Systematik und Methodik zur Pfahlbauern-Kultur: Unterschied zwischen den Versionen

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==SAMMLUNG==
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==UNESCO - Prehistoric Pile Dwellings around the Alps==
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'''Bundesgesetzblatt der Republik Österreich''' vom 26.Juli 2012: &rarr; ''[https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblAuth/BGBLA_2012_III_105/BGBLA_2012_III_105.html Kulturerbe, das in die Liste des Erbes der Welt aufgenommen wurde]'': <br /> "Das Komitee für das Erbe der Welt aufgrund des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (BGBl. Nr. 60/1993) hat die Aufnahme des nachstehenden Kultur- und Naturerbes auf dem Gebiet der Republik Österreich in die Liste des Erbes der Welt gemäß Art. 11 Abs. 2 des Übereinkommens beschlossen: '''''Prähistorische Pfahlbauten rund um die Alpen''''' gemäß Beschluss 35COM 8B.35 (35. Sitzung des Komitees vom 19. bis 29. Juni 2011)."
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[[Datei: Karte des UNESCO-Welterbes.png|thumb|340px| Weltkulturerbe – Karte der 111 UNESCO-Pfahlbaustätten]]
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Die folgende Übersicht zeigt die &rarr; ''[https://www.palafittes.org/fundstellen.html 111 Fundstellen]'' der seriellen Welterbestätte "Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen" (auch Listenübersicht).
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&rarr; ''[https://whc.unesco.org/uploads/nominations/1363.pdf  Prehistoric Pile Dwellings around the Alps World Heritage '''''Nomination''''']'', 2231 pages. (<u>Austria</u> p. 931 und p. 1664)  ('''<u>Achtung: 141,5 MB</u>''')
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&rarr; ''[https://whc.unesco.org/document/152478 Advisory Bodies Evaluations]'' (Reduktion von 156 auf 111 Stationen)
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&rarr; ''[https://whc.unesco.org/document/115493 Maps of inscribed serial elements - Prehistoric Pile Dwellings around the Alps]'' (better quality); Austria p. 57 ff.
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&rarr; ''[https://whc.unesco.org/en/decisions/4306 Decisions: 35COM 8B.35 - Cultural Properties - Prehistoric Pile Dwellings around the Alps (Switzerland / Austria / France / Germany / Italy / Slovenia)]''
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&rarr; UNESCO: International Management Plan 2019-2023; Prehistoric Pile Dwellings around the Alps: 4. &rarr; ''[https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&cad=rja&uact=8&ved=2ahUKEwjWvdDm5qKAAxVLg_0HHVKSBY8QFnoECBQQAQ&url=https%3A%2F%2Fwhc.unesco.org%2Fdocument%2F192715&usg=AOvVaw2pk1BYks3cDkf4lhB2pLVU&opi=89978449  National Management Austria]'' S. 50–65
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Hafner, Albert: &rarr; ''[https://www.e-periodica.ch/digbib/view?pid=akb-002%3A2012%3A0%3A%3A241#241 Das UNESCO-Welterbe "Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen" im Kanton Bern: frühe Forschungen, aktuelle Situation und Chancen für die Zukunft]''. Jahrbuch des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern 2012. S. 237-253. (Schutzmaßnahmen S. 246).
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==Auswahl der Bestandteile des UNESCO-Weltkulturerbes 2011==
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* Für das '''Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (BM:UKK)''' hat '''''Cyril Dworsky''''' die &rarr; ''[https://www.pfahlbauten.at/mitarbeiter/mag-cyril-dworsky erfolgreiche Einreichung der Österreichischen Pfahlbauten zum UNESCO-Welterbe]'' koordiniert.
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===B.1 Grundsätze der Auswahl===
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Quelle: &rarr; ''[https://whc.unesco.org/uploads/nominations/1363.pdf Überarbeitung der Auswahl der Bestandteile des UNESCO-Weltkulturerbes: UNESCO S. 1300 ff.]''
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Insgesamt sind 937 Pfahlbaufundstellen bekannt, von denen 156 für eine Serie von Bestandteilen der Serienkandidatur ''"Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen"'' eingereicht wurden. Eine Auswahl-Liste wurde in einem internen Auswahlverfahren (Nomination File, Kapitel 3.c.7) nach folgenden Grundsätzen zusammengestellt:
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- '''''Geografische und chronologische Repräsentativität:''''' Um der großen geographischen Verbreitung, der zeitlichen Tiefe und der kulturellen Vielfalt der Pfahlbauten gerecht zu werden, gilt als Leitsatz bei der Auswahl der Bestandteile, dass die ausgewählten Fundstellen den gesamten Zeitraum innerhalb möglichst vieler Makroregionen abdecken müssen. Eine Makroregion ist eine geographische Einheit, deren Definition sowohl die prähistorische Kultursituation als auch die Lage der Siedlungen (großer See oder Moor) berücksichtigt. Letztere waren auch im Hinblick auf die verschiedenen Bautypen der Dörfer und die Anpassung der wirtschaftlichen Strategien von Bedeutung. Nicht zuletzt spiegeln die Makroregionen die lokalisierte Qualität und Dynamik der prähistorischen Gesellschaft wider.
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- '''''Bedeutung bei der Darstellung der Werte des archäologischen Phänomens:''''' Die allgemeine vergleichende Analyse zielte darauf ab, die Pfahlbauten mit bestehenden Welterbestätten sowie anderen Stätten und potenziellen Serienobjekten zu vergleichen (Nomination File, Chapter 3.c.1-3.c.6) im Hinblick auf fünf Wertattribute, wobei die einzigartigen Merkmale der Pfahlbauten betont wurden. Dieselben fünf Attribute (B.2) waren ausschlaggebend für die Auswahl der Teile der Serie. In der internen Vergleichsanalyse wurden diese Kriterien auf jede bekannte Pfahlbaustelle aus dem Alpenraum und auf verschiedene Zeitspannen angewandt, um aufzuzeigen, in welcher Epoche die einzelne Stätte für ein oder mehrere Wertattribute des Serienobjekts besonders wichtig ist.
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- '''''Erhaltungszustand:''''' Der Indikator "Erhaltungszustand und Potential" (B.3) existiert für alle bekannten Pfahlbauten in der transnationalen standardisierten Inventarisierungsdatenbank auf der beiliegenden CD. Der beste Erhaltungszustand ist ein Auswahlkriterium; wenn die Stätten jedoch aus chronologischer (bestimmter Zeitraum), geografischer oder kultureller Sicht (z. B. technische Innovation) von besonderer Bedeutung sind, kann diese Bedeutung überwiegen.
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In Anbetracht der Bemerkungen von ICOMOS International mit Schreiben vom 14. Dezember 2010 wurde beschlossen, die Serie von 156 Bestandteilen im Detail neu zu bewerten. Die oben dargelegten Grundsätze wurden beibehalten. Es wurde jedoch mehr Wert gelegt auf
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- die Auswahl prägnanter zu gestalten, indem Überschneidungen spezifischer Werte in Bezug auf die einzelnen Bestandteile eingeschränkt werden (key issues 1 und 2);
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- Bevorzugung der am besten geschützten und verwalteten Gebiete, d. h. der am wenigsten bedrohten Gebiete, bei gleichzeitiger Einschränkung der Überschneidung der Werte (Schlüsselthemen 3 und 4). Gleichzeitig wurde die Qualität der Erhaltung und der Schutzmaßnahmen neu bewertet.
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===B.2 Die 20 Kriterien für die Aufnahme in die Welterbeliste===
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(vgl. hier die &rarr; <u>''[[Langfassung]]''</u> und Erläuterung der für die endgültige Auswahl zugrundegelegten Kriterien; UNESCO S. 1301 ff.)
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'''''a. Großer Zuwachs an Wissen über frühe Agrargesellschaften und den Alltag der Menschen'''''
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* a1 Typisches Beispiel
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* a2 Wichtige Referenzassemblagen
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* a3 Belege für Fernhandelskontakte
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* a4 Seltene Periode
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* a5 Wichtige technische Innovationen
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* a6 Besondere geographische Lage
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* a7 Mehrere Siedlungsphasen
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* a8 Zeitgleiche Standorte
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* a9 Andere Aspekte
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'''''b. Wichtige Beispiele für die Entwicklung von Architektur, Bauwesen und Lebensraum'''''
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* b1 Architekturelemente
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* b2 Rekonstruierbare Dorfgrundrisse (oder Teile davon)
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* b3 Siedlungen in ungewöhnlichen Lagen oder mit besonderen Funktionen
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* b4 Siedlungsdynamik innerhalb einer Mikroregion
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'''''c. Hervorragende Datierungsmöglichkeiten (Dendrochronologie)'''''
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* c1 Qualitativ gute Datierungsmöglichkeiten
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* c2 Leicht verständliches Pfahlfeld
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'''''d. Äußerst reiche und breite wissenschaftliche Datenbasis'''''
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* d1 Ungewöhnlich dicke Kulturschichten
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* d2 Hinweise auf Produktionstechniken
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* d3 Sehr kurze Siedlungsphase (1-2 Jahrzehnte)
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'''''e. Hervorragende Möglichkeiten für Naturwissenschaft oder reiche organische Funde'''''
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* e1 Ausgezeichnetes Archiv für Archäobotanik, Archäozoologie, Paläolimnologie, Klima- und Landschaftsgeschichte usw.
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* e2 Hervorragende Erhaltung von organischen Funden (Holzartefakte, Textilien usw.)
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===B.3 Überarbeitung und endgültige Liste des österr. UNESCO-Weltkulturerbes===
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''[Anm.: Bei Betrachtung der internationalen Auswahl der Stationen für das Weltkulturerbe springt ins Auge, dass seitens Österreich von den obigen 20 möglichen, relevanten Auswahlkriterien neben dem Kriterium "a9 – Besonderer Wert" am Attersee durchwegs nur ein einziges Kriterium je Station angegeben wurde. In den anderen Ländern (Frankreich S. 1305-1312; Schweiz S. 1312-1335; BRD S. 1336-1345) werden für die einzelnen Stationen bis zu 12 der möglichen 20 Auswahlkriterien genannt. Jedenfalls wurden am Attersee 3 von 6 Stationen (Abtsdorf II, Aufham und Nußdorf) ausgeschieden.]''
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[[Datei: Region Salzkammergut.png|thumb|260px|nominierte Stationen im Salzkammergut]]
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'''<big><u>Salzkammergut</u></big>''' (UNESCO S. 1346-50 ''[Auswahl]'' / S. 1668-1683 ''[Entscheidung])''
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Die Fundstellen des Salzkammergutes in Oberösterreich sind die nordöstlichsten Fundstellen der geographischen Ausbreitung der Pfahlbausiedlungen. Sie sind auch wegen der früh nachgewiesenen Entwicklung der Kupfermetallurgie nördlich der Alpen von Bedeutung. Der Einfluss dieser wichtigen Innovation reicht nachweislich bis in die Westschweiz, und so sind die Fundstellen des Salzkammergutes unweigerlich mit dem Rest der Voralpen verbunden.
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Die Auswahl der Fundstellen im Salzkammergut gewährleistet eine vollständige und hervorragende Dokumentation der neolithischen Mondseegruppe: Die Fundstellen Abtsdorf I und III (AT-OÖ-01, AT-OÖ-03) sind - gemeinsam mit der zugehörigen Fundstelle Abtsforf II - wichtig für das Verständnis kleinräumiger Siedlungsprozesse. Litzlberg-Süd (AT-OÖ-05) garantiert mit seinem massiven Paket an Besiedlungsschichten ein reiches Fundspektrum und ist daher eine wichtige Reserve für zukünftige Forschungen. Der gleichnamige Fundplatz Mondsee-See (AT-OÖ-07) ermöglicht mit seinem reichen Fundinventar die Erforschung von Handelskontakten und den Vergleich mit synchronen Pfahlbaukulturen. Abtsdorf I (AT-OÖ-01) schließlich ist der einzige eindeutig datierte Fundplatz der österreichischen Bronzezeit.
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* ''''' Abtsdorf I – AT-OÖ-01'''''
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Erhaltungszustand und Potential: A  (2000-1000 BC)
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Auswahlkriterium: a4 - Seltene Periode (von 20 möglichen Kriterien)
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Auswahlkriterium a9 – Besonderer Wert: Die Pfahlbausiedlung ist wegen ihrer gesicherten Datierung an der Wende von der Früh- zur Mittelbronzezeit von besonderer Bedeutung (a4). Es handelt sich um die einzige gesicherte Radiokarbondatierung einer Pfahlbausiedlung dieser Epoche im Salzkammergut. Neolithische Funde aus dem Siedlungsgebiet deuten auf mehrere Phasen hin, die ein wichtiges Bindeglied zwischen neolithischen und bronzezeitlichen Siedlungen darstellen.
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Schutz: Denkmalschutzgesetz, UVP-G und WRG; Natura2000-Gebiet; Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetz.
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Aufgrund der guten Bedeckung mit Seemergel, Schotter und kalkhaltigem Schlamm besteht keine Gefährdung für die Station. Abtsdorf I liegt fast 100 m von der Uferlinie entfernt, wodurch das Gebiet außerhalb der Reichweite von Stegen, Bootshäusern und Badeplattformen liegt. Tauchverbotszonen sind als Pufferzonen definiert. Bojen und nautische Aktivitäten werden durch regionale Vorschriften kontrolliert. Für Boote mit Verbrennungsmotor gibt es erhebliche Einschränkungen. Durch regelmäßige Tauchgänge wird der Zustand der Station alle fünf bis zehn Jahre kontrolliert: → Managementplan 2.0, Kap. 4.4, Salzkammergut/Attersee.
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* '''''Abtsdorf II – AT-OÖ-02 (<u>ausgeschieden</u>)'''''
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Erhaltungszustand und Potential: A  (4000-3000 BC)
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Auswahlkriterien: b4 – Mikroregion-Siedlungsdynamik (von 20 möglichen Kriterien)
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Auswahlkriterium a9 – Besonderer Wert: Trotz der guten Bedeckung mit Seemergel und Kalkschlamm und des wissenschaftlich hochinteressanten Ensembles mit Abtsdorf I (AT-OÖ-01) und Abtsdorf III (AT-OÖ-03) wurde die Station aufgrund der unsicheren Erhaltungslage aus der Nominierung genommen. Die verlängerte Anlegestelle im zentralen Teil der Station verursacht einen erheblichen Bootsverkehr, der trotz der Managementbemühungen eine Bedrohung für die Station darstellen könnte.
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* ''''' Abtsdorf III – AT-OÖ-03'''''
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Erhaltungszustand und Potential: A (4000-3000)
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Auswahlkriterien: b4 – Mikroregion-Siedlungsdynamik, d3 – Sehr kurze Siedlungsphase (von 20 möglichen Kriterien)
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Auswahlkriterium a9 – Besonderer Wert: Abtsdorf III weist nicht nur eine sehr gute Überdeckung und damit gute Erhaltung auf, sondern ist in der Synopse mit den benachbarten Siedlungen von Abtsdorf I (AT-OO-01) und dem zugehörigen Fundplatz Abtsdorf II von besonderer Bedeutung und markiert ein wichtiges Element für das Verständnis kleinräumiger Siedlungsprozesse (b4). Dies wird durch das Fehlen von feinem organischem Material in den Kulturschichten untermauert, was auf eine Spezialisierung bzw. eine sehr kurze und damit gut nachvollziehbare Siedlungsgeschichte hinweisen könnte (d3).
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Schutz: Denkmalschutzgesetz, UVP-G und WRG; Natura2000-Gebiet; Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetz.
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Die Station befindet sich mindestens 40 m von der Uferlinie entfernt und außerhalb der Reichweite des Gefährdungspotenzials durch Stege, Bootshäuser und Badeplattformen. Das gesamte Gebiet liegt unter einer dicken Abdeckung aus Seemergel. Tauchverbotszonen wurden als Pufferzonen definiert. Bojen und nautische Aktivitäten werden durch regionale Vorschriften kontrolliert. Für Boote mit Verbrennungsmotor gibt es erhebliche Einschränkungen. Durch regelmäßige Tauchgänge wird der Zustand der Station alle fünf bis zehn Jahre kontrolliert: → Managementplan 2.0, Kap. 4.4, Salzkammergut/Attersee.
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* '''''Aufham – AT-OÖ-04 (<u>ausgeschieden</u>)'''''
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Erhaltungszustand und Potential: A (4000-3000)
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Auswahlkriterien: b4 – Mikroregion-Siedlungsdynamik (von 20 möglichen Kriterien)
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Auswahlkriterium a9 – Besonderer Wert: Trotz des insgesamt sehr guten Erhaltungszustandes der Station Aufham und seines hohen Potentials für die Untersuchung von Siedlungsphasen wurde der Fundplatz überarbeitet und aus der Serie gestrichen. Die kleinräumige und inhomogene Struktur der in Privatbesitz befindlichen Parzellen führt zu einem erheblichen Bootsverkehr, der durch den benachbarten Yachthafen noch verstärkt wird. Die Beachtung dieser Gefährdung wird eine wichtige Aufgabe im Managementprozess sein. Dies würde jedoch die Ressourcen für Schutzmaßnahmen in einem schwer kalkulierbaren Umfang in Anspruch nehmen.
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''[Anm.: Die Anliegen des UNESCO-Weltkulturerbes werden mittels Sponsoring an das "Kuratorium Pfahlbauten" durch den benachbarten &rarr; '''<u>[https://www.uycas.at/fileadmin/files/Dokumente/Logbuecher/2013-UYCAs-Logbuch.pdf Yachthafen (s. S. 29 ff.)]</u>''' finanziell unterstützt.]''
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* '''''Litzlberg Süd – AT-OÖ-05'''''
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Erhaltungszustand und Potential: A (4000-3000)
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Auswahlkriterium: d1 – Ungewöhnlich dicke Kulturschichten (von 20 möglichen Kriterien)
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Auswahlkriterium a9 – Besonderer Wert: Die Siedlung Litzlberg Süd zählt zu den Siedlungen mit den am besten erhaltenen archäologischen Horizonten in Österreich. Die massiven Pakete von Besiedlungsschichten und die sehr gute Überdeckung mit Seemergel und Kalkschlamm bieten ideale Voraussetzungen für ein reiches Fundspektrum (d1) und sind daher für das Verständnis kleinräumiger Entwicklungsprozesse in der Jungsteinzeit besonders wichtig.
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Schutz: Denkmalschutzgesetz, UVP-G und WRG; Natura2000-Gebiet; Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetz. Tauchverbotszonen als Pufferzonen; Bojen und Nautik regional reguliert. Für Boote mit Verbrennungsmotor gibt es erhebliche Einschränkungen.
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Die stabile Lage in der Bucht von Litzlberg unterstützt die guten Erhaltungsbedingungen der Station. Es gibt wenig Bootsverkehr, da alle angrenzenden Parzellen im Besitz einiger weniger Privatpersonen sind. Der Dialog mit der Gemeinde und der Naturschutzbehörde hat ergeben, dass ein großes Interesse an der Anlage besteht und ein starkes Bewusstsein für den Naturschutz des Sees und den kulturellen Wert der Station vorhanden ist. Erste Projekte zur Renaturierung der Uferlinie wurden bereits umgesetzt und werden als Best-Practice-Beispiele für die Zukunft dienen. Ein Monitoring der eher gefährdeten Uferbereiche der Station wird eingerichtet und es wird ein Budget für Schutzmaßnahmen reserviert. Durch regelmäßige Tauchgänge soll der Zustand der Staton alle fünf bis zehn Jahre kontrolliert werden: → Managementplan 2.0, Kap. 4.4, Salzkammergut/Attersee.
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* '''''Nussdorf – AT-OÖ-06 (<u>ausgeschieden</u>)'''''
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Erhaltungszustand und Potential: A (3500-2500)
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Auswahlkriterien: a4 – Seltene Periode, d1 – Ungewöhnlich dicke Kulturschichten (von 20 möglichen Kriterien)
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Auswahlkriterium a9 – Besonderer Wert: Die Siedlung Nussdorf ist nicht nur sehr gut erhalten und weist ein reiches Fundspektrum auf, sondern nimmt aufgrund der Funddatierung und der C14-Proben auch eine wichtige Stellung bei der Erforschung der untergehenden Mondseegruppe ein. Trotz der Tatsache, dass nationaler Schutz die Fundstelle ohnehin sichern wird und die Handlungsmöglichkeiten der kommunalen Körperschaften  einschränkt, wurde beschlossen, sie nicht in die Serie aufzunehmen, um den Handlungsspielraum für die gesamte Region zu erweitern.
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* '''''Mondsee-See – AT-OÖ-07 '''''
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Erhaltungszustand und Potential: B (4000-3000)
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Auswahlkriterien: a2 – Wichtige Referenzassemblagen, a3 – Belege für Fernhandelskontakte, a5 – Wichtige technische Innovationen (von 20 möglichen Kriterien)
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Auswahlkriterium a9 – Besonderer Wert: Die namengebende Station der Mondseegruppe stellt nicht nur aus forschungsgeschichtlicher Sicht einen außergewöhnlichen Wert dar. Das reiche Fundinventar der Siedlung stellt die bisher umfassendste Quelle zur wissenschaftlichen Erforschung der österreichischen Pfahlbaukulturen dar (a2). Mehrere Publikationen befassen sich mit den verschiedenen Fundkategorien (z.B. Keramik, Tierknochen und Feuerstein) und ermöglichen die Erforschung von Handelskontakten (a3) und den Vergleich mit synchronen Pfahlbaukulturen. Das reiche Spektrum an Metallfunden demonstriert die wichtige Rolle von See bei der frühen Entwicklung der Kupfermetallurgie (a5).
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Schutz: Denkmalschutzgesetz, UVP-G und WRG; Natura2000-Gebiet; Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetz. Tauchverbotszonen der Bezirkshauptmannschaft; Bojen und nautische Regulierungen. Es gibt ein absolutes Verbot für Boote mit Verbrennungsmotor.
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Die Überwachung und Verhinderung der Erosion im Abflussbereich ist nicht nur für die Erhaltung der Seebewohner notwendig, sondern auch für den Schutz der beiden Natura 2000-Fischarten. Eine enge Zusammenarbeit mit der Naturschutzbehörde und dem Limnologischen Institut in Mondsee wird aufgebaut und Budget für Monitoring und Schutz reserviert. Die Entwicklung und Umsetzung eines zusätzlichen Schutzprogramms ist seit 2010 in Arbeit: → Managementplan 2.0, Kap. 4.4, Salzkammergut/Mondsee.
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'''<big><u>Keutschacher See</u></big>''' (S. 1350 f. ''[Auswahl]'' / 1664-1667 ''[Entscheidung])''
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Der Keutschacher See hat aufgrund seiner geographischen Lage zwischen Slowenien, Italien und dem österreichischen Salzkammergut eine besondere Bedeutung. Die Station Keutschacher See (AT-KT-01) ist eine der wenigen bisher bekannten Pfahlbaufundstellen dieser Makroregion. Seine Funde aus der neolithischen Kanzianiberg-Lasinja-Gruppe verbinden sie nicht nur mit den südöstlichen Pfahlbauregionen, sondern zeigen Einflüsse, die weit in die ungarische Region hineinreichen. Darüber hinaus bildet sie auch eine wichtige Verbindung zu den österreichischen Pfahlbauten nördlich der Alpen. Als erste in Österreich entdeckte Pfahlbausiedlung ist sie zusätzlich forschungsgeschichtlich von immenser Bedeutung.
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* '''''Keutschacher See – AT-KT-01 '''''
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Erhaltungszustand und Potential: B (4000-3500)
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Auswahlkriterien: a1 – Typisches Beispiel, a2 – Wichtige Referenzassemblagen, a3 – Belege für Fernhandelskontakte, a6 – Besondere geographische Situation, b3 – Siedlungen in ungewöhnlichen Lagen (5 von 20 möglichen Kriterien)
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Auswahlkriterium a9 – Besonderer Wert: Der Fundplatz gehört zu den Hauptfundstellen der neolithischen Kanzianiberg-Lasinja-Gruppe und ergänzt die Fundstellen auf mineralischem Boden durch seine hervorragenden Erhaltungsbedingungen für organisches Material. Der Einfluss der Lasinja-Keramik ist bis weit in die ungarische Region nachweisbar (a6) und stellt eine wichtige Verbindung zum südostalpinen Raum dar (a3). Pionierarbeiten in der Dendrochronologie haben wichtige Informationen über die Kanzianiberg-Lasinja-Gruppe geliefert und unterstreichen zusammen mit der Keramik als Referenzkomplex (a2) die Bedeutung der Station. Die Lage der Station im Zentrum des Sees ist auch bezüglich Nutzung und Siedlungsstrukturen der Pfahlbauten (b3) außergewöhnlich und interessant.
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Schutz: Denkmalschutzgesetz, UVP-G und WRG; Naturschutzgebiet, Ramsar-Konventionsgebiet; gesamter See ist Tauchverbotszone. Das Kärntner Umweltplanungsgesetz (K-UPG) verlangt Umweltbericht mit Informationen über das kulturelle Erbe, der "archäologische Schätze" enthalten muss.
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Durch die Lage in der Mitte des Sees und das Tauch- und Motorbootverbot ist die Station auch gut vor störenden menschlichen Aktivitäten geschützt. Kleinflächige Erosionsgebiete sind seit 1994 mit Geotextilien abgedeckt. Natürliche Erosion gibt es nach wie vor in geringem Umfang und wird durch regelmäßige Überwachung festgestellt. Dies wird zu einem besseren Verständnis der verschiedenen Einflussfaktoren führen, um die am besten geeigneten Gegenmaßnahmen zur Verbesserung der Stabilität der Station festzulegen.
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==Die Herkunft des Getreides als Indiz für die Herkunft unserer Pfahlbauern==
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'''''Hofmann 1924''''', Elise ('''''Tochter von M. Much''''') berichtet nur recht allgemein Funde von Gerstenähren, Emmer und Weizenkörnern zur Station See am Mondsee.
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'''''Maier 1998''''', Ursula: Der Nacktweizen aus den neolithischen Ufersiedlungen des nördlichen Alpenvorlandes und seine Bedeutung für unser Bild von der Neolithisierung Mitteleuropas. In: Archäologisches Korrespondenzblatt Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz Jg. 28, Heft 1, 1998:205–218.
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* Es handelt sich hier um freidreschende, tetrapoloide Weizenarten („Nacktweizen“): Hartweizen (''Triticum durum''), Rauhweizen (''Triticum turgidum'') und Weichweizen (''Triticum aestivum''). Die tetrapoloiden Formen haben sich entlang des Mittelmeeres nach SW-Europa verbreitet.
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* Freidreschende Getreidearten sind Getreide, deren Früchte beim Dreschen aus den Spelzen fallen; dazu zählen Weizen und Nacktgerste. Im Gegensatz dazu sind Dinkel, Gerste, Emmer und Einkorn Spelzgetreidearten, bei denen die Samenkörner mit den Spelzen verwachsen sind. Sie sind für die menschliche Ernährung wegen der erforderlichen Entspelzung in der Verarbeitung aufwändiger.
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* Über das Mittelmeergebiet und entlang seiner Küsten kam tetrapoloider Nacktweizen nach Südwesteuropa. Wahrscheinlich über das Rhonetal erreichte dieser im 5. Jt. das nördliche Alpenvorland. Er ist klimatisch gut angepasst und dadurch äußerst widerstandsfähig. Zwar besaß er nicht die hohen Erträge heutiger Zuchtsorten, war dafür aber besonders ertragssicher.
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* In der Cortaillod-Kultur (4.200–3.800 v. Chr.) der Westschweiz und Ostfrankreichs, war Nacktweizen zusammen mit Gerste bereits die vorherrschende Getreideart. Seinen Höhepunkt erreichte der Nacktweizenanbau im nördlichen Alpenvorland in der Pfyner Kultur (3.700–3.600 v. Chr.) sowie in der Hornstaader Kulturgruppe am Bodensee (3.915–3.904 v. Chr.), wo der Anteil des freidreschenden Weizens bis zu 70 % des Getreideaufkommens ausmachte (S. 214).
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'''''Schlichtherle''''' schreibt (1997, S. 13), dass die Ausbreitung einer Kulturpflanze die These einer Ausbreitung aus einer mediterranen Wurzel stützen vermag. Es begann sich nämlich der Anbau von '''''Nacktweizen''''' durchzusetzen. Das Getreide muss vom '''''Rhonetal''''' ins '''''Schweizer Mittelland''''' gekommen sein, von wo sich sein Anbau sukzessive zum '''''Bodensee''''' fortsetzte. Die ältesten Funde von Nacktweizen in Europa stammen aus dem westmediterranen Raum, dem Siedlungsbereich der Cardial- oder Impressokultur.
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'''''Wiethold u. Wähnert''''' (2008): Die botanischen Makroreste. In: Trebsche, P.: &rarr; ''[https://www.academia.edu/35284905/P_Trebsche_Die_H%C3%B6hensiedlung_Burgwiese_in_Ansfelden_Ober%C3%B6sterreich_Ergebnisse_der_Ausgrabungen_von_1999_bis_2002_Linzer_Arch%C3%A4ologische_Forschungen_38_Linz_2008_Band_2_Beitr%C3%A4ge_Katalog_und_Tafeln Die Höhensiedlung „Burgwiese“ in Ansfelden (OÖ). Bd 2].
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* S. 318: „Bei den Nacktweizenfunden aus den jungneolithischen '''''Seeufersiedlungen''''' handelt es sich überwiegend um '''''tetraploiden Nacktweizen'''''.“
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Leider fehlen nach wie vor Untersuchungen der Nacktweizen-Arten aus den '''''Ackerbau-Stationen''''' am Attersee und jener von Scharfling: weder Mooswinkel noch See/Mondsee oder Misling waren Stationen mit viel Ackerbau.
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Tatsächlich weisen die aktuellen Forschungen zu Mooswinkel (2023) neben anderen Weizenarten auch Nacktweizen aus: Triticum aestivum/durum/turgidum.
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Anm.: Nach &rarr; [https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s12520-023-01724-5.pdf?pdf=button '''''Heiss 2023'''''], et al. (S. 20) et al. existieren im Fundmaterial Mooswinkel 38 Ährenreste ('''''rachis''''' fragment) des Nacktweizens Triticum aestivum/durum/turgidum, sodass eine tiefergehende Bestimmung ('''''tetra'''''- oder hexaploider freidreschender Weizen) möglich sein sollte.
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Link zu weiterer &rarr; '''''[[Literatur zu Pflanzenarten von Schweizer und Mondsee-/Attersee-Kulturen | Literatur zu Pflanzen der Schweizer und Mondsee-/Attersee-Pfahlbauern]]'''''
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==Die Herkunft der Haustiere als Indiz für die Herkunft unserer Pfahlbauern==
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===Jagd- und Haustiere===
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'''''Schmitzberger 2009''''', Manfred: &rarr; ''[https://services.phaidra.univie.ac.at/api/object/o:1261263/get Haus- und Jagdtiere im Neolithikum des österreichischen Donauraumes]''. Dissertation Univ. Wien 2009, 189 Seiten. (auch Pfahlbauten; Detaildaten je Station im Anhang)
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'''''Hafner 2003''''', A.;  Suter, P.: &rarr; ''[https://www.academia.edu/48002016/Das_Neolithikum_in_der_Schweiz Das Neolithikum in der Schweiz.]'' Journal of Neolithic Archaeology, 2003. Creative Commons Attribution License. (Rinder aus Frankreich; S. 27: Anteile der Rinder in Schweizer Stationen 40-60 %)
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====Die Abstammung und Herkunft der Rinder====
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Insgesamt sprechen paläogenetische, archäologische und archäozoologische Daten für das folgende Szenario: Taurin-Rinder wurden in einer Region zwischen Südostanatolien und dem Zagros-Gebirge, Syrien und dem Libanon domestiziert. Der Domestizierungsprozess begann Mitte des 9. Jahrtausends v. Chr. mit einer geringen effektiven Anzahl wilder weiblicher Auerochsen. Nach 7.000 v. Chr. wurden die Hausrinderpopulationen von der zentralanatolischen Hochebene nach Westanatolien und in die Ägäis transportiert. Die ersten neolithischen Rinder wurden um '''''6.400 v. Chr.''''' über folgende Routen nach Europa eingeführt:
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* Über die Mittelmeerroute erreichten die wandernden Bauern rasch u. a. Süditalien, Südfrankreich und die Iberische Halbinsel per Schiff. Die geringe genetische Vielfalt deutet auf eine geringe Populationsgröße der Rinder hin, die im westlichen Mittelmeerraum ankamen.
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* Auf dem zweiten Weg über das europäische Festland erreichten die Rinder schließlich Mittel-, West- (nach 5.500 v. Chr.) und Nordeuropa (nach 4.100 v. Chr.). Auch hier ging ein Großteil der genetischen Vielfalt während der Wanderung verloren.
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Lit.: '''Scheu 2015, Amelie''' et al.: &rarr; ''[https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4445560/# The genetic prehistory of domesticated cattle from their origin to the spread across Europe]''. BMC Genetics 2015.
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===Viehzucht und Rinder in der Schweiz===
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Im '''''[https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013944/2007-11-29/ Historischen Lexikon der Schweiz]''''' wird zur Herkunft des Hausrindes geschrieben, dass die ersten in den jungsteinzeitlichen Siedlungen von Sitten (östlich des Genfer Sees; um 5000 v.Chr.) nachgewiesen werden und weitere Funde aus den Ufersiedlungen des Mittellandes um 4.300 v.Chr. gefunden wurden. Die Menschen versuchten, die Rinderhaltung zu intensivieren, wofür waldfreie Flächen für Wiesen erforderlich waren. Die durchschnittliche Widerristhöhe betrug ca. 110 cm. Demgegenüber lag die Auerochs-Widerristhöhe bei 132 cm (kleine ♀) bis 189 cm (großer ♂).
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"Die früheste Beeinflussung der Schweiz durch neolithische Wirtschaftsformen erfolgte aus dem Süden (Italien, ab der 1. Hälfte des 6. Jt.) und Südwesten (Frankreich, etwa ab 5.500 v.Chr.): Ab 5.500 setzt sich die Kenntnis der Viehzucht auch weiter nördlich im Rhonetal und dem französischen Jura fest und die Fundstätten enthalten Knochen von Haustieren, vor allem von Schafen und Ziegen, aber auch Hausrind und Hausschwein sind nachgewiesen." (Chaix 1993, 1987 in: &rarr; '''''[https://archaeologie-schweiz.ch/wp-content/uploads/2021/11/SPM-2.pdf SPM II - Die Schweiz vom Paläolithikum bis zum Mittelalter]''''', S. 97).
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'''''Hafner/Suter''''' schreiben 2003 zum &rarr; ''[https://www.jungsteinsite.uni-kiel.de/pdf/2003_hafnersuter_text.pdf Neolithikum der Schweiz]'': Vallon des Vaux südwestlich vom Neuenburgersee ist mit dem Proto-Cortaillod der älteste Fundkomplex (2. Hälfte 6. Jt.) bei den Jurafußseen und dem Genfersee der Westschweiz; diese Rinder kamen aus '''''Ostfrankreich''''' und breiteten sich ins Schweizer Mittelland aus.  <br /> Das westliche Schweizer Mittelland (Egolzwil 3; 4.350 v.Chr.) gleicht den zeitgleichen Komplexen der Westschweiz mehr als jenen vom Zürichsee (Kleiner Hafner bei Zürich; 4.250 v.Chr.), die eher Affinitäten zur Ostschweiz/Bodensee haben. <br /> Das Gebiet Ostschweiz/Bodensee beherbergte die '''''Pfyner Kultur (4.250 - 3.500)'''''; die '''''älteste Bodenseestation Hornstaad-Hörnle IA''''' in Schwaben datiert um 3.900 v.Chr.
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'''''Schiebler 2007''''', Jörg: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/240482859_Geschichte_und_wirtschaftliche_Bedeutung_des_Hausrindes_Bos_taurus_L_in_der_Schweiz_von_der_Jungsteinzeit_bis_ins_fruhe_Mittelalter  Hausrinder in der Schweizer Jungsteinzeit]''. Archiv für Tierheilkunde 2007:23–29.  <br /> „Ab dem 40. Jahrhundert v. Chr. steigen die Anteile der Rinderknochen unter den Haustierknochen in der Ostschweiz auf 60–80 % und in der Westschweiz auf 40–60%. Die Rinder waren also die häufigsten Haustiere und lieferten auch die größte Fleischmenge. Da auch die Funddichten (Anzahl Knochen pro m²) ansteigen, sind größere Herdengrössen anzunejmen. Um die Mitte des 4. Jt. v.Chr. gibt es Veränderungen an den Fussskelettteilen, welche auf die Nutzung als Arbeitstiere hinweisen. In Arbon Bleiche 3 (3384–3370 v.Chr.) gelang der chemische Nachweis von Milchfett an Topfkrusten. Ab 2.750 v.Chr. steigen die Funddichten der Rinderknochen weiter deutlich an.“
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'''''Wettstein 1924''''', Ernst: &rarr; ''[https://www.ngzh.ch/archiv/1924_69/69_1-2/69_7.pdf Tierreste aus dem Pfahlbau am Alpenquai in Zürich.]'' Vierteljahrsschrift Naturforschende Ges. Zürich 1924, 50 S.
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* S. 102–113: Das Rind; S. 113: Ermittlung der Widerristhöhe der Rinder aus Unterkieferlänge: 103 bis 136 cm; aus Länge von Speiche, Mittelhand und Handwurzel: 110 bis 130 cm.
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'''''Wright 2021''''', Elizabeth: &rarr; ''[https://doi.org/10.1007/s12520-020-01252-6 Investigating cattle husbandry in the Swiss Neolithic.]'' Archaeological and Anthropological Sciences (2021) 13: 36.
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* Diese umfassende Arbeit behandelt die Proportionen und Größen der Rinder des Neolithikums (4.300-3.500 v.Chr.) in der gesamten Schweiz und kommt zum Schluss (S. 18), dass  die Proportionen und die Körpergröße der Hausrinder während der gesamten Cortaillod- und Pfyn-Kultur in der Ost- und etwas mehr in der Westschweiz recht klein waren. Für solche relativ kleinen Körpergrößen und -formen gibt es eine Reihe möglicher Erklärungen. Die eine wäre die bewusste Auslese kleiner, aber robuster Rinder durch den Menschen für einen bestimmten Zweck. Eine weitere Hypothese besagt, dass die Verringerung der Körpergröße das Ergebnis von Inzucht sein könnte, bei dem der Genpool der Rinder aufgrund eines Mangels an neuen Tieren von außerhalb sehr klein wurde. Die Autorin bringt auf S. 7 für die einzelnen Zeitabschnitte und Regionen auch die Anteile von Rindern, Schweinen und Ziegen/Schafen. Größere Anteile von Rindern gibt es erst ab etwa 4.000 v.Chr.; in der Ostschweiz auch schon davor.
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'''''Markert''''' zur &rarr; ''<u>[[Schweizer Viehwirtschaft (Markert) | Schweizer Viehwirtschaft]]</u>'' mit den Schlachtungszeitpunkten von Rindern, Ziegen, Schweinen; Auerochen und Hirschen in Arbon Bleiche und Steckborn-Schanz
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===Archäozoologische Einordnung der Rinder vom Mondsee/Attersee===
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'''''Frank 2010''''', Caroline  Kapitel 2.5 Viehzucht der Mondseekultur
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'''''Pucher 1997, Erich''''' und Engl, Kurt: Studien zur Pfahlbauforschung in Österreich. Materialien I - Die Pfahlbaustationen des Mondsees: Tierknochenfunde. Mitt. d. Prähistor. Komm. Bd. 33. Öst. AdW 1997. 151 Seiten. '''OFFEN'''
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Erich Pucher und Kurt Engl vermuteten bereits 1997, dass während des Neolithikums '''''zwei verschiedene, dauerhaft isolierte Nutztierpopulationen in den Alpen''''' existierten, die jeweils eine völlig unterschiedliche Geschichte und Herkunft hatten.
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Pucher & Engl (1997) stellten auch fest, dass die '''''Rinderknochen aus Mondsee''''' gegenüber dem Donauraum von '''''geringerer Größe und wesentlich graziler''''' waren. Die Lage und Ausrichtung der Hornkerne zeigt mehr Ähnlichkeiten mit Rindern aus südlichen Regionen.
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[[Datei: Fußwurzelknochen aus Stationen.png |thumb|340px| Rinder-Fußwurzelknochen aus verschiedenen Stationen: <br /> <u>Chamer Gruppe:</u> Riekofen (Regensburg); Griesstetten (Oberpfalz)
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<u>Altheimer Kultur:</u> Ergolding (Landshut)
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<u>Lasinja-Kultur:</u> Keutschacher See
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<u>Mondsee-Kultur:</u> Mondsee-See, Pucher & Engl (1997)
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<u>Frühneolithikum:</u> Piancada (Friaul-Julisch Venetien) und
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Vasi a Bocca quadrata-Kultur: Razza di Campegine (Reggio Emilia) und Rocca di Rivoli (Turin).]]
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'''''Pucher 2003, Erich''''' vergleicht die Rinder-Fußknochen der Stationen von Keutschach, Mondsee und anderen Stationen und schreibt: „Man kann zusammenfassen, dass die Rinder im Gebiet des Keutschacher Sees zwar nicht so groß waren, wie dies z. B. im Donauraum (Linienbandkeramik, Lengyel-Kultur, Baalberg-Kultur, Chamer-Gruppe, Jevišovice-Kultur usw.) der Fall war, aber doch ein wenig größer als jene vom Mondsee. <br /> Die Grafik verdeutlicht die Größenverhältnisse an Hand der lateral gemessenen Rinder-Fußwurzelknochen. Die Messwerte der beiden Fundstücke vom Keutschacher See liegen am unteren Rand der beiden Chamer-Komplexe, doch knapp oberhalb des Mittelwertes der Mondsee-Population. Sie fallen aber ziemlich zentral in die Variationsreihen norditalienischer Serien, die etwas über dem Mondsee-Niveau liegen. Bemerkenswert ist die relativ niedrige Lage des Mittelwerts von Ergolding, einer Feuchtbodensiedlung der Altheimer Kultur, wozu der Autor (Neumann 1990, 20) aber selbst anmerkt, dass gerade kleinere Stücke überproportional vertreten sein dürften.“
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[[Datei: Rinder-Fußwurzelknochen.png|left|thumb|250px|Die Fußwurzelknochen von Auerochsen, Mondsee- vs. zeitgleiche Donauland-Rinder]]
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'''''Pucher 2010, Erich''''' bringt auch einen eindrucksvollen bildlichen Nachweis der Größenverhältnisse der Fußwurzelknochen von Auerochse, Mondsee-Rindern und den zeitgleichen donauländischen Rindern, was sich auch in den ermittelten Widerristhöhen dieser Tiere mit Höhen von 180 cm, 115 cm und 130 cm deutlich widerspiegelt.
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Dies ist umso interessanter, als die donauländischen Rinder bereits seit zwei Jahrtausenden in benachbarten Räumen lebten. Damit ist aber eine Abkunft der Rinder der Pfahlbauern von diesen recht unwahrscheinlich.
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Bei Körpergrößen der Pfahlbauern von 160 cm der Männer bzw. 150 cm der Frauen ist es auch verstehbar, dass diesen Menschen kleines Vieh nicht unrecht war. Viel wesentlicher war aber die Anpassung des Viehs an Seehöhen von 400–600 m, wie in den Schweizer Herkunftsgebieten. In diesen Seehöhen setzt die Vergetationsperiode um drei Wochen später ein, sodass diese Rinder auch später kalbten als in den tieferen Lagen.
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Link zu '''''&rarr; [[Die Literatur von Erich Pucher: | Weitere Literatur von Erich Pucher ]]</u>'''''
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===Untersuchungen zu den Schafen der österreichischen Pfahlbauern===
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'''''Schmölcke (2018), Groß, Nikulina:''''' S. 106: Größe und Proportionen der Knochen zeigen, dass das am '''''Mondsee''''' gehaltene Vieh ausnahmslos '''''kleiner und graziler''''' war als seine gleichaltrigen Artgenossen im österreichischen Flachland. Die Größe der Schafe am Mondsee schwankte zwischen 57 und 69 cm (im Durchschnitt '''<u>62 cm</u>''') und diese Werte zeigen '''''mehr Ähnlichkeiten mit Größenberechnungen von Pfahlbauten aus dem schweizerischen Westalpenraum''''' als mit gleichzeitigen '''''österreichischen Tieflandstandorten'''''.  Kurt Engl und Erich Pucher vermuteten bereits 1997, dass während des Neolithikums '''''zwei verschiedene, dauerhaft isolierte Nutztierpopulationen in den Alpen''''' existierten, die jeweils eine völlig unterschiedliche Geschichte und Herkunft hatten. Heute ist durch umfassende überregionale Vergleiche belegt, dass die Neolithisierung der Schweiz im Gegensatz zu Österreich nicht vom Balkan aus, sondern auf dem alternativen Weg entlang der mediterranen Küstenlinien und des Rhônetals erfolgte; dies zeigt sich auch in der '''''<u>antiken DNA</u>''''' von Schafresten. Im Gegensatz zu Österreich wurde also die gesamte Schweiz, einschließlich des Rhônetals, während des Neolithikums kontinuierlich von mediterranen Haltungstraditionen beeinflusst. Besonders deutlich wird diese Entwicklung an folgendem Beispiel: Zur gleichen Zeit, als Ostösterreichs Schafpopulationen zusammenbrachen, lebten im westlichen Teil der Alpen Hirtenvölker mit einer stark schafbasierten Wirtschaft.
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'''''Grömer (2018) & Saliari:''''' S. 134: In der zweiten Hälfte des 4. Jahrtausends und der ersten Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr. lassen sich bemerkenswerte regionale Unterschiede erkennen. Die Tiere der Mondseekultur (3800-3200 v. Chr.) scheinen einen Sonderfall darzustellen. Die Analyse von Schaf- und Ziegenresten aus dem Fundort Mondsee weist auf wesentliche Unterschiede zu zeitgenössischen Schafknochen aus dem Donauraum hin. <br />
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Bei den untersuchten Schafresten aus Mondsee handelt es sich um kleinere Individuen (62 cm Widerristhöhe). Ihre Hornkerne kamen der Wildform sehr nahe, waren aber kleiner und wiesen '''''mehr Ähnlichkeiten mit Tieren aus der Schweiz''''' auf. Es wurde daher vorgeschlagen, dass diese Tiere entlang der Alpen nach Österreich gelangt sein könnten. <br />
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Pucher & Engl (1997) stellten fest, dass die Schafe und Ziegen der Mondseekultur einen hohen Grad an Einheitlichkeit aufwiesen, aber Unterschiede zu den im Vorland gefundenen Tieren zeigten.  <br />
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Schaf-Funde der Badener Kultur aus der Slowakei und Ungarn zeigen bemerkenswerte Unterschiede. Die Analyse ergab, dass zw. 3500-2800 v. Chr. die Widerristhöhe um etwa 10 cm zunahm. Ähnliche Veränderungen wurden bis nach Norddeutschland festgestellt und mit der Ankunft neuer Schafpopulationen aus dem Nahen Osten und dem südöstlichen Mittelmeerraum in Verbindung gebracht. So wurde der Nachweis interpretiert, dass die ersten Wollschafe im späteren Neolithikum auftraten. Solche Größen-Veränderungen konnten jedoch für Österreich bisher nicht bestätigt werden (Schmitzberger 2009).
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'''&rarr; [[Literatur Annalen NHM 2018]]'''
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===Genetische Herkunft der Schafe in Europa und See/Mondsee===
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[[Datei: Statistik analysierter Schafzähne.png|thumb|460px|Statistik analysierter Schafzähne: Fundorte, Zeitperiode und Kultur, Datierung mit cal BC, Anzahl der aDNA-Proben, Aufteilung auf aDNA-Haplogruppen A und B]]
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[[Datei:Neue Grafik der am 8.10.2023 korrigierten Schafe-Haplogruppen.png|thumb|450px| Graphische Darstellung (der '''''<u>korrigierten</u>''''' Abbildung): "Lokalitäten der aDNA der selbst analysierten alten Schafe (mit schwarzer Umrandung) und der lokale Anteil der Haplogruppen A (rot) und B (grün)". '''''<u>Korrigiert wurden</u>''''' hier die Kreisgrafiken von Mondsee (A=1 / B=12) Eilsleben (A=2 / B=9), Estonia (70-90 % B) und Brixlegg (A=1 / B=11). Die Ergebnisse der Studien von Geörg (2013, Balkan), Rannamäe (2016a, Estland; nun geändert) und Ferencakovic ((2013, Mufflon) wurden (ohne schwarze Umrandung) hinzugefügt. Die Größe der Kreisdiagrame ist proportional zur Anzahl der erfolgreich analysierten Zähne.]]
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'''Histor. Lexikon der Schweiz''': Schafe sind mit den Ziegen die ältesten wirtschaftlich genutzten Haustiere. Die Stammform des Hausschafs ist der südwestasiatische Mufflon. Die Domestikation erfolgte in den vorderasiatischen Bergregionen (Türkei, Irak, Syrien) im 9. Jt. v.Chr. In der Schweiz erscheinen die Hausschafe um 5000 v.Chr. in den jungsteinzeitlichen Siedlungen und in den ersten Seeufersiedlungen des Mittellands (bis 4100 v.Chr.), wo sie mit den Ziegen unter den Haustieren dominierten. Die jungsteinzeitlichen Schafe waren von grazilem Körperbau mit einem eher langgezogenen Schädel (durchschnittliche Widerristhöhe '''63 cm''').
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[Die Stammform der Hausziege ist die Bezoarziege, welche heute noch in Gebirgsregionen Kleinasiens beheimatet ist; wurde um 8.000 v.Chr. domestiziert.]
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'''''Nikulina 2020, Elena und Ulrich Schmölcke''''' &rarr; ''[https://books.google.at/books?id=lxLmDwAAQBAJ&pg=PT470&lpg=PT470&dq=%22The+first+genetic+evidence+for+the+origin+of+central+European+sheep+(Ovis+ammon+f.+aries)+populations+from+two+different+routes+of+Neolithisation+and+contributions+to+the+history+of+woolly+sheep%22&source=bl&ots=wDWooKm-ro&sig=ACfU3U37_J4Z8xsdlR_6yGT7zyqc4Sz_qQ&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwj2mdX_qOSBAxURg_0HHUPCD4MQ6AF6BAghEAM#v=onepage&q=%22The%20first%20genetic%20evidence%20for%20the%20origin%20of%20central%20European%20sheep%20(Ovis%20ammon%20f.%20aries)%20populations%20from%20two%20different%20routes%20of%20Neolithisation%20and%20contributions%20to%20the%20history%20of%20woolly%20sheep%22&f=false The first genetic evidence for the origin of central European sheep.]'' bringen "erste Ergebnisse eines umfassenden Projekts zur Genetik der prähistorischen Schafbestände in Mitteleuropa. Es zeigt sich, dass Schafe während des Neolithikums auf zwei verschiedene Arten in Mitteleuropa eingeführt wurden und dass beide Bestände unterschiedliche genetische Strukturen aufwiesen. Eine östliche Population verbreitete sich von der Balkanhalbinsel über Ost-Österreich nach Norden und ergab eine Mischung aus einer dominanten Haplogruppe B mit einer stabilen Haplogruppe A. Eine andere Population erreichte Mitteleuropa über eine '''''westliche Route über Italien und Frankreich''''' und bestand aus Schafen mit der stark überwiegenden '''''Haplogruppe B''''' und geringer Haplogruppe A." (Abstract)
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[[Datei: Original-Grafik der Schafe-Haplogruppen.png|left|thumb|155px|''"falsche" Original-Grafik'']]
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Wie der Tabelle und der Grafik entnommen werden kann, sind die Schafe mit ausschließlich Haplogruppe B im Mittelmeerraum und Schleswig-Holstein - später auch in Frankreich - anzutreffen. Wie deutlich zu erkennen ist, gibt es gerade in Österreich im Neolithikum zwei unterschiedliche Schafherkünfte. Das Vorkommen von Ratzersdorf (östlich St. Pölten) ist das älteste in Österreich und weist recht hohe Anteile der Haplogruppe A auf. Demgegenüber sind die Anteile der Haplogruppe A bei den Schafen des Mondsees wesentlich geringer, was '''''dagegen''''' spricht, dass diese Schafe von donauländischen Schafen - die im Osten Österreichs schon seit über tausend Jahren vorkommen - abstammen.
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Woher kamen nun die Schafe der Pfahlbauern vom Attersee und Mondsee?
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'''''Nikulina und Schmölcke''''' schreiben dazu, dass es nicht auszuschließen ist, dass die Schafe dieser neolithischen Bauern nicht über die Balkanhalbinsel eingewandert sind, sondern sich zunächst entlang der Mittelmeerküste, später ins Rhonetal und schließlich ins westliche Mitteleuropa ausgebreitet haben, wo sich die '''''<u>Michelsberger Kultur</u>''''' entwickelte, deren Bevölkerung '''''<u>ausschließlich Schafe der Haplogruppe B</u>''''' besaß.
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Diese Hypothese konnte von den beiden Autoren aber nicht endgültig verifiziert werden, da Proben von frühneolithischen Schafen aus <u>'''Frankreich, der Schweiz oder dem Rheingebiet</u>''' in deren Studie '''<u>nicht integriert</u>''' waren.
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Sie meinen aber, dass es aber mehrere Argumente gibt, die dafürsprechen, dass diese Erklärung richtig ist: '''''Erstens''''' gehört das europäische Mufflon, der verwilderte Überlebende der neolithischen Schafe auf den Verbreitungswegen entlang der Mittelmeerküsten zur Haplogruppe B. '''''Zweitens''''' haben sie an der einzigen untersuchten südfranzösischen Fundstelle, der späteisenzeitlichen Siedlung Mirebeau-sur-Bèze in der Region Bourgogne-Franche-Comté, ausschließlich Schafe mit Haplogruppe B nachgewiesen. '''''Drittens''''' weisen in Nordwesteuropa (Großbritannien) alle traditionellen Schafrassen nur Haplogruppe B auf, während in Nordosteuropa die traditionellen Schafrassen ähnliche Häufigkeiten der Haplogruppe A und B aufweisen wie in (Ost-)Österreich tausend Jahre zuvor.
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* ''[Anm.: in der kleinen Abbildung wird die <u>unrichtige</u>, irreführende Darstellung aus obiger Veröffentlichung gebracht. Hinsichtlich der Korrektur vgl. die richtigen Daten in der obigen Tabelle.]''
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''' &rarr; [[Verwendete Literatur zur Herkunft der Schafe]]'''
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===Die – überraschende – genetische Abstammung unserer Hausschweine===
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Archäologische Belege deuten darauf hin, dass die Domestizierung von Schweinen im Nahen Osten um ∼10 500 Jahren BP begonnen hat, und die mitochondriale DNA (mtDNA) deutet darauf hin, dass die Schweine zusammen mit den Bauern um ∼8 500 Jahren vor heute nach Europa kamen. Einige tausend Jahre nach der Einführung von Schweinen aus dem Nahen Osten in Europa verschwand jedoch ihre charakteristische nahöstliche mtDNA-Signatur immer mehr und wurde durch jene von europäischen Wildschweinen ersetzt. Dieser Wechsel ist auf einen beträchtlichen Genfluss von lokalen europäischen Wildschweinen zurückzuführen.
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Die Analysen ergaben, dass europäische Hausschweine aus der Zeit von 7.100 bis 6.000 Jahren v.Chr. sowohl nahöstliche als auch europäische Kern-DNA-Vorfahren haben. Bis zum späten Neolithikum (3.000 v.Chr.) war der genomische Anteil der nahöstlichen Hausschweine in Europa auf unter 50 % gesunken, und der nahöstliche Anteil an den modernen europäischen Hausschweinen beträgt heute 0 bis 4 %. Das deutet darauf hin, dass der Genfluss von europäischen Wildschweinen zu einem fast vollständigen Verschwinden der nahöstlichen Vorfahren führte. Darüber hinaus zeigt sich, dass eine Variante an einem Gen-Ort, der für die schwarze Fellfarbe zuständig ist, aus dem Nahen Osten stammt und in europäischen Schweinen erhalten geblieben ist. Damit zeigt sich, dass Schweine zwar nicht unabhängig voneinander in Europa domestiziert wurden, dass sich aber der größte Teil der vom Menschen vermittelten Selektion in den letzten 5.000 Jahren auf die genomische Fraktion von europäischen Wildschweinen abstammt, und nicht auf die Fraktion, die von den frühen neolithischen Bauern in den ersten 2.500 Jahren des Domestikationsprozesses selektiert wurde. Neben dem nahöstlichen Fellfarbe-Gen blieb auch jenes für geringere Größe erhalten.
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Verschmelzungs-Simulationen zeigen, dass eine genomische Ersetzung dieses Ausmaßes als Ergebnis der Aufmischung einer lokalen Population in eine eindringende Population dann zu erwarten ist, wenn die eindringende Population relativ klein ist und keine starken Barrieren für die Kreuzung bestehen.
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'''''[Vgl. hierzu auch die geringe Vermischung der <u>anatolischen Bauern</u> mit den <u>mesolithischen Jägern/Sammlern</u>; demgegenüber aber die enorme Geschwindigkeit und Intensität der Vermischung der <u>Schnurkeramiker mit den Neolithikern ab 2.700 v.Chr.</u>]'''''
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Das Ausmaß, in dem der nahöstliche Anteil der frühesten Hausschweine in Europa aus dem Genom des modernen europäischen Schweins getilgt wurde, ist beispiellos. Obwohl Verschmelzung auch zwischen lokalen Wildpopulationen und örtlich versetzten Haustieren [z. B. Rinder, Pferde, Hunde, Hühner, Ziege] und Pflanzenarten [z. B. Weintraube, Äpfel, Mais] nachweislich häufig vorkommt, sind Schweine die einzige Spezies, deren Genom so stark verändert wurde, dass ihre ursprüngliche Abstammung in modernen Populationen kaum noch nachweisbar ist. Dies deutet darauf hin, dass Schweine ein deutlich geringeres Maß an reproduktiver Isolation von ihren wilden europäischen Artgenossen erfahren haben als andere sich ausbreitende Haustiere, die in den Regionen, in die sie eingeführt wurden, auf eng verwandte Wildarten trafen [z. B. Rinder, Hunde].
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Moderne und antike Wildschweine.png|Moderne und antike Wildschweine|alt=alt language
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Erste Hausschweine 6000-3100 BC.png|Erste Hausschweine 6000-3100 v.Chr.|alt=alt language
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Hausschweine 3100 BC – 180 BP.png|Hausschweine 3100 v.Chr. – 180 vor heute|alt=alt language
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Moderne Hausschweine.png|Moderne Hausschweine neu mit '''''<u>Ostasien</u>'''''genen|alt=alt language
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'''''Erläuterungen zu den Abbildungen:''''' (A) Karte mit der Verteilung der ostasiatischen (blau), nahöstlichen( gelb), europäischen (rot) und Y2-Haplogruppen (violett) bei Wildschweinen. Die schwarzen Punkte stellen die Standorte von 696 modernen und alten Wildschweine dar. Karte B: Das große Kreisdiagramm rechts oben zeigt die Gesamthäufigkeit dieser Haplogruppen bei Hausschweinen, kleine Tortendiagramme zeigen die Häufigkeiten an verschiedenen archäologischen Orten zwischen 8.000 und 5.100 Jahren vor heute und in Karte C zw. 5.100 und 180 Jahren vor heute ['''''[vor der industrieller Revolution und vor der <u>Einführung asiatischer Schweine</u> in Europa]'''''. Karte D zeigt die Verteilung bei heutigen, modernen Hausschweinen.
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'''[[Literatur zur Schweine-Genetik]]'''
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===Zielführende Forschungen zur Herkunft ''(der Tiere)'' unserer Pfahlbauern===
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Es ist heute einfach und kostengünstig möglich, antike DNA (aDNA) von Knochen z.B. der Schafe, Rinder und Schweine aus See/Mondsee mit solchen aus Cortaillod-Kulturen der Schweiz und auch von Egolzwil, Kleiner Hafner/Zürich aber auch vom Bieler See zu analysieren und ihre genetische Verwandtschaft zu vergleichen.
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==Das ''"Salz des Lebens"'' für die Neolithiker==
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Die existentielle Bedeutung des Salzes für den Menschen erkennt man insbesondere daran, dass „salzig“ eine eigene Geschmacksrichtung darstellt. Jäger/Sammler aßen gebratenes Fleisch, sodass das Salz im Fleisch beim Kochen nicht verloren ging. In pflanzlicher Nahrung ist kein Salz enthalten. Infolgedessen waren unsere Pfahlbauern zunehmend auf Kochsalz angewiesen, als sie immer mehr von der Jagd auf den Anbau von Kulturpflanzen übergingen.
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Der '''Salzbedarf des Menschen''' beträgt zumindest '''3 - 5 (WHO) Gramm pro Tag''', wenn man schwitzt mehr.
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'''Unzulänglicher Salzgehalt in neolithischen Nahrungsmitteln:'''
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* Getreide hat 0,02 g je 100 g; Erbsen haben 0,015 g Salz je 100 g, Äpfel 0,003 g je 100 g; Kirschen 0,01 g je 100 g.
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*Blut enthält rd. 1 g Salz je 100 ml. Der Salzgehalt beträgt bei Hirsch und Wildschwein 0,2 g je 100 g; bei Schaf, Ziege und Rind 0,18 g je 100 g, bei Reh 0,12 g Salz je 100 g Fleisch; rohe Milch enthält 0,12 g Salz je 100 ml; Fisch 0,16 g je 100 g; Hase, Fasan und Ente 0,1 g je 100 g.
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Fansa 2006, Mamoun: &rarr; ''[http://www.monumente-online.de/06/06/leitartikel/03_experimentelle_archaeologie.php Wie baute man ein Haus vor 6.000 Jahren?]'' In: Monumente Online; Landesmuseum Oldenburg. ('''''Archäolog. Experiment der Salzgewinnung mit Briquettes''''')
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===Physische Symptome eines Natriummangels===
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Symptome eines Natriummangels sind: Unwohlsein, Kopf- und Muskelschmerzen, Erbrechen, Benommenheit und Verwirrtheit, Schwindel, Krämpfe.
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'''''Wikipedia''''': Bei chronischem Natriummangel führen Störungen von Gang und Aufmerksamkeit zu einem häufigeren Auftreten von Stürzen. Zudem kommt es unter Natriummangel zu einer verminderten Mineralisierung des Knochens und zu einer erhöhten Aktivität der Osteoklasten, Zellen, die Knochensubstanz abbauen. Die Folge ist eine Neigung zu Osteoporose und in Verbindung mit häufigeren Sturzereignissen ein vermehrtes Auftreten von Knochenbrüchen
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===Salzversorgung der Schweizer Neolithiker===
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Historisches Lexikon Schweiz: ''[https://hls-dhs.ch/de/articles/008012/2010-09-07/ Neolithikum der Schweiz.]'': Ein wichtiger Rohstoff war Salz, das sich aber nicht nachweisen lässt. Die nächstgelegenen Salzquellen, die schon neolithisch genutzt wurden, befinden sich im '''''französischen Jura''''', mit in der Tethys entstandenen bedeutenden Steinsalzlagern.
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===Salzversorgung der Mondseer/Atterseer Neolithiker===
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In Pfandl nahe Bad Ischl gab es die nächste Salzquelle für unsere Pfahlbauern.
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===Link zu &rarr; ''[[Literatur zur Salzversorgung der Neolithiker]]''===
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Barta Claus: &rarr; ''[http://salz.perfect.bio/2016/08/12/geschichte_der_salzherstellung_und_des_salzhandels/ Salzabbau in Europa (6.000 v.Chr.–500 n.Chr.)]''; &rarr; ''[http://salz.perfect.bio/ Startseite]''
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* Anzeichen für die Nassgewinnung (Nutzung von mit Wasser ausgelaugten Salzschichten) und die damit verbundene Salzsiedetechnik findet man ab dem 6. Jt. v. Chr. in Mittel- und Osteuropa.
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*Das Restwasser wurde in tönernen Gefäßen („Briquetage“-Technik: Brique = franz. Ziegel) durch Holzbefeuerung entfernt. Es gab auch Briquetage in Kelchform, die auf Tonröhren im Feuer standen. Ein Nachbau des Landesmuseums Natur und Mensch in Oldenburg erbrachte bei einer Temperatur von etwas mehr als 100 Grad Celsius und einer Siedezeit von zehn bis zwölf Stunden eine Ausbeute von 325 Gramm festem Salzkuchen pro Tiegel.
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==Steingeräte und Steine-Know-how der Pfahlbauern vom Mondsee==
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'''''Antl-Weiser 2006''''', Walpurga: Silexplatten als Grundform für Geräte in der Station See/Mondsee. Arch. Austr. 2006:96-103. <br /> Eine monographische Aufarbeitung des Silexmaterials von See/Mondsee stand 2006 kurz vor dem Abschluss; es blieb aber bei dem hier besprochenen überblicksmäßigen Vorbericht, wohl wegen ihrer intensiven Befassung mit der ''„Venus von Willendorf“''.
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Die Silexgeräte der Station See/Mondsee sind aus Fragmenten von dünnen Silexplatten hergestellt. Antl-Weiser vermutet als Herkunft Baiersdorf in Bayern, sie können aber auch mit Abensberg verglichen werden. Sie untersuchte aus Plattensilex: 38 Pfeilspitzen, 16 Sichelmesser, 47 Messer und 23 kleinere Werkstücke.
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'''''Alexander Binsteiner''''' war Lehrbeauftragter für '''''„Europäische Silexlagerstätten“''''' an den Universitäten Innsbruck und Wien. Er wurde vor allem wegen gewagter Hypothesen zum ''"Mondsee-Tsunami"'' aber auch den ''Besuch von "Ötzi" am Mondsee'' bekannt.
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* '''''Binsteiner 2005''''', Alexander: &rarr; ''[https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/jahrb-rgzm/article/view/18860/12673 Lagerstätten und Abbau bayerischer Jurahornsteine sowie deren Distribution im Neolithikum Mittel- und Osteuropas]''. Jahrb. Röm.-German. Zentralmuseum 52, 2005:42–155. (er bringt auch Bezüge zu Mond- und Attersee)
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* '''''Binsteiner 2006''''', Alexander: <u>Das '''''Silexinventar''''' der Pfahlbausiedlung See/Mondsee.</u> Linzer Archäolog. Forschungen Sonderheft 35, Linz 2006:23-40.
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** Binsteiner untersuchte 1182 Silexgeräte: 534 Pfeilspitzen, 228 Kratzer, 151 Klingen, 48 Sicheln, 7 Bohrer, 4 Schaber, 2 Schlagsteine und 1 Feuerstein. <br /> 1142 Stück der '''''Silexartefakte''''' haben eine alpine Herkunft und '''''nur 40 Stück sind Import''''': 28 Stück aus '''''Baiersdorf'''''-Plattenhornstein ('''''Bayern, 320 km'''''): 16 Sicheln; 8 Pfeilspitzen, 1 Messer, Bohrer sowie 8 Stück aus dem (ebenfalls bairischen) '''''Arnhofen'''''-Hornstein (davon 5 Messer); und 4 Stück aus '''''Feuerstein vom Mt. Lessini (nahe Gardasee)''''': 2 Klingen, 1 Schlagstein, 1 Feuerstein. <br /> Der weit überwiegende Anteil aller Silex-Artefakt-Typen stammt aus alpinen Gesteinen mit Ausnahme von jeder '''''dritten Sichel''''' (16 Importe zu 32 heimischen), 15 % der Bohrer (1 zu 6), 6 % der Klingen (9 zu 142), 2 % der Pfeilspitzen (9 zu 525). <br /> Pfeilspitzen wurden hergestellt aus Hornstein 292, Radiolarit 133, Spiculit 26, Plattenhornstein 11, Radiolarienhornstein 9, Spongiolit 2. <br /> Klingen, Messer wurden hergestellt aus Hornstein 76, Radiolarit 47, Spiculit 12, Plattenhornstein 2, Spongiolith 1. <br /> Sicheln wurden hergestellt aus Plattenhornstein 30, Hornstein 5, Spiculit 13.
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* '''''Binsteiner 2009''''', Alexander: &rarr; ''[https://www.land-oberoesterreich.gv.at/files/publikationen/KD_Heimatblatt_1_2_2009.pdf Die Rohstoffversorgung der jungsteinzeitlichen Pfahlbausiedlung von See am Mondsee Eine geoarchäologische Prospektion im Mondseeland]''. OÖ Heimatblätter (Hrsg. Kulturabt. d. OÖ LReg.) 2009:3–7. (Der prähistorische Bergsturz am Mondsee. S. 8–10.)
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'''''Reiter 2011''''', Violetta: &rarr; ''[https://phaidra.univie.ac.at/download/o:1272199 Die '''Steinbeile''' vom Mondsee/Station See aus der Sammlung Matthäus Much]''. Diplomarbeit Univ. Wien 2011. '''Achtung: 339 MB'''; enthält auf S. 148 ff. auch Angaben zu &rarr; Materialien; mögliche Herkünfte entsprechend M. Götzinger (2008)
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* <u>Bestimmung durch M. Götzinger 2008:</u> Von den untersuchten '''''463 Mondseebeilen''''' sind 64 % Metamorphite, 21 % Vulkanite (wahrscheinlich aus '''''Böhmischer Masse'''''), 10 % Plutonite und 5 % Sedimentgestein (wahrscheinlich von der '''''Salzach'''''). Bei den Metamorphiten ist Serpentinit mit 175 von 300 Stück am häufigsten, hat zumeist eine hell- bis dunkelgrüne Farbe und könnte vom '''''Enns-Gebiet''''' stammen.
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'''''Götzinger 2008''''', Michael: Die Steinrohstoffe der Mondseebeile in Slg. d. Inst. f. Ur- und Frühgesch. Univ. Wien, Archäologie Österreichs 19/2, 2008:39–42.
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'''''Götzinger 2006,''''' Michael: Zur Rohstoffverteilung und -verfügbarkeit in der westlichen Lengyel-Kultur. Arch. Österreichs 17/2 2006:82–88.
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'''''Reiter 2013''''', Violetta: Ressourcenmanagement im Pfahlbau. Technologie und Rohmaterial der Steinbeilklingen vom Mondsee, Mitt. Präh. Komm. Wien 2013.
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==Holzgeräte aus der Station Zürich-Seefeld==
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'''''Steiner-Osimitz 2002''''', Stefanie (Lizenziatsarbeit 2002): &rarr; ''[https://www.academia.edu/1311581/Die_neolithischen_Holzger%C3%A4te_von_Z%C3%BCrich_Seefeld_Kanalisationssanierung  Die neolithischen Holzgeräte von Zürich-Seefeld/Kanalisationssanierung]'' <br />Anm.: zum Betrachten ''"doppelseitige"'' Kopie beachten!
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Die Autorin berichtet umfassend über die Vielfalt der Holzgeräte und geht vor allem auf die so wesentliche Auswahl der Holzarten für die jeweiligen Verwendungszwecke ein.
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* Werkzeuge: Beile (Stangenholm mit Flügel-, Kolben- oder Keulenkopf, Hammeräxte, Kugelknieholme, Knieholme mit Zapfen), <br /> Schlägel, Keile, Handschutz, gestielte Blätter (Schaufel/Spaten/Paddel)
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* Ackergeräte: Hacken, Furchenstöcke
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* Jagdgeräte und Waffen: Bogen und Pfeile, Wurfholz, Netzschwimmer
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* Haushaltsgeräte: Messer, Gefäße (Schalen, Schüsseln, Schöpfer, Platten, Schalen, Rindenschachtel); <br /> Mörser; Löffel; Quirl; Back- oder Worfelschaufel; Spiralwulstgeflecht; Holzdolch; Spatel; Spitzen
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* Transportmittel und Steigbäume: Räder samt Radachse; Einbaum, Paddel und „Spielzeugeinbaum“; Steigbäume
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* Diverse Geräte: Stäbe; „Knebel“
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Ab Seite 125 zeigt die Autorin auf 39 Tafeln illustrative Beispiele zu den einzelnen Fundgruppen.
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==Eine kurze Wellenkunde (mit Wirkungen auf Pfahlbau-Überreste)==
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Aus den nachfolgenden Darstellungen findet man als '''''überraschendes Ergebnis''''', dass das  '''''wirkliche Pfahlbau-Problem''''' in der '''''raschen Überdeckung der Überreste mit tiefem Wasser''''' besteht:
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[[Datei: Lahnung Sutz-Lattrigen, Rütte.png|thumb|325px| Lahnungs<u>reste</u>: Holzpfosten u. Weideruten zum <u>Schutz</u> von Sutz-Lattrigen, Rütte, am Bielersee <u>'''''nach 5 Jahren'''''</u>]]
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[[Datei: Badesteg Roider.jpg|thumb|325px|völlig fehlende Überreste unter '''''"Pfahlbau"-Badesteg'''''; am Grund gibt es sogar nur mehr <u>'''''sehr große Steine'''''</u>: <br /> als Vergleichsmaßstab dienen <u>Schlapfen</u> auf dem Steg]]
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* Bei Pfahlbaustationen am trockenem Strand müssen alle Überreste '''''<u>in kurzer Zeit in tiefes Wasser</u>''''' (zumindest 3–4 m) gekommen sein, da wegen der Wellen-Erosion bei langsamem Wasseranstieg (Jahre) keine Überreste gefunden werden könnten. Das gilt insbesondere für leichte, gerade untergehende Gegenstände aus organischem Material, die schon bei leichtem Wellengang in geringer Wassertiefe abgeschwemmt würden.
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* Diese Gegebenheiten sind auch relevanten Pfahlbauforschern deutlich bewusst, wenn Albert Hafner und Peter Suter 2004 schreiben: ''„Die prähistorischen Siedlungsreste am Bielersee sind durch die stetige Erosion der Flachwasserzone massiv bedroht. Deshalb findet im Bereich der Gemeinde Sutz-Lattrigen seit 1988 ein Grossprojekt zu ihrer Dokumentation und Rettung statt.“''
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* Bei im niedrigen Wasser auf Piloten stehenden Pfahlbauten werden durch die Wirkung von normalen und besonders Sturm-Wellen im flachen Wasser unter den Gebäuden alle vergleichsweise leichten Gegenstände, die ins Wasser fallen – auch wenn gerade untergehend – laufend seewärts abtransportiert. Sturmwellen setzen unter solchen Bauten auch spezifisch schwerere Gegenstände in Bewegung und transportieren sie ab.
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* Bei Untiefen mit Siedlungen auf trockenen Grund und langsamem Wasseranstieg (Jahre) würde die erodierende Kraft von Starkwindwellen (4–6 Bft) und Stürmen wohl nichts übrig lassen (Wellenbrecher-Wirkung). Die Überreste auf Untiefen müssen '''''<u>in kurzer Zeit in tiefes Wasser</u>''''' gelangt sein. Winterstürme sind recht häufig (vgl. Kap. weiter unten), und wenn sie parallel zur Längs-Ausrichtung des Sees laufen, produzieren sie sehr lange und sehr hohe Wellen. Die grundnahe Wasserteilchen-Geschwindigkeit nimmt proportional zur Wellenhöhe zu und zieht – sogar quadratisch mit der Wellenhöhe ansteigend – immer größere und schwerere Gegenstände seewärts ab.
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* Falls beim Verlassen eines Pfahlbausees der Seeabfluss – aus welchen Beweggründen auch immer – bewusst durch Verlegung des Abflusses bis auf eine bestimmte Höhe unterbunden wurde, dauerte ein Aufstau um z.B. 4–5 Meter am Zürichsee rund 50 Tage, am Bodensee 125 Tage, am Mondsee 90 Tage und am Attersee 150 Tage; wahrscheinlich aber etwas länger, falls der Abzug der Siedler erst im Herbst nach der Ernte erfolgte.
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* Bei '''''Kliffen''''' – durch Brandungswellen entstanden – könnten unter dem seewärts abtransportierten Abraum-Material Überreste bisher nicht entdeckter Pfahlbaustationen „verschüttet“ und damit besonders geschützt sein, die mit Sondier-Bohrungen einfach auffindbar wären.
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===Verwendete Literatur===
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* Coastal Engineering Research Center (CERC 1984): &rarr; ''[https://luk.staff.ugm.ac.id/USACE/USACE-ShoreProtectionManual1.pdf Shore Protection Manual, Volume I]''. Department of the US Army 1984. Distribution Unlimited. ''<u>(DIE STANDARD-Wellentheorie:''</u> Chapter 2 (S. 2-1 bis 2-30: Lineare Wellentheorie): Wellengeschwindigkeit, -länge und -periode; Sinuswellen; Fluidgeschwindigkeit und -beschleunigung; Wellenenergie und -kraft (mit Formeln und vielen Rechenbeispielen.)
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[[Datei:sinh.png|thumb|170px| Graph zur Ermittlung der maximalen Wassertiefe mit Sandbewegung '''''(Hallermeier)''''']]
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* Coastal Engineering Research Center (CERC 1984): &rarr; ''[https://repository.tudelft.nl/islandora/object/uuid:98791127-e7ae-40a1-b850-67d575fa1289/datastream/OBJ1/downloadVolume Shore Protection Manual, Volume II]'' (Strukturen; Strukturplanung: physikal. Faktoren; Techn. Analysen und Fallstudien; Tabellen und Tafeln)
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* Hallermeier 1981, Robert: &rarr; ''[https://apps.dtic.mil/sti/pdfs/ADA104376.pdf Critical wave conditions for sand motion initiation]''. 8 Theorie-Seiten. US Army Corps of Engineers (CERC 1981). Approved for Publication. (Schwell-Geschwindigkeit für Sandbewegungen; kritische Wellenbedingungen; Berücksichtigung anderer physikalischer Faktoren.) <br /> &rarr; S. 10: <u>sinh-Funktionsgraph (vgl. Abb.)</u> zur Ermittlung der maximalen Wassertiefe d<sub>max</sub>, in der immer noch Sandbewegung ausgelöst wird.
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* Brown 2005, E. et al.: &rarr; ''[http://www.sisal.unam.mx/labeco/LAB_ECOLOGIA/OF_files/Waves,%20Tides%20and%20Shallow-Water%20Processes%20(2nd%20Edition).pdf  Waves, Tides and Shallow-Water Processes]''. 2<sup>nd</sup> edition. Butterworth-Heinemann, Oxford, 227 pp; prepared by an Open University Oceanography Course Team. ''(Ausgezeichnete Darstellung!)''
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* Habel 2001, Rolf: &rarr; '''''[http://webdoc.sub.gwdg.de/ebook/diss/2003/tu-berlin/diss/2001/habel_rolf.pdf „Künstliche Riffe“ zur Wellendämpfung.]''''' Dissertation, TU Berlin 2001. 128 Seiten. (ad '''''Hügeli''''' sowie '''''Großer und Kleiner Hafner''''')
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* Hofmann 2008, Hilmar: &rarr; ''[https://d-nb.info/994900260/34 Characteristics and implications of surface gravity waves in the littoral zone of a large lake (Lake Constance)]''. Dissertation Univ. Konstanz, 2008, 131 Seiten. (Chapter 5: Wave field characteristics and currents in a wave mesocosm. pp. 87-98)
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* Hofmann 2019, Hilmar; Ostendorp, Wolfgang (Hrsg.): &rarr; ''[http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-2-b062ryqkzdkt3 Seeufer: Wellen – Erosion – Schutz – Renaturierung]''. 155 S., Konstanz 2019. (Kapitel 6: Messung und Modellierung von Wellen, Strömungen und Sedimenttransport in der Flachwasserzone von Seen S. 45-64; Kapitel 10: Archäologische Denkmalpflege in der Uferzone des Bodensees S. 117-126.)
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===Bewegung der Wasserteilchen in Tiefwasser- und Flachwasser-Wellen===
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====Tiefwasserwellen====
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[[Datei:Orbitalbewegung einer Tiefwasserwelle.png|thumb|340px|Bewegung der Wassertteilchen in einer Tiefwasserwelle]]
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Tiefwasserwellen unterscheiden sich deutlich von Flachwasserwellen. Hier interessieren uns die ersteren vor allem aufgrund Ihres Entstehens, der von ihnen aufgenommenen Windenergie und die Mechanismen ihrer Fortbewegung.
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Die Höhe von Wellen hängt ab von der einwirkenden '''''Windkraft''''' und der '''''Länge''''', über die der Wind auf die Wellen einwirken konnte ("Fetch").
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Wie der nebenstehenden Grafik zu entnehmen ist, bewegen sich die einzelnen Wasserteilchen kreisförmig und absolut nur recht langsam in Richtung der Wellenbewegung.
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Mit der hier verlinkten &rarr; [https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/4a/Deep_water_wave.gif '''''<u>GIF-Animation von Tiefwasser-Wellen'''''</u>] wird die Bewegung der Wasserteilchen über drei Wellenperioden veranschaulicht:
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* beginnend mit einem Teilchen am Wellenberg und
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* beginnend mit einem Teilchen knapp nach dem Wellental;
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* wie der Grafik zu entnehmen ist, bleiben die einzelnen Wasserteilchen etwa an der gleichen Stelle: weitergegeben wird nur die Bewegung der Welle in Wellenrichtung.
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Wie der Abbildung und der Animation ebenfalls zu entnehmen ist, nimmt die (rotierende) Bewegung der Wasserteilchen mit zunehmender Wassertiefe rasch ab.
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[[Datei:CERC-Wellenbewegung.png|thumb|400px|Geschwindigkeit der Wasserteilchen an einzelnen Stellen der Welle]]
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* Die Wasserteilchen haben am Wellengipfel die gleiche Geschwindigkeit wie die Wellenfortbewegung.
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* Daraufhin bewegen sie sich nach unten, um ein Wellental zu bilden;
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* dort bewegen sie sich mit der absolut gleichen Geschwindigkeit wie die Wellengeschwindigkeit – aber <u>entgegengesetzt zur Wellenfortbewegung</u>! <br />  ''['''Anm.:''' Diese gegenläufige Bewegung der Wasserteilchen im Wellental wird für uns bei Annäherung einer Welle an eine '''Untiefe''' (vgl. hier z.B. "<u>Kleiner Hafner</u>" aber auch die sogenannten "<u>Hügeli</u>" am Bodensee) oder in '''flacheres Wasser''' von besonderem Interesse.]''
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*In der Folge dreht sich die Bewegung der Wasserteilchen nach oben, um erneut einen Wellenberg zu erzeugen.
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====Übergang von Tiefwasserwellen zu Untiefen-Wellen====
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[[Datei:Tiefwasser- zu Flachwasserwellen.png|thumb|300px|Wellenverhalten in der Brecher-Zone von Untiefen]]
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[[Datei: wellen-brandung-schematische-Grafik.png|thumb|300px|Wellenenergie wird durch '''''Untiefen''''' "verbraucht" (Michael Streßer, Helmholtz-Zentrum Geesthacht)]]
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Wenn sich Tiefwasserwellen einer Untiefe nähern, wird die Wassertiefe rasch geringer. Dadurch verändert sich die Dynamik innerhalb der Welle.
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Wenn das Verhältnis von Wassertiefe d zu Wellenlänge L geringer als d/L < 1/2 wird, verändert sich die Wellendynamik in Richtung von Flachwasserwellen.
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In der nebenstehenden Grafik sind die wesentlichen Gegebenheiten einer einlaufenden Welle beim Auftreffen auf Untiefen dargestellt.
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Bereits bei der ersten Untiefe verändert sich das Zurück-Fließen der Unterströmung im Wellental, da diese Wasserteilchen zu spät aufsteigen, sodass sich erste Brecher bilden.
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Bei der nächsten – seichteren – Untiefe verstärkt sich der Effekt, sodass sich vermehrt brechende Wellen ausbilden.
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"Beim Brechen der Wellen wird die Energie, die in den Wellen steckt, freigesetzt und es werden starke Strömungen und Turbulenzen erzeugt (Michael Streßer). Dadurch werden Ablagerungen aufgewirbelt und umgelagert."
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Falls eine solche Untiefe aus Sand oder Steinen (mit kleinem d<sub>50</sub>) besteht, werden diese in kurzer Zeit seewärts abtransportiert. Falls eine '''''Wellenbrecher-Funktion''''' dauerhaft bestehen soll, müssen Steine (mit sehr großem d<sub>50</sub>) verwendet werden.
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Inwieweit die sogenannten ''"Hügeli"'' am Bodensee mit ihren Wellenbrecher-Wirkungen bei Weststürmen eine Funktion für die weitab im Südosten des Bodensees (z.B. Arbon Bleiche) situierten Pfahlbausiedlungen hatten, ist wohl nur vor Ort erforschbar.
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Dass solche Überlegungen zu den ''"Hügeli"'' realitätsnahe sind, kann der Dissertation von Rolf Habel, TU Berlin (2001) &rarr; '''''[http://webdoc.sub.gwdg.de/ebook/diss/2003/tu-berlin/diss/2001/habel_rolf.pdf  „Künstliche Riffe“ zur Wellendämpfung.]''''' entnommen werden.
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[[Datei: Wellenhöhe-Remobilisierung.png|thumb|330px| erforderliche Wellenhöhe für eine Partikel-Mobilisierung in ... m Tiefe (vgl. Hallermeier, Robert: Seiten 9 und 10)]]
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Solche Wellenbrecher-Effekte mit ihren "abscherenden Wirkungen" sind bei (u.U. langsam) ansteigenden Seespiegeln wohl auch bei den beiden heutigen Untiefen ''"Kleiner Hafner"'' und ''"Großer Hafner"'' bei Zürich aufgetreten.
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Falls solche Gegebenheiten z.B. beim ''"Kleinen Hafner"'' über längere Dauer (entsprechend den Theorien zum Seespiegelanstieg nur in Jahrzehnten eintretenden Klimaänderungen) angehalten hätten, wäre wohl von den Kulturschichten und kulturellen Hinterlassenschaften äußerst wenig oder nichts übrig geblieben.
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Dass das nicht eintrat, hängt unter anderem mit der vergleichsweise nur geringen Tiefenwirkung von Wellen zusammen, wie der nebenstehenden Grafik zu entnehmen ist – die für vergleichsweise schwere Partikel mit Rohdichten von 2,2 kg/dm<sup>3</sup> gilt. Um in einer bestimmten Wassertiefe solche Partikel zu mobilisieren (und damit seewärts abzutransportieren) sind größere Wellen - in einer Wassertiefe von 4 m Wellenhöhen von über 1 m - erforderlich.
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Der Umweltphysiker Hofmann vom Limnologischen Institut der Universität Konstanz spricht in diesem Zusammenhang davon, dass "selbst bei Windwellenhöhen von 1 m, die während eines Starkwindereignisses (4–8 Bft) auftreten können, die Wassertiefe, bis zu der Partikel remobilisiert werden können, nur ~3 m (beträgt)."
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Dieser physikalische Zusammenhang ist auch ein wesentliches Argument dafür, dass Pfahlbaureste, die mit Ausnahme von Steinwerkzeugen zumeist ein nur geringes spezifisches Gewicht haben, nicht langsam, sondern '''''<u>sehr rasch in größere Tiefe</u>''''' (zumindest 3 - 4 m) kommen müssen, damit wir überhaupt noch etwas von ihnen vorfinden können.
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====Flachwasserwellen====
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[[Datei:Orbitalbewegung einer Flachwasserwelle.png|thumb|340px|Bewegung der Wassertteilchen in einer Flachwasserwelle]]
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[[Datei:Tief- und Flachwasserwellen.png|thumb|340px|Vergleich seegrundnahe Flachwasser- zu Tiefwasserwelle]]
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Tiefwasserwellen haben keine Auswirkungen auf tiefen Seegrund. Bei Annäherung von Tiefwasserwellen an flaches Wasser verändern sich aber die Strömungsverhältnisse deutlich. Falls das Verhältnis von Wassertiefe d zu Wellenlänge L geringer als 1/20 wird, kommt die abbremsende Wirkung auf das im Wellental rückströmende Wassers zur Geltung.
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Wiederum wird mit der hier verlinkten '''''&rarr; [https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/be/Shallow_water_wave.gif <u>GIF-Animation von Flachwasser-Wellen</u>'''''] die Bewegung der Wasserteilchen über drei Wellenperioden veranschaulicht:
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* beginnend mit einem Teilchen am Wellenberg und
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* beginnend mit einem Teilchen im Wellental.
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Das im Wellental rückströmende Wasser kommt mit dem Seegrund in Reibung, wodurch es abgebremst wird, aber auch Schub auf den Seegrund entgegen der Wellenrichtung ausübt. Damit kommt diese Wassermenge aber für die neue Wellenbildung zu spät, während sich die Teilchen am Wellenberg weiterhin mit gleicher Geschwindigkeit wie die Welle in Wellenrichtung bewegen: dadurch werden die Wellen kürzer und steiler und beginnen in der Folge zu brechen.
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Die Wasserteilchen können nun keine kreisförmige Bewegung mehr ausführen, vielmehr wird diese in eine elliptische Bewegung verformt – die am Seegrund sogar noch stärker „eingedellt“ wird.
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Die Wellen ''"ziehen"'' aufgrund der ''"rollenden"'' Bewegung der Wasserteilchen in der Welle – oben in der, unten aber gegen die Wellenbewegung – bei Annäherung an das flache Ufer Material vom Seegrund entgegen der Wellenrichtung in Richtung See.
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===Wellen-Physik und Formeln im Flachwasser===
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[[Datei: Welleneigenschaften.png|thumb|250px]]
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In der nebenstehenden Grafik sind die wesentlichen Welleneigenschaften einer konkreten Messung (nach Hofmann 2019, Hilmar) dargestellt. Dabei bedeuten:
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* H<sub>max</sub> … maximale Wellenhöhe (zw. Wellenberg und Wellental) in [m]
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* T<sub>s</sub> … signifikante Wellenperiodendauer in [s]
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* W<sub>L</sub> … Wellenlänge zw. zwei Wellenbergen in [m]
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* u<sub>max</sub> … maximale grundnahe Strömungsgeschwindigkeit (hier in 1 m tiefem Wasser) in [m/s]
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* BSS … Bodenschubspannung in [N/m<sup>2</sup>]
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* d<sub>50</sub> … mobilisierbare Korngröße in [mm]
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* E<sub>F</sub> … Wellenenergiefluss in [W/m<sup>2</sup>]
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Man erkennt, dass die maximale welleninduzierte grundnahe Strömungsgeschwindigkeit direkt mit der maximalen Wellenhöhe korreliert. Mit der Strömungsgeschwindigkeit ist klarerweise die Bodenschubspannung direkt verbunden. Deren Kraft muss eine bestimmte Höhe erreichen, um Partikel bestimmter Korngrößen mobilisieren zu können.
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Bei Starkwindereignissen erreichen Wellen Höhen von 0,5–1,2 (2) m, Periodendauern von 2–2,5 (3) s und Längen von 6–12 (15) m. Damit verbunden sind grundnahe (in 1 m Wassertiefe) Strömungsgeschwindigkeiten von 0,5–1,5 (2) m/s und Bodenschubspannungen von 10–50 (80) N/m<sup>2</sup>; diese können Partikel von 1–10 (15) mm mobilisieren. Der Wellenenergiefluss erreicht 100–500 (800) W/m<sup>2</sup>.
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====Maximale grundnahe Wasserteilchen-Geschwindigkeit im Flachwasser====
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[[Datei:Grundnahe Teilchengeschwindigkeit.png|thumb|150px]]
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[[Datei: Wellendaten Kleiner Hafner.png|thumb|350px| Wellendaten Kleiner Hafner mit H<sub>max</sub> = 2 . H<sub>sig</sub> lt. ''"Guide"'']]
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Die maximale grundnahe Wasserteilchen-Geschwindigkeit in [m/s] errechnet sich unter Verwendung der nebenstehenden Formel von Brown (2005): &rarr; ''[http://www.sisal.unam.mx/labeco/LAB_ECOLOGIA/OF_files/Waves,%20Tides%20and%20Shallow-Water%20Processes%20(2nd%20Edition).pdf Waves, Tides and Shallow-Water Processes]'', wobei
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* u<sub>max</sub> = maximale grundnahe Geschwindigkeit der Wasserteilchen in [m/s]
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* π = Kreiszahl Pi = 3,1415926
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* H = Wellenhöhe (zw. Wellenberg und Wellental) in [m]
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* T = Wellenperiodendauer (Dauer zwischen zwei Wellenbergen) in [s]
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* sinh = sinus hyperbolicus
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* h = Wassertiefe in [m]
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* λ = Wellenlänge zwischen zwei Wellenbergen in [m]
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''(Der '''Sinus hyperbolicus im Nenner''' wirkt sich wie folgt aus:  Nimmt man die grundnahe Teilchengeschwindigkeit u<sub>max</sub> bei einer Tiefe h = 1 m als Basis, so reduziert sich diese bei 2 m auf 1/3, bei 3 m auf 10 %, bei 4 m auf 3 % und bei 5 m auf 1,3 %.)''
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====Notwendige Geschwindigkeit zur Teilchen-Mobilisierung am Flachwassergrund====
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[[Datei:Mobilisierungsgeschwindigkeit.png |thumb|200px]]
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Die notwendige Geschwindigkeit in [m/s] zur Mobilisierung von Teilchen am Flachwassergrund wird unter Verwendung der Formel des US Army Corps of Engineers (1984): &rarr; ''[https://luk.staff.ugm.ac.id/USACE/USACE-ShoreProtectionManual1.pdf Shore Protection Manual]'' aus den folgenden Parametern bestimmt:
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* u<sub>max, res</sub> = notwendige Geschwindigkeit der Wasserpartikel für Mobilisierung von Partikeln am Flachwassergrund in [m/s]
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* ρ<sub>s</sub> (ro<sub>s</sub>) = spezifisches Gewicht der Partikel am Flachwassergrund (= 1,0 g/cm<sup>3</sup> für gerade untergehendes Holz bis 2,2 g/cm<sup>3</sup> für Steine oder Material von abgeräumtem Kliff)
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* ρ<sub>w</sub> (ro<sub>w</sub>) = spezifisches Gewicht von Wasser (= 1,0 g/cm<sup>3</sup>)
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* g = Erdbeschleunigung (= 9,81 m/s<sup>2</sup>)
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* d<sub>50</sub> = mittlere Korngröße [m]
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Der Wert des Bruchs der Rohdichten [ρ<sub>s</sub> (Partikel) / ρ<sub>w</sub> (Wasser)] tendiert bei ähnlichem spezifischem Gewicht zum Wert "1", sodass die erforderliche Ablöse-Geschwindigkeit des Wassers für solche Partikel gegen Null tendiert.
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Untergehendes Holz, biologisches Material (Getreide, Stoffe, Holz-Werkzeuge usw.) haben anfänglich ein ähnliches Gewicht wie Wasser, sodass sie leicht vom Flachwassergrund abgeschwemmt werden können.
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Geröllsteine (z. B. eingebracht über Schwemmkegel von Bächen, aber auch im Zuge von Kliff-Bildungen) haben dagegen eine spezifische Dichte von etwa 2,2 - 2,5 g/cm<sup>3</sup>. Hallmeier gibt folgende spezifische Gewichte an: Quartz 2,65 g/cm<sup>3</sup> und Calcit 2,71 g/cm<sup>3</sup>.
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Weitere &rarr; ''[https://www.lrtgmbh.de/index_htm_files/LRT-Schuettgewichte.pdf Rohdichten-Werte]'': Holzkohle: 1,4 g/cm<sup>3</sup> (porenfrei, schwimmt nicht) ... 0,45 g/cm<sup>3</sup> (porös, schwimmt); Getreidekörner: schwimmen nicht; Sand (Ufer): 1,8...2,6 g/cm<sup>3</sup>; Erde, nass: 1,6...1,8 g/cm<sup>3</sup>.
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Die Rohdichte ρ der Zellwandstruktur von Holz beträgt 1,5 g/cm³; jene von Wasser 1,0 g/cm³.
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Die Rohdichte von trockenem und von &rarr; ''[https://www.anzugsmoment.de/werkstoffe/holz-gewicht/  frisch geschlagenem Holz]'' beträgt etwa in g/cm<sup>3</sup>:
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Eiche: 0,65…0,93; frisch geschlagen 0,970; Buche: 0,68…0,88; frisch geschlagen 0,910; Esche: 0,58...0,65; frisch geschlagen; 0,860; Kiefer: 0,49…0,86; frisch geschlagen 0,860; Ahorn: 0,45...0,59; frisch geschlagen 0,790; Tanne: 0,42...0,46; frisch geschlagen 0,750; Erlen: 0,48...0,53; frisch geschlagen 0,710; Fichte: 0,43…0,64; frisch geschlagen 0,680; Pappel: 0,38...0,45; frisch geschlagen 0,560.
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====Mobilisierbare Korngrößen abhängig von der Wasserteilchen-Geschwindigkeit====
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[[Datei:Korngrößen.png|thumb|150px]]
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Nach Umformung der vorigen Gleichung des ''US Army Corps of Engineers (1984): "Shore Protection Manual I"'' findet man eine Formel zur Bestimmung der (mittleren) Korngrößen d<sub>50</sub> in [m], die mit einer bestimmten Wasserteilchen-Geschwindigkeit am Flachwassergrund mobilisiert werden können. Die hierbei verwendeten Parameter sind:
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* d<sub>50</sub> = mittlere Korngröße in [m]
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* u<sub>max</sub> = welleninduzierte grundnahe Teilchengeschwindigkeit der Wasserpartikel in [m/s]
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* ρ<sub>s</sub> (ro<sub>s</sub>) = spezifisches Gewicht der Partikel am Flachwasserboden (mit 1,0+ g/cm<sup>3</sup> für gerade untergegangenes Holz und bis 2,2 g/cm<sup>3</sup> für Steine oder Material von abgeräumtem Kliff)
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* ρ<sub>w</sub> (ro<sub>w</sub>) = spezifisches Gewicht des Wassers (= 1,0 g/cm<sup>3</sup>)
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* g = Erdbeschleunigung = 9,81 [m/s<sup>2</sup>]
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Im Nenner tendiert der Wert des Bruchs der Rohdichten von [ρs (Partikel) / ρw (Wasser)] bei ähnlichem spezifischem Gewicht zum Wert "1", sodass der Wert des Nenners gegen Null geht und sich sehr hohe d<sub>50</sub>-Werte ergeben. Es ist auch klar, dass Partikel mit einem spezifischen Gewicht ähnlich Wasser – schon wegen des Auftriebs – sehr leicht mobilisierbar sind.
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Aus der ersten, obigen Gleichung erkennt man auch, dass die grundnahe Wasserteilchen-Geschwindigkeit proportional mit der Wellenhöhe ansteigt. Die Größe der vom Grund mobilisierbaren Partikel steigt aber mit dem '''''Quadrat der Wasserteilchen-Geschwindigkeit''''' und damit auch mit dem Quadrat der Wellenhöhe.
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'''''60-cm-Wellen''''' mobilisieren im Vergleich zu '''''20-cm-Wellen''''' rund '''''9mal''''' größere Partikel, 1-m-Wellen '''''25mal''''' größere Partikel seewärts.
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===Illustrierendes Wellen-Beispiel bei Friedrichshafen===
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[[Datei: Starkwindwellen Friedrichshafen.png|thumb|300px|300px|Starkwindwellen Friedrichshafen (25.4.2019) <br /> Foto: Andreas Ambrosius (&rarr; ''[https://www.suedkurier.de/region/bodenseekreis/friedrichshafen/Stuermischer-Bodensee-Brandung-sorgt-fuer-Dusche-an-Uferpromenade-mit-Video;art372474,10126771 Artkel im Südkurier]'')]]
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[[Datei: Schwan im Sturm.png|thumb|320px|305px|Schwan locker gg Sturmwellen (25.4.19) Video von <br />Andreas Ambrosius (&rarr; ''[https://www.suedkurier.de/region/bodenseekreis/friedrichshafen/Stuermischer-Bodensee-Brandung-sorgt-fuer-Dusche-an-Uferpromenade-mit-Video;art372474,10126771 '''Video''' im Südkurier: 0:40]'') ]]
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Wie in der Abbildung der drei Wellen deutlich zu erkennen ist, beginnt die rechte Welle das Verhältnis von Wassertiefe (ca. 2 m) zu Wellenlänge (ca. 8 m) mit dem Grenzwert von d/L < ½ deutlich zu unterschreiten, sodass die Welle zu brechen beginnt. Klar ist zu erkennen, dass die Wasserpartikel am Wellenkamm gegenüber dem rückfließenden Wasser im Wellental überhöht werden: die Welle beginnt zu brechen.
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Bei der mittleren Welle erkennt man, dass sich das rückfließende Wasser des Wellentals unter den heraneilenden Wellenberg schiebt und damit der Wellenkamm auf der ganzen Breite nach vorne stürzt.
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Die linke Welle ergießt ihre verbleibende Bewegungsenergie der Wassermasse des Wellenbergs Richtung Ufer.
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Dass das Wasser zwischen den Wellenbergen seewärts strömt, ersieht man im Video des locker gegen die Wellen schwimmenden '''''<u>Schwans</u>''''' (im nebenstehenden Video ab 40 sec.), der sich zwischen den Wellenkämmen wegen der ablandigen Grundströmung im Wellental nur wenig anstrengen muss; nur bei den Wellenkämmen muss er "durchtauchen".
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''(Anm.: Der gleiche Effekt ist bei Surfern am Meer zu beobachten, die zwischen den Wellenkämmen nur wenig paddeln müssen, um aufs offene Meer zu kommen; schwierig sind immer nur die Wellenberge.)''
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===Kliff-Bildungen – bestens erhaltene Pfahlbauten?===
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[[Datei:Kliffbildung.png|thumb|300px|überdeckt Kliff-Material viele Pfahlbau-Stationen?]]
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[[Datei: Kliff Nußdorf.jpg|thumb|300px| 4-m-Kliff des Rosenwinds in Latzl-Bucht, Nußdorf Seegrund bis auf 7-cm-Steine seewärts abgeräumt]]
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[[Datei: Strand Seitlhof.jpg|thumb|300px| 2-m-Kliff beim Seitlhof-Strand in Latzlhof-Bucht]]
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[[Datei:Kliff-Ufer.png|thumb|300px|2 - 5 m hohes Kliff-Ufer in Nußdorf a.A.12.000 m²]]
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Kliffe sind Steilhänge eines Festgesteins oder eines scherfesten Lockergesteins (z.B. Bach-Schüttkegel) an einem Abbruchufer eines Sees oder an einer Abbruchküste eines Meeres.
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Typische Reliefformen der Erosion sind Kliffs, also Steilböschungen im Uferbereich, die sich durch Welleneinwirkung in ein standfestes Substrat (z. B. Bach-Schüttungen) gegraben haben.
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Ursprünglich waren kleine Kliffkanten mit Höhen von wenigen Dezimetern bis etwa 2 Meter an Seen weit verbreitet, wurden aber durch Vorschüttungen und Ufermauern abgedeckt oder im Zuge von Erosionssicherungsmaßnahmen (‚Seehang-Sanierung‘) durch Geröll- und Steinschüttungen gesichert.
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Wesentliche Prozesse sind
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* die Brandung, die zu einer Brandungs'''''hohlkehle''''' führt,
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* Scherkräfte innerhalb des Lockergesteins, die zu einem '''''Abrutschen von Hangmassen''''' führen, und
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* Wellen, die zu einem '''''Abtransport''''' des abgerutschen Lockergesteins Richtung See führen.
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Am Attersee finden sich solche Kliff-Ufer, die vor allem dem sommerlichen nord-östlichen Rosenwind mit recht kontinuierlicher Windstärke von etwa 4 Bft (ca. 30 kmh) und einer Wind-Anlauflänge von rund 10 km ausgesetzt sind.
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Seltene, aber besonders extreme Wellen bis zu 2 m produzieren Südstürme bis Orkanstärke (11 Bft).
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Die z.B. in '''''Nußdorf am Attersee''''' vorzufindenden Ufer-Kliffe haben Höhen zwischen 2–5 m über dem Wasserspiegel.
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Das Material, das ursprünglich von der historischen Kegelschüttung des ''Nässltalbachs'' stammt, wurde durch die Brandungswellen abgeräumt und seewärts abtransportiert.
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Ähnliche Kliff-Verhältnisse gibt es bei den Pfahlbaustationen bei '''''Abtsdorf''''' und deutlicher bei '''''Aufham'''''.
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[[Datei: VRI-300.png|left|thumb|300px|<sup>14</sup>C-Datum VRI-300 1971: Latzlbucht Nußdorf a.A.]]
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Der Doyen der österreichischen Pfahlbauforschung Johann Offenberger vermutete bereits im dritten Jahr (1971) seiner Unterwasser-Forschungen eine Station in der sogenannten ''„Latzl“''-Bucht in Nußdorf.
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Diese Stelle wäre für eine Pfahlbaustation recht günstig gelegen und hätte über eine '''''Fläche von 1,2 ha''''' verfügt (vgl. die nebenstehende Abbildung).
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Obwohl Offenberger nicht selbst über Pfahlbau-Fehlsuchen in den offiziellen ''„Fundberichten aus Österreich“'' berichtet, gibt es doch einen indirekten Nachweis dafür, dass er dort eine Pfahlbaustation annahm: vgl. hierzu die beigefügte Radiokarbondatierung eines Pfahles durch das Vienna Radium Institute (VRI) mit der niedrigen Nummer 300. (VRI-Kommentar: "Das Datum widerspricht der '''''<u>Annahme</u> eines neolithischen Pfahlbaus'''''.") Diese VRI-Zeitbestimmung war erst die zweite vom Attersee – nach jener der Pfahlbaustation Misling.
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Unter Berücksichtigung der Menge des durch Brandungswellen abgeräumten und seewärts transportierten Materials konnte Offenberger ehemals in der ''Latzl''-Bucht keinen möglichen Pfahlbau entdecken, da ein solcher rezent unter einer meterdicken Geröllschicht gelegen wäre.
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Es wäre heute am Attersee und auch an anderen Seen mit vergleichbaren Ufer-Kliffen einfach möglich, durch Sondierungs-Bohrungen festzustellen, ob unter solchen Geröllschichten Spuren von Kulturschichten zu finden sind.
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Das wäre umso interessanter, da durch solche Überdeckungen bestens erhaltene bisher unentdeckte Stationen gefunden werden könnten.
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''Anm.: Heutige Sicherungsmaßnahmen für erosionsgefährdete Stationen werden mittels '''<u>Steinschüttungen</u>''' in äquivalenter Weise  bewerkstelligt (vgl. gleich den folgenden Abschnitt).''
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===Gefährdung von Pfahlbauten durch Wellen und Niedrigwasserstände===
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====Gefährdung von Stationen durch Wellenerosion====
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[[Datei: Bielersee-Korrektion.png|thumb|220px|schraffiert: Juragewässerkorrektion, schwarz: "harte" Uferbefestigungen]]
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Im Folgenden werden relevante Veröffentlichungen zur Gefährdung von Pfahlbaustationen durch Erosionsvorgänge gebracht.
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Ramseyer, D. et al. (Eds.): &rarr; ''[https://archaeologie.tg.ch/public/upload/assets/52176/AeE_Archeologie_et_erosion_1.pdf?fp=1 Archéologie et erosion Bd 1]''; 1996. 118 S.
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* Iseli, Christoph: Erhaltung und Wiederherstellung des natürlichen Ufers des Bielersees: Was ist zu tun? ''[Anm.: Durch die Juragewässer-Korrektionen wurde der Seespiegel des Bielersees abgesenkt, sodass dadurch die Pfahlbaustationen nunmehr in seichterem Wasser liegen. (siehe nebenstehende Abbildung)]''
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 +
* Courboud, Pierre: Natürliche Erosion und das Verschwinden von prähistorischen Unterwasserstätten am Genfersee
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Archéologie et Érosion 2: &rarr; ''[https://archaeologie.tg.ch/public/upload/assets/52174/AeE_archeo_2mit_umschlag_klein.pdf?fp=1 Gefährdete Feuchtgebiete]''. 2006; 133 Seiten.
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 +
* Hafner, Albert: Schutzmaßnahmen zur Erhaltung der archäologischen Stätten am Bielersee
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 +
* Brem, Hansjörg: Diktiert die Wirtschaft die Zerstörung oder die Erhaltung von Seenstationen? Die "in situ"-Erhaltung im Kanton Thurgau
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 +
* Eberschweiler, Beat: Zerstörung der Pfahlbauten in den Zürcher Seen: Verschiedene Ursachen, angemessene Antworten
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* Köninger, Joachim et Schlichtherle, Helmut: Erosionsschutzmaßnahmen an Seeuferstationen im deutschen Teil des Bodenseeufers. Aktueller Stand der Erfahrungen und neue Projekte
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[[Datei: Ufererosion.png|thumb|290px|Ufererosion im Flachwasserbereich. D = L/2 &rarr; <br /> Niveau der Wellenwirkung, mit L = Wellenlänge]]
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 +
Archéologie et Erosion 3 &rarr; ''[https://archaeologie.tg.ch/public/upload/assets/120394/AE3_2021.pdf?fp=1 Monitoring und Maßnahmen]''. 2015, 210 Seiten.
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 +
* Köninger, Joachim & Mainberger, M.: &rarr; ''[https://www.uwarc.de/publications/monitoring.pdf Erosionsschutz und Monitoring des Kulturgutes unter Wasser am baden-württembergischen Bodenseeufer.]'' S. 51–60.
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 +
* Pohl, Henrik: Erste Ergebnisse und Massnahmen zum Schutz der prähistorischen Seeufersiedlungen in Österreich. S. 71–78.
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* Marianne Ramstein und Jürgen Fischer: Erosionsschutz in Sutz-Lattrigen (Bern). Forschungsstand, Erfahrungen und Perspektiven. S. 93–100.
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Entsprechend dem Wellen-ATLAS der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Quelle: https://swisslakes.net/) können die daraus gewonnenen und nachfolgend angegebenen Werte der Wellenhöhen - wobei H<sub>max</sub> mit 2 . H<sub>sig</sub> anzusetzen ist - verwendet werden. Bei einer Wassertiefe von D = L/2 beginnt die Wirkung auf den Seegrund. Daraus erkennt man, dass ob der großen Wellenlängen vor allem an den großen Seen mit langem ''Fetch'' viele Unterwasserstationen gefährdet sind. Das gilt insbesondere für den abgesenkten Bielersee.
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Sutz-Lattrigen2.png|Sutz-Lattrigen: Wellen|alt=alt language
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Zürich2.png|Zürich: Wellen - Höhe, L|alt=alt language
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Neuchatel2.png|Neuchatel: Wellen - H, L|alt=alt language
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Genf2.png|Genf: Wellen - H, Länge|alt=alt language
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====Gefährdung von Stationen durch Niedrigwasserstände====
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<u>LU-BW 2011</u>: "Die Flächen der Stationen in Baden-Württemberg liegen heute größtenteils unter Wasser. Während Niedrigwasserzeiten kann jedoch der Wasserstand bis zu Ober- bzw. Untergrenzen dieser Flächen fallen. Erreicht oder unterschreitet der Wasserstand die Obergrenze, führt dies zu sehr geringer Wasserüberdeckung meist verbunden mit starkem Wellengang und damit zu Schädigung bzw. Zerstörung der Siedlungsareale. Erreicht der Niedrigwasserstand die Untergrenzen der Flächen, fallen die Siedlungsareale (Pfahlfelder und Kulturschichten) trocken und können durch Frost und Lufteinwirkung zerstört werden."
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{| class="wikitable" style="text-align:right;"
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|+ Freifallen von Siedlungsarealen aus dem Neolithikum <br /> bei ''<u>Niedrigwasser</u>'' am Bodensee/Ober- und Untersee
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|-
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! Höhe der Siedlungsareale <br /> in [m+NN] !! Schichten-<br />Obergrenze !! Schichten-<br />Untergrenze 
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|-
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| Unteruhldingen/Stollenwiese || 394,50 || 393,25
 +
|-
 +
| Obermaurach/Ziegelhütte || 394,25 || 393,40
 +
|-
 +
| Sipplingen/Osthafen || 394,30 || 393,20
 +
|-
 +
| Bodmann-Schachen I || 394,00 || < 393,00
 +
|-
 +
| Litzlstetten/Krähenhorn || 395,00 || 393,80
 +
|-
 +
| Mammern-Langhorn || 393 || 391
 +
|-
 +
| Steckborn „Turgi“ || 394 || 393
 +
|-
 +
| Steckborn „Schanz“ || 394 || 391
 +
|-
 +
| Ermatingen „Westerfeld/Büge“ || 393 || 390
 +
|-
 +
| Arbon Bleiche 3 (nun an Land)|| 396,00 || < 393,90
 +
|-
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|}
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Quellen: LU-BW: &rarr; ''[https://www.bodensee-hochwasser.info/pdf/langzeitverhalten-bodensee-wasserstaende.pdf Bodensee-Wasserstände]'', 2011, S. 114; Wininger/Hasenfratz : &rarr; ''[https://archaeologie.tg.ch/public/upload/assets/80819/Winiger_Hasenfratz_Ufersiedlungen_indexiert_kleiner.pdf Ufersiedlungen am Bodensee]'', 1985; Leuzinger, Urs: &rarr; ''[https://www.academia.edu/31166394/Die_jungsteinzeitliche_Seeufersiedlung_Arbon_Bleiche_3_Befunde Arbon Bleiche 3 - Befunde]''. Dissertation 2000, S. 12.
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Die Stationen: ''<u>Kreuzlingen „Seeburg“, Bottighofen „Schlössli-Neuwies“, Landschlacht- Seedorf, Altnau „Ruderborn“, Güttingen, Kesswil „Seedorf“ und Uttwil „Unterbäche“</u>'' konnten (obwohl für sie konkrete frühere Pfahlbaufunde vorliegen) von Wininger/Hasenfratz – wohl wegen Erosion – trotz systematischer Bohrungen und Betauchungen '''''nicht mehr aufgefunden''''' werden.
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===Simulierte Windstärken und -richtungen an Pfahlbauseen===
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[[Datei: Legende zu den Windgeschwindigkeiten.png|thumb|330px|Verwendeter Farb-Code für die Windgeschwindigkeiten]]
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Der Farbcode der von &rarr; [https://www.meteoblue.com/de/wetter/historyclimate/climatemodelled/bodensee_deutschland_2947110 '''''„Meteoblue - Weather for you“'''''] simulierten Windgeschwindigkeiten der nachfolgenden Diagramme ist der nebenstehenden Legende zu entnehmen.
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''(Anm.: Klarerweise können heute die ehemaligen Windgeschwindigkeiten und -richtungen zur Zeit der Pfahlbauern nicht rekonstruiert werden. Durch die Wirkung des Golfstroms könnten aber die meteorologischen Verhältnisse in etwa zutreffen. Aussagen der Paläobotaniker über ein vergleichsweise ähnliches Klima (z.B. Lüdi) sind hier hilfreich.)''
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====Windstärken je Monat und See====
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Die Diagramme der einzelnen Seen zeigen die Anzahl der Tage im Monat, an denen der Wind eine gewisse Geschwindigkeit erreicht. Die höheren Windgeschwindigkeiten (gelb: über 50 kmh; orange: über 61 kmh) treten vor allem in den Wintermonaten Dezember-März auf.
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Mit dem Link ''"&rarr; Daten"'' gelangt man zum jeweiligen See; durch Hinunter-Scrollen kommt man zu den Grafiken <u>Windgeschwindigkeit</u> (und <u>Windrose</u>), wo detailliertere Daten angegeben sind.
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Windgeschwindigkeit Bodensee.png|Bodensee &rarr; ''[https://www.meteoblue.com/de/wetter/historyclimate/climatemodelled/bodensee_deutschland_2947110 Daten]''|alt=alt language
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Windgeschwindigkeit Zürichsee.png|Zürichsee &rarr; ''[https://www.meteoblue.com/de/wetter/historyclimate/climatemodelled/z%c3%bcrich-%28kreis-7%29_schweiz_6295548 Daten]''|alt=alt language
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Windgeschwindigkeit Bielersee.png|Bielersee &rarr; ''[https://www.meteoblue.com/de/wetter/historyclimate/climatemodelled/camping-sutz-am-bielersee_schweiz_12005593 Daten]''|alt=alt language
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Windgeschwindigkeit Attersee.png|Atter/Mondsee&rarr;''[https://www.meteoblue.com/de/wetter/historyclimate/climatemodelled/attersee_%c3%96sterreich_2782287 Daten]''|alt=alt language
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</gallery>
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====Zugehörige Windrosen samt Windgeschwindigkeiten je See====
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Die Windrosen für die einzelnen Seen zeigen durch den Abstand vom Zentrum mittels den Kreisen gleicher Zeitdauern, an wie vielen Stunden im Jahr der Wind aus welcher Richtung geweht hat.
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Der Farbcode der Windgeschwindigkeiten in den einzelnen Windrichtungen der einzelnen Diagrammen ist der oben angegebenen Legende zu entnehmen.
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Windrose Bodensee.png|Bodensee 3000 h W-SW|alt=alt language
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Windrose Zürichsee.png|Zürichsee 4600h SO-SW|alt=alt language
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Windrose Bielersee.png|Bielersee 3000 h W-S|alt=alt language
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Windrose Attersee.png|Atter/Mondsee 3kh West|alt=alt language
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====Häufigkeit von Winterstürmen je Monat====
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Entsprechend dem &rarr; '''''[https://www.sturmarchiv.ch/index.php?title=Wintersturmkalender Wintersturmkalender]''''' bedeuten Windböen-Maxima von über 130–180 km/h auf dem Feldberg im Südschwarzwald regelmäßig auch stürmische Verhältnisse in der Schweiz und in Oberösterreich.
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Solche Sturmtage gab es in den einzelnen Monaten der 67 Jahre zwischen 1955–2022: Oktober 49 Sturmtage; November 82 Sturmtage; Dezember 137 Sturmtage; Jänner 162 Sturmtage; Feber 127 Sturmtage; März 72 Sturmtage.
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Im Schnitt ergeben sich damit für die einzelnen Monate: 0,7 Sturmtage je Oktober; 1 ¼ Sturmtage je November;
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2 Sturmtage je Dezember; 2,4 Sturmtage je Jänner; 1,9 Sturmtage je Feber und 1,1 Sturmtage je März.
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Allein am Bodensee gab es im Zeitraum 2000–2020 jeweils im Winterhalbjahr insgesamt &rarr; ''[https://www.sturmarchiv.ch/index.php?title=Regionale_St%C3%BCrme#F.C3.B6hnst.C3.BCrme_ab_Jahr_2000 21 Föhnstürme]'' mit Windgeschwindigkeiten von 70–120 kmh.
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====Winterkälte 1962/63 am Bodensee und Attersee====
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Der Winter 1962/63 war der 3. „Jahrhundertwinter“ nach den Jahren 1929 und 1947; mit Eisschollen auf dem Rhein und 125 Frosttagen. Es war der kälteste Winter der 2. Jahrhunderthälfte. Der Bodensee war in seiner ganzen Fläche zugefroren.==Vorausetzungen für Erhaltung von Pfahlbauresten; mögliche Experimente==
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====Wininger zu Voraussetzungen für langfristige Erhaltung====
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* '''Winiger 1984, Josef:''' Nachtrag zum Pfahlbauproblem. In: &rarr; ''Helvetica Archaeologica'' 1984, S. 83-92.
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"Es wurde zwar erkannt, dass am Phänomen der «Pfahlbauten» verschiedenartige Kulturen beteiligt sind, das «Pfahlbauproblem» wurde aber doch als Einheit behandelt. Gleichartigkeit der Bauweise ist nach allgemein ethnologischer Erfahrung am ehesten im Rahmen der Einheit einer Kultur zu erwarten. Die Einheit «Pfahlbauproblem» ist aber nicht aus einer '''''Einheitlichkeit des Siedlungswesens''''' abzuleiten, sondern aus einer '''''Gleichartigkeit der Erhaltungsbedingungen:''''' Die Erhaltung organischer Siedlungsreste ist an die Bedingungen des '''''<u>Überdecktwerdens</u>''''' und des '''''<u>Feuchtbleibens</u>''''' gebunden. Solche Bedingungen setzen '''''langfristige massive Seespiegelschwankungen''''' voraus."
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[[Datei: Zürich Sturm Sabine.jpg|thumb|310px|Sturm Sabine beim "Kleinen Hafner" am 10.2.2020]]
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[[Datei: Sutz-Lattrigen.png|thumb|310px|Ramstein, M. & Fischer, J.:zerstörerische Westwind-Wellen laufen auf Fundstelle Sutz-Lattrigen, Rütte auf]]
  
