mondsee, endneolith.)

Offenberger 1997, J. & Ruttkay, E.: Pfahlbauforschung in den österreichischen Salzkammergutseen. In: Schlichtherle, H.: Pfahlbauten rund um die Alpen. Archäologie in Deutschland, Sonderheft, Stuttgart 1997:76–80.

Elisabeth Ruttkay hatte mit Johann Offenberger offenbar ein recht gutes Verhältnis, wenn sie gemeinsam mit ihm diese reputationsträchtige Arbeit zur österreichischen Pfahlbauforschung veröffentlicht, in der die Leistungen Offenbergers ausgiebig in positivem Licht dargestellt werden.

  • Attersee hat 23 jungneolithische Siedlungen (1 unsicher). Nur Abtsdorf I stammt aus entwickelter Früh- und früher Mittelbronzezeit; vereinzelt gibt es bronzezeitliche Gegenstände im Fundgut verschiedener Stationen (zeigen, dass auch die bronzezeitliche Besiedlung am Attersee in breiterem Umfang stattfand). Seespiegelanstieg um 3–4 m. Alle Siedlungen wurden am trockenen Ufer errichtet (außer Mooswinkel: landwärts steiler Berghang und seewärts steiler Abfall mit Pfählen für Plattform). Arsenhältiges „Mondsee“-Kupfer mit ganz wenig Verunreinigungen: 32 Flachbeile und 160 Gusstiegel aus Ton. Reichverzierte Tonware neben der einfachen Siedlungskeramik, diese mit Ähnlichkeit zu Pfyn und Altheim. See/M. zeigt Zweiphasigkeit der Siedlung; Aufham und Weyregg haben zwei durch Seekreide getrennte Kulturschichten. Viele der in älterer Literatur genannten Siedlungen müssen als gestört/zerstört gelten – auch am Westufer des Attersees (Anm.: Ausnahmen sind z.B. Litzlberg-Süd, Aufham, Nußdorf – insgesamt sind von 29 nur 7 Stationen gut erhalten).
  • Abbildungen in der Arbeit: a) der 23 Pfahlbausiedlungen in den Salzkammergutseen (Neolithikum, Bronzezeit); b) der 3 typologischen Perioden der Mondseegruppe mit Bemaßung (vgl. die nebenstehende Abbildung); c) der verzierten Keramik und tönernen Tierfiguren und Kalksteinschmuck; d) von Bronzenadeln und Kupferfunden.
  • Ein wissenschaftlicher Vergleich von Ruttkays Mondsee-Typologie 1997 (nebenstehende Abbildung) mit jener aus 1990 (siehe gleich weiter oben) zeigt eine völlig veränderte Form der typischen "Mondsee-Krüge" im Abschnitt 2 der „klassischen Periode“ der Mondsee-Gruppe.

Ruttkay 1997, E.: Jungneolithische Furchenstichkeramik im östlichen Mitteleuropa (FS B. Hänsel). Espelkamp-Berlin, 1997:165–180.

  • Fußnote 3: „Seit 1989 beschäftigt sich ein interdisziplinäres FWF-Projekt mit den jungneolithischen Pfahlbausiedlungen der Mondsee-Gruppe. Eine der den Archäologen gestellten Fragen lautet: Wie ist die gesamte Gruppe entstanden? Um diese Frage beantworten zu können, sind chronologische Untersuchungen der Mondsee-Ware und auch der ihr verwandten Keramiken erforderlich. Dieser Beitrag ist Teil des Forschungsvorhabens.“

Ruttkay 1999, E.: Die Mondseegruppe. In: Preuß, J. (Hrsg.): Das Neolithikum in Mitteleuropa. Bd. 1/2 Übersichten zum Stand der Forschung; Kapitel IX: Älteres Jungneolithikum im Gebiet der östlichen Ausläufer der Alpen, Abschnitt 4. Beier & Beran Weissbach 1999:344–350.

→ BEARBEITUNG OFFEN: Älteres Jungneolithikum: Anfangphase (unbemaltes Lengyel, Epilengyel, Frühes Kupfer); Entwickelte Phase (Mährisch-Österreichisches Baalberge, Furchenstichkeramik, Geschlossene Komplexe mit Kupfer - Stollhof, Scheibenhenkel); Die Mondseegruppe (Materielle Kultur und chronologische Einordnung – mit Gruppenkalibration: 3700–3100, Frühe Metallurgie)

Verzierungsmuster Mondseekeramik links: Bauchmuster, rechts Halsmuster

Ruttkay 1999, E.: In: Preuss, J. (Hrsg.), Das Neolithikum in Mitteleuropa. Bd. 2, Kulturübersichten in alphabetischer Ordnung. Beier & Beran Weissbach 1999

  • hier geht es zum Transkipt der → Mondsee-Gruppe (18.4.2014: 70¾)
    • Ruttkay: „Die jungneolithische Mondsee-Gruppe ist eng verwandt mit der → Pfyner Kultur, der → Altheimer Kultur und anderen Gruppen des Nordalpinen Kreises nach Driehaus. Pfyn und die Mondsee-Gruppe sind durch die frühe Kupferverwendung und Kupfererzeugung ausgezeichnet. Als Erbauer von Pfahlbausiedlungen (Feuchtbodensiedlungen) gehört die Mondsee-Gruppe zu einem zirkumalpinen Kreis von jungneolithischen Kulturen wie die Pfyner Kultur, der Cortaillod-Chassey-Lagozza-Komplex, die späte Cultura di vasi a bocca quadrata und frühes Laibach. Diese sind nicht nur durch ähnliche Siedlungsgewohnheiten, sondern durch eine allgemeine kulturmorphologische Verwandtschaft miteinander verbunden. Der Ursprung der kennzeichnenden reichen Verzierung der Mondsee-Keramik ist noch unbekannt.“
  • Preuß 1999, J.: Balaton-Lasinja-Kultur
    • Ergänzend zum Beitrag N. Kalicz (Kap. B VIII): … Die mit dieser Kultur zu verbindende Siedlungsdichte wird mit einer Einwanderung aus dem nördlichen und mittleren Balkan erklärt. Die in der materiellen Kultur festzustellenden Veränderungen gegenüber der vorausgehenden Lengyel-Kultur, die allerdings ihre Spuren im Fundgut hinterlassen hat, widerspiegelt diese Vorgänge recht anschaulich. Letzten Endes ist die Herausbildung dieser Kultur Folge der im Schwarzmeergebiet wirksam gewordenen „Steppenbewegungen“, die eine Kettenreaktion von Migrationen ausgelöst und im Pontus-Gebiet selbst zur Entstehung der Cernavoda I-Kultur geführt hatten.

Prehistoric lacustrine villages on the Austrian lakes 2004

Keramikauswahl der Mondsee-Gruppe. 1–6: Mondsee I; 7–13: Mondsee II: Strasil-Grafik n. Lochner 1997, Bachner 2002

Ruttkay 2004, E.; Pernicka, E.; Pucher, E.; Cichocki, O.: Prehistoric lacustrine villages on the Austrian lakes – Past and recent research developments. In: Menotti, F. (ed.): → Living on the Lake in Prehistoric Europe: 150 Years of Lake-Dwelling Research. Roudtlege London und New York 2004:50-68.

Ruttkay bemerkt zur Datierung, dass diese wegen fehlender Stratigraphie „nur nach Typologie oder grob durch Radiokarbondatierung erfolgen kann. 1981 wurde der umfangreiche Keramikbestand durch Ruttkay in drei neolithische Stufen (Mondsee I – III) eingeteilt. Davon sind die bronzezeitlichen Funde (Abtsdorf I, Seewalchen I) durch eine Siedlungsunterbrechung von über einem Jahrtausend getrennt. Es gibt jedoch moderne Informationen: zwei aufeinanderfolgende, gut dokumentierte Schichten der Station See am Mondsee aus Offenbergers Ausgrabung. Leider ist das Material dieser Ausgrabung, einschließlich der geborgenen Funde, noch nicht ausgewertet.“ Die Gruppenkalibrierungen der Pfahlbaustationen am Mondsee und Attersee ergaben Werte von 3700–3100 cal. BC. Der erste Horizont markiert den Beginn von Mondsee I im 38. Jh. v. Chr.; der zweite markiert die Blütezeit von Mondsee in der Mitte des 4. Jt. v. Chr.

„Das Vorhandensein von für Mondsee charakteristisch erscheinenden Waren an einem anderem jungneolithischen Fundplatz bestätigt noch nicht die Zugehörigkeit des Fundplatzes zur Mondsee-Gruppe. B. Ottaway hat dies mit Neutronenaktivierungsanalyse von Proben aus Götschenberg bei Bischofshofen eindeutig nachgewiesen. Bei den Mondseer Waren am Götschenberg handelt es sich um Importkeramik. Diese Entwicklung stellt einige Karten der Mondsee-Gruppe stark in Frage."

Die Seeufersiedlungen zeigen eine ausgeprägte "Industrialisierung" der Kupferverarbeitung. Die metallurgischen Aktivitäten in den Pfahlbausiedlungen sind kein improvisiertes Nebengewerbe der einheimischen Bauern, was insbesondere für die Mondseegruppe gilt. Hier sind 160 Gusstiegel dokumentiert. Pernicka erkannte mittels 70 Analysen das arsenhältige und sonst reine „Mondseekupfer“. Die Kupfer-Verarbeitung von Kupfer durch die Mondseer scheint besonders profitabelgewesen zu sein. Mondseer Kupfer wurde auf Gusstiegelfragmenten in der Umgebung von Prag und Mittelmähren gefunden. Erhebliche Mengen arsenhaltigen Kupfers erreichten die Trichterbecherkultur zw. 3800/3700 und 3300 cal. BC. Betrachtet man den gesamten Komplex der neolithischen Funde aus den Pfahlbausiedlungen der Salzkammergutseen, so war der allgemeine Wohlstand der Bewohner unübersehbar. Dies wird durch den Reichtum an Kupferäxten und Kupferdolchen (es sind 37 Äxte und 11 Dolche dokumentiert) eindrucksvoll belegt. Um dies richtig einzuschätzen, sollte ein Vergleich mit dem Fundkorpus der typologisch verwandten Altheimer Gruppe angestellt werden.

Die Pfahlbau-Leute werden oft als "Pfahlbauern" bezeichnet. Am Mondsee trifft dies nicht ganz zu. Die auffälligsten Elemente der archäologischen Mondseer Überlieferung sind die Metallfunde und die lokale Kupferverarbeitung. In der Sozialstruktur deutet dies auf eine funktionale "Kupfergießerzunft" hin. Es muss jedoch betont werden, dass die Kupferverarbeitung im 4. Jt. v. Chr. in Mitteleuropa nicht ohne eine Ausbreitung der Metallurgie aus dem Balkan und den Karpaten denkbar ist.

Es gibt zwei regionale Konzentrationen von Metallfunden: im Salzkammergut mit dem Mondsee und in der Ostschweiz v.a. um den Bodensee und den Zürichsee, also dem Gebiet der Mondsee-Gruppe und der Pfyner Kultur. Die Metallzusammensetzung dieses Horizonts ist ziemlich einheitlich: arsenhältiges Kupfer ohne andere Nebenelemente. Diese Kupferart ist während dieser Periode auch im Karpatenbecken ebenso wie rund um das Schwarze Meer sehr häufig. Da kein größeres alpines Kupfervorkommen bekannt ist, das nur mit Arsen vergesellschaftet ist, ist die Herkunft des Erzes, aus dem das Mondseekupfer gewonnen wurde, ungewiss.

Die Mondseer Tierhaltung ging nicht über ein sehr primitives Niveau hinaus. Die Rinder der Mondsee-Fauna waren im Vergleich zur zeitgenössischen Fauna des angrenzenden Donauraums auffallend klein. Die Größenunterschiede zwischen Donau- und Alpenrind sind auf die Existenz von zwei verschiedenen Rassen zurückzuführen und nicht auf lokale Gegebenheiten Das Mondseer Hausvieh ist auf die (süd)westliche Zuchtgemeinschaft (Chassey-Cortaillod-Lagozza-Gruppe) zurückzuführen.. Erfolgreiche Landwirtschaft erfordert Tierrassen, die unter den lokalen Bedingungen nicht leiden, sondern ihnen gut angepasst sind.

„Diese Anpassung konnte von den Bauern nicht in einem kurzen Zeitraum erreicht werden. Sie war das Ergebnis eines Selektionsprozesses, der damals mehr durch die Natur als durch gezielte Züchtung bestimmt war. Zusammen mit der Art der Tiere musste sich auch die Erfahrung mit ihrer Haltung entwickeln. Dieses besondere biologische Wissen entwickelt sich unter vorindustriellen Bedingungen in der Regel als Tradition, die von Generation zu Generation weitergegeben wird. Dies erklärt, warum die Fauna weit weniger im Mittelpunkt von Handel und Austausch stand als andere Gegenstände wie Töpferwaren und andere kurzlebige Modeaccessoires. Einmal übernommen, blieb die Fauna in der Regel jahrhundertelang in einem Gebiet und entwickelte sich nur allmählich weiter. Es besteht keine Notwendigkeit, die vollständige Isomorphie von Wirtschaftssystemen und archäologischen Einheiten zu postulieren.“


Pfahlbaustationen in Gemeinde Seewalchen nach Czech 1984

Ruttkay 2005, E.: Seewalchen am Attersee. In: Reallexikon Germanischer Altertumskunde. Gruyter Berlin–New York; Bd. 28, 2005:68–74.

Mit dem folgenden Link wird ein stark komprimiertes Exzerpt dieses Artikels zu → Seewalchen am Attersee gebracht.

Die Funde zeigen eine jungsteinzeitliche Siedlung der Mondsee-Gruppe aus dem 4. Jt. v. Chr. und eine Siedlung der ausgehenden jüngeren Frühbronzezeit um 1650–1500 v. Chr. an.

1947 wurde die Station erstmals durch die Prähistorische Abteilung des NHM vermessen. Die späteren Taucharbeiten des BDA wurden nicht fertiggestellt. Es liegen keine Umriss- und pfahlgerechte Vermessung vor. Weiters gibt es den Verlust eines Großteils der Funde und das Fehlen von C14-Daten. Trotzdem ist Seewalchen neben See/Mondsee die zweitwichtigste Station im Salzkammergut, die auch durch Funde der ausgehenden jüngeren Früh-Bronzezeit ausgezeichnet ist.

Nach Fundanalyse Willvonseders existierte in Seewalchen ein jungneolithisches Dorf der Mondsee-Gruppe. Die Station lieferte aber auch noch zahlreiche Bronzefunde der jüngeren Früh-Bronzezeit bis in die anfängliche Mittel-Bronzezeit und vereinzelte der Spät-Bronzezeit (Urnenfelderkultur). Dass die früh- bis mittelbronzezeitlichen Funde (vornehmlich Nadeln und Randleistenbeile) evtl. an einer flussnahen Stelle (?) geopfert wurden, kann nicht ausgeschlossen werden. Dies ist um so mehr für Seewalchen zu vermuten, weil nach der Überlieferung die Bronzen an einer bestimmten Stelle des Sees im Bereich von Seewalchen I merklich komprimiert auftraten. Die etwa 20 gut erhaltenen früh- bis mittelbronzezeitlichen Nadeln sprechen eher für einen Ort des Kultes als für ein bronzezeitliches Dorf.

Tönerne Tierfiguren See/Mondsee (Franz & Weninger)

Ruttkay 2006, E. & Pucher, E.: Votivfiguren oder Spielzeug? Tierplastiken aus einer Pfahlbausiedlung im oö Mondsee. Das Altertum 51/4, Berlin 2006:229–250.
[Anm.: ist die letzte Arbeit von Elisabeth Ruttkay zu den oö Pfahlbauten.]

Mit Much´s Baggerungen in See/Mondsee wurden 14 kleine tönerne Tierfiguren gewonnen, die ein halbes Jh. später vorgelegt wurden. Die Grabungen des BDA erbrachten 2 weitere Figuren. Sie erscheinen ganz isoliert im 4. Jt. v. Chr., in der figurative Kunst sehr selten ist. Die Analyse erfolgte durch Archäozoologie und Prähistorische Archäologie hinsichtlich der Morphologie der Figuren, um auch Aspekte der Archäosoziologie sowie die mentale Welt der Pfahlbauern zu streifen.

Pucher E.: Zoomorphologische Beschreibung der jungneolithischen Tierplastiken aus dem Mondsee und Bemerkungen zu den darauf erhaltenen Fingerabdrücken. Die Länge der 11 erhaltenen Figuren (5 gingen verloren) liegt zw. 77 und 30 mm und alle sind beschädigt. Die beiden kleinsten sind sicher weibliche Hausschweine, was auch bei den anderen Figuren aufgrund des Rückenkamms zu vermuten ist. Eigentümlicherweise zeigen die Mondsee-Plastiken nur entfernte morphologische Entsprechungen zu den Cortaillod-Figürchen aus Seeberg – Burgäschisee-West. Pucher untersucht vorhandene Fingerabdrücke mit staunenswerter kriminalistischer Akribie und kommt zum Schluss, dass die Figuren höchstwahrscheinlich von Kindern gemeinsam mit zierlichen, erwachsenen Frauen hergestellt worden sind.

Ruttkay, E.: Absolutchronologische Datierungsmöglichkeiten der jungneolithischen Tierplastiken aus dem Mondsee sowie die kulturhistorischen Aspekte der Plastiken. Ruttkay ventiliert mehrere Herkunfts-Möglichkeiten: Cortaillod und Cucuteni-Tripolje (beide seien für die Mondsee-Gruppe zu weit entfernt), NÖ-Bemaltkeramik und Boleráz. Sie neigt zur Meinung, dass die Plastiken einem ganz späten Abschnitt der Boleráz-Gruppe (Arbon-Bleiche 3: 3384–3370 v. Chr.) zugeordnet werden könnten. Damit ergäbe sich „eine Datierung um 3.400 v. Chr. Dies wäre der allerletzte Zeitabschnitt für die noch aktive jungneolithische Pfahlbausiedlung „See“ am Mondsee.“

Ruttkay führt Marija Gimbutas´ „Mythologie Alteuropas“ an, wonach das Schwein das „heilige Tier der Erdmutter“ war, „weil es schnell heranwächst und fett wird und zahllose Nachkommenschaft hervorbringt.“ Ruttkay stellt die Plastiken mit einem Brand eines Kornvorrats in Verbindung und gibt ihnen „eine erhöhte, symbolträchtige Bedeutung als ´Hüter des Vorrats´." Auch Kinder wurden in die Produktion dieser Figuren einbezogen, „um sie für das künftige selbstständige Leben vorzubereiten.“

Ruttkay 2014, Elisabeth (✝); Teschler-Nicola, M; Stadler, P.: → Eine epilengyelzeitliche Speichergrube mit Schädelnest aus Sommerein-Fuchsbicheläcker, Bruck/Leitha, NÖ. Archäologie Österreichs Spezial 3, 2014:149–170.