&rarr; [https://www.e-periodica.ch/digbib/dossearch?ssearchtext=Pfahlbaustudien&facet= ETHZ-Suche]
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* '''Wininger 1985, Josef und Hasenfratz, Albin''': &rarr; ''[https://archaeologie.tg.ch/public/upload/assets/80819/Winiger_Hasenfratz_Ufersiedlungen_indexiert_kleiner.pdf Ufersiedlungen am Bodensee. Archäologische Untersuchungen 1981–1983]''. Antiqua 10, 1985; Schweiz. Ges. für Ur- und Frühgeschichte. S. 226-229.
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<u>Zitat</u>: "In der Pfahlbauvorstellung ist eine Erklärung der guten Erhaltung organischen Materials mitenthalten in der Annahme, die Abfälle und Ruinen der Dörfer seien direkt ins Wasser gefallen und im Seegrund allmählich einsedimentiert worden, was ihre Konservierung über Jahrtausende ermöglichte. Daran ist sicher richtig, dass die Einlagerung der Siedlungsreste in ständig feucht bleibendem Seegrund ihre Zersetzung verhinderte. Unzutreffend scheint mir hingegen die Vorstellung, dass ins Wasser fallende organische Materialien dort kompakte torfige Schichten mit Aschen- und Mistlagen usw. bilden könnten, wie sie tatsächlich vorgefunden werden. Damit würde die Rolle der Wellenerosion unterschätzt, die bei regelmässig auftretenden Stürmen die Oberflächen der Strandplatten aufwühlt und die Bildung kompakt-organischer Schichten verhindert.
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Deshalb müssen für die Erhaltung von Kulturschichten und Objekten aus organischem Material an Seeufern mindestens drei Bedingungen erfüllt sein:
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1. Siedlungsabfälle und -ruinen müssen dauernd feucht geblieben sein, damit sie nicht zersetzt werden konnten. <br />
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2. Sie müssen zudem überdeckt worden sein, damit sie durch die ständigen Wellenbewegungen nicht aufgewirbelt und fortgespült wurden. <br />
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3. Sie dürfen auch in späterer Zeit nie in eine Höhenlage geraten sein, in welcher längerdauernde
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Erosion zu ihrer Abtragung führen konnte.
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Die Pfahlbautheorie erklärt nun nicht, wie es zu einer Überdeckung von Kulturschichten kommen konnte, welche zwar häufige und deutliche Erosionsspuren aufweisen, ebenso häufig aber auch kompakte organische Lagen enthalten, die unter Wasser kaum entstanden sein können. Es wären bestenfalls Mischungen von organischen mit limnischen Sedimenten zu erwarten, die ebenfalls auftreten können und dann als Folge von Erosion und Umlagerung zu deuten sind."
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Die Autoren entwerfen folgendes Bild: "Ginge man von der Annahme begehbaren Siedlungsgrundes aus - also von Dörfern, die nicht im Wasser standen-, so erklärten sich jene Eigenschaften der Kulturschichten, die auf Bildung am Trockenen hinwiesen. Dann aber mussten die Seen zur der Zeit, als diese Dörfer standen, viel kleiner gewesen sein als heute und sich später wieder ausgedehnt haben, so dass die unterdessen gebildeten Siedlungsruinen wieder überschwemmt wurden. Bei dauerhaften Seehochständen konnten die Ruinenschichten dann durch Seekreide überdeckt und in diese eingelagert werden. Damit erklären sich sowohl die Merkmale der Bildung am Trockenen, als auch die allgegenwärtigen Erosionserscheinungen und auch eventuelle Umlagerungsschichten. Ging der See wieder stark zurück, so konnte ein neuer Zyklus Siedlung-Überschwemmung-Einlagerung beginnen."
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Zusammenfassend schreiben sie: "ist festzuhalten, dass es massive und längerdauernde Seespiegelschwankungen … gegeben haben muss." (Ohne einen Nachweis fügen sie (leider) erläuternd hinzu: ''"… als Folge übergreifender klimatischer Faktoren …"''.)
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=== Einfach mögliche Grundlagenforschung zum Pfahlbauproblem===
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Auch heute noch gibt es "richtige Pfahlbauten", insbesondere in Südostasien, auf den Nikobaren, in Westafrika, auf der chilenischen Insel Chiloé und in Neuguinea. In Südamerika werden im Wasser stehende Pfahlbauten allgemein als Palafitos bezeichnet. Vgl. hierzu:
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* Uhlig , Harald: &rarr; ''[https://www.pfahlbauten.de/wp-content/uploads/2020/11/Plattform_2.pdf Pfahlbau- und Wassersiedlungen in Südostasien]''. In: Plattform, Zs. Verein Pfahlbau und Heimatkunde, 1993.2–14.
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Es bietet sich an, bei im Wasser von Seen auf Piloten stehenden bewohnten Pfahlbauten zu eruieren, inwieweit deren ins Wasser gefallene Abfälle (z. B. Hölzer, Äpfel, Getreidekörner, Textilien, Netze, Tierkot usw.) Kulturschichten ergeben, die jenen der neolithischen Pfahlbauten ähneln.
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Es würden sich in räumlicher Nähe anbieten: der Pfahlbau-Nachbau '''''Kammerl am Attersee''''' (12 Jahre in Betrieb; dann 2022 verbrannt: was ist davon – nach 100 Jahren im Flachwasser – noch zu finden?), aber auch die Station '''''Unteruhldingen'''''. Pfahlbauten in heimischen Seen sind auch die vielen '''''Bootshütten''''' – bei denen aber vergleichsweise wenig „natürlicher Abfall“ ins Wasser fällt – dieser wäre eben künstlich einzubringen.
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==Klima und Seespiegelschwankungen==
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===Weyregger Pfähle und Tag/Nacht-Bereich der Pfähle===
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Schmidt 1982, Roland: Pollen und Großreste aus der neolithischen Station Weyregg I am Attersee, OÖ. Fundberichte aus Österreich 21, 1982:157–169. <br /> * Zwei von rd. 20 cm Seekreide getrennte Kulturschichten; Pfähle aus der unteren Kulturschichte enden an der Oberkante der Seekreideschicht. <br /> * Baum- und NB-Pollen; Acker und Hackfruchtunkräuter; von Menschen verwendete Pflanzen
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===Gleichzeitigkeit der Besiedlung von Schweizer Seen/-gebieten===
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[[Datei: Gleichzeitigkeit an Seen.png|thumb|300px|Dendrodaten zu Baudaten an verschiedenen Seen Grau=Dendrodaten Weiß=keine Daten. Pfeile=<sup>14</u>C]]
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* Suter 1986, Peter und Schifferdecker, Francois: &rarr; ''[https://archaeologie-schweiz.ch/wp-content/uploads/2022/08/Antiqua-15.pdf Das Neolithikum im schweizerischen Mittelland]''. In: Chronologie – Archäologische Daten der Schweiz. Antiqua 15 der Schweizer. Ges. f. Ur- und Frühgeschichte. Basel 1986, S. 34–43. (Egolzwil, Kl. Hafner, Cortaillod usw. alle Epochen)
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Die Grafik von ''Peter Suter'', der sich eingehend mit den Stratigraphien am Kleinen Hafner aber auch '''''erstmals''''' mit der Gleichzeitigkeit der Besiedlung an '''''einem gesamten See''''' - dem Bielersee - tiefschürfend auseinandergesetzt hat, zeigt die neolithischen Siedlungen des schweizerischen Mittellandes.
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* grau: Bereich der dendrochronologisch nachgewiesenen Baudaten an den größeren Mittellandseen.
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* weiß: keine Schlagdaten nachgewiesen.
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* Pfeile: Ungefähre Datierung <sup>14</sup>C-datierter Siedlungskomplexe (nur wenn Dendrodaten fehlen).
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Wie der Grafik zu entnehmen ist, korrelieren die Besiedlungszeiten an den einzelnen Seen/-gebieten wenig oder gar nicht miteinander.
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Eine Untersuchung der Gleichzeitigkeit aller Stationen des gesamten Bodensees - im Vergleich zur Arbeit von Peter Suter - wurde überraschenderweise bisher nicht in Angriff genommen, könnte aber erhellende Ergebnisse bringen.
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Es steht wohl außer Zweifel, dass die Stationen des Bodensees bei tiefen Pegelständen besiedelt wurden: ansonsten wären deren Kulturschichten ja nicht unter Wasser gekommen und dadurch konserviert worden. Solche tiefen Pegelstände traten aber an allen Stationen des Bodensees zur gleichen Zeit auf.
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[[Datei: Gleichzeitigkeit an Seen 2.png|thumb|350px|]]
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* Joos 1987, Marcel (Uni Bern): &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/304240572_Holozane_Seespiegelschwankungen/link/577d903e08aed807ae760696/download Holozäne Seespiegelschwankungen.]'' Geographica Helvetica 1987 – Nr. 2, S. 123-125.
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Unter der Annahme, daß prähistorische Seeufersiedlungen bei tiefen Seespiegeln bewohnt waren, während ein hoher Pegelstand die Besiedlung unterbrach, gibt die Grafik eine Korrelation dendrochronologisch fixierter Stationen dreier Mittellandseen/-regionen zwischen dem Jungneolithikum und der Spätbronzezeit wieder.
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===Klima als Ursache von Seespiegelschwankungen?  (ToDo)===
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Magny 1981, Michel; Olive, G.: Origine climatique des variations du niveau du lac Leman au cours de l'Holocene. La crise de 1700 ä 700 ans BC. In: Arch. suisses d'anthropol. gen. Geneve 45, 2, 159-170.
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[[Datei: Magny 1992.png|thumb|260px|Zahlen auf Ordinate: Seenanzahl, mit allen <br /> transgressiven/regressiven Schwankungen]]
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Magny 1992, Michel: &rarr; ''[https://onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.1111/j.1502-3885.1992.tb00038.x?casa_token=QXRJ6nd10RQAAAAA:vC9Q00gB_Ucf5zrCOnXk0Lkjf77ooexaZoB7saed5oqQu3_fAbBGxthmc0yy5GW-cWeekGUeXT0CR10 Holocene lake-level fluctuations in Jura and the northern subalpine ranges, France: regional pattern and climatic implications.]'' Boreas, 21 (1992), pp. 319-334. (vgl. nebenstehende Abbildung der S. 327: '''''<u>gleichzeitig</u>''''' Anstiege und Absenkungen der Seespiegel an mehreren Seen &rarr; es gibt also keinen Zusammenhang!) <br />
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''[Zusammenfassung: Die holozänen Schwankungen des Seespiegels in jurassischen und französischen subalpinen Seen werden anhand sedimentologischer Analysen rekonstruiert, und es wird ein regionales Muster paläohydrologischer Veränderungen aufgezeigt. Die wichtigsten transgressiven Phasen erreichten ihren Höhepunkt um 8500 BP, 6500 BP, 4800 BP, 3500-2300 BP und 450 BP. (1) Die für eine große Zahl von Seen nachgewiesene Synchronität der holozänen Seespiegeländerungen, (2) die engen Korrelationen zwischen bestimmten Seen und (3) die Übereinstimmung zwischen dem Anstieg der Seespiegel im Jura und in den französischen Voralpen und dem Gletschervorstoß in den Schweizer und österreichischen Alpen sprechen für eine klimatische Steuerung dieser holozänen Seespiegelschwankungen.]''
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Magny 2004, M.: &rarr; ''[https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1040618203000806?casa_token=R5qqAr2GJLAAAAAA:m1orgPMpFxLRO7wmGvHEMI9PKSRiSv7JiK-UcWaz9KF2nZrnBMRXhQJ5rNZhdDyRb7i2PBpt8S3w#aep-section-id11 Holocene Climate Variability as Reflected by mid-European Lake-Level Fluctuations and its Probable Impact on Prehistoric Human Settlements.]'' Quaternary International 113 (1) 2004:  pp. 65–79. doi:10.1016/S1040-6182(03)00080-6  <br />
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Artikel hält nicht, was der Titel verspricht! Zitiert sich laufend selbst, wird aber 670 x zitiert! <br />
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''[Zusammenfassung: Ein Datensatz von 180 Radiokohlenstoff-, Jahrring- und archäologischen Daten, die aus Sedimentsequenzen von 26 Seen im Jura, in den nordfranzösischen Voralpen und im Schweizer Mittelland gewonnen wurden, wurde verwendet, um einen holozänen mitteleuropäischen Seespiegel zu konstruieren. Die Daten weisen nicht auf eine zufällige Verteilung über das Holozän hin, sondern bilden Cluster, die auf einen Wechsel von niedrigeren und höheren, klimatisch bedingten Seespiegelphasen hindeuten. Sie belegen ein eher instabiles holozänes Klima, das von 15 Phasen mit höheren Seespiegeln geprägt war: 11 250-11 050, 10 300-10 000, 9550-9150, 8300-8050, 7550-7250, 6350-5900, 5650-5200, 4850-4800, 4150-3950, 3500-3100, 2750-2350, 1800-1700, 1300-1100, 750-650 cal. BP und nach 1394 AD. Ein Vergleich dieser mitteleuropäischen Seespiegel-Daten mit dem GISP2-Polar Circulation Index (PCI), den nordatlantischen Eisdriftzyklen (IRD) und der 14C-Aufzeichnung deutet auf Telekonnektionen in einem komplexen Kryosphären-Ozean-Atmosphären-System hin. Die Korrelationen zwischen dem GISP2-PCI, dem mitteleuropäischen Seespiegel, den nordatlantischen IRD-Ereignissen und den restlichen 14C-Aufzeichnungen deuten darauf hin, dass Veränderungen der Sonnenaktivität eine wichtige Rolle bei den holozänen Klimaschwankungen über dem Nordatlantik gespielt haben.]''
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Bleicher 2008, Niels: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/230704693_Einige_kritische_Gedanken_zur_Erforschung_des_Zusammenhangs_von_Klima_und_Kultur_in_der_Vorgeschichte/link/5ef4ac334585153fb1b434ab/download Einige kritische Gedanken zur Erforschung des Zusammenhangs von Klima und Kultur in der Vorgeschichte.]'' In: Strategien zum Überleben. Tagung Römisch-Germanisches Zentralmuseum Band 11, 2008. '''''GEGEN MAGNY'''''
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''[Trotz dieser Anhaltspunkte dafür, dass jener Ansatz problematisch ist, argumentierten auch andere Autoren in dieselbe Richtung – so z.B. Magny (2004), der sowohl die Seespiegel im Alpenvorland als auch die vorgeschichtliche Wirtschaft an die Sonnenaktivität gekoppelt sah: <br />
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»Phasen höheren Seespiegels fielen mit einer Zunahme des Jahresniederschlags, einer Abnahme der Sommertemperatur und einer Verkürzung der Vegetationsperiode zusammen. [...] Es ist bemerkenswert, dass die kulturellen Veränderungen im Neolithikum und in der Bronzezeit meist in Phasen höherer Seespiegel, d. h. kühlerer und feuchterer klimatischer Bedingungen, stattfanden, was wahrscheinlich zu einer Destabilisierung des früheren sozioökonomischen Gleichgewichts führte.« (ebenda 75f.).  <br />
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Demgegenüber ist anzumerken, dass die von Magny rekonstruierten Seespiegelphasen bei genauerer Betrachtung '''''nicht so überzeugend''''' sind, wie ein Vergleich zwischen der von ihm erstellten »Score-Kurve« mit der 14C-Residualkurve vermuten lässt. Die von ihm mehrfach publizierte '''''Score-Kurve''''' (z.B. Magny 2004) basiert zum überwiegenden Teil auf der '''''Summation der Wahrscheinlichkeiten von Radiokarbondaten; daher ist eine Ähnlichkeit mit der Kalibrationskurve schon fast zwingend''''' – sie ermöglicht aber keine Rückschlüsse auf generelle regionale Seespiegelstände. Daher kann auch nicht argumentiert werden, dass sämtliche Phasen des kulturellen Wandels in Zeiten hoher Seespiegel stattgefunden hätten.]''
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Magny 2006, Michel; Urs Leuzinger; Sigmar Bortenschlager, Sigmar; Haas, Jean Nicolas: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/222422260_Tripartite_climate_reversal_in_Central_Europe_5600-5300_years_ago Tripartite climate reversal in Central Europe 5600-5300 years ago.]'' Quarternary Research 65, 3-19. (Klima als Grund für Seespiegelschwankungen)
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Harrison 1996, Sandy; Yu, Ge; Tarasov, P.: &rarr; <u>''Late Quaternary Lake-Level Record from Northern Eurasia.''</u> Quaternary Research 45, 1996; p. 138–159. Bringen trotz Ankündigung im Artikel aber nichts zu Seespiegelschwankungen.  Link zu &rarr; <big><u>[[Abstract Harrison]]</u></big>
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Link zu vier &rarr; <big><u>[[Swierczynski-Literaturen]]</big></u> zum Mondsee (Diss. 2012, 2013) plus 5. Arbeit im Appendix: &rarr;  ''[https://publishup.uni-potsdam.de/opus4-ubp/frontdoor/deliver/index/docId/6453/file/swierczynski_diss.pdf Distinguishing floods, debris flows and hydrological changes in a 100-year varved sediment record from Lake Mondsee (Upper Austria)]''; Hochwässer wd. des Neolithikums; Seespiegelschwankungen usw.
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Schmidt 2023, Roland (AdW); Brauer, Achim (GFZ Potsdam); Lauterbach, Stefan: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/369118499_Klimawandel_in_einer_130000-jahrigen_Zeitreise_durch_das_Mondseeland_Salzkammergut_Vegetations-_Gletscher-_Seen-_und_Siedlungsgeschichte Klimawandel in einer 130.000-jährigen Zeitreise durch das Mondseeland (Salzkammergut)]'' – (Vegetations-, Gletscher-, Seen- und Siedlungsgeschichte). Buch; Mondseer Dokumentationen 2023. 68 Seiten.
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Arbogast 2006, Rose-Marie; Stefanie Jacomet, Michel Magny, Jörg Schibler: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/225242471_The_significance_of_climate_fluctuations_for_lake_level_changes_and_shifts_in_subsistence_economy_during_the_late_Neolithic_4300-2400_cal_BC_in_Central_Europe  The significance of climate fluctuations for lake level changes and shifts in subsistence economy during the late Neolithic (4300-2400 cal B.C.) in Central Europe]''. Vegetation History and Archaeobotany, 15 (2006): 403–18.
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===Illusion längerdauernder Seespiegelabsenkung wegen zu geringem Zufluss (ToDo)===
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Quelle: Regulierung Zürichsee, Bundesamt für Umwelt BAFU, &rarr; ''[https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&cad=rja&uact=8&ved=2ahUKEwim1aG2yYn_AhXS1qQKHaqpDdUQFnoECDIQAQ&url=https%3A%2F%2Fwww.bafu.admin.ch%2Fdam%2Fbafu%2Fde%2Fdokumente%2Fnaturgefahren%2Ffachinfo-daten%2Fseeregulierung_zuerichsee.pdf.download.pdf%2Fseeregulierung_zuerichsee.pdf&usg=AOvVaw0dR543x9EJ5vGvp5AW6bow Faktenblätter Seeregulierung (Juni 2020)]''; www.bafu.admin.ch > Themen > Naturgefahren > Dossiers > Seeregulierung
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Zürichsee: Jahresabfluss Limmat 3,03 Mrd. m³; (mittlerer Abfluss 96 m³/s (1938–2012); Seespiegelhöhe: 405,90 (min) – 406,80 (Hochwasser) – 407,01 (max) m ü. M.; 90 km² Seefläche;
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Reguliert werden die Seestände im Zürichsee nicht direkt beim Seeausfluss, sondern knapp zwei Kilometer limmatabwärts durch das Regulierwehr Platzspitz (knapp vor Sihl-Einmündung)
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Bielersee: 244 m³/s (theoretische Aufenthaltszeit des Wassers im See beträgt nur 54 Tage)
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Attersee: 3,94 km³; Wasserverweildauer: ~ 7,13 Jahre; Mittlerer Abfluss: 17,5 m³/s
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===Furger zu Seespiegelschwankungen und Siedlungsphasen am Bielersee===
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[[Datei: Seespiegelschwankungen am Bielersee bei Twann.jpg|thumb|350px|Seespiegelschwankungen am Bielersee bei Twann im 4. Jt.]]
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Furger, Alex R. (Univ. Basel, Text) u. Hartmann, Fanny (Illustrationen): &rarr; '''''[https://www.academia.edu/36842146/Vor_5000_Jahren_So_lebten_unsere_Vorfahren_in_der_Jungsteinzeit_5000_Years_ago_Daily_Life_in_the_Neolithic_Lakeside_Villages_of_Twann_Bern_1983_171_p_  Vor 5000 Jahren … So lebten unsere Vorfahren in der Jungsteinzeit in Twann ]''''' (38 MB). Verlag Paul Haupt, Bern 1983. 172 Seiten.
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Der Archäologe Furgler beschreibt in seinem ausgezeichnet geschriebenen und illustrierten und für jedermann gut lesbaren Buch auf S. 53/54 – samt eindrücklichen grafischen Darstellungen der hydrologischen Gegebenheiten von Aare, den drei Seen und der Zihl – als mögliche Ursachen für die Seespiegelschwankungen und Siedlungsphasen am Bielersee, dass die Aare bei Verlegung der Strecke bis Büren der Schicksalsfluss für die Uferbewohner gewesen ist. Aber auch Bergrutsche vom Jensberg könnten die ''untere Zihl'' und damit den Bielersee aufgestaut haben. Zahlreiche Hoch- und Niedrigwasserperioden wechselten sich im jungsteinzeitlichen Seeland in unregelmäßigen Abständen ab.
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Auf den S. 55/56 bringt Furgler jene Grafiken, die der hier beigefügten Grafik zugrunde liegt. Im Gegensatz zu dieser verzeichnet Furgler aber während der Niedrigwasserperioden auch vorübergehende Hochwässer innerhalb der Siedlungszeiträume.
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Anm.: Wenngleich Furgler Gründe für den Wasseranstieg - ebenso wie Lüdi - auf natürliche Ursachen zurückführt, widmet er sich dem fünfmaligen raschen Sinken des Wasserspiegels – um jeweils rd. fünf Meter – nicht. Dass sich auf zweimal rd. 170 Jahre dauernde Wasserhochstände kurzfristig niedrigere Wasserstände einstellten, kann wohl wenig glaublich durch wiederum natürliche Ursachen hervorgerufen worden sein. Es sei hier auch darauf verwiesen, dass sich Seekreide nur bei einer länger dauernden Überdeckung ab einem halben Meter Tiefe bildet, was einer kurzzeitigen, vorübergehenden Überschwemmungssituaton widerspricht. Grundsätzlich ist – im Laufe der 860 Jahre dauernden Siedlungsgeschichte Twanns – auffällig, dass sich die Vielzahl von Wasserhoch- und -niedrigständen immer zwischen denselben Koten abspielt, was bei natürlichen Ursachen wohl nicht so regelmäßig eintreten würde.
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===Lüdi zu Seespiegelschwankungen===
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'''Lüdi 1935''', Werner: &rarr; ''[https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=gbi-001%3A1935%3A11%3A%3A379 Kap. XIII: Postglaziale Seespiegel- und Grundwasserschwankungen, Ueberschwemmungs- und Trockenhorizonte im Gebiete zwischen Alpen und Jura.]'' Veröff. Geobotan. Inst. Rübel in Zürich. Band 11, 1935. &rarr; ''[https://www.e-periodica.ch/digbib/view?pid=gbi-001%3A1935%3A11%3A%3A283&referrer=search#3 Quelle]''
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S. 289–290: '''''Wauwil:''''' „... kann man die Entwicklungsgeschichte des Wauwilermooses wie folgt zusammenfassen: Im Gebiet der Pfahlbaudörfer war offener See und es erfolgte Seekreideablagerung bis ins Neolithikum, das hier in die Buchenzeit fällt. Dann '''''fiel der Seespiegel rasch ab'''''; auf der Seekreide bildete sich eine dünne Torf- (oder Gyttja-?) Schicht; die '''''Bodenoberfläche trocknete aus und wurde vom Pfahlbauer besiedelt'''''. Nach der Zeit der neolithischen Pfahlbauten (waldgeschichtlich in der Tannenzeit), vielleicht auch bereits innerhalb der Pfahlbauzeit, hob sich der Wasserspiegel wieder, und es folgte mächtige Torfbildung.“
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S. 296: '''''Zürichsee:''''' „In Zürich wiederholt sich die '''''Eigentümlichkeit der Lage''''', die wir am '''''Genfer-, Bieler-''''', Thuner-, Vierwaldstättersee gefunden haben, dass nahe dem Seeausflusse ein Gebirgsfluss, der leicht zu '''''Hochwasser anschwillt''''' und in diesem Zustande viel Geschiebe führt, sich mit dem aus dem See ausfliessenden Flusse vereinigt. Hier ist es die Sihl, welche die Wasser der Schwyzer Alpen der Limmat zuführt und den '''''Seespiegel weitgehend zu beeinflussen vermag'''''. Kleinere, vom Zürichberg herunterkommende Bäche dagegen werden kaum eine wesentliche Wirkung ausgeübt haben.“
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S. 297–298: '''''Zürich:''''' viele Funde von Torf, Seekreide usw. deutlich unter heutiger Seespiegelhöhe (widersprechen deutlich den apodiktischen Feststellungen von Schindler).
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S. 305: '''''Bodensee:''''' Zur Zeit der Ablagerung des untern Torfes sei die '''''Seespiegelhöhe mindestens 3 m niedriger gewesen als heute''''' (396 m). Gams und Nordhagen können tiefen Wasserstand des Bodensees in der Pfahlbauzeit und auch für den Untersee belegen. Anderseits ist in Bodman am Untersee die unterste neolithische Kulturschicht mit 20—35 cm Kalkschlick überdeckt. Auch bei Arbon liegt am Seeufer eine mit Sand und Lehm überführte neolithische Station. Dadurch wird ein vorübergehender neolithischer Seehochstand wahrscheinlich gemacht. <br />
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Reinerth (1922, S. 15) setzt den Seespiegel der Bronzezeit auf 3—5 Meter niedriger an als er heute ist. <br />
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==Physikalische Daten zu Klima-Auswirkungen auf Seespiegelhöhen==
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===Verdunstung als theoretische Ursache von Seespiegelabsenkungen?===
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<u>Globalstrahlungsdaten:</u> Schweiz 1.000–1.500 kWh/m² pro Jahr; Österreich 1.100–1.400 kWh/m² pro Jahr: Konstanz 1194 kWh/m² pro Jahr <br />
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Hier wird eine Globalstrahlung von '''1.200 kWh pro m² und Jahr''' auf die Flächen der einzelnen Seen zu Grunde gelegt, die für eine Verdunstung zur Verfügung steht: 1.200 x 1000 (kilo) x 1 W x 3.600 s (Stunde) = '''4,32 GJ/m².Jahr'''
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Abschätzung der erforderlichen <u>Verdunstungswärme</u> von Wasser:
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# Erwärmung des Wassers von 20 ˚C auf 100 ˚C mit 4,1868 kJ/kg.K …  335 kJ/kg (100 ˚C)
 +
# Verdunstungsenthalpie (Lit.-wert)  von Wasser mit theoret. 100 ˚C … 2258 kJ/kg Dampf
 +
# insgesamt erforderlich Gesamtwärme je kg Wasserdampf 2593 kJ … '''2593 MJ/m³ H<sub>2</sub>O'''
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 +
{| class="wikitable" style="text-align:right;"
 +
|+ Ermittelte Daten für die einzelnen Seen
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|-
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! !! See-Fläche <br />in km² !! Einstrahlung<br /> in 10<sup>15</sup> Joule/a !! Verdunstung <br /> in Mio. m³/a !! MQ-Abfluss <br /> in Mio. m³/a !! Verdunstung/ <br /> Abfluss in % !! !! Dauer für 5-m-Anstieg <br /> falls Abfluss verlegt
 +
|-
 +
| '''Bodensee''' || 536,0 || 2.316 || 893 || 7.915 || 11,3 || || 124 Tage
 +
|-
 +
| '''Zürichsee''' || 90,1 || 389 || 150 || 3.185 || 4,7 || || 52 Tage
 +
|-
 +
| '''Attersee''' || 46,2 || 200 || 77 || 539 || 14,3 || || 155 Tage
 +
|-
 +
| '''Mondsee''' || 13,8 || 60 || 23 || 288 || 8,0 || || 87 Tage
 +
|-
 +
| Attersee theoret. <br /> '''<u>ohne</u> Mondsee''' || 46,2 || 200 || 77 || '''<u>251</u>''' || '''30,7''' || || (242 Tage)
 +
|-
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|}
 +
 
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''Anm.: Für den Bielersee sind nach den Jura-Gewässerkorrektionen heutige Werte nicht mehr verwendbar.''
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Falls beim Verlassen eines Pfahlbausees der Seeabfluss bewusst - aus welchem Grund auch immer - durch Verlegung des Abflusses unterbunden wird, dauert ein Aufstau um z.B. 5 Meter am Zürichsee durchschnittlich 52 Tage, am Bodensee 125 Tage, am Mondsee 87 Tage und am Attersee 155 Tage.
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===Paradoxe Ergebnisse der Verdunstungs-Theorien===
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Falls man Verdunstungstheorien näher tritt, dass die Seen wegen hoher Verdunstung abflusslos geworden wären und dadurch die Flächen der Siedlungen trocken fielen, fallen einem die sehr unterschiedlichen Verhältnisse zwischen Verdunstung und durch diese zu ersetzende Abflüsse auf. Für Verdunstung als Ursache der Seespiegelabsenkungen hätte die Sonneneinstrahlung um das unvorstellbare sieben- bis zwanzigfache höher sein müssen, was als völlig illusorisch auszuschließen ist.
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Weiters sind bei den einzelnen Seen sehr unterschiedliche Verdunstungs-/Abfluss-Verhältnisse festzustellen. Falls die Verdunstungstheorien zuträfen, wären die Seespiegelabsenkungen zwischen den einzelnen Seen völlig unterschiedlich ausgefallen und es gäbe keine ähnliche Tiefenlage der Pfahlbausiedlungen, wie sie heute vorgefunden werden.
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Besonders paradox wären die Gegebenheiten im Salzkammergut gewesen: Unter der (illusorischen) Annahme, dass der Mondsee wegen Verdunstung abflusslos geworden wäre, ergäbe sich für den Attersee die Situation, dass bei ihm das Verdunstungs-/Abfluss-Verhältnis im Vergleich zum Mondsee um das Vierfache stärker gewirkt hätte, da ihm ja der Zufluss vom Mondsee abhanden gekommen wäre. Damit wäre die Absenkung beim Attersee viel tiefer gewesen – was aber nicht der Fall ist.
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===Frühe Ablehnung der Verdunstungstheorien===
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'''Fritz Cramer''' weist bereits 1936 mit seinen ''"Klimaschwankungen am Zürichsee?"'' darauf hin, dass der Zürichsee bei gleichem Zufluss aufgrund von Verdunstung nicht abflusslos werden konnte und kommt zum Schluss (S. 130), dass hierfür die Oberfläche des Zürichsees um das <u>63fache</u> größer sein müsste. ''[Anm.: Mit heutigem Wissen zur Globalstrahlung, wäre die <u>21-fache</u> Fläche ausreichend gewesen.]''
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'''Suter mit Jacomet''' wollen 1987 (S. 19) beim Kleinen Hafner nicht erneut auf die Genese der einzelnen Schichten eingehen, sagen aber klar, dass „... ihre Abfolge ein Nacheinander von Phasen der Besiedlung des Kleinen Hafners und Phasen von (längeren) Siedlungsunterbrüchen (Siedlungslücken) widerspiegelt, während denen die Insel zeitweise vollständig oder teilweise überschwemmt war oder zumindest nicht als geeigneter Siedlungsstandort betrachtet worden ist.“, und ihre Bauten stehen auf trockenem Grund.
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===Geringer-Niederschlag-Theorien===
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Betrachtet man die Verdunstungs-/Abfluss-Verhältnisse, bewirkt auch geringer Niederschlag kein Trockenfallen von Strandflächen für Pfahlbausiedlungen; unter Umständen sinkt der Seespiegel entsprechend der geringeren Tiefe der Abflüsse nur um wenig. Ein geringerer Niederschlag vermag die Abfluss-Höhe nicht um mehrere Meter zu beeinflussen.
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Auch '''Schindler''' bemerkt 1971 (S. 304) endlich selbst, dass er sich auf schwankendem Boden befindet, und versucht sich zu retten, wenn er schreibt: „ … der tiefstmögliche Seespiegel konnte nicht unter die Kote 403,5 m sinken, falls nicht der See für längere Zeit abflusslos wurde. Auf Grund paläobotanischer Untersuchungen schloss '''W. Lüdi''' (1951) diese Möglichkeit aber aus, denn '''''ein derart arides Klima widerspricht der damals herrschenden Vegetation.'''''"
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==Der Abfluss des Bodensees==
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Der Abfluss des Untersees zeigt recht ''"einseitiges"'' Abflussverhalten, das sich vor allem auf dessen nördliche Seite konzentriert. Offensichtlich gibt es vergleichsweise tiefe Abflussrinnen, denen der Wasserstrom folgt. Die Tiefenangaben der Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee mit dem zugehörigen  &rarr; ''[https://m.igkb.org/#!/tiefen.html Internet-Link]'' ermöglichen, den Verlauf der Rinnen detailliert zu verfolgen.
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===Die Abflussrinne im Bodensee-Untersee bis Stein am Rhein===
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[[Datei: Abflussrinne Bodensee.png|thumb|320px|Abflussrinne im Bodensee-Untersee bis Stein/Rhein Internat. Gewässerschutzkomm. Bodensee: &rarr; ''[https://m.igkb.org/#!/tiefen.html Link]'']]
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Überraschenderweise besitzt der Abfluss des Untersees eine klar erkennbare Abflussrinne, die sich am nördlichen Ufer anschmiegt, wie der &rarr; ''[https://m.igkb.org/#!/tiefen.html Tiefenkarte der Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee]'' zu entnehmen ist. 
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Bei Öhningen hat diese Rinne zumindest bis zur Stiegerstraße eine Tiefe von 10 Metern (vgl. kleines Bild in der nebenstehenden Grafik).
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Eine deutlich zu erkennende und mit 12 m deutlich tiefere Rinne am südlichen Ufer (vor Eschenz) endet recht abrupt und setzt sich nicht weiter fort.
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''[Frage: War das die ursprüngliche Abflussrinne des Untersees? Wurde diese Rinne durch die Schüttungen des Dorfbachs und des Auerbachs verlegt? Und was hat es zu bedeuten, dass diese Rinne auch heute noch um 8 m tiefer ist als jene beim gegenüberliegenden Ufer zwischen Öhningen und Stein?]''
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Zwischen Öhningen und Stein/Rhein gibt es eine Strecke - wieder am nördlichen Ufer - auf einer Länge von 1 bis 1 ½ km mit einer geringeren Wassertiefe von rd. 4 Metern. Südlich davon ist der Seeabfluss deutlich seichter.
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Diese 4 m tiefe Abflussrinne im Untersee ''vor'' Stein/Rhein wird wohl durch entsprechende '''''Erosion''''' laufend offen gehalten: falls durch Bachschüttung diese Rinne z.B. um einen Meter seichter würde, ergäbe sich eine höhere Strömungsgeschwindigkeit und das Material würde spätestens beim nächsten Hochwasser abtransportiert.
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Bei ''Stein am Rhein'' engt sich die Abflussrinne stark ein, sodass sich die Strömungsgeschwindigkeit erhöht und die Wassertiefe auf über 7 Meter anwächst.
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===Höhenkoten und Gefälle des Rheins bis Schaffhausen===
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[[Datei: Stein-Hemishofen.png|thumb|300px|in der Bildmitte: Stein am Rhein mit 397 m ü.M.; links oben: Hemishofener Brücken 393 m ü.M.]]
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Google-Earth-Daten (10.9.2023):
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* Eschenz/Öhningen (Untersee) 397 m ü.M.; nach ~ 1 ½ km &rarr;
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* Stein am Rhein 397 m ü.M.; nach '''''~ 2 km mit <u>2 ‰</u> Gefälle''''' &rarr;
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* Hemishofen 393 m ü.M.; nach ~ 6 km mit 1 ‰ Gefälle &rarr;
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* Diessenhofen 387 m ü.M.; nach ~ 8 km mit ¼ ‰ Gefälle &rarr;
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* Schaffhausen 385 m ü.M.
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Nach ''Stein am Rhein'' fließt der Rhein an der Station ''"Im Hof"'' mit dem beachtlichen Gefälle von rund 2 ‰ vorbei bis zu den 2 km entfernten Hemishofener Brücken.
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Der Rhein hat gleich nach Stein am Rhein mit rd. 300 m und bei den Hemishofener Brücken mit über 300 m ein besonders breites Flussbett, sodass sich eine geringere Strömungsgeschwindigkeit ergibt.
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''Anm.: Zum Vergleich sei angeführt, dass die Donau in Österreich ein Gefälle von 0,5 ‰ aufweist und damit als "Mittelgebirgsfluss" eingestuft wird. Sie hat dabei – frei in ihrem vglw. engen Bett fließend – eine Strömungsgeschwindigkeit von rd. 10–15 kmh.''
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===Konkrete Gegebenheiten des Seeausrinns zw. Stein/Rhein und Hemishofen===
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[[Datei: Vogelschutzreservat.png|thumb|290px|Seeausrinn zw. Stein am Rhein und Hemishofen]]
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Strebel 2020 (S. 6) berichtet: „Der unregulierte, natürliche Seeabfluss ist schweizweit einzigartig. Am größtenteils kiesigen '''''Gewässergrund''''' befinden sich Felder und Riffe '''''poröser Kalktuffe'''''. Diese sind Habitat für zahlreiche Kleinlebewesen, welche wiederum eine reiche Nahrungsquelle für Wasservögel darstellen. Im Winter liegt die '''''Wassertiefe''''' über dem größten Teil der Flussbreite in einem Bereich von '''''1–3 m'''''.
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Flussaufwärts des Gebiets befinden sich strömungsarme Buchten, Inseln und Kiesufer, welche sich gut als Ruhe- und Schlafplätze für Wasservögel eignen. Mit dem Seebecken am Untersee-Ende steht den Wintergästen eine zumeist strömungsarme Wasserfläche als Schlafplatz zur Verfügung, welche nicht weit von den nahrungsreichen Flussabschnitten entfernt ist. Das Untersee-Ende und der anschließende Rheinabschnitt decken sämtliche Ansprüche ab, um Tauchenten und Blässhühnern als herausragendes Überwinterungsgebiet zu dienen (Leuzinger 1976, Suter 1982a).“
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===Wie ist ein Szenario für eine Seespiegelabsenkung des Bodensees vorzustellen?===
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Grundsätzlich lag zumindest in der Bronzezeit der Wasserspiegel des Bodensees auf 392 m und damit um 4-5m unter dem heutigen Niveau.
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Voraussetzung für das hier gezeichnete Szenario sind ''<u>hydrologische Kenntnisse des "Abgrabens" von Abflüssen</u>'' von anderen bereits abgesenkten neolithischen Seen.
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[[Datei: Zufluss Alpenrhein.png|thumb|205px| Wasserführung des Alpenrheins]]
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Eine Seespiegelabsenkung des Bodensees müsste mit einer Eintiefung der Sohle des Rheins bei Hemishofen und dort bei bereits tiefer Stelle und höherer Strömungsgeschwindigkeit in Angriff genommen werden. Der Rhein ist bei Hemishofen besonders breit (über 300 m), sodass die Fließgeschwindigkeit nur gering ist. Das Gefälle des Rheins beträgt aber im Abschnitt bis Stein/Rhein rund 2 ‰, was einem ''"Mittelgebirgsfluss"'' entspricht. ''[Anm.: Der Inn hat von Innsbruck bis Kufstein ein Gefälle von 2 ‰.]'' Die Arbeiten müssen vorrangig in den ersten vier oder letzten zwei Monaten des Jahres durchgeführt werden, da dann der Rhein eine geringe Wasserführung hat (Grafik).
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[[Datei: Treideln.jpg|thumb|205px| Illustrierendes Bild zum '''''Treideln''''']]
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Erstes Abgraben mittels langen Stangen bewirkt am Grund des Flusses höhere Fließgeschwindigkeit, die das Bodenmaterial flussabwärts abtransportiert. Betrachtet man die heutige Situation (z.B. mit Google-Earth), dann bietet sich hierfür die Rinne am nördlichen Ufer an. Dabei muss möglichst ufernahe im Fluss mittels Einbaum, der sich flussaufwärts auf dem noch langsam fließenden Abschnitt befindet, gearbeitet werden. Dieser Einbaum wird mittels Seil am Flussufer an Bäumen verankert. Das entspricht einer '''''Treidel'''''-Technik, mit der der Einbaum auch im Fluss agieren kann (vgl. hierzu Treideln, Treppelweg (Österreich) oder Reckweg (Schweiz)).
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In dem ersten so entstehenden "neuen Kanal" fließt immer mehr Wasser, da nun auch das Wasser der ehemals seichten Stellen des vorher so breiten Flussabschnitts in diesem "Kanal" fließt. Da dieser einen geringeren Querschnitt als der breite Fluss hat, ergibt sich eine höhere Fließgeschwindigkeit, die zumindest das feinere Material rasch abtransportiert und damit diesen "ersten Kanal" weiter eingräbt.
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Diese "Rückwärtserosion" wird flussaufwärts vorangetrieben, wobei die erhöhte Strömungsgeschwindigkeit in dem solcherart entstehenden "Kanal" diesen Prozess besonders bei der jeweils immer mehr flussaufwärts gelegenen Arbeitsstelle aufgrund des <u>immer höher werdenden Gefälles</u> umso mehr begünstigt.
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Wenn dieses Abgraben fortgesetzt wird und man nach ca. 2,5 km Abgraben bei ''"Im Hof"'' bei Stein/Rhein mit einer Eintiefung von 3 Metern anlangt, setzt sich dieser Prozess von selbst ohne jeglichen weiteren Aufwand bis in den Untersee und den Bodensee fort: 
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Die Wassertiefe bei Stein/Rhein beträgt heute und ursprünglich wohl auch rd. 7 m, die durch die beschriebene Rückwärtserosion unvermittelt auf z.B. 4 m erniedrigt wird. Das bedeutet, der Höhenunterschied zwischen Untersee und dem Rhein bei ''"Im Hof"'' beträgt damit plötzlich 3 Meter.
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Das bedeutet ein unmittelbar auftretendes enormes Gefälle für das ausströmende Wasser des Untersees. Dadurch wird die bisherige Sohle der Abflussrinne im Untersee rasch seewärts ''("rückwärts")'' erodiert und abtransportiert, bis der Wasserspiegel des Untersees und damit des Bodensees die Höhe des abgegrabenen Rheins erreicht.
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Bei einer Absenkung von Untersee und Bodensee um 3 Meter fließen 1,6 Mrd. m<sup>3</sup> (= 15 % des gesamten Bodensee-Jahresabflusses) in kurzer Zeit durch die Abflussrinne und haben aufgrund des Gefälles (''entsprechend Hochgebirgsfluss'') genügend Kraft, um die Rinne rückwärts-erodierend rasch tiefer zu graben.
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===Abfluss-Situation beim Bodensee===
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====Abflussverhältnisse====
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Wieder-Aufstau nach Arbon Bleiche nicht mehr gelungen? (vglbar Wauwil)
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Keller, Oskar / Krayss, Edgar: &rarr; ''[https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=egh-001%3A1980%3A73%3A%3A1244 Die letzte Vorlandvereisung in der Nordostschweiz und im Bodensee-Raum (Stadialer Komplex Würm-Stein am Rhein)]''. Eclogae Geologicae Helvetiae 73 (1980); 18 Seiten.
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Oskar Keller/Edgar Krayss: &rarr; ''[https://pdfs.semanticscholar.org/3810/d3066e48f289bee556808f83b38c9172b7f9.pdf Die hochwürmzeitlichen Rückzugsphasen des Rhein-Vorlandgletschers und der erste alpine Eisrandkomplex im Spätglazial.]'' Geographica Helvetica 1987. 10 Seiten.
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Legler, G. (Hauptmann im Geniestabe): &rarr; ''[https://books.google.at/books?id=TQ8DAMd4SVgC&pg=PA19&lpg=PA19&dq=gef%C3%A4lle+obersee+zum+untersee&source=bl&ots=rx7JHf6OK9&sig=ACfU3U2WFBA_ZE4Qe-a4p0ssTifU9UZg0A&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwibo4jp3sP3AhXRu6QKHS-QDPgQ6AF6BAgeEAM#v=onepage&q=gef%C3%A4lle%20obersee%20zum%20untersee&f=false Denkschrift über die Abflussverhältnisse des Bodensees von Constanz bis Stein]'' (1862) v.a. S. 19 ff.
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Sohle des Bodensees (Konstanz, Eschenz, Stein) &rarr; ''[https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=sbz-002%3A1924%3A83%3A%3A554 Bodensee-Regulierung, Hochwasserschutz, Kraftnutzung und Schiffahrt]''
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Treibholz am Bodensee: https://www.igkb.org/fileadmin/user_upload/dokumente/seespiegel/53485_Seespiegel_14.pdf
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Rhein-Hochwässer (HQ 100)  https://www.bodensee-hochwasser.info/pdf/Extrem-HW-Bodensee-Internet.pdf
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====Klima-, <sup>14</sup>C- und Seespiegelschwankungen am Bodensee====
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'''Magny 1993,''' M.: &rarr; ''[https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0033589483710501 Solar influences on Holocene climatic changes illustrated by correlations between past lake-level fluctuations and the atmospheric 14C record.]'' Quaternary Research, 40 (1993), pp. 1-9. (Korrelation von <sup>14</sup>C-Gehalt der Atmosphäre mit Seespiegelhöhen)
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'''Magny 2004''', M.: &rarr; ''[https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1040618203000806 Holocene climatic variability as reflected by mid-European lake-level fluctuations, and its probable impact on prehistoric human settlements.]'' Quaternary International, 113 (2004), pp. 65-79. &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/222335539_Holocene_climate_variability_as_reflected_by_mid-European_lake-level_fluctuations_and_its_probable_impact_on_prehistoric_human_settlements Zweite Quelle]''. In "Duscussion" (p. 74) werden Seespiegel-Hochstände für bestimmte Jahrhunderte aufgelistet. In den Conclusions (p. 77) prognostiziert der Autor, dass ''"the <sup>14</sup>C-record would support the hypothesis by Damon et al. (1989) of a higher-than-average solar activity during the next few centuries."''
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'''Magny 2006''', M.; Leuzinger, U.; Bortenschlager, S.; Haas, J.N.: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/222422260_Tripartite_climate_reversal_in_Central_Europe_5600-5300_years_ago/link/5c50227c458515a4c748056d/download Tripartite climate reversal in Central Europe 5600–5300 years ago.]  (<u>Klimaschwankungen, <sup>14</sup>C-Gehalt der Atmosphäre, Seespiegelschwankungen am Bodensee, Bohrkerne in Arbon Bleiche 3 …</u>); Quaternary Research 65(1) 2006:3-19
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====Bodenseeabfluss, 10. Bericht====
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S. 44: <u>6) Hof bei Stein a. Rhein.</u> Nahezu mitten im Rheinstrom etwas unterhalb Stein am Rhein liegt die Untiefe im »Hof«, wo 1883 die Reste des einzigen zum Gebiete des Kantons Schaffhausen gehörenden Pfahlbaues entdeckt wurden. Ausser zahlreichen Pfählen sieht man aus dem Untergrund auch Schwellen hervorragen, welche zur Sicherung der Anlage gegen die Strömung gedient hatten. Diese kleine Ansiedelung ist ihrer Lage wegen bemerkenswerth. B. Schenk (der ausserdem noch einen neuen Pfahlbau bei Gundolzen am Zellersee, zwischen Hornstaad und Iznang, entdeckt hat) hat diese Station ausgebeutet, auf welcher der starken Strömung wegen nur bei sehr niedrigem Wasserstand gearbeitet werden kann; zur Seltenheit wird die Stelle einmal ganz trocken. Schwache Spuren einer Kulturschicht fanden sich nur in geschützten Lagen. Alle Fundgegenstände sind mit einer dicken Sinterkruste umgeben und desshalb sehr schwer zu erkennen. Das Suchen war daher eine zeitraubende Arbeit, nichtsdestoweniger hat Schenk eine beträchtliche Zahl von Fundstücken gewonnen, als da sind: Feuersteingeräthe, etwa 150 Steinbeile, darunter drei kleine weingelbe Nephrite und zahlreiche grosse Serpentine. Durchbohrte Steinbeile sind ziemlich selten. Merkwürdig ist ein zerbrochenes Beil aus Basalt, bei welchem noch deutlich die bearbeiteten Flächen erkannt werden konnten. Dieser Fund ist ein Unicum. Aus Serpentin besteht eine wirteiförmige durchbohrte Scheibe von zirka 7 cm Durchmesser und einer Dicke von zirka 4 cm, welche wie zwei ähnliche, wenig grössere Scheiben von Bobenhausen und vom Bielersee als Feldhacke gedient haben mag. (Schlagknopf nach Leiner siehe pag. 35.) Neben Horn- und Knochenwerkzeugen fanden sich auch Knochen von Bär, Schwein, Biber, Hirsch, Reh und Kuh. Die Scapula eines Hirsches mit einem Loch in der Mitte, dessen Rand auf einer Seite abgeschliffen ist, ist von allen Unebenheiten durch Schleifen befreit und derjenigen vom »Turgi« (Seite 43) im Museum Frauenfeld ähnlich. Von pflanzlichen Resten sind Flachs-Faden und -Gewebe, sowie Bast-Geflechte zu nennen. Von Töpferwaare ist ein im Besitz der Antiq. Gesellschaft in Zürich befindlicher urnenförmiger Topf von zirka 30 cm Höhe erwähnenswerth. Die Metallzeit ist durch ein Kupferbeil von Steinbeilform (von 7 cm Länge, 4 cm unterer und 3 cm oberer Breite), einen Bronzering und ein Bronzebeil vertreten.
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[[Datei:Stein am Rhein, Im Hof.png|thumb|300px|Lage des Pfahlbaus bei Stein am Rhein: "Im Hof"]]
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Wie in der Abbildung zu erkennen ist, ist der Rhein vor der Engstelle zweigeteilt (mit der Insel Werd und Pfahlbauten bei Eschenz) und nachher wird der Rhein bei den Pfahlbauten „Im Hof“ (siehe den Pfeil) sehr breit. Beide Pfahlbauten befinden sich heute unter der Oberfläche des Rheins und sie profitierten sicher nicht von günstigen landwirtschaftlichen Voraussetzungen im Umfeld. Die Berge zu beiden Seiten des Rheins steigen innert kurzer Entfernung um 150-200 m rasch an. Damit erhebt sich die Frage, warum sie dort siedelten. Der Orkopf bei Eschenz könnte die Aufgabe gehabt haben, Verklausungen des Bodenseeabflusses durch heranschwimmende Bäume (nach Stürmen) zu verhindern. Die Lage der Siedlung „Im Hof“ bietet sich als geeignete Stelle für die Sicherstellung einer entsprechenden Rückwärtserosion des Rheins an der Engstelle an. Jedenfalls wäre Stein am Rhein eine besonders geeignete Stelle, um unterhalb des Flussbettes des Rheins zu sondieren, ob die ursprünglich Moräne ungestört vorliegt.
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==Seespiegelhöhen des Bodensees zw. 392 m und 400 m ü.M. (KOMPAKTER)==
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===Magny Michel zum Bodensee und Suter zum Bielersee (ToDo)===
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[[Datei:Regressionen und Transgressionen am Bielersee.png|thumb|300px|Regressionen und Transgressionen am Bielersee]]
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'''Magny 2005''', M. gibt bereits 1995 in &rarr; ''[https://archaeologie-schweiz.ch/wp-content/uploads/2021/11/SPM-2.pdf  "Die Schweiz im Neolithikum"]'' als Zeiträume der Seespiegelhochstände 4.100–3.800 v.Chr. sowie '''''3.600–3.200 v.Chr.''''' an, was mit den von '''''Peter Suter''''' vorgelegten dendrochronologisch bestimmten Ergebnissen für den Bielersee (vgl. Besiedlungsphase um '''''3.400 v. Chr.''''' in der nebenstehende Grafik) <u>'''''nicht'''''</u> zusammenpasst.
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'''Magny 2004''', Michel: &rarr; ''[https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1040618203000806?casa_token=R5qqAr2GJLAAAAAA:m1orgPMpFxLRO7wmGvHEMI9PKSRiSv7JiK-UcWaz9KF2nZrnBMRXhQJ5rNZhdDyRb7i2PBpt8S3w Holocene climate variability as reflected by mid-European lake-level fluctuations and its probable impact on prehistoric human settlements.]'' In: Quaternary International Volume 113, Issue 1, 2004, Pages 65-79. <br />
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(16 x eigene Arbeiten zitiert; wurde 671 x von anderen zitiert.)
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'''Müller:''' In Arbon-Bleiche 3 konnten viele Hinweise auf die Seespiegelentwicklung gewonnen werden (Haas u. Magny 2004, 43–49; Magny et al. 2006, 3–19). Da Untersee und Obersee miteinander kommunizierten, sind die Seespiegelbeobachtungen aus dem Raum Arbon mit jenen von Eschenz direkt vergleichbar. Es wurde dort festgestellt, dass die im Mittelholozän stattgefundenen Klimawechsel Seespiegelanstiege bewirkten. Dabei wird angenommen, dass damals das Klima erheblich feuchter und kühler wurde. Die damaligen Schwankungen lassen sich in zwei erste Seespiegelanstiege, die zwischen '''''3600 bis 3500 BC''''' stattfanden, und einen dritten gliedern, der um '''''3375–3320 BC''''' erfolgte. Mit dem Anstieg des Bodenseespiegels konnten die «Pfahlbauer» die seenahen Bereiche der Bucht von Arbon-Bleiche nicht mehr als Siedlungsplatz nutzen.
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Magny 2004; Haas N.: Schichtgenese und Vegetationsgeschichte. In: S. Jacomet, U. Leuzinger und J. Schibler, Die jungsteinzeitliche Seeufersiedlung Arbon-Bleiche 3. Umwelt und Wirtschaft. Archäologie im Thurgau 12. Frauenfeld, 43–49.
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Magny 2006, M.; Leuzinger, U., Bortenschlager, S. und Haas, J.N. Tripartite climate reversal in Central Europe 5600–5300 years ago. Quarternary Research 65, 3–19.
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===Die Arbeiten von Oskar Keller & Edgar Krayss (1970er - 2013)===
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[[Datei: Oskar Keller.jpg|thumb|310px|Geograph und Glazialmorphologe Doz. Oskar Keller]]
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Der ''Geograph und Glazialmorphologe'' Oskar Keller und der ''Bauingenieur'' Edgar Krayss befassen sich seit den 1970er-Jahren mit den Eiszeiten in der Schweiz und vor allem in der Nordost-Schweiz und im Bodenseeraum.
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* Keller 1980, Oskar & Krayss, Edgar: &rarr; ''[https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=egh-001%3A1980%3A73%3A%3A1244 Die letzte Vorlandvereisung in der Nordostschweiz und im Bodensee-Raum (Stadialer Komplex Würm-Stein am Rhein)]''. Eclogae geol. Helv. 73/3: 823-838.
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* Keller 1987, Oskar & Krayss, Edgar: &rarr; ''[https://gh.copernicus.org/articles/42/169/1987/gh-42-169-1987.pdf Die hochwürmzeitlichen Rückzugsphasen des Rhein - Vorlandgletschers und der erste alpine Eisrandkomplex im Spätglazial.]'' Geogr. Helv. 42/2: 169-178.
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** Es lassen sich im Bereich des Bodensee-Vorlandgletschers drei Eisrandkomplexe ausgliedern, die noch dem Hochwürm zuzusprechen sind:
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** &rarr; als äußerer der Komplex '''''Schaffhausen Würmmaximum'''''
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** &rarr; als mittlerer der Komplex '''''Stein am Rhein'''''
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** &rarr; als innerer der Komplex '''''Konstanz'''''
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* Keller 1991, 0skar & Krayss, Edgar: <u>Buch:</u> &rarr; ''[https://ar.ch/fileadmin/user_upload/Departement_Bildung_Kultur/Amt_fuer_Kultur/Kantonsbibliothek/pdf_Das_Land_Appenzell/App_b_1760_21-22.pdf Geologie und Landschaftsgeschichte des voralpinen Appenzellerlandes]''. Das Land Appenzell 21/22. Herisau. 120 Seiten.
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** <u>S. 73: Gliederung der würmzeitlichen Eisrandlagen im Bodenseeraum</u>
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** Würm-Maximum (W/M) = Schaffhausen: W1 = Engi, W2 = Herblingen, W3 = Solenberg
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** Würm-Feuerthalen (W/F): W4 = Feuerthalen; W5 = Langwiesen
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** Würm-Stein am Rhein (W/S): W6 = Staffel, W7 = Etzwilen, W8 = Stein am Rhein
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** Würm-Konstanz (W/K): W9 = Reichenau, W10 = Konstanz
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* Keller 1993, Oskar; Krayss, Edgar: &rarr; ''[https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/104061829390049L  The Rhine-Linth-Glacier in the Upper Wurm: A model of the last Alpine Glaciation.] ''In: Quaternary International Vol. 18, 1993, Pages 15-27.
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* Keller 1994, Oskar & Krayss, Edgar: &rarr; ''[https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=sgn-005%3A1994%3A87%3A%3A354  Die Bodensee-Vorlandvereisung des Rheingletschers im Konstanz-Stadium der letzten Eiszeit]''. In: Berichte der St. Gallischen Naturwissenschaftlichen Gesellschaft 87 (1994); Seiten 31–40.
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* Keller 1999, 0skar & Krayss, Edgar: &rarr; ''[https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=tng-001:1999:55::120 Quartär und Landschaftsgeschichte.]'' Mitteilungen Thurgauische Naturforschende Gesellschaft 55. S. 39–67.
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Auszug zu: Einzelne Gletscherstände im Rheintal/Untersee (Keller 1999: S. 65)
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''Maximalstand und erste Rückschmelzphase''
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[[Datei: Rheintal-Untersee.png|thumb|290px| Eisstände Rheintal-Untersee nach Oskar Keller]]
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Im Maximalstand W1 drängte sich die Eisfront des Vorlandgletschers so eng an die Kalkfelsen des Randen, dass sich für Ablagerungen kaum Platz bot. Bei Schaffhausen wird der interne Stand W2 durch die Schotterterrasse der Breiti repräsentiert, W3 durch diejenige des Stokarbergs.
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Dem Stand W4 wird als Typuslokalität die Munotterrasse zugeordnet. Der zugehörige Wallmoränenkranz streicht von Feuerthalen über Buchthalen zum Rauhenberg und von dort wieder westwärts nach Thayngen. Beim Rückschmelzen zum Stand W6 wurde das Becken von Diessenhofen etappenweise eisfrei. Am Riegel von Langwiesen staute sich ein See auf, in den die Deltaschotter von Ebnet bei Willisdorf geschüttet wurden.
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Im Stand W6 lag das Gletschertor der Rheintalzunge bei Rheinklingen. Südlich des Rodenbergs stirnten die Seitenzunge von Etzwilen und die Stammheimer Zunge des Thurtalgletschers gegen einen gemeinsamen Sander. Der Hauptstand W7 des Stein am Rhein-Stadiums Hess die eindrückliche Endmoränenlandschaft '''''zwischen Etzwilen und Hemishofen''''' entstehen. Über Kaltenbach steigen die Randmoränen nach Klingenzell auf; am Gegenhang sind sie hoch über Oehningen zu finden.
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''Zweite Rückschmelzphase''
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Nach der inneren Randlage W8 bei der Altstadt von Stein am Rhein setzte auch dort, analog zum Thurtal, die zweite Rückschmelzphase mit der Bildung eines großen Zungenbecken- oder Moränenstausees, des Untersees, ein. Beim Rückzug der Eisfront kam es erst auf der Höhe der Insel Reichenau wieder zu einem bedeutenden Zwischenhalt (W9). Zu dieser Randlage fallen die Seitenmoränen ab, die sich am Hang von Fruthwilen staffeln.
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Der Endmoränenbogen von Konstanz markiert den Hauptstand W10 des Konstanz-Stadiums, von Schmidle (1914) als «Konstanzer Phase des Würmgletschers» eingeführt. Die Eisfront des Bodenseegletschers stirnte hier sowohl gegen den Untersee, als auch bei der Insel Mainau gegen den Überlingersee. Über die Stromrinne von Petershausen im Nordteil von Konstanz standen die beiden Gewässer miteinander in Verbindung.
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* Keller 2000, Oskar & Krayss, Edgar: &rarr; ''[https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=sgn-005%3A2000%3A89%3A%3A356 Die Hydrographie des Bodenseeraums in Vergangenheit und Gegenwart]''. Berichte der St. Gallischen Naturwissenschaftlichen Gesellschaft 89 (2000)
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* Keller 2005, Oskar & Krayss, Edgar: Der Rhein-Linth-Gletscher im letzten Hochglazial. – Vierteljahresschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich, &rarr; ''[https://www.ngzh.ch/archiv/2005_150/150_1-2/150_6.pdf Teil 1: 150/1–2: 19–32]'' und &rarr; ''[https://www.ngzh.ch/archiv/2005_150/150_3-4/150_20.pdf Teil 2: 150/3–4: 69–85.]''
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[[Datei: Birrfeld-Gletscher.png|thumb|280px| Maximale Ausdehnung des Birrfeld-Gletschers]]
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* Keller 2005, Oskar: &rarr; ''[https://www.ngzh.ch/media/njb/Neujahrsblatt_NGZH_2006.pdf Letzte Eiszeit und Landschaftsformung am Hochrhein und am Alpenrhein.]'' In: Neujahrsblatt der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich. 2005 auf das Jahr 2006. S. 54–74.
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* Keller 2010, Oskar; Edgar Krayss: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/288953253_Mittel-und_spapleistozae_Stratigraphie_und_Morphogenese_in_Schluselregionen_der_Nordschweiz Mittel-und späpleistozäe Stratigraphie und Morphogenese in Schlüsselregionen der Nordschweiz]''. In: E&G Quaternary Science Journal 59(1) 2010:88-119. [License: CC BY 3.0]
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* Keller 2010, Oskar: '''''<u>Landschafts-, Klima- und Vegetationsgeschichte.</u>''''' In: S. Benguerel et al.: &rarr; '''''[https://archaeologie.tg.ch/public/upload/assets/58121/AiTG_16_PDF_A_indexiert_verkleinert.pdf Archäologie im Thurgau]''''' 16. 2010, S. 43–65. [enthält auch: Leuzinger, Urs: &rarr; Jungsteinzeit S. 84 – 105; und alle Zeitperioden bis heute.]
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* Preusser 2011, Frank; Graf, Hans; '''''Oskar Keller; Edgar Krayss;''''' Christian Schlüchter: &rarr; ''[https://egqsj.copernicus.org/articles/egqsj-volume60-issue2_3.pdf Quaternary glaciation history of northern Switzerland]''. In: Quaternary Science Journal: E&G - Vol. 60, 2–3, 2011: 282–305. ''[Creative Commons Attribution license 3.0 http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/]''
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* Keller 2013, Oskar: <u>Buch:</u> Alpen – Rhein – Bodensee: Eine Landschaftsgeschichte. Appenzeller Verlag, 180 Seiten. (78 CHF)
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===Die Arbeiten von Erich Müller (1979, 2011)===
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* Müller 1979, Erich R.: &rarr; ''[https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=tng-001%3A1979%3A43%3A%3A300 Die Vergletscherung des Kantons Thurgau während der wichtigsten Phasen der letzten Eiszeit.]'' In: Mitt. thurg. natf. Ges. Band 43, S. 48-73.
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'''Ur-Untersee''' (S. 64)
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Der damalige Ur-Untersee reichte von '''''Etzwilen/Hemishofen''''' zumindest bis zum Konstanzer Stand. Die Wasserspiegelhöhe kann  zwischen 412 und 415 m über Meer eingegabelt werden, was sehr gut mit der Höhenlage von Verlandungssedimenten im Raum von Stein am Rhein übereinstimmt. Der Ur-Untersee hatte eine wesentlich grössere Ausdehnung als heute. So reichte er bis nach Worblingen zum dortigen Moränenwall und nach Überlingen am Ried sowie nach Böhringen.
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'''''3.5.2. Entwässerungsverhältnisse während des Konstanzer Standes''''' (S. 68)
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Von der Annahme ausgehend, dass zu dieser Zeit der '''''aufstauende Moränenriegel bei Hemishofen''''' noch intakt war und somit der Seespiegel immer noch auf zirka 410 bis 415 m über Meer lag, bestand bei Kreuzlingen eine im See endende Eisfront.
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'''''4.1. Absenkung der Seespiegel''''' (S. 70)
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Im Bereich der Stauriegel fanden vorerst nur geringe Erosionen statt. Daher wurden die Seen primär nur langsam, aber sukzessive abgesenkt. Dabei wurden die Abflussmengen und somit auch die '''''Erosionswirkungen stetig erhöht'''''. Dies setzte sich solange fort, bis plötzlich die Riegel '''''schlagartig «zusammenbrachen»''''' und die Seen teilweise oder ganz ausliefen. ''[„Rückwärts-Erosion“?]'' Während der Hüttwilersee nur um 7 m und der '''''Untersee um 16 m abgesenkt''''' wurden, verlandeten die übrigen Seen ganz.
  
Plattform &rarr; [https://d1wqtxts1xzle7.cloudfront.net/61846580/PF_23_Layout_gesamt_V0620200121-56932-ozaj09-libre.pdf?1579599060=&response-content-disposition=attachment%3B+filename%3D2016_Plattform_Zeitschrift_des_Vereins_f.pdf&Expires=1653486600&Signature=TLTcopBfFiuxyokKoGfBUBbWpPohUVPer6sCdTSgU1g75kgb4b2tjCW5yEJXGPcKjwl1DAaGUvPr5ZeyEb8hFdTPueRiURwMeeFBnBwIfVzXzyyce7~3zHf1aLUSKC6juF5xPygsOI4WlGjbyATGED1Iw7QnNhFhe3l5JkasW4qoCIQ8SdDzSNzM4e8sM3u1JnFA8qvYlFcsoaGSq2ZF9YyCWTm~pRcb09uH3uyO~jjMc-lQqYPOLLQ2009Tr8r9YwrsPcS3O58mIrJauO49tKNmPxo7JeKi7l3SQi1lE7OJJ8Kzsk3GWbsA8FGs7RQ-CXj6ILo4~7XDx3r4mU~b1Q__&Key-Pair-Id=APKAJLOHF5GGSLRBV4ZA  Jahrbuch des Vereins für Pfahlbau- und Heimatkunde e.V.] Unteruhldingen, Band 23/24, 2014/15
 
 
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Staudacher-Buchau, W.: Gab es in vorgeschichtlicher Zeit am Federsee wirklich Pfahlbauten?  https://swab.zlibcdn.com/dtoken/a1d9a001ab2da1c42286a1b07b8500be
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* Müller 2011, Erich R.: Kap. 3.2 Geologie; Abschn. 3.2.5: Seespiegelstände des Bodensees. In: Benguerel 2011, Simone; Leuzinger, Urs; Müller, Erich et al.: &rarr; ''[https://www.academia.edu/31428015/Tasgetium_I_Das_r%C3%B6mische_Eschenz Tasgetium | Das römische Eschenz.]'' Archäologie im Thurgau 17; Veröffentlichung des Amts für Archäologie des Kantons Thurgau. Frauenfeld 2011; 278 Seiten; Seiten 22-23.
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'''Holozän – nacheiszeitliche Landschaftsentwicklung''' (vom AATG-Geologen Erich R. Müller: S. 22–23)
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'''''Natürliche Regulierungen des Seespiegels'''''
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Grundsätzlich ist festzuhalten, dass zwischen Eschenz und Öhningen bzw. dem Äschezerhorn und Stiegen (Öhningen) die Schlüsselstelle zu den Pegelständen des Bodensees liegt. Denn hier wird der nacheiszeitliche Bodensee gestaut. Als maßgebende «Steuerelemente» wirkt das dynamische Zusammenspiel der drei Bachschuttkegel des Dorfbachs und des Auerbachs sowie des Nodbachs (Öhningen) in Kombination mit den Erosionsprozessen des hier austretenden Hochrheins.
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Aus den Abflussdaten des Bodensees von 1800 bis 2003 gibt es für den Abfluss des Rhein bzgl. der Pegelstände von Konstanz folgende Beziehung (Ostendorp et al. 2007):
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Q [m3/s] = 0,00489·x<sup>2</sup> - 0,968·x + 94,3; bei r = 0,996  <br />
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wobei: x = Pegelstand [in cm] in Konstanz (391,89 [m+NN], bzw. 392,16 m ü. M.)
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Damit ergibt bei einem Konstanzer Seepegel von 393 m ein Abfluss unter 100 m³/s und bei einem Pegelstand von 397 ein Rheinabfluss von 850 m³/s. ''[Anm.: MQ = 369 m³/s; HQ<sub>100</sub> = 3.100 m³/s]''
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'''''Verlauf der Seespiegelstände'''''
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[[Datei: Bodenseepegel im Holozän.png|thumb|280px| Verlauf der Bodenseepegel im Holozän]]
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Für das ganze Holozän betrachtet, traten in dieser Zeitepoche Seespiegel zwischen 392,50 bis 400 m ü. M. auf (Abb. 10). Vorerst befand sich der Seespiegel zur Zeit der Pleistozän-/Holozän-Grenze auf Kote 403±2 m. Dabei wurde der Untersee noch im Bereich des Moränenriegels Stein am Rhein-Burg (W8) gestaut. Anschließend wurde dieser durch den Rheinlauf erodiert, was eine Absenkung der Auslaufhöhe, und damit direkt verbunden, des Bodensee-/Unterseespiegels bewirkte. In der zeitlichen Folge wuchsen die Bachschuttkegel des Eschenzer Dorfbachs, des Auerbachs und des Nodbachs an. Dabei wurde der See nicht mehr am Moränenriegel aufgestaut, sondern an den «vereinigten» Bachschuttkegeln. In späterer Zeit mit geringerer Wasserführung des Rheins vermochten diese Bachschuttkegel den See wieder höher zu stauen. Zu Zeiten mit hohen Abflüssen finden verstärkte Erosionen an den stauenden Bachschuttkegeln statt, was folglich zum Absenken der Staukoten und daher zu niedrigeren Seespiegeln führt.
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Auf Koten 403 und 398 m finden sich am Zeller See Strandterrassen. Diese entsprechen frühholozänen Seespiegelständen. Dabei stellt jene unterhalb der 400 m-Höhenlinie eine meist nur 2 m hohe Erosionsstufe dar. Der 398 m-Stand ist zeitlich mit dem Atlantikum (um 7000±1000 Jahre BP) zu korrelieren. Dies stimmt mit dem prähistorischen Befund überein, da mesolithische Funde nur landwärts von oberhalb der 398 m-Höhenlinie bekannt sind. In den Zeitabschnitten von 6 200 bis 5 900 BP sowie um 5300 BP fanden beträchtliche Wechsel der Seespiegelhöhen statt.
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Jungsteinzeitliche Siedlungsreste finden sich zwischen den Höhenkoten 393 und 396 m, bronzezeitliche dagegen bei 392 bis 394 m. Während des Subboreals ('''''4500 bis 2600 BP''''') lag dann der '''Seespiegel ca. 2–3 m tiefer als heute, das heißt etwa bei 392 bis 393 m ü. M.'''
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Zu den Zusammenhängen von '''''Seespiegelschwankungen''''' mit den Bachdelta-Bildungen im Raum '''''Eschenz–Öhningen fehlen bis heute Beschreibungen'''''. So bleiben die Fragen offen, inwieweit die oben genannten Kriterien auch für das Verstärken bzw. Abnehmen der Deltabildungen zutreffen.
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===Bundesamt für Landestopografie im Kanton Thurgau (2008)===
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* Bundesamt für Landestopografie (2008): &rarr; ''[https://prod-swishop-s3.s3.eu-central-1.amazonaws.com/product-documents/GA25-ERL-112.pdf Geologischer Atlas der Schweiz  (Blatt 1033/1034 Steckborn-Kreuzlingen). Erläuterungen 112.]'' Verfasst von Zaugg, A.; Geyer, M.; Rahn, M.; Wessels, M.; Schlichtherle, H.; Hasenfratz, A. & Burkhalter, R. (S. 74–76)
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* Billamboz 1997, Andre; Dieckmann, B.; Ellminger, F.; Schlichtherle, H.; Vogt, R.: Prehistoric settlement and lake level changes of Lake Constance. In: 7th Intern. Symp. on Palaeolimnology.Terra nostra 1997/8:17– 20. (€ 16,50)
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'''Seespiegelschwankungen seit der letzten Eiszeit (392-400 m ü.M.)''' (S. 74–75)
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"Früh (1906) gab aufgrund von Delta- und Übergussschichten im Bachschuttkegel von Steckborn (Gebiet Weier) einen maximalen Unterseespiegel von 412 m ü.M. an. Dieser Seespiegel geht vermutlich auf einen spätglazialen, nur kurze Zeit beständigen Eisrandstausee zurück. Schmidle (1942) erwähnte einen maximalen, spät-/postglazialen Unterseestand von 413 m ü.M. und gab aufgrund von Terrassenbildungen, Geländekanten und Strandwällen abgestufte Seestände von 413, 408, 403 und 398 m ü.M. an. Blum et al. (1995) konnten eine Laufrichtungsänderung der Radolfzeller Aach in Rielasingen auf ca. 11 ka BP datieren. Davor floss die Aach in einer ehemaligen Schmelzwasserrinne über Ramsen direkt dem Rhein westlich von Hemishofen zu. Durch Extrapolation des Rinnengefälles der Aach (aus Blum et al. 1995) von Rielasingen über Ramsen nach Hemishofen resultiert ein Vorflutniveau (= Seespiegel im Untersee in der Zeit vor 11 ka BP) um 405 m ü.M. Dieser Seespiegel entspricht dem Seestand vor ca. 12 ka BP im Allerød-Interstadial (Torfmoore Nonnenhorn; vgl. Zusammenstellung der Stände im Bodensee [Obersee] in Zaugg et al. 2008). Der Seespiegel im Untersee war somit im ausgehenden Spätglazial noch maßgeblich durch das Niveau der Rheinsohle im Bereich der Endmoränen im Staffelwald westlich von Stein am Rhein beeinflusst (Staffelwald = äusserer Stand W 6 des Stein-am-Rhein-Komplexes, Keller & Krayss 2005a). Die Seehöhe von 405 m ü.M. entspricht zudem der topographisch höchsten Verbreitung der den Beckenton überlagernden See- und Verlandungssedimente im Raum Kreuzlingen.
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Ein auch geologisch interessanter Aspekt ist die Höhenlage der vorgeschichtlichen Siedlungszeugnisse bezogen auf das heutige Niveau des Konstanzer Normalpegels (395 m ü.NN). Während spät-altsteinzeitliche Reste bis etwa 406 m ü.M. nachgewiesen worden sind, finden sich mittelsteinzeitliche Siedlungsreste bei 398–400 m ü.M. (Reinerth 1930), '''''jungsteinzeitliche Stationen bei 393–396 m ü.M. und bronzezeitliche Reste bei 392–394 m ü.M.''''' (Billamboz et al. 1997).
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Die '''''tiefe Lage von Fundschichten und Pfahlfeldern im Flachwasser bei 392,5 bis 395 m ü.M.''''' einerseits, und der Nachweis einer jungsteinzeitliche Funde führenden, 398–400 m ü.M. verlaufenden Uferlinie bei Hornstaad anderseits, die mit Torf und kulturführenden Kolluvium überdeckt wurde, weist auf einen beträchtlichen Wechsel des Bodenseewasserspiegels um '''''4200–3900 v.Chr.''''' und nochmals um '''''ca. 3300 v.Chr.''''' hin. Die Ergebnisse verschiedener Arbeitsgruppen (Rösch & Ostendorp 1988, Niessen & Sturm 1990, Ostendorp 1990, Dieckmann & Vogt 1994, Billamboz et al. 1997) deuten übereinstimmend auf Seespiegelschwankungen von bis zu 8 m (400–392 m ü.M.) im Holozän hin. Eine wissenschaftlich eindeutige und befriedigende Erklärung dieses für einen Binnensee beachtlichen Phänomens steht noch aus. '''''Jüngste Untersuchungen auf Schweizer Seite deuten auf ähnliche, wenn auch metermässig nicht so bedeutende Seespiegelschwankungen der kleinen Seen auf dem Thurgauer Seerücken hin (Nussbaumer See, Steinegger Weiher, Hasesee; vgl. Rösch 1983, 1985).''''' Eine Klärung erhofft man sich unter anderem von detaillierter Dendrochronologie, von Untersuchungen zur Verengung des Ausflusses durch die Deltaschüttungen beim Äschezerhorn (Eschenzer Horn) und zur Karbonatproduktion im Ausfluss des Untersees (natürliche Schwellenbildung?) sowie von der Erklärung möglicher Auswirkungen von Rutschungen in den Rhein zwischen Stein am Rhein und Schaffhausen."
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=== Wechselnde Seepegelstände des Bodensees (in: Der Orkopf, 2020)===
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von Richard Vogt, Landesamt für Denkmalpflege Stuttgart in:
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* Benguerel 2020, Simone; Vogt, Richard; Leuzinger et al.: &rarr; ''[https://www.academia.edu/67529427/Der_Orkopf_Eine_Fundstelle_auf_der_Landesgrenze Der Orkopf. Eine Fundstelle auf der Landesgrenze.]'' Archäologie im Thurgau 20, Veröff. des AATG 2020; 278 Seiten. S. 22-23.
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[[Datei: Bodensee-Ausrinn.png|thumb|340px| Bodensee-Ausrinn mit Schwemmfächern kleinerer Bäche]]
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"Dem Bereich Öhningen/Eschenz bzw. Eschenzer Horn und Stiegen am Ausfluss des Untersees kommt eine zentrale Rolle für die Pegelstände des Bodensees zu. Erich Müller sieht hier das Zusammenspiel von drei Bachschuttkegeln als stauende Steuerelemente und Einschneidungen durch den Hochrheinausfluss als massgeblich an (Abb. 10).<sup>35</sup> Dabei kommt neben klimatischen Faktoren auch der Witterung mit Starkregenereignissen eine entscheidende Bedeutung zu, welche die Entwicklung der Bachschuttkegel nachhaltig zu beeinflussen vermag. Während hohe Seepegelstände mit erhöhten Jahresniederschlägen, abnehmenden Sommertemperaturen und verkürzten Vegetationszeiten in Verbindung zu bringen sind, entstehen tiefe Pegelstände bei abnehmenden Jahresniederschlägen, zunehmenden Sommertemperaturen sowie verlängerter Vegetationszeit.<sup>36</sup> Dieser Zusammenhang ist aktuell nach den unterdurchschnittlichen Niederschlägen des Jahres 2018 und dem daraus resultierenden niedrigen Seepegel offenkundig. Zugleich rufen hohe Abflussraten an Staukörpern wie den Schuttkegeln verstärkte Erosionen hervor, die in der Folgezeit zu sinkenden Seepegeln führen. Konkretere Untersuchungen zu genannten Wirkungsgeflechten existieren bislang jedoch nicht.
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[[Datei: Bodenseepegel im Holozän.png|thumb|280px| Verlauf der Bodenseepegel im Holozän: Grafik: AAThurgau, Erich Müller und Matthias Schnyder.]]
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Erich Müller geht davon aus, dass während des Holozäns Wechsel im Bodenseepegel zwischen 392,5 und bis 400 m ü. M. aufgetreten sind.<sup>37</sup> Er leitet dies aus den Höhenlagen frühholozäner Strandterrassen auf Niveaus von 403 bzw. 398 m ü.M. sowie der Lage jungsteinzeitlicher und bronzezeitlicher Siedlungsreste ab. Seine Überblicksdarstellung ist in Abbildung 11 wiedergegeben. Hierzu ist allerdings anzumerken, dass die genauere Höhenlage der Seepegel aus mehreren Gründen nur äusserst schwer zu fassen ist. So lässt sich aus überlieferten Seeablagerungen gewöhnlich nur der minimale, für deren Entstehung notwendige Wasserstand ablesen, obwohl der Pegel natürlich deutlich höher gelegen haben kann. Als Beispiel können hier Seekreideablagerungen dienen, die sich sowohl im seichten Flachwasser als auch bei einer mehrere Meter mächtigen Wasserüberdeckung ablagern können. Ausserdem kann für Siedlungsschichten im heutigen Flachwasserbereich nicht automatisch auf tieferliegende Seepegel (Trockenbodenbedingungen) zu damaliger Zeit geschlossen werden, denn bei Anzeichen für eine abgehobene Bauweise sind durchaus deutlich höhere Pegelniveaus möglich. Ausserdem ist zu berücksichtigen, dass Sedimentschollen mit den darin enthaltenen Kulturschichtstraten v.a. im Haldenbereich in tiefere Niveaus als in prähistorischer Zeit abgeglitten sein können. Seetiefstände sind wiederum deshalb schwer zu fassen, da die dabei abgelagerten Sedimente bei Transgressionen überspült und zumindest teilweise wieder aufgearbeitet wurden. Um also eine durchgehende Seepegelchronologie vorlegen zu können, bedarf es eine Fülle weiterer Einzelbeobachtungen."
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Fußnoten <sup>35, 36, 37</sup>: '''''Müller, Erich''''' In: Benguerel et al. 2011: Tasgetivm I Das römische Eschenz, S. 22.
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===Seepegel zur Zeit der Steinschüttung der "Hügeli" im Bodensee (2021)===
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* Quelle: Leuzinger 2021, Urs; Benguerel, Simone; Müller, Erich; Schnyder, Matthias; Brem, Hansjörg et al.: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/359922223_Hugeli_im_Bodensee_-_ratselhafte_Steinschuttungen_in_der_Flachwasserzone_zwischen_Romanshorn_und_Altnau_Kanton_Thurgau_Schweiz_Jahrbuch_Archaologie_Schweiz_104_2021_1-116 «Hügeli» im Bodensee – rätselhafte Steinschüttungen in der Flachwasserzone zwischen Romanshorn und Altnau, Kanton Thurgau (Schweiz)]''. Jahrbuch Archäologie Schweiz 104, 2021, 101–116; S. 108-109. (Open Access)
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'''''Seepegel zur Zeit der Steinschüttung''''' (S. 108; ''"ERM" = Erich Müller''): "Eine der zentralen Fragen ist, ob die Hügel an Land, im Flachwasser oder sogar unter Wasser aufgeschüttet wurden. Die '''''Hügelbasen''''' liegen heute zwischen '''''389.50 und 392.00 m ü.M.''''', die '''''Kuppen''''' variieren zwischen '''''390.8 und 392.7 m ü.M.''''' Somit befinden sich die Hügelscheitel heutzutage ganzjährig unter Wasser; bei winterlichen Niedrigwassertiefstständen von 395 m ü. M. um die 3 m <sup>5</sup>.  ( <sup>5</sup> Der extreme Tiefstand der Messperiode 1930–2019 wurde mit 394.5 m ü. M. am 13. Februar 2006 am Pegel Romanshorn gemessen. ''[Anm.: 1891 - 394,25 m ü.M.]'').
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[[Datei: Hemishofer Brücken.png|thumb|370px|ERM: Geologisches Profil durch Rhein bei Hemishofer Brücken <br /> Geolog. Bericht #2007 '''Geotechn. Büro Dr. von Moos AG 1969''']]
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Aus hydrologischen und geologischen Gründen kann der Bodenseepegel nicht beliebig absinken. Der Seepegel war aber klimabedingt phasenweise deutlich tiefer als heute (Vogt 2020 ''[Wechselnde Seepegelstände des Bodensees. In: Der Orkopf]'' ). Die höchstmögliche, aber wohl kaum tatsächlich erreichte Untergrenze eines prähistorischen Wasserspiegels lässt sich anhand der Profile bei Eschenz und Hemishofen berechnen (Müller 2011, S. 22: ''[Seespiegelstände des Bodensees. In: Benguerel 2011: Tasgetium | Das römische Eschenz.]'' ). ... Hauptregulatoren der Seepegelschwankungen sind somit die Bachschüttungen bzw. Erosionsvorgänge bei Eschenz/Öhningen (D) und im Konstanzer Seerhein. Eine für den minimalen Obersee-Pegel relevante Stelle liegt allerdings bei den Rheinbrücken von Hemishofen. Dort gibt es vier Bohrungen, die belegen, dass die Basis der Abflussrinne – Oberkante der anstehenden Moräne – bei höher/gleich 390 m ü. M. liegt (Geotechnisches Büro Dr. A. von Moos AG, 1969) (vgl. die Abb.). Somit kann man modellhaft mit einem tiefstmöglichen Wasserspiegel um 392.5 m ü. M. bei einer abfliessenden Wasserhöhe von maximal 2.5 m ausgehen. Auch wenn das '''''Bohrraster bei Hemishofen etwas weitmaschig''''' erscheint, ist doch offensichtlich, dass der Untersee und erst recht der Obersee wohl '''''nie unter die Kote 393 m ü. M. abgesunken''''' sein können. Dies ist auch mit den absoluten Höhen der Kulturschicht von Arbon-Bleiche 3 bei 393.9 m ü. M. um 3380 v. Chr. (Leuzinger 2000, 12 ''[Die jungsteinzeitliche Seeufersiedlung Arbon-Bleiche 3. Befunde. Archäologie im Thurgau 9.]''; Magny, M.; Leuzinger, Urs et al. 2006 ''[Tripartite climate reversal in Central Europe 5600–5300 years ago.]'') und den Befunden im Umfeld des Orkopfs bei Eschenz mit 393.5 m ü. M. in der Frühbronzezeit (Benguerel et al. 2020, 100–106) vereinbar. Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang auch die sehr tief liegenden Kulturschichtreste der beiden spätbronzezeitlichen Seeufersiedlungen Unteruhldingen (D) Stollenwiesen und Hagnau (D) Burg auf Höhenkoten um 392 m ü. M. (Schöbel 1996, 76–80). Bei den letztgenannten beiden Fundstellen gilt es allenfalls Sedimentrutschungen sowie eine abgehobene Bauweise der Häuser zu berücksichtigen."
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"Die hypothetisch mögliche minimale Pegelhöhe des Bodensees um 393 m ü. M. zur Bauzeit der Steinstrukturen hätte zur Folge, dass die Hügel damals im Winterhalbjahr in mindestens 1.5–2 m Wassertiefe aufgeschüttet worden sein müssen. Damit die künstlichen Inseln bei einer angenommenen Höhe der Steinpackung von 0.8 bis 1.5 m Mächtigkeit aus dem Wasser ragen würden, fehlen in dieser Berechnung nach wie vor mehrere Dezimeter. Ob man diesen Höhenunterschied mit Sedimentsetzungen, Verlagerung der Steinpackung oder Mikrotektonik erklären kann, ist derweil offen. Ebenso unbeantwortet bleibt zurzeit die Frage, ob eine Sichtbarkeit der «Hügeli» an der Oberfläche zumindest saisonal von ihren Erbauern tatsächlich beabsichtigt war."
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<u>Verwendete Literatur:</u> <br />
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Leuzinger (2000), Urs: &rarr; ''[https://archaeologie.tg.ch/public/upload/assets/58093/AiTG_11_Arbon_Bleiche_OCR%20-%20Kopie_verkleinert.pdf Die jungsteinzeitliche Seeufersiedlung Arbon-Bleiche 3. Befunde]''. Archäologie im Thurgau 9. Frauenfeld. ''[Seite 15: Die archäologischen Fundschichten verlaufen auf Höhen zwischen'' '''393,90 und 397,00 m ü.M.''' und aus Rezension: ''... zieht der Autor zu Recht den Schluss, dass die Häuser an der Hangkante der Arboner Bucht zumindest seewärts vom Boden abgehoben errichtet wurden.]''
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Müller 2011, Erich: Kap. 3.2 Geologie; Abschn. 3.2.5: Seespiegelstände des Bodensees. In: S. Benguerel/H. Brem/B. Fatzer et al.: &rarr; ''[https://www.academia.edu/31428015/Tasgetium_I_Das_r%C3%B6mische_Eschenz Tasgetium I. Das römische Eschenz.]'' Archäologie im Thurgau 17. Frauenfeld. S. 22 ff.
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Vogt 2020, R.: Wechselnde Seepegelstände des Bodensees. In: S. Benguerel/H. Brem/R. Ebersbach et al.: &rarr; ''[https://www.academia.edu/67529427/Der_Orkopf_Eine_Fundstelle_auf_der_Landesgrenze Der Orkopf. Eine Fundstelle auf der Landesgrenze]''. Archäologie im Thurgau 20. Siedlungsarchäologie im Alpenvorland XIV, 22–23. Frauenfeld.
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Schöbel 1996, G.: &rarr; ''[https://www.academia.edu/31440188/1996_Die_Sp%C3%A4tbronzezeit_am_nordwestlichen_Bodensee._Tacharch%C3%A4ologische_Untersuchungen_in_Hagnau_und_Unteruhldingen_1982-1989 Die Spätbronzezeit am nordwestlichen Bodensee. Taucharchäologische Untersuchungen in Hagnau und Unteruhldingen 1982–1989]''. Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg 47. Stuttgart.
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Magny 2006, Michel; Leuzinger, U.; Bortenschlager, S. et al.: &rarr; ''[https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0033589405000955 Tripartite climate reversal in Central Europe 5600–5300 years ago]''. Quaternary Research 65, 3–19.
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''[Anm.: C. Schindler war 1969 Mitinhaber des '''Geotechn. Büros von Dr. Moos AG'''; 1982 Prof. f. Ingenieurgeologie ETHZ]''
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===Zürichsee - Limmat (1971) (ToDo)===
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Conrad Schindler: &rarr; ''[https://www.ngzh.ch/archiv/1971_116/116_2/116_13b.pdf Geologie von Zürich und ihre Beziehung zu Seespiegelschwankungen]''; Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Ges. Zürich 1971:283–315.
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S. 297: „… höchstwahrscheinlich die dubiose «Seekreide» den Sünden eines längst verstorbenen Bohrmeisters anzurechnen ist.“  UND: „Es konnte z. B. durch Rückwärtserosion in der Ausflussrinne leicht ein kritischer Punkt erreicht werden, in welchem die höchste Schwelle plötzlich um beispielsweise 2 m erniedrigt wurde.“ UND: "gesamte Limmatsohle besteht aus Moränenmaterial"
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===Traunsee (ToDo)===
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Trebsche 2023, Peter; Seidl da Fonseca, Helena; et al.: &rarr; ''[https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/14614103.2023.2176611 A Fluctuating Environment: Micromorphological and Archaeobotanical Investigations of the Early Iron Age Lakeshore Settlement at Traunkirchen (Upper Austria)]''. Environmental Archaeology, The Journal of Human Palaeoecology; 18.2.2023.
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==Geologie: Endmoränen, -material und Seeabfluss (großteils, ToDo)==
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[[Datei: Längenschnitt des Traungebiets.png|thumb|360px|Abfluss des Attersees - Längenschnitt des Traungebiets 1904]]
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Wie der nebenstehenden Abbildung aus 1904 (K.k. Hydrographischer Dienst in Österreich: Das Traungebiet) vor jeglicher Abflussbeeinflussung und -regulierung des Attersees zu entnehmen ist, hatte dessen Seeausrinn auf den ersten Kilometern der Ager ein recht starkes Gefälle, das weit über dem Durchschnitt der Ager mit rund 3,6 Promille lag.
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Diese Gegebenheit ist auf das Vorhandensein der Endmoräne bei Schörfling/Seewalchen zurückzuführen, auf deren see-abgewandten Seite eben dieses höhere Gefälle auftrat. Dies führte früh zur Anlage von Mühlen, die bereits im Mittelalter errichtet wurden, und heute noch mit der Ortschaft "Siebenmühlen" daran erinnern.
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Demgegenüber gibt es beim Ausrinn des Gmundner Sees keine Überhöhung der Endmoräne mehr, die vermutlich durch die immer wieder auftretenden extremen Hochwässer eingeebnet wurde.
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Damit gab es am Gmundner See auch keine einfachen Möglichkeiten einer Seeabsenkung mittels Rückwärts-Erosion durch neolithische Kanal-Pfahlbauern.
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Dass es in späterer Zeit dennoch zwei Mal zu Seespiegel-Absenkungen gekommen ist, zeigen aktuelle Forschungen bei Traunkirchen.
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Salcher, B. et al.: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/profile/Bernhard-Salcher/publication/232387702_High-resolution_mapping_of_glacial_landforms_in_the_North_Alpine_Foreland_Austria/links/59d884d9aca272e609668d6a/High-resolution-mapping-of-glacial-landforms-in-the-North-Alpine-Foreland-Austria.pdf?origin=publication_detail High-resolution mapping of glacial landforms in the North Alpine Foreland, Austria.]'' (vgl. v.a. '''''Abb. 7, S. 288''''' zum Seeabfluss durch Endmoränen: "verändert nach Schreiner": Hegau und westlicher Bodensee. = Sammlung Geologischer Führer - besorgt am 22.4.22. Neuere Literatur: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/profile/Bernhard-Salcher Bernhard Salcher, University of Salzburg, Department of Geography and Geology, PhD]''
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Salcher, Bernhard; Starnberger, Reinhard; Götz, Joachim: &rarr; ''[https://www.zobodat.at/pdf/BerichteGeolBundesanstalt_126_0289-0304.pdf  Sediment‐landform associations of major glaciations in the North Alpine Foreland]''. '''''Abb. 6''''' XXI International Congress of the Carpathian Balkan Geological Association (CBGA 2018); Berichte der Geologischen Bundesanstalt, v. 126, p. 289 – 304.
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Ellwanger, D. et al.: &rarr; ''[https://e-docs.geo-leo.de/bitstream/handle/11858/00-1735-0000-0006-9FB9-E/vol60_no2-3_a07.pdf?sequence=1&isAllowed=y Quaternary of the southwest German Alpine Foreland (Bodensee-Oberschwaben, Baden-Württemberg, Southwest Germany)]'', Quaternary Science Journal 2011, Vol. 60, Nr. 2-3, p. 306-328. - es sind v.a. die Moränenbildungen unterschiedlicher Eiszeiten zw. Ober-/Untersee und beim Abfluss des Bodensees von Interesse.
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Huber (Zürichsee, Sihl, Limmat)
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Schindler, Conrad: &rarr; ''[https://www.ngzh.ch/archiv/1971_116/116_2/116_13b.pdf Geologie von Zürich und ihre Beziehungen zu Seespiegelschwankungen]:'' S. 297: Schindler wischt Hinweise auf Seekreidefunde und "Moräne" (Seekreideablagerungen?) in größerer Tiefe (19-20 m) mit den „Sünden eines längst verstorbenen Bohrmeisters“ vom Tisch.
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Janik, V.: &rarr; ''[https://www.zobodat.at/pdf/JOM_114a_0181-0200.pdf Die Pfahlbausiedlung See/Mondsee im Blickfeld landschaftlicher Forschung.]'' Jahrbuch des OÖ Musealvereins, Linz, 1969; S. 181 - 200.
  
Reinerth, Hans: '''Zur Pfahlbaufrage''' '''''[BAUTEN AM TROCKENEN - wg. TROCKENHEIT seit EISZEIT]'''''  PrHist. 1927  https://p303.zlibcdn.com/dtoken/9d8fb1c8b5d0ee7dad79c79ef4cd2981
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Suter, Peter et al.: &rarr; ''[https://boris.unibe.ch/142285/1/ADB_2017-1_-2700_Bd01.pdf Um 2700 v. Chr. – Wandel und Kontinuität in den Ufersiedlungen am Bielersee]:'' S. 145, ad "Nidau": Die erhaltenen Kulturschichten liegen in 4 bis 6 m Tiefe unter dem heutigen Gehniveau unterhalb von Ablagerungen der Moderne sowie Seekreide-, Lehm-/Silt- und Torfschichten ... Im südlichen Siedlungsareal – landseitig der spätbronzezeitlichen Station Nidau, Neue Station – finden sich erneut Schlagdaten des 39. Jahrhunderts v. Chr.; ihre <sup>14</sup>C-Daten fallen in den Zeitraum 3950 bis 3800 v. Chr.
  
Reinerth, Hans: Die Pfahlbauten des Federseemoores PrHist. 1927  https://p300.zlibcdn.com/dtoken/34e5488fc047426c4ef44e1417d157b6
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Lukas, S., Rother, H.: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/310443753_Moranen_versus_Till_Empfehlungen_fur_die_Beschreibung_Interpretation_und_Klassifikation_glazialer_Landformen_und_Sedimente/fulltext/5dd344074585156b351e91d3/Moraenen-versus-Till-Empfehlungen-fuer-die-Beschreibung-Interpretation-und-Klassifikation-glazialer-Landformen-und-Sedimente.pdf?origin=publication_detail Moränen versus Till]:'' Empfehlungen für die Beschreibung, Interpretation und Klassifikation glazialer Landformen und Sedimente. (zur Zusammensetzung von Moränenmaterial)
  
Theophil Ischer, Waren die Pfahlbauten der Schweizer Seen Land- oder Wassersiedlungen? 1928  "VERNICHTUNG von REINERTH"  https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=zak-002%3A1928%3A30%3A%3A329
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Rother, H. u. Wansa, S.: &rarr; ''[https://www.geokartieranleitung.de/Fachliche-Grundlagen/Genese/Petrogenetische-Gesteinsbezeichnung/Lockergesteine/Einleitung-Gletscher Gletscherablagerungen und glazigene Vollformen (Lockergesteine).]'' Geologische Kartierungsanleitung in der Geowissenschaftlichen Sammlungen im Bereich der Staatlichen Geologischen Dienste Deutschlands.
  
Rossius, Karl Otto, Königsberg i. Pr.: Die sogenannten Pfahlbauten Ostpreußens. PrHist Zs 1933; https://p300.zlibcdn.com/dtoken/97bb5303d242c4b283c1a861a48eba03
 
  
Lüning, Jens: &rarr; [https://ur.booksc.me/book/40927238/972919  Zum Kulturbegriff im Neolithikum] Prähistorische Zs. 1972
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==Hydrologen zur Rückwärts-Erosion (ToDo)==
  
Schier, Wolfram: &rarr; [https://ur.booksc.me/book/40795061/796f23 Extensiver Brandfeldbau und die Ausbreitung der neolithischen Wirtschaftsweise in Mitteleuropa und Südskandinavien am Ende des 5. Jahrtausends v. Chr.] Prähistorische Zs., 2009.     
+
==111 Pfahlbaustationen: Örtlichkeit, Seehöhe, heutige Lage unter/über Wasser==
  
Schier, Wolfram, Ehrmann, Otto u. Rösch, Manfred: &rarr; [https://ur.booksc.me/book/41070941/847e1d Experimentelle Rekonstruktion eines jungneolithischen Wald-Feldbaus mit Feuereinsatz – ein multidisziplinäres Forschungsprojekt zur Wirtschaftsarchäologie und Landschaftsökologie], Prähistorische Zs., 2009.
+
Im Folgenden werden Informationen zu den 111 UNESCO-Pfahlbaustationen gebracht unter Verwendung von
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* '''Unesco 2011:''' &rarr; ''[https://whc.unesco.org/document/115493 Maps of Prehistoric Pile Dwellings around the Alps.]''  (grafische Darstellung der Lage der 111 Stationen)
  
FRAGESTELLUNGEN:
+
* '''Wikipedia:''' &rarr; ''[https://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4historische_Pfahlbauten_um_die_Alpen Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen:]'' Länder, Nummer, Name, Ort, Koordinaten, Fläche, Pufferzone, Siedlungszeitraum
* Warum siedeln die Pfahlbauten nicht einzeln sondern in Dörfern?
 
* Wie ist der Beginn einer Siedlung vorzustellen? (Am Beginn viele Errichtungsarbeiten und: Rodung, Hausbau, Aussaat, Viehbetreuung, Jagd usw. ...)
 
* Rodungstätigkeit (Abschätzungen des Flächenbedarfs ...) vs. Abbrennen des Schilfgürtels (= Düngung) ...
 
* weiters ...
 
  
KULTURELLES:
+
* '''Google-Earth:''' Damit wurde die Tiefen-Lage der 111 Stationen an den Seerändern einzeln abgeschätzt, wobei man bei den bei Sonnenschein aufgenommenen Google-Bildern wegen der unterschiedlichen Farbe einfach seichte von tieferen Stellen unterscheiden kann. ''[Dieses Vorgehen wurde dadurch erforderlich, da es überraschenderweise zu den meisten Pfahlbau-Stationen keine Tiefenangaben gibt.]''
  
Foraging for Farmers? An evolutionary perspective on the process of Neolithisation in NW Europe – A case study from the Low Countries &rarr; [https://www.academia.edu/19347340/Foraging_for_Farmers_An_evolutionary_perspective_on_the_process_of_Neolithisation_in_NW_Europe_A_case_study_from_the_Low_Countries  Foraging for Farmers?] Prähitorische Zs. 2015
+
Die 56 Schweizer Stationen weisen eine durchschnittliche Seehöhe von 429 m ü.A. auf; die fünf österreichischen Stationen zeigen durchschnittlich 479 m ü.A.; 18 Stationen in Süddeutschland liegen auf 485 m ü.A.; die 11 französischen Stationen auf 367 m ü.A.; die 19 italienischen Stationen liegen auf nur 167 m ü.A. und die beiden slowenischen Stationen liegen auf 288 m ü.A.
  
Przybyła, Marcin: &rarr; [https://www.academia.edu/7042917/Mating_systems_in_prehistoric_populations_An_evolutionary_approach_and_archaeological_evidence_PZ_88_2013_208_225 Mating systems in prehistoric populations. An evolutionary approach and archaeological evidence] Prähistorische Zs. 2013
+
45 Stationen liegen auf einer Seehöhe zwischen 400 und 449 m ü.A. und weitere 25 Stationen liegen auf Seehöhen zwischen 450 und 600 m ü.A. (2 Stationen auf 612 m und 652 m ü.A.); 17 Stationen haben Seehöhen zwischen 350 und 399 m ü.A.
  
&rarr; [https://www.researchgate.net/profile/Stefanie-Jacomet#research-items  RESEARCHGATE-Quelle zu JACOMET]
+
In den nachfolgenden Tabellen werden angegeben:
  
Jacomet, St.: rarr; [https://www.researchgate.net/profile/Stefanie-Jacomet/publication/225427471_Plant_economy_and_village_life_in_Neolithic_lake_dwellings_at_the_time_of_the_Alpine_Iceman/links/004635148a1088be85000000/Plant-economy-and-village-life-in-Neolithic-lake-dwellings-at-the-time-of-the-Alpine-Iceman.pdf?origin=publication_detail  Plant economy and village life in Neolithic lake dwellings at the time of the Alpine Iceman] (--> Arbeiten wd. des Jahres …) Zs. Vegetation History and Archaeobotany · January 2009
+
* '''''UNESCO'''''-Nummer und '''''Örtlichkeit''''' der Station, '''''See-Name''''' samt '''''Seehöhe''''' über Adria und vor allem die
 +
* '''''konkrete Lage''''' der Pfahlbau-Station
 +
** am Seerand '''''im Flachwasser''''' (einige wenige Meter Tiefe: entsprechend der Anmutung in Google-Earth)
 +
** oder '''''trocken''''' auf dem heutigen Ufer
 +
* geschätzte '''''Ausdehnung der Strandplatte Richtung See''''' (ev. auch deren Länge parallel zum Ufer)
  
Jacomet, St. et al.: rarr; [https://www.researchgate.net/profile/Christoph-Brombacher/publication/236149860_Archaobotanik_am_Zurichsee_Ackerbau_Sammelwirtschaft_und_Umwelt_von_neolitischen_und_bronzezeitlichen_Seeufersiedlungen_im_Raum_Zurich_Ergebnisse_von_Untersuchungen_pflanzlicher_Makroreste_der_Jahre_1/links/58cb9656458515b6361b74a2/Archaeobotanik-am-Zuerichsee-Ackerbau-Sammelwirtschaft-und-Umwelt-von-neolitischen-und-bronzezeitlichen-Seeufersiedlungen-im-Raum-Zuerich-Ergebnisse-von-Untersuchungen-pflanzlicher-Makroreste-der-Jah.pdf?origin=publication_detail  Archäobotanik am Zürichsee. Ackerbau, Sammelwirtschaft und Umwelt von neolitischen und bronzezeitlichen Seeufersiedlungen im Raum Zürich. Ergebnisse von Untersuchungen pflanzlicher Makroreste der Jahre 1979-1988.]    ZUSAMMENFASSUNG
+
<gallery>
 +
Tiefenlage 1.jpeg|Schweizer Stationen|alt=alt language
 +
Tiefenlage 2.jpeg|CH-Rest und Österreich|alt=alt language
 +
Tiefenlage 3.jpeg|Frankreich und BRD|alt=alt language
 +
Tiefenlage 4.jpeg|Italien und 2 x Slowenien|alt=alt language
 +
</gallery>
  
Jacomet, St.: &rarr; [https://www.researchgate.net/profile/Brigitte-Roeder-2/publication/258627459_Soziale_Verhaltnisse_vor_5400_Jahren/links/00b495290bc8f2463b000000/Soziale-Verhaeltnisse-vor-5400-Jahren.pdf?origin=publication_detail Soziale Verhältnisse vor 5400 Jahren] (betrifft: Spezialisierungen in Arbon Bleiche; Zuwanderer vom  Wr. Becken)
+
[[Datei: Höhenverteilung Schweiz.jpeg|thumb|300px| Höhenverteilung Schweizer Pfahlbaustationen; die niedrige-Seehöhe-Stationen liegen am Genfersee]]
  
Jacomet et al.: [rarr; [https://www.researchgate.net/publication/236001600 Bauern, Fischerinnen und Jäger: Unterschiedliche Ressourcen- und Landschaftsnutzung in der neolithischen Siedlung Arbon Bleiche 3 (Thurgau, Schweiz)?]
+
Es gibt offenbar eine '''''besonders bevorzugte Seehöhe''''' für die ''„klassischen“'' Pfahlbaustationen, wie der eingefügten Tabelle und der Grafik zu entnehmen ist. Einerseits sind das die Seehöhen '''''zwischen 400 und 450''''' m mit 44 Stationen, andererseits liegen sogar '''''66 der 111''''' UNESCO-Pfahlbaustationen – das sind knapp 60 % – innerhalb von nur '''''120 Höhenmetern:''''' und zwar zwischen '''''395 m und 514 m ü.A.''''' 
  
Jacomet et al.: &rarr; [https://www.researchgate.net/publication/236000360 Archäobiologie als sozialgeschichtliche Informationsquelle: ein bislang vernachlässigtes Forschungspotential]
+
Es ist wohl davon auszugehen, dass sich diese Gegebenheiten noch verstärken, wenn man sich auf vergleichbare Rahmenbedingungen konzentriert wie z.B. Beschränkung auf die ehemaligen Gletscherrandgebiete nördlich der Alpen oder die französischen Stationen. Allein '''''45 der 56 Schweizer Stationen''''' liegen innerhalb eines engen Bereichs von nur '''''60 Höhenmetern''''' und zwar von 400–460 m ü.M.
  
Jacomet, St. et al.: &rarr; [https://www.researchgate.net/publication/236001600_Bauern_Fischerinnen_und_Jager_Unterschiedliche_Ressourcen-_und_Landschaftsnutzung_in_der_neolithischen_Siedlung_Arbon_Bleiche_3_Thurgau_Schweiz  Bauern, Fischerinnen und Jäger: Unterschiedliche Ressourcen- und Landschaftsnutzung in der neolithischen Siedlung Arbon Bleiche 3 (Thurgau, Schweiz)?]
+
Wie den Tabellen zu entnehmen ist, liegen die Pfahlbaustationen ganz überwiegend unter Wasser – und regelmäßig in vergleichsweise wenig tiefem Wasser (einige Meter). Hinsichtlich der Pfahlbauten, die heute am trockenen Land liegen kann nur vermutet werden, dass diese zu einer Zeit mit hohem Wasserstand errichtet worden sind. Bei solchen Stationen dürfte es demnach nicht mehrere Kulturschichten mit zwischengelagerter Seekreide geben (was einfach zu überprüfen ist).
  
Jacomet, St. et al.: &rarr; [https://www.researchgate.net/profile/Alice-Choyke/publication/258627494_Neolithic_Lake_Dwellings_in_the_Alpine_Region/links/5dd25a3ba6fdcc7e138a510f/Neolithic-Lake-Dwellings-in-the-Alpine-Region.pdf?origin=publication_detail Neolithic Lake Dwellings in the Alpine Region] (HQ allgem. Darstellg.)
+
Die Pfahlbaustationen unter 400 Höhenmetern zeigen offenbar einen anderen Siedlungszugang.  
  
Jacomet, St., Leuzinger, Urs u. Schibler, Jörg: &rarr; [https://www.researchgate.net/profile/Urs-Leuzinger/publication/258627470_Die_neolithische_Seeufersiedlung_Arbon_Bleiche_3_Umwelt_und_Wirtschaft_Archaologie_im_Thurgau_12/links/61a779a5ca2d401f27b8fcfa/Die-neolithische-Seeufersiedlung-Arbon-Bleiche-3-Umwelt-und-Wirtschaft-Archaeologie-im-Thurgau-12.pdf?origin=publication_detail Die jungsteinzeitliche Seeufersiedlung Arbon I Bleiche; Teil 3 Umwelt und Wirtschaft] (2004)
+
Da die 111 Stationen bereits eine Auswahl darstellen, können die hier gebrachten Auswertungen nur qualitativ sein: für eine generelle Aussage müssten alle über 1000 Stationen in zeitlicher und räumlicher Dimension systematisch untersucht werden, was aber über den hier gesteckten Rahmen hinausgeht; wissenschaftlich relevant (und interessant) wäre dies allemal.
  
Jacomet, St. u.Schibler, Jörg: &rarr; [https://www.researchgate.net/profile/Joerg-Schibler/publication/258627624_Subsistenzwirtschaft_aus_archaobiologischer_Sicht/links/0a85e53a6b09e693fb000000/Subsistenzwirtschaft-aus-archaeobiologischer-Sicht.pdf?origin=publication_detail Subsistenzwirtschaft aus archäo(bio)logischer Sicht] (2010) <br />
+
[[Datei: Höhenverteilung.jpeg|thumb|400px| Verteilung der 111 UNESCO-Pfahlbaustationen auf Höhenbereiche]]
... jedoch ist nicht mit einer häufigen Verlegung der bewirtschafteten Flächen zu rechnen: Diese müssen einen großen Wert dargestellt haben, hatte man sie einmal dem Wald abgerungen. Mit traditionellen Methoden (Pflanzensoziologie, ökologische Zeigerwerte, Arealkunde) ausgewertete Unkrautspektren, mindestens des Jung- und Endneolithikums, deuten jedenfalls auf dauerhaft bewirtschaftete Flächen hin (zusammenfassend etwa Hosch & Jacomet 2004, 128 ff.).
 
  
==UNESCO - Prehistoric Pile Dwellings around the Alps==
+
{| class="wikitable" style="text-align:right;"
 +
|+ Höhenverteilung der 111 UNESCO-Pfahlbaustationen
 +
|-
 +
! Höhenbereich in m ü.A.!! Anzahl
 +
|-
 +
| über 600 m || 2
 +
|-
 +
| 550-600 m || 9
 +
|-
 +
| 500-550 m || 6
 +
|-
 +
| 450-500 m || 9
 +
|-
 +
| 400-450 m || 44
 +
|-
 +
| 350-400 m || 17
 +
|-
 +
| 300-350 m || 0
 +
|-
 +
| 250-300 m || 6
 +
|-
 +
| 200-250 m || 7
 +
|-
 +
| 150-200 m || 0
 +
|-
 +
| 100-150 m || 3
 +
|-
 +
| 50 -100 m || 5
 +
|-
 +
| 3-50 m || 3
 +
|-
 +
|}
  
UNESCO - Prehistoric Pile Dwellings around the Alps &rarr; https://whc.unesco.org/en/list/1363/
+
==Gletscherrandseen; Seehöhe, Fläche, Einzugsgebiet, Abflussgefälle, Siedlungsalter==
  
&rarr; [https://whc.unesco.org/uploads/nominations/1363.pdf  Prehistoric Pile Dwellings around the Alps World Heritage '''''Nomination'''''], 2231 pages. (<u>Austria</u> p. 931 und p. 1664)  
+
[[Datei: Ausschnitt Eiszeitkarte.png|thumb|44
 +
0px| Der Alpenraum zum Höhepunkt der letzten Eiszeit; © Geologische Bundesanstalt; Idee van Husen (2013)]]
  
&rarr; [https://whc.unesco.org/document/152478 Advisory Bodies Evaluations] HHHQ  (156 &rarr; 111)
+
Zitat: © Geologische Bundesanstalt (Hrsg.):  &rarr; ''[https://www.geologie.ac.at/fileadmin/user_upload/dokumente/Rocky_Austria/Graphiken/04_Entwicklungsgeschichte/10_Quartaer/eiszeitkarte.pdf Der Alpenraum zum Höhepunkt der letzen Eiszeit.]''. Geologische Bundesanstalt: &rarr; ''[https://www.geologie.ac.at/rocky-austria/entwicklungsgeschichte/quartar Quartär/Rocky Austria]'': Seitenende: "Grafiken stehen für Forschung und Lehre zur Verfügung" mit dortigem &rarr; ''[https://www.geologie.ac.at/rocky-austria/service/download Download]''-Link.
  
&rarr; [https://whc.unesco.org/document/115493 Maps of inscribed serial elements - Prehistoric Pile Dwellings around the Alps] (better quality); Austria p. 57 ff.
+
&rarr; ''[https://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4historische_Pfahlbauten_um_die_Alpen Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen: Wikipedia, Daten zu den Stationen ...]''; &rarr; ''[https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_gr%C3%B6ssten_Seen_in_der_Schweiz Liste der größten Seen in der Schweiz]''
  
&rarr; [https://whc.unesco.org/en/decisions/4306 Decisions: 35COM 8B.35 - Cultural Properties - Prehistoric Pile Dwellings around the Alps (Switzerland / Austria / France / Germany / Italy / Slovenia)]
+
* Zürichsee 406 m, 90,1 km<sup>2</sup>; 1800 km<sup>2</sup>; Limmat MQ 101 m³/s; ''"Sihl"'' kann Limmat verlegen; Limmat 5 m auf 1 km nach Sihl-Treffen: '''> 5 ‰ Gefälle;''' 4250 v.Chr.;
  
Hafner, Albert: Das UNESCO-Welterbe "Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen" im Kanton Bern: frühe Forschungen, aktuelle Situation und Chancen für die Zukunft. Jahrbuch des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern 2012. S. 237-253. http://doi.org/10.5169/seals-726622 (Schutzmaßnahmen S. 246).
+
* Egolzwil  597 m (bei Wauwil ~3-km<sup>2</sup>-See; heute 6 m tiefe "Wanne" durch ''"Ron"'' rundherum trockengelegt) ; 4280 v.Chr.
 +
* Bodensee 395 m, 536 km<sup>2</sup>; 11.487 km<sup>2</sup>; Rhein MQ 251 m³/s; Stein am Rhein/Diessenhofen: 10 km - 16 m: '''1,6 ‰  Gefälle; bei Stein mehr;''' 4000 v.Chr.
  
==Alpenrandseen: Seehöhe, Fläche, Einzugsgebiet, Alter der Siedlungen==
+
* Zugersee 413 m, 38,3 km², 212 km² Einzugsgebiet, MQ = 6 m³/s; auf 2,2 km – 6 m = '''''3 ‰ Gefälle'''''
  
&rarr; [https://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4historische_Pfahlbauten_um_die_Alpen Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen: Wikipedia, Daten zu den Stationen ...]
+
* Genfersee 372 m, 581 km<sup>2</sup>; 7.975 km<sup>2</sup>; Fluss ''"Arve"'' kann Rhone verlegen; 1 km 3 m: '''3 ‰ Gefälle;''' 4000 v.Chr.
  
&rarr; [https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_gr%C3%B6ssten_Seen_in_der_Schweiz Liste der größten Seen in der Schweiz]
+
* Sempachersee 504 m, 14,5 km<sup>2</sup>; 4000 v.Chr.
  
* Egolzwil  597 m (Endmoränen um ~3-km<sup>2</sup>-See ?) ; 4280 v.Chr.
+
* wegen Juragewässerkorrektionen nur Abschätzungen der Abflussgefälle:
* Zürichsee 406 m, 90,1 km<sup>2</sup>; 1800 km<sup>2</sup>; 4250 v.Chr.
+
** Bielersee 429 m, 40 km<sup>2</sup>; ~3200 km<sup>2</sup> (o. Aare ...&rarr; ''[https://www.digibern.ch/katalog/juragewaesserkorrektion#gsc.tab=0aus Richard La Nicca, Bern 1842)]''; 4000; Flüsschen ''"Schüss"'' kann Zihl verlegen; Alte Zihl 1,5 km rd. 5 m bei Port: '''3,5 ‰ Gefälle;'''
* Bodensee 395 m, 536 km<sup>2</sup>; 11.487 km<sup>2</sup>; 4000
+
** Neuenburgersee 430 m, 218 km<sup>2</sup>; 2.670 km<sup>2</sup>; 4000; wahrscheinlich mit 5-km-Kanal mit (vor-)abgesenkt
* Bielersee 429 m, 40 km<sup>2</sup>; ~3200 km<sup>2</sup> (o. Aare ...&rarr; [https://www.digibern.ch/katalog/juragewaesserkorrektion#gsc.tab=0aus Richard La Nicca, Bern 1842)]; 4000
+
** Murtensee 429 m, 22,8 km<sup>2</sup>; 693 km<sup>2</sup>; ursprünglicher Abfluss nach Nordosten: 10 km (Kallnach) fast ohne Gefälle; 3000 v.Chr.
* Neuenburgersee 430 m, 218 km<sup>2</sup>; 2.670 km<sup>2</sup>; 4000
 
* Murtensee 429 m, 22,8 km<sup>2</sup>; 693 km<sup>2</sup>; 3000
 
* Genfersee 372 m, 581 km<sup>2</sup>; 7.975 km<sup>2</sup>; 4000
 
* Sempachersee 504 m, 14,5 km<sup>2</sup>; 4000
 
 
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* Savoyische Seen ~430-550 m; 3500
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* Savoyische Seen ~430-550 m; 3500 v.Chr.
 
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* Federsee 578 m, 1,4 km<sup>2</sup>; 35,4 km<sup>2</sup>; 4000
+
* Federsee 578 m, 1,4 km<sup>2</sup>; 35,4 km<sup>2</sup>; 4000 v.Chr.
* Starnberger See (bis 1962 ''Würmsee'') 584 m, 58,4 km<sup>2</sup>; 314 km<sup>2</sup>; 4000
+
* Starnberger See (bis 1962 ''Würmsee'') 584 m, 58,4 km<sup>2</sup>; 314 km<sup>2</sup>; Würm mäandert lustlos ohne Moräne mit wenig Gefälle; 4000 v.Chr.
* Ammersee (Altheimer Gruppe) 533m, 46,6 km<sup>2</sup>; 993 km<sup>2</sup>; 3500
+
* Ammersee (Altheimer Gruppe) 533m, 46,6 km<sup>2</sup>; 993 km<sup>2</sup>; Amper nach 12 km 528 m: 1 ‰ Gefälle; 3500 v.Chr.
 