  • Ruttkay hatte schon 2006 ersucht, eine genauere Datierung des Epi-Lenygel mittels Datierung der Skelettfunde vorzunehmen. Dieser Wunsch Ruttkays wurde ihr posthum mit der vorliegenden Arbeit erfüllt: Die Dauer des Epi-Lengyel ist damit auf 4.115 bis 4025 v.Chr. zu datieren (S. 168: Abb. 17).
    Diese Zeitdauer passt auch deutlich besser zum Ende der Welt Südosteuropas und die damit zusammenhängenden Auswirkungen auf das Lengyel und den Beginn des Epi-Lengyel.

Das FWF-ÖNB-Pfahlbauprojekt von Elisabeth Ruttkay (1989-1995)

  • Univ.-Prof. Dr. Herwig Friesinger (Mai 2013): „… es wäre durchaus wünschenswert, dass in weiterer Folge auch die übrigen Materialien, aufgeschlüsselt in einzelne Publikationen, in den MPK erscheinen. So könnte man eine wissenschaftliche Schuld Österreichs abtragen und den Wunsch von Frau Elisabeth Ruttkay erfüllen, die diese Aufgabe als Lebenszweck ihrer späten Jahre ansah.“ (Vorwort in → MPK Bd. 81, 2013:7)

Hoffnungen von Jahrfünft geförderter Pfahlbauforschung 1989-95

Nachfolgend wird der Bericht von E. Ruttkay in Zs. Arche 1995 zu einem halben Jahrzehnt intensiv geförderter interdisziplinärer Forschungen des → Pfahlbauprojekts von FWF und ÖNB unter dem Titel „Neue Hoffnungen. Das Pfahlbauprojekt von FWF und ÖNB-Jubiläumsfonds“ gebracht, in der auch mehrere Veröffentlichungen (vgl. die folgende Auflistung) zu den Forschungen angekündigt werden. Der Forschungsaufwand betrug 50–70 Personenjahre.

  • Pucher, Erich: Archäozoologische Bestimmung der neu zutage geförderten Tierknochen aus der Station See/Mondsee.
  • Bachner Margit: Erfassung und Untersuchung der Altfunde der Muchsammlung (Wiener Dissertation)
  • Keramikfunde der Grabungen Offenberger und Kunze (Vorlage als Kataloge erfolgt bzw. z.T. im Druck)
  • Antl-Weiser, Walpurga: Die Silices der Station Mondsee (über 2000 Stücke; es gibt bereits Manuskript)
  • Holzer, Veronika: Die Schnüre und Geflechte der Station Mondsee (es gibt bereits Manuskript)
    [Mitarbeit am Pfahlbauprojekt der Prähistor. Abt. des NHM (P1985-HIS), Leitung E. Ruttkay. Grafische Dokumentation Fundmaterialien und wissenschaftl. Aufarbeitung Schnüre und Geflechte der Station Mondsee und Steinbeile und Keramik von Misling I und II.]
  • Obereder 1993, Pernicka, Ruttkay: Metallfunde aus Kupfer und Bronze aller Stationen (Manuskript wird noch bearbeitet)
  • Monographische Bearbeitungen der Attersee-Stationen; Beginn mit der Aufnahme der Stationen von Misling und Seewalchen
  • Kataloge aller Funde: es liegen bereits die Tuschzeichnungen und computermäßig erfassten Kataloge aller Funde vor
  • die Aufarbeitung von Misling durch Veronika Holzer ist fast fertig
  • künftig sollen die neuentdeckten Stationen Abtsdorf 1, 2 und 3, Aufham 2, Kammer, Litzlberg, Litzlberg Nord 1 und 2, Nußdorf) aufgearbeitet werden

Die Berichte werden in den Mitteilungen der Prähistorischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften erscheinen.


Die erzielten Forschungsergebnisse bis 2020

Pawlik 1993, P.: Die botanische Untersuchung der jungneolithischen Feuchtbodensiedlung Station See am Mondsee, OÖ. Teilergebnisse.
Unpublizierter Bericht für das Pfahlbauprojekt.

Pucher 1997, Erich und Engl, Kurt: Studien zur Pfahlbauforschung in Österreich. Materialien I - Die Pfahlbaustationen des Mondsees: Tierknochenfunde. Mitt. d. Prähistor. Komm. Bd. 33. Öst. AdW 1997. 151 Seiten.

→ AUSARBEITUNG OFFEN

Lochner 1997, Michaela: Studien zur Pfahlbauforschung in Österreich. Materialien I – Die Pfahlbaustationen des Mondsees: Keramik. Mitt. d. Prähistor. Komm. Bd. 32, Öst. AdW 1997, 395 Seiten

Bachner 2002, Margit: Die Keramik der Seeuferstation See/Mondsee - Slg. Much, Inst. f. Ur- und Frühgeschichte, Diss., 3 Bände: Text, Katalog, Tafeln; Wien 2002. [Anm.: Doktorat bei Mondsee-Forscher Prof. Herwig Friesinger]

  • Margit Bachner ordnet alles, was Willvonseder, Beninger, Hell, Lippert, Mitterkalkgruber, Schmitsberger je als „mondseeisch“ angeführt haben, zur „Mondseegruppe“. Sie behandelt auf 110 Seiten Text hauptsächlich die Keramik, aber auch die Stein-, Knochen- und Geweih-Artefakte; weiters die organischen Reste, die Kupfergegenstände und die Tierknochenfunde. Mit „aufopfernder“ Hingabe hat Bachner alle verfügbaren Funde mit größter Sorgfalt im Katalog bemaßt sowie morphologisch eingeordnet und auf 133 Tafeln in außerordentlicher Detailgenauigkeit abgebildet.
  • Bachner; S. 86 Zur Herkunft der Mondsee-Kultur: „Neuere Funde belegen eine engere Anknüpfung auch an die Pfyner Kultur, wie beispielsweise mehrere Gusstiegelfragmente aus dem rechtsrheinischen Gebiet der Pfyner Kultur, der Kupferdolch von Schorrenried bei Reute und eine Kupferspirale von Niederwil „Egelsee“ in der Schweiz (Wininger 1981), alles Typen die in der Mondsee Gruppe ebenfalls vorkommen.“

Antl-Weiser 2006, Walpurga: Silexplatten als Grundform für Geräte in der Station See/Mondsee. FS Elisabeth Ruttkay. Arch. Austr. 2006:96-103.
Eine monographische Aufarbeitung des Silexmaterials von See/Mondsee stand 2006 kurz vor dem Abschluss; es blieb aber beim überblicksmäßigen Vorbericht.

  • Die Silexgeräte der Station See/Mondsee sind aus Fragmenten von dünnen Silexplatten hergestellt. Antl-Weiser vermutet als Herkunft Baiersdorf in Bayern, sie können aber auch mit Abensberg verglichen werden. Sie untersuchte aus Plattensilex: 38 Pfeilspitzen, 16 Sichelmesser, 47 Messer und 23 kleinere Werkstücke.

Reiter 2011, Violetta: → Die Steinbeile vom Mondsee/Station See aus der Sammlung Matthäus Much. Diplomarbeit Univ. Wien 2011; 634 Seiten: Bd. 1: 226 S. Text; Bd. 2: Katalog Tafeln 1–99: Bd. 3: Katalog Tafeln 100–199 und Anhang: Zusammenfassung und Lebenslauf. Achtung: 339 MB.

  • enthält auf S. 148 ff. auch Angaben zu → Materialien; mögliche Herkünfte entsprechend M. Götzinger: Götzinger 2008, Michael: Die Steinrohstoffe der Mondseebeile in Studiensammlung d. Inst. f. Ur- und Frühgeschichte der Univ. Wien, Archäologie Österreichs 19/2, 2008:39–42.

Reiter 2013, Violetta: Ressourcenmanagement im Pfahlbau. Technologie und Rohmaterial der Steinbeilklingen vom Mondsee, Mitt. Prähist. Komm. 81, 2 Bände: Text 156 S., Katalog 399 S.

Holzer 2020, Veronika: → Textilfunde aus der Seeufersiedlung See am Mondsee, Prähistorische Forschungen online (Hrsg.: Grömer, K.; Kern, A.: Anthrop. Ges., Wien), Bd. 10, 2020, 60 Seiten.)

  • Der von Dr. Veronika Holzer im Rahmen des „Pfahlbauprojektes“ erstellte Katalog mit der Auflistung aller ca. 100 Textilreste aus See/Mondsee lag seit 1996 druckfertig vor und wurde nun 2020 online veröffentlicht.

Holzer (in Vorbereitung), Veronika: Studien zur Pfahlbauforschung in Österreich. Materialien II - Die Pfahlbaustationen Misling I und Misling II / Attersee. Veröffentlichung geplant in MPK, Österr. AdW, Phil.-histor. Klasse.

Der Weg des Kupfers ins Salzkammergut und seine Metallurgie

Kupfer-Ausbreitung in Zentraleuropa bis in Schweiz

Suter 2013, Peter: Das Leben am See – Wirtschaft, Haus, Handwerk, Verkehr, Austausch. In: → Die Pfahlbauer – Am Wasser und über die Alpen. Archäologischer Dienst des Kantons Bern 2013.

Abb. S. 82: Die Kupfer-Metallurgie kommt in intensivem Ausmaß von SO-Europa um 3800 v.Chr. bis in die Schweiz; sie trifft aus Frankreich aber erst um 2900 v.Chr. in der Schweiz ein.

Die Schweizer Kupfergegenstände (vgl. Gross 2021 Tab. 11) haben eher geringe Arsen-Gehalte von unter 1 %; es gibt eine einzelne Ausnahme bei Hitzkirch um 4.000 v.Chr. (1,9 % As) und drei in der Zeitspanne 3.000-2.700 v.Chr. mit bis 2 % Arsen im nahen Frankreich.


Kupfer-Artefakt-Importe vor 4000 BC aus dem Karpatenbecken nach Mitteleuropa

Noch vor Ende des 5. Jahrtausends werden „abgekupferte“ (kopierte, gespranzte) Steinäxte gefunden: Doppelaxt aus Serpentinit in Cham-Eslen (4300–4000 BC) im Zugersee mit kupfernem Vorbild aus Südosteuropa; ebenso die steinernen „Aichbühler Hammeräxte“ in Oberschwaben (4200–4000 BC) mit Vorbildern aus dem Karpatenbecken (Driehaus 1960).

Etwa zur gleichen Zeit kommen im westlichen Mitteleuropa die ersten importierten (echten) Kupfergeräte auf. In Italien am Oberlauf der Etsch/Adige gibt es eine Reihe von Beilklingen vom Typ Szakálhát (Karpaten-Schwergerät).

Weitere Funde dieses Schwergeräte-Horizonts reichen nördlich der Alpen (v.a. in Österreich) weit nach Westen (alle Angaben nach Mayer 1977): Linz-St.Peter (OÖ; Hammeraxt und Flachbeilklinge), Steindorf (Kärnten, Depot mit 2 Siria-Äxten), Missingdorf (NÖ, Axt vom Typ Jászladány), Mitterretzbach (NÖ, Axt vom Typ Jászladány). Massive Flachbeile aus demselben chronologischen Horizont (Ende 5. Jt. v. Chr.) entdeckte man bis nach Salzburg. (Mayer 1977, Eugen Friedrich: Die Äxte und Beile in Österreich. Prähist. Bronzefunde, Abt. IX, Bd. 9; Beck, München 1977. 295 Seiten.)

Weiters ist der Fund einer fragmentierten Kupferaxt vom Typ Siria aus Überlingen am Bodensee (Baden-Württemberg) anzuführen, ein Schwergerätetyp, der in Gräbern der Bodrogkeresztúr-Kultur (Typus „Aszód“) belegt ist und in denselben Zeithorizont gehört wie die Kupferäxte vom Typ Jászladány. Sie wurde im südlichen Karpatenbecken aus bosnischem oder ostserbischem Erz hergestellt. Neuere 14C-Daten verweisen auf die Zeit 4300–4000 calBC. (Matuschik 1997, Irenäus: Eine donauländische Axt vom Typ Siria aus Überlingen am Bodensee. Prähist. Zs. 2002:81–105.

Weiters eine Kupferahle von Schernau bei Dettelbach (Bayern) kurz nach der Mitte des 5. Jt. v. Chr. mit chemisch südost-europäischer Herkunft. (Lüning 1973, Jens: Der älteste Kupferfund im süddeutschen Raum. Arch. Korrbl. 3, 1973:15–22.

Weiters gibt es Belege für Import von Kupferobjekten im Schweizer Mittelland und in Südwest-Deutschland kurz nach der Wende zum 4. Jt. v. Chr. – eine Gruppe von Objekten mit eindeutigen Bezügen zum Ostalpenraum. Das bekannteste Objekt ist die mit drei Buckeln versehene Kupferscheibe aus Hornstaat-Hörnle IA mit engen Parallelen im westlichen Karpatenbecken, die dendrochronologisch auf 3917–3902 datiert ist (Matuschik 1997). Aus Egolzwil 4 stammt eine massive Beilklinge vom Typ Hartberg, die an den Anfang des 4. Jt. gehört und noch zu den Schwergeräten gehört. Die Beilklinge aus Horw LU-Fondlenhöhe ist typologisch dem Ende des 5./Beginn 4. Jt. zuzuweisen. (van Willigen 2018, S. et al.: → Zwei jungneolithische Äxte aus Kupfer und Stein im Museum Zofingen AG. JB Archäologie Schweiz 2018:23–40.)

Zur überraschenden Verlagerung der Kupfer-Metallurgie innert Europa

Govedarica 2016, Blagoje: → Das Phänomen der balkanischen Kupferzeit. In: Der Schwarzmeerraum vom Neolithikum bis in die Frühneuzeit (6000–600 v. Chr.) Prähist. Arch. in SO-Europa Bd. 30, VML 2016:11–22.

S. 14: Die Spät- oder Hochkupferzeit (4550–4200 v. Chr.) ist auf dem ganzem Ostbalkan einschließlich dem unteren Donaugebiet und der Schwarzmeerküste (Karanovo VI; Varna-Kultur) gut belegt. Diese Phase bildet die Blütezeit der balkanischen Kupferzeit, in der das Tellsiedlungsnetz seine größte Expansion erreicht, die Kupfermetallurgie einen überregionalen Aufschwung erlebt, die Goldproduktion floriert und die Produktion von Salz wahre industrielle Züge annimmt.
Von der erreichten sozio-kulturellen Entwicklung und dem Wohlstand zeugen am besten die Nekropolen Varna I und Durankulak sowie reiche Siedlungen wie Pietrele u. a., ebenso wie die Salzindustrieanlage in Provadia. Todorova und Vajsov schreiben, dass es in Ostserbien, Westbulgarien und Oltenien während dieser Zeit zur vollen Entfaltung des Krivodol-Salcuţa-Bubanj-Komplexes kam.

S. 15: Die Übergangsperiode umfasst zwei sukzessive Phasen: End- oder Finalkupferzeit und den Anfang der Bronzezeit.

  • Die Finalkupferzeit (Übergangsperiode I: 4200–4000 v. Chr.) stellt die letzte Phase der eigentlichen Kupferzeit dar. Kulturprägend ist die Salcuţa III-Kultur mit dem Bubanj-Krivodol-Salcuţa-Komplex im westlichen Schwarzmeergebiet. Keramikformen dieser Kultur treten an der Schwarzmeerküste zusammen mit den Elementen der Spät-Varna-Kultur auf.
  • Mit dem Anfang der Bronzezeit (Übergangsperiode II: 4000–3800 v. Chr.) wird dann endgültig die bisherige Entwicklung beendet, die durch das Verschwinden der eigentlichen Kupferzeit und das Auftreten der Cernavodă I-Kultur und dem Salcuţa IV-Horizont markiert ist.

Verbreitung von Kupferartefakten 4600–4400 v.Chr.

Schier 2016, Wolfram; Rosenstock, Eva; Scharl, Silviane: → Ex oriente lux? – Ein Diskussionsbeitrag zur Stellung der frühen Kupfermetallurgie Südosteuropas. In: Von Baden bis Troja – Jubiläumsschrift für Ernst Pernicka. ÖstAdW, VML 2016:59–122. (Die Grafiken wurden von Dr. Stefan Suhrbier erstellt.)

Frühe Kupferzentren im Vinča-Gebiet und später im Gebiet von Varna und der „Kodžadermen-Gumelniţa-Karanovo VI Kultur“ an der Schwarzmeerküste – die spätestens im 43 Jh. endeten – hatten umfangreiche und hoch-qualitative Kupferproduktionen. Später konzentrierten sich die kreuzschneidigen Axthacken und jüngeren Hammeräxten auf die nördlichere Bodrogkeresztúr-Kultur. Diese lässt sich nach neuen 14C-Daten auf die Zeit 4250–3950 calBC datieren.

In den letzten zwei Jahrhunderten des 5. Jt. (Abb. 12) lässt sich ein großer zusammenhängender Verbreitungsraum mehrerer hunderter kupferführender Fundstellen erkennen. Er reicht von NW-Bulgarien und Ostserbien bis nach Nordmähren. Sein Kernbereich umfasst Siebenbürgen und die Osthälfte des Karpatenbeckens, er lässt sich im Wesentlichen mit der Bodrogkeresztúr-Kultur assoziieren. Der westpontische Raum, von Thrakien bis zur Dobrudscha, ist hingegen weitgehend fundleer, in diese Zeit fällt die „Übergangsperiode“ nach dem Ende der bulgarischen Spätkupferzeit und der südrumänischen Gumelniţa-Kultur.