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* Attersee 469 m, 46,2 km<sup>2</sup>; 464 km<sup>2</sup>; 4000 Ndf 4310 &plusmn; 90
+
* Attersee 469 m, 46,2 km<sup>2</sup>; 464 km<sup>2</sup>; Ager MQ 17,1 m³/s, HHQ 110 m³/s; '''''3,6 ‰ auf 34 km'''''; 4000 v.Chr., Ndf VRI 4310 &plusmn; 90 v.Chr.
* Mondsee 481 m, 13,8 km<sup>2</sup>; 247 km<sup>2</sup>; VRI 4910 &plusmn; 130
+
* Mondsee 481 m, 13,8 km<sup>2</sup>; 247 km<sup>2</sup>; Seeache MQ 9,14 m³/s, HHQ 73,4 m³/s; Gefälle '''''4 ‰ auf 3 km'''''; VRI 4910 &plusmn; 130 v.Chr.
* Keutschachersee 506 m, 1,3 km<sup>2</sup>; 30 km<sup>2</sup>; VRI 5420 &plusmn; 60
+
* Keutschachersee 506 m, 1,3 km<sup>2</sup>; 30 km<sup>2</sup>; VRI 5420 &plusmn; 60 v.Chr.
 +
** Mattsee|Obertrumer See|Grabensee: alle 503 m – Mattig in 8 km 491 m: 1,5 ‰ Gefälle;
 +
** Wallersee: 506 m – Fischbach fließt km-lang flach dahin;
 +
** Wolfgangsee: 538 m – Ischler Ache fließt 4 km bis 514 m mit ≈ '''6 ‰ Gefälle''';
 +
** Fuschlsee: 665 m – max 2 ha Strandplatten; entwässert in Mondsee;
 
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* Lago di Varese 238 m, 15 km<sup>2</sup>;  112 km<sup>2</sup>; 5300
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* Lago di Varese 238 m, 15 km<sup>2</sup>;  112 km<sup>2</sup>; 5300 v.Chr.
* Gardasee 65 m (größte Tiefe <u>346 m</u>), 370 km<sup>2</sup>; 3556 km<sup>2</sup>; 2200
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* Gardasee 65 m (größte Tiefe <u>346 m</u>), 370 km<sup>2</sup>; 3556 km<sup>2</sup>; 2200 v.Chr.
* Ledrosee 655 m; 2,2 km<sup>2</sup>; 111 km<sup>2</sup>; 2000
+
* Ledrosee 655 m; 2,2 km<sup>2</sup>; 111 km<sup>2</sup>; 2000 v.Chr.
* Lago di Viverone, 230 m, 5,8 km<sup>2</sup>; 25,7 km<sup>2</sup>; 1450
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* Lago di Viverone, 230 m, 5,8 km<sup>2</sup>; 25,7 km<sup>2</sup>; 1450 v.Chr.
 +
 
 +
==Hydrologie der Salzkammergut-Seen für die Kanal-Pfahlbauern==
 +
 
 +
[[Datei: Niederschlagsverteilung Traunsee-Gebiet 1899.png|thumb|335px| Niederschlagsverteilung Traunsee-Gebiet 12.+13.9.1899 <br /> Linz < 50 mm; Attersee 250 mm; Hallstättersee > 350 mm]]
  
==Lage an den Seen==
+
===Extremniederschläge im Traungebiet September 1899===
  
Photo-Archäologie (Link)
+
'''''Flögl 1980''''', Helmut & Blaschke, Hans: &rarr; ''[http://www.interpraevent.at/palm-cms/upload_files/Publikationen/Tagungsbeitraege/1980_2_175.pdf Die Hochwasserretention der Salzkammergutseen. Sonderband Hochwasser-Abwehr des Landes OÖ]'', 1980, 20 Seiten.
  
===Lage am Ausfluss===
+
Das extremste Hochwasserereignis wurde aufgrund der Niederschläge von nur zwei Tagen – am 12.+13.9.1899 – verzeichnet. (Nach: K.k. Hydrographischer Dienst in Österreich (1904): Das Traungebiet und die Verwertung des Retentionsvermögens der Salzkammergut-Seen zur Milderung der Hochwassergefahren.)
  
vgl. 11. und 12. Pfahlbauberichte --> Suche in Google-Earth
+
Die Niederschläge nur dieser beiden Tage betrugen in Linz weniger als 50 mm; beim Attersee rd. 250 mm; im inneren Salzkammergut 300 mm und beim Hallstättersee sogar über 350 mm.  
  
===Gunstlagen===
+
Aber auch Niederschlagsereignisse der jüngeren Zeit z.B. 2.-5.6.2013 konnten regional ziemlich stark ausfallen:
  
Getreideanbau; ohne Sonnenbeschattung
+
* Weißenbach v. 2.6.2013 Pegel 303 cm mit HQ '''<u>114 m³/s</u>''' und einer Jährlichkeit von '''<u>200</u>''' Jahren
  
Bäche zur Wasserversorgung, Fischfang
+
* See/Mondsee 3.6.2013 Pegel 356 cm mit HQ 94,1 m³/s und einer Jährlichkeit von 25 Jahren
  
Jagd (mit pflanzlicher Versorgung des Wilds)
+
* Raudaschlsäge 5.6.13 Pegel 108 cm mit HQ 93,5 m³/s und einer Jährlichkeit von 15 Jahren
  
===Ungunstlagen===
+
===Hydrologischer Vergleich der Seen===
  
Getreideanbau; mit Sonnenbeschattung (&ne; Misling !), späte Sonnenbestrahlung am Morgen (Ostufer)
+
{| class="wikitable" style="text-align:right;"
 +
|+ Hydrologischer Vergleich Attersee : Mondsee : Wolfgangsee : Traunsee
 +
|-
 +
! !! Einzugsge- <br />biet E [km²] !! Seefläche <br /> F [km²] !! Verhältnis <br /> E / F !! Seeinhalt <br /> [Mio. m³] ||  Abfluss MQ  <br /> in [m³/s]  !! Durchfluss-<br />dauer [a] !! Hochwasser <br /> <u>1899</u> [cm] || HHQ-Speicherg <br /> <u>1899</u> [Mio m³]
 +
|-
 +
| Attersee || 462 || 46,8 || 10,1 || 3.944 || 17,0 || 7,2 || '''<u>146</u>''' || 68,2
 +
|-
 +
| Mondsee || 247 || 14,2 || 17,4 || 510 || 9,1 || 1,8 || '''<u>236</u>''' || 33,5
 +
|-
 +
| Wolfgangsee || 123 || 13,2 || 9,2 || 619 || 5,4 || 3.9 || 187 || 24,6
 +
|-
 +
| Traunsee || 1417 || 25,7 || '''<u>58,0</u>''' || 2.302 || 70,0 || 1,0 || '''<u>354</u>''' ||90,8
 +
|-
 +
|}
 +
Daten: '''Rosenauer 1932:''' F.: &rarr; ''[https://www.zobodat.at/pdf/JOM_84_0335-0426.pdf Über das Wasser in OÖ.]''; '''Flögl 1980:''' &rarr; ''[http://www.interpraevent.at/palm-cms/upload_files/Publikationen/Tagungsbeitraege/1980_2_175.pdf Die Hochwasserretention der Salzkammergutseen]''
  
wenig ackerbaufähige Flächen (See, bei Hotel ...)
+
Von allen in Frage kommenden Seen zeigt der Attersee von vornherein die günstigsten Hochwasserverhältnisse. Unter Berücksichtigung des Zwei-Seen-Systems mit dem Mondsee konnten für den Attersee aber noch zusätzliche Verbesserungen erzielt werden.
  
===Eigentümliche, ungünstige Lagen===
+
Wie der obigen Tabelle zu entnehmen ist, kam der '''''Traunsee''''' schon wegen seiner extremen Hochwasserverhältnisse für eine neolithische Besiedlung '''''nie in Betracht''''': Die Seespiegel-Schwankung zwischen Mittelwasser und Hochwasser betrug mehr als vier Meter.
  
steil direkt ab Seeufer, steile Berge, kein Getreideanbau möglich
+
===Das Attersee-Mondsee-System===
  
mäandernde Bäche werden gemieden
+
{| class="wikitable" style="text-align:right;"
 +
|+ Vergleich Mondsee : Attersee : (Attersee <u>ohne</u> Mondsee) <br /> ''MQ = mittlerer Abfluss; HHQ = höchster Hochwasserabfluss''
 +
|-
 +
! !! Einzugs- <br />gebiet [km²] !! Seefläche <br /> [km²] !! MQ <br /> [m³/s]  !! HHQ <br /> [m³/s] 
 +
|-
 +
| '''Mondsee allein''' || 247 || 13,8 || 9 || '''''<u>73</u>'''''
 +
|-
 +
| '''Attersee <u>mit</u> Mondsee''' || 463 || 60,0 || '''''<u>17</u>''''' || '''''<u>110</u>'''''
 +
|-
 +
| '''Attersee''' '''<u>ohne</u> Mondsee''' || 217 || 46,2 || 8 || '''''<u>37</u>'''''
 +
|-
 +
|}
  
==="Auftauchende Inseln"===
+
Wie der Tabelle und den für Pfahlbausiedlungen besonders bedeutsamen Hochwasser-Verhältnissen '''HHQ''' (= höchster Hochwasserabfluss) entnommen werden kann, sind die Hochwässer des Mondsees (Abfluss 73 m³/s bei kleiner Seefläche) die hauptsächliche Ursache für die Attersee-Hochwässer des gemeinsamen Systems Mondsee-Attersee (110 m³/s). Diese sind für den Attersee im Gesamtsystem '''<u>dreimal</u>''' so schwierig wie für den Attersee allein (37 m³/s - wegen des geringeren direkten Einzugsgebietes und der viel größeren Seefläche).
  
Großer und Kleiner Hafner
+
[[Datei: Attersee-Hochwasser 1899.png|thumb|300px|Extrem-Hochwasser am Attersee 11.-20.9.1899]]
  
Bielersee: "Insel" mit Landverbindung
+
Wie der obigen Tabelle zu entnehmen ist, verdoppelt sich der alleinige Attersee-Abfluss bei Hochwasser (37 m³/s) nur auf das Doppelte des Normal-Abflusses (17 m³/s), wenn man den gleichzeitigen Hochwasserabfluss des Mondsees verhindern kann.
  
===Ungünstige Lagen für Erhaltung der Hinterlassenschaften===
+
<u>Wenn man den Attersee besiedeln wollte, musste man die drohenden Hochwässer des Mondsees beherrschen.</u>
  
* Lavaldüsenwirkung für Stürme durch einengende Berge
+
Wenn man für ein Starkregenereignis eine Verhinderung der Abflusswelle des Mondsees in den Attersee für die Dauer von 3 Tagen annimmt, erhöht sich bei dieser Wasserrückhaltung der Spiegel des Mondsees um ~ 1 ½ m (73 m³/s x 3.600 s x 24 h x 3 Tage = 18,9 Mio. m³ geteilt durch 13.8 Mio. m² Seefläche = 1,37 m). Mit einer Vorabsenkung um 3 m liegt man auf der sicheren Seite.
** See am Mondsee (Weststürme, vgl. Video und Bild der Geogrphie)
 
** Misling (Föhnstürme aus Mitterweißenbachtal - Weihnachtstag 1972 mit Windstärke 11)
 
** Nußdorf (Föhnstürme - bis Windstärke 10)
 
  
* mäanderende Bäche (überdecken ev. vorhandene Siedlungen)
+
[[Datei: Mondsee-Wasserstandsdaten.png|thumb|360px|zu beherrschende Hochwasserereignisse am Mondsee]]
  
* weiters ...
+
Wie der nebenstehenden Grafik zu entnehmen ist, bringt das stärkste Hochwasserereignis am Mondsee innert eines Jahrhunderts einen Seespiegelanstieg um maximal 2 ½ m.  
  
==Die Seeabflüsse bei den Pfahlbauseen==
+
Wenn man den Mondsee-Abfluss z.B. um rund 3 m vorab absenkte, hätten die Auswirkungen eines Starkregen-Ereignisses auf den Attersee durch entsprechenden Aufstau des Mondsees minimiert werden können.
  
===Massierung bei Seeabflüssen===
+
Damit die Pfahlbauten in See/Mondsee auch bei einer Hochwasserrückhaltung des Mondsees auf dem Trockenen blieben, wäre eine Absenkung des Mondsees um rund 4–5 m zielführend gewesen (vgl. Janik-Veröffentlichung mit 6 m bei Möbelfabrik).
  
&rarr; Darstellung der Listen und Grafiken der Pfahlbauberichte
+
[[Datei: Seeretention 1920.png|thumb|360px|Seeretention HW 9/1920: - - - Abfluss '''''<u>ohne</u>''''' Retention [m³/s]]]
  
Mögliche Gründe für das "Besetzen" der Abflüsse
+
Es ist allgemein geläufig, daß bei steigenden Zuflüssen zu einem See dessen Wasserstand einige Zeit steigen muß, bis der Abfluß gleich groß wird wie der Zufluß. Dieser Effekt wird '''''Seeretention''''' genannt. Ebenso wird bei fallenden Zuflüssen der Seeabfluß nachhinken und sich erst allmählich dem kleiner werdenden Zufluß anpassen.
  
* generell: Verklausung hintanhalten
+
Die vergleichsweise beherrschbaren Hochwässer von Mondsee und Attersee stehen in starkem Kontrast zu den Verhältnissen am Traunsee: Der Hochwasserabfluss des Traunsees hätte 1920 ohne Seeretention 1400 m³/s betragen, wies aber trotz der Seeretention noch immer einen Wert von '''''1050 m³/s''''' auf - das ist rund das 6fache von Mondsee und Attersee. Der Traunsee war für die Kanal-Pfahlbauern sicher nicht beherrschbar.
  
* Instandhaltung der "Kanäle"
+
Durch die natürliche Seeretention kommt es auch zu einer Reduktion der ohne diese (theoretisch) auftretenden Seespiegel-Erhöhungen des Attersees: 1918: 90 cm (statt 320 cm ohne Retention); 1920: 130 cm (statt 350 cm); 1954: 110 cm (statt 280 cm); 1959: 130 cm (statt '''<u>490 (!)</u>''' cm). Im Jahr 1959 betrug vor / während des Hochwassers der Abfluss 30 / 115 m³/s bei einem Seestand von 469,40 / 470,20 m ü.A.
  
* Nutzung von Fischwanderungen (?)
+
Die höchsten Wasserspegeldifferenzen zwischen Hochwasserspitze und dem Ausgangswasserspiegel unmittelbar vor der Hauptwelle betrugen für den Attersee 1899: '''''1,05 m'''''; für den Mondsee 1899: '''''2,28 m''''' und für den Traunsee 1897: '''<u>3,35 m (!)</u>'''.
  
===Das aktuelle Beispiel der Sihl===
+
Die Hochwässer weisen bei den im folgenden angeführten Jährlichkeiten (= Auftretenswahrscheinlichkeiten alle ... Jahre) folgende Abflussmengen auf:
  
Wyss, Andris et al.: Hochwasserwschutz Sihl, Zürichsee, Limmat. Wasserbau-Symposium ETHzürich 2021 (Schwemmholz, Bäume während Hochwasser) Entlastungsgerinne, Baumstämme ...
+
* See (See-Ache): 40 m³/s (jährlich); 80 m³/s (alle 10 a); 100 m³/s (alle 30 a); 120 m³/s (alle 100 Jahre)
 +
* Raudaschlsäge: 43 m³/s (jährlich); 85 m³/s (alle 10 a); 110 m³/s (alle 30 a); 140 m³/s (alle 100 Jahre)
  
https://www.research-collection.ethz.ch/bitstream/handle/20.500.11850/508185/3907.pdf?sequence=1&isAllowed=y
+
===Kein hoher/niedriger Wasserstand wegen feuchtem/trockenem Klima===
  
Creative Commons Attribution-NonCommercial 4.0 International: http://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/
+
[[Datei: Wasserhochstand wegen Klima.png|thumb|300px| Abfluss aus Attersee abhängig vom Wasserstand]]
  
===Situation beim Bodensee===
+
Wie der Abbildung der „natürlichen Konsumtionskurve“ des Attersee-Abflusses ('''Flögl 1971''') entnommen werden kann, steigt der Abfluss in Abhängigkeit von der Seehöhe '''<u>exponentiell</u>''' an, wie man auf einfache Weise durch Drehen der Abbildung (Wasserstands-Achse liegt dann als Abszisse unten) - und damit dem Vertauschen der beiden Achsen - erkennen kann.
  
&rarr; [https://books.google.at/books?id=TQ8DAMd4SVgC&pg=PA19&lpg=PA19&dq=gef%C3%A4lle+obersee+zum+untersee&source=bl&ots=rx7JHf6OK9&sig=ACfU3U2WFBA_ZE4Qe-a4p0ssTifU9UZg0A&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwibo4jp3sP3AhXRu6QKHS-QDPgQ6AF6BAgeEAM#v=onepage&q=gef%C3%A4lle%20obersee%20zum%20untersee&f=false Denkschrift über die Abflussverhältnisse des Bodensees von Constanz bis Stein] (1862) v.a. S. 19 ff.
+
So beträgt der Attersee-Abfluss bei einer Seehöhe von 469,0 m: '''''20 m³/s;''''' bei einer Seehöhe von 469,5 m: '''''50 m³/s;''''' bei einer Seehöhe von 470,0 m bereits '''''110 m³/s''''' und bei einer Seehöhe von 470,5 m über '''''230 m³/s.'''''
  
Sohle der Bodensees (Konstanz, Eschenz, Stein) &rarr; [https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=sbz-002%3A1924%3A83%3A%3A554 Bodensee-Regulierung, Hochwasserschutz, Kraftnutzung und Schiffahrt]
+
Die beiden angefühten Punkte bezeichnen die Wasserstände und Abflüsse der extremen Hochwässer der Jahre 1899 und 1959.
  
Treibholz am Bodensee: https://www.igkb.org/fileadmin/user_upload/dokumente/seespiegel/53485_Seespiegel_14.pdf  
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Demgegenüber wird der Attersee bei einer Seehöhe von 468,5 m abflussfrei.
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Die Attersee-Pfahlbauten werden (geschätzt) in Seehöhen von ca. 464 - 467 m ü. A. gefunden.
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''[Anm.: Die österreichischen Pfahlbauten werden nach Abschätzungen aufgrund Google-Earth-Bildern in Seetiefen von ca. 464–467 m ü.A. gefunden, wobei hierzu bestimmte Sichttiefen für das Wasser angenommen werden. Mit Ausnahme von Schweizer Arbeiten (z.B. Suter - Kleiner Hafner) gibt es in den Veröffentlichungen nur selten konkrete Tiefenangaben.]''
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===Verwendete Literatur===
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K.k. Hydrographischer Dienst in Österreich (1904): Das Traungebiet und die Verwertung des Retentionsvermögens der Salzkammergut-Seen zur Milderung der Hochwassergefahren. Hrsg. vom k. k hydrographischen Zentral-Bureau, Wien. Verlag W. Braumüller, Wien 1904.
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Rosenauer 1932, F.: &rarr; ''[https://www.zobodat.at/pdf/JOM_84_0335-0426.pdf Über das Wasser in OÖ.]'' JBOÖMV 1932:356–378.
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Flögl 1980, Helmut; Blaschke, Hans: &rarr; ''[http://www.interpraevent.at/palm-cms/upload_files/Publikationen/Tagungsbeitraege/1980_2_175.pdf Die Hochwasserretention der Salzkammergutseen.]'' Hochwasser-Abwehr (Sonderband des Landes OÖ) 1980, 20 Seiten.
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Nachtnebel 2008, Hans-Peter et al.: &rarr; ''[https://www.land-oberoesterreich.gv.at/files/publikationen/auwr_Minderung_Hochwasserschaeden_Hauptstudie.pdf Wasserwirtschaftliche Entwicklung in Überflutungsgebieten]''. Institut für Wasserwirtschaft, Hydrologie und konstruktiven Wasserbau, BOKU. 255 Seiten. Teil Attersee S. 17–36.
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BMLFUW 2015: &rarr; ''[https://info.bml.gv.at/dam/jcr:7b274910-3f8f-4248-a426-2e2d5c3b5758/Ereignisdokumentation%202013%20-%20gesamt%20Teil%201%20(S1-83).pdf Hochwasser Juni 2013 – Ereignisdokumentation]''; BMLUFUW Sept. 2015, 90 Seiten.
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==Ruttkays "Typologie und Chronologie der Mondsee-Gruppe" 1981==
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[[Datei: Ruttkay 163544_verlag.nhm-wien.jpeg|thumb|310px| '''Dr. Elisabeth Ruttkay''' in Kern; Antl-Weiser; Stadler: &rarr; ''[https://verlag.nhm-wien.ac.at/pdfs/112A_055066_Kern.pdf Nachruf]'' Ann. NHM Wien, Serie A, 2010:55–66]]
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* 18. Juni 1926 in Pécs, Ungarn; † 25. Februar 2009 in Wien
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Kern 2010, Anton; Antl-Weiser, Walpurga; Stadler, Peter: &rarr; ''[https://verlag.nhm-wien.ac.at/pdfs/112A_055066_Kern.pdf '''Nachruf Dr. Elisabeth Ruttkay (mit Veröffentlichungsliste)''']''. Annalen Naturhistorisches Museum in Wien, Serie A, 2010:55–66; <br /> Im Folgenden wird eine kompakte Darstellung ihres Lebenslaufs: &rarr; '''''[[Elisabeth Hanák-Ruttkay (1926–2009)]]''''' gebracht.
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 +
sowie: &rarr; ''[https://en.wikipedia.org/wiki/Elisabeth_Ruttkay Elisabeth Ruttkay in der englischen Wikipedia; samt Bild]'':  „Prehistory Professor J. Neugebauer dubbed Ruttkay the '''''`grande dame of Austrian Neolithic research´'''''.“
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===Vorbemerkung: Ruttkays Diss. 1978 "Das Neolithikum mit bemalter Keramik in Öst."===
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Noch während ihrer Dissertationszeit veröffentlicht '''''Ruttkay 1976''''', Elisabeth: Beitrag zum Problem des Epi-Lengyel-Horizontes in Österreich. Archaeologica Austriaca, Beiheft 13. FS Pittioni, 1976: 285–319 mit 13 Abb. samt Fotos. (v.a. Bisamberg, Oberpullendorf, Schleinbach)
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'''''Ruttkay 1978''''', Elisabeth: Das Neolithikum mit bemalter Keramik in Österreich. Eine chronologisch-kulturhistorische Untersuchung. '''''Dissertation''''' Univ. Wien 1978. 2 Bände (Textteil 329 Seiten; 2. Bd. mit 27 Tafeln und 2 Karten).  <br /> (Eingereicht am 10. Nov. 1978; Gutachter: Pittioni (Betreuer) und Friesinger; promoviert zur Dr<sup>a</sup>. phil. am 8. Nov. 1979) <br />  Hier wird auch das von ihr der Dissertation beigefügte &rarr; '''''[["Curriculum Vitae"]]''''' (samt Kopie ihrer Unterschrift) wortident gebracht.
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Ihre früheren Arbeiten und die Dissertation betreffen vor allem die Lengyel-Kultur und die darauf folgende Epi-Lengyel-Kultur in Niederösterreich, Mähren und Ungarn, nicht aber westlichere Kulturen (OÖ, Salzburg, Bayern) oder die Mondseekultur.
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Ruttkay beschreibt in ihrer Dissertation die chronologische Entwicklung der niederösterreichischen Kulturen wie folgt: Linearbandkeramik – Notenkopfkeramik – Vor-Lengyel-Zeit – Lengyel-Kultur – Epi-Lengyel-Kultur (= ''Nach''-Lengyel-Kultur).
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Die '''''Epi-Lengyel-Zeit''''' fällt mit der '''''Entstehung der Mondsee-Kultur''''' in etwa zusammen.
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Ruttkay sieht S. 212 für „die Epi-Langyel-Zeit auf dem österreichischen Gebiet drei Typengemeinschaften:
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* Typus Bisamberg in NÖ samt Typus Oberpullendorf im Burgenland,
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* Typus Kanzianberg-Brezje-Zrece in Steiermark und Kärnten und
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* Typus Linz-Niederperwendt  in OÖ und Salzburg.
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[[Datei: Karte 2.jpeg|thumb|300px| Verbreitung der Epilengyel-Gruppen in Österreich]]
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Die östlichen Gruppen der Epilengyelzeit zeigen Verwandtschaft mit der mährischen Gruppe der Jordansmühler Kultur, die südliche Gruppe ist mit einem Abschnitt der „''Alpinen Facies der Lengyelkultur''“ Slawoniens ident. Der Typus Linz-Niederperwendt ist eine Variante der bayerischen Münchshöfener Gruppe.“
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'''Die Verbreitung der Epilengyel-Gruppen in Österreich''' (entsprechend nebenstehender Grafik mit Ruttkays Fundortliste: S. 265–267):
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* '''''Gruppe Bisamberg-Oberpullenidorf:''''' #1: Wien-Stadlau: #2–25: Burgenländische Stationen; #32–40: Niederösterreichische Stationen
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* '''''Gruppe Linz-Niederperwendt:'''''
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** Oberösterreich: #41 Dornach/Saxen ('''''Pittioni 1935'''''), #42 Linz-Altstadt (Karnitsch 1962), #43 Niederperwendt ('''''Pittioni 1935'''''), #44 Stadl-Paura ('''''Beninger 1961''''' Abb. 15,1-5,10-14; Abb. 18,1-5; Abb. 24,2)
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** Salzburg: #45 Salzburg-Maxglan ('''''Hell 1954'''''), #46 Salzburg-Rainberg ('''''Hell 1954''''')
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* '''''Gruppe Kanzianberg-Brezje-Zrece:'''''
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** Kärnten: 26 Ettendorf-Kulm (Strelli 1930), 27 Keutschachersee ('''''Moßler 1954'''''), 28 Mallestig-Kanzianberg (Dolenz 1938, Pittioni 1954, Abb. 116), 29 Maria Saalerberg (Franz 1931), 30 Völkermarkt-Steinkögelen (Müller-Karpe 1948), 31 Wolfsberg-Strappelkogel (Franz 1931);
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** Steiermark: 47 Judenburg-Pölshals (Süß 1969), 48 Mixnitz-Drachenhöhle (Kyrle 1931), 49 Wildon-Buchkogel (Süß 1969)
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Die von Ruttkay in ihrer Dissertation ab Seite 230 präsentierten Typologien (Tafeln A – D:Fotos und Tafeln I bis XXII) der drei Epilengyel-Typengemeinschaften passen - mit wenigen Ausnahmen (Henkelkrug) - nicht mit jenen der Mondsee-Gruppe zusammen.
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===Ruttkays "Typologie und Chronologie der Mondsee-Gruppe" 1981===
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Ruttkay Elisabeth schreibt 1981 in ihrer ''Typologie und Chronologie der Mondsee-Gruppe'': "Die prähistorische Archäologie benützt für die Umschreibung ihrer Kulturgruppen keramische Typeninventare, die, mit den Angaben über Siedlungskunde, Totenfürsorge, Schmuck- und Geräteformen ergänzt, ein individuelles Bild menschlicher Kulturäußerungen übermitteln. So wurde anhand der Keramik aus den Pfahlbaustationen des Mond- und Attersees die prähistorische Kulturgruppe Mondsee konstruiert."
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* Anm.: Pittioni reiht in seinem Standardwerk aus 1954 "Urgeschichte des österreichischen Raumes" die mährisch-niederösterreichisch-burgenländische Gruppe (S. 144), die Badener Gruppe (S. 189) und Ossarn (S. 202) '''''zeitlich vor Mondsee''''' (S. 210) ein, was - wie heute bekannt - '''''chronologisch unrichtig''''' ist, auf Ruttkay aber wohl einen bedeutenden Einfluss ausgeübt haben wird, da Pittioni ja Doktor-Vater von Ruttkay gewesen ist. <br /> Pittioni nimmt "als Siedlungsgebiet der Mondsee-Gruppe Oberösterreich und Salzburg mit dem westlich anschließenden Bayern an" (S. 213) "und auch die Funde Hells am Götschenberg bei Bischofshofen, den Rainberg bei Salzburg und auch die Langensteinerwand" (S. 228) zählt er als Höhensiedlungen zur Mondseegruppe. <br /> Er vermutet aber für die Seesiedlungen einen Einfluss von den Schweizer Verhältnissen, „die vielleicht auch durch die Verwendung des '''''Zwischenfutters''''' angedeutet erscheinen (Pittioni S. 229: Abb. 151,2).“
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* Damit war Ruttkays "Typologie und Chronologie der Mondsee-Gruppe" von 1981 von dieser Chronologie Pittionis wesentlich beeinflusst und sie übernahm sowohl Pittionis Chronologie der Kulturen  – und damit mögliche Abstammungs- bzw. Verwandtschaftsbeziehungen – als auch die Zuzählungen der von Pittioni (S. 228) angeführten anderen Siedlungen in OÖ und Salzburg zur Mondsee-Gruppe.
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Link zum Transkript der Veröffentlichung von &rarr; '''''<big>[[Elisabeth Ruttkay: Typologie und Chronologie der Mondseegruppe]]</big>''''' In: Das Mondseeland - Geschichte und Kultur (vergriffen). Kulturabteilung, OÖ Landesausstellung 1981 in Mondsee. Linz 1981:269-294.
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Hier kommt unvermittelt Ruttkays Aussage: ''Ihre Anfänge aber, die mit der Formengruppe 1 angedeutet werden, in eine Zeit, wo auch die Anfänge der ehemaligen Geschwistergruppe, der '''Altheimer Gruppe''', gesucht werden. Nach unserer vorliegenden Studie darf Mondsee mit Altheim weiterhin als gleichzeitige '''„Geschwistergruppe“''' angesprochen werden, die mit jener nicht nur durch ihre Gleichzeitigkeit, sondern auch durch ihre gemeinsame „nordische“ Baalberger-Komponente verbunden ist.''
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Hier gibt es Internet-Links zur &rarr; '''''<big>[[von Ruttkay hauptsächlich verwendeter Literatur]]</big>''''' samt ausführlicher konstruktiv-kritischer Kommentierung der Literaturstellen und der Autoren.
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===Konstruktive Kritik an Ruttkays "Mondsee-Gruppe"===
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[[Datei: Ruttkay Verbreitungskarte.png|thumb|210px| Verbreitung der Mondsee-Gruppe; bis Bischofshofen und Ossarn (NÖ)]]
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[[Datei: Ruttkay Formengruppe.png|thumb|210px| Ruttkays Formengruppe 1–3 der Keramiken der Mondsee-Gruppe]]
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Es gehört zweifellos zu Ruttkays Verdienst, dass sie die Pfahlbauforschung in Österreich nach Offenberger weiter gefördert hat. Sie konnte im Pfahlbauprojekt viele „konfrontative“ Forscher zusammenführen, integrieren und einbinden.
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1981 gehörte es zum Werkzeug der Archäologen, die Zuordnung von Funden zu konkreten Gruppen anhand der Keramik zu bewerkstelligen. Es ist heute aber ein wenig überraschend, dass diese „weiterhin (fast dogmatisch) an die Untrennbarkeit von Keramik und Kulturgruppen glauben“ und u. U. helfende Beiträge anderer Disziplinen geringschätzen.
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Jedenfalls fehlten Ruttkay – gegenüber heute – die in großer Anzahl verfügbaren '''''Radiokarbondaten''''' und insbesondere deren '''''Kalibrierung''''', die neolithische Gruppen wesentlich älter datieren. Auch die '''''humangenetischen Analysen''''' des Jahres 2015 (Haak Zs. Nature 522: "Jamnaja"; „Schnurkeramiker“) waren ihr nicht bekannt; ebensowenig '''''solche von Haustieren'''''. Eine für die Mondseer Pfahlbauforschung ganz wesentliche Technik besteht in tiefschürfenden '''''Metallanalysen''''', wenngleich sich Ruttkay auch dafür offen zeigte und mit Pernicka zusammenarbeitete.
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Zu Beginn ihrer Veröffentlichung listet Ruttkay eine große Anzahl von Fundstellen auf, die sie zur Mondsee-Gruppe zählt. Das ist umso überraschender, weil sie nicht auf Pittioni als Begründung dafür verweist. Es ist nur indirekt zu erschließen, dass sie zumindest selbst an diese Auswahl glaubte, weil sie auch Ottaway eine entsprechende Literaturliste übermittelte und die daran zweifelnde Ottaway künftig nicht mehr zitierte.
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Wie der nebenstehenden Karte zu entnehmen ist, zählt Ruttkay neben den Stationen an Mond- und Attersee auch Stationen an Enns/Steyr und auch Stadl-Paura zur Mondsee-Gruppe. Zusätzlich bezieht sie die Salzburger Stationen (wohl wegen der Veröffentlichungen von „Hell“) und sogar den Auhögel bei Ainring an der Saalach in die Mondsee-Gruppe ein. Überraschend ist, dass sie auch die weit entfernten Stationen Bischofshofen sowie Ossarn und Grünbach in NÖ einbezieht.
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Jedenfalls suchte Ruttkay typologisch passende Keramik bei anderen Gruppen und wurde – nach ihrer Ansicht – im mährisch-slowakisch-ungarischen Bereich fündig. Ruttkay stützte sich vorrangig auf die Arbeiten von Anna Medunova-Benesova (Jevisovice / Bolaz Kultur: siehe: &rarr; ''[https://www.academia.edu/36774790/Anna_Medunov%C3%A1_Bene%C5%A1ov%C3%A1_Jevi%C5%A1ovick%C3%A1_kultura_na_jihoz%C3%A1padn%C3%AD_Morav%C4%9B_v%C3%BD%C5%A1inn%C3%A1_s%C3%ADdli%C5%A1t%C4%9B_Gre%C5%A1lov%C3%A9_M%C3%BDto_Vyso%C4%8Dany_a_Jevi%C5%A1ovice_Jevi%C5%A1ovice_Kultur_in_S%C3%BCdwestm%C3%A4hren Jevisovice-Kultur in Südwestmären]'': Deutsche Zusammenfassung auf S. 83–90 mit 15 Tafeln der Jevisovice-Keramik) – mit der sie auch regen wechselseitigen Austausch hatte –  aber auch auf jene von Nandor Kalicz (Beceler-, Balaton-Kultur). Damit konstruierte sie die '''''„Typologie der Mondsee-Gruppe“'''''; siehe dazu die Formengrruppen 1–3 in der nebenstehenden Abbildung.
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Nach einigen chronologischen Überlegungen auf S. 286 '''''taucht plötzlich die Altheim-Kultur wie aus dem Nichts''''' auf:
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„Ihre [die Mondseer] Anfänge aber, die mit der '''''Formengruppe 1''''' (vgl. die Abbildung; oberer Teil) angedeutet werden, müssen noch in der ersten Hälfte des Jungneolithikums (Neolithikum C) gelegt werden, in einer Zeit, wo auch die Anfänge der ehemaligen '''''Geschwistergruppe, der Altheimer Gruppe''''', gesucht werden. Nach unserer vorliegenden Studie darf Mondsee mit Altheim weiterhin als gleichzeitige '''''„Geschwistergruppe“''''' angesprochen werden, die mit jener nicht nur durch Gleichzeitigkeit, sondern auch durch ihre '''''gemeinsame „<u>nordische</u>“ Baalberger-Komponente''''' verbunden ist.“
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===Ruttkays ehemalige Zeitstellung – und damit Verwandtschaftshypothese – passt nicht===
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[[Datei: Ruttkay Chronologie.png|thumb|280px| Absolute und relative Chronologie archäolog. Kultur-Gruppen zur Zeit der Pfahlbauten in OÖ]]
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Wie der nebenstehenden Darstellung zu entnehmen ist, synchronisierte Ruttkay die Anfänge der Mondsee-Gruppe mit Boleráz / Balaton 2–3 und die entwickelte Mondsee-Gruppe mit Jevišovice.
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Die ältesten Radiokarbondaten der Mondsee-Gruppe zeigen ihren Beginn kalendarisch aber um 3.900 / 3.800 vor Chr (Scharfling, Seewalchen).
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Demgegenüber sind die Daten von Boleráz und Jevišovice deutlich jünger, wie anhand der nachfolgend angeführten Literatur gezeigt wird.
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(Anm.: Auch die Daten der Altheim-Gruppe (~3.600 v. Chr.) sind jünger als jene der Mondsee-Gruppe.)
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* '''''Horváth 2008''''', Tünde; Svingor, Éva; Molnár, Mihály: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/277154273_New_Radiocarbon_Dates_for_the_Baden_Culture New Radiocarbon Dates for the Baden Culture]''. In: Radiocarbon. Band 50, Nummer 3, 2008, S. 447–458.
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Radiokarbon-Datierungen – (cal. v.Chr., mit 1 σ)
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3519–3373: Frühestes Boleraz <br />
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3325–3027: Boleraz <br />
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3016–2900: Frühes klassisches Baden (Stufen IIB – III) <br />
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2892–2687: Jüngeres klassisches Baden
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* '''''Schmitsberger 1999''''', Oliver: &rarr; ''[https://www.academia.edu/37119093/Neue_14C_Daten_zur_Jevi%C5%A1ovicekultur_in_Nieder%C3%B6sterreich Neue <sup>14</sup>C-Daten zur Jevišovicekultur in NÖ]''. In: A. Krenn-Leeb (Hrsg.), Wirtschaft, Macht und Strategie. Höhensiedlungen und ihre Funktionen in Ur- und Frühgeschichte. Internat. ÖGUF-Symp. 26.-29.10.1999; AÖ Spezial 1, 2006, 41 ff.  <br /> (VERA = Vienna Environmental Research Accelerator)
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Jevišovice-Siedlung Strögen-Kirchfeld (NÖ)
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VERA-246: 4340 +/- 34 BP = 3020 – 2940 BC <br />
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VERA-247: 4330 +/- 35 BP = 2930 – 2890 BC <br />
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VERA-249: 4370 +/- 30 BP = 2970 – 2915 BC <br />
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VERA-3040: 4350 +/- 35 BP = 3020 – 2900 BC <br />
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VERA-3042: 4370 +/- 40 BP = 3020 – 2910 BC
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Jevišovice-Siedlung Neubach-Wachberg (NÖ)
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VERA-440: 4145 +/- 35 BP = 2760 – 2660 BC <br />
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VERA-441: 4270 +/- 35 BP = 2911 – 2879 BC <br />
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KN - 4520: 4251 +/- 59 BP = 2920 – 2850 BC
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* '''''Interdisziplinäres FWF-Datierungsprojekt 2001''''' &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/210281776_Absolute_Chronology_for_Early_Civilisations_in_Austria_and_Central_Europe_using_14C_Dating_with_Accelerator_Mass_Spectrometry_with_special_results_for_the_Absolute_Chronology_of_Baden_Culture „Absolute Chronology for Early Civilizations in Austria and Central Europe]'' 2001 using <sup>14</sup>C Dating with AMS for the Absolute Chronology of Baden Culture“: H. Friesinger (Ur- und Frühgeschichte Univ, Wien), Eva M. Wild und W. Kutschera (Radiuminstitut VRI) und P. Stadler (Prähistor. Abt. NHM).
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* '''''Wild 2001''''', ao. Univ.-Prof. Eva Maria; Stadler P., Bondár M., Draxler S., Friesinger H., Kutschera W., Priller A., Rom W., '''''Ruttkay E.''''', Steier P.: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/295629526_New_Chronological_Frame_for_the_Young_Neolithic_Baden_Culture_in_Central_Europe_4th_Millennium_BC New chronological frame for the Young Neolithic Baden culture in central Europe (4th millennium BC)]''. Radiocarbon 43(2B):1057–64.
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Die Baden-Kultur ist chronologisch in die folgenden Phasen zu untergliedern:
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3640 – 3370 (68%) Boleraz <br />
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3384 – 3370 (100%) Arbon Bleiche 3 (Late Pfyn, Early Horgen, Late Boleraz - dendrochronologische Daten nach Leuzinger) <br />
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3510 – 3100 (68%) Cerveny-Hradok <br />
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3360 – 3010 (64%) Classical Baden <br />
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3350 – 3010 (64%) Ossarn I <br />
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3240 – 2870 (61%) Ossarn II
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===Ruttkay wird mit ihrer Festschrift 2006 in <sup>14</sup>C-Datierungen involviert===
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[[Datei: Stadler Chronologie.jpeg|thumb|200px| Cultural Groups and Absolute Chronology of Austrian Neolithics]]
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* Stadler 2006, Peter; Elisabeth Ruttkay; Herwig Friesinger; Wild E. M. et al.: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/290602477_Absolutchronologie_der_Mahrisch-Ostosterreichischen_Gruppe_MOG_der_bemalten_Keramik_aufgrund_von_neuen_14C-Datierungen/link/5fb79f0f458515b79755f2cc/download?_tp=eyJjb250ZXh0Ijp7ImZpcnN0UGFnZSI6InB1YmxpY2F0aW9uIiwicGFnZSI6InB1YmxpY2F0aW9uIn19 Absolutchronologie der Mährisch-Ostösterreichischen Gruppe (MOG) der bemalten Keramik aufgrund von neuen <sup>14</sup>C-Datierungen.]'' Festschrift für Elisabeth Ruttkay, Archäologie Österreichs 17/2, 2006:41–69. <br /> '''''Ruttkay war <u>lt. Fußnote 1</u> von ihrer Mit-Autorenschaft nicht informiert'''''. <br /> (Detaillierte <sup>14</sup>C-Daten je Kultur; viele typologische graphische Abbildungen.)
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* Stadler 2007, Peter and  Ruttkay, Elisabeth: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/210281794_Absolute_Chronology_of_the_Moravian-Eastern-Austrian_group_MOG_of_the_painted_pottery_Lengyel-Culture_based_on_new_radiocarbon_dates_from_Austria_Kommentare_zur_aktuellen_Chronologie_der_MOG_aus_typol Absolute Chronology of the Moravian-Eastern-Austrian group (MOG) of the painted pottery (Lengyel-Culture) based on new radiocarbon dates from Austria. Und: '''Kommentare zur aktuellen Chronologie der MOG aus typologischer Sicht von Ruttkay''']''. In: The Lengyel, Polgár and related cultures in the Middle/Late Neolithic in Central Europe. 2007:117–146. <br /> Mit einer Zeittafel (vgl. die nebenstehende Abbildung) von Stadler und 8 typologischen Tafeln von Ruttkay. <br (> Ruttkay sieht S. 131 überhaupt nur für die allerälteste Phase MOG Ia0 eine Verbindung von Ostösterreich mit den südöstlichen Nachbarn. Damit gibt es auch keine Verwandtschaft mit Mondsee, das nun nach Epi-Lengyel um etwa 3.900 v. Chr. parallel mit Baalberg angeführt wird.
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===Ruttkay korrigiert 2006 selbst in Einzelveröffentlichung die vermeintliche Verwandtschaft===
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[[Datei: Ruttkay Chronologie 2.png|thumb|450px| Regionale chronologische Sequenzen bzgl. Trichterbecher Mährens (cal BC)]]
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'''''Ruttkay 2006''''', E.: &rarr; ''[https://www.zobodat.at/pdf/ANNA_107A_0267-0304.pdf Eine Siedlungsgrube mit '''jungneolithischer inkrustierter Keramik''' aus Puch-Scheibenfeld NÖ.]'' Mit Bemerkungen von Erich Pucher (S. 302-304) zu den Tierknochen Annalen NHM Wien, 107 A, 2006:267–304.
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Wie der nebenstehenden Grafik zu entnehmen ist, setzt Ruttkay hier die früher herangezogenen Gruppen wie Jevisovice, Ohrozim; Boleráz mit '''''3.500–3.400 cal BC''''' bedeutend jünger an als die Mondsee/Atterseee-Gruppe, die im Text auch nicht (mehr) erwähnt wird. Zudem geht sie davon aus, dass diese Gruppen eher donauabwärts ausgestrahlt haben.
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'''''Pucher 2006''''', Erich  schreibt auf S. 303 in seinen „Bemerkungen zu den '''''Tierknochen''''' aus Puch-Scheibenfeld“, dass sich „die metrischen Befunde zu den Haustieren, die sämtliche Belege auch aus archäozoologischer Perspektive an die Viehhaltung des Trichterbecherkreis anschließen lässt, jedoch von den '''''inneralpinen Gruppen des Jungneolithikums''''' '''<u>(z. B. Mondsee)''' '''''absetzt</u>'''''.“
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Ruttkay geht aber bereits 1997 detaillierter auf „verzierte inkrustinierte Ware“ ein: &rarr; Ruttkay 1997, Elisabeth: Zur jungneolithischen Furchenstichkeramik im östlichen Mitteleuropa. – Studia honoraria, 1 (Festschrift für B. Hänsel): 165–180. – Espelkamp-Berlin.
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==Die bemerkenswerte Arbeit von Elisabeth Ruttkay 1991==
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===Vor-Information 1: Ruttkay 1976 erstmals zum Epi-Lengyel-Horizont in Österreich===
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'''''Ruttkay 1976''''', E.: Beitrag zum Problem des Epi-Lengyel-Horizontes in Österreich. FS Pittioni. ArchA., Beiheft 13, 1976:285–319.
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[[Datei: Schleinbach NÖ Krug.jpeg|thumb|220px| Einhenkeliger Krug Schleinbach NÖ]]
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Zum Epi-Lengyel liegen 1976 nur wenige Siedlungen vor. Der Henkelbecher ist die wichtigste Form; er hat gut abgesetzten Boden, gequetscht-kugeligen Bauch, zylindrischen Hals und gerade abgeschnittenen Rand. Die Henkel sind ausnahmelos randständig, nie hochgezogen. Besonders charakteristisch ist das sorgfältige Einfügen des Henkels in den Rand und den Bauchumbruch. Diese Krüge kommen auch in Ungarn und im unteren Donautal vor. Möglicherweise sind manche Formen nicht als Lengyel-Erbe anzusprechen, sondern muss man ihren Ursprung im Zentral- und Ostbalkan suchen. Die verzierte Keramik zeigt eingeritzte Linienbündel auf der Schulter und ist auch bei der slowenischen Lasinja-Kultur bekannt. Das Material ist mit der ungarischen Hochkupferzeit etwa gleichzeitig und steht mit Mähren und der slawonsichen Lasinja-Kultur in Verbindung. Es gibt einen Zusammenhang mit Kanzianberg und Münchshöfen, etwas loser zu Balaton I und der Lasinja-Kultur Kroatiens.
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Es ist hier Ruttkay (noch) "nicht möglich, die südöstlichen Beziehungen – die besonders durch den Doppelbecher zum Ausdruck kommt – einzubeziehen, obwohl ihr diese als sehr wichtig erscheinen. Das mittelneolithische, einheimische Substrat wird in dieser Zeit durch südöstliche Impulse stark verändert. Erst durch das zusammenhängende Verbreitungsgebiet des Epi-Lengyel-Komplexes werden die starken südöstlichen Beziehungen von Münchshöfen und die frühen Kupferfunde südlicher Provenienz im Norden verständlich."
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Im Inventar des Fundes Bisamberg befinden sich Schmelztiegelfragmente und Schlacken. Sie sind Zeugnisse einer im Lande tätigen Kupfergießerei. Ein gleichzeitiger Nachweis von Salzburg-Maxglan ist bekannt (Hell 1954). Das Epi-Lengyel ist allgemein durch das Auftreten von Kupfergegenständen ausgezeichnet. Auch im süddeutschen Raum fallen die ersten Kupferfunde etwa in dieser Zeit.
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===Vor-Information 2: Regionale Absolut-Chronologie (Obeneder 1989)===
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[[Datei: Absolutchronologie.png|thumb|460px| Regionale Absolut-Chronologie von der Schweiz bis Schwarzes Meer in cal BC]]
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'''''Obereder 1989''''', Jörg: &rarr; ''[https://www.hlk.steiermark.at/cms/dokumente/12687896_147004688/28d7a837/AA_Obereder_DiplA.pdf Die Jungneolithische Siedlung Raababerg bei Graz]''. Diplomarbeit Univ. Wien (bei Prof. Friesinger), 1989, 244 Seiten. Link zu den &rarr; ''[[Fußnoten | drei Fußnoten]]''
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Die Fortschritte der Dendrochronologie und den dadurch ermöglichten Präzisionskalibrierungen von <sup>14</sup>C-Werten erlauben erstmals eine Typologie-unabhängige Chronologie aufzubauen [183].
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Während für die Schweiz und Südwestdeutschland derartige Chronologien bereits vorliegen und für Mitteleuropa nördlich der Alpen eine Übersicht aufgrund kalibrierter Daten zusammengestellt wurde, kann man für die südöstlichen Gebiete nunmehr auch viele unkalibrierte <sup>14</sup>C-Daten heranziehen, die jedoch unkalibriert sind [184].
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Um eine entsprechende Übersicht für das frühe Jungneolithikum zu erhalten, wurden daher neben den Daten aus den oben genannten Arbeiten einige Ergänzungen berücksichtigt und sämtliche Einzelwerte einheitlich nach den von Gilot und Mahieu 1987 publizierten Angaben kalibriert [185].  Das so erhaltene Ergebnis wurde in ein absolutchronologisches Schema gebracht (siehe die nebenstehende Abb. 7).
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'''<u>Kulturen:</u>''' '''''Egolzwil, Wauwil, Cortaillod, Pfyn, Twann, Münchshöfen, Epilengyel, Mondsee, Boleráz, Baden, Gumelnita, Cucuteni, Tripolje, Bodrogkeresztur'''''  usw.
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===Vor-Information 3: Äneolithische Kulturen und Sălcuţa-Kultur in SO-Europa===
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[[Datei: Eneolithic cultures distribution.jpeg|thumb|250px| Eneolithic cultures distribution map from Southeastern Europe (after Pătroi 2013)]]
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[[Datei: Salcuta-Henkelkrug.jpeg|thumb|250px| Krug aus Sălcuţa (nach D. Berciu, 1961)]]
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'''''Pătroi 2013''''', Cătălin Nicolae: &rarr; ''[https://www.academia.edu/4996806/About_the_S%C4%83lcu%C5%A3a_Eneolithic_culture About the Sălcuţa Eneolithic culture]''. Annales d’Université Valahia Targoviste, Tome XV, No 1, 2013:117–140.
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Der Name der Sălcuța-Äneolithikum-Gemeinschaften stammt von der gleichnamigen Siedlung im Kreis Dolj. Ihr Verbreitungsgebiet umfasst Oltenien, das östliche Banat, Nordwestbulgarien und Nordostserbien; ähnliche Gemeinschaften gibt es auch in Mazedonien und Albanien (vgl. die Abb.).
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Die Sălçuţa-Kultur ist Teil eines großen äneolithischen Komplexes, zusammen mit den Gruppen von Krivodol (Bulgarien) und Bubanj (Serbien). Die besten Analogien für Elemente der materiellen Kultur finden sich in der Gumelniţa-Kultur.
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In der nebenstehenden Abbildung wird das Verbreitungsgebiet der '''''Salcuta-Krivodol-Bubanj'''''-Kultur dargestellt, sowie die benachbarten Kulturen '''''Gumelnita, Karanovo VI, Tripolje und Cucuteni sowie Vinca und Tiszapolgar'''''. Vor allem aber ist auch der Auslöser der Bewegung für diese Gruppen durch die Ankunft der '''''Suvorovo'''''-Gruppe im Donau-Delta dargestellt.
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Die für die Sălcuţa-Kultur charakteristischen Gegenstände ähneln in Form und Design den Funden aus der Gumelniţa-Kultur. Die Evolutionsphase Sălcuţa IV wird als letzte Evolutionsstufe der Sălcuţa-Kultur angesehen, obwohl die entdeckten Gegenstände ('''''Henkelkeramik, … das Motiv der Spirale''''') zeigen, dass es sich um ein neues Kulturphänomen handelt.
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Die Entwicklung der Salcuța-Kultur und die Entwicklungsperioden der Salcuța-Bubanj-Krivodol-Kultur ist durch mehrere spezifische Elemente gekennzeichnet, nämlich:
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* Intensivierung des Kupferbergbaus in Rudna Glava, Ai Bunar und Kupferverarbeitung in großem Umfang;
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* Funktion als Filter und dann als Überträger für die südlichen Einflüsse dieser Elemente auf große Gebiete;
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* Wanderungen indoeuropäischer Völker (Suvorovo) aus den Steppen in den karpatho-danubisch-pontischen Raum.
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Die Entwicklung der Sălcuța-Kultur erfolgt gleichzeitig mit dem Beginn eines langen und langwierigen Prozesses der kulturellen Vereinheitlichung, der sich auf die siebenbürgischen Kupfergebiete und die Bemalung von Keramik konzentriert.
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Wenn die Daten für den nördlichen Donauraum zwischen 4451-3980 cal. B.P. konvergieren, fallen die Daten für den nord-westlichen Teil Bulgariens zwischen 4330 - 4020 cal. B. P.
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Nach dem gegenwärtigen Stand der Forschungen und Informationen, die wir kennen, glauben wir, dass wir über die Sălcuţa-Kultur als ein Gumelniţa-Kulturphänomen sprechen können.
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'''''Georgieva 2007''''', Petya: &rarr; ''[https://www.academia.edu/12222227/On_the_Late_Stages_of_the_Krivodol_S%C4%83lcu%C5%A3a_Culture Late Stages of the '''Sălcuţa-Krivodol''' Culture]''. Gerda Henkel Stiftung, Sofia 2007:229–337. <br />
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In dieser Veröffentlichung werden auf den '''''Seiten 332–334''''' Abbildungen der '''''zweihenkeligen Henkelkrüge''''' gebracht, die später ident an der mittleren Donau und auch im '''''niederösterreichischen Raum''''' auftauchen.
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'''''Todorova 1975''''', Henrieta und Tonceva, G.: ''Die äneolithische '''Pfahlbausiedlung bei Ezerovo im Varnasee'''''. In: Germania, Bd. 53, 1975:30–46. <br />
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Hier beschreibt Todorova die Funde am Varnasee sowie die Keramik, die mit Graphit überzogen worden ist. In Rillen der Keramik sind Spuren von '''''weißer oder roter Inkrustination''''' vorhanden, sodass die Keramik immer schwarz-weiß-rot gewirkt hat. Häufig wird dieses Muster mit horizontalen Graphitlinien am Gefäßhals kombiniert. <br />
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„Ezerovo war eines der größten Produktions-, Gesellschafts-, Kultur-, aber vor allem Handelszentrum dieser Zeit, in erster Linie wohl dank der günstigen geographischen Lage. In einer Zeit, wo man den Wagen noch nicht kante und der Transport auf dem '''''Wasserweg''''' der günstigste und schnellste war, müssen die an der Schwarzmeerküste liegenden '''''Pfahlbausiedlungen''''' eine sehr bedeutende Rolle gespielt und intensive Kontakte mit verschiedenen, z. T. weit entfernten Gebieten unterhalten haben.“
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* Mit dem folgenden Link wird auf die '''''faszinierende CUCUTENI-Kultur''''' dieser Epoche (Phase A: 4.600–4.100 v. Chr.) hingewiesen: <br /> '''''Lazarovici 2009''''', Cornelia-Magda et. al.: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/361137152_Cucuteni_-_A_Great_Civilization_of_the_Prehistoric_World '''Cucuteni – A Great Civilization of the Prehistoric World''']''. Palatul Culturii Publishing House. Hrsg. Moldavia Ministry and Romanian Academy. 352 Seiten mit sehr vielen faszinierenden Abbildungen.
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===Vor-Information 4: Ruttkay erforscht 1985 die Fernbeziehungen nach SO-Europa===
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'''''Ruttkay 1985''''', Elisabeth: Fernbeziehungen im neolithischen Europa. Mitt. Anthrop. Ges. Wien, Bd. 115, 1985:139–162.
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Ruttkay behandelt in dieser Arbeit einerseits die Fernbeziehungen zwischen '''''<u>mittlerer Donau</u>''''' ''[etwa unser Raum bis zum Eisernen Tor]'' und '''''<u>unterer Donau</u>''''' zu Beginn des 4. Jahrtausends, andererseits die noch weiträumigeren Beziehungen gegen Ende des 4. Jt. zwischen Südost-Europa bis nach Mitteldeutschland.
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Für den – uns interessierenden – ersten Abschnitt kommt sie auf S. 141 zum Schluss, dass „… die Kommunikation zwischen den verschiedenen archäologischen Kulturgruppen der Donauländer eine '''''Gleichgesinnung''''' der Gruppen in der '''''kultisch-religiösen Welt''''' zeigt. Die bemaltkeramischen Kulturen an der unteren Donau, '''''Gumelnita, Salcuta-Krivodol''''' und die '''''Lengyel-Kultur''''', auch die '''''Vinca-Kultur''''', liefern uns Hinterlassenschaften aus der ersten Hälfte des 4. Jahrtausends, die trotz z. T. '''''unterschiedlicher Abstammung, unterschiedlicher Geschirrserien und Siedlungsgewohnheiten''''' die Vorstellung der '''''Zusammengehörigkeit''''' dieser Gruppen auf der Ebene des Kultes vermitteln.“
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Auf S. 149 ff. geht sie auch auf den '''''Kupferhandel''''' ein und meint, dass dieser nicht in Form von Erz, sondern in Form von Barren erfolgt ist. Die Verbreitung erfolgte von den Produzenten an die Konsumenten und wurde von diesen an weitere Konsumenten usw. weitergegeben.
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Vgl- hierzu auch: '''''Bakker 1988''''', J. A.: '''''Prehistoric long-distance roads''''' in North-West Europe. In: Lichardus (Hrsg.): Die Kupferzeit als historische Epoche. Saarbrücker Beiträge zur Altertumskunde. Bd. 55, Verlag Habelt, Bonn 1991:505–528.
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* Es gab immer enorm weite Fernbeziehungen (z. B. Spondylus-Muscheln von Ägäis bis Paris; Ai Bunar-Erz ins Tripolye-Gebiet – u. U. über das Meer via den Hafen von Varna; Feuerstein von Dänemark nach Nörrland/Schweden). Bzgl. unterschiedlicheer Routen zw. A und B können unterschieden werden die '''''schnellste, kürzeste, einfachste und sicherste'''''. Weiters ergibt es einen Unterschied, ob Waren '''''von Menschen oder z.B. von Ochsen getragen''''' wurden. Die schnellste und am wenigsten anstrengende Route war wohl das '''''Befahren eines Flusses''''' – zumindest bergab. Ebenso günstig war ein Transport '''''über das Meer''''' – was sich auch in der raschen neolithiscchen Besiedlung der Mittelmeer-Regionen zeigte.
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===Vor-Information 5: Ruttkay ersuchte 2006 um genauere Datierung der Epi-Lengyel-Zeit ===
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'''''Ruttkay 2014, Elisabeth''''' '''(✝)'''; Teschler-Nicola, M; Stadler, P.: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/270569892_Eine_epilengyelzeitliche_Speichergrube_mit_Schadelnest_aus_Sommerein-Fuchsbichelacker_VB_Bruck_an_der_Leitha_Niederosterreich Eine epilengyelzeitliche Speichergrube mit Schädelnest aus Sommerein-Fuchsbicheläcker, Bruck/Leitha, NÖ.]'' Archäologie Österreichs Spezial 3, 2014:149–170.
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Ruttkay hatte schon 2006 ersucht, eine genauere Datierung des Epi-Lenygel mittels Datierung der Skelettfunde vorzunehmen. Dieser Wunsch Ruttkays wurde ihr posthum mit der vorliegenden Arbeit erfüllt: Die Dauer des Epi-Lengyel ist damit auf '''''4.115 bis 4025 v.Chr.''''' zu datieren (S. 168: Abb. 17).
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Diese Zeitdauer passt auch deutlich besser zum Ende der Welt Südosteuropas und die damit zusammenhängenden Auswirkungen auf das Lengyel und den Beginn des Epi-Lengyel.
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===Ruttkay 1991: '''Das Ende der Donauländischen Welt und Südosteuropa'''===
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[[Datei: Salcuta-Henkelkrug.jpeg|thumb|220px| Krug aus Sălcuţa (nach D. Berciu)]]
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[[Datei: Sammlung Manfred Kmoch.jpeg |thumb|220px| Abb. 7,4: Henkeltasse v. Bisamberg aus Sammlung von Manfred Kmoch]]
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[[Datei: Tasse der Mondseekultur.png |thumb|220px|Typischer Krug der Mondseekultur]]
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'''<u>Ergebnis:</u> Vor 4.000 v. Chr. gelangen Kupfer-Metallurgen mit hochstehender Keramik aus dem unteren Donautal zumindest bis nach NÖ, ohne die frühere Bevölkerung zu verdrängen.'''
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'''''Ruttkay 1991''''', E.: Das Ende der Donauländischen Welt und Südosteuropa. Mitt. Anthr. Ges. 121, Wien 1991:159–181. ''(Lizenz: "Gebrauch ist für Forschungszwecke gestattet.")''
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Dieser Link bringt ein Transskript zum &rarr; '''''<big>[[Endes der Donauländischen Welt | Ende der Donauländischen Welt und Südosteuropa]]</big>'''''.
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Die Epi-Lengyelzeit ist um 4.030 v. Chr. '''''(tatsächlich früher: siehe Vorinformation 5)''''' durch fortschrittlichere Keramikformen (Henkeltasse, -krug) und vor allem durch fortschrittlichere technologische Kenntnisse (Kupfergießen) gekennzeichnet. Ruttkay betont, dass diese Fortschritte nicht durch die Übersiedlung ganzer Menschengruppen aus einem höherstehenden Gebiet zurückzuführen ist; es ist im Gegenteil von einer kontinuierlichen autochthonen Entwicklung auszugehen. Die offensichtliche Veränderung ist wohl in erhöhter Mobilität zu sehen, deren Ursache in der Kupferversorgung Mitteleuropas zu suchen ist.
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Dem Salcuta-Bubanj-Krivodol-Komplex gehören drei miteinander eng verwandte Kulturen an. Die Salcuta-Kultur in Siebenbürgen, Banat und Oltenien; die Bubanj-Kultur in Ostserbien, Kosovo, Albanien und Pelagonien; die Krivodol-Kultur in Nordwest-Bulgarien.
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Von diesem Gesamtkomplex („Salcuta-Komplex“) sind bedeutsame Impulse auf die Epi-Lengyel-Kultur (Böhmen, Mähren, Südwest-Slowakei, Transdanubien, Alpenostrand in Steiermark, Kärnten, Slowenien und Kroatien) wahrnehmbar.
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Ruttkay schreibt auf S. 166/9: Es erscheinen in der Epilengyel-Zeit des östlichen Alpenvorlandes Typologien, die sich aus der einheimischen Entwicklung nicht ableiten lassen. Die deutlichsten Typen, die aus der Fremde kamen, sind die zweihenkelige Tasse (Abb. 2,2) und der Becher mit asymmetrischen Henkeln (Abb. 7,4). Dazu kommen als „Fremdlinge“ – unter anderem – eine lineare Verzierung der Schüsselränder (Abb. 4,1), sowie umlaufende Halsverzierung (Abb. 7,1; 7,4; 7,7), Flechtmuster (Abb. 4.1 und Abb. 7,7) und schräge, alternierend angebrachte Linienbündel (Abb. 7,1). Auch das Glutgefäß (Abb. 6,6) kann wegen seines häufigen Auftretens im Fundgut als Zeichen auswärtiger Impulse gelten.
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Ruttkay S. 169: Da nicht nur die zweihenkelige Tasse, sondern auch der '''''seltene Becher mit asymmetrischem Henkel''''' zu den Neuerungen des epilengyelzeitlichen östlichen Alpenvorlandes gehört (Abb. 7,4) und der in Siedlungen des '''''<u>Salcuta-Komplexes</u>''''' nachgewiesen ist (Djakovo, Telis) (vgl. Georgiev 1981; Cochadziev 1984; Gergov 1987; Kalicz-Schreiber 1991), bestimmt dies in großen Zügen die Richtung, wo man das Ursprungsgebiet der zweihenkeligen Tasse suchen sollte. Die zweihenkeligen Tassen des östlichen Alpenvorlandes haben ihre besten Entsprechungen in den zweihenkeligen Tassen der graphitbemalten Keramik.
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Zusammenfassend stellt Ruttkay fest, dass die auswärtigen Beziehungen der Epilengyel-Gruppe, die anhand der oben angeführten keramischen Qualitäten wahrgenommen wurden, '''''nicht ausreichen, um eine Einwanderung von Volksgruppen''''' aus dem vermeintlichen Ursprungsland der graphitbemalten Keramik, nachweisen zu können. Dazu '''''fehlen Geschirrserien (Typenfronten)''''', die im Epilengyelgebiet gleichermaßen vorhanden sein müssten wie im Ursprungsland.
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Da das Verbreitungsgebiet des '''''Salcuta-Komplexes sich nicht in unmittelbarer Nachbarschaft''''' des östlichen Alpenvorlandes befindet, sind diese Neuerungen kein „Durchsickern“. Es bleibt daher nur die Möglichkeit, die in der Keramik festgestellten Fremdelemente auf '''''Handels-Mobilität''''' zurückzuführen. Da die Epilengyel-Zeit gegenüber der ganzen vorangehenden Entwicklung durch '''''reiche Kupferverwendung''''' gekennzeichnet ist, war es wohl der '''''Handel mit Kupfer'''''.
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Wie umfangreiche metallurgische Untersuchungen von Evgenij N. Cernych gezeigt haben, '''''verlagerte''''' sich der Schwerpunkt der '''''Erzgewinnung am Balkan''''' auf die Erze des '''''Nordbalkans'''''.
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MAGW Abb. 2,2.jpeg|Abb. 2,2: Zweihenkel-Krug vom Bisamberg|alt=alt language
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MAGW Abb. 7,4.jpeg| Abb. 7,4 : Einhenkel-Krug vom Bisamberg|alt=alt language
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MAGW Abb. 4,1.jpeg| Abb. 4,1: Schüssel-Verzierung, Bisamberg|alt=alt language
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MAGW Abb. 7,1.jpeg| Abb. 7,1 umlaufende Halsverzierung|alt=alt language
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MAGW Abb. 7,7.jpeg| Abb. 7,7: umlaufende Halsverzierung |alt=alt language
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MAGW Abb. 2,11.jpeg|Abb. 2,11: Gusslöffel, vom Bisamberg|alt=alt language
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MAGW Abb. 6,6.jpeg| Abb. 6,6: Glutgefäß, vom Bisamberg|alt=alt language
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Krüge.jpeg|1-/2-henkelige Mondsee-Krüge lt. Ruttkay 1990|alt=alt language
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Krüge 2.jpeg|1-/2-henkelige Mondsee-Krüge lt. Ruttkay 1990|alt=alt language
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'''''Ruttkay 1991''''', E.: &rarr; ''[https://www.zobodat.at/pdf/ANNA_92A_0105-0124.pdf Höbenbach/Krems. Mittelneolithische Kontakte NÖs mit Niederbayern]''. Ann. NHM Wien, Bd. 92 A, 1991:105–124.
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'''''⇒ Ruttkay trennt hier – erstmals – die Altheimer und Hells Salzburger Siedlungen von der Mondsee-Gruppe'''''. <br /> Altheim hat mit Isar–Donau; Maxglan und Rainberg haben mit Salzach–Donau einfachen Zugang zu den nö Siedlungen.
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[[Datei: Tafel 11.jpeg|thumb|150px| Henkeltasse auf Tafel 1/1; nicht 1/2 lt. Ruttkay]]
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Ruttkay schreibt auf S. 105: "Beide Gruben erlauben, die Siedlung von Höbenbach/Krems mit bayerischen Kulturgruppen in Beziehung zu setzen, was für das Neolithikum Niederösterreichs selten gelingt."
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Ruttkay S. 118 f.: „Die meisten [in NÖ] vorkommenden Tonwaren sind Nachweise eines Importes. Sie sollten aus einer Gegend hierher gelangt sein, wo die kennzeichnende Verzierung beheimatet ist, aus Niederbayern. Dieser Gruppe könnten auch der Becher von '''''Salzburg-Maxglan (Hell 1954)''''' und vielleicht weitere schnittverzierte Fragmente '''''(Hell 1953)''''' zugeteilt werden. In diese Stufe ließen sich auch das Bruchstück aus der '''''Rössener Kultur (Hell 1954)''''', die „lengyeloiden“ Becher und wahrscheinlich auch die '''''Trichterrandschüssel (Hell 1965) von Maxglan''''' unterbringen.“ Und: „Es wird angenommen, dass die mittelneolithische schnittverzierte Keramik in Niederösterreich ein Import aus Niederbayern ist.  In Österreich war die hier diskutierte stich- und schnittverzierte Keramik bisher unbekannt.“
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Ruttkay S. 108: Als Einzelfund aus 1927 von Höbenbach, wurde 1942 (von Beninger) eine Henkeltasse mit '''''überrandständigem, hochgezogenem Henkel''''' von der Prähist. Abt. angekauft (Abb. 6/1; Tafel 1/1 [nicht 1/2 lt. Ruttkay]), die sowohl in den niederösterreichischen Gruppen als auch in Altheim vorkommt. Damit kommt Ruttkay abschließend (S. 116) zum Schluss: „Es ist festzuhalten, dass das süddanubische Niederösterreich westlich des Wienerwaldes nicht nur im Mittelneolithikum, sondern auch im Jungneolithikum in einen '''''Kreis überregionaler Kontakte''''' eingeschaltet ist.“
  
Rhein-Hochwässer (HQ 100) https://www.bodensee-hochwasser.info/pdf/Extrem-HW-Bodensee-Internet.pdf
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Nachfolgend werden die Literaturstellen zu den vergleichenden Abbildungen dieser Henkeltasse gebracht:
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* Ruttkay (1991, Höbenbach): Abb. 6, 1; Tafel 1/1 (nicht Tafel 1/2).
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* Pittioni (1954, Badener Gruppe, Mittlere Phase): Abbildungen auf SS. 195, 196, 198, 206.
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* Driehaus (1960, Altheim): Tafel 32/1, 2; Tafel 57/7 (nicht ''Tafel 1'' lt. Ruttkay).
  
===Bodenseeabfluss, 10 Bericht===
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S. 44: 6) Hof bei Stein a. Rhein. Nahezu mitten im Rheinstrom etwas unterhalb Stein am Rhein liegt die Untiefe im »Hof«, wo 1883 die Reste des einzigen zum Gebiete des Kantons Schaffhausen gehörenden Pfahlbaues entdeckt wurden. Ausser zahlreichen Pfählen sieht man aus dem Untergrund auch Schwellen hervorragen, welche zur Sicherung der Anlage gegen die Strömung gedient hatten. Diese kleine Ansiedelung ist ihrer Lage wegen bemerkenswerth. B. Schenk (der ausserdem noch einen neuen Pfahlbau bei Gundolzen am Zellersee, zwischen Hornstaad und Iznang, entdeckt hat) hat diese Station ausgebeutet, auf welcher der starken Strömung wegen nur bei sehr niedrigem Wasserstand gearbeitet werden kann; zur Seltenheit wird die Stelle einmal ganz trocken. Schwache Spuren einer Kulturschicht fanden sich nur in geschützten Lagen. Alle Fundgegenstände sind mit einer dicken Sinterkruste umgeben und desshalb sehr schwer zu erkennen. Das Suchen war daher eine zeitraubende Arbeit, nichtsdestoweniger hat Schenk eine beträchtliche Zahl von Fundstücken gewonnen, als da sind: Feuersteingeräthe, etwa 150 Steinbeile, darunter drei kleine weingelbe Nephrite und zahlreiche grosse Serpentine. Durchbohrte Steinbeile sind ziemlich selten. Merkwürdig ist ein zerbrochenes Beil aus Basalt, bei welchem noch deutlich die bearbeiteten Flächen erkannt werden konnten. Dieser Fund ist ein Unicum. Aus Serpentin besteht eine wirteiförmige durchbohrte Scheibe von zirka 7 cm Durchmesser und einer Dicke von zirka 4 cm, welche wie zwei ähnliche, wenig grössere Scheiben von Bobenhausen und vom Bielersee als Feldhacke gedient haben mag. (Schlagknopf nach Leiner siehe pag. 35.) Neben Horn- und Knochenwerkzeugen fanden sich auch Knochen von Bär, Schwein, Biber, Hirsch, Reh und Kuh. Die Scapula eines Hirsches mit einem Loch in der Mitte, dessen Rand auf einer Seite abgeschliffen ist, ist von allen Unebenheiten durch Schleifen befreit und derjenigen vom »Turgi« (Seite 43) im Museum Frauenfeld ähnlich. Von pflanzlichen Resten sind Flachs-Faden und -Gewebe, sowie Bast-Geflechte zu nennen. Von Töpferwaare ist ein im Besitz der Antiq. Gesellschaft in Zürich befindlicher urnenförmiger Topf von zirka 30 cm Höhe erwähnenswerth. Die Metallzeit ist durch ein Kupferbeil von Steinbeilform (von 7 cm Länge, 4 cm unterer und 3 cm oberer Breite), einen Bronzering und ein Bronzebeil vertreten.
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'''''Ruttkay 1997''''', E.: Jungneolithische Furchenstichkeramik im östlichen Mitteleuropa (FS B. Hänsel). Espelkamp-Berlin, 1997:165–180.  
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* Fußnote 3: „Seit 1989 beschäftigt sich ein interdisziplinäres FWF-Projekt mit den jungneolithischen Pfahlbausiedlungen der Mondsee-Gruppe. Eine der den '''''Archäologen''''' gestellten Fragen lautet: '''''Wie ist die gesamte Gruppe entstanden?''''' Um diese Frage beantworten zu können, sind chronologische Untersuchungen der Mondsee-Ware und auch der ihr verwandten Keramiken erforderlich. Dieser Beitrag ist Teil des Forschungsvorhabens.
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* Ruttkay befasst sich in dieser Arbeit mit '''''Furchenstich und Inkrustierung''''' und bringt dazu sieben Abbildungen u.a. von der „Rebensteiner Mauer“, Retz, Mödling, Hollabrunn, Mannersdorf, Ossarn, Slowakei, dem Gajary-Stil und der Bodrogkeresztur-Kultur (Slowakei, Ungarn und Rumänien). <br /> Überzeugende '''''Ähnlichkeiten''''' zu dem ''mit Furchenstich verzierten Krüglein, dem '''„Leitfossil“''' der Zeit'' (S. 165) und der Mondsee-Gruppe werden aber '''''nicht gebracht'''''.
  