Im Zeitraum 4000–3800 (Abb. 13) ist erneut eine deutliche Verlagerung der Dichtezentren zu erkennen. Während Siebenbürgen und das Theißgebiet nur wenige Kupferfunde aufweisen, findet sich eine starke Konzentration im Raum Westslowakei-Mähren, eine weitere in Mitteldeutschland. Erstmals treten Kupferfunde jetzt im südwestdeutsch-schweizerischen Raum auf. Moderate Verdichtungen bestehen weiterhin in Kroatien, außerdem im Bereich der Cucuteni AB-Kultur zwischen Ostkarpaten und Dn’estr sowie der Tripol’e B2-Kultur am mittleren Dn’epr.

Verbreitung von Kupferartefakten 3800–3600 v.Chr.

Zwischen 3800 und 3600 (Abb. 14) bleiben Verbreitungsschwerpunkte von Kupferartefakten in der Westslowakei und Mähren sowie in Mitteldeutschland bestehen, während sich die größte Verdichtung im Raum zwischen Bodensee und Schweizer Mittelland ausmachen lässt. Aus zahlreichen Uferrandsiedlungen der Pfyner und Cortaillod-Kultur sind nicht nur Kupferkleinartefakte, sondern auch Gusstiegel und sonstige Spuren lokaler Produktion nachgewiesen, häufig dendrodatiert. Die Zone nordalpiner Kupferproduktion lässt sich nach Osten bis zur Mondseekultur verfolgen. In Südosteuropa ist eine gewisse Fundkonzentration im östlichen Siebenbürgen zu verzeichnen, die nach Norden ins Gebiet der Cucuteni B-Kultur ausstrahlt und im Süden mit einzelnen Fundpunkten bis Thrakien reicht.

Während der letzten hier betrachteten Zeitscheibe 3600–3400 (Abb. 15) bestehen weiterhin Verdichtungsräume in der Westslowakei, Mähren und in Mitteldeutschland (Einzelfunde von Flachbeilen), wohingegen das Karpatenbecken und Südosteuropa weitgehend fundleer erscheinen. Einzig im Bereich der Tripol’e C1-Siedlungen am mittleren Dn’epr lässt sich eine kleinräumige Fundkonzentration ausmachen. Die südwestdeutsch-schweizerische Fundkonzentration ist in dieser Zeitscheibe verschwunden.

Es wird unerwartet deutlich, dass die Verbreitung von Kupferartefakten und die mit ihnen verbundenen metallurgischen Kenntnisse und Fähigkeiten keine lineare Diffusion zeigen. Dichtezentren lösen sich ab; neu auftretende Verdichtungen sind mit einem Rückgang früherer benachbarter Schwerpunkte verbunden. Besonders deutlich ist dies mit der Verlagerung des bulgarisch-westpontischen Schwerpunkts (4600–4200) nach Siebenbürgen und das Karpatenbecken 4200–4000 und erneut um 4000 BC in den slowakisch-mährischen Raum.

Die Ausbreitung der Kupfermetallurgie nach Mitteleuropa

Erst als Kupfer gesellschaftlich etabliert war, breitete sich die Kupfermetallurgie und das Wissen um die technischen Prozesse auch Richtung Mitteleuropa aus. Bis in die zweite Hälfte verlief eine Ausbreitungsgrenze durch Transdanubien. Bereits in der ersten Hälfte des 5. Jt. spielte Kupfer östlich der Theiß und im südlichen Transdanubien eine Rolle. Während Kupfer in Tiszapolgár und Bodrogkeresztúr einen festen Platz hatte, kam Kupfer in der nordwestlichen Lengyel-Kultur eine völlig untergeordnete Rolle zu.

Erst als es in der zweiten Hälfte des 5. Jt. v. Chr. zu deutlichen Veränderungen in der nordwestlichen Lengyel-Kultur kommt, gewinnen dort auch Kupfer (v. a. Schwergeräte) und die Kupfermetallurgie an Bedeutung. Auch wenn zahlreiche Kupferfunde dieser Zeit und Region Einzelfunde sind, weisen die räumliche Konzentration und regional abgrenzbare Formen auf eine eigenständige Kupfermetallurgie in den Westkarpaten hin.

Gleichzeitig verändern sich Ende des 5. Jt. v. Chr. die genutzten Kupferquellen. Die Artefakte sind nun aus westslowakischem Kupfer hergestellt, dem sogenannten Nógrádmarcal-Kupfer.

Erst jetzt verbreitet sich diese Innovation weiter nach Westen und es gibt eine pyrotechnische Verarbeitung von Kupfer in Bisamberg-Oberpullendorf, Keutschacher See und Makotřasy (Tschechien). Aus Bisamberg-Oberpullendorf stammt Keramik, die mit dem Fragment eines Gusstiegels vergesellschaftet war. die Keramikfunde verweisen auf das 41. Jh. v. Chr. Aus gleicher Zeit stammen Gusslöffelfragmente mit anhaftenden Kupferrückständen aus der Feuchtbodensiedlung vom Keutschacher See (14C-Daten zeigen 4100–3700, Dendrodaten 3947–3871 v.Chr.)

Die Phase des Imports von Kupfergegenständen aus Südosteuropa und anschließend aus dem westkarpatischen Raum wird im Lauf des 39. Jh. v. Chr. schließlich von der eigenständigen Produktion lokaler Formen aus einer neuen Kupferart – dem Mondseekupfer – abgelöst, das sich durch seinen Arsengehalt auszeichnet. Im Bereich der Pfyner und der Mondsee-Kultur lässt sich nun eine lokale Kupferproduktion fassen, die u. a. durch Gusstiegelfunde, Rohlinge, Halbfabrikate und Schleifwerkzeuge belegt ist. Nachweisbar ist v. a. die Herstellung lokaler Flachbeilformen,. [Daneben sind in geringerer Zahl aber auch Dolche, Ahlen, Meißel oder Schmuck in Form von Hakenspiralen belegt. Einzelne Typen belegen das Fortbestehen der Kontakte in den südosteuropäischen Raum anhand formaler Ähnlichkeiten.

Der Weg zur und die Kupfer-Metallurgie

Der Beginn der Kupfermetallurgie, der die pyrotechnische Verarbeitung von Metallen einleitet, ist ein grundlegender Schritt in der Menschheitsgeschichte. Bei diesem Innovationsprozess und dem damit verbundenen Technologietransfer sind sowohl technische als auch gesellschaftliche Voraussetzungen zu berücksichtigen, die beide eine conditio sine qua non darstellen.

Bei der frühen Herstellung neolithischer Keramik wurden Temperaturen zwischen 500 und 800°C erreicht. Erst für die Produktion sehr hart gebrannter und polychromer Keramik, wie sie am Ende des 6. Jt. v. Chr. im Bereich ab der Stufe Vinča B in Südosteuropa auftritt, sind der Einsatz von Reduktionstechniken sowie Temperaturen im Bereich von 850 bis 1100°C nötig, die nur in zweikammerigen Brennöfen und die Verwendung von Holzkohle erreicht werden können. Lochtennen, die die Existenz solcher Öfen bestätigen, liegen ab der Stufe Vinča C (ca. 5000–4750 calBC) aus Rumänien und Nordbulgarien vor. Der derzeit älteste direkte Beleg für Kupferverhüttung ist der Schlackebrocken aus der Siedlung von Belovode/Serbien, der um 5000 v. Chr. datiert wird.

Haubner 2020, Roland: → Die prähistorische Kupfermetallurgie – allgemeine Betrachtungen. Berg Huettenmaenn Monatsh Vol. 166 2021:343–351.

  • Die Rituale zur Metallgewinnung wurden durch mündliche Überlieferung weitergegeben. Eine solche Werkanleitung könnte bei den metallurgischen Handwerksmeistern etwa gelautet haben: „Suche die bunten Steine und sammle sie ein. Mach diese bunten Steine im Feuer so heiß, bis das rote unzerbrechliche Material entsteht!“ (bei oxydischen Erzen). Oxidische Kupfererze lassen sich leicht mit Kohlenstoff zu metallischem Cu reduzieren. Dies kann einfach in einem Tiegel oder Herd im Holzkohle-Feuer erfolgen. Von der Dauer des Reduktionsschritts ist es abhängig, wieviel Sauerstoff im Cu gelöst bleibt und somit wieviel Cu-Cu2O Eutektikum gebildet wird. Durch das Vorliegen eines Eutektikums kann bereits beim Schmelzpunkt von Cu (1085 °C) eine vollständig aufgeschmolzene Legierung erhalten werden. Aus der Mondseekultur sind Cu Gegenstände mit Cu-Cu2O Eutektikum im Gefüge bekannt. Eine vollständige Entfernung von Sauerstoff aus der Schmelze war zu dieser Zeit nicht möglich – wobei aber enthaltenes Arsen als Desoxidationsmittel wirkte, dadurch aber der Schmelze verloren ging.
  • Fahlerze als Erzbasis erfordern bereits einen zweistufigen Prozess, um metallisches Kupfer (Cu) herzustellen. Chemisch müssen die Elemente Schwefel (S) und Arsen (As) oxidiert und das Cu reduziert werden. Um Schwefel aus dem Erz zu entfernen muss es „geröstet“ werden, dabei bildet Arsen gasförmiges As4 oder As2, welches abdampft. Von den Sulfiden reagiert zuletzt Cu2S. Nur wenn gleichzeitig metallisches Cu und gasförmiges As vorliegen, wird Cu3As gebildet. Dieses ist weitgehend stabil und zersetzt sich erst, wenn Cu zu Cu2O oxidiert wird. Nur dieses As verdampft während der Weiterverarbeitung durch Schmelzen und Gießen nicht. In der Praxis bedeutet dies, dass beim Rösten ein Großteil des Schwefels zu SO2 reagiert, Cu2O gebildet wird und As abdampft. Im nachfolgenden Reduktionsschritt des Cu2O mit Kohlenstoff aus Holzkohle wird noch vorhandenes As in der Schmelze aufgenommen, und es entstehen Arsenbronzen. Es ist von der Prozessführung abhängig, wieviel As in die Bronze eingebaut wird. Fehlerze werden in der Schweiz erst ab dem Ende des 4. Jt. abgebaut und verhüttet.

Mödlinger 2019, M.; Haubner, R.: → Arsenic loss during metallurgical processing of arsenical bronze. Archaeol. Anthropol. Sci. 11, 2019:133–140.

  • Die Verluste von Arsen aus einer As-Cu-Legierung sind beim Schmelzen und Erstarren unter oxidierenden Bedingungen (also Luft-Sauerstoff) ziemlich hoch und nehmen bei höheren Arsen-Gehalten überproportional zu. Bzgl. des Arsenverlustes bei prähistorischem Recycling sind zu berücksichtigen: chemische Zusammensetzung des Metalls; Zusammensetzung der zusammenzuschmelzenden Metalle; Schmelz- und Gießbedingungen (Temperatur, Atmosphäre, Zeit) und die Geometrie der recycelten Metallobjekte, des Tiegels und der Gussform.

Die "phänomenalen" Eigenschaften von geschmiedetem Arsen-Kupfer

Härte wg. Δ-Dicke-% durch Kaltschmieden; As-Kupfer 2–3-mal härter als pures Kupfer; bearbeitet nach Ottaway (diese nach Tylecote)

Ottaway 2014, Barbara; Heeb, Julia: → Experimental Archaeometallurgy. In: Archaeometallurgy in Global Perspective: Methods and Syntheses. New York: Springer. 2014:161–192.

S. 176: Die früheste Kupferlegierung in Europa war arsenhältiges Kupfer, erst ein Jahrtausend später folgte Zinnbronze. Archäologische Nachweise werden nur durch Metallanalysen erbracht. Ein Blick auf die nebenstehende Abbildung zeigt, dass einer der Gründe für das Legieren ein rein technischer sein könnte, nämlich die Verbesserung der Eigenschaften. So lässt sich beispielsweise die Härte von reinem Kupfer durch Kaltschmieden nicht so stark erhöhen wie durch Bearbeitung von legiertem Kupfer (vgl. die Verdopplung bis Verdreifachung der Härte von geschmiedetem Arsenkupfer gegenüber purem Kupfer in der nebenstehenden Abbildung). Wie in der Abbildung extra herausgearbeitet, ist der Härte-Anstieg bereits bei nur geringem Kaltschmieden viel steiler als bei purem Kupfer.

Die Attraktion des Arsen-Kupfers ergab sich also nicht durch die materielle Zusammensetzung selbst, sondern vor allem durch die Arbeit der Schmiede: durch die Kaltverformung wurden die Schneiden der Beile (Messer usw.) bedeutend härter als bei reinem Kupfer.

Weitere Punkte, die für legiertes Arsen-Kupfer sprechen, sind der niedrigere Schmelzpunkt von Legierungen im Vergleich zu reinem Kupfer und die Verringerung der Porosität mit zunehmenden Legierungselementen. Planschliffe von arsenhältigem Kupfer zeigen mit ansteigendem Arsengehalt eine frappant inverse Beziehung zur Porosität des Metalls, was besonders beim Nachschärfen von Beilen und Messern (keine Lunker im Metall) von ausschlaggebender Bedeutung ist.

Eigenschaften von Arsen und Kupfer → keine "künstliche Legierung" möglich

Schroeder 2015 et al.: → Problematik, Klinik und Beispiele der Spurenelementvergiftung – Arsen Toxichem Krimtech 82(3); 2015:327–339.
→ Arsen-Dämpfe sind ziemlich giftig!


Pernicka 2011, E.; Meliksetian, K. et al.: → Chemical, Iead isotope and metallographic analysis of extraordinary arsenic-rich alloys used for jewellery in Bronze Age Armenia. Metalla, Archaeometallurgy in Europe III, Bochum 2011.

Bisher wurden einige kleine Kupfer-Perlen aus Maikop mit 18–21 Gew.-% As gemeldet (Ravich & Ryndina, 1995).

"In Anbetracht der Tatsache, dass Arsen ein extrem flüchtiges Element ist, das sich beim Schmelzpunkt von Kupfer (1085 °C) in der Gasphase befindet, ist die Herstellung von Cu-As-Legierungen sicherlich eine problematische Aufgabe. Obwohl die Temperatur des Eutektikums im Cu-As-System viel niedriger ist (685 °C für eine Schmelze mit einem As-Gehalt von 21 %), liegt sie doch weit über dem Sublimationspunkt von Arsen (615 °C), so dass die antiken Handwerker eine fortschrittliche Schmelztechnik angewandt haben müssen, um solche ungewöhnlichen Legierungen herzustellen."


Junk 2003, Margrit: → The Influence of Arsenic on the Properties of Copper. In: Material properties of copper alloys containing arsenic, antimony and bismuth. Diss. Univ. Freiberg; 274 Seiten, 2003:19–26 (The influence of arsenic on copper).

  • p. 172, Fig. 8.2: Kaltverformung von Kupfer und Arsenkupfer (Vickers Härte: 55 → 140 VH bei 20 % Verformung; 55 → 160 VH bei 60 % Verformung: es kommt also zu einer Verdreifachung der Härte gegenüber Kupfer)

Arsen-Kupfer ist deutlich härter und zäher als pures Kupfer. Es ist einfacher gießbar und kann mit Gussformen in Massenproduktion hergestellt werden. Von besonderer Bedeutung ist, dass es z. B. bei Beschädigung als Neu-Guss zur Gänze wiederverwendbar ist, ohne dass die Qualität darunter leidet - wenngleich dabei Arsen verloren geht.


Der Schmelzpunkt von Kupfer liegt bei 1085 °C.

Arsen sublimiert bei einer Temperatur von 615 °C, geht also aus dem festen Aggregatzustand direkt in die Gasphase über (und verdampft).

Das spezifische Gewicht von Kupfer beträgt 8,9 kg/dm3, jenes von (metallischem) Arsen 5 kg/dm3; d.h. (noch) festes Kupfer geht in flüssigem Arsen (mit 615 °C) unter - während das Arsen bei weiterem Erhitzen sublimiert.

Deshalb konnte "Arsen-Kupfer" nicht durch künstliches Legieren hergestellt werden. Wollte man Kupfer durch Beifügung zu flüssigem Arsen legieren, würde sich flüssiges Arsen über dem noch festen Kupfer befinden und verdampfen. Würde man metallisches Arsen zu flüssigem Kupfer von rd. 1100 °C hinzufügen, würde dieses auf dem schwereren Kupfer schwimmen und ebenfalls verdampfen.

Zudem verbrennt Arsen bei über 180 °C an der Luft (von selbst) mit bläulicher Flamme zu einem weißen Rauch von giftigem Arsen(III)-oxid (Arsenik). Arsen-Stäube sind leicht entzündlich. In natürlich vorkommender Legierung ist Arsen weniger und nur unter oxidierenden Bedingungen flüchtig.

Maikop-Kupfer und dessen Arsen-Gehalt (bis ≤ 10 %)

Untersuchte Maikop-Kupfergeräte

Einen guten Überblick zu kaukasischem Arsenkupfer gibt Alistair Pike (Britisches Museum): → Analysis of Caucasian metalwork – the use of antimonal, arsenical and tin bronze in the Late Bronze Age In: Ancient Caucasian and Related Material in the British Museum. The British Museum, London 2002:87–92.

In der Archäologie wird Fahlerz auch manchmal als Synonym für Arsenbronzen verwendet, wie sie besonders in der Frühen Bronzezeit gebräuchlich waren. Im Kaukasus stand Fahlerz natürlich an, während es an Zinn mangelte, daher wurde es hier bis zum Ende der Bronzezeit bevorzugt genutzt.

S. 90: Das Vorhandensein von Arsen in Kupfer erhöht die Härte des Metalls und wirkt außerdem als Antioxidantium, das die Bildung von Gasporen beim Gießen verringert. Der Arsengehalt der Gegenstände variiert von keinem bis zu 5,5 %, mit einem Mittelwert von etwa 2,5 %. Der "ideale" Arsengehalt liegt bei 4–5 %, was den besten Kompromiss zwischen Härte und Elastizität darstellt. Arsen entweicht beim Erhitzen rasch aus arsenhaltigem Kupfer in einer oxidierenden Umgebung.

Arsenkupfer mit 1–3 % Arsen hat eine rote Farbe, mit 4–12 % Arsen eine goldene Farbe und mit 12–18 % eine silberne oder graue Farbe. Die gegossenen Gegenstände aus arsenhaltigem Kupfer haben einen höheren Arsengehalt (3-5 %) als die bearbeiteten Dolchklingen aus arsenhaltigem Kupfer.


Arsen-Spektralanalysen Maikop und Novosvobodnaia

Selimkhanov 1962, Isa R. bringt in: → Spectral analysis of metal articles from archaeological monuments of the Caucasus. Proc. of the Prehistoric Society, Vol. 28, 1962:68–79: die Ergebnisse von 27 Analysen von Artefakten aus dem Maikop-Kurgan. Fast durchgängig wird arsenhaltiges Kupfer mit 3-10 % Arsen verwendet.

Wie der nebenstehenden Tabelle zu entnehmen ist, beträgt der durchschnittliche Arsengehalt der Gegenstände aus dem Maikop-Kurgan 5,5 % und maximal 9,1 %; jener aus dem späteren Novosvobodnaia-Kurgan 4,9 %; ohne den Ausreißer mit 0,7 % As beträgt er 5,3 % und maximal 10,0 %.
Aus der Tabelle ist auch die außerordentliche Reinheit des Kupfers hervorzuheben: andere Elemente kommen nicht einmal im Promille-Bereich vor.

Andere Fundstellen am Kaukasus lieferten folgende Arsengehalte im Kupfer: Kiultepe (Türkei) durchschnittlich 3,8 %, maximal 6,1 %; Shengavit (Armenien) durchschnittlich 2,7 %, maximal 3,1 %; Gräber in Dagestan durchschnittlich 1,9 %, maximal 2,5 %.

Mondseer Arsenkupfer aus Maikop; Bezugsende mit Novosvobodnaija

Ravich 1995, Irina; Ryndina, Natalia: → Early Copper-Arsenic Alloys and the Problems of their Use in the Bronze Age of the North Caucasus. Japan Inst. of Metals: Bull. of the Metals Museum, Vol. 23, 1995:1–18. (Researchers of All-Union Inst. of Conservation, Moskau)

Die Farbe der Arsenkupfer-Legierung ist rötlich bei einem Arsengehalt von 1–3%, golden bei 4–12% und silbern bei 12–18%. Ausgehend von reinem Kupfer mit einer Brinell-Härte von 50, steigt die Härte (noch ohne Kalt-Verformung) auf 90 bei einem Anteil von 10 % Arsen.

Besonders durch Kalt-Verformung kommt es bei einer Reduktion der Dicke des Metalls von: 0% – 40% – 80% zu einer deutlichen Zunahme der Härte: bei 2% Arsengehalt: 50 – 120 – 160 kg/mm²; bei 4% Arsengehalt: 60 – 145 – 200 kg/mm²; bei 6% Arsengehalt: 75 – 170 – 240 kg/mm². [Anm.: Bei Zinn-Bronze mit 5% Zinnanteil werden ganz ähnliche Härte-Werte wie bei 6%igem Arsenkupfer erreicht.]


S. 12: Maikop: Nicht nur die Dolche der Maikop-Kultur wurden nach dem Herstellungs-Schema I hergestellt, sondern auch die Dolche, die zur Usatovo-Kultur gehören. Nach Ryndina und Kon'kova hatten die großen Usatovo-Dolche die gleiche Struktur und die gleiche Art der intergranularen Korrosion wie die Maikop-Dolche. Budd fand auch bei Dolchen der oberösterreichischen Mondseekultur die gleichen Strukturen. Daraus können wir schließen, dass es im CMP-Gebiet und auch in den angrenzenden Regionen Mitteleuropas ähnliche technologische Traditionen der Dolchherstellung gab.

Da die lokalen nordkaukasischen Artefakte (Beile, Schwerter, Kessel, Trensen) weisen die gleichen Verunreinigungen auf wie die oben beschriebenen Dolche, somit können wir annehmen, dass dieses Metall-Zentrum im Nordkaukasus lag.


Novosvobodnaija: Der andere Prozess der Dolchherstellung (Herstellungsschema-Schema II) wurde durch mikroskopische Untersuchung von fünf Artefakten, die in den Dörfern Bamut, Inosemzevo und Novosvobodnaija ausgegraben wurden, beobachtet. Die Dolche hatten schmale dreieckige Klingen mit einer Rinne in der Mitte, die von zwei länglichen Mittelrippen gebildet wurde.

Trotz des ähnlichen Typs und Herstellungsverfahrens wiesen die Dolche unterschiedliche Verunreinigungen auf, einige von ihnen waren reich an Nickel (0,3-1%). Wie bereits erwähnt, enthielten einige der nordkaukasischen Erze Nickel. Wir können also davon ausgehen, dass diese betrachteten Dolche lokal aus anderen Erzquellen hergestellt wurden.

Die Stämme, die die Maikop-Stämme ablösten, unterschieden sich erheblich von ihren Vorgängern in den Bestattungsbräuchen, den keramischen Formen und den Metall-Gegenständen. Die für die Maikop-Kultur typischen Dolche, Kessel und Trensen verschwanden, und neue Ornamente (anders geformte Nadeln, Armbänder, Perlenketten, Metallplatten und Medaillons) traten an die Stelle der früheren Metallgegenstände. Die Funde von Werkzeugen und Waffen sind nicht sehr zahlreich; sie hatten oft Schnurornamente und wurden im Wachsausschmelzverfahren hergestellt, das in dieser Zeit zur Hauptmethode bei der Herstellung von Metallgegenständen wurde. So wie das Metall des Nordkaukasus (der Arsenanteil der Legierungen war mit 3-5% As so hoch wie zuvor), so lassen auch die Zugehörigkeit der nordkaukasischen Artefakte zur lokalen Metallproduktion keine Zweifel aufkommen.

Metallurgische Forschungen zum "Mondsee-Kupfer"

Die Metallurgen Budd, Gross und Schmitz zum "Mondsee-Kupfer" (bis ≤ 10 % As)

bis 11 % Arsengehalt des Kupfers der Funde aus See am Mondsee

Budd 1991, P.: → A metallographic investigation of eneolithic arsenical copper artefacts from Mondsee, Austria. Historical Metallurgy 1991:99–108.

Budd untersuchte 14 Objekte aus der Sammlung Much der Universität Wien: 10 Mondsee-Beile und 2 Dolche; die Arsen-Gehalte schwanken einerseits von wenig bis zu 3, 5 und einmalig sogar 10,7 % (vgl. die nebenstehende Tabelle).

Das ist deshalb so relevant, weil hohe Arsengehalte von Kupfer in Europa äußerst selten sind. In der Stuttgarter Datenbank von Pernicka kommen Arsengehalte über 3 % nur mit drei Prozent und Arsengehalte über 5 % nur mit einem Prozent vor.


Gross 2021, Eda et al.: → Diversity of resources and volatility of metallurgical networks—multi‑methodological provenance analysis of neolithic and EBA‑copper‑artefacts from Switzerland and eastern France. In: Archaeological and Anthropological Sciences (2021), 34 pages. [ 34 x „Mondsee“]

Die untersuchten Schweizer Kupfergegenstände haben durchwegs Arsen-Gehalte, zumeist unter 1 %; es gibt eine einzelne Ausnahme bei Hitzkirch um 4.000 v.Chr. und drei in der Zeitspanne 3.000-2.700 v.Chr. mit unter 2 % im nahen Frankreich.

Die hier gewonnenen Daten zeigen auch deutlich, dass die Axt-Typologie vollständig von der Erz-Provenienz entkoppelt ist, was bedeutet, dass Materialbeschaffung und metallurgische Verarbeitung voneinander unabhängig waren.


Schmitz 2004, Albert: → Typologische, chronologische und paläometallurgische Untersuchungen zu den Kupferflachbeilen und Kupfermeißeln in Alteuropa. Dissertation; Band 1: Text, 668 Seiten. (646 x Arsen. 153 x Mondsee, 6 x Kaukasus, 4 x Maikop, Cortaillod, Pfyn usw.); → Band 2: Programm-Code, Abbildungen, 662 Seiten.

Schmitz 2004 befasst sich in seiner Dissertation intensiv mit dem „Mondseekupfer“ und dessen weiträumiger Verbreitung in Europa. Eine Suche in seiner Dissertation ergab 153 Treffer zu „Mondsee“ und 27 zu "Mondseegruppe".

Insgesamt sind rund 190 Metallfunde der Mondseegruppe bekannt, etwa 75 von diesen, die der Sammlung Schmidt angehörten, sind seit 1945 verschollen.

S. 98: Die Stationen „See“ und „Scharfling“ erbrachten weiters Dolche, gekrümmte Klingen, Spiralen, Pfrieme, Angelhaken, ein Blechfragment, Gussreste und Reste von mehr als 160 Gusslöffeln. 545 ff.: Der Bestand an kupfernen Flachbeilen der Mondseegruppe (vom Mondsee und Attersee) lag per 1989 bei 37 Exemplaren. Es stehen hierzu 37 auswertbare Metallanalysen aus folgenden Fundorten zur Verfügung: Attersee (vier), Seewalchen (vier), Weyregg (vier), Unterach (25). Der Arsengehalt schwankt zwischen 0,5 und 5 (max. 11) %. Schmitz vermutet die Herkunft des Mondseekupfers aus dem Kaukasus. (S. 546:) „Ergänzend ist durch Analysen von Kupferresten aus Gusslöffeln sowie der Gusstropfen selbst nun auch gesichert, dass dieses Kupfer dasselbe wie das der Fertigprodukte ist, die wohl zur Gänze in den Stationen der Mondseegruppe erzeugt wurden.“ Charakteristisch ist das verwendete arsenhaltige Kupfer, das von hier aus weitreichend exportiert wurde.

S. 584: „Die erweiterten Handelskontakte führten dazu, dass sich ab dem Ende der Frühkupferzeit II zunehmend Arsenkupfer etablieren konnte. Der Ursprung dieser Technologie kann in östlicher Richtung gesucht werden, ohne nun das genaue Herkunftsgebiet benennen zu können."

Altheim bringt demgegenüber nur 6 arsenhaltige Kupferfunde, darunter ein Flachbeil und drei Pfrieme. Ottaway 1994:238 schreibt: „Diese Funde (aus Altheim) sind zeitgleich und typologisch wie auch z.T. spurenelementarisch denjenigen der Mondseekultur sehr ähnlich.“ (S. 226:) „Im Mondseegebiet, das als Quelle für die sogenannten "Altheimer Beile" diente, kommt der Typ Vinca ebenfalls vor.“

(S. 585:) „… so sind lokale Produktionen in der Schweiz, dem Bodenseeraum, in Westdeutschland, in Südskandinavien und in Polen festzustellen. Das signifikante Material stammt offenbar aus dem oberösterreichischen Raum, so dass sich die von Schubert definierte Materialgruppe Mondsee, trotz fehlender konkreter Bergbaunachweise, an diesem Herkunftsgebiet festmachen lässt.“


Turck 2010, Rouven: → Die Mondsee-Metallurgie. In: Die Metalle zur Zeit des Jungneolithikums in Mitteleuropa. (S. 37-42); Masterarbeit Univ. Heidelberg 2008. In: Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie 185 (Bonn 2010)
Es ist opinio communis, dass die Feuchtbodenbesiedlungen der Nordalpen ein zusammengehöriges, vergleichsweise einheitliches Phänomen darstellen. Im frühen 4. Jt. v. Chr. brechen die Importe aus Südosteuropa ab, während die eigenständige Produktion von Kupfergeräten einsetzt.


Die Metallurgin Barbara Ottaway 1977, 1979, 1982

Ruttkay trifft Ottaway 1977 bei Budapester Symposium

Ruttkay nahm 1977 an einem Syposion in Budapest über Die Bronzezeit in Südosteuropa und den Nachbarländern teil und brachte selbst einen Beitrag zur Erforschung der Leitha‐Gruppe. Dort trug auch die Edinburgher Dissertantin Barbara Ottaway (gem. mit Chr. Strahm) über Die Beziehungen des Nordalpinen Raumes und des Karpatenbeckens in der frühen Kupferzeit vor und Ruttkay war offenbar von ihren archäologischen und metallurgischen Ausführungen wissenschaftlich äußerst beeindruckt, sodass sie sich auch in die Erstellung der Dissertation Ottaways einbrachte.

Ottaway 1977, Barbara u. Strahm, Christian: → Die Beziehungen des Nordalpinen Raumes und des Karpatenbeckens in der frühen Kupferzeit. In: N. Kalicz, R. Kalicz-Schreiber (Hrsg.): → Die Frühbronzezeit im Karpatenbecken und in den Nachbargebieten; Symposium in Budapest-Velem, 1977:125–143.
Da diese in ihren Aussagen für die Mondseekultur hoch interessante Veröffentlichung nicht öffentlich verfügbar ist, wird hier ein → Kompaktes Exzerpt dieser Veröffentlichung gebracht.

In ihrer Veröffentlichung "Die Metallfunde und die Metallurgie der kupferzeitlichen Mondseegruppe. Ein Vorbericht" (Zs. Archäologie Österreichs 4, H. 2, 1993:5–9) bezieht sich Ruttkay – zumindest in den Anmerkungen – direkt auf Ottaway (Anm. 11) und Strahm (Anm. 5), wobei sie deren Veröffentlichung aus 1977 (siehe gleich unten) aber nicht anführt. Die von ihr angekündigte gemeinsame „Gesamt-Publikation“ kam offenbar nicht zustande. Die durch Antl-Weiser 1995 von Ruttkay (1993) übernommene Meinung ("eine mit Altheim eng verwandte Gruppe") ist nicht belegbar. Die Altheimer-Gruppe hat keine Beziehung zur Bewirtschaftung von Seen und deren hydrologische Beherrschung. Das einzige, was auch bei der Altheimer-Gruppe vorkommt, ist die Anlage von tiefen und langen Gräben – allerdings auf dem Trockenen rund um ihre Siedlungen. Dass sich Ruttkay vor allem auch auf unpublizierte Clusteranalysen von Strahm stützt und die österreichischen Beile ohne Beleg als "Altheim-Beile" bezeichnet, ist überraschend.


Ottaways Dissertation 1978

Ottaway 1978, Barbara: → Aspects of the earliest copper metallurgy in the norhern sub-alpine area in its cultural setting: ausgezeichnete und tiefschürfende metallurgische Dissertation an der University of Edinburgh → Volume I (Text, 347 pages); → Volume II (Appendix, figures, data)

→ Clustering: S. 214, 220 Table 222 Cluster 2, 10, 1.5 ; S.229-238: Discussion

Ruttkay unterstützte Ottaway intensiv bei der Erstellung ihrer Dissertation (eine Suche ergab 26 Treffer bzgl. "Ruttkay") und brachte dabei eine größere Anzahl östlicher Kulturen ein. Trotzdem sah Ottaway (S. 74) die deutlich unterschiedlichen Höhensiedlungen eher in Verbindung mit Altheim als die Seesiedlungen. "Die Cortaillod-, Pfyn-, Mondsee- und Horgen-Kulturen finden sich vorwiegend an oder in der Nähe von Seeufern, in Mooren oder an Flussufern, aber immer mit einigen Vorposten auf Hügeln oder Felsen. Die Höhensiedlungen sind zwangsläufig von ganz anderem Charakter. Dies und die Tatsache, dass das Verhältnis von grober zu feiner und verzierter Ware auf Höhensiedlungen ganz anders als bei den Seen ist, ließen den Salzburger Landesarchäologen Hell in den 1940er-Jahren vermuten, dass die Salzburger Höhensiedlungen eher zur Altheimer als zur Mondseer Kultur gehören. Demgegenüber sah Willvonseder diese Höhensiedlungen in Verbindung zur Mondseekultur."

Ottaways irrige Übernahmen zur Lage von Altheim- und Mondsee-Kultur
Verteilung der Mondsee-Kultur (nach Willvonseder 1968)
Verteilung der Altheim-Kultur (nach Driehaus 1960)

Die von Ottaway in ihrem Volume II zu Grunde gelegten zeitlichen Vorkommen der Altheim- und Mondseekultur (Abb. 6 und App. I) und räumlichen Verbreitung der Altheimkultur (Abb. 11; nach Driehaus 1960) und Mondseekultur (Abb. 18; nach Willvonseder 1968) - vergleiche die nebenstehenden Abbildungen - treffen nicht zu.

Die Mondsee-Kultur kommt nur im Seengebiet vor, wenngleich andere Stationen Mondsee-Keramik aufweisen – die sie wohl durch Handel erworben haben. Die Altheim-Kultur kommt im Salzburgischen überhaupt nicht vor, wenngleich Hell dies – in Verehrung von Reinecke – in die Welt gesetzt hat.

  • Willvonseder 1968, Kurt: Die jungsteinzeitlichen und bronzezeitlichen Pfahlbauten des Attersees in Oberösterreich. Mitt. Prähistor. Komm. der ÖAW Wien. Band 11/12, 453 S.
  • Driehaus 1960, Jürgen: Die Altheimer Gruppe und das Jungneolithikum in Mitteleuropa. Röm.-Germ. Zentralmuseums. R. Habelt, Mainz 1960. 245 Seiten. (basierend auf seiner Diss.: "Die Formen der Altheimer Kultur im Rahmen der Europäischen Kupferzeit", München, 1953.)
Ottaways überraschende, selektive Auswahl der Literatur von Martin Hell
  • Link zu Willkürliche Auswahl der Veröffentlichungen von Martin Hell: Dieses selektive Material wurde Ottaway offenbar von Ruttkay zur Verfügung gestellt: (vgl. den Dank Ottaways an Ruttkay im vorigen, letzten Absatz).
    Überraschenderweise verwendet Ruttkay keine einzige der von ihr Ottaway zur Verfügung gestellten Veröffentlichungen Hells in ihrer „Mondsee-Veröffentlichung“ 1981. Im Gegenteil verwirft sie mit diesen Argumente von Driehaus. Hells Veröffentlichung aus 1913 zum Rainberg ist die einzige, die sie anführt, um sie sogleich als irrelevant zu verwerfen.
Kompaktfassung von Ottaways Mondsee-Kapitel (S. 71-82)

Link zu: → Ottaway-Exzerpt: Kontakte, Herkunft und Datierung der Mondseekultur (S. 80 ff.) in Langfassung.
Diese wichtigere Arbeit Ottaways aus 1978 wurde von Ruttkay – im Gegensatz zu jener aus 1977 – weder 1981 noch 1993 berücksichtigt.