 
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Wie in der Abbildung zu erkennen ist, ist der Rhein vor der Engstelle zweigeteilt (mit der Insel Werd und Pfahlbauten bei Eschenz) und nachher wird der Rhein bei den Pfahlbauten „Im Hof“ (siehe den Pfeil) sehr breit. Beide Pfahlbauten befinden sich heute unter der Oberfläche des Rheins und sie profitierten sicher nicht von günstigen landwirtschaftlichen Voraussetzungen im Umfeld. Die Berge zu beiden Seiten des Rheins steigen innert kurzer Entfernung um 150-200 m rasch an. Damit erhebt sich die Frage, warum sie dort siedelten. Der Orkopf bei Eschenz könnte die Aufgabe gehabt haben, Verklausungen des Bodenseeabflusses durch heranschwimmende Bäume (nach Stürmen) zu verhindern. Die Lage der Siedlung „Im Hof“ bietet sich als geeignete Stelle für die Sicherstellung einer entsprechenden Rückwärtserosion des Rheins an der Engstelle an. Jedenfalls wäre Stein am Rhein eine besonders geeignete Stelle, um unterhalb des Flussbettes des Rheins zu sondieren, ob die ursprünglich Moräne ungestört vorliegt.
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==Erste Chronologisierung der Kulturen und die erstmalige "lange Chronologie"==
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[[Datei: Gross 2.jpeg|thumb|290px| Vergleich von "'''''langer'''''" mit '''''kurzer''''' Chronologie]]
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&rarr; '''''[https://edagross.academia.edu/ Gross 1991]''''', Eda; Ruoff, Ulrich: &rarr; ''[https://www.academia.edu/3838499/E_Gross_U_Ruoff_Die_Bedeutung_der_absoluten_Datierung_der_jungsteinzeitlichen_Kulturen_in_der_Schweiz_f%C3%BCr_die_Urgeschichte_Europas Die Bedeutung der absoluten Datierung der jungsteinzeitlichen Kulturen in der Schweiz für die Urgeschichte Europas]''. In: Lichardus, J. (ed.): Die Kupferzeit als historische Epoche. Symposium Saarbrücken und Otzenhausen, Saarbr. Beitr. zur Altertumskunde 55, Bd. 1, 1991:401–420.
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===Die erstmalige „lange Chronologie“ von Eda Gross 1991===
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Die hier gebrachte Arbeit von &rarr; '''''[https://unibas.academia.edu/EdaGross Eda Gross]''''' hat besondere '''''forschungsgeschichtliche Relevanz''''', da sie mit dieser ihrer Arbeit '''''<u>erstmals</u>''''' – in einem damals noch durch und durch ablehnenden Milieu (v.a. Lichardus, Kossack) – die Sichtweise der '''''langen Chronologie''''' vertreten hat.
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Dabei hat sie erstmals vorhandene <sup>14</sup>C-Daten mit den dendrochronologischen Daten der Schweizer Pfahlbauten miteinander verknüpft und damit eine Umrechnung von <sup>14</sup>C-Daten in die Absolutchronologie der Baumringalter ermöglicht – und damit erstmals eine realitätsnahe Kalibrierung der Radiokohlenstoffmethode geschaffen.
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Diese Sichtweise stieß bei damaligen ''"Autoritäten"'' auf heftigen Widerstand, da dadurch viele chronologische Annahmen um Jahrtausende verschoben wurden – und damit Lehrmeinungen geändert und Lehrbücher umgeschrieben werden mussten.
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Die Abbildung zeigt die enormen Auswirkungen der „langen Chronologie“ gegenüber der „kurzen Chronologie“, wenn man allgemein bis zu dieser Veröffentlichung davon ausgegangen ist, dass Egolzwil zeitgleich mit der 1. Dynastie Ägyptens (3000 v. Chr.) gewesen sei. Die Frühdynastie I in Mesopotamien und Troja Ia (2700 v. Chr.) hätten dem jüngeren Cortaillod entsprochen. Das Frühminoisch I von Kreta und das Frühhelladisch I von Griechenland (um 2600 v. Chr.) hätten parallel zum Pfyn der Schweiz bestanden.
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Demgegenüber bestand '''''Egolzwil 1.300 Jahre vor der 1. Dynastie Ägyptens''''', 1.600 Jahre vor Mesopotamien und Troja und 1.700 Jahre vor Kreta und Hellas. Die Kulturen von '''''<u>Cortaillod und Mondsee/Attersee</u>''''' blühten ein '''''Jahrtausend vor der 1. Dynastie Ägyptens, 1.300 Jahre vor Mesopotamien und Troja Ia und 1.400 Jahre vor Kreta und Hellas.'''''
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===Die Mondsee-Kultur blüht ein Jahrtausend vor Ägypten===
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[[Datei: Gross 1.jpeg|thumb|250px| erstmals kalibrierte neolithische Daten in CH, BRD, DDR, CSSR, PL und Österreich]]
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Die nächste Abbildung rückt mehrere frühere – und zeitlich zumeist zu "kurze" – Chronologien in ein völlig neues und realitätsnäheres Bild.
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Eda Gross hat mit dieser Arbeit erstmals realistische chronologische Daten zu den einzelnen Kulturen sowohl von Schweiz, Deutschland, DDR, CSSR, Polen und Österreich sowie von den südöstlichen Ländern Ungarn, Jugoslawien, Bulgarien, Rumänien und Griechenland auf eine gemeinsame Basis gestellt und diese sogar mit den bis dahin „ältesten Kulturen“ Ägypten, Mesopotamien, Troja, Kreta, Griechenland in einen neuen, einheitlichen Zeitrahmen gestellt.
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Der von Eda Gross im Jahre 1991 eingeführte wissenschaftlich fundierte Ansatz zur Kalibrierung von <sup>14</sup>C-Daten besteht bis heute weiter und wird für die Kalibrierung von <sup>14</sup>C-Daten weiterhin intensiv eingesetzt.
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Damit wurden viele grundlegende österreichische Arbeiten (Pittioni 1954, Ruttkay 1981 usw.) zu den Pfahlbauten an den Salzkammergutseen und die daran beteiligten Kulturen in einen neuen Zeitrahmen gestellt und viele Annahmen wurden ''"über den Haufen"'' geworfen.
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So beginnt die Epi-Lengyel-Gruppe in Österreich um etwa 4.100 v.Chr. – was mit dem Abbruch der Kulturen in Bulgarien, Rumänien und Jugoslawien um 4.200 v. Chr. gut zusammenpasst. Mondsee I startet um 3.900 v. Chr. und läuft bis 2.600 v. Chr. Die Baden-Kultur beginnt erst um 3.400 v. Chr.
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In der Schweiz liegt die Egolzwiler Gruppe um 4.300 v. Chr. ziemlich richtig; die Cortaillod-Gruppierung folgt gleich auf Egolzwil; parallel zu dieser entwickelt sich die Pfyn-Gruppe etwas zeitverzögert, gefolgt von Horgen ab etwa 3.700 v. Chr.
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Gross 3.jpeg|<sup>14</sup>C<sub>cal</sub> / Dendrochr. (CH)  <sup>14</sup>C<sub>cal</sub> / histor.data Egypt|alt=alt language
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Gross 4.jpeg |<sup>14</sup>C<sub>cal</sub>-Daten der Länder CH, DDR, CSSR, PL, AT|alt=alt language
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Gross 5.jpeg |<sup>14</sup>C<sub>cal</sub>-Daten der Länder HU, JU, BG, RU, EG, TR|alt=alt language
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Die erste Abbildung bringt den Vergleich der kalibrierten <sup>14</sup>C-Daten mit der dendrochronologischen Datierung des schweizerischen Neolithikums (linke Spalte) und den Vergleich der kalibrierten <sup>14</sup>C-Daten aus historisch datierten Komplexen Ägyptens mit der historischen Chronologie (rechte Spalte).
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Die mittlere Abbildung bringt kalibrierte <sup>14</sup>C-Daten der neolithischen Kulturen in Schweiz, BRD, DDR, CSSR, Polen und Österreich; die rechte Abbildung jene von Ungarn, Jugoslawien, Bulgarien, Rumänien, Griechenland, Anatolien und Ägypten.
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==Zielführende Keramik-Gegenüberstellungen zur Herkunftsfrage ''(lt. Elisabeth Ruttkay)''==
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===Keramik der Mondsee/Attersee-Gruppe===
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Im Folgenden wird relevante Literatur zur Keramik der Mondsee/Attersee-Gruppe angeführt.
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* '''''Franz 1927''''', Leonhard und Weninger, Josef: &rarr; ''Die Funde aus den prähistorischen Pfahlbauten im Mondsee''. Materialien zur Urgeschichte Österreichs, hrsg. von der Anthrop. Ges. Wien und der Prähistor. Ges. 3. Heft. Mit 10 Abb. Im Text und 376 Abb. auf XLII Tafeln.
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* '''''Willvonseder 1963–1968''''', Kurt: &rarr; ''"Die jungsteinzeitlichen und bronzezeitlichen Pfahlbauten des Attersees in OÖ"'', Mitt. Prähistor. Komm., 1963–1968, XI. u. XII. Bd.; (Graz 1963, Wien 1968), 453 S., 34 Tafeln, 5 Abb.
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* '''''Kunze 1981''''', Walter: Keramik der Pfahlbauern, Schriftreihe des OÖ Musealvereins – Ges. für Landeskunde Bd. 11. Linz 1981. 13 Tafeln.
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* '''''Lochner 1997''''', Michaela: Studien zur Pfahlbauforschung in Österreich. Materialien I – Die Pfahlbaustationen des Mondsees: Keramik. Mitt. d. Prähistor. Kommiss. Bd. 32, Öst. AdW 1997, 395 Seiten
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* '''''Bachner 2002''''', Margit: Die Keramik der Seeuferstation See/Mondsee - Slg. Much, Inst. f. Ur- und Frühgeschichte, Diss., 3 Bände: Text, Katalog, Tafeln; Wien 2002.
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===Sich für Vergleiche (SO-Europa; Schweiz) anbietende Literatur===
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* '''''Ruttkay 1991''''', E.: Das Ende der Donauländischen Welt und Südosteuropa. Mitt. Anthr. Ges. 121, Wien, 1991:159–181.
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** Ruttkay findet hier eine mögliche Herkunft für die verzierte Keramik und Krüge des Epi-Lengyel (und Mondsees?)
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** Ruttkay: Das Wesentliche für die Mondsee-Gruppe ist die '''''unverzierte Keramik''''', da sie ihren '''''Verwandtschaftskreis''''' bestimmt; die '''''verzierte Ware''''' ist ein '''''„Fremdkörper“'''''.
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* '''''Ruttkay 1997''''', E.: Jungneolithische Furchenstichkeramik im östlichen Mitteleuropa (FS B. Hänsel). Espelkamp-Berlin, 1997:165–180.
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** Fußnote 3: „Seit 1989 beschäftigt sich ein interdisziplinäres FWF-Projekt mit den jungneolithischen Pfahlbausiedlungen der Mondsee-Gruppe. Eine der den Archäologen gestellten Fragen lautet: '''Wie ist die gesamte Gruppe entstanden?''' Um diese Frage beantworten zu können, sind '''''chronologische Untersuchungen''''' der Mondsee-Ware und auch der '''''ihr verwandten Keramiken''''' erforderlich. Dieser Beitrag ist Teil des Forschungsvorhabens.“
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* '''''Hafner 2005''''', Albert; Suter, Peter: &rarr; ''[https://www.academia.edu/36033852/2005_Neolithikum_Raum_Zeit_Ordnung_und_neue_Denkmodelle Raum/Zeit-Ordnung und neue Denkmodelle]''. Archäologie im Kanton Bern, Band 6B, Bern 2005:431–498.
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** Gliederung des umfassenden Katalogs in '''''Regionen''''' (West-, Zentral-, Ostschweiz / Bodensee, oberes Rhonetal und Alpenrheintal) und diese in '''''Zeitperioden''''' sowie nach '''''Keramik-Typologien'''''.
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* '''''Hafner 2022''''', Albert & Hostettler, M. (Hg.): &rarr; ''[https://www.sidestone.com/openaccess/9789464270211.pdf Burgäschisee 5000–3000 v. Chr.]'' sidestone press Leiden: OSPA 2: 2022, 502 S.
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** Seiten 387–469: Katalog und Tafeln von '''''typologisch signifikanten Fundstücken''''' vom Burgäschisee (Keramik, Steinbeile und Netzsenker, Silices, Knochen- und Hirschgeweihgeräte)
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==Das zu Ende gehende Mesolithikum der Jäger und Sammler==
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'''''Kind 2016''''', Claus-Joachim: &rarr; ''[https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/nbdpfbw/article/viewFile/12047/5896 Die letzten Jäger und Sammler – Das Mesolithikum in Baden-Württemberg]''. Denkmalpflege in Baden-Württemberg Ausgabe 35.1, 2016. 7 Seiten. <br /> Diese Broschüre bringt eine recht erhellende Darstellung zu den letzten Jägern und Sammlern, ihrer Umwelt und dem Leben im Mesolithikum; mit Gliederung in der Jagdperiode in Haupt- und Außenlager.
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'''''Stäuble 2013''''', Harald; Wolfram, Sabine: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/258099379_Bandkeramik_und_Mesolithikum_Abfolge_oder_Koexistenz/link/02e7e526ec9a0d3f34000000/download?_tp=eyJjb250ZXh0Ijp7ImZpcnN0UGFnZSI6InB1YmxpY2F0aW9uIiwicGFnZSI6InB1YmxpY2F0aW9uIn19 Bandkeramik und Mesolithikum: '''''Abfolge oder Koexistenz'''''.]'' Conf. Paper 2013.
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Stäuble bringt auf S. 121 eine recht erhellende Darstellung eines Schemas von möglichen Kontakten zwischen mesolithischen Jägern/Sammlern und neolithischen Bauern/Viehzüchtern und ihren Folgen. Nach dem dargestellten Schema wird in drei grundsätzlich mögliche Entwicklungen zwischen den Jägern/Sammlern und den Ackerbauern/Viehzüchtern unterschieden:
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a) '''''Verdrängung/Konflikt''''' (Vernichtung, Vertreibung, Isolation)  <br />
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b) '''''Toleranz und/oder Vermeidung''''' und  <br />
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c) '''''Integration/Assimilation''''' (Einsickern, Kommerzialisierung, Aneignung, Übernahme/Assimilation).
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Diese Möglichkeiten sind wohl in einzelnen Gebieten Mitteleuropas unterschiedlich zum Zuge gekommen. Es gab sicher Unterschiede in den flachen Lössgebieten Polens, Deutschlands und Nordfrankreichs und den eher bergigen Gebieten der Alpen und dem Alpenvorland. So endete das Mesolithikum in der '''''Schweiz''''' z. T. erst um '''''etwa 4.000 v. Chr.''''', wobei die Jäger und Sammler in den bergigen Gebieten unbehelligt blieben.
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Ähnliches ist auch für den uns interessierenden Raum in Oberösterreich anzunehmen, der ja von den neolithischen Ackerbauern und Viehzüchtern eher gemieden denn angestrebt wurde. In den Gebieten südlich der Donau gab es zu Beginn der Pfahlbauernzeit an den '''''oberösterreichischen Seen''''' sicher noch immer mesolithische Jäger und Sammler. Ob sich das Verhältnis zwischen den ehemals „Einheimischen“ und den „Zuwanderern“ friedlich oder konfliktreich gestaltete kann heute nicht mehr beurteilt werden.
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==(Seltene) kriegerische Auseinandersetzungen um 5000 v. Chr.==
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Etwa 500 Jahre nach Ankunft der Neolithiker (5.500 v. Chr.) in den fruchtbaren Lössgebieten gab es offenbar – wenn auch seltene – kriegerische Auseinandersetzungen, wobei nicht klar ist, ob mit '''''anderen neolithischen Gruppen''''' oder mit den ursprünglichen '''''mesolithischen Jägern und Sammlern'''''.
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'''''Biermann 2012''''', Eric: &rarr; [https://www.academia.edu/9112449/Krieg_in_der_Vorgeschichte_Die_Interpretation_arch%C3%A4ologischer_Funde_und_Befunde_im_interkulturellen_Vergleich_am_Beispiel_steinerner_Keulenk%C3%B6pfe_des_Mesolithikums_bis_Mittelneolithikums Krieg in der Vorgeschichte: Die Interpretation archäologischer Funde und Befunde im interkulturellen Vergleich am Beispiel steinerner Keulenköpfe des Mesolithikums bis Mittelneolithikums]. In: Mitteleuropa im 5. Jt. v. Chr. Neolithikum und ältere Metallzeiten. <br /> (Karten ab S. 345 ff. zeigen eine '''''Häufung der Keulenköpfe im mittel- und norddeutschen Raum''''', aber '''''keine Keulenköpfe im zentralen österreichischen Raum'''''; jedoch einige an der '''''Salzach''''' und doch mehrere im Gebiet der '''''Altheimer Kultur'''''.)
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'''''Christensen 2004,''''' Jonas: &rarr; ''[https://faculty.uml.edu/ethan_spanier/Teaching/documents/WarfareintheNeolithic.pdf Warfare in the European Neolithic.]'' Acta Archaeologica, vol. 75, 2004:129–156.  HQ  Überblick; schlechtes Verhältnis von LBK mit Jägern/Sammlern … Befestigungen
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'''''Meyer 2018,''''', Chr. et al.: ''[https://www.academia.edu/37340335/Patterns_of_Collective_Violence_in_the_Early_Neolithic_of_Central_Europe Patterns of Collective Violence in the Early Neolithic of Central Europe.]'' In: A. Dolini et al. (eds.), Prehistoric Warfare and Violence, Quantitative Methods in the Humanities and Social Sciences (2018)  Überblick zu den 3 Massakern ('''''~5.000 v.Chr.''''')
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'''''Frayer 1997''''', David: OFNET (Bavaria): &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/246991109_Ofnet_Evidence_for_a_Mesolithic_Massacre Evidence for a '''<u>Mesolithic Massacre'''</u>]''. In: Troubled Times: Violence and Warfare in the Past (1997) Volltext: sind mesolithische Jäger/Sammler '''''um 5.500 v.Chr.''''' (<sup>14</sup>C: 7.560–7.360 BP); und  &rarr; ''[https://books.google.at/books?hl=en&lr=&id=sWJ9AwAAQBAJ&oi=fnd&pg=PA181&ots=YY74MtVP-N&sig=yXnM40RNkOQ3YNIwT2kUOFS414Y&redir_esc=y#v=onepage&q&f=false Google book mit high quality pictures]''
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'''''Peter-Röcher 2002''''', Heidi: &rarr; ''[https://www.academia.edu/13792629/Krieg_und_Gewalt_Zu_den_Kopfdepositionen_in_der_Gro%C3%9Fen_Ofnet_und_der_Diskussion_um_kriegerische_Konflikte_in_pr%C3%A4historischer_Zeit_2002  Krieg und Gewalt: Zu den Kopfdepositionen in der Großen Ofnet-Höhle und der Diskussion um kriegerische Konflikte in prähistorischer Zeit]'', 2002. Prähistorische Zeitschrift 77, 2002:1–28.  Sie sieht in Ofnet kein Massaker, sondern ein besonderes "Kopfbestattungs-Ritual".
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==Geologie: Endmoränen, -material und Seeabfluss==
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===Schletz (Niederösterreich; ~5200 v.Chr.)===
  
Zusammentragung relevanter Literatur
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* '''Teschler-Nicola, 2012''' M.: &rarr; ''[http://scholar.google.com/scholar?hl=en&q=Teschler-Nicola+M.+The+Early+Neolithic+site+Asparn%2FSchletz+%28Lower+Austria%29.in%3A+Schulting+R.J.+Fibiger+L.+Sticks%2C+stones+and+broken+bones%3A+Neolithic+violence+in+a+European+perspective.+Oxford+University+Press%2C%0A+2012%3A+101-120 The Early Neolithic site Asparn/Schletz (Lower Austria)]''. in: Schulting R.J. Fibiger L.: Sticks, stones and broken bones: Neolithic violence in a European perspective. Oxford University Press, 2012:101–120.
  
Ellwanger, D. et al.: &rarr; [https://e-docs.geo-leo.de/bitstream/handle/11858/00-1735-0000-0006-9FB9-E/vol60_no2-3_a07.pdf?sequence=1&isAllowed=y Quaternary of the southwest German Alpine Foreland (Bodensee-Oberschwaben, Baden-Württemberg, Southwest Germany)], Quaternary Science Journal 2011, Vol. 60, Nr. 2-3, p. 306-328.
+
* '''Teschler-Nicola, 1999''' M. et al.: &rarr; ''[https://www.academia.edu/21367027/Evidence_of_Genocide_7000_BP_Neolithic_Paradigm_and_Geoclimatic_Reality  Evidence of Genocide 7000 BP - Neolithic Paradigm and Geoclimatic Reality]''. Coll. Anthropol. 23; 1999-2:437–450.
  
Huber (Zürichsee, Sihl, Limmat)
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* '''Wild 2004''', Eva et al.: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/236166865_Neolithic_Massacres_Local_Skirmishes_or_General_Warfare_in_Europe  Neolithic Massacres: Local Skirmishes or General Warfare in Europe?]'' In: Radiocarbon. Bd 46-1, 2004:377–385.
  
Schindler, Conrad: &rarr; [https://www.ngzh.ch/archiv/1971_116/116_2/116_13b.pdf Geologie von Zürich und ihre Beziehungen zu Seespiegelschwankungen]: S. 297: Schindler wischt Hinweise auf Seekreidefunde und "Moräne" (Seekreideablagerungen?) in größerer Tiefe (19-20 m) mit den „Sünden eines längst verstorbenen Bohrmeisters“ vom Tisch.
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Die befestigte neolithische Siedlung Schletz bei Asparn in NÖ wurde 1983 ausgegraben. Im Laufe der systematischen Untersuchungen ergaben sich völlig unerwartete Ergebnisse. Es wurden 67 Individuen auf dem Grund eines ovalen Grabens gefunden. Ohne Ausnahme weisen deren Überreste multiple traumatische Schädel-Läsionen aber auch Bissspuren von Carnivoren auf. Die demographischen Analysen zeigen, dass die gesamte Bevölkerung dieser frühen bäuerlichen Siedlung vollständig ausgelöscht und über Monate unbeerdigt liegen gelassen wurde. Die Befunde legen nahe, dass dieses Genozid-Szenario für das endgültige Verlassen dieser Siedlung verantwortlich war. Die Alters- und Geschlechterverteilung weist auf ein Fehlen junger Frauen hin, was als eine Entführung bzw. Frauenraub durch die Angreifer interpretiert wird. Es gibt keine direkten Skelett-Nachweise auf die Angreifer am Platz; demgegenüber weist die Gleichförmigkeit der Strontium-Verhältnisse alle 67 Individuen als Einheimische aus.
  
Janik, V.: &rarr; [https://www.zobodat.at/pdf/JOM_114a_0181-0200.pdf Die Pfahlbausiedlung See/Mondsee im Blickfeld landschaftlicher Forschung.] Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereins, Linz, 1969; S. 181 - 200.  
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===Herxheim – 1000 rituelle Menschenopfer (Rheinland-Pfalz; 5100 v.Chr.)===
  
Suter, Peter et al.: &rarr; [https://boris.unibe.ch/142285/1/ADB_2017-1_-2700_Bd01.pdf Um 2700 v. Chr. – Wandel und Kontinuität in den Ufersiedlungen am Bielersee]: S. 145, ad "Nidau": Die erhaltenen Kulturschichten liegen in 4 bis 6 m Tiefe unter dem heutigen Gehniveau unterhalb von Ablagerungen der Moderne sowie Seekreide-, Lehm-/Silt- und Torfschichten ... Im südlichen Siedlungsareal landseitig der spätbronzezeitlichen Station Nidau, Neue Station – finden sich erneut Schlagdaten des 39. Jahrhunderts v. Chr.; ihre C14-Daten fallen in den Zeitraum 3950 bis 3800 v. Chr.
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* Wikipedia &rarr; ''[https://de.wikipedia.org/wiki/Grabenanlage_von_Herxheim Die Grabenanlage von Herxheim]
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* Zeeb-Lanz, Andrea &rarr; [https://www.archaeologie-online.de/artikel/2020/herxheim-ein-rituelles-zentrum-der-bandkeramik-mit-menschenopfern-und-hohem-zerstoerungspotential/ Herxheim ein rituelles Zentrum der Bandkeramik mit Menschenopfern und hohem Zerstörungspotential.]'' Archäologie online 17.2.2020
  
Ellwanger, D. et al.: &rarr; [https://e-docs.geo-leo.de/bitstream/handle/11858/00-1735-0000-0006-9FB9-E/vol60_no2-3_a07.pdf?sequence=1&isAllowed=y Quaternary of the southwest German Alpine Foreland (Bodensee-Oberschwaben, Baden-Württemberg, Southwest Germany)] - es sind v.a. die Moränenbildungen unterschiedlicher Eiszeiten zw. Ober-/Untersee und beim Abfluss des Bodensees von Interesse.
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* Zeeb-Lanz,Andrea &rarr; ''[http://www.projekt-herxheim.de/pdf/Zeeb-Lanz_Artikel_UPA_259_2014.pdf Gewalt im Ritual – Gewalt an Toten. Die Krise am Ende der Bandkeramik im Spiegel außergewöhnlicher Befunde.]''
  
Salcher, B. et al.: &rarr; [https://www.researchgate.net/profile/Bernhard-Salcher/publication/232387702_High-resolution_mapping_of_glacial_landforms_in_the_North_Alpine_Foreland_Austria/links/59d884d9aca272e609668d6a/High-resolution-mapping-of-glacial-landforms-in-the-North-Alpine-Foreland-Austria.pdf?origin=publication_detail High-resolution mapping of glacial landforms in the North Alpine Foreland, Austria.] (vgl. v.a. <big><u>Abb. 7, S. 288</u></big> zum Seeabfluss durch Endmoränen: "verändert nach Schreiner": Hegau und westlicher Bodensee. = Sammlung Geologischer Führer - besorgt am 22.4.22. &rarr; [https://www.researchgate.net/profile/Bernhard-Salcher Bernhard Salcher, University of Salzburg, Department of Geography and Geology, PhD]
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Die Ausgrabungen zeigen, dass in Herxheim knapp vor 5000 v. Chr. ganz außergewöhnliche Rituale stattfanden, in deren Verlauf insgesamt mehr als 1000 Menschen getötet und dann zerlegt wurden. Man entfernte akribisch alles Fleisch, alle Sehnen und das übrige Weichgewebe von den Knochen, die danach klein zerschlagen wurden. Die Schädel erfuhren eine Sonderbehandlung: die Akteure der Ritualhandlungen schlugen mit gezielten Steinbeilschlägen Gesichtsschädel und Schädelbasis ab, so dass nur noch das Schädeldach (Kalotte) übrig blieb. Von diesen schalenartigen Schädelkalotten fanden sich in den Ausgrabungen etwa 500, dazu noch zahlreiche Fragmente von weiteren Schädeldächern, was die Zahl der Toten weiter erhöht. Die menschlichen Überreste wurden mit anderen wertvollen Artefakten in größeren oder kleineren Fundkonzentrationen in die offenstehenden Grabenanlagen deponiert. Strontiumisotopen-Analysen erbrachten überraschende Ergebnisse: Von fast 100 menschlichen Individuen erwiesen sind rund 90 als „Fremde“, d. h., nicht in Herxheim oder Umgebung geborene oder aufgewachsene Opfer. Bei den Analysen fielen hohe Strontium-Anteile auf: Die Personen wuchsen offenbar in höheren Mittelgebirgsgegenden mit Granit- bzw. Gneissuntergrund auf. Dies ist erstaunlich, da bisher Belege einer Besiedlung der Mittelgebirge durch Bandkeramiker fehlen. Die '''''Vermutung''''', es handle sich bei den Opfern von Herxheim also um '''''Mesolithiker''''', die als Gefangene in Herxheim bei Ritualhandlungen getötet wurden, '''''widerlegen DNA-Analysen'''''. Diese belegen, dass sich die DNA der Opfer gut in das Spektrum bandkeramischer Menschen einfügt. Damit gibt es eine ungeklärte Diskrepanz zwischen den Strontiumisotopen-Analysen und den genetischen Untersuchungen – die Identität der Toten von Herxheim ist bislang unbekannt.
  
Lukas, S., Rother, H.: &rarr; [https://www.researchgate.net/publication/310443753_Moranen_versus_Till_Empfehlungen_fur_die_Beschreibung_Interpretation_und_Klassifikation_glazialer_Landformen_und_Sedimente/fulltext/5dd344074585156b351e91d3/Moraenen-versus-Till-Empfehlungen-fuer-die-Beschreibung-Interpretation-und-Klassifikation-glazialer-Landformen-und-Sedimente.pdf?origin=publication_detail Moränen versus Till]: Empfehlungen für die Beschreibung, Interpretation und Klassifikation glazialer Landformen und Sedimente. (zur Zusammensetzung von Moränenmaterial)
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===Talheim (Baden-Württemberg; ~ 5000 v. Chr.)===
  
Rother, H. u. Wansa, S.: &rarr; [https://www.geokartieranleitung.de/Fachliche-Grundlagen/Genese/Petrogenetische-Gesteinsbezeichnung/Lockergesteine/Einleitung-Gletscher Gletscherablagerungen und glazigene Vollformen (Lockergesteine).] Geologische Kartierungsanleitung in der Geowissenschaftlichen Sammlungen im Bereich der Staatlichen Geologischen Dienste Deutschlands.
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* Wahl, König, Biel: &rarr; ''[https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/fbbw/article/view/39499  Anthropologisch-traumatologische Untersuchung der menschlichen Skelettreste aus dem bandkeramischen Massengrab bei Talheim, Kreis Heilbronn]''.  Fundberichte Baden-Württemberg Bd. 12, 1987, 133 Seiten.  &rarr; ''[https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/fbbw/article/view/39499/33164  Detaillierter Grabungsbericht]'' PDF '''171 MB'''
  
==Hydrologen zur These==
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* Douglas Price et al.: &rarr; ''[https://www.cambridge.org/core/journals/european-journal-of-archaeology/article/abs/isotopic-evidence-for-mobility-and-group-organization-among-neolithic-farmers-at-talheim-germany-5000-bc/D91669D981DAB6903C9E99289ABAC6E2 Isotopic evidence for mobility and group organization among Neolithic farmers at Talheim, Germany, 5000 BC]''. In: European Journal of Archaeology. Band 9, Nr. 2-3, 2006.
  
"Eine wichtige Erscheinung ist die Rückwärtserosion: Die aus irgendeinem Grund eintretende örtliche Vertiefung einer Bachstrecke erhöht flußaufwärts das Gefälle und somit auch die Schleppkraft. Die Erscheinung pflanzt sich aufwärts fort, die Sohle des Hauptbaches vertieft sich keilförmig." (in: Massnahmen zur Verhütung von Wildbachschäden in der Schweiz; Schweizerische Zeitschrift für Vermessung, Kulturtechnik und Photogrammetrie; H. 4, 59 (1961) von Dipl.-Ing. C. Lichtenhahn)
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Das Massengrab, das nahe Talheim in Baden-Württemberg gefunden wurde, datiert in einen Zeitraum, der etwa 7000 Jahre zurückliegt. Es enthielt die Skelettreste von 34 Individuen des frühen Neolithikums, das durch die Kultur der Linearbandkeramik repräsentiert wird. Diese Menschen scheinen die Opfer eines Massakers geworden zu sein, wie es die zahlreichen tödlichen Kopfverletzungen, ernsten Pfeilschusswunden und die Niederlegung aller Toten in der gleichen Grabgrube andeuten. Es wird angenommen, dass das Grab Mitglieder der gleichen Gemeinschaft enthält, die von einer anderen Gruppe angegriffen und getötet wurden.
  
&rarr; [https://vaw.ethz.ch/forschung/flussbau/publikationen.html Publikationen der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie der ETHzürich - Flussbau: 2009-2022]
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===Kilianstädten (Rhein-Main; ~ 5000 v. Chr.)===
  
&rarr; [https://vaw.ethz.ch/forschung/flussbau/abgeschlossene-projekte.html Abgeschlossene Projekte, PDFs]
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Christian Meyer, Christian Lohr, Detlef Gronenborn, Kurt W. Alt: &rarr; ''[https://www.pnas.org/doi/pdf/10.1073/pnas.1504365112 The massacre mass grave of Schöneck-Kilianstädten reveals new insights into collective violence in Early Neolithic Central Europe]''. PNAS | September 8, 2015 | vol. 112 | no. 36 | 11217–11222
  
&rarr; [https://vaw.ethz.ch/forschung/flussbau/forschungsprojekte.html Forschungsprojekte; mit Videos]
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Mit dem untersuchten linearbandkeramischen Massengrab von Kilianstädten in Baden-Württember werden neue schlüssige und unbestreitbare Nachweise für ein Massaker vorgelegt. Mindestens 26 Personen wurden gewaltsam durch stumpfe Gewalteinwirkung auf den Schädel und Pfeilverletzungen getötet, bevor sie in einem Massengrab wild zusammengewürfelt verscharrt wurden. Die Unterrepräsentation von getöteten Frauen auf eine mögliche Entführung jüngerer Frauen hindeuten, wie auch an anderen Fundorten vermutet wurde. Ebenso könnte die geringe Anzahl von Teenagern unter den Opfern auf ihre höheren Fluchtchancen im Vergleich zu jüngeren Kindern oder älteren Erwachsenen zurückzuführen sein, da diese das flinkste demografische Segment darstellen und nicht durch Kinderbetreuung oder körperliche Gebrechen belastet sind. Alternativ könnten sie auch gefangen genommen worden sein, um sie in die Gemeinschaft des Angreifers zu integrieren. Interessanterweise fällt diese Alterslücke in Kilianstädten mit jener Periode der Linearbandkeramiker zusammen, in der Kinder im mittleren Alter anscheinend viel aktivere und anerkanntere Mitglieder ihrer Gemeinschaften wurden und daher, wie die jüngeren Frauen im reproduktiven Alter, als ein bevorzugtes Bevölkerungssegment für die Gefangennahme betrachtet worden sein könnten. In Kilianstädten wurde auch ein völlig neues Gewaltmuster festgestellt: das absichtliche und systematische Brechen der unteren Gliedmaßen (Schien- und Wadenbeine). Die Häufigkeit dieser festgestellten Perimortem-Frakturen deutet entweder auf Folter und/oder Verstümmelung der Toten hin. Es wird vermutet, dass damit eine Verfolgung der Angreifer auch durch Geister der Getöteten verhindert werden sollte.
  
&rarr; [https://ethz.ch/content/dam/ethz/special-interest/baug/vaw/vaw-dam/documents/das-institut/jahresberichte/2000-2009/jahresbericht-2006.pdf JAHRESBERICHT 2006 mit "Rückwärtserosion]
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===Halberstadt (Sachsen-Anhalt; ~5000 v. Chr.)===
  
&rarr; [https://ethz.ch/content/dam/ethz/special-interest/baug/vaw/vaw-dam/documents/das-institut/mitteilungen/2000-2009/207.pdf Symposium 2008 "NEUE ANFORDERUNGEN AN DEN WASSERBAU], 558 Seiten; Prof. Dr. Günther Heigerth, Prof. Dr. Gerald Zenz    Wildbach, 1x Rückwärtserosion, 1x Moränen,
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Meyer, Chr. et al.: &rarr; ''[https://www.nature.com/articles/s41467-018-04773-w Early Neolithic executions indicated by clustered cranial trauma in the mass grave of Halberstadt.]'' Nature Communications vol. 9, 2018.
  
&rarr; [https://www.slideserve.com/mignon/hydrologie-gew-sserkunde-s-88-90-s-121-130-133-134 Slides "Hydrologie, Gewässerkunde"]
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Ein jungsteinzeitliches Massengrab im Süden von Halberstadt gibt Rätsel auf: Die neun enthaltenen Leichen stammen von 7 erwachsenen Männern zwischen 25 und 40 Jahren, einem 16-20 Jahre jüngeren Mann und einer Frau zwischen 21 und 26 Jahren, die vermutlich brutal hingerichtet wurden. Alle Opfer wurden durch einen gezielten Schlag meist auf den Hinterkopf getötet und anschließend verscharrt. Die Strontium-Isotopen-Analyse der Skelette aus Halberstadt weist sie einem völlig anderen Lebensraum zu, das heißt, dass die '''<u>Aggressoren offenbar von den Verteidigern überwältigt und hingerichtet</u>''' worden sind.
  
 
==Die 12 Pfahlbau-Berichte==
 
==Die 12 Pfahlbau-Berichte==
  
Die keltischen Pfahlbauten in den Schweizerseen (Dr. Friedrich Keller; Aeppli, Obermeilen, schreibt im Jänner 1854) Bericht über Zürichsee und Bielersee (mit Insel); Nachträge auch für andere Seen ... Tafel I mit Skizze Obermeilen und romantisierender Pfahlbaudarstellung  https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=mag-001%3A1853%3A9%3A%3A230   DOI: http://doi.org/10.5169/seals-378744
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&rarr; ''[https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=mag-001%3A1853%3A9%3A%3A230 I. Bericht (Keller, 1954):'' Die keltischen Pfahlbauten in den Schweizerseen. 1r Bericht] Mittheilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich. Band IX. 2. Abtheilung. Heft 3. Zürich 1856, S. 67–100; 5 Tafeln. 38 Seiten. (Entdeckung durch Lehrer Aeppli zu Ober-Meilen Winter 1853/54; Beschreibung der Stationen am Zürchersee, Bielersee, Neuenburger- und Genfersee, Sempachersee, Greifensee, Pfäffikersee und Walenstadersee.)
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&rarr; ''[https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=mag-001%3A1858%3A12%3A%3A440 II. Bericht (Keller, 1858)]'': Auflistung der Funde an Schweizer Seen; in Deutschland (Unter- und Obersee); Savoyen und Irland. Vergleiche mit Syrien; neue Fundgegenstände; 
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&rarr; ''[https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=mag-001%3A1858%3A13%3A%3A350 III. Bericht (Keller; 1860, 2 Hefte)]'': Romantisierende Einleitung von Keller; Torfmoos - Oberst R. Suter bei Wauwyl; Tafel II zu Wauwyl; viele neue Funde;
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&rarr; ''[https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=mag-001%3A1861%3A14%3A%3A8 IV. Bericht (Keller, 1861)]'': Torfmoore; Italien; Flachsindustrie; Weberei;
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&rarr; ''[https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=mag-001%3A1861%3A14%3A%3A162 V. Bericht (Keller, 1863)]'' viele neue Entdeckungen;
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&rarr; ''[https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=mag-001%3A1863%3A15%3A%3A418 VI. Bericht (Keller; 1866)]'': viele Seen: mit ''Wasserständen'' des Bodensees; ''Steinhügel'' bei Unteruhldingen: Tafel 6 (S. 91)   
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&rarr; ''[https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=mag-001%3A1875%3A19%3A%3A245 VII. Bericht (Keller; 1876)]'': Lac de Bienne, Lüscherz, Latringen, Sutz, Lac de Neuchâtel; Lac de Morat; Lac Léman; Schädel von Esel und Rind aus den Pfahlbauten von Auvernier und Sutz;  Die beiden Einbäume von Vingelz (Tafel XXIII); Ueber die Thierreste der Pfahlbaustationen Lüscherz und Möringen;
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&rarr; ''[https://www.e-periodica.ch/digbib/view?pid=mag-001%3A1878%3A20%3A%3A80&referrer=search#80 VIII. Bericht (Keller; 1879)]'': Gr. u. Kl. Hafner, Constanz, Bielersee
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&rarr; ''[https://www.e-periodica.ch/digbib/view?pid=mag-001%3A1886%3A22%3A%3A52#52 IX. Bericht (Jakob Heierli, 1887)]'': Bodensee, Mittelschweiz, Westschweiz mit Bielersee
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&rarr; ''[https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=mag-001%3A1921%3A29%3A%3A326  X. Bericht (Viollier, D. / Sulzberger, K. / Scherer, P. Emanuel; 1924)]'': (Ost- und Zentralschweiz; Mensch, Tier, Pflanzen))
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&rarr; ''[https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=mag-001%3A1925%3A30%3A%3A783 XI. Bericht (Viollier, D. / Tschumi, O. / Ischer, T.; 1930)]'' 2 KARTEN am ENDE    (Westschweizer Pfahlbauten) und: &rarr; Tatsächlich findet man in der Grafik des XI. Pfahlbauberichts 1930 auf Seite 57 f. bei '''''Stein''''' vor und nach der Ortschaft die <u>"''untersten" Pfahlbausiedlungen des Bodensees''</u>.
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&rarr; ''[https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=mag-001%3A1925%3A30%3A%3A793 XII. Bericht (Viollier, D. / Vouga, P. / Tschumi, O.; 1930)]'': Statistik der schweizerischen Pfahlbauten: ALLE SEEN mit STATIONEN;   (Siedlungen Westschweiz; Pollen; Diagramme Bielersee, Neuenburgersee, Lac Lemon)
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Die Berichte 11 und 12 (Bd. 30), enthalten ein <u>vollständiges Verzeichnis</u> der Pfahlbauten der Westschweiz, samt Angabe aller darüber veröffentlichter Literatur.
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==Keutschacher See und Hafner See==
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Dworsky 2021, Cyril; Meyer, Lieselore: &rarr; ''[http://sonius.at/pdf/Sonius_28_WEB.pdf Die jungsteinzeitlichen Pfahlbauten in Kärnten]''. Sonius 2021, S. 3–8.
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Meyer 2020, Lieselore: &rarr; ''[https://www.pfahlbauten.at/blog/der-hafnersee-unbekannte-pfahlbauten Der Hafnersee - Unbekannte Pfahlbauten]''.
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Kleine Zeitung Kärnten: &rarr; ''[https://www.pressreader.com/austria/kleine-zeitung-kaernten/20210107/281741272049729 Verborgener Schatz im Hafnersee]''; 7.1.2021
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Offenberger 2014, Johann: &rarr; ''[https://oeab.ac.at/wp-content/uploads/2017/02/Historica-Bd-12-Johann-Offenberger-Die-neolithische-Inselsiedlung-im-Keutschacher-See-745x1024.jpg Die neolithische „Inselsiedlung“ im Keutschacher See (Kärnten) – Eine kritische Betrachtung]''. ÖAB; Historica – Austria, Band 12, Jg. 2014. 55 Seiten.
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Klemun 1995, Marianne: &rarr; ''[https://www.zobodat.at/pdf/CAR_185_105_0215-0238.pdf Die Erforschung des vorgeschichtlichen „Pfahlbaus" – ein kontroversielles Kapitel der internationalen prähistorischen Forschung des 19. Jahrhunderts und Ferdinand Hochstetters Entdeckung der Keutschacher „Pfahlbauten" (1864)]''. Carinthia II, Klagenfurt. S. 215–238.
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'''''Samonig 2003''''', Bertram: &rarr; ''[https://austriaca.at/3210-7inhalt?frames=yes Die Pfahlbaustation des Keutschacher Sees]''. Mitteilungen der Prähistorischen Kommission: Studien zur Pfahlbauforschung in Österreich. Materialien II; 260 Seiten. ÖAW 203 Online Edition. ''[Anm.: Die einzelnen Kapitel sind'' &rarr; ''[https://austriaca.at/3210-7inhalt?frames=yes als PDF downloadbar:]'' u.a.: &rarr; ''[https://austriaca.at/0xc1aa5576%200x0009fb66.pdf 60 Tafeln mit Abbildungen]''; 96 Seiten &rarr; ''[https://austriaca.at/0xc1aa5576%200x0009fb65.pdf Katalog]''. OPEN ACCESS <br />
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&rarr; ''[https://austriaca.at/0xc1aa5576_0x0009fb58.pdf S. 27]:'' … dass in einem bestimmten Zeitabschnitt die Seeuntiefe trocken fiel und in Form einer kleinen, flachen Insel aus dem See ragte. Bei den jahreszeitlich bedingten Hochständen wurde sie überspült, wobei es zu sandigen Absätzen kam. Mit einem geringen Anstieg des Wasserspiegels kam es zur Bildung von Radizellentorf, bis eine neuerliche Auffüllung des Seebeckens eine Überflutung verursachte, in deren Folge dann die bislang gebildeten Ablagerungen durch Wellenschlag bis auf geringe Reste zerstört und abgetragen wurden (Mossler 1954, 92).
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Diese Deutung sah der Geologe Fritz Brandtner (Wien, Untersuchung von Moor- und Seeböden) durch das '''''Auffinden eines Bachbettes im südöstlichen Seebereich''''' bestätigt. Das Bachbett mit Holz- und Holzkohleeinschwemmungen lag '''''ca. 1,5 m unter dem heutigen Wasserspiegel'''''. Für Brandtner ist dies ein Beweis für starke Seespiegelschwankungen. Seiner Meinung nach wurde der Pfahlbau in einer Trockenperiode angelegt. Beim Wiederansteigen des Seespiegels sind Hölzer und Holzkohlestücke aus der Siedlung in das Bachbett eingeschwemmt und durch Torfbildung überdeckt worden. Wenn das zutrifft, befand sich der Pfahlbau zur einen Hälfte im Wasser, da Pfähle bis in sechs Meter Tiefe vorhanden sind, und zur anderen Hälfte auf festem Untergrund (Anm.: Diese zweite Vermutung von Brandtner trifft höchstwahrscheinlich zu, wie neue Untersuchungen von Cichocki im August 2001 ergaben. Lt. Mündl. Mitt. von O. Cichocki.)
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==Aktuelle IntCal20 Kalibrationskurve für die nördliche Hemisphäre==
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Artikel: The IntCal20 Northern Hemisphere Radiocarbon Age Calibration Curve (0–55 cal kBP) Zs. Radiocarbon 62. doi: 10.1017/RDC.2020.41. Download des Artikels: &rarr; ''[https://www.cambridge.org/core/journals/radiocarbon/article/intcal20-northern-hemisphere-radiocarbon-age-calibration-curve-055-cal-kbp/83257B63DC3AF9CFA6243F59D7503EFF als HTML]'' und &rarr; ''[https://www.cambridge.org/core/services/aop-cambridge-core/content/view/83257B63DC3AF9CFA6243F59D7503EFF/S0033822220000417a.pdf/the-intcal20-northern-hemisphere-radiocarbon-age-calibration-curve-055-cal-kbp.pdf als PDF]''
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Datenquelle für die Kalibrationskurve: ''https://www.intcal.org/'' &rarr; ''https://www.intcal.org/data.html''  &rarr; ''https://www.intcal.org/curves.html &rarr; <u>https://www.intcal.org/curves/intcal20.14c</u>''. 
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[[Datei: C14-CalBP2.png|thumb|390px|IntCal20-Daten von 6.500 bis 4.500 <sub>cal</sub>BP ≈ 4.500 bis 2.500 v. Chr.]]
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[[Datei: Normalverteilung.png|thumb|390px|Normalverteilung: 68,3 % der Werte im Intervall [X ± 1σ]; 95,4 % der Werte im Intervall [X ± 2σ]; mit σ (Sigma) als Standardabweichung]]
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Die weiter unten auszugsweise angegebenen Daten der IntCal20-Kalibrationskurve werden in der Grafik für die Jahre 6.500 bis 4.500 Jahre vor heute dargestellt. Dabei erkennt man einerseits, dass die <sup>14</sup>C-Daten ein um 600 - 850 Jahre zu geringes Alter gegenüber dem kalendarischen Alter ausweisen, andererseits dass es zu jedem <sup>14</sup>C-Alter mehrere kalendarische Alter gibt.
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Den unten angegebenen <sup>14</sup>C-Daten von IntCal20 kann ebenfalls entnommen werden, dass diese Daten nicht für einen bestimmten Zeitpunkt X (den wahrscheinlichen Erwartungswert) sondern nur für einen bestimmten Zeitraum angegeben werden können. Diese Abweichungen vom physikalisch ermittelten Zeitpunkt X werden mittels Standardabweichung um diesen Wert (X ± σ = X ± Sigma) angegeben.
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<u>Beispiel aus dem IntCal20-Datensatz:</u> ''(mit: 0-Punkt <sub>cal</sub>BP = 1950 n. Chr.)''
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<sub>cal</sub>BP, <sup>14</sup>C age, Sigma, Delta <sup>14</sup>C, Sigma ''(Daten durch Beistriche getrennt)''
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6000,5276,17,71.4,2.3
 +
 
 +
5995,5248,16,74.5,2.2
 +
 
 +
5990,5228,16,76.6,2.2
 +
 
 +
5985,5207,16,78.7,2.1
 +
 
 +
5980,5200,16,79.0,2.1
 +
 
 +
5975,5207,17,77.4,2.3
 +
 
 +
5970,5218,18,75.3,2.4
 +
 
 +
5965,5230,17,73.1,2.3
 +
 
 +
5960,5239,17,71.1,2.3
 +
 
 +
5955,5244,18,69.9,2.4
 +
 
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5950,5242,18,69.5,2.4
  
II. Bericht (Keller, 1858): Auflistung der Funde an Schweizer Seen; in Deutschland (Unter- und Obersee); Savoyen und Irland. Vergleiche mit Syrien; neue Fundgegenstände;  https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=mag-001%3A1858%3A12%3A%3A440
+
==Curiosa==
  
III. Bericht (Keller; 1860, 2 Hefte) Romantisierende Einleitung von Keller; Torfmoos - Oberst R. Suter bei Wauwvl; Tafel II zu Wauwyl; viele neue Funde; https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=mag-001%3A1858%3A13%3A%3A350
+
==="Pfahlbauten" - Monopol===
  
IV. Bericht (Keller, 1861) Torfmoore; Italien; Flachsindustrie; Weberei; https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=mag-001%3A1861%3A14%3A%3A8
+
Der beschreibende Begriff '''''„Pfahlbauten“''''' ist seit dem 4. Juni 2004 (nun verlängert bis 31.10.2033) eine eingetragene Marke ''[= ein immaterielles '''Monopolrecht''']'' beim Deutschen Patent- und Markenamt. Inhaber der Wortmarke &rarr; ''[https://register.dpma.de/DPMAregister/marke/register/303559578/DE „Pfahlbauten“]'' mit der Registernummer 30355957 ist der Verein für Pfahlbau- und Heimatkunde e. V. ''[= "Unteruhldingen"]''.
  
V. Bericht (Keller, 1863) viele neue Entdeckungen; https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=mag-001%3A1861%3A14%3A%3A162
+
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VI. Bericht (Keller; 1866); viele Seen: mit WASSERSTÄNDEN des Bodensees; Steinhügel bei Unteruhldingen: Tafel 6 (S. 91)    https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=mag-001%3A1863%3A15%3A%3A418
+
==="Geheime" Gesetze?===
  
VII. Bericht (Keller; 1876); Lac de Bienne, Lüscherz, Latringen, Sutz, Lac de Neuchâtel; Lac de Morat; Lac Léman; Schädel von Esel und Rind aus den Pfahlbauten von Auvernier und Sutz;  Die beiden Einbäume von Vingelz (Tafel XXIII); Ueber die Thierreste der Pfahlbaustationen Lüscherz und Möringen;  https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=mag-001%3A1875%3A19%3A%3A245
+
Wie den nachstehenden offiziellen Informationen zu entnehmen ist gibt es ein - sehr sinnvolles - gesetzliches Tauchverbot zum Schutz von Pfahlbauten. Die diesbezügliche Regelung ist aber nicht auffindbar (weder RIS noch Oberösterreich noch BH-Bescheid).
  
VIII. Bericht (Keller; 1879; Gr. u. Kl. Hafner, Constanz, Bielersee)  https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=mag-001%3A1878%3A20%3A%3A301
+
'''''Pohl 2022''''', Henrik: &rarr; ''[https://www.pfahlbauten.at/veranstaltung/welterbetag-2023-pfahlbauten-hautnah-tauchexkursion-see-am-mondsee Welterbetag 2022: Pfahlbauten hautnah – Eine Tauchexkursion zur Siedlung See am Mondsee]'': „Die Fundstellen der Pfahlbauten in den österreichischen Seen unter Wasser sind nicht nur verborgen und damit so unsichtbar wie unzugänglich, auch gehört zu den Schutzmaßnahmen der Welterbestätten ein allgemeines Tauchverbot. Dies kann durch personalisierte Ausnahmegenehmigungen (z.B. zur Erforschung und Kontrolle der Fundstellen) aufgehoben werden und dient dazu, den unkontrollierten Zugang zu den empfindlichen Siedlungsresten einzuschränken.“
  
IX. Bericht (Jakob Heierli, 1887) https://www.e-periodica.ch/digbib/view?pid=mag-001%3A1886%3A22%3A%3A52#52 (Bodensee, Mittelschweiz, Westschweiz mit Bielersee)
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'''''Dworsky 2018''''', Cyril: „…  wäre es schon möglich zu einer der unter Wasser gelegenen prähistorischen Siedlungen, die Teil des UNESCO-Welterbes sind, in den Attersee, Mondsee oder Keutschacher See zu tauchen.  Wirklich praktikabel ist das aber nicht. Schon alleine, weil die &rarr; ''[https://www.pfahlbauten.at/blog/feiner-abendgarderobe-zu-den-unesco-pfahlbauten-tauchen Pfahlbauten in Österreich alle in Tauchverbotszonen]'' liegen.“
  
X. Bericht (Viollier, D. / Sulzberger, K. / Scherer, P. Emanuel; 1924): https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=mag-001%3A1921%3A29%3A%3A326 (Ost- und Zentralschweiz; Mensch, Tier, Pflanzen))
+
Auskunft der &rarr; '''''[https://fragdenstaat.at/anfrage/ausnahmegenehmigungen-tauchverbotszonen-atterseemondsee/ Oö Landesregierung]''''' vom 26.2.2013: „… teilen wir Ihnen mit, dass im Jahr 2012 insgesamt 3 Ausnahmegenehmigungen vom Tauchverbot im Attersee/Mondsee erteilt wurden. Zweck dieser Ausnahmen vom Tauchverbot waren: Entfernung von Müll, Monitoring unterwasserarchäologischer Fundstellen bzw. fotograph. Dokumentation von Arealen für Pfahlbauten.“
  
XI. Bericht (Viollier, D. / Tschumi, O. / Ischer, T.; 1930) 2 KARTEN am ENDE  https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=mag-001%3A1925%3A30%3A%3A783 (Westschweizer Pfahlbauten) und: &rarr; Tatsächlich findet man in der Grafik des XI. Pfahlbauberichts 1930 auf Seite 57 f. bei '''''Stein''''' vor und nach der Ortschaft die <u>"'''''untersten" Pfahlbausiedlungen des Bodensees'''''</u>.  
+
* Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck betreffend die &rarr; ''[https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bvb/BVB_OB_VB_20240117_1/BVB_OB_VB_20240117_1.pdfsig Abwendung von Gefahren für Pfahlbauten durch Anker im Mondsee (Ankerverbots-Verordnung Mondsee 2024)]'' - jene zum "Attersee" fehlt im RIS.
  
XII. Bericht (Viollier, D. / Vouga, P. / Tschumi, O.; 1930): Statistik der schweizerischen Pfahlbauten: ALLE SEEN mit STATIONEN; https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=mag-001%3A1925%3A30%3A%3A793  (Siedlungen Westschweiz; Pollen; Diagramme Bielersee, Neuenburgersee, Lac Lemon)
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Die Berichte 11 und 12 (Bd. 30), etnhalten ein <u>vollständiges Verzeichnis</u> der Pfahlbauten der Westschweiz, samt Angabe aller darüber veröffentlichter Literatur.
+
==Der (logische) Test-Prüfer zum Pfahlbauproblem==
  
==MEIN TEST-PRÜFER==
+
Der Test-Prüfer: Lüdi, Werner: &rarr; ''[https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=bgi-001%3A1950%3A0%3A%3A169  Pfahlbauprobleme]''; In: "Bericht über das Geobotanische Forschungsinstitut Rübel in Zürich" 1950:108-139; v.a. S. 126 ff.
  
MEIN TEST-PRÜFER: Lüdi, Werner: &rarr; [https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=bgi-001%3A1950%3A0%3A%3A169  Pfahlbauprobleme], Zeitschrift "Bericht über das Geobotanische Forschungsinstitut Rübel in Zürich" 1950, 108-139: v.a. S. 126 ff.
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S. 134: „Angesichts der vielen gegen Zersetzung empfindlichen Fundstücke, wie Gewebe, bearbeitete Hölzer, Samen und andere Pflanzenreste, ist eine Häufung der Kulturschicht auf trockenem Boden kaum erklärlich, vermutlich am ehesten, wenn man annimmt, die ganze Siedlung sei durch plötzliche Überschwemmung zerstört worden und dabei dauernd unter das Wasser gekommen.“
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Rucker, Christian: Untersuchung des energetischen Potentials einer verzögerten Hochwasserabgabe aus dem Attersee. Diplomarbeit 2007, Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft, TU Graz
  
 
==Eichen und deren Wachstum==
 
==Eichen und deren Wachstum==
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Hannes Mayer: Waldbau auf soziologisch-ökologischer Grundlage; Gustav Fischer-Verlag 1977, 513 S.
 
Hannes Mayer: Waldbau auf soziologisch-ökologischer Grundlage; Gustav Fischer-Verlag 1977, 513 S.
  
ad Schindlers Grafik: (Anm.: Z. B. hätten die Pfähle enorme Längen aufweisen müssen, wenn er auf seinem minimalen Seespiegel (403,5 m) beharrte: Pfahlfundierung ~ 1 m in Seekreide auf Kote 400 m (lt. der Abb.) plus seine Schätzung für Seehochstände von ~ 407,5 m (S. 310) plus 1 m "Freibord" der Fußböden ergäben ~ 10 m lange – sich nicht wesentlich verjüngende – Pfähle bis zur Fußbodenhöhe. Auf Fragen, wie damit die Pfähle im 3,5 m tiefen Wasser – auf Flößen mit zumindest 5 m hohem Aufbau – zielgerichtet eingerammt werden und mechanisch stabil (Sturmwellen) zu errichten wären, geht er nicht ein.)     
+
Mátyás, Gabor: &rarr; ''[https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&cad=rja&uact=8&ved=2ahUKEwiH5bm_mov7AhVG_aQKHT9lCuoQFnoECBYQAQ&url=https%3A%2F%2Fwww.research-collection.ethz.ch%2Fmapping%2Feserv%2Feth%3A23172%2Feth-23172-02.pdf&usg=AOvVaw2qzcvns1V-5h2K663Gy8fM  Rekonstruktion der nacheiszeitlichen Einwanderung der Eichen in der Schweiz anhand ihrer Chloroplasten-DNA.]'' (vgl. insbesondere auf Seite 12 die Abb. 1: „Pollenhinweise zur postglazialen Einwanderung der Eichen in die Schweiz“ mit der dortigen Isochore (9.000 Jahre vor heute)).
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ad Schindlers Grafik: (Anm.: Z. B. hätten die Pfähle enorme Längen aufweisen müssen, wenn er auf seinem minimalen Seespiegel (403,5 m) beharrte: Pfahlfundierung ~ 1 m in Seekreide auf Kote 400 m (lt. der Abb.) plus seine Schätzung für Seehochstände von ~ 407,5 m (S. 310) plus 1 m "Freibord" der Fußböden ergäben ~ 10 m lange – sich nicht wesentlich verjüngende – Pfähle bis zur Fußbodenhöhe. Auf Fragen, wie damit die Pfähle im 3,5 m tiefen Wasser – auf Flößen mit zumindest 5 m hohem Aufbau – zielgerichtet eingerammt werden und mechanisch stabil (Sturmwellen) zu errichten wären, geht er nicht ein.)  
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&rarr; vgl. hierzu auch --> LÜDI !!!    
  
 
&rarr; [https://www.wsl.ch/forest/waldman/vorlesung/ww_tk0.ehtml Skriptum Waldwachstum] Professur Forsteinrichtung und Waldwachstum ETH Zürich
 
&rarr; [https://www.wsl.ch/forest/waldman/vorlesung/ww_tk0.ehtml Skriptum Waldwachstum] Professur Forsteinrichtung und Waldwachstum ETH Zürich
Zeile 281: Zeile 2.256:
  
 
https://www.waldwissen.net/de/waldwirtschaft/waldbau/bestandespflege/eichepflege-und-qualitaet-der-baeume  STANGENHOLZ
 
https://www.waldwissen.net/de/waldwirtschaft/waldbau/bestandespflege/eichepflege-und-qualitaet-der-baeume  STANGENHOLZ
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==Literatur-Sammlung==
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&rarr; [https://www.e-periodica.ch/digbib/dossearch?ssearchtext=Pfahlbaustudien&facet= ETHZ-Suche]
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'''''Jungsteinsite.de:''''' http://www.jungsteinsite.de/
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Univ. Würzburg: Vorlesung: &rarr; ''[https://www.phil.uni-wuerzburg.de/vfg/das-studium/lehrveranstaltungen/aktuelle-unterrichtsmaterialien-fuer-studierende/vorlesung-neolithikum-1-literaturliste/ Neolithikum 1 – Literaturliste]''
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Univ. Würzburg: Vorlesung: &rarr; ''[https://www.phil.uni-wuerzburg.de/vfg/das-studium/lehrveranstaltungen/aktuelle-unterrichtsmaterialien-fuer-studierende/vorlesung-neolithikum-2-literaturliste/ Neolithikum 2 – Literaturliste]'' – alle Kulturen in Mitteleuropa
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Plattform – Zeitschrift des Vereins für Pfahlbau und Heimatkunde e.V. 23/24, 2014/15. (Gunter Schoebel) &rarr; [https://www.academia.edu/41689550/Plattform_Zeitschrift_des_Vereins_f%C3%BCr_Pfahlbau_und_Heimatkunde_e_V_23_24_2014_15 Der Südwesten – Zur Situation während des Nationalsozialismus]; S. 54–71.
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Matthias Hardt: &rarr; ''[https://www.uni-bamberg.de/fileadmin/histgeo/Arkum_Zeitschrift_Siedlungsforschung/SF27-2009.pdf Seen und Kulturlandschaftsentwicklung in Mitteleuropa - Von den Feuchtbodensiedlungen des Neolithikums]'' bis zu den modernen Tagebaufolgelandschaften. In: Siedlungsforschung. Archäologie – Geschichte – Geographie 27, 2009, S. 7–30. (Überblick zu Pfahlbauten)
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Staudacher-Buchau, W.: Gab es in vorgeschichtlicher Zeit am Federsee wirklich Pfahlbauten?; Praehistor. Zs. 1925, 16(1), p. 45-58.
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Reinerth, Hans: Die Pfahlbauten des Federseemoores. Praehistor. Zs. 1927
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Reinerth, Hans: Zur Pfahlbaufrage. PrHistor. Zs. 1927. Die Pfahlbauten standen seit der Eiszeit wg. TROCKENHEIT auf dem TROCKENEN.  <br /> ''«Wir müssen deshalb für alle bisher ohne Unterschied als Pfahlbauten bezeichneten Steinzeitdörfer am See annehmen, daß sie nicht im Wasser, sondern an dessen Ufer errichtet waren, so daß die Hauptmasse der Häuser auf trockenen Boden ohne Pfahlrost errichtet werden konnte und nur die äußersten Häuser, die den Verkehr mit dem See vermittelten und bei Hochwasser unter Wasser kamen, Pfahlbauten waren.»''
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Ischer, Theophil: &rarr; ''[https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=zak-002%3A1928%3A30%3A%3A329 Waren die Pfahlbauten der Schweizer Seen Land- oder Wassersiedlungen?]'' Anzeiger für schweizerische Altertumskunde 1928  VERSUCH: "VERNICHTUNG von REINERTH" 
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Lüning, Jens: &rarr; ''[https://www.academia.edu/31091903/J_L%C3%BCning_Zum_Kulturbegriff_im_Neolithikum_Pr%C3%A4historische_Zeitschr_47_1972_145_173 Zum Kulturbegriff im Neolithikum]'' Prähist. Zeitschr. 47, 1972, 145-173.
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Schier, Wolfram: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/249933920_Extensiver_Brandfeldbau_und_die_Ausbreitung_der_neolithischen_Wirtschaftsweise_in_Mitteleuropa_und_Sudskandinavien_am_Ende_des_5_Jahrtausends_v_Chr Extensiver Brandfeldbau und die Ausbreitung der neolithischen Wirtschaftsweise in Mitteleuropa und Südskandinavien am Ende des 5. Jahrtausends v. Chr.]'' Prähistorische Zs., 2009.     
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Schier, Wolfram, Ehrmann, Otto u. Rösch, Manfred: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/249933802_Experimentelle_Rekonstruktion_eines_jungneolithischen_Wald-Feldbaus_mit_Feuereinsatz_-_ein_multidisziplinares_Forschungsprojekt_zur_Wirtschaftsarchaologie_und_Landschaftsokologie Experimentelle Rekonstruktion eines jungneolithischen Wald-Feldbaus mit Feuereinsatz – ein multidisziplinäres Forschungsprojekt zur Wirtschaftsarchäologie und Landschaftsökologie]'', Prähistorische Zs., 2009.
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KULTURELLES:
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Dusseldorp, Gerrit L., Amkreutz, Luc: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/285538352_Foraging_for_Farmers_An_evolutionary_perspective_on_the_process_of_Neolithisation_in_NW_Europe_-_A_case_study_from_the_Low_Countries Foraging for Farmers? An evolutionary perspective on the process of Neolithisation in NW Europe – A case study from the Low Countries]'' Prähitorische Zs. 2015
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Przybyła, Marcin: &rarr; ''[https://www.academia.edu/7042917/Mating_systems_in_prehistoric_populations_An_evolutionary_approach_and_archaeological_evidence_PZ_88_2013_208_225 Mating systems in prehistoric populations. An evolutionary approach and archaeological evidence]'' Prähistorische Zs. 2013
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&rarr; [https://www.researchgate.net/profile/Stefanie-Jacomet#research-items  RESEARCHGATE-Quelle zu JACOMET]
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Jacomet, St.: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/profile/Stefanie-Jacomet/publication/225427471_Plant_economy_and_village_life_in_Neolithic_lake_dwellings_at_the_time_of_the_Alpine_Iceman/links/004635148a1088be85000000/Plant-economy-and-village-life-in-Neolithic-lake-dwellings-at-the-time-of-the-Alpine-Iceman.pdf?origin=publication_detail  Plant economy and village life in Neolithic lake dwellings at the time of the Alpine Iceman]'' (--> Arbeiten wd. des Jahres …)  Zs. Vegetation History and Archaeobotany · January 2009
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Jacomet, St. et al.: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/profile/Christoph-Brombacher/publication/236149860_Archaobotanik_am_Zurichsee_Ackerbau_Sammelwirtschaft_und_Umwelt_von_neolitischen_und_bronzezeitlichen_Seeufersiedlungen_im_Raum_Zurich_Ergebnisse_von_Untersuchungen_pflanzlicher_Makroreste_der_Jahre_1/links/58cb9656458515b6361b74a2/Archaeobotanik-am-Zuerichsee-Ackerbau-Sammelwirtschaft-und-Umwelt-von-neolitischen-und-bronzezeitlichen-Seeufersiedlungen-im-Raum-Zuerich-Ergebnisse-von-Untersuchungen-pflanzlicher-Makroreste-der-Jah.pdf?origin=publication_detail  Archäobotanik am Zürichsee. Ackerbau, Sammelwirtschaft und Umwelt von neolitischen und bronzezeitlichen Seeufersiedlungen im Raum Zürich. Ergebnisse von Untersuchungen pflanzlicher Makroreste der Jahre 1979-1988.]''    ZUSAMMENFASSUNG
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Jacomet, St.: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/profile/Brigitte-Roeder-2/publication/258627459_Soziale_Verhaltnisse_vor_5400_Jahren/links/00b495290bc8f2463b000000/Soziale-Verhaeltnisse-vor-5400-Jahren.pdf?origin=publication_detail  Soziale Verhältnisse vor 5400 Jahren]'' (betrifft: Spezialisierungen in Arbon Bleiche; Zuwanderer vom  Wr. Becken)
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Jacomet et al.: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/236001600 Bauern, Fischerinnen und Jäger: Unterschiedliche Ressourcen- und Landschaftsnutzung in der neolithischen Siedlung Arbon Bleiche 3 (Thurgau, Schweiz)?]''
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Jacomet et al.: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/236000360 Archäobiologie als sozialgeschichtliche Informationsquelle: ein bislang vernachlässigtes Forschungspotential]''
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Jacomet, St. et al.: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/236001600_Bauern_Fischerinnen_und_Jager_Unterschiedliche_Ressourcen-_und_Landschaftsnutzung_in_der_neolithischen_Siedlung_Arbon_Bleiche_3_Thurgau_Schweiz  Bauern, Fischerinnen und Jäger: Unterschiedliche Ressourcen- und Landschaftsnutzung in der neolithischen Siedlung Arbon Bleiche 3 (Thurgau, Schweiz)?]''
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Jacomet, St., Leuzinger, Urs u. Schibler, Jörg: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/profile/Urs-Leuzinger/publication/258627470_Die_neolithische_Seeufersiedlung_Arbon_Bleiche_3_Umwelt_und_Wirtschaft_Archaologie_im_Thurgau_12/links/61a779a5ca2d401f27b8fcfa/Die-neolithische-Seeufersiedlung-Arbon-Bleiche-3-Umwelt-und-Wirtschaft-Archaeologie-im-Thurgau-12.pdf?origin=publication_detail Die jungsteinzeitliche Seeufersiedlung Arbon I Bleiche; Teil 3 Umwelt und Wirtschaft]'' (2004)
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Jacomet, St. et al.: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/profile/Alice-Choyke/publication/258627494_Neolithic_Lake_Dwellings_in_the_Alpine_Region/links/5dd25a3ba6fdcc7e138a510f/Neolithic-Lake-Dwellings-in-the-Alpine-Region.pdf?origin=publication_detail Neolithic Lake Dwellings in the Alpine Region]'' (HQ allgem. Darstellg.)
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Jacomet, St. u.Schibler, Jörg: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/profile/Joerg-Schibler/publication/258627624_Subsistenzwirtschaft_aus_archaobiologischer_Sicht/links/0a85e53a6b09e693fb000000/Subsistenzwirtschaft-aus-archaeobiologischer-Sicht.pdf?origin=publication_detail Subsistenzwirtschaft aus archäo(bio)logischer Sicht]'' (2010) <br />
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... jedoch ist nicht mit einer häufigen Verlegung der bewirtschafteten Flächen zu rechnen: Diese müssen einen großen Wert dargestellt haben, hatte man sie einmal dem Wald abgerungen. Mit traditionellen Methoden (Pflanzensoziologie, ökologische Zeigerwerte, Arealkunde) ausgewertete Unkrautspektren, mindestens des Jung- und Endneolithikums, deuten jedenfalls auf dauerhaft bewirtschaftete Flächen hin (zusammenfassend etwa Hosch & Jacomet 2004, 128 ff.).

Aktuelle Version vom 10. Mai 2024, 14:04 Uhr

Inhaltsverzeichnis

UNESCO - Prehistoric Pile Dwellings around the Alps

Bundesgesetzblatt der Republik Österreich vom 26.Juli 2012: → Kulturerbe, das in die Liste des Erbes der Welt aufgenommen wurde:
"Das Komitee für das Erbe der Welt aufgrund des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (BGBl. Nr. 60/1993) hat die Aufnahme des nachstehenden Kultur- und Naturerbes auf dem Gebiet der Republik Österreich in die Liste des Erbes der Welt gemäß Art. 11 Abs. 2 des Übereinkommens beschlossen: Prähistorische Pfahlbauten rund um die Alpen gemäß Beschluss 35COM 8B.35 (35. Sitzung des Komitees vom 19. bis 29. Juni 2011)."


Weltkulturerbe – Karte der 111 UNESCO-Pfahlbaustätten

Die folgende Übersicht zeigt die → 111 Fundstellen der seriellen Welterbestätte "Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen" (auch Listenübersicht).

Prehistoric Pile Dwellings around the Alps World Heritage Nomination, 2231 pages. (Austria p. 931 und p. 1664) (Achtung: 141,5 MB)

Advisory Bodies Evaluations (Reduktion von 156 auf 111 Stationen)

Maps of inscribed serial elements - Prehistoric Pile Dwellings around the Alps (better quality); Austria p. 57 ff.

Decisions: 35COM 8B.35 - Cultural Properties - Prehistoric Pile Dwellings around the Alps (Switzerland / Austria / France / Germany / Italy / Slovenia)

→ UNESCO: International Management Plan 2019-2023; Prehistoric Pile Dwellings around the Alps: 4. → National Management Austria S. 50–65


Hafner, Albert: → Das UNESCO-Welterbe "Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen" im Kanton Bern: frühe Forschungen, aktuelle Situation und Chancen für die Zukunft. Jahrbuch des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern 2012. S. 237-253. (Schutzmaßnahmen S. 246).

Auswahl der Bestandteile des UNESCO-Weltkulturerbes 2011

B.1 Grundsätze der Auswahl

Quelle: → Überarbeitung der Auswahl der Bestandteile des UNESCO-Weltkulturerbes: UNESCO S. 1300 ff.

Insgesamt sind 937 Pfahlbaufundstellen bekannt, von denen 156 für eine Serie von Bestandteilen der Serienkandidatur "Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen" eingereicht wurden. Eine Auswahl-Liste wurde in einem internen Auswahlverfahren (Nomination File, Kapitel 3.c.7) nach folgenden Grundsätzen zusammengestellt:

- Geografische und chronologische Repräsentativität: Um der großen geographischen Verbreitung, der zeitlichen Tiefe und der kulturellen Vielfalt der Pfahlbauten gerecht zu werden, gilt als Leitsatz bei der Auswahl der Bestandteile, dass die ausgewählten Fundstellen den gesamten Zeitraum innerhalb möglichst vieler Makroregionen abdecken müssen. Eine Makroregion ist eine geographische Einheit, deren Definition sowohl die prähistorische Kultursituation als auch die Lage der Siedlungen (großer See oder Moor) berücksichtigt. Letztere waren auch im Hinblick auf die verschiedenen Bautypen der Dörfer und die Anpassung der wirtschaftlichen Strategien von Bedeutung. Nicht zuletzt spiegeln die Makroregionen die lokalisierte Qualität und Dynamik der prähistorischen Gesellschaft wider.

- Bedeutung bei der Darstellung der Werte des archäologischen Phänomens: Die allgemeine vergleichende Analyse zielte darauf ab, die Pfahlbauten mit bestehenden Welterbestätten sowie anderen Stätten und potenziellen Serienobjekten zu vergleichen (Nomination File, Chapter 3.c.1-3.c.6) im Hinblick auf fünf Wertattribute, wobei die einzigartigen Merkmale der Pfahlbauten betont wurden. Dieselben fünf Attribute (B.2) waren ausschlaggebend für die Auswahl der Teile der Serie. In der internen Vergleichsanalyse wurden diese Kriterien auf jede bekannte Pfahlbaustelle aus dem Alpenraum und auf verschiedene Zeitspannen angewandt, um aufzuzeigen, in welcher Epoche die einzelne Stätte für ein oder mehrere Wertattribute des Serienobjekts besonders wichtig ist.

- Erhaltungszustand: Der Indikator "Erhaltungszustand und Potential" (B.3) existiert für alle bekannten Pfahlbauten in der transnationalen standardisierten Inventarisierungsdatenbank auf der beiliegenden CD. Der beste Erhaltungszustand ist ein Auswahlkriterium; wenn die Stätten jedoch aus chronologischer (bestimmter Zeitraum), geografischer oder kultureller Sicht (z. B. technische Innovation) von besonderer Bedeutung sind, kann diese Bedeutung überwiegen.

In Anbetracht der Bemerkungen von ICOMOS International mit Schreiben vom 14. Dezember 2010 wurde beschlossen, die Serie von 156 Bestandteilen im Detail neu zu bewerten. Die oben dargelegten Grundsätze wurden beibehalten. Es wurde jedoch mehr Wert gelegt auf

- die Auswahl prägnanter zu gestalten, indem Überschneidungen spezifischer Werte in Bezug auf die einzelnen Bestandteile eingeschränkt werden (key issues 1 und 2);

- Bevorzugung der am besten geschützten und verwalteten Gebiete, d. h. der am wenigsten bedrohten Gebiete, bei gleichzeitiger Einschränkung der Überschneidung der Werte (Schlüsselthemen 3 und 4). Gleichzeitig wurde die Qualität der Erhaltung und der Schutzmaßnahmen neu bewertet.


B.2 Die 20 Kriterien für die Aufnahme in die Welterbeliste

(vgl. hier die → Langfassung und Erläuterung der für die endgültige Auswahl zugrundegelegten Kriterien; UNESCO S. 1301 ff.)

a. Großer Zuwachs an Wissen über frühe Agrargesellschaften und den Alltag der Menschen

  • a1 Typisches Beispiel
  • a2 Wichtige Referenzassemblagen
  • a3 Belege für Fernhandelskontakte
  • a4 Seltene Periode
  • a5 Wichtige technische Innovationen
  • a6 Besondere geographische Lage
  • a7 Mehrere Siedlungsphasen
  • a8 Zeitgleiche Standorte
  • a9 Andere Aspekte

b. Wichtige Beispiele für die Entwicklung von Architektur, Bauwesen und Lebensraum

  • b1 Architekturelemente
  • b2 Rekonstruierbare Dorfgrundrisse (oder Teile davon)
  • b3 Siedlungen in ungewöhnlichen Lagen oder mit besonderen Funktionen
  • b4 Siedlungsdynamik innerhalb einer Mikroregion

c. Hervorragende Datierungsmöglichkeiten (Dendrochronologie)

  • c1 Qualitativ gute Datierungsmöglichkeiten
  • c2 Leicht verständliches Pfahlfeld

d. Äußerst reiche und breite wissenschaftliche Datenbasis

  • d1 Ungewöhnlich dicke Kulturschichten
  • d2 Hinweise auf Produktionstechniken
  • d3 Sehr kurze Siedlungsphase (1-2 Jahrzehnte)

e. Hervorragende Möglichkeiten für Naturwissenschaft oder reiche organische Funde

  • e1 Ausgezeichnetes Archiv für Archäobotanik, Archäozoologie, Paläolimnologie, Klima- und Landschaftsgeschichte usw.
  • e2 Hervorragende Erhaltung von organischen Funden (Holzartefakte, Textilien usw.)

B.3 Überarbeitung und endgültige Liste des österr. UNESCO-Weltkulturerbes

[Anm.: Bei Betrachtung der internationalen Auswahl der Stationen für das Weltkulturerbe springt ins Auge, dass seitens Österreich von den obigen 20 möglichen, relevanten Auswahlkriterien neben dem Kriterium "a9 – Besonderer Wert" am Attersee durchwegs nur ein einziges Kriterium je Station angegeben wurde. In den anderen Ländern (Frankreich S. 1305-1312; Schweiz S. 1312-1335; BRD S. 1336-1345) werden für die einzelnen Stationen bis zu 12 der möglichen 20 Auswahlkriterien genannt. Jedenfalls wurden am Attersee 3 von 6 Stationen (Abtsdorf II, Aufham und Nußdorf) ausgeschieden.]

nominierte Stationen im Salzkammergut

Salzkammergut (UNESCO S. 1346-50 [Auswahl] / S. 1668-1683 [Entscheidung])

Die Fundstellen des Salzkammergutes in Oberösterreich sind die nordöstlichsten Fundstellen der geographischen Ausbreitung der Pfahlbausiedlungen. Sie sind auch wegen der früh nachgewiesenen Entwicklung der Kupfermetallurgie nördlich der Alpen von Bedeutung. Der Einfluss dieser wichtigen Innovation reicht nachweislich bis in die Westschweiz, und so sind die Fundstellen des Salzkammergutes unweigerlich mit dem Rest der Voralpen verbunden.

Die Auswahl der Fundstellen im Salzkammergut gewährleistet eine vollständige und hervorragende Dokumentation der neolithischen Mondseegruppe: Die Fundstellen Abtsdorf I und III (AT-OÖ-01, AT-OÖ-03) sind - gemeinsam mit der zugehörigen Fundstelle Abtsforf II - wichtig für das Verständnis kleinräumiger Siedlungsprozesse. Litzlberg-Süd (AT-OÖ-05) garantiert mit seinem massiven Paket an Besiedlungsschichten ein reiches Fundspektrum und ist daher eine wichtige Reserve für zukünftige Forschungen. Der gleichnamige Fundplatz Mondsee-See (AT-OÖ-07) ermöglicht mit seinem reichen Fundinventar die Erforschung von Handelskontakten und den Vergleich mit synchronen Pfahlbaukulturen. Abtsdorf I (AT-OÖ-01) schließlich ist der einzige eindeutig datierte Fundplatz der österreichischen Bronzezeit.


  • Abtsdorf I – AT-OÖ-01

Erhaltungszustand und Potential: A (2000-1000 BC)

Auswahlkriterium: a4 - Seltene Periode (von 20 möglichen Kriterien)

Auswahlkriterium a9 – Besonderer Wert: Die Pfahlbausiedlung ist wegen ihrer gesicherten Datierung an der Wende von der Früh- zur Mittelbronzezeit von besonderer Bedeutung (a4). Es handelt sich um die einzige gesicherte Radiokarbondatierung einer Pfahlbausiedlung dieser Epoche im Salzkammergut. Neolithische Funde aus dem Siedlungsgebiet deuten auf mehrere Phasen hin, die ein wichtiges Bindeglied zwischen neolithischen und bronzezeitlichen Siedlungen darstellen.

Schutz: Denkmalschutzgesetz, UVP-G und WRG; Natura2000-Gebiet; Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetz.

Aufgrund der guten Bedeckung mit Seemergel, Schotter und kalkhaltigem Schlamm besteht keine Gefährdung für die Station. Abtsdorf I liegt fast 100 m von der Uferlinie entfernt, wodurch das Gebiet außerhalb der Reichweite von Stegen, Bootshäusern und Badeplattformen liegt. Tauchverbotszonen sind als Pufferzonen definiert. Bojen und nautische Aktivitäten werden durch regionale Vorschriften kontrolliert. Für Boote mit Verbrennungsmotor gibt es erhebliche Einschränkungen. Durch regelmäßige Tauchgänge wird der Zustand der Station alle fünf bis zehn Jahre kontrolliert: → Managementplan 2.0, Kap. 4.4, Salzkammergut/Attersee.


  • Abtsdorf II – AT-OÖ-02 (ausgeschieden)

Erhaltungszustand und Potential: A (4000-3000 BC)

Auswahlkriterien: b4 – Mikroregion-Siedlungsdynamik (von 20 möglichen Kriterien)

Auswahlkriterium a9 – Besonderer Wert: Trotz der guten Bedeckung mit Seemergel und Kalkschlamm und des wissenschaftlich hochinteressanten Ensembles mit Abtsdorf I (AT-OÖ-01) und Abtsdorf III (AT-OÖ-03) wurde die Station aufgrund der unsicheren Erhaltungslage aus der Nominierung genommen. Die verlängerte Anlegestelle im zentralen Teil der Station verursacht einen erheblichen Bootsverkehr, der trotz der Managementbemühungen eine Bedrohung für die Station darstellen könnte.


  • Abtsdorf III – AT-OÖ-03

Erhaltungszustand und Potential: A (4000-3000)

Auswahlkriterien: b4 – Mikroregion-Siedlungsdynamik, d3 – Sehr kurze Siedlungsphase (von 20 möglichen Kriterien)

Auswahlkriterium a9 – Besonderer Wert: Abtsdorf III weist nicht nur eine sehr gute Überdeckung und damit gute Erhaltung auf, sondern ist in der Synopse mit den benachbarten Siedlungen von Abtsdorf I (AT-OO-01) und dem zugehörigen Fundplatz Abtsdorf II von besonderer Bedeutung und markiert ein wichtiges Element für das Verständnis kleinräumiger Siedlungsprozesse (b4). Dies wird durch das Fehlen von feinem organischem Material in den Kulturschichten untermauert, was auf eine Spezialisierung bzw. eine sehr kurze und damit gut nachvollziehbare Siedlungsgeschichte hinweisen könnte (d3).

Schutz: Denkmalschutzgesetz, UVP-G und WRG; Natura2000-Gebiet; Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetz.

Die Station befindet sich mindestens 40 m von der Uferlinie entfernt und außerhalb der Reichweite des Gefährdungspotenzials durch Stege, Bootshäuser und Badeplattformen. Das gesamte Gebiet liegt unter einer dicken Abdeckung aus Seemergel. Tauchverbotszonen wurden als Pufferzonen definiert. Bojen und nautische Aktivitäten werden durch regionale Vorschriften kontrolliert. Für Boote mit Verbrennungsmotor gibt es erhebliche Einschränkungen. Durch regelmäßige Tauchgänge wird der Zustand der Station alle fünf bis zehn Jahre kontrolliert: → Managementplan 2.0, Kap. 4.4, Salzkammergut/Attersee.


  • Aufham – AT-OÖ-04 (ausgeschieden)

Erhaltungszustand und Potential: A (4000-3000)

Auswahlkriterien: b4 – Mikroregion-Siedlungsdynamik (von 20 möglichen Kriterien)

Auswahlkriterium a9 – Besonderer Wert: Trotz des insgesamt sehr guten Erhaltungszustandes der Station Aufham und seines hohen Potentials für die Untersuchung von Siedlungsphasen wurde der Fundplatz überarbeitet und aus der Serie gestrichen. Die kleinräumige und inhomogene Struktur der in Privatbesitz befindlichen Parzellen führt zu einem erheblichen Bootsverkehr, der durch den benachbarten Yachthafen noch verstärkt wird. Die Beachtung dieser Gefährdung wird eine wichtige Aufgabe im Managementprozess sein. Dies würde jedoch die Ressourcen für Schutzmaßnahmen in einem schwer kalkulierbaren Umfang in Anspruch nehmen.

[Anm.: Die Anliegen des UNESCO-Weltkulturerbes werden mittels Sponsoring an das "Kuratorium Pfahlbauten" durch den benachbarten → Yachthafen (s. S. 29 ff.) finanziell unterstützt.]