Das Gebiet der Mondsee-Kultur liegt lt. Willvonseder zw. Salzach, Enns und Donau; es gibt viele Pfahlbau-Siedlungen um Mond- und Attersee; ein weiterer Cluster von (zugehörigen) Höhensiedlungen liegt um Salzburg, ausschließlich entsprechend den Veröffentlichungen von Martin Hell aus 1916–1975. Östlich der Enns werden noch einzelne zu Mondsee ähnliche Siedlungen angeführt sowie Paura an der Traun und Gerlham bei Seewalchen. Da sich die Funde der Höhensiedlungen von jenen der Ufersiedlungen unterschieden, ordnete sie Hell eher der Altheimer- als der Mondsee-Kultur zu. Ottaway beklagt, dass es nur ganz wenige Fund-Auswertungen gibt. Sie beschreibt die Fundgegenstände; die Mondseekrüge unterscheiden sich klar von jenen Altheims. Steinwaffen und -hämmer kommen bei Land-, See- und Minen-Stationen vor. Im Anhang werden viele Abbildungen zur Mondsee- und Altheimkultur gebracht.

Die Kupferfunde umfassen Flachbeile, Messer, Dolche, Spiralen und Ahlen. Die meisten kommen vom Mond- und Attersee, aber die Landfunde wie in Paura lassen keinen Zweifel an deren Kupfergebrauch zu. Kupferfunde in und um Salzburg wie auch Schmelzen und Perlen sind häufig, aber alle sind Rettungsgrabungen von Hell, der sie zeitlich nicht zuordnen konnte und er benannte die Begleitkeramiken als Münchshöfener-, Michelsberg-, Altheim- und Cham-Kultur.

Es gibt (damals) 13 Radiokarbondaten vom Mond- und Attersee, deren Mittelwert zwischen 2.880 und 2.460 v.Chr. liegt mit Randwerten von 3.000 und 2.300 v.Chr. Diese sind damit zeitgleich mit Cortaillod- und Pfynkultur der Schweiz und überschneiden sich mit Michelsberger und Trichterbecherkultur und vielleicht dauerte auch die Altheimkultur bis zu diesem Horizont.

Die Ähnlichkeit zur Altheimkultur wurde v.a. durch Driehaus (1960) und Pittioni (1954) herausgestellt: gleiches Feuersteinmaterial, einzelne Feuersteingeräte (Sicheln) und ähnliche Steingeräte und Höhensiedlungen. Der Henkelkrug war in abgewandelter Form auch in Altheim bekannt. Ein Flachbeil und Ahlen ähneln Mondseer Kupferfunden. Jedoch könnten alle diese gemeinsamen Faktoren durch die gleichen wirtschaftlichen Bedürfnisse und das Vorhandensein des gleichen Rohmaterials erklärt werden.

„Ein überzeugenderer Beleg für den Kontakt sind die Grenzsiedlungen um Salzburg selbst. Einige von diesen (Hainberg, Ainring, Auhögl) werden mit gleichwertigen Argumenten abwechselnd der Altheimer Kultur (Driehaus 1961, Hell 1943) und der Mondsee-Kultur (Willvonseder 1968, Reitinger 1968) zugeordnet. Dies ist das beste Indiz für eine echte kulturelle Überschneidung mit starken Kontakten. Die zeitliche Stellung der gesamten Altheimkultur ist natürlich ungewiss; es ist jedoch sicher, dass sie nicht so lange bestand wie die Mondseekultur.“

"Letztere ist während ihrer gesamten Dauer erstaunlich einheitlich und muss bis zu ihrem Ende eine eng zusammenhängende Volksgruppe gewesen sein: obwohl etliche Metallartefakte aus Bronze sind, d. h. sie Kontakte zu technologisch fortgeschritteneren Menschen oder Zentren hatte, findet sich nichts davon an Fundstellen, an denen sich Mondsee- oder frühbronzezeitliche Gruppen vermischt haben (Reitinger 1968, 61).“

„Es ist unklar, wo die Urspünge der Mondseekultur liegen. Die Vorgängerkultur in Oberösterreich und um Salzburg war die Münchshöfener Kultur, von der 6 Stationen sicher bekannt sind.

Maxglan und Rainberg, beide nahe Salzburg, wurden beide durch Hell (1954) ausgegraben, und gehören zu dieser Gruppe (ich danke Elisabeth Ruttkay für die Erlaubnis zur Nutzung dieses Materials noch vor Veröffentlichung). Beide Stationen beinhalteten Kupferfunde und der Vorschlag ist deshalb hoch interessant. Die Münchshöfener Kultur ist – entsprechend Ruttkay – Teil des großen Epi-Lengyel-Komplexes, zu dem Belaton-I, Jordanov- und die Lasinja-Kultur gehören. Das würde wiederum ein hoch interessanter Horizont sein, da Kupfer in den Gräbern der Jordanov-Kultur bekannt ist." (Ottaway 1978)


Erhellende Ottaway: Earliest Copper Artifacts of the Northalpine Region (1982)

Verbreitung des Ersten Kupferführenden Horizonts

Ottaway 1982, Barbara: Earliest Copper Artifacts of the Northalpine Region – Their Analysis and Evaluation. Schriften des Seminars für Urgeschichte der Universität Bern. Heft 7, 1982. 351 Seiten.

Ottaway weitet ihre Dissertation hiermit auch auf Schweizer Kulturen aus. Drei Cluster von Kupfersorten (1.5, 2 und 10) in der Mondsee-Gruppe und in Schweizer Kulturen bilden die chronologisch ältesten (arsenreichen) Kupfervorkommen am Nordrand der Alpen. Dazu gehören auch die entsprechenden Kupfermetallurgien und Spezialkenntnisse wie Hochtemperatur-Schmelzöfen (> 1.100 °C; anaerob), Gießen und Schmiedearbeiten. Das arsenreiche Kupfer stammt nicht aus Europa.

Ottaways chronologische und metallurgische Analyse

Der von Barbara Ottaway untersuchte Zeitraum umfasst ca. 4.300 bis 2.700 v. Chr. Sie untersuchte 362 Artefakte (ohne solche mit über 2 % Zinn: „echte“ Bronze) aus Österreich, der Schweiz und Süddeutschland mittels Neutronenaktivierungsanalyse und Atomemissionsspektrometrie. Ottaway steuerte selbst rd. 100 zusätzliche, neue Kupfer-Analysen bei. Die Analysen der 31 chronologisch frühen Mondsee-Artefakte entnahm sie SAM-Publikationen (SAM = Studien zu Anfängen der Metallurgie; Stuttgart). Eine Clusteranalyse brachte 10 gut definierte Hauptgruppen von Kupferartefakten.

Nördlich der Alpen tauchen – als Importe aus Südost-Europa – allererste Kupferfunde in der 2. Hälfte des 5. Jahrtausends v. Chr. bis zur Wende zum 4. Jt., aber nur als Einzelfunde auf.

Ottaway konnte chronologisch für den Nordalpenraum insbesondere 3 kupferführende Horizonte herausarbeiten:

Verteilung Cluster 1.5, 2 und 10 des Mondsee-Kupfers
Anzahl der Cluster-Artefakte je Kultur u. Chronologie

Erster kupferführender Horizont: Mondsee-Gruppe, Cortaillod-Kultur, Pfyner Kultur (3.900-3.500 BC), Altheimer Kultur
Anm. 1: Ottaway führt Altheim noch an erster Stelle, da ehedem Altheim das älteste 14C-Datum hatte.
Anm. 2: Ottaway verweist S. 199 darauf, dass die Cortaillod-Kultur ihre Rinder von der Chasséan-Kultur bekamen.

  • Mit diesem Horizont beginnt die erste, früheste wirkliche Kupferverwendung [Ottaway S. 192-195].
    Das in diesen Kulturen vorkommende arsenreiche Kupfer gehört zu den Clustern 2, 10 und 1.5.
    Cluster 1.5 kommt vor allem direkt in Mondsee vor.
    Wie den nebenstehenden Grafiken zu entnehmen ist, kommt das Mondsee-Kupfer neben den oberösterreichischen Seen vor allem am Zwei-Seen-System Bielersee und Neuenburgersee und ein wenig im Pfyner Gebiet vor.
    Die Anzahl der Altheimer Kupferobjekte stammen nicht aus Altheim selbst, sondern von Stationen in Salzburg und dem benachbarten Bayern, die Altheim durch Hell und anderen (z. B. auch von Pittioni) zugerechnet worden sind.
    Cluster 10 von diesen drei frühesten Kupfergruppen enthält besonders viel Arsen und stammt wahrscheinlich von außerhalb des Untersuchungsgebietes.
    Attersee und Pfyn verfügen über Metallbearbeitung und Schmiede; wahrscheinlich auch die Cortaillod-Kultur.
    Zeitgleich nutzen auch östliche Kulturen in der Slowakei (Laznany), Westungarn (Balaton 2-3) und Ostungarn (Bodrogkeresztur) Kupfer.
    Die zeitgleiche Chasséan-Kultur in Frankreich nahe Schweiz nutzte Kupfer auch später noch nicht (das Schweizer Kupfer kam nicht aus dem Süden).


Zweiter kupferführender Horizont: Horgener Kultur (3.300-2.800 BC), Lüscherz, Cham (3.500-2.700 BC), Baden-Boleraz

  • Auf den ersten Horizont folgt eine Diskontinuität, in der Kupfer wesentlich seltener auftritt. Zu dieser Zeit gab es in Norddeutschland Verschiebungen, die noch vor der Schnurkeramik auftraten. In allen der angeführten Kulturen gab es nur geringe Kupferverwendung, auch im Boleráz der CSSR. Das späte Chasséan von Frankreich zeigt erstmals einige wenige Kupfer-Artefakte. Zu dieser Zeit kommen die neue Kupfer-Sorten 5, 7 und 9 in die nördliche Alpenregion.

Dritter kupferführender Horizont: Baden-Ossarn, Auvernier, Frühe Schnurkeramik

  • Es kommt zur Rückkehr einer reichen, Kupfer-verwendenden Phase. Auvernier, Frühe Schnurkeramik und die Baden-Kultur haben die gleichen Artefakte wie im ersten Horizont (Flachäxte, Dolche, zweischneidige Messer usw. sowie zusätzlich Spiralen und Ösenringe).
    Dieser Horizont liegt in der Zeit des Kupfer-Abbaus und -Schmelzens entlang des Salzachtales mit den Kupfersorten 3 und 4. Dieses Kupfer wurde hauptsächlich im westalpinen Gebiet (v.a. Schweiz) benutzt.

Als ein wichtiges Ergebnis ihrer Untersuchung hob Ottaway hervor, dass man beim Vergleich des ersten mit dem dritten kupferführenden Horizont eine Umkehr der Versorgung mit Metall feststellt. Im dritten Horizont ist der Nordalpenraum unabhängig von Südost-Europa und scheint sogar mehr Kupfer und auch eigene Rohstoffquellen zur Verfügung zu haben. Die Umkehr des Südost-Einflusses beginnt nach Ottaway bereits am Ende des ersten Horizonts [S. 68].


Ottaway gruppiert die Analysen der Kupferobjekte mithilfe der Cluster-Analyse. Die Gruppierung ergab insgesamt 10 Cluster [S. 342–345].

Die Cluster wurden von Ottaway schließlich als „Kupfersorten“ bezeichnet, und es zeigte sich, dass die Cluster 1.5, 2 und 10 die frühesten Kupfersorten waren. Diese 3 Cluster zeichnen sich alle durch das Element Arsen aus [S. 125]. Die Mondsee-Gruppe umfasst insgesamt 34 Artefakte, die insbesondere in diese 3 Cluster fallen [S. 117].

Nachfolgend soll auf jene Cluster kurz eingegangen werden, die für die Mondsee-Gruppe von besonderer Bedeutung sind.

Cluster 2: Mit insgesamt 45 zugewiesenen Artefakten handelt es sich um einen großen Cluster. Ein Arsengehalt von im Mittel leicht über 0,5 Gew.-% ist charakteristisch. Weitere charakteristische Elemente und in geringer Konzentration vorhanden sind Antimon und Silber. Im allgemeinen nicht vorhanden sind die Elemente Zinn, Gold, Zink und Kobalt. Nickel kommt mit einem großen Streubereich vor. Geographisch zeigt Cluster 2 einen Schwerpunkt um die Schweizerischen und österreichischen Seen [S. 126 f.].

Cluster 10: Mit 65 Objekten ist auch Cluster 10 sehr groß. Er weist den höchsten Arsengehalt der Objekte auf bei einem mittleren Arsengehalt von 1,7 Gew.-% und geringer Variation. Weiterhin sind Silber und Antimon für die Einordnung wichtig. Viele Flachbeile und Dolche sind hier enthalten [S. 128].

Cluster 1.5: Dieser Cluster ist mit nur 23 Artefakten der kleinste der frühen Arsen-Cluster. Ihn zeichnet der geringste aber nur wenig variierende Arsengehalt von im Mittel um 0,2 Gew.-% Arsen aus [S. 129]. Dieser Cluster kommt nur in der Mondsee-Gruppe vor.

Die Objekte des Mondsee-Kupfers sind größtenteils in den Clustern 2 und 10 enthalten. Ottaway stellte das charakteristische Arsen als wichtigstes Nebenelement des Kupfers heraus und wies auf die Anteile von Antimon und Silber hin, die eine wichtige Rolle bei der Gruppierung der Objekte bildeten.

Zur Herkunft der Kupfer-Technologie schreibt Ottaway zusammenfassend, dass „die Einführung des Kupfers in den nordalpinen Raum nicht auf eine einzige Kultur zurückzuführen ist, sondern auf ein kompliziertes, auf mehrseitigen Kontakten bestehendes Netz" [S. 206].

Es ist nicht wahrscheinlich, dass das Metall und die Metallurgie von nur einem metallurgischen Zentrum eingeführt wurde, da sich die Kupfersorten im 2. und 3. Horizont beträchtlich wandeln. In diesen späteren Horizonten wurde das Kupfer in den kupferreichen Ostalpen lokal abgebaut und wurde vorrangig im westlichen Bereich (Schweiz) genutzt [S. 195].

Ergebnis: Die Arsen-Kupfer-Technologie verbindet Mondsee mit Bielersee

Die Cluster 2 und 10 des Arsen-Kupfers zeigen die klare Verbindung zwischen Mondsee und Bielersee, wobei die Anteile – trotz der gegenteiligen Intensität der Forschung – in Mondsee klar überwiegen. Die besonders arsenhältigen Artefakte des Clusters 10 konzentrieren sich nur in Mondsee (samt den Altheim zugeschlagenen Stationen) und am Bielersee/Neuenburgersee.

Dass die Arsen-Kupfer-Artefakte also gerade an diesen Zwei-Seen-Systemen auftreten ist ein weiterer Hinweis auf die enge Verbindung. Jedenfalls gab es am Mondsee die entsprechende Metall-Technologie, die bedeutsames Know-how zur Voraussetzung hat; inwieweit dies auch am Bielersee vorhanden war ist noch zu untersuchen.

Zielführende einfach mögliche Aktualisierungen von Ottaway 1982

Solche Aktualisierungen sind einfach möglich, da Barbara Ottaway dankenswerterweise ihren gesamten Datensatz samt Methodik im Anhang offen gelegt hat.

Ottaways ehemalige Zeitstellung der Kulturen

Chronologische Adaptionen

Besonders störend ist z. B. die viel zu frühe Zeitstellung von Altheim, die die Clusterbildung beeinflusst.

Ottaway legte mit dem Stand 1982 die folgenden unkalibrierten 14C-Daten zugrunde (vgl. Abb.):

  • Altheim 3300 v. Chr. [1 Datum verfügbar]
  • Pfyn 3500 3100 – 2800 2700 [32 Daten]
  • Cortaillod 3400 3100 – 2700 2200 [45 Daten]
  • Mondsee 3000 2800 – 2400 2200[15 Daten]
  • Baden Boleráz 2700 – 2550 [6 Daten]
  • Horgen 3300 2500 – 2400 2000 [21 Daten]
  • Lüscherz 3000 2600 – 2300 2200 [6 Daten]
  • Cham 2450 2400 - 2100 1900 [5 Daten]
  • Baden classis 2500 - 2100 [14 Daten]
  • Saone-Rhone 2600 2300 - 2200 2100 [26 Daten]
  • Schnurkeramik 2600 2350 - 1800 [20 Daten]

Räumliche Zuordnungen

Besonders der räumlichen Verortung der hier vor allem angesprochenen hoch-Arsen-hältigen Artefakten kommt besondere Bedeutung zu. Dies trifft wiederum für Altheimer Funde zu, die in Altheim selbst Importe gewesen sind. Gleiches gilt wohl für Einzelfunde in den Salzburger Stationen. Dass viele Einzelfunde (z. B. vereinzelt in Niederösterreich, aber auch in Steiermark als größere Ansammlung) wohl mit Handel mit Mondsee zusammenhängen, könnte mit metallurgischen Analysen (SAM) einfach verifiziert werden.