  • Litzlberg Süd – AT-OÖ-05

Erhaltungszustand und Potential: A (4000-3000)

Auswahlkriterium: d1 – Ungewöhnlich dicke Kulturschichten (von 20 möglichen Kriterien)

Auswahlkriterium a9 – Besonderer Wert: Die Siedlung Litzlberg Süd zählt zu den Siedlungen mit den am besten erhaltenen archäologischen Horizonten in Österreich. Die massiven Pakete von Besiedlungsschichten und die sehr gute Überdeckung mit Seemergel und Kalkschlamm bieten ideale Voraussetzungen für ein reiches Fundspektrum (d1) und sind daher für das Verständnis kleinräumiger Entwicklungsprozesse in der Jungsteinzeit besonders wichtig.

Schutz: Denkmalschutzgesetz, UVP-G und WRG; Natura2000-Gebiet; Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetz. Tauchverbotszonen als Pufferzonen; Bojen und Nautik regional reguliert. Für Boote mit Verbrennungsmotor gibt es erhebliche Einschränkungen.

Die stabile Lage in der Bucht von Litzlberg unterstützt die guten Erhaltungsbedingungen der Station. Es gibt wenig Bootsverkehr, da alle angrenzenden Parzellen im Besitz einiger weniger Privatpersonen sind. Der Dialog mit der Gemeinde und der Naturschutzbehörde hat ergeben, dass ein großes Interesse an der Anlage besteht und ein starkes Bewusstsein für den Naturschutz des Sees und den kulturellen Wert der Station vorhanden ist. Erste Projekte zur Renaturierung der Uferlinie wurden bereits umgesetzt und werden als Best-Practice-Beispiele für die Zukunft dienen. Ein Monitoring der eher gefährdeten Uferbereiche der Station wird eingerichtet und es wird ein Budget für Schutzmaßnahmen reserviert. Durch regelmäßige Tauchgänge soll der Zustand der Staton alle fünf bis zehn Jahre kontrolliert werden: → Managementplan 2.0, Kap. 4.4, Salzkammergut/Attersee.


  • Nussdorf – AT-OÖ-06 (ausgeschieden)

Erhaltungszustand und Potential: A (3500-2500)

Auswahlkriterien: a4 – Seltene Periode, d1 – Ungewöhnlich dicke Kulturschichten (von 20 möglichen Kriterien)

Auswahlkriterium a9 – Besonderer Wert: Die Siedlung Nussdorf ist nicht nur sehr gut erhalten und weist ein reiches Fundspektrum auf, sondern nimmt aufgrund der Funddatierung und der C14-Proben auch eine wichtige Stellung bei der Erforschung der untergehenden Mondseegruppe ein. Trotz der Tatsache, dass nationaler Schutz die Fundstelle ohnehin sichern wird und die Handlungsmöglichkeiten der kommunalen Körperschaften einschränkt, wurde beschlossen, sie nicht in die Serie aufzunehmen, um den Handlungsspielraum für die gesamte Region zu erweitern.


  • Mondsee-See – AT-OÖ-07

Erhaltungszustand und Potential: B (4000-3000)

Auswahlkriterien: a2 – Wichtige Referenzassemblagen, a3 – Belege für Fernhandelskontakte, a5 – Wichtige technische Innovationen (von 20 möglichen Kriterien)

Auswahlkriterium a9 – Besonderer Wert: Die namengebende Station der Mondseegruppe stellt nicht nur aus forschungsgeschichtlicher Sicht einen außergewöhnlichen Wert dar. Das reiche Fundinventar der Siedlung stellt die bisher umfassendste Quelle zur wissenschaftlichen Erforschung der österreichischen Pfahlbaukulturen dar (a2). Mehrere Publikationen befassen sich mit den verschiedenen Fundkategorien (z.B. Keramik, Tierknochen und Feuerstein) und ermöglichen die Erforschung von Handelskontakten (a3) und den Vergleich mit synchronen Pfahlbaukulturen. Das reiche Spektrum an Metallfunden demonstriert die wichtige Rolle von See bei der frühen Entwicklung der Kupfermetallurgie (a5).

Schutz: Denkmalschutzgesetz, UVP-G und WRG; Natura2000-Gebiet; Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetz. Tauchverbotszonen der Bezirkshauptmannschaft; Bojen und nautische Regulierungen. Es gibt ein absolutes Verbot für Boote mit Verbrennungsmotor.

Die Überwachung und Verhinderung der Erosion im Abflussbereich ist nicht nur für die Erhaltung der Seebewohner notwendig, sondern auch für den Schutz der beiden Natura 2000-Fischarten. Eine enge Zusammenarbeit mit der Naturschutzbehörde und dem Limnologischen Institut in Mondsee wird aufgebaut und Budget für Monitoring und Schutz reserviert. Die Entwicklung und Umsetzung eines zusätzlichen Schutzprogramms ist seit 2010 in Arbeit: → Managementplan 2.0, Kap. 4.4, Salzkammergut/Mondsee.


Keutschacher See (S. 1350 f. [Auswahl] / 1664-1667 [Entscheidung])

Der Keutschacher See hat aufgrund seiner geographischen Lage zwischen Slowenien, Italien und dem österreichischen Salzkammergut eine besondere Bedeutung. Die Station Keutschacher See (AT-KT-01) ist eine der wenigen bisher bekannten Pfahlbaufundstellen dieser Makroregion. Seine Funde aus der neolithischen Kanzianiberg-Lasinja-Gruppe verbinden sie nicht nur mit den südöstlichen Pfahlbauregionen, sondern zeigen Einflüsse, die weit in die ungarische Region hineinreichen. Darüber hinaus bildet sie auch eine wichtige Verbindung zu den österreichischen Pfahlbauten nördlich der Alpen. Als erste in Österreich entdeckte Pfahlbausiedlung ist sie zusätzlich forschungsgeschichtlich von immenser Bedeutung.


  • Keutschacher See – AT-KT-01

Erhaltungszustand und Potential: B (4000-3500)

Auswahlkriterien: a1 – Typisches Beispiel, a2 – Wichtige Referenzassemblagen, a3 – Belege für Fernhandelskontakte, a6 – Besondere geographische Situation, b3 – Siedlungen in ungewöhnlichen Lagen (5 von 20 möglichen Kriterien)

Auswahlkriterium a9 – Besonderer Wert: Der Fundplatz gehört zu den Hauptfundstellen der neolithischen Kanzianiberg-Lasinja-Gruppe und ergänzt die Fundstellen auf mineralischem Boden durch seine hervorragenden Erhaltungsbedingungen für organisches Material. Der Einfluss der Lasinja-Keramik ist bis weit in die ungarische Region nachweisbar (a6) und stellt eine wichtige Verbindung zum südostalpinen Raum dar (a3). Pionierarbeiten in der Dendrochronologie haben wichtige Informationen über die Kanzianiberg-Lasinja-Gruppe geliefert und unterstreichen zusammen mit der Keramik als Referenzkomplex (a2) die Bedeutung der Station. Die Lage der Station im Zentrum des Sees ist auch bezüglich Nutzung und Siedlungsstrukturen der Pfahlbauten (b3) außergewöhnlich und interessant.

Schutz: Denkmalschutzgesetz, UVP-G und WRG; Naturschutzgebiet, Ramsar-Konventionsgebiet; gesamter See ist Tauchverbotszone. Das Kärntner Umweltplanungsgesetz (K-UPG) verlangt Umweltbericht mit Informationen über das kulturelle Erbe, der "archäologische Schätze" enthalten muss.

Durch die Lage in der Mitte des Sees und das Tauch- und Motorbootverbot ist die Station auch gut vor störenden menschlichen Aktivitäten geschützt. Kleinflächige Erosionsgebiete sind seit 1994 mit Geotextilien abgedeckt. Natürliche Erosion gibt es nach wie vor in geringem Umfang und wird durch regelmäßige Überwachung festgestellt. Dies wird zu einem besseren Verständnis der verschiedenen Einflussfaktoren führen, um die am besten geeigneten Gegenmaßnahmen zur Verbesserung der Stabilität der Station festzulegen.

Die Herkunft des Getreides als Indiz für die Herkunft unserer Pfahlbauern

Hofmann 1924, Elise (Tochter von M. Much) berichtet nur recht allgemein Funde von Gerstenähren, Emmer und Weizenkörnern zur Station See am Mondsee.

Maier 1998, Ursula: Der Nacktweizen aus den neolithischen Ufersiedlungen des nördlichen Alpenvorlandes und seine Bedeutung für unser Bild von der Neolithisierung Mitteleuropas. In: Archäologisches Korrespondenzblatt Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz Jg. 28, Heft 1, 1998:205–218.

  • Es handelt sich hier um freidreschende, tetrapoloide Weizenarten („Nacktweizen“): Hartweizen (Triticum durum), Rauhweizen (Triticum turgidum) und Weichweizen (Triticum aestivum). Die tetrapoloiden Formen haben sich entlang des Mittelmeeres nach SW-Europa verbreitet.
  • Freidreschende Getreidearten sind Getreide, deren Früchte beim Dreschen aus den Spelzen fallen; dazu zählen Weizen und Nacktgerste. Im Gegensatz dazu sind Dinkel, Gerste, Emmer und Einkorn Spelzgetreidearten, bei denen die Samenkörner mit den Spelzen verwachsen sind. Sie sind für die menschliche Ernährung wegen der erforderlichen Entspelzung in der Verarbeitung aufwändiger.
  • Über das Mittelmeergebiet und entlang seiner Küsten kam tetrapoloider Nacktweizen nach Südwesteuropa. Wahrscheinlich über das Rhonetal erreichte dieser im 5. Jt. das nördliche Alpenvorland. Er ist klimatisch gut angepasst und dadurch äußerst widerstandsfähig. Zwar besaß er nicht die hohen Erträge heutiger Zuchtsorten, war dafür aber besonders ertragssicher.
  • In der Cortaillod-Kultur (4.200–3.800 v. Chr.) der Westschweiz und Ostfrankreichs, war Nacktweizen zusammen mit Gerste bereits die vorherrschende Getreideart. Seinen Höhepunkt erreichte der Nacktweizenanbau im nördlichen Alpenvorland in der Pfyner Kultur (3.700–3.600 v. Chr.) sowie in der Hornstaader Kulturgruppe am Bodensee (3.915–3.904 v. Chr.), wo der Anteil des freidreschenden Weizens bis zu 70 % des Getreideaufkommens ausmachte (S. 214).

Schlichtherle schreibt (1997, S. 13), dass die Ausbreitung einer Kulturpflanze die These einer Ausbreitung aus einer mediterranen Wurzel stützen vermag. Es begann sich nämlich der Anbau von Nacktweizen durchzusetzen. Das Getreide muss vom Rhonetal ins Schweizer Mittelland gekommen sein, von wo sich sein Anbau sukzessive zum Bodensee fortsetzte. Die ältesten Funde von Nacktweizen in Europa stammen aus dem westmediterranen Raum, dem Siedlungsbereich der Cardial- oder Impressokultur.

Wiethold u. Wähnert (2008): Die botanischen Makroreste. In: Trebsche, P.: → Die Höhensiedlung „Burgwiese“ in Ansfelden (OÖ). Bd 2.

  • S. 318: „Bei den Nacktweizenfunden aus den jungneolithischen Seeufersiedlungen handelt es sich überwiegend um tetraploiden Nacktweizen.“

Leider fehlen nach wie vor Untersuchungen der Nacktweizen-Arten aus den Ackerbau-Stationen am Attersee und jener von Scharfling: weder Mooswinkel noch See/Mondsee oder Misling waren Stationen mit viel Ackerbau.

Tatsächlich weisen die aktuellen Forschungen zu Mooswinkel (2023) neben anderen Weizenarten auch Nacktweizen aus: Triticum aestivum/durum/turgidum.

Anm.: Nach → Heiss 2023, et al. (S. 20) et al. existieren im Fundmaterial Mooswinkel 38 Ährenreste (rachis fragment) des Nacktweizens Triticum aestivum/durum/turgidum, sodass eine tiefergehende Bestimmung (tetra- oder hexaploider freidreschender Weizen) möglich sein sollte.

Link zu weiterer → Literatur zu Pflanzen der Schweizer und Mondsee-/Attersee-Pfahlbauern

Die Herkunft der Haustiere als Indiz für die Herkunft unserer Pfahlbauern

Jagd- und Haustiere

Schmitzberger 2009, Manfred: → Haus- und Jagdtiere im Neolithikum des österreichischen Donauraumes. Dissertation Univ. Wien 2009, 189 Seiten. (auch Pfahlbauten; Detaildaten je Station im Anhang)

Hafner 2003, A.; Suter, P.: → Das Neolithikum in der Schweiz. Journal of Neolithic Archaeology, 2003. Creative Commons Attribution License. (Rinder aus Frankreich; S. 27: Anteile der Rinder in Schweizer Stationen 40-60 %)

Die Abstammung und Herkunft der Rinder

Insgesamt sprechen paläogenetische, archäologische und archäozoologische Daten für das folgende Szenario: Taurin-Rinder wurden in einer Region zwischen Südostanatolien und dem Zagros-Gebirge, Syrien und dem Libanon domestiziert. Der Domestizierungsprozess begann Mitte des 9. Jahrtausends v. Chr. mit einer geringen effektiven Anzahl wilder weiblicher Auerochsen. Nach 7.000 v. Chr. wurden die Hausrinderpopulationen von der zentralanatolischen Hochebene nach Westanatolien und in die Ägäis transportiert. Die ersten neolithischen Rinder wurden um 6.400 v. Chr. über folgende Routen nach Europa eingeführt:

  • Über die Mittelmeerroute erreichten die wandernden Bauern rasch u. a. Süditalien, Südfrankreich und die Iberische Halbinsel per Schiff. Die geringe genetische Vielfalt deutet auf eine geringe Populationsgröße der Rinder hin, die im westlichen Mittelmeerraum ankamen.
  • Auf dem zweiten Weg über das europäische Festland erreichten die Rinder schließlich Mittel-, West- (nach 5.500 v. Chr.) und Nordeuropa (nach 4.100 v. Chr.). Auch hier ging ein Großteil der genetischen Vielfalt während der Wanderung verloren.

Lit.: Scheu 2015, Amelie et al.: → The genetic prehistory of domesticated cattle from their origin to the spread across Europe. BMC Genetics 2015.

Viehzucht und Rinder in der Schweiz

Im Historischen Lexikon der Schweiz wird zur Herkunft des Hausrindes geschrieben, dass die ersten in den jungsteinzeitlichen Siedlungen von Sitten (östlich des Genfer Sees; um 5000 v.Chr.) nachgewiesen werden und weitere Funde aus den Ufersiedlungen des Mittellandes um 4.300 v.Chr. gefunden wurden. Die Menschen versuchten, die Rinderhaltung zu intensivieren, wofür waldfreie Flächen für Wiesen erforderlich waren. Die durchschnittliche Widerristhöhe betrug ca. 110 cm. Demgegenüber lag die Auerochs-Widerristhöhe bei 132 cm (kleine ♀) bis 189 cm (großer ♂).

"Die früheste Beeinflussung der Schweiz durch neolithische Wirtschaftsformen erfolgte aus dem Süden (Italien, ab der 1. Hälfte des 6. Jt.) und Südwesten (Frankreich, etwa ab 5.500 v.Chr.): Ab 5.500 setzt sich die Kenntnis der Viehzucht auch weiter nördlich im Rhonetal und dem französischen Jura fest und die Fundstätten enthalten Knochen von Haustieren, vor allem von Schafen und Ziegen, aber auch Hausrind und Hausschwein sind nachgewiesen." (Chaix 1993, 1987 in: → SPM II - Die Schweiz vom Paläolithikum bis zum Mittelalter, S. 97).

Hafner/Suter schreiben 2003 zum → Neolithikum der Schweiz: Vallon des Vaux südwestlich vom Neuenburgersee ist mit dem Proto-Cortaillod der älteste Fundkomplex (2. Hälfte 6. Jt.) bei den Jurafußseen und dem Genfersee der Westschweiz; diese Rinder kamen aus Ostfrankreich und breiteten sich ins Schweizer Mittelland aus.
Das westliche Schweizer Mittelland (Egolzwil 3; 4.350 v.Chr.) gleicht den zeitgleichen Komplexen der Westschweiz mehr als jenen vom Zürichsee (Kleiner Hafner bei Zürich; 4.250 v.Chr.), die eher Affinitäten zur Ostschweiz/Bodensee haben.
Das Gebiet Ostschweiz/Bodensee beherbergte die Pfyner Kultur (4.250 - 3.500); die älteste Bodenseestation Hornstaad-Hörnle IA in Schwaben datiert um 3.900 v.Chr.

Schiebler 2007, Jörg: → Hausrinder in der Schweizer Jungsteinzeit. Archiv für Tierheilkunde 2007:23–29.
„Ab dem 40. Jahrhundert v. Chr. steigen die Anteile der Rinderknochen unter den Haustierknochen in der Ostschweiz auf 60–80 % und in der Westschweiz auf 40–60%. Die Rinder waren also die häufigsten Haustiere und lieferten auch die größte Fleischmenge. Da auch die Funddichten (Anzahl Knochen pro m²) ansteigen, sind größere Herdengrössen anzunejmen. Um die Mitte des 4. Jt. v.Chr. gibt es Veränderungen an den Fussskelettteilen, welche auf die Nutzung als Arbeitstiere hinweisen. In Arbon Bleiche 3 (3384–3370 v.Chr.) gelang der chemische Nachweis von Milchfett an Topfkrusten. Ab 2.750 v.Chr. steigen die Funddichten der Rinderknochen weiter deutlich an.“

Wettstein 1924, Ernst: → Tierreste aus dem Pfahlbau am Alpenquai in Zürich. Vierteljahrsschrift Naturforschende Ges. Zürich 1924, 50 S.

  • S. 102–113: Das Rind; S. 113: Ermittlung der Widerristhöhe der Rinder aus Unterkieferlänge: 103 bis 136 cm; aus Länge von Speiche, Mittelhand und Handwurzel: 110 bis 130 cm.

Wright 2021, Elizabeth: → Investigating cattle husbandry in the Swiss Neolithic. Archaeological and Anthropological Sciences (2021) 13: 36.

  • Diese umfassende Arbeit behandelt die Proportionen und Größen der Rinder des Neolithikums (4.300-3.500 v.Chr.) in der gesamten Schweiz und kommt zum Schluss (S. 18), dass die Proportionen und die Körpergröße der Hausrinder während der gesamten Cortaillod- und Pfyn-Kultur in der Ost- und etwas mehr in der Westschweiz recht klein waren. Für solche relativ kleinen Körpergrößen und -formen gibt es eine Reihe möglicher Erklärungen. Die eine wäre die bewusste Auslese kleiner, aber robuster Rinder durch den Menschen für einen bestimmten Zweck. Eine weitere Hypothese besagt, dass die Verringerung der Körpergröße das Ergebnis von Inzucht sein könnte, bei dem der Genpool der Rinder aufgrund eines Mangels an neuen Tieren von außerhalb sehr klein wurde. Die Autorin bringt auf S. 7 für die einzelnen Zeitabschnitte und Regionen auch die Anteile von Rindern, Schweinen und Ziegen/Schafen. Größere Anteile von Rindern gibt es erst ab etwa 4.000 v.Chr.; in der Ostschweiz auch schon davor.

Markert zur → Schweizer Viehwirtschaft mit den Schlachtungszeitpunkten von Rindern, Ziegen, Schweinen; Auerochen und Hirschen in Arbon Bleiche und Steckborn-Schanz

Archäozoologische Einordnung der Rinder vom Mondsee/Attersee

Frank 2010, Caroline Kapitel 2.5 Viehzucht der Mondseekultur


Pucher 1997, Erich und Engl, Kurt: Studien zur Pfahlbauforschung in Österreich. Materialien I - Die Pfahlbaustationen des Mondsees: Tierknochenfunde. Mitt. d. Prähistor. Komm. Bd. 33. Öst. AdW 1997. 151 Seiten. OFFEN

Erich Pucher und Kurt Engl vermuteten bereits 1997, dass während des Neolithikums zwei verschiedene, dauerhaft isolierte Nutztierpopulationen in den Alpen existierten, die jeweils eine völlig unterschiedliche Geschichte und Herkunft hatten.

Pucher & Engl (1997) stellten auch fest, dass die Rinderknochen aus Mondsee gegenüber dem Donauraum von geringerer Größe und wesentlich graziler waren. Die Lage und Ausrichtung der Hornkerne zeigt mehr Ähnlichkeiten mit Rindern aus südlichen Regionen.


Rinder-Fußwurzelknochen aus verschiedenen Stationen:
Chamer Gruppe: Riekofen (Regensburg); Griesstetten (Oberpfalz) Altheimer Kultur: Ergolding (Landshut) Lasinja-Kultur: Keutschacher See Mondsee-Kultur: Mondsee-See, Pucher & Engl (1997) Frühneolithikum: Piancada (Friaul-Julisch Venetien) und Vasi a Bocca quadrata-Kultur: Razza di Campegine (Reggio Emilia) und Rocca di Rivoli (Turin).

Pucher 2003, Erich vergleicht die Rinder-Fußknochen der Stationen von Keutschach, Mondsee und anderen Stationen und schreibt: „Man kann zusammenfassen, dass die Rinder im Gebiet des Keutschacher Sees zwar nicht so groß waren, wie dies z. B. im Donauraum (Linienbandkeramik, Lengyel-Kultur, Baalberg-Kultur, Chamer-Gruppe, Jevišovice-Kultur usw.) der Fall war, aber doch ein wenig größer als jene vom Mondsee.
Die Grafik verdeutlicht die Größenverhältnisse an Hand der lateral gemessenen Rinder-Fußwurzelknochen. Die Messwerte der beiden Fundstücke vom Keutschacher See liegen am unteren Rand der beiden Chamer-Komplexe, doch knapp oberhalb des Mittelwertes der Mondsee-Population. Sie fallen aber ziemlich zentral in die Variationsreihen norditalienischer Serien, die etwas über dem Mondsee-Niveau liegen. Bemerkenswert ist die relativ niedrige Lage des Mittelwerts von Ergolding, einer Feuchtbodensiedlung der Altheimer Kultur, wozu der Autor (Neumann 1990, 20) aber selbst anmerkt, dass gerade kleinere Stücke überproportional vertreten sein dürften.“

Die Fußwurzelknochen von Auerochsen, Mondsee- vs. zeitgleiche Donauland-Rinder

Pucher 2010, Erich bringt auch einen eindrucksvollen bildlichen Nachweis der Größenverhältnisse der Fußwurzelknochen von Auerochse, Mondsee-Rindern und den zeitgleichen donauländischen Rindern, was sich auch in den ermittelten Widerristhöhen dieser Tiere mit Höhen von 180 cm, 115 cm und 130 cm deutlich widerspiegelt.

Dies ist umso interessanter, als die donauländischen Rinder bereits seit zwei Jahrtausenden in benachbarten Räumen lebten. Damit ist aber eine Abkunft der Rinder der Pfahlbauern von diesen recht unwahrscheinlich.

Bei Körpergrößen der Pfahlbauern von 160 cm der Männer bzw. 150 cm der Frauen ist es auch verstehbar, dass diesen Menschen kleines Vieh nicht unrecht war. Viel wesentlicher war aber die Anpassung des Viehs an Seehöhen von 400–600 m, wie in den Schweizer Herkunftsgebieten. In diesen Seehöhen setzt die Vergetationsperiode um drei Wochen später ein, sodass diese Rinder auch später kalbten als in den tieferen Lagen.

Link zu Weitere Literatur von Erich Pucher

Untersuchungen zu den Schafen der österreichischen Pfahlbauern

Schmölcke (2018), Groß, Nikulina: S. 106: Größe und Proportionen der Knochen zeigen, dass das am Mondsee gehaltene Vieh ausnahmslos kleiner und graziler war als seine gleichaltrigen Artgenossen im österreichischen Flachland. Die Größe der Schafe am Mondsee schwankte zwischen 57 und 69 cm (im Durchschnitt 62 cm) und diese Werte zeigen mehr Ähnlichkeiten mit Größenberechnungen von Pfahlbauten aus dem schweizerischen Westalpenraum als mit gleichzeitigen österreichischen Tieflandstandorten. Kurt Engl und Erich Pucher vermuteten bereits 1997, dass während des Neolithikums zwei verschiedene, dauerhaft isolierte Nutztierpopulationen in den Alpen existierten, die jeweils eine völlig unterschiedliche Geschichte und Herkunft hatten. Heute ist durch umfassende überregionale Vergleiche belegt, dass die Neolithisierung der Schweiz im Gegensatz zu Österreich nicht vom Balkan aus, sondern auf dem alternativen Weg entlang der mediterranen Küstenlinien und des Rhônetals erfolgte; dies zeigt sich auch in der antiken DNA von Schafresten. Im Gegensatz zu Österreich wurde also die gesamte Schweiz, einschließlich des Rhônetals, während des Neolithikums kontinuierlich von mediterranen Haltungstraditionen beeinflusst. Besonders deutlich wird diese Entwicklung an folgendem Beispiel: Zur gleichen Zeit, als Ostösterreichs Schafpopulationen zusammenbrachen, lebten im westlichen Teil der Alpen Hirtenvölker mit einer stark schafbasierten Wirtschaft.

Grömer (2018) & Saliari: S. 134: In der zweiten Hälfte des 4. Jahrtausends und der ersten Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr. lassen sich bemerkenswerte regionale Unterschiede erkennen. Die Tiere der Mondseekultur (3800-3200 v. Chr.) scheinen einen Sonderfall darzustellen. Die Analyse von Schaf- und Ziegenresten aus dem Fundort Mondsee weist auf wesentliche Unterschiede zu zeitgenössischen Schafknochen aus dem Donauraum hin.
Bei den untersuchten Schafresten aus Mondsee handelt es sich um kleinere Individuen (62 cm Widerristhöhe). Ihre Hornkerne kamen der Wildform sehr nahe, waren aber kleiner und wiesen mehr Ähnlichkeiten mit Tieren aus der Schweiz auf. Es wurde daher vorgeschlagen, dass diese Tiere entlang der Alpen nach Österreich gelangt sein könnten.
Pucher & Engl (1997) stellten fest, dass die Schafe und Ziegen der Mondseekultur einen hohen Grad an Einheitlichkeit aufwiesen, aber Unterschiede zu den im Vorland gefundenen Tieren zeigten.
Schaf-Funde der Badener Kultur aus der Slowakei und Ungarn zeigen bemerkenswerte Unterschiede. Die Analyse ergab, dass zw. 3500-2800 v. Chr. die Widerristhöhe um etwa 10 cm zunahm. Ähnliche Veränderungen wurden bis nach Norddeutschland festgestellt und mit der Ankunft neuer Schafpopulationen aus dem Nahen Osten und dem südöstlichen Mittelmeerraum in Verbindung gebracht. So wurde der Nachweis interpretiert, dass die ersten Wollschafe im späteren Neolithikum auftraten. Solche Größen-Veränderungen konnten jedoch für Österreich bisher nicht bestätigt werden (Schmitzberger 2009).

Literatur Annalen NHM 2018

Genetische Herkunft der Schafe in Europa und See/Mondsee

Statistik analysierter Schafzähne: Fundorte, Zeitperiode und Kultur, Datierung mit cal BC, Anzahl der aDNA-Proben, Aufteilung auf aDNA-Haplogruppen A und B
Graphische Darstellung (der korrigierten Abbildung): "Lokalitäten der aDNA der selbst analysierten alten Schafe (mit schwarzer Umrandung) und der lokale Anteil der Haplogruppen A (rot) und B (grün)". Korrigiert wurden hier die Kreisgrafiken von Mondsee (A=1 / B=12) Eilsleben (A=2 / B=9), Estonia (70-90 % B) und Brixlegg (A=1 / B=11). Die Ergebnisse der Studien von Geörg (2013, Balkan), Rannamäe (2016a, Estland; nun geändert) und Ferencakovic ((2013, Mufflon) wurden (ohne schwarze Umrandung) hinzugefügt. Die Größe der Kreisdiagrame ist proportional zur Anzahl der erfolgreich analysierten Zähne.

Histor. Lexikon der Schweiz: Schafe sind mit den Ziegen die ältesten wirtschaftlich genutzten Haustiere. Die Stammform des Hausschafs ist der südwestasiatische Mufflon. Die Domestikation erfolgte in den vorderasiatischen Bergregionen (Türkei, Irak, Syrien) im 9. Jt. v.Chr. In der Schweiz erscheinen die Hausschafe um 5000 v.Chr. in den jungsteinzeitlichen Siedlungen und in den ersten Seeufersiedlungen des Mittellands (bis 4100 v.Chr.), wo sie mit den Ziegen unter den Haustieren dominierten. Die jungsteinzeitlichen Schafe waren von grazilem Körperbau mit einem eher langgezogenen Schädel (durchschnittliche Widerristhöhe 63 cm).

[Die Stammform der Hausziege ist die Bezoarziege, welche heute noch in Gebirgsregionen Kleinasiens beheimatet ist; wurde um 8.000 v.Chr. domestiziert.]

Nikulina 2020, Elena und Ulrich SchmölckeThe first genetic evidence for the origin of central European sheep. bringen "erste Ergebnisse eines umfassenden Projekts zur Genetik der prähistorischen Schafbestände in Mitteleuropa. Es zeigt sich, dass Schafe während des Neolithikums auf zwei verschiedene Arten in Mitteleuropa eingeführt wurden und dass beide Bestände unterschiedliche genetische Strukturen aufwiesen. Eine östliche Population verbreitete sich von der Balkanhalbinsel über Ost-Österreich nach Norden und ergab eine Mischung aus einer dominanten Haplogruppe B mit einer stabilen Haplogruppe A. Eine andere Population erreichte Mitteleuropa über eine westliche Route über Italien und Frankreich und bestand aus Schafen mit der stark überwiegenden Haplogruppe B und geringer Haplogruppe A." (Abstract)

"falsche" Original-Grafik

Wie der Tabelle und der Grafik entnommen werden kann, sind die Schafe mit ausschließlich Haplogruppe B im Mittelmeerraum und Schleswig-Holstein - später auch in Frankreich - anzutreffen. Wie deutlich zu erkennen ist, gibt es gerade in Österreich im Neolithikum zwei unterschiedliche Schafherkünfte. Das Vorkommen von Ratzersdorf (östlich St. Pölten) ist das älteste in Österreich und weist recht hohe Anteile der Haplogruppe A auf. Demgegenüber sind die Anteile der Haplogruppe A bei den Schafen des Mondsees wesentlich geringer, was dagegen spricht, dass diese Schafe von donauländischen Schafen - die im Osten Österreichs schon seit über tausend Jahren vorkommen - abstammen.

Woher kamen nun die Schafe der Pfahlbauern vom Attersee und Mondsee?

Nikulina und Schmölcke schreiben dazu, dass es nicht auszuschließen ist, dass die Schafe dieser neolithischen Bauern nicht über die Balkanhalbinsel eingewandert sind, sondern sich zunächst entlang der Mittelmeerküste, später ins Rhonetal und schließlich ins westliche Mitteleuropa ausgebreitet haben, wo sich die Michelsberger Kultur entwickelte, deren Bevölkerung ausschließlich Schafe der Haplogruppe B besaß.

Diese Hypothese konnte von den beiden Autoren aber nicht endgültig verifiziert werden, da Proben von frühneolithischen Schafen aus Frankreich, der Schweiz oder dem Rheingebiet in deren Studie nicht integriert waren.

Sie meinen aber, dass es aber mehrere Argumente gibt, die dafürsprechen, dass diese Erklärung richtig ist: Erstens gehört das europäische Mufflon, der verwilderte Überlebende der neolithischen Schafe auf den Verbreitungswegen entlang der Mittelmeerküsten zur Haplogruppe B. Zweitens haben sie an der einzigen untersuchten südfranzösischen Fundstelle, der späteisenzeitlichen Siedlung Mirebeau-sur-Bèze in der Region Bourgogne-Franche-Comté, ausschließlich Schafe mit Haplogruppe B nachgewiesen. Drittens weisen in Nordwesteuropa (Großbritannien) alle traditionellen Schafrassen nur Haplogruppe B auf, während in Nordosteuropa die traditionellen Schafrassen ähnliche Häufigkeiten der Haplogruppe A und B aufweisen wie in (Ost-)Österreich tausend Jahre zuvor.

  • [Anm.: in der kleinen Abbildung wird die unrichtige, irreführende Darstellung aus obiger Veröffentlichung gebracht. Hinsichtlich der Korrektur vgl. die richtigen Daten in der obigen Tabelle.]

Verwendete Literatur zur Herkunft der Schafe

Die – überraschende – genetische Abstammung unserer Hausschweine

Archäologische Belege deuten darauf hin, dass die Domestizierung von Schweinen im Nahen Osten um ∼10 500 Jahren BP begonnen hat, und die mitochondriale DNA (mtDNA) deutet darauf hin, dass die Schweine zusammen mit den Bauern um ∼8 500 Jahren vor heute nach Europa kamen. Einige tausend Jahre nach der Einführung von Schweinen aus dem Nahen Osten in Europa verschwand jedoch ihre charakteristische nahöstliche mtDNA-Signatur immer mehr und wurde durch jene von europäischen Wildschweinen ersetzt. Dieser Wechsel ist auf einen beträchtlichen Genfluss von lokalen europäischen Wildschweinen zurückzuführen.

Die Analysen ergaben, dass europäische Hausschweine aus der Zeit von 7.100 bis 6.000 Jahren v.Chr. sowohl nahöstliche als auch europäische Kern-DNA-Vorfahren haben. Bis zum späten Neolithikum (3.000 v.Chr.) war der genomische Anteil der nahöstlichen Hausschweine in Europa auf unter 50 % gesunken, und der nahöstliche Anteil an den modernen europäischen Hausschweinen beträgt heute 0 bis 4 %. Das deutet darauf hin, dass der Genfluss von europäischen Wildschweinen zu einem fast vollständigen Verschwinden der nahöstlichen Vorfahren führte. Darüber hinaus zeigt sich, dass eine Variante an einem Gen-Ort, der für die schwarze Fellfarbe zuständig ist, aus dem Nahen Osten stammt und in europäischen Schweinen erhalten geblieben ist. Damit zeigt sich, dass Schweine zwar nicht unabhängig voneinander in Europa domestiziert wurden, dass sich aber der größte Teil der vom Menschen vermittelten Selektion in den letzten 5.000 Jahren auf die genomische Fraktion von europäischen Wildschweinen abstammt, und nicht auf die Fraktion, die von den frühen neolithischen Bauern in den ersten 2.500 Jahren des Domestikationsprozesses selektiert wurde. Neben dem nahöstlichen Fellfarbe-Gen blieb auch jenes für geringere Größe erhalten.

Verschmelzungs-Simulationen zeigen, dass eine genomische Ersetzung dieses Ausmaßes als Ergebnis der Aufmischung einer lokalen Population in eine eindringende Population dann zu erwarten ist, wenn die eindringende Population relativ klein ist und keine starken Barrieren für die Kreuzung bestehen.

[Vgl. hierzu auch die geringe Vermischung der anatolischen Bauern mit den mesolithischen Jägern/Sammlern; demgegenüber aber die enorme Geschwindigkeit und Intensität der Vermischung der Schnurkeramiker mit den Neolithikern ab 2.700 v.Chr.]

Das Ausmaß, in dem der nahöstliche Anteil der frühesten Hausschweine in Europa aus dem Genom des modernen europäischen Schweins getilgt wurde, ist beispiellos. Obwohl Verschmelzung auch zwischen lokalen Wildpopulationen und örtlich versetzten Haustieren [z. B. Rinder, Pferde, Hunde, Hühner, Ziege] und Pflanzenarten [z. B. Weintraube, Äpfel, Mais] nachweislich häufig vorkommt, sind Schweine die einzige Spezies, deren Genom so stark verändert wurde, dass ihre ursprüngliche Abstammung in modernen Populationen kaum noch nachweisbar ist. Dies deutet darauf hin, dass Schweine ein deutlich geringeres Maß an reproduktiver Isolation von ihren wilden europäischen Artgenossen erfahren haben als andere sich ausbreitende Haustiere, die in den Regionen, in die sie eingeführt wurden, auf eng verwandte Wildarten trafen [z. B. Rinder, Hunde].

Erläuterungen zu den Abbildungen: (A) Karte mit der Verteilung der ostasiatischen (blau), nahöstlichen( gelb), europäischen (rot) und Y2-Haplogruppen (violett) bei Wildschweinen. Die schwarzen Punkte stellen die Standorte von 696 modernen und alten Wildschweine dar. Karte B: Das große Kreisdiagramm rechts oben zeigt die Gesamthäufigkeit dieser Haplogruppen bei Hausschweinen, kleine Tortendiagramme zeigen die Häufigkeiten an verschiedenen archäologischen Orten zwischen 8.000 und 5.100 Jahren vor heute und in Karte C zw. 5.100 und 180 Jahren vor heute [[vor der industrieller Revolution und vor der Einführung asiatischer Schweine in Europa]. Karte D zeigt die Verteilung bei heutigen, modernen Hausschweinen.

Literatur zur Schweine-Genetik

Zielführende Forschungen zur Herkunft (der Tiere) unserer Pfahlbauern

Es ist heute einfach und kostengünstig möglich, antike DNA (aDNA) von Knochen z.B. der Schafe, Rinder und Schweine aus See/Mondsee mit solchen aus Cortaillod-Kulturen der Schweiz und auch von Egolzwil, Kleiner Hafner/Zürich aber auch vom Bieler See zu analysieren und ihre genetische Verwandtschaft zu vergleichen.

Das "Salz des Lebens" für die Neolithiker

Die existentielle Bedeutung des Salzes für den Menschen erkennt man insbesondere daran, dass „salzig“ eine eigene Geschmacksrichtung darstellt. Jäger/Sammler aßen gebratenes Fleisch, sodass das Salz im Fleisch beim Kochen nicht verloren ging. In pflanzlicher Nahrung ist kein Salz enthalten. Infolgedessen waren unsere Pfahlbauern zunehmend auf Kochsalz angewiesen, als sie immer mehr von der Jagd auf den Anbau von Kulturpflanzen übergingen.

Der Salzbedarf des Menschen beträgt zumindest 3 - 5 (WHO) Gramm pro Tag, wenn man schwitzt mehr.

Unzulänglicher Salzgehalt in neolithischen Nahrungsmitteln:

  • Getreide hat 0,02 g je 100 g; Erbsen haben 0,015 g Salz je 100 g, Äpfel 0,003 g je 100 g; Kirschen 0,01 g je 100 g.
  • Blut enthält rd. 1 g Salz je 100 ml. Der Salzgehalt beträgt bei Hirsch und Wildschwein 0,2 g je 100 g; bei Schaf, Ziege und Rind 0,18 g je 100 g, bei Reh 0,12 g Salz je 100 g Fleisch; rohe Milch enthält 0,12 g Salz je 100 ml; Fisch 0,16 g je 100 g; Hase, Fasan und Ente 0,1 g je 100 g.

Fansa 2006, Mamoun: → Wie baute man ein Haus vor 6.000 Jahren? In: Monumente Online; Landesmuseum Oldenburg. (Archäolog. Experiment der Salzgewinnung mit Briquettes)


Physische Symptome eines Natriummangels

Symptome eines Natriummangels sind: Unwohlsein, Kopf- und Muskelschmerzen, Erbrechen, Benommenheit und Verwirrtheit, Schwindel, Krämpfe.

Wikipedia: Bei chronischem Natriummangel führen Störungen von Gang und Aufmerksamkeit zu einem häufigeren Auftreten von Stürzen. Zudem kommt es unter Natriummangel zu einer verminderten Mineralisierung des Knochens und zu einer erhöhten Aktivität der Osteoklasten, Zellen, die Knochensubstanz abbauen. Die Folge ist eine Neigung zu Osteoporose und in Verbindung mit häufigeren Sturzereignissen ein vermehrtes Auftreten von Knochenbrüchen

Salzversorgung der Schweizer Neolithiker

Historisches Lexikon Schweiz: Neolithikum der Schweiz.: Ein wichtiger Rohstoff war Salz, das sich aber nicht nachweisen lässt. Die nächstgelegenen Salzquellen, die schon neolithisch genutzt wurden, befinden sich im französischen Jura, mit in der Tethys entstandenen bedeutenden Steinsalzlagern.

Salzversorgung der Mondseer/Atterseer Neolithiker

In Pfandl nahe Bad Ischl gab es die nächste Salzquelle für unsere Pfahlbauern.

Link zu → Literatur zur Salzversorgung der Neolithiker

Barta Claus: → Salzabbau in Europa (6.000 v.Chr.–500 n.Chr.); → Startseite

  • Anzeichen für die Nassgewinnung (Nutzung von mit Wasser ausgelaugten Salzschichten) und die damit verbundene Salzsiedetechnik findet man ab dem 6. Jt. v. Chr. in Mittel- und Osteuropa.
  • Das Restwasser wurde in tönernen Gefäßen („Briquetage“-Technik: Brique = franz. Ziegel) durch Holzbefeuerung entfernt. Es gab auch Briquetage in Kelchform, die auf Tonröhren im Feuer standen. Ein Nachbau des Landesmuseums Natur und Mensch in Oldenburg erbrachte bei einer Temperatur von etwas mehr als 100 Grad Celsius und einer Siedezeit von zehn bis zwölf Stunden eine Ausbeute von 325 Gramm festem Salzkuchen pro Tiegel.

Steingeräte und Steine-Know-how der Pfahlbauern vom Mondsee

Antl-Weiser 2006, Walpurga: Silexplatten als Grundform für Geräte in der Station See/Mondsee. Arch. Austr. 2006:96-103.
Eine monographische Aufarbeitung des Silexmaterials von See/Mondsee stand 2006 kurz vor dem Abschluss; es blieb aber bei dem hier besprochenen überblicksmäßigen Vorbericht, wohl wegen ihrer intensiven Befassung mit der „Venus von Willendorf“.

Die Silexgeräte der Station See/Mondsee sind aus Fragmenten von dünnen Silexplatten hergestellt. Antl-Weiser vermutet als Herkunft Baiersdorf in Bayern, sie können aber auch mit Abensberg verglichen werden. Sie untersuchte aus Plattensilex: 38 Pfeilspitzen, 16 Sichelmesser, 47 Messer und 23 kleinere Werkstücke.


Alexander Binsteiner war Lehrbeauftragter für „Europäische Silexlagerstätten“ an den Universitäten Innsbruck und Wien. Er wurde vor allem wegen gewagter Hypothesen zum "Mondsee-Tsunami" aber auch den Besuch von "Ötzi" am Mondsee bekannt.

  • Binsteiner 2006, Alexander: Das Silexinventar der Pfahlbausiedlung See/Mondsee. Linzer Archäolog. Forschungen Sonderheft 35, Linz 2006:23-40.
    • Binsteiner untersuchte 1182 Silexgeräte: 534 Pfeilspitzen, 228 Kratzer, 151 Klingen, 48 Sicheln, 7 Bohrer, 4 Schaber, 2 Schlagsteine und 1 Feuerstein.
      1142 Stück der Silexartefakte haben eine alpine Herkunft und nur 40 Stück sind Import: 28 Stück aus Baiersdorf-Plattenhornstein (Bayern, 320 km): 16 Sicheln; 8 Pfeilspitzen, 1 Messer, Bohrer sowie 8 Stück aus dem (ebenfalls bairischen) Arnhofen-Hornstein (davon 5 Messer); und 4 Stück aus Feuerstein vom Mt. Lessini (nahe Gardasee): 2 Klingen, 1 Schlagstein, 1 Feuerstein.
      Der weit überwiegende Anteil aller Silex-Artefakt-Typen stammt aus alpinen Gesteinen mit Ausnahme von jeder dritten Sichel (16 Importe zu 32 heimischen), 15 % der Bohrer (1 zu 6), 6 % der Klingen (9 zu 142), 2 % der Pfeilspitzen (9 zu 525).
      Pfeilspitzen wurden hergestellt aus Hornstein 292, Radiolarit 133, Spiculit 26, Plattenhornstein 11, Radiolarienhornstein 9, Spongiolit 2.
      Klingen, Messer wurden hergestellt aus Hornstein 76, Radiolarit 47, Spiculit 12, Plattenhornstein 2, Spongiolith 1.
      Sicheln wurden hergestellt aus Plattenhornstein 30, Hornstein 5, Spiculit 13.

Reiter 2011, Violetta: → Die Steinbeile vom Mondsee/Station See aus der Sammlung Matthäus Much. Diplomarbeit Univ. Wien 2011. Achtung: 339 MB; enthält auf S. 148 ff. auch Angaben zu → Materialien; mögliche Herkünfte entsprechend M. Götzinger (2008)

  • Bestimmung durch M. Götzinger 2008: Von den untersuchten 463 Mondseebeilen sind 64 % Metamorphite, 21 % Vulkanite (wahrscheinlich aus Böhmischer Masse), 10 % Plutonite und 5 % Sedimentgestein (wahrscheinlich von der Salzach). Bei den Metamorphiten ist Serpentinit mit 175 von 300 Stück am häufigsten, hat zumeist eine hell- bis dunkelgrüne Farbe und könnte vom Enns-Gebiet stammen.

Götzinger 2008, Michael: Die Steinrohstoffe der Mondseebeile in Slg. d. Inst. f. Ur- und Frühgesch. Univ. Wien, Archäologie Österreichs 19/2, 2008:39–42.

Götzinger 2006, Michael: Zur Rohstoffverteilung und -verfügbarkeit in der westlichen Lengyel-Kultur. Arch. Österreichs 17/2 2006:82–88.

Reiter 2013, Violetta: Ressourcenmanagement im Pfahlbau. Technologie und Rohmaterial der Steinbeilklingen vom Mondsee, Mitt. Präh. Komm. Wien 2013.

Holzgeräte aus der Station Zürich-Seefeld

Steiner-Osimitz 2002, Stefanie (Lizenziatsarbeit 2002): → Die neolithischen Holzgeräte von Zürich-Seefeld/Kanalisationssanierung
Anm.: zum Betrachten "doppelseitige" Kopie beachten!

Die Autorin berichtet umfassend über die Vielfalt der Holzgeräte und geht vor allem auf die so wesentliche Auswahl der Holzarten für die jeweiligen Verwendungszwecke ein.

  • Werkzeuge: Beile (Stangenholm mit Flügel-, Kolben- oder Keulenkopf, Hammeräxte, Kugelknieholme, Knieholme mit Zapfen),
    Schlägel, Keile, Handschutz, gestielte Blätter (Schaufel/Spaten/Paddel)
  • Ackergeräte: Hacken, Furchenstöcke
  • Jagdgeräte und Waffen: Bogen und Pfeile, Wurfholz, Netzschwimmer
  • Haushaltsgeräte: Messer, Gefäße (Schalen, Schüsseln, Schöpfer, Platten, Schalen, Rindenschachtel);
    Mörser; Löffel; Quirl; Back- oder Worfelschaufel; Spiralwulstgeflecht; Holzdolch; Spatel; Spitzen
  • Transportmittel und Steigbäume: Räder samt Radachse; Einbaum, Paddel und „Spielzeugeinbaum“; Steigbäume
  • Diverse Geräte: Stäbe; „Knebel“

Ab Seite 125 zeigt die Autorin auf 39 Tafeln illustrative Beispiele zu den einzelnen Fundgruppen.

Eine kurze Wellenkunde (mit Wirkungen auf Pfahlbau-Überreste)

Aus den nachfolgenden Darstellungen findet man als überraschendes Ergebnis, dass das wirkliche Pfahlbau-Problem in der raschen Überdeckung der Überreste mit tiefem Wasser besteht:

Lahnungsreste: Holzpfosten u. Weideruten zum Schutz von Sutz-Lattrigen, Rütte, am Bielersee nach 5 Jahren
völlig fehlende Überreste unter "Pfahlbau"-Badesteg; am Grund gibt es sogar nur mehr sehr große Steine:
als Vergleichsmaßstab dienen Schlapfen auf dem Steg
  • Bei Pfahlbaustationen am trockenem Strand müssen alle Überreste in kurzer Zeit in tiefes Wasser (zumindest 3–4 m) gekommen sein, da wegen der Wellen-Erosion bei langsamem Wasseranstieg (Jahre) keine Überreste gefunden werden könnten. Das gilt insbesondere für leichte, gerade untergehende Gegenstände aus organischem Material, die schon bei leichtem Wellengang in geringer Wassertiefe abgeschwemmt würden.
  • Diese Gegebenheiten sind auch relevanten Pfahlbauforschern deutlich bewusst, wenn Albert Hafner und Peter Suter 2004 schreiben: „Die prähistorischen Siedlungsreste am Bielersee sind durch die stetige Erosion der Flachwasserzone massiv bedroht. Deshalb findet im Bereich der Gemeinde Sutz-Lattrigen seit 1988 ein Grossprojekt zu ihrer Dokumentation und Rettung statt.“
  • Bei im niedrigen Wasser auf Piloten stehenden Pfahlbauten werden durch die Wirkung von normalen und besonders Sturm-Wellen im flachen Wasser unter den Gebäuden alle vergleichsweise leichten Gegenstände, die ins Wasser fallen – auch wenn gerade untergehend – laufend seewärts abtransportiert. Sturmwellen setzen unter solchen Bauten auch spezifisch schwerere Gegenstände in Bewegung und transportieren sie ab.
  • Bei Untiefen mit Siedlungen auf trockenen Grund und langsamem Wasseranstieg (Jahre) würde die erodierende Kraft von Starkwindwellen (4–6 Bft) und Stürmen wohl nichts übrig lassen (Wellenbrecher-Wirkung). Die Überreste auf Untiefen müssen in kurzer Zeit in tiefes Wasser gelangt sein. Winterstürme sind recht häufig (vgl. Kap. weiter unten), und wenn sie parallel zur Längs-Ausrichtung des Sees laufen, produzieren sie sehr lange und sehr hohe Wellen. Die grundnahe Wasserteilchen-Geschwindigkeit nimmt proportional zur Wellenhöhe zu und zieht – sogar quadratisch mit der Wellenhöhe ansteigend – immer größere und schwerere Gegenstände seewärts ab.
  • Falls beim Verlassen eines Pfahlbausees der Seeabfluss – aus welchen Beweggründen auch immer – bewusst durch Verlegung des Abflusses bis auf eine bestimmte Höhe unterbunden wurde, dauerte ein Aufstau um z.B. 4–5 Meter am Zürichsee rund 50 Tage, am Bodensee 125 Tage, am Mondsee 90 Tage und am Attersee 150 Tage; wahrscheinlich aber etwas länger, falls der Abzug der Siedler erst im Herbst nach der Ernte erfolgte.
  • Bei Kliffen – durch Brandungswellen entstanden – könnten unter dem seewärts abtransportierten Abraum-Material Überreste bisher nicht entdeckter Pfahlbaustationen „verschüttet“ und damit besonders geschützt sein, die mit Sondier-Bohrungen einfach auffindbar wären.

Verwendete Literatur

  • Coastal Engineering Research Center (CERC 1984): → Shore Protection Manual, Volume I. Department of the US Army 1984. Distribution Unlimited. (DIE STANDARD-Wellentheorie: Chapter 2 (S. 2-1 bis 2-30: Lineare Wellentheorie): Wellengeschwindigkeit, -länge und -periode; Sinuswellen; Fluidgeschwindigkeit und -beschleunigung; Wellenenergie und -kraft (mit Formeln und vielen Rechenbeispielen.)
Graph zur Ermittlung der maximalen Wassertiefe mit Sandbewegung (Hallermeier)
  • Coastal Engineering Research Center (CERC 1984): → Shore Protection Manual, Volume II (Strukturen; Strukturplanung: physikal. Faktoren; Techn. Analysen und Fallstudien; Tabellen und Tafeln)
  • Hallermeier 1981, Robert: → Critical wave conditions for sand motion initiation. 8 Theorie-Seiten. US Army Corps of Engineers (CERC 1981). Approved for Publication. (Schwell-Geschwindigkeit für Sandbewegungen; kritische Wellenbedingungen; Berücksichtigung anderer physikalischer Faktoren.)
    → S. 10: sinh-Funktionsgraph (vgl. Abb.) zur Ermittlung der maximalen Wassertiefe dmax, in der immer noch Sandbewegung ausgelöst wird.
  • Brown 2005, E. et al.: → Waves, Tides and Shallow-Water Processes. 2nd edition. Butterworth-Heinemann, Oxford, 227 pp; prepared by an Open University Oceanography Course Team. (Ausgezeichnete Darstellung!)
  • Hofmann 2019, Hilmar; Ostendorp, Wolfgang (Hrsg.): → Seeufer: Wellen – Erosion – Schutz – Renaturierung. 155 S., Konstanz 2019. (Kapitel 6: Messung und Modellierung von Wellen, Strömungen und Sedimenttransport in der Flachwasserzone von Seen S. 45-64; Kapitel 10: Archäologische Denkmalpflege in der Uferzone des Bodensees S. 117-126.)

Bewegung der Wasserteilchen in Tiefwasser- und Flachwasser-Wellen

Tiefwasserwellen

Bewegung der Wassertteilchen in einer Tiefwasserwelle

Tiefwasserwellen unterscheiden sich deutlich von Flachwasserwellen. Hier interessieren uns die ersteren vor allem aufgrund Ihres Entstehens, der von ihnen aufgenommenen Windenergie und die Mechanismen ihrer Fortbewegung.

Die Höhe von Wellen hängt ab von der einwirkenden Windkraft und der Länge, über die der Wind auf die Wellen einwirken konnte ("Fetch").

Wie der nebenstehenden Grafik zu entnehmen ist, bewegen sich die einzelnen Wasserteilchen kreisförmig und absolut nur recht langsam in Richtung der Wellenbewegung.

Mit der hier verlinkten → GIF-Animation von Tiefwasser-Wellen wird die Bewegung der Wasserteilchen über drei Wellenperioden veranschaulicht:

  • beginnend mit einem Teilchen am Wellenberg und
  • beginnend mit einem Teilchen knapp nach dem Wellental;
  • wie der Grafik zu entnehmen ist, bleiben die einzelnen Wasserteilchen etwa an der gleichen Stelle: weitergegeben wird nur die Bewegung der Welle in Wellenrichtung.

Wie der Abbildung und der Animation ebenfalls zu entnehmen ist, nimmt die (rotierende) Bewegung der Wasserteilchen mit zunehmender Wassertiefe rasch ab.

Geschwindigkeit der Wasserteilchen an einzelnen Stellen der Welle
  • Die Wasserteilchen haben am Wellengipfel die gleiche Geschwindigkeit wie die Wellenfortbewegung.
  • Daraufhin bewegen sie sich nach unten, um ein Wellental zu bilden;
  • dort bewegen sie sich mit der absolut gleichen Geschwindigkeit wie die Wellengeschwindigkeit – aber entgegengesetzt zur Wellenfortbewegung!
    [Anm.: Diese gegenläufige Bewegung der Wasserteilchen im Wellental wird für uns bei Annäherung einer Welle an eine Untiefe (vgl. hier z.B. "Kleiner Hafner" aber auch die sogenannten "Hügeli" am Bodensee) oder in flacheres Wasser von besonderem Interesse.]
  • In der Folge dreht sich die Bewegung der Wasserteilchen nach oben, um erneut einen Wellenberg zu erzeugen.

Übergang von Tiefwasserwellen zu Untiefen-Wellen

Wellenverhalten in der Brecher-Zone von Untiefen
Wellenenergie wird durch Untiefen "verbraucht" (Michael Streßer, Helmholtz-Zentrum Geesthacht)

Wenn sich Tiefwasserwellen einer Untiefe nähern, wird die Wassertiefe rasch geringer. Dadurch verändert sich die Dynamik innerhalb der Welle.

Wenn das Verhältnis von Wassertiefe d zu Wellenlänge L geringer als d/L < 1/2 wird, verändert sich die Wellendynamik in Richtung von Flachwasserwellen.

In der nebenstehenden Grafik sind die wesentlichen Gegebenheiten einer einlaufenden Welle beim Auftreffen auf Untiefen dargestellt.

Bereits bei der ersten Untiefe verändert sich das Zurück-Fließen der Unterströmung im Wellental, da diese Wasserteilchen zu spät aufsteigen, sodass sich erste Brecher bilden.

Bei der nächsten – seichteren – Untiefe verstärkt sich der Effekt, sodass sich vermehrt brechende Wellen ausbilden.

"Beim Brechen der Wellen wird die Energie, die in den Wellen steckt, freigesetzt und es werden starke Strömungen und Turbulenzen erzeugt (Michael Streßer). Dadurch werden Ablagerungen aufgewirbelt und umgelagert."

Falls eine solche Untiefe aus Sand oder Steinen (mit kleinem d50) besteht, werden diese in kurzer Zeit seewärts abtransportiert. Falls eine Wellenbrecher-Funktion dauerhaft bestehen soll, müssen Steine (mit sehr großem d50) verwendet werden.

Inwieweit die sogenannten "Hügeli" am Bodensee mit ihren Wellenbrecher-Wirkungen bei Weststürmen eine Funktion für die weitab im Südosten des Bodensees (z.B. Arbon Bleiche) situierten Pfahlbausiedlungen hatten, ist wohl nur vor Ort erforschbar.

Dass solche Überlegungen zu den "Hügeli" realitätsnahe sind, kann der Dissertation von Rolf Habel, TU Berlin (2001) → „Künstliche Riffe“ zur Wellendämpfung. entnommen werden.


erforderliche Wellenhöhe für eine Partikel-Mobilisierung in ... m Tiefe (vgl. Hallermeier, Robert: Seiten 9 und 10)

Solche Wellenbrecher-Effekte mit ihren "abscherenden Wirkungen" sind bei (u.U. langsam) ansteigenden Seespiegeln wohl auch bei den beiden heutigen Untiefen "Kleiner Hafner" und "Großer Hafner" bei Zürich aufgetreten.

Falls solche Gegebenheiten z.B. beim "Kleinen Hafner" über längere Dauer (entsprechend den Theorien zum Seespiegelanstieg nur in Jahrzehnten eintretenden Klimaänderungen) angehalten hätten, wäre wohl von den Kulturschichten und kulturellen Hinterlassenschaften äußerst wenig oder nichts übrig geblieben.

Dass das nicht eintrat, hängt unter anderem mit der vergleichsweise nur geringen Tiefenwirkung von Wellen zusammen, wie der nebenstehenden Grafik zu entnehmen ist – die für vergleichsweise schwere Partikel mit Rohdichten von 2,2 kg/dm3 gilt. Um in einer bestimmten Wassertiefe solche Partikel zu mobilisieren (und damit seewärts abzutransportieren) sind größere Wellen - in einer Wassertiefe von 4 m Wellenhöhen von über 1 m - erforderlich.

Der Umweltphysiker Hofmann vom Limnologischen Institut der Universität Konstanz spricht in diesem Zusammenhang davon, dass "selbst bei Windwellenhöhen von 1 m, die während eines Starkwindereignisses (4–8 Bft) auftreten können, die Wassertiefe, bis zu der Partikel remobilisiert werden können, nur ~3 m (beträgt)."

Dieser physikalische Zusammenhang ist auch ein wesentliches Argument dafür, dass Pfahlbaureste, die mit Ausnahme von Steinwerkzeugen zumeist ein nur geringes spezifisches Gewicht haben, nicht langsam, sondern sehr rasch in größere Tiefe (zumindest 3 - 4 m) kommen müssen, damit wir überhaupt noch etwas von ihnen vorfinden können.

Flachwasserwellen

Bewegung der Wassertteilchen in einer Flachwasserwelle
Vergleich seegrundnahe Flachwasser- zu Tiefwasserwelle

Tiefwasserwellen haben keine Auswirkungen auf tiefen Seegrund. Bei Annäherung von Tiefwasserwellen an flaches Wasser verändern sich aber die Strömungsverhältnisse deutlich. Falls das Verhältnis von Wassertiefe d zu Wellenlänge L geringer als 1/20 wird, kommt die abbremsende Wirkung auf das im Wellental rückströmende Wassers zur Geltung.

Wiederum wird mit der hier verlinkten GIF-Animation von Flachwasser-Wellen die Bewegung der Wasserteilchen über drei Wellenperioden veranschaulicht:

  • beginnend mit einem Teilchen am Wellenberg und
  • beginnend mit einem Teilchen im Wellental.

Das im Wellental rückströmende Wasser kommt mit dem Seegrund in Reibung, wodurch es abgebremst wird, aber auch Schub auf den Seegrund entgegen der Wellenrichtung ausübt. Damit kommt diese Wassermenge aber für die neue Wellenbildung zu spät, während sich die Teilchen am Wellenberg weiterhin mit gleicher Geschwindigkeit wie die Welle in Wellenrichtung bewegen: dadurch werden die Wellen kürzer und steiler und beginnen in der Folge zu brechen.

Die Wasserteilchen können nun keine kreisförmige Bewegung mehr ausführen, vielmehr wird diese in eine elliptische Bewegung verformt – die am Seegrund sogar noch stärker „eingedellt“ wird.

Die Wellen "ziehen" aufgrund der "rollenden" Bewegung der Wasserteilchen in der Welle – oben in der, unten aber gegen die Wellenbewegung – bei Annäherung an das flache Ufer Material vom Seegrund entgegen der Wellenrichtung in Richtung See.

Wellen-Physik und Formeln im Flachwasser

Welleneigenschaften.png

In der nebenstehenden Grafik sind die wesentlichen Welleneigenschaften einer konkreten Messung (nach Hofmann 2019, Hilmar) dargestellt. Dabei bedeuten:

  • Hmax … maximale Wellenhöhe (zw. Wellenberg und Wellental) in [m]
  • Ts … signifikante Wellenperiodendauer in [s]
  • WL … Wellenlänge zw. zwei Wellenbergen in [m]
  • umax … maximale grundnahe Strömungsgeschwindigkeit (hier in 1 m tiefem Wasser) in [m/s]
  • BSS … Bodenschubspannung in [N/m2]
  • d50 … mobilisierbare Korngröße in [mm]
  • EF … Wellenenergiefluss in [W/m2]

Man erkennt, dass die maximale welleninduzierte grundnahe Strömungsgeschwindigkeit direkt mit der maximalen Wellenhöhe korreliert. Mit der Strömungsgeschwindigkeit ist klarerweise die Bodenschubspannung direkt verbunden. Deren Kraft muss eine bestimmte Höhe erreichen, um Partikel bestimmter Korngrößen mobilisieren zu können.

Bei Starkwindereignissen erreichen Wellen Höhen von 0,5–1,2 (2) m, Periodendauern von 2–2,5 (3) s und Längen von 6–12 (15) m. Damit verbunden sind grundnahe (in 1 m Wassertiefe) Strömungsgeschwindigkeiten von 0,5–1,5 (2) m/s und Bodenschubspannungen von 10–50 (80) N/m2; diese können Partikel von 1–10 (15) mm mobilisieren. Der Wellenenergiefluss erreicht 100–500 (800) W/m2.

Maximale grundnahe Wasserteilchen-Geschwindigkeit im Flachwasser

Grundnahe Teilchengeschwindigkeit.png
Wellendaten Kleiner Hafner mit Hmax = 2 . Hsig lt. "Guide"

Die maximale grundnahe Wasserteilchen-Geschwindigkeit in [m/s] errechnet sich unter Verwendung der nebenstehenden Formel von Brown (2005): → Waves, Tides and Shallow-Water Processes, wobei

  • umax = maximale grundnahe Geschwindigkeit der Wasserteilchen in [m/s]
  • π = Kreiszahl Pi = 3,1415926
  • H = Wellenhöhe (zw. Wellenberg und Wellental) in [m]
  • T = Wellenperiodendauer (Dauer zwischen zwei Wellenbergen) in [s]
  • sinh = sinus hyperbolicus
  • h = Wassertiefe in [m]
  • λ = Wellenlänge zwischen zwei Wellenbergen in [m]

(Der Sinus hyperbolicus im Nenner wirkt sich wie folgt aus: Nimmt man die grundnahe Teilchengeschwindigkeit umax bei einer Tiefe h = 1 m als Basis, so reduziert sich diese bei 2 m auf 1/3, bei 3 m auf 10 %, bei 4 m auf 3 % und bei 5 m auf 1,3 %.)

Notwendige Geschwindigkeit zur Teilchen-Mobilisierung am Flachwassergrund

Mobilisierungsgeschwindigkeit.png

Die notwendige Geschwindigkeit in [m/s] zur Mobilisierung von Teilchen am Flachwassergrund wird unter Verwendung der Formel des US Army Corps of Engineers (1984): → Shore Protection Manual aus den folgenden Parametern bestimmt:

  • umax, res = notwendige Geschwindigkeit der Wasserpartikel für Mobilisierung von Partikeln am Flachwassergrund in [m/s]
  • ρs (ros) = spezifisches Gewicht der Partikel am Flachwassergrund (= 1,0 g/cm3 für gerade untergehendes Holz bis 2,2 g/cm3 für Steine oder Material von abgeräumtem Kliff)
  • ρw (row) = spezifisches Gewicht von Wasser (= 1,0 g/cm3)
  • g = Erdbeschleunigung (= 9,81 m/s2)
  • d50 = mittlere Korngröße [m]

Der Wert des Bruchs der Rohdichten [ρs (Partikel) / ρw (Wasser)] tendiert bei ähnlichem spezifischem Gewicht zum Wert "1", sodass die erforderliche Ablöse-Geschwindigkeit des Wassers für solche Partikel gegen Null tendiert.

Untergehendes Holz, biologisches Material (Getreide, Stoffe, Holz-Werkzeuge usw.) haben anfänglich ein ähnliches Gewicht wie Wasser, sodass sie leicht vom Flachwassergrund abgeschwemmt werden können.

Geröllsteine (z. B. eingebracht über Schwemmkegel von Bächen, aber auch im Zuge von Kliff-Bildungen) haben dagegen eine spezifische Dichte von etwa 2,2 - 2,5 g/cm3. Hallmeier gibt folgende spezifische Gewichte an: Quartz 2,65 g/cm3 und Calcit 2,71 g/cm3.

Weitere → Rohdichten-Werte: Holzkohle: 1,4 g/cm3 (porenfrei, schwimmt nicht) ... 0,45 g/cm3 (porös, schwimmt); Getreidekörner: schwimmen nicht; Sand (Ufer): 1,8...2,6 g/cm3; Erde, nass: 1,6...1,8 g/cm3.

Die Rohdichte ρ der Zellwandstruktur von Holz beträgt 1,5 g/cm³; jene von Wasser 1,0 g/cm³.

Die Rohdichte von trockenem und von → frisch geschlagenem Holz beträgt etwa in g/cm3:

Eiche: 0,65…0,93; frisch geschlagen 0,970; Buche: 0,68…0,88; frisch geschlagen 0,910; Esche: 0,58...0,65; frisch geschlagen; 0,860; Kiefer: 0,49…0,86; frisch geschlagen 0,860; Ahorn: 0,45...0,59; frisch geschlagen 0,790; Tanne: 0,42...0,46; frisch geschlagen 0,750; Erlen: 0,48...0,53; frisch geschlagen 0,710; Fichte: 0,43…0,64; frisch geschlagen 0,680; Pappel: 0,38...0,45; frisch geschlagen 0,560.

Mobilisierbare Korngrößen abhängig von der Wasserteilchen-Geschwindigkeit

Korngrößen.png

Nach Umformung der vorigen Gleichung des US Army Corps of Engineers (1984): "Shore Protection Manual I" findet man eine Formel zur Bestimmung der (mittleren) Korngrößen d50 in [m], die mit einer bestimmten Wasserteilchen-Geschwindigkeit am Flachwassergrund mobilisiert werden können. Die hierbei verwendeten Parameter sind:

  • d50 = mittlere Korngröße in [m]
  • umax = welleninduzierte grundnahe Teilchengeschwindigkeit der Wasserpartikel in [m/s]
  • ρs (ros) = spezifisches Gewicht der Partikel am Flachwasserboden (mit 1,0+ g/cm3 für gerade untergegangenes Holz und bis 2,2 g/cm3 für Steine oder Material von abgeräumtem Kliff)
  • ρw (row) = spezifisches Gewicht des Wassers (= 1,0 g/cm3)
  • g = Erdbeschleunigung = 9,81 [m/s2]

Im Nenner tendiert der Wert des Bruchs der Rohdichten von [ρs (Partikel) / ρw (Wasser)] bei ähnlichem spezifischem Gewicht zum Wert "1", sodass der Wert des Nenners gegen Null geht und sich sehr hohe d50-Werte ergeben. Es ist auch klar, dass Partikel mit einem spezifischen Gewicht ähnlich Wasser – schon wegen des Auftriebs – sehr leicht mobilisierbar sind.

Aus der ersten, obigen Gleichung erkennt man auch, dass die grundnahe Wasserteilchen-Geschwindigkeit proportional mit der Wellenhöhe ansteigt. Die Größe der vom Grund mobilisierbaren Partikel steigt aber mit dem Quadrat der Wasserteilchen-Geschwindigkeit und damit auch mit dem Quadrat der Wellenhöhe.

60-cm-Wellen mobilisieren im Vergleich zu 20-cm-Wellen rund 9mal größere Partikel, 1-m-Wellen 25mal größere Partikel seewärts.

Illustrierendes Wellen-Beispiel bei Friedrichshafen

Starkwindwellen Friedrichshafen (25.4.2019)
Foto: Andreas Ambrosius (→ Artkel im Südkurier)
Schwan locker gg Sturmwellen (25.4.19) Video von
Andreas Ambrosius (→ Video im Südkurier: 0:40)

Wie in der Abbildung der drei Wellen deutlich zu erkennen ist, beginnt die rechte Welle das Verhältnis von Wassertiefe (ca. 2 m) zu Wellenlänge (ca. 8 m) mit dem Grenzwert von d/L < ½ deutlich zu unterschreiten, sodass die Welle zu brechen beginnt. Klar ist zu erkennen, dass die Wasserpartikel am Wellenkamm gegenüber dem rückfließenden Wasser im Wellental überhöht werden: die Welle beginnt zu brechen.

Bei der mittleren Welle erkennt man, dass sich das rückfließende Wasser des Wellentals unter den heraneilenden Wellenberg schiebt und damit der Wellenkamm auf der ganzen Breite nach vorne stürzt.

Die linke Welle ergießt ihre verbleibende Bewegungsenergie der Wassermasse des Wellenbergs Richtung Ufer.


Dass das Wasser zwischen den Wellenbergen seewärts strömt, ersieht man im Video des locker gegen die Wellen schwimmenden Schwans (im nebenstehenden Video ab 40 sec.), der sich zwischen den Wellenkämmen wegen der ablandigen Grundströmung im Wellental nur wenig anstrengen muss; nur bei den Wellenkämmen muss er "durchtauchen".

(Anm.: Der gleiche Effekt ist bei Surfern am Meer zu beobachten, die zwischen den Wellenkämmen nur wenig paddeln müssen, um aufs offene Meer zu kommen; schwierig sind immer nur die Wellenberge.)

Kliff-Bildungen – bestens erhaltene Pfahlbauten?

überdeckt Kliff-Material viele Pfahlbau-Stationen?
4-m-Kliff des Rosenwinds in Latzl-Bucht, Nußdorf Seegrund bis auf 7-cm-Steine seewärts abgeräumt
2-m-Kliff beim Seitlhof-Strand in Latzlhof-Bucht
2 - 5 m hohes Kliff-Ufer in Nußdorf a.A.12.000 m²

Kliffe sind Steilhänge eines Festgesteins oder eines scherfesten Lockergesteins (z.B. Bach-Schüttkegel) an einem Abbruchufer eines Sees oder an einer Abbruchküste eines Meeres.

Typische Reliefformen der Erosion sind Kliffs, also Steilböschungen im Uferbereich, die sich durch Welleneinwirkung in ein standfestes Substrat (z. B. Bach-Schüttungen) gegraben haben.

Ursprünglich waren kleine Kliffkanten mit Höhen von wenigen Dezimetern bis etwa 2 Meter an Seen weit verbreitet, wurden aber durch Vorschüttungen und Ufermauern abgedeckt oder im Zuge von Erosionssicherungsmaßnahmen (‚Seehang-Sanierung‘) durch Geröll- und Steinschüttungen gesichert.

Wesentliche Prozesse sind

  • die Brandung, die zu einer Brandungshohlkehle führt,
  • Scherkräfte innerhalb des Lockergesteins, die zu einem Abrutschen von Hangmassen führen, und
  • Wellen, die zu einem Abtransport des abgerutschen Lockergesteins Richtung See führen.

Am Attersee finden sich solche Kliff-Ufer, die vor allem dem sommerlichen nord-östlichen Rosenwind mit recht kontinuierlicher Windstärke von etwa 4 Bft (ca. 30 kmh) und einer Wind-Anlauflänge von rund 10 km ausgesetzt sind.

Seltene, aber besonders extreme Wellen bis zu 2 m produzieren Südstürme bis Orkanstärke (11 Bft).

Die z.B. in Nußdorf am Attersee vorzufindenden Ufer-Kliffe haben Höhen zwischen 2–5 m über dem Wasserspiegel.

Das Material, das ursprünglich von der historischen Kegelschüttung des Nässltalbachs stammt, wurde durch die Brandungswellen abgeräumt und seewärts abtransportiert.

Ähnliche Kliff-Verhältnisse gibt es bei den Pfahlbaustationen bei Abtsdorf und deutlicher bei Aufham.

14C-Datum VRI-300 1971: Latzlbucht Nußdorf a.A.

Der Doyen der österreichischen Pfahlbauforschung Johann Offenberger vermutete bereits im dritten Jahr (1971) seiner Unterwasser-Forschungen eine Station in der sogenannten „Latzl“-Bucht in Nußdorf.

Diese Stelle wäre für eine Pfahlbaustation recht günstig gelegen und hätte über eine Fläche von 1,2 ha verfügt (vgl. die nebenstehende Abbildung).

Obwohl Offenberger nicht selbst über Pfahlbau-Fehlsuchen in den offiziellen „Fundberichten aus Österreich“ berichtet, gibt es doch einen indirekten Nachweis dafür, dass er dort eine Pfahlbaustation annahm: vgl. hierzu die beigefügte Radiokarbondatierung eines Pfahles durch das Vienna Radium Institute (VRI) mit der niedrigen Nummer 300. (VRI-Kommentar: "Das Datum widerspricht der Annahme eines neolithischen Pfahlbaus.") Diese VRI-Zeitbestimmung war erst die zweite vom Attersee – nach jener der Pfahlbaustation Misling.

Unter Berücksichtigung der Menge des durch Brandungswellen abgeräumten und seewärts transportierten Materials konnte Offenberger ehemals in der Latzl-Bucht keinen möglichen Pfahlbau entdecken, da ein solcher rezent unter einer meterdicken Geröllschicht gelegen wäre.

Es wäre heute am Attersee und auch an anderen Seen mit vergleichbaren Ufer-Kliffen einfach möglich, durch Sondierungs-Bohrungen festzustellen, ob unter solchen Geröllschichten Spuren von Kulturschichten zu finden sind.

Das wäre umso interessanter, da durch solche Überdeckungen bestens erhaltene bisher unentdeckte Stationen gefunden werden könnten.

Anm.: Heutige Sicherungsmaßnahmen für erosionsgefährdete Stationen werden mittels Steinschüttungen in äquivalenter Weise bewerkstelligt (vgl. gleich den folgenden Abschnitt).

Gefährdung von Pfahlbauten durch Wellen und Niedrigwasserstände

Gefährdung von Stationen durch Wellenerosion

schraffiert: Juragewässerkorrektion, schwarz: "harte" Uferbefestigungen

Im Folgenden werden relevante Veröffentlichungen zur Gefährdung von Pfahlbaustationen durch Erosionsvorgänge gebracht.

Ramseyer, D. et al. (Eds.): → Archéologie et erosion Bd 1; 1996. 118 S.

  • Iseli, Christoph: Erhaltung und Wiederherstellung des natürlichen Ufers des Bielersees: Was ist zu tun? [Anm.: Durch die Juragewässer-Korrektionen wurde der Seespiegel des Bielersees abgesenkt, sodass dadurch die Pfahlbaustationen nunmehr in seichterem Wasser liegen. (siehe nebenstehende Abbildung)]
  • Courboud, Pierre: Natürliche Erosion und das Verschwinden von prähistorischen Unterwasserstätten am Genfersee

Archéologie et Érosion 2: → Gefährdete Feuchtgebiete. 2006; 133 Seiten.

  • Hafner, Albert: Schutzmaßnahmen zur Erhaltung der archäologischen Stätten am Bielersee
  • Brem, Hansjörg: Diktiert die Wirtschaft die Zerstörung oder die Erhaltung von Seenstationen? Die "in situ"-Erhaltung im Kanton Thurgau
  • Eberschweiler, Beat: Zerstörung der Pfahlbauten in den Zürcher Seen: Verschiedene Ursachen, angemessene Antworten
  • Köninger, Joachim et Schlichtherle, Helmut: Erosionsschutzmaßnahmen an Seeuferstationen im deutschen Teil des Bodenseeufers. Aktueller Stand der Erfahrungen und neue Projekte
Ufererosion im Flachwasserbereich. D = L/2 →
Niveau der Wellenwirkung, mit L = Wellenlänge

Archéologie et Erosion 3 → Monitoring und Maßnahmen. 2015, 210 Seiten.

  • Pohl, Henrik: Erste Ergebnisse und Massnahmen zum Schutz der prähistorischen Seeufersiedlungen in Österreich. S. 71–78.
  • Marianne Ramstein und Jürgen Fischer: Erosionsschutz in Sutz-Lattrigen (Bern). Forschungsstand, Erfahrungen und Perspektiven. S. 93–100.

Entsprechend dem Wellen-ATLAS der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Quelle: https://swisslakes.net/) können die daraus gewonnenen und nachfolgend angegebenen Werte der Wellenhöhen - wobei Hmax mit 2 . Hsig anzusetzen ist - verwendet werden. Bei einer Wassertiefe von D = L/2 beginnt die Wirkung auf den Seegrund. Daraus erkennt man, dass ob der großen Wellenlängen vor allem an den großen Seen mit langem Fetch viele Unterwasserstationen gefährdet sind. Das gilt insbesondere für den abgesenkten Bielersee.

Gefährdung von Stationen durch Niedrigwasserstände

LU-BW 2011: "Die Flächen der Stationen in Baden-Württemberg liegen heute größtenteils unter Wasser. Während Niedrigwasserzeiten kann jedoch der Wasserstand bis zu Ober- bzw. Untergrenzen dieser Flächen fallen. Erreicht oder unterschreitet der Wasserstand die Obergrenze, führt dies zu sehr geringer Wasserüberdeckung meist verbunden mit starkem Wellengang und damit zu Schädigung bzw. Zerstörung der Siedlungsareale. Erreicht der Niedrigwasserstand die Untergrenzen der Flächen, fallen die Siedlungsareale (Pfahlfelder und Kulturschichten) trocken und können durch Frost und Lufteinwirkung zerstört werden."

Freifallen von Siedlungsarealen aus dem Neolithikum
bei Niedrigwasser am Bodensee/Ober- und Untersee
Höhe der Siedlungsareale
in [m+NN]
Schichten-
Obergrenze
Schichten-
Untergrenze
Unteruhldingen/Stollenwiese 394,50 393,25
Obermaurach/Ziegelhütte 394,25 393,40
Sipplingen/Osthafen 394,30 393,20
Bodmann-Schachen I 394,00 < 393,00
Litzlstetten/Krähenhorn 395,00 393,80
Mammern-Langhorn 393 391
Steckborn „Turgi“ 394 393
Steckborn „Schanz“ 394 391
Ermatingen „Westerfeld/Büge“ 393 390
Arbon Bleiche 3 (nun an Land) 396,00 < 393,90

Quellen: LU-BW: → Bodensee-Wasserstände, 2011, S. 114; Wininger/Hasenfratz : → Ufersiedlungen am Bodensee, 1985; Leuzinger, Urs: → Arbon Bleiche 3 - Befunde. Dissertation 2000, S. 12.

Die Stationen: Kreuzlingen „Seeburg“, Bottighofen „Schlössli-Neuwies“, Landschlacht- Seedorf, Altnau „Ruderborn“, Güttingen, Kesswil „Seedorf“ und Uttwil „Unterbäche“ konnten (obwohl für sie konkrete frühere Pfahlbaufunde vorliegen) von Wininger/Hasenfratz – wohl wegen Erosion – trotz systematischer Bohrungen und Betauchungen nicht mehr aufgefunden werden.

Simulierte Windstärken und -richtungen an Pfahlbauseen

Verwendeter Farb-Code für die Windgeschwindigkeiten

Der Farbcode der von → „Meteoblue - Weather for you“ simulierten Windgeschwindigkeiten der nachfolgenden Diagramme ist der nebenstehenden Legende zu entnehmen.

(Anm.: Klarerweise können heute die ehemaligen Windgeschwindigkeiten und -richtungen zur Zeit der Pfahlbauern nicht rekonstruiert werden. Durch die Wirkung des Golfstroms könnten aber die meteorologischen Verhältnisse in etwa zutreffen. Aussagen der Paläobotaniker über ein vergleichsweise ähnliches Klima (z.B. Lüdi) sind hier hilfreich.)

Windstärken je Monat und See

Die Diagramme der einzelnen Seen zeigen die Anzahl der Tage im Monat, an denen der Wind eine gewisse Geschwindigkeit erreicht. Die höheren Windgeschwindigkeiten (gelb: über 50 kmh; orange: über 61 kmh) treten vor allem in den Wintermonaten Dezember-März auf.

Mit dem Link "→ Daten" gelangt man zum jeweiligen See; durch Hinunter-Scrollen kommt man zu den Grafiken Windgeschwindigkeit (und Windrose), wo detailliertere Daten angegeben sind.

Zugehörige Windrosen samt Windgeschwindigkeiten je See

Die Windrosen für die einzelnen Seen zeigen durch den Abstand vom Zentrum mittels den Kreisen gleicher Zeitdauern, an wie vielen Stunden im Jahr der Wind aus welcher Richtung geweht hat.

Der Farbcode der Windgeschwindigkeiten in den einzelnen Windrichtungen der einzelnen Diagrammen ist der oben angegebenen Legende zu entnehmen.

Häufigkeit von Winterstürmen je Monat

Entsprechend dem → Wintersturmkalender bedeuten Windböen-Maxima von über 130–180 km/h auf dem Feldberg im Südschwarzwald regelmäßig auch stürmische Verhältnisse in der Schweiz und in Oberösterreich.

Solche Sturmtage gab es in den einzelnen Monaten der 67 Jahre zwischen 1955–2022: Oktober 49 Sturmtage; November 82 Sturmtage; Dezember 137 Sturmtage; Jänner 162 Sturmtage; Feber 127 Sturmtage; März 72 Sturmtage.

Im Schnitt ergeben sich damit für die einzelnen Monate: 0,7 Sturmtage je Oktober; 1 ¼ Sturmtage je November; 2 Sturmtage je Dezember; 2,4 Sturmtage je Jänner; 1,9 Sturmtage je Feber und 1,1 Sturmtage je März.

Allein am Bodensee gab es im Zeitraum 2000–2020 jeweils im Winterhalbjahr insgesamt → 21 Föhnstürme mit Windgeschwindigkeiten von 70–120 kmh.

Winterkälte 1962/63 am Bodensee und Attersee

Der Winter 1962/63 war der 3. „Jahrhundertwinter“ nach den Jahren 1929 und 1947; mit Eisschollen auf dem Rhein und 125 Frosttagen. Es war der kälteste Winter der 2. Jahrhunderthälfte. Der Bodensee war in seiner ganzen Fläche zugefroren.==Vorausetzungen für Erhaltung von Pfahlbauresten; mögliche Experimente==



Wininger zu Voraussetzungen für langfristige Erhaltung

  • Winiger 1984, Josef: Nachtrag zum Pfahlbauproblem. In: → Helvetica Archaeologica 1984, S. 83-92.

"Es wurde zwar erkannt, dass am Phänomen der «Pfahlbauten» verschiedenartige Kulturen beteiligt sind, das «Pfahlbauproblem» wurde aber doch als Einheit behandelt. Gleichartigkeit der Bauweise ist nach allgemein ethnologischer Erfahrung am ehesten im Rahmen der Einheit einer Kultur zu erwarten. Die Einheit «Pfahlbauproblem» ist aber nicht aus einer Einheitlichkeit des Siedlungswesens abzuleiten, sondern aus einer Gleichartigkeit der Erhaltungsbedingungen: Die Erhaltung organischer Siedlungsreste ist an die Bedingungen des Überdecktwerdens und des Feuchtbleibens gebunden. Solche Bedingungen setzen langfristige massive Seespiegelschwankungen voraus."


Sturm Sabine beim "Kleinen Hafner" am 10.2.2020
Ramstein, M. & Fischer, J.:zerstörerische Westwind-Wellen laufen auf Fundstelle Sutz-Lattrigen, Rütte auf

Zitat: "In der Pfahlbauvorstellung ist eine Erklärung der guten Erhaltung organischen Materials mitenthalten in der Annahme, die Abfälle und Ruinen der Dörfer seien direkt ins Wasser gefallen und im Seegrund allmählich einsedimentiert worden, was ihre Konservierung über Jahrtausende ermöglichte. Daran ist sicher richtig, dass die Einlagerung der Siedlungsreste in ständig feucht bleibendem Seegrund ihre Zersetzung verhinderte. Unzutreffend scheint mir hingegen die Vorstellung, dass ins Wasser fallende organische Materialien dort kompakte torfige Schichten mit Aschen- und Mistlagen usw. bilden könnten, wie sie tatsächlich vorgefunden werden. Damit würde die Rolle der Wellenerosion unterschätzt, die bei regelmässig auftretenden Stürmen die Oberflächen der Strandplatten aufwühlt und die Bildung kompakt-organischer Schichten verhindert. Deshalb müssen für die Erhaltung von Kulturschichten und Objekten aus organischem Material an Seeufern mindestens drei Bedingungen erfüllt sein:

1. Siedlungsabfälle und -ruinen müssen dauernd feucht geblieben sein, damit sie nicht zersetzt werden konnten.
2. Sie müssen zudem überdeckt worden sein, damit sie durch die ständigen Wellenbewegungen nicht aufgewirbelt und fortgespült wurden.
3. Sie dürfen auch in späterer Zeit nie in eine Höhenlage geraten sein, in welcher längerdauernde Erosion zu ihrer Abtragung führen konnte.

Die Pfahlbautheorie erklärt nun nicht, wie es zu einer Überdeckung von Kulturschichten kommen konnte, welche zwar häufige und deutliche Erosionsspuren aufweisen, ebenso häufig aber auch kompakte organische Lagen enthalten, die unter Wasser kaum entstanden sein können. Es wären bestenfalls Mischungen von organischen mit limnischen Sedimenten zu erwarten, die ebenfalls auftreten können und dann als Folge von Erosion und Umlagerung zu deuten sind."

Die Autoren entwerfen folgendes Bild: "Ginge man von der Annahme begehbaren Siedlungsgrundes aus - also von Dörfern, die nicht im Wasser standen-, so erklärten sich jene Eigenschaften der Kulturschichten, die auf Bildung am Trockenen hinwiesen. Dann aber mussten die Seen zur der Zeit, als diese Dörfer standen, viel kleiner gewesen sein als heute und sich später wieder ausgedehnt haben, so dass die unterdessen gebildeten Siedlungsruinen wieder überschwemmt wurden. Bei dauerhaften Seehochständen konnten die Ruinenschichten dann durch Seekreide überdeckt und in diese eingelagert werden. Damit erklären sich sowohl die Merkmale der Bildung am Trockenen, als auch die allgegenwärtigen Erosionserscheinungen und auch eventuelle Umlagerungsschichten. Ging der See wieder stark zurück, so konnte ein neuer Zyklus Siedlung-Überschwemmung-Einlagerung beginnen."

Zusammenfassend schreiben sie: "ist festzuhalten, dass es massive und längerdauernde Seespiegelschwankungen … gegeben haben muss." (Ohne einen Nachweis fügen sie (leider) erläuternd hinzu: "… als Folge übergreifender klimatischer Faktoren …".)

Einfach mögliche Grundlagenforschung zum Pfahlbauproblem

Auch heute noch gibt es "richtige Pfahlbauten", insbesondere in Südostasien, auf den Nikobaren, in Westafrika, auf der chilenischen Insel Chiloé und in Neuguinea. In Südamerika werden im Wasser stehende Pfahlbauten allgemein als Palafitos bezeichnet. Vgl. hierzu:

Es bietet sich an, bei im Wasser von Seen auf Piloten stehenden bewohnten Pfahlbauten zu eruieren, inwieweit deren ins Wasser gefallene Abfälle (z. B. Hölzer, Äpfel, Getreidekörner, Textilien, Netze, Tierkot usw.) Kulturschichten ergeben, die jenen der neolithischen Pfahlbauten ähneln.

Es würden sich in räumlicher Nähe anbieten: der Pfahlbau-Nachbau Kammerl am Attersee (12 Jahre in Betrieb; dann 2022 verbrannt: was ist davon – nach 100 Jahren im Flachwasser – noch zu finden?), aber auch die Station Unteruhldingen. Pfahlbauten in heimischen Seen sind auch die vielen Bootshütten – bei denen aber vergleichsweise wenig „natürlicher Abfall“ ins Wasser fällt – dieser wäre eben künstlich einzubringen.

Klima und Seespiegelschwankungen

Weyregger Pfähle und Tag/Nacht-Bereich der Pfähle

Schmidt 1982, Roland: Pollen und Großreste aus der neolithischen Station Weyregg I am Attersee, OÖ. Fundberichte aus Österreich 21, 1982:157–169.
* Zwei von rd. 20 cm Seekreide getrennte Kulturschichten; Pfähle aus der unteren Kulturschichte enden an der Oberkante der Seekreideschicht.
* Baum- und NB-Pollen; Acker und Hackfruchtunkräuter; von Menschen verwendete Pflanzen

Gleichzeitigkeit der Besiedlung von Schweizer Seen/-gebieten

Dendrodaten zu Baudaten an verschiedenen Seen Grau=Dendrodaten Weiß=keine Daten. Pfeile=14C
  • Suter 1986, Peter und Schifferdecker, Francois: → Das Neolithikum im schweizerischen Mittelland. In: Chronologie – Archäologische Daten der Schweiz. Antiqua 15 der Schweizer. Ges. f. Ur- und Frühgeschichte. Basel 1986, S. 34–43. (Egolzwil, Kl. Hafner, Cortaillod usw. alle Epochen)

Die Grafik von Peter Suter, der sich eingehend mit den Stratigraphien am Kleinen Hafner aber auch erstmals mit der Gleichzeitigkeit der Besiedlung an einem gesamten See - dem Bielersee - tiefschürfend auseinandergesetzt hat, zeigt die neolithischen Siedlungen des schweizerischen Mittellandes.

  • grau: Bereich der dendrochronologisch nachgewiesenen Baudaten an den größeren Mittellandseen.
  • weiß: keine Schlagdaten nachgewiesen.
  • Pfeile: Ungefähre Datierung 14C-datierter Siedlungskomplexe (nur wenn Dendrodaten fehlen).

Wie der Grafik zu entnehmen ist, korrelieren die Besiedlungszeiten an den einzelnen Seen/-gebieten wenig oder gar nicht miteinander.

Eine Untersuchung der Gleichzeitigkeit aller Stationen des gesamten Bodensees - im Vergleich zur Arbeit von Peter Suter - wurde überraschenderweise bisher nicht in Angriff genommen, könnte aber erhellende Ergebnisse bringen.

Es steht wohl außer Zweifel, dass die Stationen des Bodensees bei tiefen Pegelständen besiedelt wurden: ansonsten wären deren Kulturschichten ja nicht unter Wasser gekommen und dadurch konserviert worden. Solche tiefen Pegelstände traten aber an allen Stationen des Bodensees zur gleichen Zeit auf.

Gleichzeitigkeit an Seen 2.png

Unter der Annahme, daß prähistorische Seeufersiedlungen bei tiefen Seespiegeln bewohnt waren, während ein hoher Pegelstand die Besiedlung unterbrach, gibt die Grafik eine Korrelation dendrochronologisch fixierter Stationen dreier Mittellandseen/-regionen zwischen dem Jungneolithikum und der Spätbronzezeit wieder.

Klima als Ursache von Seespiegelschwankungen? (ToDo)

Magny 1981, Michel; Olive, G.: Origine climatique des variations du niveau du lac Leman au cours de l'Holocene. La crise de 1700 ä 700 ans BC. In: Arch. suisses d'anthropol. gen. Geneve 45, 2, 159-170.

Zahlen auf Ordinate: Seenanzahl, mit allen
transgressiven/regressiven Schwankungen

Magny 1992, Michel: → Holocene lake-level fluctuations in Jura and the northern subalpine ranges, France: regional pattern and climatic implications. Boreas, 21 (1992), pp. 319-334. (vgl. nebenstehende Abbildung der S. 327: gleichzeitig Anstiege und Absenkungen der Seespiegel an mehreren Seen → es gibt also keinen Zusammenhang!)
[Zusammenfassung: Die holozänen Schwankungen des Seespiegels in jurassischen und französischen subalpinen Seen werden anhand sedimentologischer Analysen rekonstruiert, und es wird ein regionales Muster paläohydrologischer Veränderungen aufgezeigt. Die wichtigsten transgressiven Phasen erreichten ihren Höhepunkt um 8500 BP, 6500 BP, 4800 BP, 3500-2300 BP und 450 BP. (1) Die für eine große Zahl von Seen nachgewiesene Synchronität der holozänen Seespiegeländerungen, (2) die engen Korrelationen zwischen bestimmten Seen und (3) die Übereinstimmung zwischen dem Anstieg der Seespiegel im Jura und in den französischen Voralpen und dem Gletschervorstoß in den Schweizer und österreichischen Alpen sprechen für eine klimatische Steuerung dieser holozänen Seespiegelschwankungen.]

Magny 2004, M.: → Holocene Climate Variability as Reflected by mid-European Lake-Level Fluctuations and its Probable Impact on Prehistoric Human Settlements. Quaternary International 113 (1) 2004: pp. 65–79. doi:10.1016/S1040-6182(03)00080-6
Artikel hält nicht, was der Titel verspricht! Zitiert sich laufend selbst, wird aber 670 x zitiert!
[Zusammenfassung: Ein Datensatz von 180 Radiokohlenstoff-, Jahrring- und archäologischen Daten, die aus Sedimentsequenzen von 26 Seen im Jura, in den nordfranzösischen Voralpen und im Schweizer Mittelland gewonnen wurden, wurde verwendet, um einen holozänen mitteleuropäischen Seespiegel zu konstruieren. Die Daten weisen nicht auf eine zufällige Verteilung über das Holozän hin, sondern bilden Cluster, die auf einen Wechsel von niedrigeren und höheren, klimatisch bedingten Seespiegelphasen hindeuten. Sie belegen ein eher instabiles holozänes Klima, das von 15 Phasen mit höheren Seespiegeln geprägt war: 11 250-11 050, 10 300-10 000, 9550-9150, 8300-8050, 7550-7250, 6350-5900, 5650-5200, 4850-4800, 4150-3950, 3500-3100, 2750-2350, 1800-1700, 1300-1100, 750-650 cal. BP und nach 1394 AD. Ein Vergleich dieser mitteleuropäischen Seespiegel-Daten mit dem GISP2-Polar Circulation Index (PCI), den nordatlantischen Eisdriftzyklen (IRD) und der 14C-Aufzeichnung deutet auf Telekonnektionen in einem komplexen Kryosphären-Ozean-Atmosphären-System hin. Die Korrelationen zwischen dem GISP2-PCI, dem mitteleuropäischen Seespiegel, den nordatlantischen IRD-Ereignissen und den restlichen 14C-Aufzeichnungen deuten darauf hin, dass Veränderungen der Sonnenaktivität eine wichtige Rolle bei den holozänen Klimaschwankungen über dem Nordatlantik gespielt haben.]

Bleicher 2008, Niels: → Einige kritische Gedanken zur Erforschung des Zusammenhangs von Klima und Kultur in der Vorgeschichte. In: Strategien zum Überleben. Tagung Römisch-Germanisches Zentralmuseum Band 11, 2008. GEGEN MAGNY

[Trotz dieser Anhaltspunkte dafür, dass jener Ansatz problematisch ist, argumentierten auch andere Autoren in dieselbe Richtung – so z.B. Magny (2004), der sowohl die Seespiegel im Alpenvorland als auch die vorgeschichtliche Wirtschaft an die Sonnenaktivität gekoppelt sah:
»Phasen höheren Seespiegels fielen mit einer Zunahme des Jahresniederschlags, einer Abnahme der Sommertemperatur und einer Verkürzung der Vegetationsperiode zusammen. [...] Es ist bemerkenswert, dass die kulturellen Veränderungen im Neolithikum und in der Bronzezeit meist in Phasen höherer Seespiegel, d. h. kühlerer und feuchterer klimatischer Bedingungen, stattfanden, was wahrscheinlich zu einer Destabilisierung des früheren sozioökonomischen Gleichgewichts führte.« (ebenda 75f.).
Demgegenüber ist anzumerken, dass die von Magny rekonstruierten Seespiegelphasen bei genauerer Betrachtung nicht so überzeugend sind, wie ein Vergleich zwischen der von ihm erstellten »Score-Kurve« mit der 14C-Residualkurve vermuten lässt. Die von ihm mehrfach publizierte Score-Kurve (z.B. Magny 2004) basiert zum überwiegenden Teil auf der Summation der Wahrscheinlichkeiten von Radiokarbondaten; daher ist eine Ähnlichkeit mit der Kalibrationskurve schon fast zwingend – sie ermöglicht aber keine Rückschlüsse auf generelle regionale Seespiegelstände. Daher kann auch nicht argumentiert werden, dass sämtliche Phasen des kulturellen Wandels in Zeiten hoher Seespiegel stattgefunden hätten.]

Magny 2006, Michel; Urs Leuzinger; Sigmar Bortenschlager, Sigmar; Haas, Jean Nicolas: → Tripartite climate reversal in Central Europe 5600-5300 years ago. Quarternary Research 65, 3-19. (Klima als Grund für Seespiegelschwankungen)

Harrison 1996, Sandy; Yu, Ge; Tarasov, P.: → Late Quaternary Lake-Level Record from Northern Eurasia. Quaternary Research 45, 1996; p. 138–159. Bringen trotz Ankündigung im Artikel aber nichts zu Seespiegelschwankungen. Link zu → Abstract Harrison

Link zu vier → Swierczynski-Literaturen zum Mondsee (Diss. 2012, 2013) plus 5. Arbeit im Appendix: → Distinguishing floods, debris flows and hydrological changes in a 100-year varved sediment record from Lake Mondsee (Upper Austria); Hochwässer wd. des Neolithikums; Seespiegelschwankungen usw.

Schmidt 2023, Roland (AdW); Brauer, Achim (GFZ Potsdam); Lauterbach, Stefan: → Klimawandel in einer 130.000-jährigen Zeitreise durch das Mondseeland (Salzkammergut) – (Vegetations-, Gletscher-, Seen- und Siedlungsgeschichte). Buch; Mondseer Dokumentationen 2023. 68 Seiten.

Arbogast 2006, Rose-Marie; Stefanie Jacomet, Michel Magny, Jörg Schibler: → The significance of climate fluctuations for lake level changes and shifts in subsistence economy during the late Neolithic (4300-2400 cal B.C.) in Central Europe. Vegetation History and Archaeobotany, 15 (2006): 403–18.

Illusion längerdauernder Seespiegelabsenkung wegen zu geringem Zufluss (ToDo)

Quelle: Regulierung Zürichsee, Bundesamt für Umwelt BAFU, → Faktenblätter Seeregulierung (Juni 2020); www.bafu.admin.ch > Themen > Naturgefahren > Dossiers > Seeregulierung

Zürichsee: Jahresabfluss Limmat 3,03 Mrd. m³; (mittlerer Abfluss 96 m³/s (1938–2012); Seespiegelhöhe: 405,90 (min) – 406,80 (Hochwasser) – 407,01 (max) m ü. M.; 90 km² Seefläche;

Reguliert werden die Seestände im Zürichsee nicht direkt beim Seeausfluss, sondern knapp zwei Kilometer limmatabwärts durch das Regulierwehr Platzspitz (knapp vor Sihl-Einmündung)

Bielersee: 244 m³/s (theoretische Aufenthaltszeit des Wassers im See beträgt nur 54 Tage)

Attersee: 3,94 km³; Wasserverweildauer: ~ 7,13 Jahre; Mittlerer Abfluss: 17,5 m³/s

Furger zu Seespiegelschwankungen und Siedlungsphasen am Bielersee

Seespiegelschwankungen am Bielersee bei Twann im 4. Jt.

Furger, Alex R. (Univ. Basel, Text) u. Hartmann, Fanny (Illustrationen): → Vor 5000 Jahren … So lebten unsere Vorfahren in der Jungsteinzeit in Twann (38 MB). Verlag Paul Haupt, Bern 1983. 172 Seiten.

Der Archäologe Furgler beschreibt in seinem ausgezeichnet geschriebenen und illustrierten und für jedermann gut lesbaren Buch auf S. 53/54 – samt eindrücklichen grafischen Darstellungen der hydrologischen Gegebenheiten von Aare, den drei Seen und der Zihl – als mögliche Ursachen für die Seespiegelschwankungen und Siedlungsphasen am Bielersee, dass die Aare bei Verlegung der Strecke bis Büren der Schicksalsfluss für die Uferbewohner gewesen ist. Aber auch Bergrutsche vom Jensberg könnten die untere Zihl und damit den Bielersee aufgestaut haben. Zahlreiche Hoch- und Niedrigwasserperioden wechselten sich im jungsteinzeitlichen Seeland in unregelmäßigen Abständen ab.

Auf den S. 55/56 bringt Furgler jene Grafiken, die der hier beigefügten Grafik zugrunde liegt. Im Gegensatz zu dieser verzeichnet Furgler aber während der Niedrigwasserperioden auch vorübergehende Hochwässer innerhalb der Siedlungszeiträume.

Anm.: Wenngleich Furgler Gründe für den Wasseranstieg - ebenso wie Lüdi - auf natürliche Ursachen zurückführt, widmet er sich dem fünfmaligen raschen Sinken des Wasserspiegels – um jeweils rd. fünf Meter – nicht. Dass sich auf zweimal rd. 170 Jahre dauernde Wasserhochstände kurzfristig niedrigere Wasserstände einstellten, kann wohl wenig glaublich durch wiederum natürliche Ursachen hervorgerufen worden sein. Es sei hier auch darauf verwiesen, dass sich Seekreide nur bei einer länger dauernden Überdeckung ab einem halben Meter Tiefe bildet, was einer kurzzeitigen, vorübergehenden Überschwemmungssituaton widerspricht. Grundsätzlich ist – im Laufe der 860 Jahre dauernden Siedlungsgeschichte Twanns – auffällig, dass sich die Vielzahl von Wasserhoch- und -niedrigständen immer zwischen denselben Koten abspielt, was bei natürlichen Ursachen wohl nicht so regelmäßig eintreten würde.

Lüdi zu Seespiegelschwankungen

Lüdi 1935, Werner: → Kap. XIII: Postglaziale Seespiegel- und Grundwasserschwankungen, Ueberschwemmungs- und Trockenhorizonte im Gebiete zwischen Alpen und Jura. Veröff. Geobotan. Inst. Rübel in Zürich. Band 11, 1935. → Quelle

S. 289–290: Wauwil: „... kann man die Entwicklungsgeschichte des Wauwilermooses wie folgt zusammenfassen: Im Gebiet der Pfahlbaudörfer war offener See und es erfolgte Seekreideablagerung bis ins Neolithikum, das hier in die Buchenzeit fällt. Dann fiel der Seespiegel rasch ab; auf der Seekreide bildete sich eine dünne Torf- (oder Gyttja-?) Schicht; die Bodenoberfläche trocknete aus und wurde vom Pfahlbauer besiedelt. Nach der Zeit der neolithischen Pfahlbauten (waldgeschichtlich in der Tannenzeit), vielleicht auch bereits innerhalb der Pfahlbauzeit, hob sich der Wasserspiegel wieder, und es folgte mächtige Torfbildung.“

S. 296: Zürichsee: „In Zürich wiederholt sich die Eigentümlichkeit der Lage, die wir am Genfer-, Bieler-, Thuner-, Vierwaldstättersee gefunden haben, dass nahe dem Seeausflusse ein Gebirgsfluss, der leicht zu Hochwasser anschwillt und in diesem Zustande viel Geschiebe führt, sich mit dem aus dem See ausfliessenden Flusse vereinigt. Hier ist es die Sihl, welche die Wasser der Schwyzer Alpen der Limmat zuführt und den Seespiegel weitgehend zu beeinflussen vermag. Kleinere, vom Zürichberg herunterkommende Bäche dagegen werden kaum eine wesentliche Wirkung ausgeübt haben.“

S. 297–298: Zürich: viele Funde von Torf, Seekreide usw. deutlich unter heutiger Seespiegelhöhe (widersprechen deutlich den apodiktischen Feststellungen von Schindler).

S. 305: Bodensee: Zur Zeit der Ablagerung des untern Torfes sei die Seespiegelhöhe mindestens 3 m niedriger gewesen als heute (396 m). Gams und Nordhagen können tiefen Wasserstand des Bodensees in der Pfahlbauzeit und auch für den Untersee belegen. Anderseits ist in Bodman am Untersee die unterste neolithische Kulturschicht mit 20—35 cm Kalkschlick überdeckt. Auch bei Arbon liegt am Seeufer eine mit Sand und Lehm überführte neolithische Station. Dadurch wird ein vorübergehender neolithischer Seehochstand wahrscheinlich gemacht.
Reinerth (1922, S. 15) setzt den Seespiegel der Bronzezeit auf 3—5 Meter niedriger an als er heute ist.

Physikalische Daten zu Klima-Auswirkungen auf Seespiegelhöhen

Verdunstung als theoretische Ursache von Seespiegelabsenkungen?

Globalstrahlungsdaten: Schweiz 1.000–1.500 kWh/m² pro Jahr; Österreich 1.100–1.400 kWh/m² pro Jahr: Konstanz 1194 kWh/m² pro Jahr
Hier wird eine Globalstrahlung von 1.200 kWh pro m² und Jahr auf die Flächen der einzelnen Seen zu Grunde gelegt, die für eine Verdunstung zur Verfügung steht: 1.200 x 1000 (kilo) x 1 W x 3.600 s (Stunde) = 4,32 GJ/m².Jahr

Abschätzung der erforderlichen Verdunstungswärme von Wasser:

  1. Erwärmung des Wassers von 20 ˚C auf 100 ˚C mit 4,1868 kJ/kg.K … 335 kJ/kg (100 ˚C)
  2. Verdunstungsenthalpie (Lit.-wert) von Wasser mit theoret. 100 ˚C … 2258 kJ/kg Dampf
  3. insgesamt erforderlich Gesamtwärme je kg Wasserdampf 2593 kJ … 2593 MJ/m³ H2O
Ermittelte Daten für die einzelnen Seen
See-Fläche
in km²
Einstrahlung
in 1015 Joule/a
Verdunstung
in Mio. m³/a
MQ-Abfluss
in Mio. m³/a
Verdunstung/
Abfluss in %
Dauer für 5-m-Anstieg
falls Abfluss verlegt
Bodensee 536,0 2.316 893 7.915 11,3 124 Tage
Zürichsee 90,1 389 150 3.185 4,7 52 Tage
Attersee 46,2 200 77 539 14,3 155 Tage
Mondsee 13,8 60 23 288 8,0 87 Tage
Attersee theoret.
ohne Mondsee
46,2 200 77 251 30,7 (242 Tage)

Anm.: Für den Bielersee sind nach den Jura-Gewässerkorrektionen heutige Werte nicht mehr verwendbar.

Falls beim Verlassen eines Pfahlbausees der Seeabfluss bewusst - aus welchem Grund auch immer - durch Verlegung des Abflusses unterbunden wird, dauert ein Aufstau um z.B. 5 Meter am Zürichsee durchschnittlich 52 Tage, am Bodensee 125 Tage, am Mondsee 87 Tage und am Attersee 155 Tage.

Paradoxe Ergebnisse der Verdunstungs-Theorien

Falls man Verdunstungstheorien näher tritt, dass die Seen wegen hoher Verdunstung abflusslos geworden wären und dadurch die Flächen der Siedlungen trocken fielen, fallen einem die sehr unterschiedlichen Verhältnisse zwischen Verdunstung und durch diese zu ersetzende Abflüsse auf. Für Verdunstung als Ursache der Seespiegelabsenkungen hätte die Sonneneinstrahlung um das unvorstellbare sieben- bis zwanzigfache höher sein müssen, was als völlig illusorisch auszuschließen ist.

Weiters sind bei den einzelnen Seen sehr unterschiedliche Verdunstungs-/Abfluss-Verhältnisse festzustellen. Falls die Verdunstungstheorien zuträfen, wären die Seespiegelabsenkungen zwischen den einzelnen Seen völlig unterschiedlich ausgefallen und es gäbe keine ähnliche Tiefenlage der Pfahlbausiedlungen, wie sie heute vorgefunden werden.

Besonders paradox wären die Gegebenheiten im Salzkammergut gewesen: Unter der (illusorischen) Annahme, dass der Mondsee wegen Verdunstung abflusslos geworden wäre, ergäbe sich für den Attersee die Situation, dass bei ihm das Verdunstungs-/Abfluss-Verhältnis im Vergleich zum Mondsee um das Vierfache stärker gewirkt hätte, da ihm ja der Zufluss vom Mondsee abhanden gekommen wäre. Damit wäre die Absenkung beim Attersee viel tiefer gewesen – was aber nicht der Fall ist.

Frühe Ablehnung der Verdunstungstheorien

Fritz Cramer weist bereits 1936 mit seinen "Klimaschwankungen am Zürichsee?" darauf hin, dass der Zürichsee bei gleichem Zufluss aufgrund von Verdunstung nicht abflusslos werden konnte und kommt zum Schluss (S. 130), dass hierfür die Oberfläche des Zürichsees um das 63fache größer sein müsste. [Anm.: Mit heutigem Wissen zur Globalstrahlung, wäre die 21-fache Fläche ausreichend gewesen.]

Suter mit Jacomet wollen 1987 (S. 19) beim Kleinen Hafner nicht erneut auf die Genese der einzelnen Schichten eingehen, sagen aber klar, dass „... ihre Abfolge ein Nacheinander von Phasen der Besiedlung des Kleinen Hafners und Phasen von (längeren) Siedlungsunterbrüchen (Siedlungslücken) widerspiegelt, während denen die Insel zeitweise vollständig oder teilweise überschwemmt war oder zumindest nicht als geeigneter Siedlungsstandort betrachtet worden ist.“, und ihre Bauten stehen auf trockenem Grund.

Geringer-Niederschlag-Theorien

Betrachtet man die Verdunstungs-/Abfluss-Verhältnisse, bewirkt auch geringer Niederschlag kein Trockenfallen von Strandflächen für Pfahlbausiedlungen; unter Umständen sinkt der Seespiegel entsprechend der geringeren Tiefe der Abflüsse nur um wenig. Ein geringerer Niederschlag vermag die Abfluss-Höhe nicht um mehrere Meter zu beeinflussen.

Auch Schindler bemerkt 1971 (S. 304) endlich selbst, dass er sich auf schwankendem Boden befindet, und versucht sich zu retten, wenn er schreibt: „ … der tiefstmögliche Seespiegel konnte nicht unter die Kote 403,5 m sinken, falls nicht der See für längere Zeit abflusslos wurde. Auf Grund paläobotanischer Untersuchungen schloss W. Lüdi (1951) diese Möglichkeit aber aus, denn ein derart arides Klima widerspricht der damals herrschenden Vegetation."

Der Abfluss des Bodensees

Der Abfluss des Untersees zeigt recht "einseitiges" Abflussverhalten, das sich vor allem auf dessen nördliche Seite konzentriert. Offensichtlich gibt es vergleichsweise tiefe Abflussrinnen, denen der Wasserstrom folgt. Die Tiefenangaben der Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee mit dem zugehörigen → Internet-Link ermöglichen, den Verlauf der Rinnen detailliert zu verfolgen.

Die Abflussrinne im Bodensee-Untersee bis Stein am Rhein

Abflussrinne im Bodensee-Untersee bis Stein/Rhein Internat. Gewässerschutzkomm. Bodensee: → Link

Überraschenderweise besitzt der Abfluss des Untersees eine klar erkennbare Abflussrinne, die sich am nördlichen Ufer anschmiegt, wie der → Tiefenkarte der Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee zu entnehmen ist.

Bei Öhningen hat diese Rinne zumindest bis zur Stiegerstraße eine Tiefe von 10 Metern (vgl. kleines Bild in der nebenstehenden Grafik).

Eine deutlich zu erkennende und mit 12 m deutlich tiefere Rinne am südlichen Ufer (vor Eschenz) endet recht abrupt und setzt sich nicht weiter fort.

[Frage: War das die ursprüngliche Abflussrinne des Untersees? Wurde diese Rinne durch die Schüttungen des Dorfbachs und des Auerbachs verlegt? Und was hat es zu bedeuten, dass diese Rinne auch heute noch um 8 m tiefer ist als jene beim gegenüberliegenden Ufer zwischen Öhningen und Stein?]

Zwischen Öhningen und Stein/Rhein gibt es eine Strecke - wieder am nördlichen Ufer - auf einer Länge von 1 bis 1 ½ km mit einer geringeren Wassertiefe von rd. 4 Metern. Südlich davon ist der Seeabfluss deutlich seichter.

Diese 4 m tiefe Abflussrinne im Untersee vor Stein/Rhein wird wohl durch entsprechende Erosion laufend offen gehalten: falls durch Bachschüttung diese Rinne z.B. um einen Meter seichter würde, ergäbe sich eine höhere Strömungsgeschwindigkeit und das Material würde spätestens beim nächsten Hochwasser abtransportiert.

Bei Stein am Rhein engt sich die Abflussrinne stark ein, sodass sich die Strömungsgeschwindigkeit erhöht und die Wassertiefe auf über 7 Meter anwächst.

Höhenkoten und Gefälle des Rheins bis Schaffhausen

in der Bildmitte: Stein am Rhein mit 397 m ü.M.; links oben: Hemishofener Brücken 393 m ü.M.

Google-Earth-Daten (10.9.2023):

  • Eschenz/Öhningen (Untersee) 397 m ü.M.; nach ~ 1 ½ km →
  • Stein am Rhein 397 m ü.M.; nach ~ 2 km mit 2 ‰ Gefälle
  • Hemishofen 393 m ü.M.; nach ~ 6 km mit 1 ‰ Gefälle →
  • Diessenhofen 387 m ü.M.; nach ~ 8 km mit ¼ ‰ Gefälle →
  • Schaffhausen 385 m ü.M.

Nach Stein am Rhein fließt der Rhein an der Station "Im Hof" mit dem beachtlichen Gefälle von rund 2 ‰ vorbei bis zu den 2 km entfernten Hemishofener Brücken.

Der Rhein hat gleich nach Stein am Rhein mit rd. 300 m und bei den Hemishofener Brücken mit über 300 m ein besonders breites Flussbett, sodass sich eine geringere Strömungsgeschwindigkeit ergibt.

Anm.: Zum Vergleich sei angeführt, dass die Donau in Österreich ein Gefälle von 0,5 ‰ aufweist und damit als "Mittelgebirgsfluss" eingestuft wird. Sie hat dabei – frei in ihrem vglw. engen Bett fließend – eine Strömungsgeschwindigkeit von rd. 10–15 kmh.

Konkrete Gegebenheiten des Seeausrinns zw. Stein/Rhein und Hemishofen

Seeausrinn zw. Stein am Rhein und Hemishofen

Strebel 2020 (S. 6) berichtet: „Der unregulierte, natürliche Seeabfluss ist schweizweit einzigartig. Am größtenteils kiesigen Gewässergrund befinden sich Felder und Riffe poröser Kalktuffe. Diese sind Habitat für zahlreiche Kleinlebewesen, welche wiederum eine reiche Nahrungsquelle für Wasservögel darstellen. Im Winter liegt die Wassertiefe über dem größten Teil der Flussbreite in einem Bereich von 1–3 m.

Flussaufwärts des Gebiets befinden sich strömungsarme Buchten, Inseln und Kiesufer, welche sich gut als Ruhe- und Schlafplätze für Wasservögel eignen. Mit dem Seebecken am Untersee-Ende steht den Wintergästen eine zumeist strömungsarme Wasserfläche als Schlafplatz zur Verfügung, welche nicht weit von den nahrungsreichen Flussabschnitten entfernt ist. Das Untersee-Ende und der anschließende Rheinabschnitt decken sämtliche Ansprüche ab, um Tauchenten und Blässhühnern als herausragendes Überwinterungsgebiet zu dienen (Leuzinger 1976, Suter 1982a).“

Wie ist ein Szenario für eine Seespiegelabsenkung des Bodensees vorzustellen?

Grundsätzlich lag zumindest in der Bronzezeit der Wasserspiegel des Bodensees auf 392 m und damit um 4-5m unter dem heutigen Niveau.

Voraussetzung für das hier gezeichnete Szenario sind hydrologische Kenntnisse des "Abgrabens" von Abflüssen von anderen bereits abgesenkten neolithischen Seen.

Wasserführung des Alpenrheins

Eine Seespiegelabsenkung des Bodensees müsste mit einer Eintiefung der Sohle des Rheins bei Hemishofen und dort bei bereits tiefer Stelle und höherer Strömungsgeschwindigkeit in Angriff genommen werden. Der Rhein ist bei Hemishofen besonders breit (über 300 m), sodass die Fließgeschwindigkeit nur gering ist. Das Gefälle des Rheins beträgt aber im Abschnitt bis Stein/Rhein rund 2 ‰, was einem "Mittelgebirgsfluss" entspricht. [Anm.: Der Inn hat von Innsbruck bis Kufstein ein Gefälle von 2 ‰.] Die Arbeiten müssen vorrangig in den ersten vier oder letzten zwei Monaten des Jahres durchgeführt werden, da dann der Rhein eine geringe Wasserführung hat (Grafik).

Illustrierendes Bild zum Treideln

Erstes Abgraben mittels langen Stangen bewirkt am Grund des Flusses höhere Fließgeschwindigkeit, die das Bodenmaterial flussabwärts abtransportiert. Betrachtet man die heutige Situation (z.B. mit Google-Earth), dann bietet sich hierfür die Rinne am nördlichen Ufer an. Dabei muss möglichst ufernahe im Fluss mittels Einbaum, der sich flussaufwärts auf dem noch langsam fließenden Abschnitt befindet, gearbeitet werden. Dieser Einbaum wird mittels Seil am Flussufer an Bäumen verankert. Das entspricht einer Treidel-Technik, mit der der Einbaum auch im Fluss agieren kann (vgl. hierzu Treideln, Treppelweg (Österreich) oder Reckweg (Schweiz)).

In dem ersten so entstehenden "neuen Kanal" fließt immer mehr Wasser, da nun auch das Wasser der ehemals seichten Stellen des vorher so breiten Flussabschnitts in diesem "Kanal" fließt. Da dieser einen geringeren Querschnitt als der breite Fluss hat, ergibt sich eine höhere Fließgeschwindigkeit, die zumindest das feinere Material rasch abtransportiert und damit diesen "ersten Kanal" weiter eingräbt.

Diese "Rückwärtserosion" wird flussaufwärts vorangetrieben, wobei die erhöhte Strömungsgeschwindigkeit in dem solcherart entstehenden "Kanal" diesen Prozess besonders bei der jeweils immer mehr flussaufwärts gelegenen Arbeitsstelle aufgrund des immer höher werdenden Gefälles umso mehr begünstigt.

Wenn dieses Abgraben fortgesetzt wird und man nach ca. 2,5 km Abgraben bei "Im Hof" bei Stein/Rhein mit einer Eintiefung von 3 Metern anlangt, setzt sich dieser Prozess von selbst ohne jeglichen weiteren Aufwand bis in den Untersee und den Bodensee fort:

Die Wassertiefe bei Stein/Rhein beträgt heute und ursprünglich wohl auch rd. 7 m, die durch die beschriebene Rückwärtserosion unvermittelt auf z.B. 4 m erniedrigt wird. Das bedeutet, der Höhenunterschied zwischen Untersee und dem Rhein bei "Im Hof" beträgt damit plötzlich 3 Meter.

Das bedeutet ein unmittelbar auftretendes enormes Gefälle für das ausströmende Wasser des Untersees. Dadurch wird die bisherige Sohle der Abflussrinne im Untersee rasch seewärts ("rückwärts") erodiert und abtransportiert, bis der Wasserspiegel des Untersees und damit des Bodensees die Höhe des abgegrabenen Rheins erreicht.

Bei einer Absenkung von Untersee und Bodensee um 3 Meter fließen 1,6 Mrd. m3 (= 15 % des gesamten Bodensee-Jahresabflusses) in kurzer Zeit durch die Abflussrinne und haben aufgrund des Gefälles (entsprechend Hochgebirgsfluss) genügend Kraft, um die Rinne rückwärts-erodierend rasch tiefer zu graben.

Abfluss-Situation beim Bodensee

Abflussverhältnisse

Wieder-Aufstau nach Arbon Bleiche nicht mehr gelungen? (vglbar Wauwil)

Keller, Oskar / Krayss, Edgar: → Die letzte Vorlandvereisung in der Nordostschweiz und im Bodensee-Raum (Stadialer Komplex Würm-Stein am Rhein). Eclogae Geologicae Helvetiae 73 (1980); 18 Seiten.

Oskar Keller/Edgar Krayss: → Die hochwürmzeitlichen Rückzugsphasen des Rhein-Vorlandgletschers und der erste alpine Eisrandkomplex im Spätglazial. Geographica Helvetica 1987. 10 Seiten.

Legler, G. (Hauptmann im Geniestabe): → Denkschrift über die Abflussverhältnisse des Bodensees von Constanz bis Stein (1862) v.a. S. 19 ff.

Sohle des Bodensees (Konstanz, Eschenz, Stein) → Bodensee-Regulierung, Hochwasserschutz, Kraftnutzung und Schiffahrt

Treibholz am Bodensee: https://www.igkb.org/fileadmin/user_upload/dokumente/seespiegel/53485_Seespiegel_14.pdf

Rhein-Hochwässer (HQ 100) https://www.bodensee-hochwasser.info/pdf/Extrem-HW-Bodensee-Internet.pdf

Klima-, 14C- und Seespiegelschwankungen am Bodensee

Magny 1993, M.: → Solar influences on Holocene climatic changes illustrated by correlations between past lake-level fluctuations and the atmospheric 14C record. Quaternary Research, 40 (1993), pp. 1-9. (Korrelation von 14C-Gehalt der Atmosphäre mit Seespiegelhöhen)

Magny 2004, M.: → Holocene climatic variability as reflected by mid-European lake-level fluctuations, and its probable impact on prehistoric human settlements. Quaternary International, 113 (2004), pp. 65-79. → Zweite Quelle. In "Duscussion" (p. 74) werden Seespiegel-Hochstände für bestimmte Jahrhunderte aufgelistet. In den Conclusions (p. 77) prognostiziert der Autor, dass "the 14C-record would support the hypothesis by Damon et al. (1989) of a higher-than-average solar activity during the next few centuries."

Magny 2006, M.; Leuzinger, U.; Bortenschlager, S.; Haas, J.N.: → Tripartite climate reversal in Central Europe 5600–5300 years ago. (Klimaschwankungen, 14C-Gehalt der Atmosphäre, Seespiegelschwankungen am Bodensee, Bohrkerne in Arbon Bleiche 3 …); Quaternary Research 65(1) 2006:3-19

Bodenseeabfluss, 10. Bericht

S. 44: 6) Hof bei Stein a. Rhein. Nahezu mitten im Rheinstrom etwas unterhalb Stein am Rhein liegt die Untiefe im »Hof«, wo 1883 die Reste des einzigen zum Gebiete des Kantons Schaffhausen gehörenden Pfahlbaues entdeckt wurden. Ausser zahlreichen Pfählen sieht man aus dem Untergrund auch Schwellen hervorragen, welche zur Sicherung der Anlage gegen die Strömung gedient hatten. Diese kleine Ansiedelung ist ihrer Lage wegen bemerkenswerth. B. Schenk (der ausserdem noch einen neuen Pfahlbau bei Gundolzen am Zellersee, zwischen Hornstaad und Iznang, entdeckt hat) hat diese Station ausgebeutet, auf welcher der starken Strömung wegen nur bei sehr niedrigem Wasserstand gearbeitet werden kann; zur Seltenheit wird die Stelle einmal ganz trocken. Schwache Spuren einer Kulturschicht fanden sich nur in geschützten Lagen. Alle Fundgegenstände sind mit einer dicken Sinterkruste umgeben und desshalb sehr schwer zu erkennen. Das Suchen war daher eine zeitraubende Arbeit, nichtsdestoweniger hat Schenk eine beträchtliche Zahl von Fundstücken gewonnen, als da sind: Feuersteingeräthe, etwa 150 Steinbeile, darunter drei kleine weingelbe Nephrite und zahlreiche grosse Serpentine. Durchbohrte Steinbeile sind ziemlich selten. Merkwürdig ist ein zerbrochenes Beil aus Basalt, bei welchem noch deutlich die bearbeiteten Flächen erkannt werden konnten. Dieser Fund ist ein Unicum. Aus Serpentin besteht eine wirteiförmige durchbohrte Scheibe von zirka 7 cm Durchmesser und einer Dicke von zirka 4 cm, welche wie zwei ähnliche, wenig grössere Scheiben von Bobenhausen und vom Bielersee als Feldhacke gedient haben mag. (Schlagknopf nach Leiner siehe pag. 35.) Neben Horn- und Knochenwerkzeugen fanden sich auch Knochen von Bär, Schwein, Biber, Hirsch, Reh und Kuh. Die Scapula eines Hirsches mit einem Loch in der Mitte, dessen Rand auf einer Seite abgeschliffen ist, ist von allen Unebenheiten durch Schleifen befreit und derjenigen vom »Turgi« (Seite 43) im Museum Frauenfeld ähnlich. Von pflanzlichen Resten sind Flachs-Faden und -Gewebe, sowie Bast-Geflechte zu nennen. Von Töpferwaare ist ein im Besitz der Antiq. Gesellschaft in Zürich befindlicher urnenförmiger Topf von zirka 30 cm Höhe erwähnenswerth. Die Metallzeit ist durch ein Kupferbeil von Steinbeilform (von 7 cm Länge, 4 cm unterer und 3 cm oberer Breite), einen Bronzering und ein Bronzebeil vertreten.


Lage des Pfahlbaus bei Stein am Rhein: "Im Hof"

Wie in der Abbildung zu erkennen ist, ist der Rhein vor der Engstelle zweigeteilt (mit der Insel Werd und Pfahlbauten bei Eschenz) und nachher wird der Rhein bei den Pfahlbauten „Im Hof“ (siehe den Pfeil) sehr breit. Beide Pfahlbauten befinden sich heute unter der Oberfläche des Rheins und sie profitierten sicher nicht von günstigen landwirtschaftlichen Voraussetzungen im Umfeld. Die Berge zu beiden Seiten des Rheins steigen innert kurzer Entfernung um 150-200 m rasch an. Damit erhebt sich die Frage, warum sie dort siedelten. Der Orkopf bei Eschenz könnte die Aufgabe gehabt haben, Verklausungen des Bodenseeabflusses durch heranschwimmende Bäume (nach Stürmen) zu verhindern. Die Lage der Siedlung „Im Hof“ bietet sich als geeignete Stelle für die Sicherstellung einer entsprechenden Rückwärtserosion des Rheins an der Engstelle an. Jedenfalls wäre Stein am Rhein eine besonders geeignete Stelle, um unterhalb des Flussbettes des Rheins zu sondieren, ob die ursprünglich Moräne ungestört vorliegt.


Seespiegelhöhen des Bodensees zw. 392 m und 400 m ü.M. (KOMPAKTER)

Magny Michel zum Bodensee und Suter zum Bielersee (ToDo)

Regressionen und Transgressionen am Bielersee

Magny 2005, M. gibt bereits 1995 in → "Die Schweiz im Neolithikum" als Zeiträume der Seespiegelhochstände 4.100–3.800 v.Chr. sowie 3.600–3.200 v.Chr. an, was mit den von Peter Suter vorgelegten dendrochronologisch bestimmten Ergebnissen für den Bielersee (vgl. Besiedlungsphase um 3.400 v. Chr. in der nebenstehende Grafik) nicht zusammenpasst.

Magny 2004, Michel: → Holocene climate variability as reflected by mid-European lake-level fluctuations and its probable impact on prehistoric human settlements. In: Quaternary International Volume 113, Issue 1, 2004, Pages 65-79.
(16 x eigene Arbeiten zitiert; wurde 671 x von anderen zitiert.)

Müller: In Arbon-Bleiche 3 konnten viele Hinweise auf die Seespiegelentwicklung gewonnen werden (Haas u. Magny 2004, 43–49; Magny et al. 2006, 3–19). Da Untersee und Obersee miteinander kommunizierten, sind die Seespiegelbeobachtungen aus dem Raum Arbon mit jenen von Eschenz direkt vergleichbar. Es wurde dort festgestellt, dass die im Mittelholozän stattgefundenen Klimawechsel Seespiegelanstiege bewirkten. Dabei wird angenommen, dass damals das Klima erheblich feuchter und kühler wurde. Die damaligen Schwankungen lassen sich in zwei erste Seespiegelanstiege, die zwischen 3600 bis 3500 BC stattfanden, und einen dritten gliedern, der um 3375–3320 BC erfolgte. Mit dem Anstieg des Bodenseespiegels konnten die «Pfahlbauer» die seenahen Bereiche der Bucht von Arbon-Bleiche nicht mehr als Siedlungsplatz nutzen.

Magny 2004; Haas N.: Schichtgenese und Vegetationsgeschichte. In: S. Jacomet, U. Leuzinger und J. Schibler, Die jungsteinzeitliche Seeufersiedlung Arbon-Bleiche 3. Umwelt und Wirtschaft. Archäologie im Thurgau 12. Frauenfeld, 43–49.

Magny 2006, M.; Leuzinger, U., Bortenschlager, S. und Haas, J.N. Tripartite climate reversal in Central Europe 5600–5300 years ago. Quarternary Research 65, 3–19.

Die Arbeiten von Oskar Keller & Edgar Krayss (1970er - 2013)

Geograph und Glazialmorphologe Doz. Oskar Keller

Der Geograph und Glazialmorphologe Oskar Keller und der Bauingenieur Edgar Krayss befassen sich seit den 1970er-Jahren mit den Eiszeiten in der Schweiz und vor allem in der Nordost-Schweiz und im Bodenseeraum.

  • Keller 1991, 0skar & Krayss, Edgar: Buch:Geologie und Landschaftsgeschichte des voralpinen Appenzellerlandes. Das Land Appenzell 21/22. Herisau. 120 Seiten.
    • S. 73: Gliederung der würmzeitlichen Eisrandlagen im Bodenseeraum
    • Würm-Maximum (W/M) = Schaffhausen: W1 = Engi, W2 = Herblingen, W3 = Solenberg
    • Würm-Feuerthalen (W/F): W4 = Feuerthalen; W5 = Langwiesen
    • Würm-Stein am Rhein (W/S): W6 = Staffel, W7 = Etzwilen, W8 = Stein am Rhein
    • Würm-Konstanz (W/K): W9 = Reichenau, W10 = Konstanz

Auszug zu: Einzelne Gletscherstände im Rheintal/Untersee (Keller 1999: S. 65)

Maximalstand und erste Rückschmelzphase

Eisstände Rheintal-Untersee nach Oskar Keller

Im Maximalstand W1 drängte sich die Eisfront des Vorlandgletschers so eng an die Kalkfelsen des Randen, dass sich für Ablagerungen kaum Platz bot. Bei Schaffhausen wird der interne Stand W2 durch die Schotterterrasse der Breiti repräsentiert, W3 durch diejenige des Stokarbergs.

Dem Stand W4 wird als Typuslokalität die Munotterrasse zugeordnet. Der zugehörige Wallmoränenkranz streicht von Feuerthalen über Buchthalen zum Rauhenberg und von dort wieder westwärts nach Thayngen. Beim Rückschmelzen zum Stand W6 wurde das Becken von Diessenhofen etappenweise eisfrei. Am Riegel von Langwiesen staute sich ein See auf, in den die Deltaschotter von Ebnet bei Willisdorf geschüttet wurden.

Im Stand W6 lag das Gletschertor der Rheintalzunge bei Rheinklingen. Südlich des Rodenbergs stirnten die Seitenzunge von Etzwilen und die Stammheimer Zunge des Thurtalgletschers gegen einen gemeinsamen Sander. Der Hauptstand W7 des Stein am Rhein-Stadiums Hess die eindrückliche Endmoränenlandschaft zwischen Etzwilen und Hemishofen entstehen. Über Kaltenbach steigen die Randmoränen nach Klingenzell auf; am Gegenhang sind sie hoch über Oehningen zu finden.

Zweite Rückschmelzphase

Nach der inneren Randlage W8 bei der Altstadt von Stein am Rhein setzte auch dort, analog zum Thurtal, die zweite Rückschmelzphase mit der Bildung eines großen Zungenbecken- oder Moränenstausees, des Untersees, ein. Beim Rückzug der Eisfront kam es erst auf der Höhe der Insel Reichenau wieder zu einem bedeutenden Zwischenhalt (W9). Zu dieser Randlage fallen die Seitenmoränen ab, die sich am Hang von Fruthwilen staffeln.

Der Endmoränenbogen von Konstanz markiert den Hauptstand W10 des Konstanz-Stadiums, von Schmidle (1914) als «Konstanzer Phase des Würmgletschers» eingeführt. Die Eisfront des Bodenseegletschers stirnte hier sowohl gegen den Untersee, als auch bei der Insel Mainau gegen den Überlingersee. Über die Stromrinne von Petershausen im Nordteil von Konstanz standen die beiden Gewässer miteinander in Verbindung.


Maximale Ausdehnung des Birrfeld-Gletschers
  • Keller 2010, Oskar: Landschafts-, Klima- und Vegetationsgeschichte. In: S. Benguerel et al.: → Archäologie im Thurgau 16. 2010, S. 43–65. [enthält auch: Leuzinger, Urs: → Jungsteinzeit S. 84 – 105; und alle Zeitperioden bis heute.]
  • Keller 2013, Oskar: Buch: Alpen – Rhein – Bodensee: Eine Landschaftsgeschichte. Appenzeller Verlag, 180 Seiten. (78 CHF)

Die Arbeiten von Erich Müller (1979, 2011)

Ur-Untersee (S. 64)

Der damalige Ur-Untersee reichte von Etzwilen/Hemishofen zumindest bis zum Konstanzer Stand. Die Wasserspiegelhöhe kann zwischen 412 und 415 m über Meer eingegabelt werden, was sehr gut mit der Höhenlage von Verlandungssedimenten im Raum von Stein am Rhein übereinstimmt. Der Ur-Untersee hatte eine wesentlich grössere Ausdehnung als heute. So reichte er bis nach Worblingen zum dortigen Moränenwall und nach Überlingen am Ried sowie nach Böhringen.

3.5.2. Entwässerungsverhältnisse während des Konstanzer Standes (S. 68)

Von der Annahme ausgehend, dass zu dieser Zeit der aufstauende Moränenriegel bei Hemishofen noch intakt war und somit der Seespiegel immer noch auf zirka 410 bis 415 m über Meer lag, bestand bei Kreuzlingen eine im See endende Eisfront.

4.1. Absenkung der Seespiegel (S. 70)

Im Bereich der Stauriegel fanden vorerst nur geringe Erosionen statt. Daher wurden die Seen primär nur langsam, aber sukzessive abgesenkt. Dabei wurden die Abflussmengen und somit auch die Erosionswirkungen stetig erhöht. Dies setzte sich solange fort, bis plötzlich die Riegel schlagartig «zusammenbrachen» und die Seen teilweise oder ganz ausliefen. [„Rückwärts-Erosion“?] Während der Hüttwilersee nur um 7 m und der Untersee um 16 m abgesenkt wurden, verlandeten die übrigen Seen ganz.


  • Müller 2011, Erich R.: Kap. 3.2 Geologie; Abschn. 3.2.5: Seespiegelstände des Bodensees. In: Benguerel 2011, Simone; Leuzinger, Urs; Müller, Erich et al.: → Tasgetium | Das römische Eschenz. Archäologie im Thurgau 17; Veröffentlichung des Amts für Archäologie des Kantons Thurgau. Frauenfeld 2011; 278 Seiten; Seiten 22-23.

Holozän – nacheiszeitliche Landschaftsentwicklung (vom AATG-Geologen Erich R. Müller: S. 22–23)

Natürliche Regulierungen des Seespiegels

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass zwischen Eschenz und Öhningen bzw. dem Äschezerhorn und Stiegen (Öhningen) die Schlüsselstelle zu den Pegelständen des Bodensees liegt. Denn hier wird der nacheiszeitliche Bodensee gestaut. Als maßgebende «Steuerelemente» wirkt das dynamische Zusammenspiel der drei Bachschuttkegel des Dorfbachs und des Auerbachs sowie des Nodbachs (Öhningen) in Kombination mit den Erosionsprozessen des hier austretenden Hochrheins.

Aus den Abflussdaten des Bodensees von 1800 bis 2003 gibt es für den Abfluss des Rhein bzgl. der Pegelstände von Konstanz folgende Beziehung (Ostendorp et al. 2007):

Q [m3/s] = 0,00489·x2 - 0,968·x + 94,3; bei r = 0,996
wobei: x = Pegelstand [in cm] in Konstanz (391,89 [m+NN], bzw. 392,16 m ü. M.)

Damit ergibt bei einem Konstanzer Seepegel von 393 m ein Abfluss unter 100 m³/s und bei einem Pegelstand von 397 ein Rheinabfluss von 850 m³/s. [Anm.: MQ = 369 m³/s; HQ100 = 3.100 m³/s]

Verlauf der Seespiegelstände

Verlauf der Bodenseepegel im Holozän

Für das ganze Holozän betrachtet, traten in dieser Zeitepoche Seespiegel zwischen 392,50 bis 400 m ü. M. auf (Abb. 10). Vorerst befand sich der Seespiegel zur Zeit der Pleistozän-/Holozän-Grenze auf Kote 403±2 m. Dabei wurde der Untersee noch im Bereich des Moränenriegels Stein am Rhein-Burg (W8) gestaut. Anschließend wurde dieser durch den Rheinlauf erodiert, was eine Absenkung der Auslaufhöhe, und damit direkt verbunden, des Bodensee-/Unterseespiegels bewirkte. In der zeitlichen Folge wuchsen die Bachschuttkegel des Eschenzer Dorfbachs, des Auerbachs und des Nodbachs an. Dabei wurde der See nicht mehr am Moränenriegel aufgestaut, sondern an den «vereinigten» Bachschuttkegeln. In späterer Zeit mit geringerer Wasserführung des Rheins vermochten diese Bachschuttkegel den See wieder höher zu stauen. Zu Zeiten mit hohen Abflüssen finden verstärkte Erosionen an den stauenden Bachschuttkegeln statt, was folglich zum Absenken der Staukoten und daher zu niedrigeren Seespiegeln führt.

Auf Koten 403 und 398 m finden sich am Zeller See Strandterrassen. Diese entsprechen frühholozänen Seespiegelständen. Dabei stellt jene unterhalb der 400 m-Höhenlinie eine meist nur 2 m hohe Erosionsstufe dar. Der 398 m-Stand ist zeitlich mit dem Atlantikum (um 7000±1000 Jahre BP) zu korrelieren. Dies stimmt mit dem prähistorischen Befund überein, da mesolithische Funde nur landwärts von oberhalb der 398 m-Höhenlinie bekannt sind. In den Zeitabschnitten von 6 200 bis 5 900 BP sowie um 5300 BP fanden beträchtliche Wechsel der Seespiegelhöhen statt.

Jungsteinzeitliche Siedlungsreste finden sich zwischen den Höhenkoten 393 und 396 m, bronzezeitliche dagegen bei 392 bis 394 m. Während des Subboreals (4500 bis 2600 BP) lag dann der Seespiegel ca. 2–3 m tiefer als heute, das heißt etwa bei 392 bis 393 m ü. M.

Zu den Zusammenhängen von Seespiegelschwankungen mit den Bachdelta-Bildungen im Raum Eschenz–Öhningen fehlen bis heute Beschreibungen. So bleiben die Fragen offen, inwieweit die oben genannten Kriterien auch für das Verstärken bzw. Abnehmen der Deltabildungen zutreffen.

Bundesamt für Landestopografie im Kanton Thurgau (2008)

  • Bundesamt für Landestopografie (2008): → Geologischer Atlas der Schweiz (Blatt 1033/1034 Steckborn-Kreuzlingen). Erläuterungen 112. Verfasst von Zaugg, A.; Geyer, M.; Rahn, M.; Wessels, M.; Schlichtherle, H.; Hasenfratz, A. & Burkhalter, R. (S. 74–76)
  • Billamboz 1997, Andre; Dieckmann, B.; Ellminger, F.; Schlichtherle, H.; Vogt, R.: Prehistoric settlement and lake level changes of Lake Constance. In: 7th Intern. Symp. on Palaeolimnology.Terra nostra 1997/8:17– 20. (€ 16,50)

Seespiegelschwankungen seit der letzten Eiszeit (392-400 m ü.M.) (S. 74–75)

"Früh (1906) gab aufgrund von Delta- und Übergussschichten im Bachschuttkegel von Steckborn (Gebiet Weier) einen maximalen Unterseespiegel von 412 m ü.M. an. Dieser Seespiegel geht vermutlich auf einen spätglazialen, nur kurze Zeit beständigen Eisrandstausee zurück. Schmidle (1942) erwähnte einen maximalen, spät-/postglazialen Unterseestand von 413 m ü.M. und gab aufgrund von Terrassenbildungen, Geländekanten und Strandwällen abgestufte Seestände von 413, 408, 403 und 398 m ü.M. an. Blum et al. (1995) konnten eine Laufrichtungsänderung der Radolfzeller Aach in Rielasingen auf ca. 11 ka BP datieren. Davor floss die Aach in einer ehemaligen Schmelzwasserrinne über Ramsen direkt dem Rhein westlich von Hemishofen zu. Durch Extrapolation des Rinnengefälles der Aach (aus Blum et al. 1995) von Rielasingen über Ramsen nach Hemishofen resultiert ein Vorflutniveau (= Seespiegel im Untersee in der Zeit vor 11 ka BP) um 405 m ü.M. Dieser Seespiegel entspricht dem Seestand vor ca. 12 ka BP im Allerød-Interstadial (Torfmoore Nonnenhorn; vgl. Zusammenstellung der Stände im Bodensee [Obersee] in Zaugg et al. 2008). Der Seespiegel im Untersee war somit im ausgehenden Spätglazial noch maßgeblich durch das Niveau der Rheinsohle im Bereich der Endmoränen im Staffelwald westlich von Stein am Rhein beeinflusst (Staffelwald = äusserer Stand W 6 des Stein-am-Rhein-Komplexes, Keller & Krayss 2005a). Die Seehöhe von 405 m ü.M. entspricht zudem der topographisch höchsten Verbreitung der den Beckenton überlagernden See- und Verlandungssedimente im Raum Kreuzlingen.

Ein auch geologisch interessanter Aspekt ist die Höhenlage der vorgeschichtlichen Siedlungszeugnisse bezogen auf das heutige Niveau des Konstanzer Normalpegels (395 m ü.NN). Während spät-altsteinzeitliche Reste bis etwa 406 m ü.M. nachgewiesen worden sind, finden sich mittelsteinzeitliche Siedlungsreste bei 398–400 m ü.M. (Reinerth 1930), jungsteinzeitliche Stationen bei 393–396 m ü.M. und bronzezeitliche Reste bei 392–394 m ü.M. (Billamboz et al. 1997).

Die tiefe Lage von Fundschichten und Pfahlfeldern im Flachwasser bei 392,5 bis 395 m ü.M. einerseits, und der Nachweis einer jungsteinzeitliche Funde führenden, 398–400 m ü.M. verlaufenden Uferlinie bei Hornstaad anderseits, die mit Torf und kulturführenden Kolluvium überdeckt wurde, weist auf einen beträchtlichen Wechsel des Bodenseewasserspiegels um 4200–3900 v.Chr. und nochmals um ca. 3300 v.Chr. hin. Die Ergebnisse verschiedener Arbeitsgruppen (Rösch & Ostendorp 1988, Niessen & Sturm 1990, Ostendorp 1990, Dieckmann & Vogt 1994, Billamboz et al. 1997) deuten übereinstimmend auf Seespiegelschwankungen von bis zu 8 m (400–392 m ü.M.) im Holozän hin. Eine wissenschaftlich eindeutige und befriedigende Erklärung dieses für einen Binnensee beachtlichen Phänomens steht noch aus. Jüngste Untersuchungen auf Schweizer Seite deuten auf ähnliche, wenn auch metermässig nicht so bedeutende Seespiegelschwankungen der kleinen Seen auf dem Thurgauer Seerücken hin (Nussbaumer See, Steinegger Weiher, Hasesee; vgl. Rösch 1983, 1985). Eine Klärung erhofft man sich unter anderem von detaillierter Dendrochronologie, von Untersuchungen zur Verengung des Ausflusses durch die Deltaschüttungen beim Äschezerhorn (Eschenzer Horn) und zur Karbonatproduktion im Ausfluss des Untersees (natürliche Schwellenbildung?) sowie von der Erklärung möglicher Auswirkungen von Rutschungen in den Rhein zwischen Stein am Rhein und Schaffhausen."

Wechselnde Seepegelstände des Bodensees (in: Der Orkopf, 2020)

von Richard Vogt, Landesamt für Denkmalpflege Stuttgart in:

Bodensee-Ausrinn mit Schwemmfächern kleinerer Bäche

"Dem Bereich Öhningen/Eschenz bzw. Eschenzer Horn und Stiegen am Ausfluss des Untersees kommt eine zentrale Rolle für die Pegelstände des Bodensees zu. Erich Müller sieht hier das Zusammenspiel von drei Bachschuttkegeln als stauende Steuerelemente und Einschneidungen durch den Hochrheinausfluss als massgeblich an (Abb. 10).35 Dabei kommt neben klimatischen Faktoren auch der Witterung mit Starkregenereignissen eine entscheidende Bedeutung zu, welche die Entwicklung der Bachschuttkegel nachhaltig zu beeinflussen vermag. Während hohe Seepegelstände mit erhöhten Jahresniederschlägen, abnehmenden Sommertemperaturen und verkürzten Vegetationszeiten in Verbindung zu bringen sind, entstehen tiefe Pegelstände bei abnehmenden Jahresniederschlägen, zunehmenden Sommertemperaturen sowie verlängerter Vegetationszeit.36 Dieser Zusammenhang ist aktuell nach den unterdurchschnittlichen Niederschlägen des Jahres 2018 und dem daraus resultierenden niedrigen Seepegel offenkundig. Zugleich rufen hohe Abflussraten an Staukörpern wie den Schuttkegeln verstärkte Erosionen hervor, die in der Folgezeit zu sinkenden Seepegeln führen. Konkretere Untersuchungen zu genannten Wirkungsgeflechten existieren bislang jedoch nicht.

Verlauf der Bodenseepegel im Holozän: Grafik: AAThurgau, Erich Müller und Matthias Schnyder.

Erich Müller geht davon aus, dass während des Holozäns Wechsel im Bodenseepegel zwischen 392,5 und bis 400 m ü. M. aufgetreten sind.37 Er leitet dies aus den Höhenlagen frühholozäner Strandterrassen auf Niveaus von 403 bzw. 398 m ü.M. sowie der Lage jungsteinzeitlicher und bronzezeitlicher Siedlungsreste ab. Seine Überblicksdarstellung ist in Abbildung 11 wiedergegeben. Hierzu ist allerdings anzumerken, dass die genauere Höhenlage der Seepegel aus mehreren Gründen nur äusserst schwer zu fassen ist. So lässt sich aus überlieferten Seeablagerungen gewöhnlich nur der minimale, für deren Entstehung notwendige Wasserstand ablesen, obwohl der Pegel natürlich deutlich höher gelegen haben kann. Als Beispiel können hier Seekreideablagerungen dienen, die sich sowohl im seichten Flachwasser als auch bei einer mehrere Meter mächtigen Wasserüberdeckung ablagern können. Ausserdem kann für Siedlungsschichten im heutigen Flachwasserbereich nicht automatisch auf tieferliegende Seepegel (Trockenbodenbedingungen) zu damaliger Zeit geschlossen werden, denn bei Anzeichen für eine abgehobene Bauweise sind durchaus deutlich höhere Pegelniveaus möglich. Ausserdem ist zu berücksichtigen, dass Sedimentschollen mit den darin enthaltenen Kulturschichtstraten v.a. im Haldenbereich in tiefere Niveaus als in prähistorischer Zeit abgeglitten sein können. Seetiefstände sind wiederum deshalb schwer zu fassen, da die dabei abgelagerten Sedimente bei Transgressionen überspült und zumindest teilweise wieder aufgearbeitet wurden. Um also eine durchgehende Seepegelchronologie vorlegen zu können, bedarf es eine Fülle weiterer Einzelbeobachtungen."

Fußnoten 35, 36, 37: Müller, Erich In: Benguerel et al. 2011: Tasgetivm I Das römische Eschenz, S. 22.

Seepegel zur Zeit der Steinschüttung der "Hügeli" im Bodensee (2021)

Seepegel zur Zeit der Steinschüttung (S. 108; "ERM" = Erich Müller): "Eine der zentralen Fragen ist, ob die Hügel an Land, im Flachwasser oder sogar unter Wasser aufgeschüttet wurden. Die Hügelbasen liegen heute zwischen 389.50 und 392.00 m ü.M., die Kuppen variieren zwischen 390.8 und 392.7 m ü.M. Somit befinden sich die Hügelscheitel heutzutage ganzjährig unter Wasser; bei winterlichen Niedrigwassertiefstständen von 395 m ü. M. um die 3 m 5. ( 5 Der extreme Tiefstand der Messperiode 1930–2019 wurde mit 394.5 m ü. M. am 13. Februar 2006 am Pegel Romanshorn gemessen. [Anm.: 1891 - 394,25 m ü.M.]).

ERM: Geologisches Profil durch Rhein bei Hemishofer Brücken
Geolog. Bericht #2007 Geotechn. Büro Dr. von Moos AG 1969

Aus hydrologischen und geologischen Gründen kann der Bodenseepegel nicht beliebig absinken. Der Seepegel war aber klimabedingt phasenweise deutlich tiefer als heute (Vogt 2020 [Wechselnde Seepegelstände des Bodensees. In: Der Orkopf] ). Die höchstmögliche, aber wohl kaum tatsächlich erreichte Untergrenze eines prähistorischen Wasserspiegels lässt sich anhand der Profile bei Eschenz und Hemishofen berechnen (Müller 2011, S. 22: [Seespiegelstände des Bodensees. In: Benguerel 2011: Tasgetium | Das römische Eschenz.] ). ... Hauptregulatoren der Seepegelschwankungen sind somit die Bachschüttungen bzw. Erosionsvorgänge bei Eschenz/Öhningen (D) und im Konstanzer Seerhein. Eine für den minimalen Obersee-Pegel relevante Stelle liegt allerdings bei den Rheinbrücken von Hemishofen. Dort gibt es vier Bohrungen, die belegen, dass die Basis der Abflussrinne – Oberkante der anstehenden Moräne – bei höher/gleich 390 m ü. M. liegt (Geotechnisches Büro Dr. A. von Moos AG, 1969) (vgl. die Abb.). Somit kann man modellhaft mit einem tiefstmöglichen Wasserspiegel um 392.5 m ü. M. bei einer abfliessenden Wasserhöhe von maximal 2.5 m ausgehen. Auch wenn das Bohrraster bei Hemishofen etwas weitmaschig erscheint, ist doch offensichtlich, dass der Untersee und erst recht der Obersee wohl nie unter die Kote 393 m ü. M. abgesunken sein können. Dies ist auch mit den absoluten Höhen der Kulturschicht von Arbon-Bleiche 3 bei 393.9 m ü. M. um 3380 v. Chr. (Leuzinger 2000, 12 [Die jungsteinzeitliche Seeufersiedlung Arbon-Bleiche 3. Befunde. Archäologie im Thurgau 9.]; Magny, M.; Leuzinger, Urs et al. 2006 [Tripartite climate reversal in Central Europe 5600–5300 years ago.]) und den Befunden im Umfeld des Orkopfs bei Eschenz mit 393.5 m ü. M. in der Frühbronzezeit (Benguerel et al. 2020, 100–106) vereinbar. Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang auch die sehr tief liegenden Kulturschichtreste der beiden spätbronzezeitlichen Seeufersiedlungen Unteruhldingen (D) Stollenwiesen und Hagnau (D) Burg auf Höhenkoten um 392 m ü. M. (Schöbel 1996, 76–80). Bei den letztgenannten beiden Fundstellen gilt es allenfalls Sedimentrutschungen sowie eine abgehobene Bauweise der Häuser zu berücksichtigen."

"Die hypothetisch mögliche minimale Pegelhöhe des Bodensees um 393 m ü. M. zur Bauzeit der Steinstrukturen hätte zur Folge, dass die Hügel damals im Winterhalbjahr in mindestens 1.5–2 m Wassertiefe aufgeschüttet worden sein müssen. Damit die künstlichen Inseln bei einer angenommenen Höhe der Steinpackung von 0.8 bis 1.5 m Mächtigkeit aus dem Wasser ragen würden, fehlen in dieser Berechnung nach wie vor mehrere Dezimeter. Ob man diesen Höhenunterschied mit Sedimentsetzungen, Verlagerung der Steinpackung oder Mikrotektonik erklären kann, ist derweil offen. Ebenso unbeantwortet bleibt zurzeit die Frage, ob eine Sichtbarkeit der «Hügeli» an der Oberfläche zumindest saisonal von ihren Erbauern tatsächlich beabsichtigt war."

Verwendete Literatur:

Leuzinger (2000), Urs: → Die jungsteinzeitliche Seeufersiedlung Arbon-Bleiche 3. Befunde. Archäologie im Thurgau 9. Frauenfeld. [Seite 15: Die archäologischen Fundschichten verlaufen auf Höhen zwischen 393,90 und 397,00 m ü.M. und aus Rezension: ... zieht der Autor zu Recht den Schluss, dass die Häuser an der Hangkante der Arboner Bucht zumindest seewärts vom Boden abgehoben errichtet wurden.]

Müller 2011, Erich: Kap. 3.2 Geologie; Abschn. 3.2.5: Seespiegelstände des Bodensees. In: S. Benguerel/H. Brem/B. Fatzer et al.: → Tasgetium I. Das römische Eschenz. Archäologie im Thurgau 17. Frauenfeld. S. 22 ff.

Vogt 2020, R.: Wechselnde Seepegelstände des Bodensees. In: S. Benguerel/H. Brem/R. Ebersbach et al.: → Der Orkopf. Eine Fundstelle auf der Landesgrenze. Archäologie im Thurgau 20. Siedlungsarchäologie im Alpenvorland XIV, 22–23. Frauenfeld.

Schöbel 1996, G.: → Die Spätbronzezeit am nordwestlichen Bodensee. Taucharchäologische Untersuchungen in Hagnau und Unteruhldingen 1982–1989. Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg 47. Stuttgart.

Magny 2006, Michel; Leuzinger, U.; Bortenschlager, S. et al.: → Tripartite climate reversal in Central Europe 5600–5300 years ago. Quaternary Research 65, 3–19.

[Anm.: C. Schindler war 1969 Mitinhaber des Geotechn. Büros von Dr. Moos AG; 1982 Prof. f. Ingenieurgeologie ETHZ]

Zürichsee - Limmat (1971) (ToDo)

Conrad Schindler: → Geologie von Zürich und ihre Beziehung zu Seespiegelschwankungen; Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Ges. Zürich 1971:283–315.

S. 297: „… höchstwahrscheinlich die dubiose «Seekreide» den Sünden eines längst verstorbenen Bohrmeisters anzurechnen ist.“ UND: „Es konnte z. B. durch Rückwärtserosion in der Ausflussrinne leicht ein kritischer Punkt erreicht werden, in welchem die höchste Schwelle plötzlich um beispielsweise 2 m erniedrigt wurde.“ UND: "gesamte Limmatsohle besteht aus Moränenmaterial"

Traunsee (ToDo)

Trebsche 2023, Peter; Seidl da Fonseca, Helena; et al.: → A Fluctuating Environment: Micromorphological and Archaeobotanical Investigations of the Early Iron Age Lakeshore Settlement at Traunkirchen (Upper Austria). Environmental Archaeology, The Journal of Human Palaeoecology; 18.2.2023.

Geologie: Endmoränen, -material und Seeabfluss (großteils, ToDo)

Abfluss des Attersees - Längenschnitt des Traungebiets 1904

Wie der nebenstehenden Abbildung aus 1904 (K.k. Hydrographischer Dienst in Österreich: Das Traungebiet) vor jeglicher Abflussbeeinflussung und -regulierung des Attersees zu entnehmen ist, hatte dessen Seeausrinn auf den ersten Kilometern der Ager ein recht starkes Gefälle, das weit über dem Durchschnitt der Ager mit rund 3,6 Promille lag.

Diese Gegebenheit ist auf das Vorhandensein der Endmoräne bei Schörfling/Seewalchen zurückzuführen, auf deren see-abgewandten Seite eben dieses höhere Gefälle auftrat. Dies führte früh zur Anlage von Mühlen, die bereits im Mittelalter errichtet wurden, und heute noch mit der Ortschaft "Siebenmühlen" daran erinnern.

Demgegenüber gibt es beim Ausrinn des Gmundner Sees keine Überhöhung der Endmoräne mehr, die vermutlich durch die immer wieder auftretenden extremen Hochwässer eingeebnet wurde.

Damit gab es am Gmundner See auch keine einfachen Möglichkeiten einer Seeabsenkung mittels Rückwärts-Erosion durch neolithische Kanal-Pfahlbauern.

Dass es in späterer Zeit dennoch zwei Mal zu Seespiegel-Absenkungen gekommen ist, zeigen aktuelle Forschungen bei Traunkirchen.

Salcher, B. et al.: → High-resolution mapping of glacial landforms in the North Alpine Foreland, Austria. (vgl. v.a. Abb. 7, S. 288 zum Seeabfluss durch Endmoränen: "verändert nach Schreiner": Hegau und westlicher Bodensee. = Sammlung Geologischer Führer - besorgt am 22.4.22. Neuere Literatur: → Bernhard Salcher, University of Salzburg, Department of Geography and Geology, PhD

Salcher, Bernhard; Starnberger, Reinhard; Götz, Joachim: → Sediment‐landform associations of major glaciations in the North Alpine Foreland. Abb. 6 XXI International Congress of the Carpathian Balkan Geological Association (CBGA 2018); Berichte der Geologischen Bundesanstalt, v. 126, p. 289 – 304.

Ellwanger, D. et al.: → Quaternary of the southwest German Alpine Foreland (Bodensee-Oberschwaben, Baden-Württemberg, Southwest Germany), Quaternary Science Journal 2011, Vol. 60, Nr. 2-3, p. 306-328. - es sind v.a. die Moränenbildungen unterschiedlicher Eiszeiten zw. Ober-/Untersee und beim Abfluss des Bodensees von Interesse.

Huber (Zürichsee, Sihl, Limmat)

Schindler, Conrad: → Geologie von Zürich und ihre Beziehungen zu Seespiegelschwankungen: S. 297: Schindler wischt Hinweise auf Seekreidefunde und "Moräne" (Seekreideablagerungen?) in größerer Tiefe (19-20 m) mit den „Sünden eines längst verstorbenen Bohrmeisters“ vom Tisch.

Janik, V.: → Die Pfahlbausiedlung See/Mondsee im Blickfeld landschaftlicher Forschung. Jahrbuch des OÖ Musealvereins, Linz, 1969; S. 181 - 200.