Die Schweiz hat im 4. Jt. abseits der Seen wenig „Mondsee-Kupfer“, an Seen schon

Ergebnisse der Untersuchungen der Metalle abseits der großen Seen

Funde 3850–3500 v.Chr. = grün markiert; untersuchte (schwarze Kreise) und nicht untersuchte (leere Kreise)

Gross 2021, Eda; van Willigen, Samuel et al.: → Diversity of resources and volatility of metallurgical networks—multi‑methodological provenance analysis of neolithic and EBA‑copper‑artefacts from Switzerland and eastern France. Archaeological and Anthropological Sciences 2021, 34 Seiten.

Die nebenstehende Abbildung zeigt die analysierten (schwarze Kreise) und die nicht analysierten (leere Kreise) der Kupferfunde des Zeitraums 4300–1800 v. Chr.

Es wurden 14 Schweizer Kupferartefakte der Zeitspanne 3850–3500 v. Chr. (grün markiert) auf ihre Blei-Isotopen-Zusammensetzung analysiert: Egolzwil-4 & 2x Hitzkirch (westlich Zürichsee); 4x Risch & Cham & Zug (nahe Zugersee), Oberriet & Wartau & Mels (Ostschweiz südlich Bodensee); Thayngen & Wilchingen (westlich des Bodensees). (vgl. auch die Abb. 1 und 2 in der angeführten Veröffentlichung)

Es konnten umständehalber keine Kupferfunde der Pfahlbaustationen vom Bodensee, Bielersee, Neuenburgersee oder Genfersee analysiert werden.

Blei-Isotopen-Signaturen untersuchter Schweizer (schwarze Quadrate) und der Mondseer Funde (graue Quadrate
Zoom der Pb–Verhältnisse Schweiz (schwarze Quadrate) gegenüber Mondsee (graue Quadrate)

Die nebenstehende Abbildung zeigt für die Zeitspanne 3850–3500 v. Chr. die Blei-Isotopen-Zusammensetzungen der 14 Schweizer Objekte (schwarze Quadrate) und jene der 25 Kupferobjekte aus dem Mondsee-Attersee-Gebiet (graue Quadrate): dabei sind auf der senkrechten Achse die Werte der 207Pb zu 204Pb–Verhältnisse gegenüber den Werten der 206Pb zu 204Pb–Verhältnisse auf der waagrechten Achse eingetragen.

In der Projektion sind fünf Schweizer Objekte isotopisch nah (aber nicht identisch) mit der recht kompakten Gruppe, die aus 25 der 29 Objekte aus dem Mondsee-Attersee-Gebiet besteht, nämlich vier Flachäxte aus Wilchingen (Nr. 11), Hitzkirch-Seematte (Nr. 4), Risch (Nr. 7) und Mels (Nr. 12) sowie ein unbestimmtes Fragment aus Zug (Nr. 17).

Wie in der Zoom-Darstellung deutlich zu erkennen ist, liegen die Blei-Isotopen-Zusammensetzungen des „Mondsee-Kupfers“ recht geordnet auf einer sehr schmalen Ellipse. Die fünf Schweizer Funde liegen am unteren Rand dieser Ellipse (drei) und zwei weitere liegen klar innerhalb der Ellipse – und sollten damit jedenfalls aus „Mondsee-Kupfer“ bestehen. Offenbar kam also „Mondsee-Kupfer“ – durch Handel, Tausch, Geschenke – auch in Stationen ohne Pfahlbauten.

Demgegenüber zeigen die übrigen neun Schweizer Beilklingen Blei-Isotopen-Zusammensetzungen, die weit außerhalb dieser Gruppe liegen und haben damit keinerlei Verwandtschaft mit dem Kupfer der Mondseer Artefakte. Die Blei-Isotopen-Signaturen haben gezeigt, dass bei diesen eine Herkunft aus den Lagerstätten um Mondsee und Attersee ausgeschlossen ist.

Insgesamt ist zu sagen, dass die 14 Schweizer Objekte aus dieser Zeitspanne isotopisch sehr heterogen sind. Weder bilden die drei gebildeten Typen von Beilen eine homogene Gruppe, noch stimmen die Isotopenwerte einer dieser typologischen Gruppen mit den Werten der Funde aus dem Mondsee-Attersee-Gebiet überein.

Objekte, die dieser metallurgischen Tradition zuzuordnen sind, wurden in vielen voralpinen Pfahlbauten sowie in einigen Höhensiedlungen und Erdwerken aus dieser Zeit gefunden. Sie weisen ein einheitliches Erscheinungsbild auf und es ist zu vermuten, dass sie ein gemeinsames metallurgisches Know-how widerspiegeln. (Mondseer und Schweizer Pfahlbaustationen)

Die anderen Schweizer Funde dieser Zeitspanne weisen keine einheitliche Blei-Isotopen-Zusammensetzung auf; einige von ihnen stammen wahrscheinlich aus dem sächsisch-böhmischen und/oder dem slowakischen Erzgebirge, während andere Objekte wahrscheinlich aus ostalpinem Kupfer hergestellt wurden. Es ist wahrscheinlich, dass das Rohmaterial in Form von Perlen und Metallstücken in die südwestlichen Regionen nördlich der Alpen gelangte. Diese wurden dann in Tiegeln umgeschmolzen, gegossen und zu lokal spezifischen Axtformen geschmiedet (z.B. Thayngen-, Bottighofen-, Robenhausen- und Altheimer Beile).

Die hier gewonnenen Daten zeigen deutlich, dass die Axt-Typologie vollständig von der Erzprovenienz entkoppelt ist, d.h. Materialbeschaffung und metallurgische Bearbeitung waren voneinander unabhängig.

Aufschlussreiche, erhellende Zusammenfassung zur Metallurgie jener Zeit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es verschiedene metallurgische Traditionen aus unterschiedlichen, weit entfernten Innovationszentren gibt. Die Metallurgie dieser Zeit stammt aus verschiedenen Traditionen, die aus unterschiedlichen Hotspots und Abbaugebieten stammen. Die Metallurgie dieser Zeit muss im Zusammenhang mit ihren Verbindungen zu anderen metallurgischen Zentren betrachtet werden. Der Transfer von Wissen, Material und Personen wird möglicherweise durch kleine Gemeinschaften unterstützt, die über exklusives ökologisches und technologisches Wissen verfügen und ihre Interessengebiete ausweiten wollen. Einzelpersonen mit Verbindungen zu Innovations-Hotspots könnten aktiv an der Prospektion und dem Abbau von Erzen sowie der Entwicklung von Metallurgien in den Alpen und den voralpinen Seen beteiligt gewesen sein oder diese initiiert haben. Wenn diese metallurgischen Traditionen wirklich nur von wenigen Entscheidungsträgern geprägt wurden, dann sind Abbrüche des Wissenstransfers aufgrund biografischer Unsicherheiten und der Unbeständigkeit und Verletzlichkeit sozialer Beziehungen im interkulturellen Kontakt eher die Regel als die Ausnahme.

Matuschik vertritt noch 1998 eine überholte Herkunft des Mondseekupfers

Matuschik 1998, Irenäus: → Kupferfunde und Metallurgie-Belege, zugleich ein Beitrag zur Geschichte der kupferzeitlichen Dolche Mittel-, Ost- und Südosteuropas. Zs. Unterwasserarchäologie 1998, 49 Seiten.

Matuschik erstellte in seinem Anhang eine umfangreiche Liste von Kupferfunden und auch Gusslöffeln und zieht daraus recht überholte Schlüsse, wenn er z.B. aus der Form die Herkunft des Kupfers ableitet. Weiters wirft er Altheim mit nur 6 Kupferfunden in einen Topf mit Mondsee mit deren über 160 Gusstiegelfunden und rund 190 Metallfunden.

Einfache Forschung zum Zusammenhang von Schweizer mit Mondsee-Stationen

Da es in vielen Schweizer Pfahlbauten Kupferfunde gibt, ist es einfach möglich, Blei-Isotopen-Untersuchungen anzustellen, die einen Vergleich des in Mondsee verarbeiteten Kupfers mit dem in den einzelnen Pfahlbaustationen der Schweizer Seen gefundenen Kupfers hinsichtlich ihrer Provenienz anzustellen.



Der Metallurg Ernst Pernicka

Kupfer-Metallfunde bis 4.500 v. Chr.: SO-Europa
kalibrierte 14C-Chronologie Vorderasien – Europa

Pernicka 1990, Ernst: → Gewinnung und Verbreitung der Metalle in prähistorischer Zeit. JB Röm.-German. Zentralmuseums Mainz 1990, 109 Seiten; ist das Standardwerk; [Achtung: 235 MB].

Wie der nebenstehenden Abbildung zu entnehmen ist, häufen sich bis 4.500 v. Chr. die Metallfunde aus Kupfer westlich des Schwarzen Meeres mit der sogenannten → Link: Carpaten-Balkan-Metallurgie-Provinz (CBMP) mit den Kulturen Vinca, Gumelnita, Karanovo VI, Cucuteni A und Tripolje sowie deren umfangreicher Kupferproduktion sowie Goldbeigaben in die Gräber in Varna (insbesondere Grab 43).

Um 4.300-4.100 v. Chr. kam es zu → Link: ersten Invasionen der Suvorovo-Kultur aus den Steppen der Ukraine und mehr als 600 Siedlungen im unteren Donautal und Ostbulgarien wurden dabei niedergebrannt.

Danach ist das Balkanhochland leer und es lassen sich zwischen 3.900 und 3.300 v. Chr. keine dauerhaften Siedlungen mehr nachweisen. Verbrannte Siedlungen enthalten menschliche Skelette, die als massakriert angesehen werden. Die letzte kupferzeitliche Zerstörungsebene bei Karanovo VI. enthielt 46 menschliche Skelette, die ebenfalls als Massaker gedeutet werden.

Die kupferverarbeitenden Kulturen in Mitteleuropa wechseln um 4.000 v. Chr. zu serbischen Erzen. Metallgegenstände werden nun aus neuen arsenhaltigen Bronze-Legierungen hergestellt.

Pernicka schreibt auf Seite 51: „Im Alpenraum fehlen die Anfänge mit gediegen Kupfer fast vollständig. Die Metallverarbeitung – belegt durch Schmelztiegelfunde – setzt in Mondsee, Cortaillod, Pfyn und Altheim gleich mit arsenhaltigem Kupfer ein (Ottaway 1982: Earliest Copper Artifacts in Northalpine Region) und verläuft in der Folge mit der Entwicklung in Südosteuropa parallel.“ und auf S. 88: "In Europa ist diese Metallsorte völlig unbekannt."


Pernicka 1997, Ernst; Todorova, H.:Prehistoric copper in Bulgaria: Its composition and provenance. Eurasia Antiqua Bd. 3 1997. S. 41–180. Disc. p. 118.

  • Auf Basis dieser frühen und umfassenden metallurgischen Untersuchung Südosteuropas mit der Expertin Todorova kannte Pernicka die dortigen Erzverhältnisse tiefschürfend. Damit konnte er später die Herkunft des Mondseekupfers aus dieser Region ausschließen.
  • S. 147–156: Im Endneolithikum zeigen die bulgarischen Proben minimalste Arsengehalte weit unter Promillebereich; in früher Kupferzeit gibt es vereinzelt 2,5 bis 3,4 ‰; später wieder sind sie fast Arsen-frei, seltenst bis 1 %; in der Proto-Bronzezeit gibt erstmals Werte von 1 – 2 %, ausnahmsweise 3,7; 4,9 und 8,4 % Arsen-Gehalt; in Spätbronzezeit durchwegs unter ½ %; einmalig wird 1 ½ % Arsengehalt erreicht.

Pernicka 1998, Erich: → Die Ausbreitung der Zinnbronze im 3. Jahrtausend, in: Mensch und Umwelt in der Bronzezeit Europas; Oetker-Voges Verlag, Kiel 1998.

Der Metallurg Pernicka beschreibt den Umschwung von Kupfer zu Arsen-Bronze als wichtigstem Rohstoff für Geräte und Waffen: Arsen-Bronze ist leichter zu verarbeiten, vor allem zu gießen, als Kupfer. Die Legierung hat einen niedrigeren Schmelzpunkt als reines Kupfer (1085 °C) und sie neigt beim Guss weniger zur Blasenbildung. Denn Kupfer hat die für den Gießer unangenehme Eigenschaft, im geschmolzenen Zustand Sauerstoff aufzunehmen und beim Erkalten in Form von Blasen im Guss wieder abzugeben. Es ist deshalb nützlich, dem geschmolzenen Kupfer sogenannte Antioxidantien beizugeben, die den Sauerstoff binden. Arsen ist ein solches Material. Der Arsenanteil härtet aber auch das Metall, sowohl im gegossenen Zustand als auch nach der Bearbeitung. Durch Kaltdeformation kann sogar die Härte von normalem Stahl (nicht abgeschreckt) erreicht werden. Diese Eigenschaft hat zur Herstellung von wesentlich verbesserten Werkzeugen und Waffen geführt. Es gibt also gute Gründe, um Arsen-Kupfer zu verwenden.

Viele natürliche Kupferlagerstätten enthalten Arsen als Begleitelemente, die bei der Verhüttung zumindest teilweise ins Kupfer gelangen. Es ist deshalb auch unklar, ob es sich bei Arsenkupfer um absichtliche Legierungen handelt oder um reine Zufallsprodukte, die durch die Erzbasis vorgegeben waren. Reines Arsen oder Arsenverbindungen kommen zwar in der Natur vor, sind aber recht selten. Deshalb ist die absichtliche Herstellung von Arsenkupfer aus zwei verschiedenen Materialien unwahrscheinlich. Eher ist an eine mehr oder weniger gezielte Auswahl von arsenhaltigen Kupfererzen zu denken. Eine Erzauswahl dürfte in gewissem Umfang zwar möglich gewesen sein, aber es war nicht vorherzusehen, welche Zusammensetzung das Metall haben würde. Außerdem ist es aber wegen der Flüchtigkeit des Arsens schwierig, Kupfer mit mehr als etwa 5 % Arsen herzustellen, so dass die erreichbare Härte der Legierung unter der der späteren Zinn-Bronze mit 10 % Zinnanteil liegt. (Anm. von Pernicka: Nur ein Prozent der analysierten prähistorischen Metallfunde in der Stuttgarter Datenbank enthalten mehr als 5 % Arsen und nur drei Prozent mehr als 3 % Arsen. Besonders arsenreiche Kupferobjekte treten vorwiegend in Vorderasien auf.)

Wenn also mit Arsenkupfer ein wesentlich härteres Metall als reines Kupfer zur Verfügung stand, ist der rasche Ersatz des Kupfers durch Arsen-Kupfer für die Herstellung von Werkzeugen und Waffen leicht einsichtig.

Die Verwendung von Arsenkupfer-Bronzen beginnt – rund tausend Jahre vor Einführung der Zinn-Bronze – bereits am Beginn des 4. Jt. nahezu zeitgleich in einem sehr großen Gebiet, das vom Iran über den Kaukasus und rund um das Schwarze Meer reicht.



Pernickas Forschungen zur Herkunft des "Mondsee-Kupfers" 1993-2012

Obereder (1993), J.; Pernicka, E.; Ruttkay, E.: → Die Metallfunde und die Metallurgie der kupferzeitlichen Mondseegruppe. Ein Vorbericht. Arch. Österreichs 4/2, 1993:5-9. "Mondseekupfer "kann charakterisiert werden als arsenhaltiges Kupfer, das ansonsten relativ rein ist (Sb, Ag und Ni durchwegs sehr geringe Werte. ...) Ergänzend ist durch Analysen von Kupferresten aus Gusslöffeln sowie der Gusstropfen selbst nun auch gesichert, dass dieses Kupfer dasselbe wie das der Fertigobjekte ist, die wohl zur Gänze in den Stationen der Mondseegruppe erzeugt wurden. Die Herkunft des arsenhaltigen Kupfers liegt weiterhin im Dunklen, da entsprechende Erzlagerstätten im geographischen Umfeld der Mondseegruppe nicht gefunden wurden. Da die Arsentechnologie Parallelen bzw. Vorgänger im östlichen Karpatenbecken sowie in den östlich hieran angrenzenden Gebieten hat, wird auch an eine Herkunft dieses Kupfers aus diesen Gebieten gedacht. Andererseits stünde dann das massive und einheitliche Vorkommen bzw. die lokale Produktion der Mondseegruppe sehr isoliert da."

Pernicka 2004, E.; Ruttkay, E., Pucher, E.; Cichocki, O.: → Prehistoric lacustrine villages on the Austrian lakes: past and recent research developments. in: Menotti, Francesco. 150 years of lake dwelling research. p. 50-69.

"Da kein größeres alpines Kupfervorkommen bekannt ist, das nur noch Arsen aufweist, ist die Herkunft des Erzes, aus dem Mondseekupfer gewonnen wird, ungewiss."

Pernicka 2010, Ernst & Frank Carolin: Copper artefacts of the Mondsee group and their possible sources. In: → Lake Dwellings after Robert Munro. Proc. Intern. Seminar: The Lake Dwellings of Europe. Univ. Edinburgh 2010:113–138. → Wesentliche Aussagen

  • basierend auf Langfassung: Frank 2010, Carolin: Kupfer der Mondseegruppe. Die Metallfunde der Mondseegruppe aus Wien und Überlegungen zur Frage nach der Herkunft des Kupfers, Magisterarbeit bei Pernicka (2010/korr. 2012) Eberhard-Karls-Univ. Tübingen, 2010. 2 Bände: Textteil 102 S.; Anhang mit 44 Abb., 12 Tab. und 5 Tafeln. Mit diesem Link wird eine → kompakte Darstellung ihrer Arbeit gegeben.
  • Als Ergebnis ihrer Arbeit stellte sie fest, dass sowohl aufgrund der chemischen Zusammensetzung als auch wegen der Blei-Isotopen-Analysen eine Herkunft des „Mondsee-Kupfers“ aus den Ostalpen und dem Balkan unmöglich ist. Auch die historischen Bergwerke „Ai Bunar“ und „Majdanpek“ kommen nicht in Frage, da diese nur Reinkupfer ohne jegliches Arsen lieferten.
    Frank stellt aber auch fest, dass es serbische Artefakte gibt, die aus ähnlichem Kupfer bestehen wie die Mondseer Artefakte, aber auch für diese gibt es keine Lagerstätte.

Nach Pernicka (2010) stammt das arsenhaltige sogenannte „Mondseekupfer“ nicht vom Mitterberg, nicht aus den Alpen und auch nicht aus Südost-Europa. Mondsee-Kupfer hat besonders viel Arsen: 0,5–5%

Er kommt zu den folgenden Schlussfolgerungen (S. 131): "Die chemischen und Blei-Isotopen-Eigenschaften des von der Mondseegruppe verwendeten Kupfers sind relativ homogen. Das dominierende Element ist Arsen, so dass die Bezeichnung "arsenhaltiges Kupfer" am treffendsten ist. Ein Vergleich der chemischen und Isotopen-Daten der ostalpinen Erze mit dem "Mondseekupfer" zeigt, dass es keine Korrelation gibt und dass die ostalpinen Kupfererze als mögliche Quellen ausgeschlossen werden müssen, obwohl die Verteilung des arsenhaltigen Kupfers im vierten Jahrtausend v. Chr. und die Verteilung der für die Mondseegruppe charakteristischen Metalltypen eine deutliche Tendenz nach Südosteuropa aufweisen, gibt es bisher keine gute Korrelation der Isotopendaten mit bekannten Kupferlagerstätten von dort."

Die abschließende Arbeit Pernickas zur Herkunft des "Mondseekupfers"

Pernicka schließt sich 2012 Chernykhs Ansichten an

Verteilung von Arsenkupfer im 4. Jt. v. Chr.; Quelle = dunkle Ellipse CPMP um Kaukasus
Arsengehalt Mondseer Kupfer; vgl. den Unterschied der Dolche zu Äxten

Pernicka 2012, Ernst: → The Development of Metallurgy in Western Anatolia, the Aegean and Southeastern Europa before Troy. In: → Western Anatolia before Troy in the 4th Millenium BC Int. Symp. KHM Wien 2012.
Hier gibt es den Link zu dem Transskript des übersetzten Artikels von Pernicka zu den → Kupfer-Legierungen S. 452–456.

Pernicka (S. 452): "Auf den Höhepunkt der Metallproduktion im späten 5. Jt. v. Chr. folgt eine an Metallfunden auffallend arme Periode im südöstlichen Europa und der Ägäis. Jedoch erscheint kurz darauf arsenhaltiges Kupfer als neues Material fast gleichzeitig vom Nahen/Mittleren Osten bis nach Mitteleuropa (Mondsee, Cortaillod) [20]. Pernicka schreibt: "Entsprechend Chernykh et al. [21] markiert dies die Umstrukturierung der kulturellen Beziehungen zwischen Anatolien und Europa, die zur Bildung der so genannten Zirkumpontischen Metallurgischen Provinz führte, die sich, wie wir heute wissen, bis in den Iran und Zentralasien erstreckte" (vgl. die Abb.).


Fußnote[20]: Edward Sangmeister 1971; Eckehart Schubert 1981 [beide siehe unten]

Fußnote[21] Anm. von Pernicka: "Chernykh 1991 et al. beschreiben die Verbreitung von arsenhaltigem Kupfer in der von ihnen so bezeichneten frühen Bronzezeit und schließen die Kura-Araxas- und die Maikop-Kultur ein. Diese Terminologie stimmt jedoch nur mit der Periode der Frühbronzezeit 1 in Ostanatolien überein, die bereits in der zweiten Hälfte des vierten Jt. v.Chr. beginnt."


[Anm.: Wie bekannt, beginnt die Mondseekultur mit ihrem "Mondsee-Kupfer" (vor allem mit der weit überwiegenden Fundanzahl an stark arsenhältigen Kupfergegenständen und -gusstiegeln in See/Mondsee) gleich nach Beginn des 4. Jt. v. Chr., sodass ostanatolische (Kura-Araxas ab 3.300 v. Chr.) und andere Kulturen nach der Mitte des 4. Jt. nicht in Frage kommen. Damit verbleibt – bisher aber ohne metallurgische odaer archäologische Nachforschungen – die Maikop-Kultur als Quelle des "Mondsee-Kupfers".]

[Anm.: Dass die metallarme Periode um 4.000 v. Chr. auch in der Ägäis auftritt, spricht gegen den Vorschlag von Sangmeister einer iberischen Herkunft des Arsen-Kupfers.]

Pernicka: "Das metallurgische Problem der Herstellung von Arsenkupfer liegt in der hohen Flüchtigkeit von Arsen (Sublimationspunkt 615 °C), so dass es – anders als das Metall Zinn 1000 Jahre später – der Kupferschmelze nicht direkt zugesetzt werden kann, obwohl das Element auch in der Natur vorkommt."
Das spricht dafür, dass arsenreiche Erze allein oder als Mischung mit europäischen Kupfererzen verwendet wurden.



Zu Pernicka 2012 gehörige Literatur

Sangmeister 1973, Edward: Aufkommen der Arsenbronze in SO-Europa. In: Actes du VIIIe Congrès International des Sciences Préhistoriques et Protohistoriques 1971. Verlag: Union internationale des sciences préhistoriques et protohistoriques, Beograd 1973 Bd. 1, S. 109–138. (vom Hören-Sagen)

  • Grundlage von Sangmeisters Untersuchung bilden die 22.000 Metallanalysen aus dem mittel- und südosteuropäischen Raum der AG für Metallurgie des Altertums (SAM) in Stuttgart. Sangmeister kommt lt. Schubert (s. u.) in seiner Studie zu dem etwas überraschenden Ergebnis, dass die südosteuropäische Arsenmetallurgie letztendlich ein Ableger der iberischen sei. Von einem frühen Arsenzentrum in Portugal sei die Kenntnis der Arsenverarbeitung über die Ostägäis in den Balkanraum vermittelt worden.

S. 117: Sangmeister: Neben den Arsenkupfer-Funden in SO-Europa an der unteren Donau, Böhmen, Mähren, Mondsee und Schweiz kommt Arsenkupfer-Erz auch auf der iberischen Halbinsel vor und er schreibt in Fußnote 4: „Laut mündlicher Auskunft von Dr. O. da Veiga Ferreira, Servicos Geologicos, Lissabon, gibt es in Portugal Kupfererze mit 4–6% Arsen“ und weiters "mit bis zu 6 % Arsen im Schmelzprodukt in Portugal."
S. 118: Wie erklärt sich das annähernd gleichzeitige Auftreten von Arsen-Kupfer in SO-Europa, in der Schweiz, in Mittel- und Südwesteuropa? Wenn hier das Material nicht importiert wurde, muss entweder das Rezept zur Herstellung der Arsenlegierung oder das Aufsuchen arsenhaltigen Kupfererzes relativ rasch verbreitet worden sein.
S- 127: Es wäre möglich an eine Entdeckung der Arsenbronze in Südosteuropa zu denken. Es gibt aber noch ein zweites europäisches Zentrum d. i. die Iberische Halbinsel. Das sogenannte Tejo-Beil Portugals ist vergleichbar zum Altheim- und Mondseebeil; auch das südöstliche Rechteckbeil ist ganz ähnlich.
S. 129: Sangmeister schlägt als Erklärung vor: „Die Arsenbronze wird in Portugal entdeckt, wo es Roherz mit angeblich bis 6 % Arsen gibt. Von dort kommt es als Material und ebenso Rezept seiner Herstellung in die Ägäis. Die Beziehungen zwischen der Ägäis und Südosteuropa vermitteln die Kenntnis nach Norden, wo einerseits von Rumänien aus, evtl. vom Südostalpenraum aus, andererseits – gebunden wohl an die uns unbekannten Lagerstätten – eine Eigenproduktion einsetzt, die sich an ein spezielles Programm hält: scharfkantige Rechteckbeile und Dolche mit Rippen und Nieten, die in Kreta ihre Vorformen haben. Wir hätten damit eine erste fassbare Einwirkung der Metallurgie der Ägäis, da ja in Früh- und Vollkupferzeit Verbindungen der Formen nur nach Anatolien nachweisbar sind (Beil vom Plocnik–Typ in Troja). Während die Verwendung von Arsenkupfer in Südosteuropa nur eine Episode bleibt, verwendet man es in Südwesteuropa bis tief in die Frühbronzezeit.“


Schubert 1981, Eckehart [Denkmalpflege Hessen; Namengeber von „Mondseekupfer“]: Zur Frage der Arsenlegierungen in der Kupfer- und Frühbronzezeit Südosteuropas. In: Studien zur Bronzezeit. FS Wilhelm Brunn, Mainz 1981:447–459.

  • Zitat S. 453: „Es ist sehr bezeichnend, dass der metallurgische Umschichtungsprozess im Spätneolithikum, der sich im Auftreten des arsenhaltigen Kupfers zeigt, mit weitreichenden kulturellen Veränderungen Hand in Hand geht, die sich etwa im Abbruch der bemaltkeramischen Kulturen andeuten. Weiterhin wurde durch den Arsenanteil ein verbessertes Produktionsverfahren möglich. Nun treten erstmals feste Gussformen auf, nachdem man viele Jahrhunderte in verlorener Form gegossen hatte. Die neuen Metalltypen sind kaum im Westen, sondern im Osten zu suchen.
    Die Gedanken von Sangmeister wird man wohl, soweit es die Entwicklung an der unteren Donau betrifft, fallen lassen und in einer anderen Richtung suchen müssen, die schon durch die Herkunft verschiedener Metalltypen und ihrer Träger vorgezeichnet ist: in den Steppengebieten und im Bereich des Kaukasus suchen. Wenn es nämlich im Osten einen Raum gibt, der über eine hervorragende und langlebige Arsenmetallurgie verfügte, so ist es der Kaukasusraum und sein Umland. Dort fehlt der ausgeprägte Naturkupferhorizont, den wir auf dem Balkan vor allem in Gestalt der Schwergeräte so deutlich fassen. An seine Stelle tritt mehr oder minder sofort das hochprozentige Arsenkupfer, das erst sehr spät durch die Zinnbronze abgelöst wird (vgl. Selimchanow 1977)."

Selimchanow 1977, Isa: Zur Frage einer Kupfer-Arsen-Zeit. Germania 55, 1977, 1–6.

  • Nach Selimchanow (Baku) gab es am Kaukasus nie reines Kupfer, sondern immer nur in Verbindung mit Arsen. Er zitiert auf S. 5 in Tabelle 1 für Gebrauchsgegenstände (Meißel, Nadel, Spachtel, Klinge) um 3.800 v.u.Z. Arsengehalte von 1,1 –3,7 % und in Tabelle 2 Fundstücke aus Stavropol/Nordkaukasus (nordwestlich von Maikop), die 3,3–11,3 % Arsengehalt aufweisen.

Chernykh 1990, Evgenij, N. – Aviloval L. – Borceva T. – Orlovskaja L.: → El sistema de la provincia metalúrgica circumpóntica (Das System der Circumpontischen Metallurgischen Provinz). Trabajos de Prehistoria 47, 1990:63–101. (License CC BY-NC 4.0)

→ hier gehts zum ins Deutsche übersetzten TRANSKRIPT von Chernykh 1990/1991 (35 Seiten).

  • Abstract: Die Zirkumpontische Metallurgische Provinz stellte ein eng miteinander verbundenes System von Produktionszentren für Kupfer, arsenhaltige Bronzen und Zinnbronzen mit ähnlicher Morphologie dar. Es spielte zweifellos eine zentrale Rolle in der Alten Welt und umfasste die Kulturen der frühen und mittleren Bronzezeit im südlichen Teil Osteuropas, des Kaukasus, Kleinasiens und der Balkan-Karpaten-Region. Das Problem der Morphologie und der Produktionstechnologie wird im Rahmen von weitreichenden Beziehungen, der Entwicklungsdynamik verschiedener kultureller und produktiver Systeme, der relativ schnellen Bildung der Provinz und ihrer zufälligen Zerstörung untersucht.
Abfolge der Metallurgiezentren: schwarz = CMP
  • Chernykhs Schlussfolgerungen (S. 99): In Südosteuropa erlebten Bergbau und Metallurgie einen raschen und beispiellosen Aufschwung: Im Chalkolithikum entstand die ursprüngliche und mächtige Metallurgieprovinz der Karpaten und des Balkans (CBMP). Sie datiert auf das Ende des 5. und den Beginn des 4. Jahrtausends v. Chr, [Anm.: Datum ist viel zu jung.] Auf dem Balkan gab es keine antiken Kupfervorläufer wie in Kleinasien. Die komplizierte Technologie des Gießens von Waffen und massiven Werkzeugen, der groß angelegte Bergbau (Ai Bunar und andere) und eine große Menge Gold (Varna) tauchten wie aus dem Nichts auf. Ein ähnliches Phänomen gibt es in der gesamten Alten Welt nicht.
    Ein weiteres Paradoxon ist offensichtlich: In der Frühbronzezeit, als die Circumpontische Metallugische Provinz entstand, folgte mit dem Zerfall der chalkolithischen CBMP-Provinz ein starker Rückgang der Metallproduktion in der Karpaten-Balkan-Region (vgl. die Abb.).
    Im Vergleich zur Cirkumpontischen Metallurgischen Provinz (CMP) handelte es sich bei der CBMP um ein kurzlebigeres System, das sich ohne erkennbaren Grund auflöste (so wie es sich gebildet hatte). Es wäre naheliegend, die Ursprünge der Circumpontischen Metallurgischen Provinz zumindest in den nördlichen Zentren des Balkans und der Karpaten (der Heimat der metallurgischen Produktion während des Chalkolithikums) zu suchen. Ein großer Teil der verglichenen Merkmale zeigt jedoch, dass die alten Stereotypen während der Frühbronzezeit eher verworfen als fortgeführt wurden. Die morphologische Analyse der Kategorienreihen, die Herstellungsprozesse und die Zusammensetzung der Legierungen sagen uns das gleiche. In der Tat haben einige Merkmale ihre Spuren hinterlassen, insbesondere in den Karpaten-Balkan-Zentren: Herstellung schwerer Waffen, eine beträchtliche Anzahl von Artefakten aus "reinem" Kupfer, Vorherrschaft von Werkzeugen und Waffen, ein vergleichsweise geringer Anteil von Funden aus Nekropolen, usw. Insgesamt handelt es sich jedoch um zwei unterschiedliche Komplexe.
Abb. 18: Anzahl Cu-/Bronzefunde je 10.000 km² je Gebiet EBA = Early Bronce Age, EBM = Middle Bronce Age
  • Der Nordkaukasus als das überragende Arsen-Kupfer-Zentrum: Ein weiterer Aspekt verdient eine Bemerkung: ein Index für die Dichte der Kupfer- und Bronzefunde pro Gebietseinheit. Die Notwendigkeit eines solchen Indexes ergibt sich aus der unterschiedlichen Größe der einzelnen untersuchten Regionen.
    Die Anzahl der Funde je 10.000 km² und Gebiet ist in dem nebenstehenden Histogramm (Abb. 18) zu sehen. Einige Fälle sind paradox. Während der Frühen Bronzezeit (EBA) war der Nordkaukasus, der über keine eigenen Erze verfügte, 4-mal reicher an Bronzefunden als Kleinasien und 1,7-mal reicher als der Transkaukasus, wobei die beiden letztgenannten die Quellen der Metallversorgung für die nordkaukasischen Kulturen (die «Maikop-» und die synchronen Steppenkulturen) waren. Die nordpontischen Einheiten haben im Durchschnitt viel größere Bronzesammlungen als die kleinasiatischen und sind etwas ärmer als die des Nordkaukasus.
    Während der Mittleren Bronzezeit (EBM) wurde das nordkaukasische Phänomen sogar noch beeindruckender: Die Zahl der dort gefundenen Bronzeartefakte hatte sich verdreizehnfacht. Das Missverhältnis zwischen dem Nordkaukasus und seinen südlichen Nachbarn wurde sogar noch größer: 7,5 im Vergleich zum Transkaukasus und 9 im Vergleich zu Kleinasien. Dies geschah trotz eines deutlichen Anstiegs der Produktion in diesen Regionen.
    Die Steppe zwischen dem Asowschen und dem Kaspischen Meer und den Ausläufern des Kaukasus – das Maikop-Steppe-Gebiet (der entstehenden Jamnaja-Gruppe) – weist eine noch größere Dynamik auf: von 1,5 Funden pro 10.000 km² in der Frühen auf 37 in der Mittleren Bronzezeit.

Chernykh 1991, Evgenij N. – Aviloval L. – Borceva T. – Orlovskaja L.: The circumpontic metallurgical province as a system. In: Lichardus (Hrsg.): Die Kupferzeit als historische Epoche. Saarbrücker Beiträge zur Altertumskunde. Bd. 55, Verlag Habelt, Bonn 1991:593–622. (Anm.: Ist gleichlautende englische Version des vorigen spanischen Chernykh-Artikels aus 1990.)



Weitere Arbeiten von Chernykh 2013 / 2014

Abb. 3: Die Kupferzeit der CBMP, 5. Jt. BC: CB – zentraler Block; PB - peripherer Block (Cucuteni-Tripolye-Kultur); SB - Steppen-Viehzuchtgemeinschaften

Chernykh 2014, Evgenij Nikolayevich: → Review – Metallurgical Provinces of Eurasia in the Early Metal Age: Problems of Interrelation. Iron and Steel Institute of Japan (ISIJ International), Vol. 54, 2014:1002–1009. (lt. Homepage des ISIJ: License CC BY-NC-ND)

→ Hier gehts zum ins Deutsche übersetzeten TRANSKRIPT von Chernykh 2014

  • Der Artikel konzentriert sich auf die vergleichende Analyse regionaler Modelle der frühen Metallproduktion im Nahen Osten (Anatolien, Mesopotamien, Levante und Iran) im 5. bis frühen 2. Jt. v. Chr. sowie die Carpaten-Balkan-Metallurgie-Provinz und die darauf folgende Cirkumpontische Metallurgische Provinz. Die Studie basiert auf der statistischen Analyse von Computerdatenbanken mit mehr als 3.500 kalibrierten 14C-Daten von historischen Kupfer/Bronze-, Gold-, Silber- und Blei-Artefakten. Die frühe Metallzeit wird in fünf chronologisch unterscheidbare Perioden unterteilt werden.

Abb. 4: Die Frühe Arsen-Kupferzeit der CMP, 5. Jt. BC: L-Ur – Spät-Uruk; K-Ar – Kura-Araxas; MK – Maikop-Großkurgan-Gemeinschaft; MSK - Maikop-Steppe-Kurgankultur.

Chernykh 2013, Evgenij Nikolayevich: Kultury nomadov v megastrukture Evraziyskogo mira. (Nomadische Kulturen in der eurasischen Megastruktur.) Moscow: Yask: Yazyki Slavyanskoy Kul’tury. 2013; Группа 1 и 2.
(Anm.: Unkalibrierte 14C-Daten bringen - wiederum - zu junge Altersangaben!)

Kapitel 9: The Origins of the Circumpontic Metallurgical Province (p. 132–141)
Chapter 9.1: Maykop Settlements and Economy and Mysteries of Maykop (p. 142–147)

  • Am Ende des 5. Jt. v. Chr. kam es in vielen der frühen Bergbau- und Metallverarbeitungszentren der Karpaten-Balkan-Metallurgie-Provinz zu einem erheblichen Rückgang der Aktivitäten. Die grundlegende dreigliedrige Struktur der Provinz blieb jedoch im Wesentlichen unverändert, aufgeteilt in die sesshaften Ackerbauern des Donaubeckens, die periphere Tripolye-Gemeinschaft und ihre Hirtennachbarn in der pontischen Steppe. Der Niedergang fiel mit einer Verlagerung der wichtigsten Produktionszentren der Karpaten-Balkan-Provinz nach Norden, in die Berge Siebenbürgens, zusammen. Die aktivsten Zentren des Bergbaus und der Metallurgie waren mit der letzten Kultur des zentralen Blocks, der Tiszapolgar-Bodrokeresztur-Kultur, verbunden, deren letzte Phasen uns ins vierte Jahrtausend v. Chr. führen (siehe: Anhang 1: Tabelle-Ap1; Abb. Ap1.6 und Ap1.9). Wahrscheinlich war es dieses nördliche Produktionszentrum, das die östlichen Tripolye-Gemeinschaften während der Phasen C1 und C2 mit Kupfer versorgte. Diese wiederum gaben dieses Metall an die Steppenhirten der Sredny-Stog-Kultur weiter.
    Im 4. Jt. v. Chr. entstand in Eurasien ein neues kulturelles und technologisches Phänomen, ein gefährlicher Konkurrent für die Karpaten-Balkan-Provinz.

Chernykh schwenkt 2013 auf eine Herkunft der CMP aus der CBMP ein

Рис. 3.6: Offizielle (blau) und Černych´s Grenze (rot) zw. Europa und Asien

Černych Evgenij Nikolaevič (geb. 1935) war Professor am und Leiter des Labors für naturwissenschaftliche Methoden (vor allem Metallurgie) in der Archäologie, korrespondierendes Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften und Doktor der Geschichte.

Seine Arbeit konzentrierte sich auf nomadische Kulturen in der eurasischen Welt. Er hat mit seinen Forschungen viel zum Verständnis von Geschichte und Kultur von Nomadengesellschaften beigetragen. Seine Arbeiten wurden auch ins Englische übersetzt und unter dem Titel "Nomadic Cultures in the Mega-Structure of the Eurasian World" als recht lesenswertes und reich bebildertes Buch (im Russischen noch zwei Bände) veröffentlicht.

Der Nomadenforscher Černych war ein intensiver Verfechter einer „russischen“ Herkunft der Circumpontischen Metallurgischen Provinz (CMP), wie anhand der nebenstehenden Grafik gezeigt wird.

Bei der lt. Černych „offiziellen“ Grenze zwischen Europa und Asien (blaue Punkte) gehören aber sowohl der Karpaten-Balkan-Raum als auch das Vorgebirge des Kaukasus – und damit das Gebiet der Maikop-Kultur – zu Europa.

Demgegenüber zieht Chernykh diese Grenze viel weiter westlich, sodass nur mehr das zentrale Karpaten-Balkan-Gebiet zu Europa gehört und alle weiteren Gebiete – die neben dem Kaukasus und dessen Vorgebirge auch die Tripolye-Kultur und alle Steppen-Bewohner (samt der späteren Jamnaja-Kultur) umfassen – werden dem asiatischen Gebiet der nomadischen Hirtenvölker zugeschlagen.


Chernykh et al. schreiben noch 1990/91 in „The circumpontic metallurgical province as a system“:

Ein weiteres Paradoxon ist offensichtlich: In der Frühbronzezeit, als die Circumpontische Metallugische Provinz entstand, folgte mit dem Zerfall der chalkolithischen CBMP-Provinz ein starker Rückgang der Metallproduktion in der Karpaten-Balkan-Region.

Im Vergleich zur Cirkumpontischen Metallurgischen Provinz (CMP) handelte es sich bei der CBMP um ein kurzlebigeres System, das sich ohne erkennbaren Grund auflöste (so wie es sich gebildet hatte). Es wäre naheliegend, die Ursprünge der Circumpontischen Metallurgischen Provinz zumindest in den nördlichen Zentren des Balkans und der Karpaten (der Heimat der metallurgischen Produktion während des Chalkolithikums) zu suchen. Ein großer Teil der verglichenen Merkmale zeigt jedoch, dass die alten Stereotypen während der Frühbronzezeit eher verworfen als fortgeführt wurden. Die morphologische Analyse der Kategorienreihen, die Herstellungsprozesse und die Zusammensetzung der Legierungen sagen uns das gleiche. In der Tat haben einige Merkmale ihre Spuren hinterlassen, insbesondere in den Karpaten-Balkan-Zentren: Herstellung schwerer Waffen, eine beträchtliche Anzahl von Artefakten aus "reinem" Kupfer, Vorherrschaft von Werkzeugen und Waffen, ein vergleichsweise geringer Anteil von Funden aus Nekropolen, usw. Insgesamt handelt es sich jedoch um zwei unterschiedliche Komplexe.


Chernykh 2014, Evgenij Nikolayevich formuliert in : → Review – Metallurgical Provinces of Eurasia in the Early Metal Age: Problems of Interrelation ziemlich klar:

Das Aufkommen der hochwertigen Arsen-Kupfer-Metallproduktion war einer technologischen Explosion sehr ähnlich. Gleichzeitig war die gesamte Proto-CMP-Produktion der vorhergehenden – Karpaten-Balkan-Metallurgie CBMP – sowohl vom technologischen als auch vom morphologischen Standpunkt aus absolut unähnlich:

  • Erstens: absolute Dominanz der arsenhaltigen Bronzen – Cu+As und Cu+As+Ni.
  • Zweitens: die große Zahl von Gold- und vor allem Silberschmuck und sakralen Produkten
    (Silber wurde in den Zentren der Karpaten-Balkan-Metallurgischen Provinz CBMP nicht verwendet).

Eine paradoxe Situation war eng mit der Proto-CMP verbunden. Praktisch befanden sich alle Bergbau-, Metallurgie- und Metallverarbeitungsschwerpunkte in der südlichen Zone der von sesshaften Bauerngemeinschaften besetzten Provinz: das späte Uruk und seine synchronen Kulturen und Fundorte in Anatolien, Kura-Araxas und einige andere Kulturen im Südkaukasus. Demgegenüber gibt es in diesem Raum letztlich keine Metallfunde - ebensowenig in der dem Kaukasus vorgelagerten Steppe, wie den nachstehenden Daten entnommen werden kann.

Zur Ausstattung mit Metall zwischen Nordkaukasus, Südkaukasus und Maikop-Steppe

  • Proto-CMP: Fundzahlen im Nordkaukasus: 8910 und südlichen Gruppen 543
  • Proto-CMP: Metall-Anteile im Südkaukasus: Gold 28, Silber 22, Cu+As 493
  • Maikop-Kultur: Metallanteile in den Kurganen: Gold 7326, Silber 1152, Kupfer 391
  • Maikop-Kultur: Metall-Artefakte in den Kurganen: 8852 und anderswo 59
  • Maikop-Kultur: Metall-Artefakte im Nordkaukasus 8863 und Steppe-Maikop 47

Рис. 8.25: Zoomorphe und "abstrakte" Steinszepter.

Černych 2013, Evgenij Nikolaevič beschreibt in „Nomadic Cultures in the Mega-Structure of the Eurasian World“ auch die Viehzüchter südlich und östlich der Tripolye-Gemeinschaft in der Proto-Circumpontischen Provinz. Ein kennzeichnendes Merkmal dieser Gruppen war das Vorhandensein ungewöhnlicher steinerner "Szepter" in ihren Gräbern, die offenbar Pferdeköpfe darstellen (Рис. 8.25).

An dieser Stelle ist auf die Darstellung in dieser Homepage: → Die Suvorovo-Kultur überrennt Alteuropas Südosten (4200/4100 v.Chr.) von Anthony hinzuweisen, der die deutlichen Unterschiede darstellte zwischen den Szeptern in Alteuropa, jenen der Suvorovo-Kultur – die mit den hier von Černych präsentierten ident sind – und anderen pontisch-kaspischen Szeptern. Gerade diese Suvorovo-Kultur führte zum plötzlichen Untergang der Carpatho-Balkan-Metallurgie-Provinz (CBMP).

Chernykh zeigt die Handelsrichtungen der jungen CBMP auf, die sich fast ausschließlich auf die Hirtenvölker im Osten und Nordosten konzentrierten. Sie richteten sich weder nach Anatolien noch auf die benachbarte Balkanhalbinsel; stattdessen wandte man sich der Steppe und den kulturfremden Nomadengemeinschaften zu, die den sesshaften Kulturen der Karpaten-Balkan-Region in späteren Perioden so zu schaffen machten. [Anm.: Hier kommt erstmals der Hinweis auf den gewaltsamen Untergang der CBMP.]

Und: "Diese Kontakte wurden jedoch durch andere wichtige Ereignisse unterbrochen, die den Kulturen der Karpaten-Balkan-Provinz, die einst mit Gold- und Kupferschmuck, Waffen und beeindruckenden Töpferwaren geglänzt hatten, nichts Gutes brachten. Diese Ereignisse standen in direktem Zusammenhang mit "Kontakt" aus der Steppenzone – nicht mit den Hirten der pontischen Steppe, die als erste Kenntnisse über Metall entwickelten – sondern mit einer Hirtengruppe aus einer anderen, weiter entfernten Region." [Anm.: Černych bezieht sich hier offenbar – ohne sie zu nennen – auf die Suvorovo-Leute, die er (vgl. die Szepter) wohl schon immer kannte.]

Černych schreibt zur Bildung der Proto-Circumpontischen Metallurgie-Provinz: "Das erste war die Umstellung [gegenüber der CBMP] auf eine künstliche Legierung aus Kupfer und Arsen – auch wenn dies aus der Sicht eines modernen Metallurgen eine eher unerwartete Wahl ist – die von den Handwerkern dieser neuen metallurgischen Provinz eingeführt und später in einer großen Zahl von Produktionszentren Eurasiens übernommen wurde."

[Anm.: Dass dem Metallurgen und Archäologen Černych unbekannt gewesen wäre, dass eine „künstliche Legierung“ nicht möglich ist, kann ihm nicht unterstellt werden. Warum er das dann schreibt, kann man nur dahingehend vermuten, dass er seinen früheren Aussagen (vgl. Chernykh 2014), dass der Materialwechsel von purem Kupfer der CBMP zum Arsen-Kupfer der CMP diese beiden Kulturen unterschieden hätte, nicht widersprechen wollte: Dieser Übergang war ja durch die anderen verfügbaren Erze – und nicht durch künstliche Legierung - bedingt.]

Abschließend schreibt Černych, dass die "Struktur der frühen Cirkumpontischen Metallugischen Provinz in einigen wichtigen Punkten der Struktur ihrer Vorgängerin im Karpaten-Balkan-Raum ähnelte" und führte keine Unterschiede mehr an.



Vermutungen von weiteren Mondseekupfer-Forschern (Pittioni, Matuschik)

Studie Elementzusammensetzung Fertigobjekte Mondsee (Arsenkupfer) und Attersee (Zinnbronze)

Pittioni 1957, Richard: Urzeitlicher Bergbau auf Kupfererz und Spurenanalyse. Arch. Austr. Beiheft 1; Verl. Deuticke, Wien 1957:56.

Zitat aus Ottaway 1977: Pittioni vermutet in Mondsee "... ein unabhängiges Kupferzentrum, das nach Westen und Osten seine Produkte verhandelt hat."

Wie der nebenstehenden Tabelle zu entnehmen ist, unterscheiden sich die Metallobjekte vom Mondsee und vom Attersee recht deutlich. Die Funde von See/Mondsee zeigen deutliche Anteile von Arsen (As), jene vom Attersee weisen vor allem die überwiegenden Anteile von Zinn (Sn) auf und sind damit „klassische“ Bronze-Stücke – die einer späteren Periode angehören.

Pittioni 1964, Richard: Ergebnisse und Probleme des urzeitlichen Metallhandels. AdW, phil.-hist. Klasse, 244. Bd, 5. Abh.; 1964, 23 S.

Pittioni unterscheidet vier Kupferarten: ostalpines Kupfer (Mitterberg), nordtioler Kupfer (Bertagrube) und Ostkupfer (nur Handelsware). Die Handelsware aus Hortfunden bestehen aus sogenannten „Ringbarren“, d. h. verhältnismäßig kräftigen, zu einem fast geschlossenen Kreis zusammengebogenen Metallstäben mit stets ausgehämmerten und leicht eingerollten Enden mit einem Gewicht von rd. ¼ kg, die zu 87 % Ostkupfer sind. „Somit ist der Hauptkupferhandel von einem außerhalb der ostalpinen Lagerstätten befindlichen Produktionsgebiet ausgegangen und hat von diesem – vorläufig noch nicht näher umschreibbaren – Zentrum quer durch die Donausenke hindurch … die hier lebende bäuerliche Bevölkerung mit seinen Produkten versorgt.“ Verarbeitet wurde dieses Kupfer in Niederösterreich (z. B. Ossarn, Unterwölbling) und in Oberösterreich am Mondsee und Attersee.

In seiner Zusammenfassung (S. 22) verweist Pittioni auf notwendigerweise vorhandene Berufsgruppen: Händler kauften und verkauften das Kupfer. „Die Tatsache allein, dass der so viele technische Voraussetzungen zu erfüllende Bergbau nur durch einen geschulten Bergmannstand in befriedigender Weise bewältigt werden kann, schließt eine mit der handelsmäßigen Weitergabe der Bergbauprodukte beschäftigte Gruppe in sich. Sie hat nicht bloß eigenes Handelsgut weitergegeben, sondern anscheinend sogar – wie einschlägige Depots zeigen – durch den Gebrauch beschädigte Altwaren gesammelt.

(Beifügung: Das noch viel bedeutsamere herstellungsmäßige Knowhow – das eben nicht kopierbare Alleinstellungsmerkmal – ist das Gießen von arsenhältigem Kupfer, insbesondere damit der Arsengehalt und damit die einzigartigen Produkteigenschaften nicht verloren gehen.)

Anhang: Spektralanalysen von Erzen, Schlacken und Fertigobjekten seit 1957
1957: Nr. 444 – 462 Mondsee, Fertigobjekte ArchA Beiheft 1 1957, Tabelle 26
1957: Nr. 463 – 475 Attersee, Fertigobjekte ArchA Beiheft 1 1957, Tabelle 26
1960: Nr. 2546 – 2567 Attersee, Fertigobjekte ArchA Beiheft 28 1960, Tabelle 1
1963: Nr. 3512 – 3519 Mondsee, Ringbarren ArchA Beiheft 6 1963, Tabelle 24


Matuschik 2016, Irenäus: Neufunde von Gusstiegeln aus Sipplingen am Bodensee. (Einsetzen der „Gusstiegelmetallurgie“ im nördlichen Alpenvorland und Herkunft des genutzten Kupfers). In: G. Körlin: From Bright Ores to Shiny Metals. Der Anschnitt. Beiheft 29, VML, Bochum 2016:49–68.

Verteilung der Funde von Gusstiegeln 4. Jt. v. Chr.

Der folgende Link bringt das Transkript seines Abschnitts → „Zum verarbeiteten Kupfer“.

Matuschik argumentiert, dass sich im Falle von Importen des Mondsee-Kupfers – das bereits im 39. Jh. v. Chr. im Umlauf war – die Metallurgiebelege in den naturräumlich begünstigten und intensiv besiedelt gewesenen Siedlungskammern in Niederösterreich, Mittelböhmen und an der oberen Donau häufen müssten, was aber nicht der Fall ist, während die Funde am Alpenfuß und in den Alpentälern – beides Regionen, die naturräumlich benachteiligt sind – häufig sind. Bei Zugrundelage der Importthese wäre also zu urteilen, dass in die agrarisch begünstigten Besiedlungszentren wenig und zum naturräumlich benachteiligten Alpenfuß viel Fernimport gelangt ist – ein Bild, das kulturhistorisch betrachtet nicht plausibel ist.

Deshalb ist viel wahrscheinlicher, dass sich die Funde in einem starken Ausmaß auf den Alpenfuß beziehen, weil das genutzte Kupfer auch in den Alpen produziert wurde. Damit spricht das Verbreitungsbild der Metallurgiebelege für eine „lokale“ Materialherkunft und gegen die "Importthese".

Weiterhin ist auffällig, dass die Fundverteilung deutlich bipolar ist mit einer Fundhäufung im Bereich der Mondsee-Gruppe und mit einer zweiten, sehr ausgeprägten Fundhäufung im Bereich der Pfyner Kultur (vgl. die Abb.), wo die Anzahl der Gusstiegel pro Siedlung teilweise beträchtlich ist.

Sollte die westliche Fundhäufung (Schweiz, Bodensee) durch Import aus dem nordostalpinen Raum zu erklären sein, dann wäre wiederum zu fragen, weshalb derart viel Material nach Westen und nur äußerst wenig in die nördlich vorgelagerte Siedlungskammer im bayerischen Donautal (Altheimer Kultur) gelangt ist.