Suter, Peter et al.: → Um 2700 v. Chr. – Wandel und Kontinuität in den Ufersiedlungen am Bielersee: S. 145, ad "Nidau": Die erhaltenen Kulturschichten liegen in 4 bis 6 m Tiefe unter dem heutigen Gehniveau unterhalb von Ablagerungen der Moderne sowie Seekreide-, Lehm-/Silt- und Torfschichten ... Im südlichen Siedlungsareal – landseitig der spätbronzezeitlichen Station Nidau, Neue Station – finden sich erneut Schlagdaten des 39. Jahrhunderts v. Chr.; ihre 14C-Daten fallen in den Zeitraum 3950 bis 3800 v. Chr.

Lukas, S., Rother, H.: → Moränen versus Till: Empfehlungen für die Beschreibung, Interpretation und Klassifikation glazialer Landformen und Sedimente. (zur Zusammensetzung von Moränenmaterial)

Rother, H. u. Wansa, S.: → Gletscherablagerungen und glazigene Vollformen (Lockergesteine). Geologische Kartierungsanleitung in der Geowissenschaftlichen Sammlungen im Bereich der Staatlichen Geologischen Dienste Deutschlands.


Hydrologen zur Rückwärts-Erosion (ToDo)

111 Pfahlbaustationen: Örtlichkeit, Seehöhe, heutige Lage unter/über Wasser

Im Folgenden werden Informationen zu den 111 UNESCO-Pfahlbaustationen gebracht unter Verwendung von

  • Google-Earth: Damit wurde die Tiefen-Lage der 111 Stationen an den Seerändern einzeln abgeschätzt, wobei man bei den bei Sonnenschein aufgenommenen Google-Bildern wegen der unterschiedlichen Farbe einfach seichte von tieferen Stellen unterscheiden kann. [Dieses Vorgehen wurde dadurch erforderlich, da es überraschenderweise zu den meisten Pfahlbau-Stationen keine Tiefenangaben gibt.]

Die 56 Schweizer Stationen weisen eine durchschnittliche Seehöhe von 429 m ü.A. auf; die fünf österreichischen Stationen zeigen durchschnittlich 479 m ü.A.; 18 Stationen in Süddeutschland liegen auf 485 m ü.A.; die 11 französischen Stationen auf 367 m ü.A.; die 19 italienischen Stationen liegen auf nur 167 m ü.A. und die beiden slowenischen Stationen liegen auf 288 m ü.A.

45 Stationen liegen auf einer Seehöhe zwischen 400 und 449 m ü.A. und weitere 25 Stationen liegen auf Seehöhen zwischen 450 und 600 m ü.A. (2 Stationen auf 612 m und 652 m ü.A.); 17 Stationen haben Seehöhen zwischen 350 und 399 m ü.A.

In den nachfolgenden Tabellen werden angegeben:

  • UNESCO-Nummer und Örtlichkeit der Station, See-Name samt Seehöhe über Adria und vor allem die
  • konkrete Lage der Pfahlbau-Station
    • am Seerand im Flachwasser (einige wenige Meter Tiefe: entsprechend der Anmutung in Google-Earth)
    • oder trocken auf dem heutigen Ufer
  • geschätzte Ausdehnung der Strandplatte Richtung See (ev. auch deren Länge parallel zum Ufer)
Höhenverteilung Schweizer Pfahlbaustationen; die niedrige-Seehöhe-Stationen liegen am Genfersee

Es gibt offenbar eine besonders bevorzugte Seehöhe für die „klassischen“ Pfahlbaustationen, wie der eingefügten Tabelle und der Grafik zu entnehmen ist. Einerseits sind das die Seehöhen zwischen 400 und 450 m mit 44 Stationen, andererseits liegen sogar 66 der 111 UNESCO-Pfahlbaustationen – das sind knapp 60 % – innerhalb von nur 120 Höhenmetern: und zwar zwischen 395 m und 514 m ü.A.

Es ist wohl davon auszugehen, dass sich diese Gegebenheiten noch verstärken, wenn man sich auf vergleichbare Rahmenbedingungen konzentriert wie z.B. Beschränkung auf die ehemaligen Gletscherrandgebiete nördlich der Alpen oder die französischen Stationen. Allein 45 der 56 Schweizer Stationen liegen innerhalb eines engen Bereichs von nur 60 Höhenmetern und zwar von 400–460 m ü.M.

Wie den Tabellen zu entnehmen ist, liegen die Pfahlbaustationen ganz überwiegend unter Wasser – und regelmäßig in vergleichsweise wenig tiefem Wasser (einige Meter). Hinsichtlich der Pfahlbauten, die heute am trockenen Land liegen kann nur vermutet werden, dass diese zu einer Zeit mit hohem Wasserstand errichtet worden sind. Bei solchen Stationen dürfte es demnach nicht mehrere Kulturschichten mit zwischengelagerter Seekreide geben (was einfach zu überprüfen ist).

Die Pfahlbaustationen unter 400 Höhenmetern zeigen offenbar einen anderen Siedlungszugang.

Da die 111 Stationen bereits eine Auswahl darstellen, können die hier gebrachten Auswertungen nur qualitativ sein: für eine generelle Aussage müssten alle über 1000 Stationen in zeitlicher und räumlicher Dimension systematisch untersucht werden, was aber über den hier gesteckten Rahmen hinausgeht; wissenschaftlich relevant (und interessant) wäre dies allemal.

Verteilung der 111 UNESCO-Pfahlbaustationen auf Höhenbereiche
Höhenverteilung der 111 UNESCO-Pfahlbaustationen
Höhenbereich in m ü.A. Anzahl
über 600 m 2
550-600 m 9
500-550 m 6
450-500 m 9
400-450 m 44
350-400 m 17
300-350 m 0
250-300 m 6
200-250 m 7
150-200 m 0
100-150 m 3
50 -100 m 5
3-50 m 3

Gletscherrandseen; Seehöhe, Fläche, Einzugsgebiet, Abflussgefälle, Siedlungsalter

Der Alpenraum zum Höhepunkt der letzten Eiszeit; © Geologische Bundesanstalt; Idee van Husen (2013)

Zitat: © Geologische Bundesanstalt (Hrsg.): → Der Alpenraum zum Höhepunkt der letzen Eiszeit.. Geologische Bundesanstalt: → Quartär/Rocky Austria: Seitenende: "Grafiken stehen für Forschung und Lehre zur Verfügung" mit dortigem → Download-Link.

Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen: Wikipedia, Daten zu den Stationen ...; → Liste der größten Seen in der Schweiz

  • Zürichsee 406 m, 90,1 km2; 1800 km2; Limmat MQ 101 m³/s; "Sihl" kann Limmat verlegen; Limmat 5 m auf 1 km nach Sihl-Treffen: > 5 ‰ Gefälle; 4250 v.Chr.;
  • Egolzwil 597 m (bei Wauwil ~3-km2-See; heute 6 m tiefe "Wanne" durch "Ron" rundherum trockengelegt) ; 4280 v.Chr.
  • Bodensee 395 m, 536 km2; 11.487 km2; Rhein MQ 251 m³/s; Stein am Rhein/Diessenhofen: 10 km - 16 m: 1,6 ‰ Gefälle; bei Stein mehr; 4000 v.Chr.
  • Zugersee 413 m, 38,3 km², 212 km² Einzugsgebiet, MQ = 6 m³/s; auf 2,2 km – 6 m = 3 ‰ Gefälle
  • Genfersee 372 m, 581 km2; 7.975 km2; Fluss "Arve" kann Rhone verlegen; 1 km 3 m: 3 ‰ Gefälle; 4000 v.Chr.
  • Sempachersee 504 m, 14,5 km2; 4000 v.Chr.
  • wegen Juragewässerkorrektionen nur Abschätzungen der Abflussgefälle:
    • Bielersee 429 m, 40 km2; ~3200 km2 (o. Aare ...→ Richard La Nicca, Bern 1842); 4000; Flüsschen "Schüss" kann Zihl verlegen; Alte Zihl 1,5 km rd. 5 m bei Port: 3,5 ‰ Gefälle;
    • Neuenburgersee 430 m, 218 km2; 2.670 km2; 4000; wahrscheinlich mit 5-km-Kanal mit (vor-)abgesenkt
    • Murtensee 429 m, 22,8 km2; 693 km2; ursprünglicher Abfluss nach Nordosten: 10 km (Kallnach) fast ohne Gefälle; 3000 v.Chr.

  • Savoyische Seen ~430-550 m; 3500 v.Chr.

  • Federsee 578 m, 1,4 km2; 35,4 km2; 4000 v.Chr.
  • Starnberger See (bis 1962 Würmsee) 584 m, 58,4 km2; 314 km2; Würm mäandert lustlos ohne Moräne mit wenig Gefälle; 4000 v.Chr.
  • Ammersee (Altheimer Gruppe) 533m, 46,6 km2; 993 km2; Amper nach 12 km 528 m: 1 ‰ Gefälle; 3500 v.Chr.

  • Attersee 469 m, 46,2 km2; 464 km2; Ager MQ 17,1 m³/s, HHQ 110 m³/s; 3,6 ‰ auf 34 km; 4000 v.Chr., Ndf VRI 4310 ± 90 v.Chr.
  • Mondsee 481 m, 13,8 km2; 247 km2; Seeache MQ 9,14 m³/s, HHQ 73,4 m³/s; Gefälle 4 ‰ auf 3 km; VRI 4910 ± 130 v.Chr.
  • Keutschachersee 506 m, 1,3 km2; 30 km2; VRI 5420 ± 60 v.Chr.
    • Mattsee|Obertrumer See|Grabensee: alle 503 m – Mattig in 8 km 491 m: 1,5 ‰ Gefälle;
    • Wallersee: 506 m – Fischbach fließt km-lang flach dahin;
    • Wolfgangsee: 538 m – Ischler Ache fließt 4 km bis 514 m mit ≈ 6 ‰ Gefälle;
    • Fuschlsee: 665 m – max 2 ha Strandplatten; entwässert in Mondsee;

  • Lago di Varese 238 m, 15 km2; 112 km2; 5300 v.Chr.
  • Gardasee 65 m (größte Tiefe 346 m), 370 km2; 3556 km2; 2200 v.Chr.
  • Ledrosee 655 m; 2,2 km2; 111 km2; 2000 v.Chr.
  • Lago di Viverone, 230 m, 5,8 km2; 25,7 km2; 1450 v.Chr.

Hydrologie der Salzkammergut-Seen für die Kanal-Pfahlbauern

Niederschlagsverteilung Traunsee-Gebiet 12.+13.9.1899
Linz < 50 mm; Attersee 250 mm; Hallstättersee > 350 mm

Extremniederschläge im Traungebiet September 1899

Flögl 1980, Helmut & Blaschke, Hans: → Die Hochwasserretention der Salzkammergutseen. Sonderband Hochwasser-Abwehr des Landes OÖ, 1980, 20 Seiten.

Das extremste Hochwasserereignis wurde aufgrund der Niederschläge von nur zwei Tagen – am 12.+13.9.1899 – verzeichnet. (Nach: K.k. Hydrographischer Dienst in Österreich (1904): Das Traungebiet und die Verwertung des Retentionsvermögens der Salzkammergut-Seen zur Milderung der Hochwassergefahren.)

Die Niederschläge nur dieser beiden Tage betrugen in Linz weniger als 50 mm; beim Attersee rd. 250 mm; im inneren Salzkammergut 300 mm und beim Hallstättersee sogar über 350 mm.

Aber auch Niederschlagsereignisse der jüngeren Zeit z.B. 2.-5.6.2013 konnten regional ziemlich stark ausfallen:

  • Weißenbach v. 2.6.2013 Pegel 303 cm mit HQ 114 m³/s und einer Jährlichkeit von 200 Jahren
  • See/Mondsee 3.6.2013 Pegel 356 cm mit HQ 94,1 m³/s und einer Jährlichkeit von 25 Jahren
  • Raudaschlsäge 5.6.13 Pegel 108 cm mit HQ 93,5 m³/s und einer Jährlichkeit von 15 Jahren

Hydrologischer Vergleich der Seen

Hydrologischer Vergleich Attersee : Mondsee : Wolfgangsee : Traunsee
Einzugsge-
biet E [km²]
Seefläche
F [km²]
Verhältnis
E / F
Seeinhalt
[Mio. m³]
Abfluss MQ
in [m³/s]
Durchfluss-
dauer [a]
Hochwasser
1899 [cm]
HHQ-Speicherg
1899 [Mio m³]
Attersee 462 46,8 10,1 3.944 17,0 7,2 146 68,2
Mondsee 247 14,2 17,4 510 9,1 1,8 236 33,5
Wolfgangsee 123 13,2 9,2 619 5,4 3.9 187 24,6
Traunsee 1417 25,7 58,0 2.302 70,0 1,0 354 90,8

Daten: Rosenauer 1932: F.: → Über das Wasser in OÖ.; Flögl 1980:Die Hochwasserretention der Salzkammergutseen

Von allen in Frage kommenden Seen zeigt der Attersee von vornherein die günstigsten Hochwasserverhältnisse. Unter Berücksichtigung des Zwei-Seen-Systems mit dem Mondsee konnten für den Attersee aber noch zusätzliche Verbesserungen erzielt werden.

Wie der obigen Tabelle zu entnehmen ist, kam der Traunsee schon wegen seiner extremen Hochwasserverhältnisse für eine neolithische Besiedlung nie in Betracht: Die Seespiegel-Schwankung zwischen Mittelwasser und Hochwasser betrug mehr als vier Meter.

Das Attersee-Mondsee-System

Vergleich Mondsee : Attersee : (Attersee ohne Mondsee)
MQ = mittlerer Abfluss; HHQ = höchster Hochwasserabfluss
Einzugs-
gebiet [km²]
Seefläche
[km²]
MQ
[m³/s]
HHQ
[m³/s]
Mondsee allein 247 13,8 9 73
Attersee mit Mondsee 463 60,0 17 110
Attersee ohne Mondsee 217 46,2 8 37

Wie der Tabelle und den für Pfahlbausiedlungen besonders bedeutsamen Hochwasser-Verhältnissen HHQ (= höchster Hochwasserabfluss) entnommen werden kann, sind die Hochwässer des Mondsees (Abfluss 73 m³/s bei kleiner Seefläche) die hauptsächliche Ursache für die Attersee-Hochwässer des gemeinsamen Systems Mondsee-Attersee (110 m³/s). Diese sind für den Attersee im Gesamtsystem dreimal so schwierig wie für den Attersee allein (37 m³/s - wegen des geringeren direkten Einzugsgebietes und der viel größeren Seefläche).

Extrem-Hochwasser am Attersee 11.-20.9.1899

Wie der obigen Tabelle zu entnehmen ist, verdoppelt sich der alleinige Attersee-Abfluss bei Hochwasser (37 m³/s) nur auf das Doppelte des Normal-Abflusses (17 m³/s), wenn man den gleichzeitigen Hochwasserabfluss des Mondsees verhindern kann.

Wenn man den Attersee besiedeln wollte, musste man die drohenden Hochwässer des Mondsees beherrschen.

Wenn man für ein Starkregenereignis eine Verhinderung der Abflusswelle des Mondsees in den Attersee für die Dauer von 3 Tagen annimmt, erhöht sich bei dieser Wasserrückhaltung der Spiegel des Mondsees um ~ 1 ½ m (73 m³/s x 3.600 s x 24 h x 3 Tage = 18,9 Mio. m³ geteilt durch 13.8 Mio. m² Seefläche = 1,37 m). Mit einer Vorabsenkung um 3 m liegt man auf der sicheren Seite.

zu beherrschende Hochwasserereignisse am Mondsee

Wie der nebenstehenden Grafik zu entnehmen ist, bringt das stärkste Hochwasserereignis am Mondsee innert eines Jahrhunderts einen Seespiegelanstieg um maximal 2 ½ m.

Wenn man den Mondsee-Abfluss z.B. um rund 3 m vorab absenkte, hätten die Auswirkungen eines Starkregen-Ereignisses auf den Attersee durch entsprechenden Aufstau des Mondsees minimiert werden können.

Damit die Pfahlbauten in See/Mondsee auch bei einer Hochwasserrückhaltung des Mondsees auf dem Trockenen blieben, wäre eine Absenkung des Mondsees um rund 4–5 m zielführend gewesen (vgl. Janik-Veröffentlichung mit 6 m bei Möbelfabrik).

Seeretention HW 9/1920: - - - Abfluss ohne Retention [m³/s]

Es ist allgemein geläufig, daß bei steigenden Zuflüssen zu einem See dessen Wasserstand einige Zeit steigen muß, bis der Abfluß gleich groß wird wie der Zufluß. Dieser Effekt wird Seeretention genannt. Ebenso wird bei fallenden Zuflüssen der Seeabfluß nachhinken und sich erst allmählich dem kleiner werdenden Zufluß anpassen.

Die vergleichsweise beherrschbaren Hochwässer von Mondsee und Attersee stehen in starkem Kontrast zu den Verhältnissen am Traunsee: Der Hochwasserabfluss des Traunsees hätte 1920 ohne Seeretention 1400 m³/s betragen, wies aber trotz der Seeretention noch immer einen Wert von 1050 m³/s auf - das ist rund das 6fache von Mondsee und Attersee. Der Traunsee war für die Kanal-Pfahlbauern sicher nicht beherrschbar.

Durch die natürliche Seeretention kommt es auch zu einer Reduktion der ohne diese (theoretisch) auftretenden Seespiegel-Erhöhungen des Attersees: 1918: 90 cm (statt 320 cm ohne Retention); 1920: 130 cm (statt 350 cm); 1954: 110 cm (statt 280 cm); 1959: 130 cm (statt 490 (!) cm). Im Jahr 1959 betrug vor / während des Hochwassers der Abfluss 30 / 115 m³/s bei einem Seestand von 469,40 / 470,20 m ü.A.

Die höchsten Wasserspegeldifferenzen zwischen Hochwasserspitze und dem Ausgangswasserspiegel unmittelbar vor der Hauptwelle betrugen für den Attersee 1899: 1,05 m; für den Mondsee 1899: 2,28 m und für den Traunsee 1897: 3,35 m (!).

Die Hochwässer weisen bei den im folgenden angeführten Jährlichkeiten (= Auftretenswahrscheinlichkeiten alle ... Jahre) folgende Abflussmengen auf:

  • See (See-Ache): 40 m³/s (jährlich); 80 m³/s (alle 10 a); 100 m³/s (alle 30 a); 120 m³/s (alle 100 Jahre)
  • Raudaschlsäge: 43 m³/s (jährlich); 85 m³/s (alle 10 a); 110 m³/s (alle 30 a); 140 m³/s (alle 100 Jahre)

Kein hoher/niedriger Wasserstand wegen feuchtem/trockenem Klima

Abfluss aus Attersee abhängig vom Wasserstand

Wie der Abbildung der „natürlichen Konsumtionskurve“ des Attersee-Abflusses (Flögl 1971) entnommen werden kann, steigt der Abfluss in Abhängigkeit von der Seehöhe exponentiell an, wie man auf einfache Weise durch Drehen der Abbildung (Wasserstands-Achse liegt dann als Abszisse unten) - und damit dem Vertauschen der beiden Achsen - erkennen kann.

So beträgt der Attersee-Abfluss bei einer Seehöhe von 469,0 m: 20 m³/s; bei einer Seehöhe von 469,5 m: 50 m³/s; bei einer Seehöhe von 470,0 m bereits 110 m³/s und bei einer Seehöhe von 470,5 m über 230 m³/s.

Die beiden angefühten Punkte bezeichnen die Wasserstände und Abflüsse der extremen Hochwässer der Jahre 1899 und 1959.

Demgegenüber wird der Attersee bei einer Seehöhe von 468,5 m abflussfrei.


Die Attersee-Pfahlbauten werden (geschätzt) in Seehöhen von ca. 464 - 467 m ü. A. gefunden.

[Anm.: Die österreichischen Pfahlbauten werden nach Abschätzungen aufgrund Google-Earth-Bildern in Seetiefen von ca. 464–467 m ü.A. gefunden, wobei hierzu bestimmte Sichttiefen für das Wasser angenommen werden. Mit Ausnahme von Schweizer Arbeiten (z.B. Suter - Kleiner Hafner) gibt es in den Veröffentlichungen nur selten konkrete Tiefenangaben.]

Verwendete Literatur

K.k. Hydrographischer Dienst in Österreich (1904): Das Traungebiet und die Verwertung des Retentionsvermögens der Salzkammergut-Seen zur Milderung der Hochwassergefahren. Hrsg. vom k. k hydrographischen Zentral-Bureau, Wien. Verlag W. Braumüller, Wien 1904.

Rosenauer 1932, F.: → Über das Wasser in OÖ. JBOÖMV 1932:356–378.

Flögl 1980, Helmut; Blaschke, Hans: → Die Hochwasserretention der Salzkammergutseen. Hochwasser-Abwehr (Sonderband des Landes OÖ) 1980, 20 Seiten.

Nachtnebel 2008, Hans-Peter et al.: → Wasserwirtschaftliche Entwicklung in Überflutungsgebieten. Institut für Wasserwirtschaft, Hydrologie und konstruktiven Wasserbau, BOKU. 255 Seiten. Teil Attersee S. 17–36.

BMLFUW 2015: → Hochwasser Juni 2013 – Ereignisdokumentation; BMLUFUW Sept. 2015, 90 Seiten.

Ruttkays "Typologie und Chronologie der Mondsee-Gruppe" 1981

Dr. Elisabeth Ruttkay in Kern; Antl-Weiser; Stadler: → Nachruf Ann. NHM Wien, Serie A, 2010:55–66
  • 18. Juni 1926 in Pécs, Ungarn; † 25. Februar 2009 in Wien

Kern 2010, Anton; Antl-Weiser, Walpurga; Stadler, Peter: → Nachruf Dr. Elisabeth Ruttkay (mit Veröffentlichungsliste). Annalen Naturhistorisches Museum in Wien, Serie A, 2010:55–66;
Im Folgenden wird eine kompakte Darstellung ihres Lebenslaufs: → Elisabeth Hanák-Ruttkay (1926–2009) gebracht.

sowie: → Elisabeth Ruttkay in der englischen Wikipedia; samt Bild: „Prehistory Professor J. Neugebauer dubbed Ruttkay the `grande dame of Austrian Neolithic research´.“

Vorbemerkung: Ruttkays Diss. 1978 "Das Neolithikum mit bemalter Keramik in Öst."

Noch während ihrer Dissertationszeit veröffentlicht Ruttkay 1976, Elisabeth: Beitrag zum Problem des Epi-Lengyel-Horizontes in Österreich. Archaeologica Austriaca, Beiheft 13. FS Pittioni, 1976: 285–319 mit 13 Abb. samt Fotos. (v.a. Bisamberg, Oberpullendorf, Schleinbach)

Ruttkay 1978, Elisabeth: Das Neolithikum mit bemalter Keramik in Österreich. Eine chronologisch-kulturhistorische Untersuchung. Dissertation Univ. Wien 1978. 2 Bände (Textteil 329 Seiten; 2. Bd. mit 27 Tafeln und 2 Karten).
(Eingereicht am 10. Nov. 1978; Gutachter: Pittioni (Betreuer) und Friesinger; promoviert zur Dra. phil. am 8. Nov. 1979)
Hier wird auch das von ihr der Dissertation beigefügte → "Curriculum Vitae" (samt Kopie ihrer Unterschrift) wortident gebracht.

Ihre früheren Arbeiten und die Dissertation betreffen vor allem die Lengyel-Kultur und die darauf folgende Epi-Lengyel-Kultur in Niederösterreich, Mähren und Ungarn, nicht aber westlichere Kulturen (OÖ, Salzburg, Bayern) oder die Mondseekultur.

Ruttkay beschreibt in ihrer Dissertation die chronologische Entwicklung der niederösterreichischen Kulturen wie folgt: Linearbandkeramik – Notenkopfkeramik – Vor-Lengyel-Zeit – Lengyel-Kultur – Epi-Lengyel-Kultur (= Nach-Lengyel-Kultur).

Die Epi-Lengyel-Zeit fällt mit der Entstehung der Mondsee-Kultur in etwa zusammen.

Ruttkay sieht S. 212 für „die Epi-Langyel-Zeit auf dem österreichischen Gebiet drei Typengemeinschaften:

  • Typus Bisamberg in NÖ samt Typus Oberpullendorf im Burgenland,
  • Typus Kanzianberg-Brezje-Zrece in Steiermark und Kärnten und
  • Typus Linz-Niederperwendt in OÖ und Salzburg.
Verbreitung der Epilengyel-Gruppen in Österreich

Die östlichen Gruppen der Epilengyelzeit zeigen Verwandtschaft mit der mährischen Gruppe der Jordansmühler Kultur, die südliche Gruppe ist mit einem Abschnitt der „Alpinen Facies der Lengyelkultur“ Slawoniens ident. Der Typus Linz-Niederperwendt ist eine Variante der bayerischen Münchshöfener Gruppe.“

Die Verbreitung der Epilengyel-Gruppen in Österreich (entsprechend nebenstehender Grafik mit Ruttkays Fundortliste: S. 265–267):

  • Gruppe Bisamberg-Oberpullenidorf: #1: Wien-Stadlau: #2–25: Burgenländische Stationen; #32–40: Niederösterreichische Stationen
  • Gruppe Linz-Niederperwendt:
    • Oberösterreich: #41 Dornach/Saxen (Pittioni 1935), #42 Linz-Altstadt (Karnitsch 1962), #43 Niederperwendt (Pittioni 1935), #44 Stadl-Paura (Beninger 1961 Abb. 15,1-5,10-14; Abb. 18,1-5; Abb. 24,2)
    • Salzburg: #45 Salzburg-Maxglan (Hell 1954), #46 Salzburg-Rainberg (Hell 1954)
  • Gruppe Kanzianberg-Brezje-Zrece:
    • Kärnten: 26 Ettendorf-Kulm (Strelli 1930), 27 Keutschachersee (Moßler 1954), 28 Mallestig-Kanzianberg (Dolenz 1938, Pittioni 1954, Abb. 116), 29 Maria Saalerberg (Franz 1931), 30 Völkermarkt-Steinkögelen (Müller-Karpe 1948), 31 Wolfsberg-Strappelkogel (Franz 1931);
    • Steiermark: 47 Judenburg-Pölshals (Süß 1969), 48 Mixnitz-Drachenhöhle (Kyrle 1931), 49 Wildon-Buchkogel (Süß 1969)

Die von Ruttkay in ihrer Dissertation ab Seite 230 präsentierten Typologien (Tafeln A – D:Fotos und Tafeln I bis XXII) der drei Epilengyel-Typengemeinschaften passen - mit wenigen Ausnahmen (Henkelkrug) - nicht mit jenen der Mondsee-Gruppe zusammen.


Ruttkays "Typologie und Chronologie der Mondsee-Gruppe" 1981

Ruttkay Elisabeth schreibt 1981 in ihrer Typologie und Chronologie der Mondsee-Gruppe: "Die prähistorische Archäologie benützt für die Umschreibung ihrer Kulturgruppen keramische Typeninventare, die, mit den Angaben über Siedlungskunde, Totenfürsorge, Schmuck- und Geräteformen ergänzt, ein individuelles Bild menschlicher Kulturäußerungen übermitteln. So wurde anhand der Keramik aus den Pfahlbaustationen des Mond- und Attersees die prähistorische Kulturgruppe Mondsee konstruiert."

  • Anm.: Pittioni reiht in seinem Standardwerk aus 1954 "Urgeschichte des österreichischen Raumes" die mährisch-niederösterreichisch-burgenländische Gruppe (S. 144), die Badener Gruppe (S. 189) und Ossarn (S. 202) zeitlich vor Mondsee (S. 210) ein, was - wie heute bekannt - chronologisch unrichtig ist, auf Ruttkay aber wohl einen bedeutenden Einfluss ausgeübt haben wird, da Pittioni ja Doktor-Vater von Ruttkay gewesen ist.
    Pittioni nimmt "als Siedlungsgebiet der Mondsee-Gruppe Oberösterreich und Salzburg mit dem westlich anschließenden Bayern an" (S. 213) "und auch die Funde Hells am Götschenberg bei Bischofshofen, den Rainberg bei Salzburg und auch die Langensteinerwand" (S. 228) zählt er als Höhensiedlungen zur Mondseegruppe.
    Er vermutet aber für die Seesiedlungen einen Einfluss von den Schweizer Verhältnissen, „die vielleicht auch durch die Verwendung des Zwischenfutters angedeutet erscheinen (Pittioni S. 229: Abb. 151,2).“
  • Damit war Ruttkays "Typologie und Chronologie der Mondsee-Gruppe" von 1981 von dieser Chronologie Pittionis wesentlich beeinflusst und sie übernahm sowohl Pittionis Chronologie der Kulturen – und damit mögliche Abstammungs- bzw. Verwandtschaftsbeziehungen – als auch die Zuzählungen der von Pittioni (S. 228) angeführten anderen Siedlungen in OÖ und Salzburg zur Mondsee-Gruppe.

Link zum Transkript der Veröffentlichung von → Elisabeth Ruttkay: Typologie und Chronologie der Mondseegruppe In: Das Mondseeland - Geschichte und Kultur (vergriffen). Kulturabteilung, OÖ Landesausstellung 1981 in Mondsee. Linz 1981:269-294.

Hier kommt unvermittelt Ruttkays Aussage: Ihre Anfänge aber, die mit der Formengruppe 1 angedeutet werden, in eine Zeit, wo auch die Anfänge der ehemaligen Geschwistergruppe, der Altheimer Gruppe, gesucht werden. Nach unserer vorliegenden Studie darf Mondsee mit Altheim weiterhin als gleichzeitige „Geschwistergruppe“ angesprochen werden, die mit jener nicht nur durch ihre Gleichzeitigkeit, sondern auch durch ihre gemeinsame „nordische“ Baalberger-Komponente verbunden ist.

Hier gibt es Internet-Links zur → von Ruttkay hauptsächlich verwendeter Literatur samt ausführlicher konstruktiv-kritischer Kommentierung der Literaturstellen und der Autoren.


Konstruktive Kritik an Ruttkays "Mondsee-Gruppe"

Verbreitung der Mondsee-Gruppe; bis Bischofshofen und Ossarn (NÖ)
Ruttkays Formengruppe 1–3 der Keramiken der Mondsee-Gruppe

Es gehört zweifellos zu Ruttkays Verdienst, dass sie die Pfahlbauforschung in Österreich nach Offenberger weiter gefördert hat. Sie konnte im Pfahlbauprojekt viele „konfrontative“ Forscher zusammenführen, integrieren und einbinden.

1981 gehörte es zum Werkzeug der Archäologen, die Zuordnung von Funden zu konkreten Gruppen anhand der Keramik zu bewerkstelligen. Es ist heute aber ein wenig überraschend, dass diese „weiterhin (fast dogmatisch) an die Untrennbarkeit von Keramik und Kulturgruppen glauben“ und u. U. helfende Beiträge anderer Disziplinen geringschätzen.

Jedenfalls fehlten Ruttkay – gegenüber heute – die in großer Anzahl verfügbaren Radiokarbondaten und insbesondere deren Kalibrierung, die neolithische Gruppen wesentlich älter datieren. Auch die humangenetischen Analysen des Jahres 2015 (Haak Zs. Nature 522: "Jamnaja"; „Schnurkeramiker“) waren ihr nicht bekannt; ebensowenig solche von Haustieren. Eine für die Mondseer Pfahlbauforschung ganz wesentliche Technik besteht in tiefschürfenden Metallanalysen, wenngleich sich Ruttkay auch dafür offen zeigte und mit Pernicka zusammenarbeitete.

Zu Beginn ihrer Veröffentlichung listet Ruttkay eine große Anzahl von Fundstellen auf, die sie zur Mondsee-Gruppe zählt. Das ist umso überraschender, weil sie nicht auf Pittioni als Begründung dafür verweist. Es ist nur indirekt zu erschließen, dass sie zumindest selbst an diese Auswahl glaubte, weil sie auch Ottaway eine entsprechende Literaturliste übermittelte und die daran zweifelnde Ottaway künftig nicht mehr zitierte.

Wie der nebenstehenden Karte zu entnehmen ist, zählt Ruttkay neben den Stationen an Mond- und Attersee auch Stationen an Enns/Steyr und auch Stadl-Paura zur Mondsee-Gruppe. Zusätzlich bezieht sie die Salzburger Stationen (wohl wegen der Veröffentlichungen von „Hell“) und sogar den Auhögel bei Ainring an der Saalach in die Mondsee-Gruppe ein. Überraschend ist, dass sie auch die weit entfernten Stationen Bischofshofen sowie Ossarn und Grünbach in NÖ einbezieht.

Jedenfalls suchte Ruttkay typologisch passende Keramik bei anderen Gruppen und wurde – nach ihrer Ansicht – im mährisch-slowakisch-ungarischen Bereich fündig. Ruttkay stützte sich vorrangig auf die Arbeiten von Anna Medunova-Benesova (Jevisovice / Bolaz Kultur: siehe: → Jevisovice-Kultur in Südwestmären: Deutsche Zusammenfassung auf S. 83–90 mit 15 Tafeln der Jevisovice-Keramik) – mit der sie auch regen wechselseitigen Austausch hatte – aber auch auf jene von Nandor Kalicz (Beceler-, Balaton-Kultur). Damit konstruierte sie die „Typologie der Mondsee-Gruppe“; siehe dazu die Formengrruppen 1–3 in der nebenstehenden Abbildung.

Nach einigen chronologischen Überlegungen auf S. 286 taucht plötzlich die Altheim-Kultur wie aus dem Nichts auf:

„Ihre [die Mondseer] Anfänge aber, die mit der Formengruppe 1 (vgl. die Abbildung; oberer Teil) angedeutet werden, müssen noch in der ersten Hälfte des Jungneolithikums (Neolithikum C) gelegt werden, in einer Zeit, wo auch die Anfänge der ehemaligen Geschwistergruppe, der Altheimer Gruppe, gesucht werden. Nach unserer vorliegenden Studie darf Mondsee mit Altheim weiterhin als gleichzeitige „Geschwistergruppe“ angesprochen werden, die mit jener nicht nur durch Gleichzeitigkeit, sondern auch durch ihre gemeinsame „nordische“ Baalberger-Komponente verbunden ist.“


Ruttkays ehemalige Zeitstellung – und damit Verwandtschaftshypothese – passt nicht

Absolute und relative Chronologie archäolog. Kultur-Gruppen zur Zeit der Pfahlbauten in OÖ

Wie der nebenstehenden Darstellung zu entnehmen ist, synchronisierte Ruttkay die Anfänge der Mondsee-Gruppe mit Boleráz / Balaton 2–3 und die entwickelte Mondsee-Gruppe mit Jevišovice.

Die ältesten Radiokarbondaten der Mondsee-Gruppe zeigen ihren Beginn kalendarisch aber um 3.900 / 3.800 vor Chr (Scharfling, Seewalchen).

Demgegenüber sind die Daten von Boleráz und Jevišovice deutlich jünger, wie anhand der nachfolgend angeführten Literatur gezeigt wird.

(Anm.: Auch die Daten der Altheim-Gruppe (~3.600 v. Chr.) sind jünger als jene der Mondsee-Gruppe.)


Radiokarbon-Datierungen – (cal. v.Chr., mit 1 σ)

3519–3373: Frühestes Boleraz
3325–3027: Boleraz
3016–2900: Frühes klassisches Baden (Stufen IIB – III)
2892–2687: Jüngeres klassisches Baden


  • Schmitsberger 1999, Oliver: → Neue 14C-Daten zur Jevišovicekultur in NÖ. In: A. Krenn-Leeb (Hrsg.), Wirtschaft, Macht und Strategie. Höhensiedlungen und ihre Funktionen in Ur- und Frühgeschichte. Internat. ÖGUF-Symp. 26.-29.10.1999; AÖ Spezial 1, 2006, 41 ff.
    (VERA = Vienna Environmental Research Accelerator)

Jevišovice-Siedlung Strögen-Kirchfeld (NÖ)

VERA-246: 4340 +/- 34 BP = 3020 – 2940 BC
VERA-247: 4330 +/- 35 BP = 2930 – 2890 BC
VERA-249: 4370 +/- 30 BP = 2970 – 2915 BC
VERA-3040: 4350 +/- 35 BP = 3020 – 2900 BC
VERA-3042: 4370 +/- 40 BP = 3020 – 2910 BC

Jevišovice-Siedlung Neubach-Wachberg (NÖ)

VERA-440: 4145 +/- 35 BP = 2760 – 2660 BC
VERA-441: 4270 +/- 35 BP = 2911 – 2879 BC
KN - 4520: 4251 +/- 59 BP = 2920 – 2850 BC


Die Baden-Kultur ist chronologisch in die folgenden Phasen zu untergliedern:

3640 – 3370 (68%) Boleraz
3384 – 3370 (100%) Arbon Bleiche 3 (Late Pfyn, Early Horgen, Late Boleraz - dendrochronologische Daten nach Leuzinger)
3510 – 3100 (68%) Cerveny-Hradok
3360 – 3010 (64%) Classical Baden
3350 – 3010 (64%) Ossarn I
3240 – 2870 (61%) Ossarn II


Ruttkay wird mit ihrer Festschrift 2006 in 14C-Datierungen involviert

Cultural Groups and Absolute Chronology of Austrian Neolithics

Ruttkay korrigiert 2006 selbst in Einzelveröffentlichung die vermeintliche Verwandtschaft

Regionale chronologische Sequenzen bzgl. Trichterbecher Mährens (cal BC)

Ruttkay 2006, E.: → Eine Siedlungsgrube mit jungneolithischer inkrustierter Keramik aus Puch-Scheibenfeld NÖ. Mit Bemerkungen von Erich Pucher (S. 302-304) zu den Tierknochen Annalen NHM Wien, 107 A, 2006:267–304.

Wie der nebenstehenden Grafik zu entnehmen ist, setzt Ruttkay hier die früher herangezogenen Gruppen wie Jevisovice, Ohrozim; Boleráz mit 3.500–3.400 cal BC bedeutend jünger an als die Mondsee/Atterseee-Gruppe, die im Text auch nicht (mehr) erwähnt wird. Zudem geht sie davon aus, dass diese Gruppen eher donauabwärts ausgestrahlt haben.


Pucher 2006, Erich schreibt auf S. 303 in seinen „Bemerkungen zu den Tierknochen aus Puch-Scheibenfeld“, dass sich „die metrischen Befunde zu den Haustieren, die sämtliche Belege auch aus archäozoologischer Perspektive an die Viehhaltung des Trichterbecherkreis anschließen lässt, jedoch von den inneralpinen Gruppen des Jungneolithikums (z. B. Mondsee) absetzt.“

Ruttkay geht aber bereits 1997 detaillierter auf „verzierte inkrustinierte Ware“ ein: → Ruttkay 1997, Elisabeth: Zur jungneolithischen Furchenstichkeramik im östlichen Mitteleuropa. – Studia honoraria, 1 (Festschrift für B. Hänsel): 165–180. – Espelkamp-Berlin.

Die bemerkenswerte Arbeit von Elisabeth Ruttkay 1991

Vor-Information 1: Ruttkay 1976 erstmals zum Epi-Lengyel-Horizont in Österreich

Ruttkay 1976, E.: Beitrag zum Problem des Epi-Lengyel-Horizontes in Österreich. FS Pittioni. ArchA., Beiheft 13, 1976:285–319.

Einhenkeliger Krug Schleinbach NÖ

Zum Epi-Lengyel liegen 1976 nur wenige Siedlungen vor. Der Henkelbecher ist die wichtigste Form; er hat gut abgesetzten Boden, gequetscht-kugeligen Bauch, zylindrischen Hals und gerade abgeschnittenen Rand. Die Henkel sind ausnahmelos randständig, nie hochgezogen. Besonders charakteristisch ist das sorgfältige Einfügen des Henkels in den Rand und den Bauchumbruch. Diese Krüge kommen auch in Ungarn und im unteren Donautal vor. Möglicherweise sind manche Formen nicht als Lengyel-Erbe anzusprechen, sondern muss man ihren Ursprung im Zentral- und Ostbalkan suchen. Die verzierte Keramik zeigt eingeritzte Linienbündel auf der Schulter und ist auch bei der slowenischen Lasinja-Kultur bekannt. Das Material ist mit der ungarischen Hochkupferzeit etwa gleichzeitig und steht mit Mähren und der slawonsichen Lasinja-Kultur in Verbindung. Es gibt einen Zusammenhang mit Kanzianberg und Münchshöfen, etwas loser zu Balaton I und der Lasinja-Kultur Kroatiens.

Es ist hier Ruttkay (noch) "nicht möglich, die südöstlichen Beziehungen – die besonders durch den Doppelbecher zum Ausdruck kommt – einzubeziehen, obwohl ihr diese als sehr wichtig erscheinen. Das mittelneolithische, einheimische Substrat wird in dieser Zeit durch südöstliche Impulse stark verändert. Erst durch das zusammenhängende Verbreitungsgebiet des Epi-Lengyel-Komplexes werden die starken südöstlichen Beziehungen von Münchshöfen und die frühen Kupferfunde südlicher Provenienz im Norden verständlich."

Im Inventar des Fundes Bisamberg befinden sich Schmelztiegelfragmente und Schlacken. Sie sind Zeugnisse einer im Lande tätigen Kupfergießerei. Ein gleichzeitiger Nachweis von Salzburg-Maxglan ist bekannt (Hell 1954). Das Epi-Lengyel ist allgemein durch das Auftreten von Kupfergegenständen ausgezeichnet. Auch im süddeutschen Raum fallen die ersten Kupferfunde etwa in dieser Zeit.


Vor-Information 2: Regionale Absolut-Chronologie (Obeneder 1989)

Regionale Absolut-Chronologie von der Schweiz bis Schwarzes Meer in cal BC

Obereder 1989, Jörg: → Die Jungneolithische Siedlung Raababerg bei Graz. Diplomarbeit Univ. Wien (bei Prof. Friesinger), 1989, 244 Seiten. Link zu den → drei Fußnoten

Die Fortschritte der Dendrochronologie und den dadurch ermöglichten Präzisionskalibrierungen von 14C-Werten erlauben erstmals eine Typologie-unabhängige Chronologie aufzubauen [183].

Während für die Schweiz und Südwestdeutschland derartige Chronologien bereits vorliegen und für Mitteleuropa nördlich der Alpen eine Übersicht aufgrund kalibrierter Daten zusammengestellt wurde, kann man für die südöstlichen Gebiete nunmehr auch viele unkalibrierte 14C-Daten heranziehen, die jedoch unkalibriert sind [184].

Um eine entsprechende Übersicht für das frühe Jungneolithikum zu erhalten, wurden daher neben den Daten aus den oben genannten Arbeiten einige Ergänzungen berücksichtigt und sämtliche Einzelwerte einheitlich nach den von Gilot und Mahieu 1987 publizierten Angaben kalibriert [185]. Das so erhaltene Ergebnis wurde in ein absolutchronologisches Schema gebracht (siehe die nebenstehende Abb. 7).

Kulturen: Egolzwil, Wauwil, Cortaillod, Pfyn, Twann, Münchshöfen, Epilengyel, Mondsee, Boleráz, Baden, Gumelnita, Cucuteni, Tripolje, Bodrogkeresztur usw.


Vor-Information 3: Äneolithische Kulturen und Sălcuţa-Kultur in SO-Europa

Eneolithic cultures distribution map from Southeastern Europe (after Pătroi 2013)
Krug aus Sălcuţa (nach D. Berciu, 1961)

Pătroi 2013, Cătălin Nicolae: → About the Sălcuţa Eneolithic culture. Annales d’Université Valahia Targoviste, Tome XV, No 1, 2013:117–140.

Der Name der Sălcuța-Äneolithikum-Gemeinschaften stammt von der gleichnamigen Siedlung im Kreis Dolj. Ihr Verbreitungsgebiet umfasst Oltenien, das östliche Banat, Nordwestbulgarien und Nordostserbien; ähnliche Gemeinschaften gibt es auch in Mazedonien und Albanien (vgl. die Abb.).

Die Sălçuţa-Kultur ist Teil eines großen äneolithischen Komplexes, zusammen mit den Gruppen von Krivodol (Bulgarien) und Bubanj (Serbien). Die besten Analogien für Elemente der materiellen Kultur finden sich in der Gumelniţa-Kultur.

In der nebenstehenden Abbildung wird das Verbreitungsgebiet der Salcuta-Krivodol-Bubanj-Kultur dargestellt, sowie die benachbarten Kulturen Gumelnita, Karanovo VI, Tripolje und Cucuteni sowie Vinca und Tiszapolgar. Vor allem aber ist auch der Auslöser der Bewegung für diese Gruppen durch die Ankunft der Suvorovo-Gruppe im Donau-Delta dargestellt.

Die für die Sălcuţa-Kultur charakteristischen Gegenstände ähneln in Form und Design den Funden aus der Gumelniţa-Kultur. Die Evolutionsphase Sălcuţa IV wird als letzte Evolutionsstufe der Sălcuţa-Kultur angesehen, obwohl die entdeckten Gegenstände (Henkelkeramik, … das Motiv der Spirale) zeigen, dass es sich um ein neues Kulturphänomen handelt.

Die Entwicklung der Salcuța-Kultur und die Entwicklungsperioden der Salcuța-Bubanj-Krivodol-Kultur ist durch mehrere spezifische Elemente gekennzeichnet, nämlich:

  • Intensivierung des Kupferbergbaus in Rudna Glava, Ai Bunar und Kupferverarbeitung in großem Umfang;
  • Funktion als Filter und dann als Überträger für die südlichen Einflüsse dieser Elemente auf große Gebiete;
  • Wanderungen indoeuropäischer Völker (Suvorovo) aus den Steppen in den karpatho-danubisch-pontischen Raum.

Die Entwicklung der Sălcuța-Kultur erfolgt gleichzeitig mit dem Beginn eines langen und langwierigen Prozesses der kulturellen Vereinheitlichung, der sich auf die siebenbürgischen Kupfergebiete und die Bemalung von Keramik konzentriert.

Wenn die Daten für den nördlichen Donauraum zwischen 4451-3980 cal. B.P. konvergieren, fallen die Daten für den nord-westlichen Teil Bulgariens zwischen 4330 - 4020 cal. B. P. Nach dem gegenwärtigen Stand der Forschungen und Informationen, die wir kennen, glauben wir, dass wir über die Sălcuţa-Kultur als ein Gumelniţa-Kulturphänomen sprechen können.


Georgieva 2007, Petya: → Late Stages of the Sălcuţa-Krivodol Culture. Gerda Henkel Stiftung, Sofia 2007:229–337.
In dieser Veröffentlichung werden auf den Seiten 332–334 Abbildungen der zweihenkeligen Henkelkrüge gebracht, die später ident an der mittleren Donau und auch im niederösterreichischen Raum auftauchen.


Todorova 1975, Henrieta und Tonceva, G.: Die äneolithische Pfahlbausiedlung bei Ezerovo im Varnasee. In: Germania, Bd. 53, 1975:30–46.
Hier beschreibt Todorova die Funde am Varnasee sowie die Keramik, die mit Graphit überzogen worden ist. In Rillen der Keramik sind Spuren von weißer oder roter Inkrustination vorhanden, sodass die Keramik immer schwarz-weiß-rot gewirkt hat. Häufig wird dieses Muster mit horizontalen Graphitlinien am Gefäßhals kombiniert.
„Ezerovo war eines der größten Produktions-, Gesellschafts-, Kultur-, aber vor allem Handelszentrum dieser Zeit, in erster Linie wohl dank der günstigen geographischen Lage. In einer Zeit, wo man den Wagen noch nicht kante und der Transport auf dem Wasserweg der günstigste und schnellste war, müssen die an der Schwarzmeerküste liegenden Pfahlbausiedlungen eine sehr bedeutende Rolle gespielt und intensive Kontakte mit verschiedenen, z. T. weit entfernten Gebieten unterhalten haben.“


  • Mit dem folgenden Link wird auf die faszinierende CUCUTENI-Kultur dieser Epoche (Phase A: 4.600–4.100 v. Chr.) hingewiesen:
    Lazarovici 2009, Cornelia-Magda et. al.: → Cucuteni – A Great Civilization of the Prehistoric World. Palatul Culturii Publishing House. Hrsg. Moldavia Ministry and Romanian Academy. 352 Seiten mit sehr vielen faszinierenden Abbildungen.

Vor-Information 4: Ruttkay erforscht 1985 die Fernbeziehungen nach SO-Europa

Ruttkay 1985, Elisabeth: Fernbeziehungen im neolithischen Europa. Mitt. Anthrop. Ges. Wien, Bd. 115, 1985:139–162.

Ruttkay behandelt in dieser Arbeit einerseits die Fernbeziehungen zwischen mittlerer Donau [etwa unser Raum bis zum Eisernen Tor] und unterer Donau zu Beginn des 4. Jahrtausends, andererseits die noch weiträumigeren Beziehungen gegen Ende des 4. Jt. zwischen Südost-Europa bis nach Mitteldeutschland.

Für den – uns interessierenden – ersten Abschnitt kommt sie auf S. 141 zum Schluss, dass „… die Kommunikation zwischen den verschiedenen archäologischen Kulturgruppen der Donauländer eine Gleichgesinnung der Gruppen in der kultisch-religiösen Welt zeigt. Die bemaltkeramischen Kulturen an der unteren Donau, Gumelnita, Salcuta-Krivodol und die Lengyel-Kultur, auch die Vinca-Kultur, liefern uns Hinterlassenschaften aus der ersten Hälfte des 4. Jahrtausends, die trotz z. T. unterschiedlicher Abstammung, unterschiedlicher Geschirrserien und Siedlungsgewohnheiten die Vorstellung der Zusammengehörigkeit dieser Gruppen auf der Ebene des Kultes vermitteln.“

Auf S. 149 ff. geht sie auch auf den Kupferhandel ein und meint, dass dieser nicht in Form von Erz, sondern in Form von Barren erfolgt ist. Die Verbreitung erfolgte von den Produzenten an die Konsumenten und wurde von diesen an weitere Konsumenten usw. weitergegeben.


Vgl- hierzu auch: Bakker 1988, J. A.: Prehistoric long-distance roads in North-West Europe. In: Lichardus (Hrsg.): Die Kupferzeit als historische Epoche. Saarbrücker Beiträge zur Altertumskunde. Bd. 55, Verlag Habelt, Bonn 1991:505–528.

  • Es gab immer enorm weite Fernbeziehungen (z. B. Spondylus-Muscheln von Ägäis bis Paris; Ai Bunar-Erz ins Tripolye-Gebiet – u. U. über das Meer via den Hafen von Varna; Feuerstein von Dänemark nach Nörrland/Schweden). Bzgl. unterschiedlicheer Routen zw. A und B können unterschieden werden die schnellste, kürzeste, einfachste und sicherste. Weiters ergibt es einen Unterschied, ob Waren von Menschen oder z.B. von Ochsen getragen wurden. Die schnellste und am wenigsten anstrengende Route war wohl das Befahren eines Flusses – zumindest bergab. Ebenso günstig war ein Transport über das Meer – was sich auch in der raschen neolithiscchen Besiedlung der Mittelmeer-Regionen zeigte.

Vor-Information 5: Ruttkay ersuchte 2006 um genauere Datierung der Epi-Lengyel-Zeit

Ruttkay 2014, Elisabeth (✝); Teschler-Nicola, M; Stadler, P.: → Eine epilengyelzeitliche Speichergrube mit Schädelnest aus Sommerein-Fuchsbicheläcker, Bruck/Leitha, NÖ. Archäologie Österreichs Spezial 3, 2014:149–170.

Ruttkay hatte schon 2006 ersucht, eine genauere Datierung des Epi-Lenygel mittels Datierung der Skelettfunde vorzunehmen. Dieser Wunsch Ruttkays wurde ihr posthum mit der vorliegenden Arbeit erfüllt: Die Dauer des Epi-Lengyel ist damit auf 4.115 bis 4025 v.Chr. zu datieren (S. 168: Abb. 17).

Diese Zeitdauer passt auch deutlich besser zum Ende der Welt Südosteuropas und die damit zusammenhängenden Auswirkungen auf das Lengyel und den Beginn des Epi-Lengyel.



Ruttkay 1991: Das Ende der Donauländischen Welt und Südosteuropa

Krug aus Sălcuţa (nach D. Berciu)
Abb. 7,4: Henkeltasse v. Bisamberg aus Sammlung von Manfred Kmoch
Typischer Krug der Mondseekultur

Ergebnis: Vor 4.000 v. Chr. gelangen Kupfer-Metallurgen mit hochstehender Keramik aus dem unteren Donautal zumindest bis nach NÖ, ohne die frühere Bevölkerung zu verdrängen.

Ruttkay 1991, E.: Das Ende der Donauländischen Welt und Südosteuropa. Mitt. Anthr. Ges. 121, Wien 1991:159–181. (Lizenz: "Gebrauch ist für Forschungszwecke gestattet.")

Dieser Link bringt ein Transskript zum → Ende der Donauländischen Welt und Südosteuropa.

Die Epi-Lengyelzeit ist um 4.030 v. Chr. (tatsächlich früher: siehe Vorinformation 5) durch fortschrittlichere Keramikformen (Henkeltasse, -krug) und vor allem durch fortschrittlichere technologische Kenntnisse (Kupfergießen) gekennzeichnet. Ruttkay betont, dass diese Fortschritte nicht durch die Übersiedlung ganzer Menschengruppen aus einem höherstehenden Gebiet zurückzuführen ist; es ist im Gegenteil von einer kontinuierlichen autochthonen Entwicklung auszugehen. Die offensichtliche Veränderung ist wohl in erhöhter Mobilität zu sehen, deren Ursache in der Kupferversorgung Mitteleuropas zu suchen ist.

Dem Salcuta-Bubanj-Krivodol-Komplex gehören drei miteinander eng verwandte Kulturen an. Die Salcuta-Kultur in Siebenbürgen, Banat und Oltenien; die Bubanj-Kultur in Ostserbien, Kosovo, Albanien und Pelagonien; die Krivodol-Kultur in Nordwest-Bulgarien.

Von diesem Gesamtkomplex („Salcuta-Komplex“) sind bedeutsame Impulse auf die Epi-Lengyel-Kultur (Böhmen, Mähren, Südwest-Slowakei, Transdanubien, Alpenostrand in Steiermark, Kärnten, Slowenien und Kroatien) wahrnehmbar.

Ruttkay schreibt auf S. 166/9: Es erscheinen in der Epilengyel-Zeit des östlichen Alpenvorlandes Typologien, die sich aus der einheimischen Entwicklung nicht ableiten lassen. Die deutlichsten Typen, die aus der Fremde kamen, sind die zweihenkelige Tasse (Abb. 2,2) und der Becher mit asymmetrischen Henkeln (Abb. 7,4). Dazu kommen als „Fremdlinge“ – unter anderem – eine lineare Verzierung der Schüsselränder (Abb. 4,1), sowie umlaufende Halsverzierung (Abb. 7,1; 7,4; 7,7), Flechtmuster (Abb. 4.1 und Abb. 7,7) und schräge, alternierend angebrachte Linienbündel (Abb. 7,1). Auch das Glutgefäß (Abb. 6,6) kann wegen seines häufigen Auftretens im Fundgut als Zeichen auswärtiger Impulse gelten.

Ruttkay S. 169: Da nicht nur die zweihenkelige Tasse, sondern auch der seltene Becher mit asymmetrischem Henkel zu den Neuerungen des epilengyelzeitlichen östlichen Alpenvorlandes gehört (Abb. 7,4) und der in Siedlungen des Salcuta-Komplexes nachgewiesen ist (Djakovo, Telis) (vgl. Georgiev 1981; Cochadziev 1984; Gergov 1987; Kalicz-Schreiber 1991), bestimmt dies in großen Zügen die Richtung, wo man das Ursprungsgebiet der zweihenkeligen Tasse suchen sollte. Die zweihenkeligen Tassen des östlichen Alpenvorlandes haben ihre besten Entsprechungen in den zweihenkeligen Tassen der graphitbemalten Keramik.

Zusammenfassend stellt Ruttkay fest, dass die auswärtigen Beziehungen der Epilengyel-Gruppe, die anhand der oben angeführten keramischen Qualitäten wahrgenommen wurden, nicht ausreichen, um eine Einwanderung von Volksgruppen aus dem vermeintlichen Ursprungsland der graphitbemalten Keramik, nachweisen zu können. Dazu fehlen Geschirrserien (Typenfronten), die im Epilengyelgebiet gleichermaßen vorhanden sein müssten wie im Ursprungsland.

Da das Verbreitungsgebiet des Salcuta-Komplexes sich nicht in unmittelbarer Nachbarschaft des östlichen Alpenvorlandes befindet, sind diese Neuerungen kein „Durchsickern“. Es bleibt daher nur die Möglichkeit, die in der Keramik festgestellten Fremdelemente auf Handels-Mobilität zurückzuführen. Da die Epilengyel-Zeit gegenüber der ganzen vorangehenden Entwicklung durch reiche Kupferverwendung gekennzeichnet ist, war es wohl der Handel mit Kupfer.

Wie umfangreiche metallurgische Untersuchungen von Evgenij N. Cernych gezeigt haben, verlagerte sich der Schwerpunkt der Erzgewinnung am Balkan auf die Erze des Nordbalkans.



Ruttkay 1991, E.: → Höbenbach/Krems. Mittelneolithische Kontakte NÖs mit Niederbayern. Ann. NHM Wien, Bd. 92 A, 1991:105–124.

⇒ Ruttkay trennt hier – erstmals – die Altheimer und Hells Salzburger Siedlungen von der Mondsee-Gruppe.
Altheim hat mit Isar–Donau; Maxglan und Rainberg haben mit Salzach–Donau einfachen Zugang zu den nö Siedlungen.

Henkeltasse auf Tafel 1/1; nicht 1/2 lt. Ruttkay

Ruttkay schreibt auf S. 105: "Beide Gruben erlauben, die Siedlung von Höbenbach/Krems mit bayerischen Kulturgruppen in Beziehung zu setzen, was für das Neolithikum Niederösterreichs selten gelingt."

Ruttkay S. 118 f.: „Die meisten [in NÖ] vorkommenden Tonwaren sind Nachweise eines Importes. Sie sollten aus einer Gegend hierher gelangt sein, wo die kennzeichnende Verzierung beheimatet ist, aus Niederbayern. Dieser Gruppe könnten auch der Becher von Salzburg-Maxglan (Hell 1954) und vielleicht weitere schnittverzierte Fragmente (Hell 1953) zugeteilt werden. In diese Stufe ließen sich auch das Bruchstück aus der Rössener Kultur (Hell 1954), die „lengyeloiden“ Becher und wahrscheinlich auch die Trichterrandschüssel (Hell 1965) von Maxglan unterbringen.“ Und: „Es wird angenommen, dass die mittelneolithische schnittverzierte Keramik in Niederösterreich ein Import aus Niederbayern ist. In Österreich war die hier diskutierte stich- und schnittverzierte Keramik bisher unbekannt.“

Ruttkay S. 108: Als Einzelfund aus 1927 von Höbenbach, wurde 1942 (von Beninger) eine Henkeltasse mit überrandständigem, hochgezogenem Henkel von der Prähist. Abt. angekauft (Abb. 6/1; Tafel 1/1 [nicht 1/2 lt. Ruttkay]), die sowohl in den niederösterreichischen Gruppen als auch in Altheim vorkommt. Damit kommt Ruttkay abschließend (S. 116) zum Schluss: „Es ist festzuhalten, dass das süddanubische Niederösterreich westlich des Wienerwaldes nicht nur im Mittelneolithikum, sondern auch im Jungneolithikum in einen Kreis überregionaler Kontakte eingeschaltet ist.“

Nachfolgend werden die Literaturstellen zu den vergleichenden Abbildungen dieser Henkeltasse gebracht:

  • Ruttkay (1991, Höbenbach): Abb. 6, 1; Tafel 1/1 (nicht Tafel 1/2).
  • Pittioni (1954, Badener Gruppe, Mittlere Phase): Abbildungen auf SS. 195, 196, 198, 206.
  • Driehaus (1960, Altheim): Tafel 32/1, 2; Tafel 57/7 (nicht Tafel 1 lt. Ruttkay).

Ruttkay 1997, E.: Jungneolithische Furchenstichkeramik im östlichen Mitteleuropa (FS B. Hänsel). Espelkamp-Berlin, 1997:165–180.

  • Fußnote 3: „Seit 1989 beschäftigt sich ein interdisziplinäres FWF-Projekt mit den jungneolithischen Pfahlbausiedlungen der Mondsee-Gruppe. Eine der den Archäologen gestellten Fragen lautet: Wie ist die gesamte Gruppe entstanden? Um diese Frage beantworten zu können, sind chronologische Untersuchungen der Mondsee-Ware und auch der ihr verwandten Keramiken erforderlich. Dieser Beitrag ist Teil des Forschungsvorhabens.“
  • Ruttkay befasst sich in dieser Arbeit mit Furchenstich und Inkrustierung und bringt dazu sieben Abbildungen u.a. von der „Rebensteiner Mauer“, Retz, Mödling, Hollabrunn, Mannersdorf, Ossarn, Slowakei, dem Gajary-Stil und der Bodrogkeresztur-Kultur (Slowakei, Ungarn und Rumänien).
    Überzeugende Ähnlichkeiten zu dem mit Furchenstich verzierten Krüglein, dem „Leitfossil“ der Zeit (S. 165) und der Mondsee-Gruppe werden aber nicht gebracht.

Erste Chronologisierung der Kulturen und die erstmalige "lange Chronologie"

Vergleich von "langer" mit kurzer Chronologie

Gross 1991, Eda; Ruoff, Ulrich: → Die Bedeutung der absoluten Datierung der jungsteinzeitlichen Kulturen in der Schweiz für die Urgeschichte Europas. In: Lichardus, J. (ed.): Die Kupferzeit als historische Epoche. Symposium Saarbrücken und Otzenhausen, Saarbr. Beitr. zur Altertumskunde 55, Bd. 1, 1991:401–420.

Die erstmalige „lange Chronologie“ von Eda Gross 1991

Die hier gebrachte Arbeit von → Eda Gross hat besondere forschungsgeschichtliche Relevanz, da sie mit dieser ihrer Arbeit erstmals – in einem damals noch durch und durch ablehnenden Milieu (v.a. Lichardus, Kossack) – die Sichtweise der langen Chronologie vertreten hat.

Dabei hat sie erstmals vorhandene 14C-Daten mit den dendrochronologischen Daten der Schweizer Pfahlbauten miteinander verknüpft und damit eine Umrechnung von 14C-Daten in die Absolutchronologie der Baumringalter ermöglicht – und damit erstmals eine realitätsnahe Kalibrierung der Radiokohlenstoffmethode geschaffen.

Diese Sichtweise stieß bei damaligen "Autoritäten" auf heftigen Widerstand, da dadurch viele chronologische Annahmen um Jahrtausende verschoben wurden – und damit Lehrmeinungen geändert und Lehrbücher umgeschrieben werden mussten.

Die Abbildung zeigt die enormen Auswirkungen der „langen Chronologie“ gegenüber der „kurzen Chronologie“, wenn man allgemein bis zu dieser Veröffentlichung davon ausgegangen ist, dass Egolzwil zeitgleich mit der 1. Dynastie Ägyptens (3000 v. Chr.) gewesen sei. Die Frühdynastie I in Mesopotamien und Troja Ia (2700 v. Chr.) hätten dem jüngeren Cortaillod entsprochen. Das Frühminoisch I von Kreta und das Frühhelladisch I von Griechenland (um 2600 v. Chr.) hätten parallel zum Pfyn der Schweiz bestanden.

Demgegenüber bestand Egolzwil 1.300 Jahre vor der 1. Dynastie Ägyptens, 1.600 Jahre vor Mesopotamien und Troja und 1.700 Jahre vor Kreta und Hellas. Die Kulturen von Cortaillod und Mondsee/Attersee blühten ein Jahrtausend vor der 1. Dynastie Ägyptens, 1.300 Jahre vor Mesopotamien und Troja Ia und 1.400 Jahre vor Kreta und Hellas.

Die Mondsee-Kultur blüht ein Jahrtausend vor Ägypten

erstmals kalibrierte neolithische Daten in CH, BRD, DDR, CSSR, PL und Österreich

Die nächste Abbildung rückt mehrere frühere – und zeitlich zumeist zu "kurze" – Chronologien in ein völlig neues und realitätsnäheres Bild.

Eda Gross hat mit dieser Arbeit erstmals realistische chronologische Daten zu den einzelnen Kulturen sowohl von Schweiz, Deutschland, DDR, CSSR, Polen und Österreich sowie von den südöstlichen Ländern Ungarn, Jugoslawien, Bulgarien, Rumänien und Griechenland auf eine gemeinsame Basis gestellt und diese sogar mit den bis dahin „ältesten Kulturen“ Ägypten, Mesopotamien, Troja, Kreta, Griechenland in einen neuen, einheitlichen Zeitrahmen gestellt.

Der von Eda Gross im Jahre 1991 eingeführte wissenschaftlich fundierte Ansatz zur Kalibrierung von 14C-Daten besteht bis heute weiter und wird für die Kalibrierung von 14C-Daten weiterhin intensiv eingesetzt.

Damit wurden viele grundlegende österreichische Arbeiten (Pittioni 1954, Ruttkay 1981 usw.) zu den Pfahlbauten an den Salzkammergutseen und die daran beteiligten Kulturen in einen neuen Zeitrahmen gestellt und viele Annahmen wurden "über den Haufen" geworfen.

So beginnt die Epi-Lengyel-Gruppe in Österreich um etwa 4.100 v.Chr. – was mit dem Abbruch der Kulturen in Bulgarien, Rumänien und Jugoslawien um 4.200 v. Chr. gut zusammenpasst. Mondsee I startet um 3.900 v. Chr. und läuft bis 2.600 v. Chr. Die Baden-Kultur beginnt erst um 3.400 v. Chr.

In der Schweiz liegt die Egolzwiler Gruppe um 4.300 v. Chr. ziemlich richtig; die Cortaillod-Gruppierung folgt gleich auf Egolzwil; parallel zu dieser entwickelt sich die Pfyn-Gruppe etwas zeitverzögert, gefolgt von Horgen ab etwa 3.700 v. Chr.

Die erste Abbildung bringt den Vergleich der kalibrierten 14C-Daten mit der dendrochronologischen Datierung des schweizerischen Neolithikums (linke Spalte) und den Vergleich der kalibrierten 14C-Daten aus historisch datierten Komplexen Ägyptens mit der historischen Chronologie (rechte Spalte).

Die mittlere Abbildung bringt kalibrierte 14C-Daten der neolithischen Kulturen in Schweiz, BRD, DDR, CSSR, Polen und Österreich; die rechte Abbildung jene von Ungarn, Jugoslawien, Bulgarien, Rumänien, Griechenland, Anatolien und Ägypten.

Zielführende Keramik-Gegenüberstellungen zur Herkunftsfrage (lt. Elisabeth Ruttkay)

Keramik der Mondsee/Attersee-Gruppe

Im Folgenden wird relevante Literatur zur Keramik der Mondsee/Attersee-Gruppe angeführt.

  • Franz 1927, Leonhard und Weninger, Josef: → Die Funde aus den prähistorischen Pfahlbauten im Mondsee. Materialien zur Urgeschichte Österreichs, hrsg. von der Anthrop. Ges. Wien und der Prähistor. Ges. 3. Heft. Mit 10 Abb. Im Text und 376 Abb. auf XLII Tafeln.
  • Willvonseder 1963–1968, Kurt: → "Die jungsteinzeitlichen und bronzezeitlichen Pfahlbauten des Attersees in OÖ", Mitt. Prähistor. Komm., 1963–1968, XI. u. XII. Bd.; (Graz 1963, Wien 1968), 453 S., 34 Tafeln, 5 Abb.
  • Kunze 1981, Walter: Keramik der Pfahlbauern, Schriftreihe des OÖ Musealvereins – Ges. für Landeskunde Bd. 11. Linz 1981. 13 Tafeln.
  • Lochner 1997, Michaela: Studien zur Pfahlbauforschung in Österreich. Materialien I – Die Pfahlbaustationen des Mondsees: Keramik. Mitt. d. Prähistor. Kommiss. Bd. 32, Öst. AdW 1997, 395 Seiten
  • Bachner 2002, Margit: Die Keramik der Seeuferstation See/Mondsee - Slg. Much, Inst. f. Ur- und Frühgeschichte, Diss., 3 Bände: Text, Katalog, Tafeln; Wien 2002.

Sich für Vergleiche (SO-Europa; Schweiz) anbietende Literatur

  • Ruttkay 1991, E.: Das Ende der Donauländischen Welt und Südosteuropa. Mitt. Anthr. Ges. 121, Wien, 1991:159–181.
    • Ruttkay findet hier eine mögliche Herkunft für die verzierte Keramik und Krüge des Epi-Lengyel (und Mondsees?)
    • Ruttkay: Das Wesentliche für die Mondsee-Gruppe ist die unverzierte Keramik, da sie ihren Verwandtschaftskreis bestimmt; die verzierte Ware ist ein „Fremdkörper“.
  • Ruttkay 1997, E.: Jungneolithische Furchenstichkeramik im östlichen Mitteleuropa (FS B. Hänsel). Espelkamp-Berlin, 1997:165–180.
    • Fußnote 3: „Seit 1989 beschäftigt sich ein interdisziplinäres FWF-Projekt mit den jungneolithischen Pfahlbausiedlungen der Mondsee-Gruppe. Eine der den Archäologen gestellten Fragen lautet: Wie ist die gesamte Gruppe entstanden? Um diese Frage beantworten zu können, sind chronologische Untersuchungen der Mondsee-Ware und auch der ihr verwandten Keramiken erforderlich. Dieser Beitrag ist Teil des Forschungsvorhabens.“
  • Hafner 2005, Albert; Suter, Peter: → Raum/Zeit-Ordnung und neue Denkmodelle. Archäologie im Kanton Bern, Band 6B, Bern 2005:431–498.
    • Gliederung des umfassenden Katalogs in Regionen (West-, Zentral-, Ostschweiz / Bodensee, oberes Rhonetal und Alpenrheintal) und diese in Zeitperioden sowie nach Keramik-Typologien.
  • Hafner 2022, Albert & Hostettler, M. (Hg.): → Burgäschisee 5000–3000 v. Chr. sidestone press Leiden: OSPA 2: 2022, 502 S.
    • Seiten 387–469: Katalog und Tafeln von typologisch signifikanten Fundstücken vom Burgäschisee (Keramik, Steinbeile und Netzsenker, Silices, Knochen- und Hirschgeweihgeräte)

Das zu Ende gehende Mesolithikum der Jäger und Sammler

Kind 2016, Claus-Joachim: → Die letzten Jäger und Sammler – Das Mesolithikum in Baden-Württemberg. Denkmalpflege in Baden-Württemberg Ausgabe 35.1, 2016. 7 Seiten.
Diese Broschüre bringt eine recht erhellende Darstellung zu den letzten Jägern und Sammlern, ihrer Umwelt und dem Leben im Mesolithikum; mit Gliederung in der Jagdperiode in Haupt- und Außenlager.

Stäuble 2013, Harald; Wolfram, Sabine: → Bandkeramik und Mesolithikum: Abfolge oder Koexistenz. Conf. Paper 2013.

Stäuble bringt auf S. 121 eine recht erhellende Darstellung eines Schemas von möglichen Kontakten zwischen mesolithischen Jägern/Sammlern und neolithischen Bauern/Viehzüchtern und ihren Folgen. Nach dem dargestellten Schema wird in drei grundsätzlich mögliche Entwicklungen zwischen den Jägern/Sammlern und den Ackerbauern/Viehzüchtern unterschieden:

a) Verdrängung/Konflikt (Vernichtung, Vertreibung, Isolation)
b) Toleranz und/oder Vermeidung und
c) Integration/Assimilation (Einsickern, Kommerzialisierung, Aneignung, Übernahme/Assimilation).

Diese Möglichkeiten sind wohl in einzelnen Gebieten Mitteleuropas unterschiedlich zum Zuge gekommen. Es gab sicher Unterschiede in den flachen Lössgebieten Polens, Deutschlands und Nordfrankreichs und den eher bergigen Gebieten der Alpen und dem Alpenvorland. So endete das Mesolithikum in der Schweiz z. T. erst um etwa 4.000 v. Chr., wobei die Jäger und Sammler in den bergigen Gebieten unbehelligt blieben.

Ähnliches ist auch für den uns interessierenden Raum in Oberösterreich anzunehmen, der ja von den neolithischen Ackerbauern und Viehzüchtern eher gemieden denn angestrebt wurde. In den Gebieten südlich der Donau gab es zu Beginn der Pfahlbauernzeit an den oberösterreichischen Seen sicher noch immer mesolithische Jäger und Sammler. Ob sich das Verhältnis zwischen den ehemals „Einheimischen“ und den „Zuwanderern“ friedlich oder konfliktreich gestaltete kann heute nicht mehr beurteilt werden.

(Seltene) kriegerische Auseinandersetzungen um 5000 v. Chr.

Etwa 500 Jahre nach Ankunft der Neolithiker (5.500 v. Chr.) in den fruchtbaren Lössgebieten gab es offenbar – wenn auch seltene – kriegerische Auseinandersetzungen, wobei nicht klar ist, ob mit anderen neolithischen Gruppen oder mit den ursprünglichen mesolithischen Jägern und Sammlern.

Biermann 2012, Eric: → Krieg in der Vorgeschichte: Die Interpretation archäologischer Funde und Befunde im interkulturellen Vergleich am Beispiel steinerner Keulenköpfe des Mesolithikums bis Mittelneolithikums. In: Mitteleuropa im 5. Jt. v. Chr. Neolithikum und ältere Metallzeiten.
(Karten ab S. 345 ff. zeigen eine Häufung der Keulenköpfe im mittel- und norddeutschen Raum, aber keine Keulenköpfe im zentralen österreichischen Raum; jedoch einige an der Salzach und doch mehrere im Gebiet der Altheimer Kultur.)

Christensen 2004, Jonas: → Warfare in the European Neolithic. Acta Archaeologica, vol. 75, 2004:129–156. HQ Überblick; schlechtes Verhältnis von LBK mit Jägern/Sammlern … Befestigungen

Meyer 2018,, Chr. et al.: Patterns of Collective Violence in the Early Neolithic of Central Europe. In: A. Dolini et al. (eds.), Prehistoric Warfare and Violence, Quantitative Methods in the Humanities and Social Sciences (2018) Überblick zu den 3 Massakern (~5.000 v.Chr.)

Frayer 1997, David: OFNET (Bavaria): → Evidence for a Mesolithic Massacre. In: Troubled Times: Violence and Warfare in the Past (1997) Volltext: sind mesolithische Jäger/Sammler um 5.500 v.Chr. (14C: 7.560–7.360 BP); und → Google book mit high quality pictures

Peter-Röcher 2002, Heidi: → Krieg und Gewalt: Zu den Kopfdepositionen in der Großen Ofnet-Höhle und der Diskussion um kriegerische Konflikte in prähistorischer Zeit, 2002. Prähistorische Zeitschrift 77, 2002:1–28. Sie sieht in Ofnet kein Massaker, sondern ein besonderes "Kopfbestattungs-Ritual".


Schletz (Niederösterreich; ~5200 v.Chr.)

Die befestigte neolithische Siedlung Schletz bei Asparn in NÖ wurde 1983 ausgegraben. Im Laufe der systematischen Untersuchungen ergaben sich völlig unerwartete Ergebnisse. Es wurden 67 Individuen auf dem Grund eines ovalen Grabens gefunden. Ohne Ausnahme weisen deren Überreste multiple traumatische Schädel-Läsionen aber auch Bissspuren von Carnivoren auf. Die demographischen Analysen zeigen, dass die gesamte Bevölkerung dieser frühen bäuerlichen Siedlung vollständig ausgelöscht und über Monate unbeerdigt liegen gelassen wurde. Die Befunde legen nahe, dass dieses Genozid-Szenario für das endgültige Verlassen dieser Siedlung verantwortlich war. Die Alters- und Geschlechterverteilung weist auf ein Fehlen junger Frauen hin, was als eine Entführung bzw. Frauenraub durch die Angreifer interpretiert wird. Es gibt keine direkten Skelett-Nachweise auf die Angreifer am Platz; demgegenüber weist die Gleichförmigkeit der Strontium-Verhältnisse alle 67 Individuen als Einheimische aus.

Herxheim – 1000 rituelle Menschenopfer (Rheinland-Pfalz; 5100 v.Chr.)

Die Ausgrabungen zeigen, dass in Herxheim knapp vor 5000 v. Chr. ganz außergewöhnliche Rituale stattfanden, in deren Verlauf insgesamt mehr als 1000 Menschen getötet und dann zerlegt wurden. Man entfernte akribisch alles Fleisch, alle Sehnen und das übrige Weichgewebe von den Knochen, die danach klein zerschlagen wurden. Die Schädel erfuhren eine Sonderbehandlung: die Akteure der Ritualhandlungen schlugen mit gezielten Steinbeilschlägen Gesichtsschädel und Schädelbasis ab, so dass nur noch das Schädeldach (Kalotte) übrig blieb. Von diesen schalenartigen Schädelkalotten fanden sich in den Ausgrabungen etwa 500, dazu noch zahlreiche Fragmente von weiteren Schädeldächern, was die Zahl der Toten weiter erhöht. Die menschlichen Überreste wurden mit anderen wertvollen Artefakten in größeren oder kleineren Fundkonzentrationen in die offenstehenden Grabenanlagen deponiert. Strontiumisotopen-Analysen erbrachten überraschende Ergebnisse: Von fast 100 menschlichen Individuen erwiesen sind rund 90 als „Fremde“, d. h., nicht in Herxheim oder Umgebung geborene oder aufgewachsene Opfer. Bei den Analysen fielen hohe Strontium-Anteile auf: Die Personen wuchsen offenbar in höheren Mittelgebirgsgegenden mit Granit- bzw. Gneissuntergrund auf. Dies ist erstaunlich, da bisher Belege einer Besiedlung der Mittelgebirge durch Bandkeramiker fehlen. Die Vermutung, es handle sich bei den Opfern von Herxheim also um Mesolithiker, die als Gefangene in Herxheim bei Ritualhandlungen getötet wurden, widerlegen DNA-Analysen. Diese belegen, dass sich die DNA der Opfer gut in das Spektrum bandkeramischer Menschen einfügt. Damit gibt es eine ungeklärte Diskrepanz zwischen den Strontiumisotopen-Analysen und den genetischen Untersuchungen – die Identität der Toten von Herxheim ist bislang unbekannt.

Talheim (Baden-Württemberg; ~ 5000 v. Chr.)

Das Massengrab, das nahe Talheim in Baden-Württemberg gefunden wurde, datiert in einen Zeitraum, der etwa 7000 Jahre zurückliegt. Es enthielt die Skelettreste von 34 Individuen des frühen Neolithikums, das durch die Kultur der Linearbandkeramik repräsentiert wird. Diese Menschen scheinen die Opfer eines Massakers geworden zu sein, wie es die zahlreichen tödlichen Kopfverletzungen, ernsten Pfeilschusswunden und die Niederlegung aller Toten in der gleichen Grabgrube andeuten. Es wird angenommen, dass das Grab Mitglieder der gleichen Gemeinschaft enthält, die von einer anderen Gruppe angegriffen und getötet wurden.

Kilianstädten (Rhein-Main; ~ 5000 v. Chr.)

Christian Meyer, Christian Lohr, Detlef Gronenborn, Kurt W. Alt: → The massacre mass grave of Schöneck-Kilianstädten reveals new insights into collective violence in Early Neolithic Central Europe. PNAS | September 8, 2015 | vol. 112 | no. 36 | 11217–11222

Mit dem untersuchten linearbandkeramischen Massengrab von Kilianstädten in Baden-Württember werden neue schlüssige und unbestreitbare Nachweise für ein Massaker vorgelegt. Mindestens 26 Personen wurden gewaltsam durch stumpfe Gewalteinwirkung auf den Schädel und Pfeilverletzungen getötet, bevor sie in einem Massengrab wild zusammengewürfelt verscharrt wurden. Die Unterrepräsentation von getöteten Frauen auf eine mögliche Entführung jüngerer Frauen hindeuten, wie auch an anderen Fundorten vermutet wurde. Ebenso könnte die geringe Anzahl von Teenagern unter den Opfern auf ihre höheren Fluchtchancen im Vergleich zu jüngeren Kindern oder älteren Erwachsenen zurückzuführen sein, da diese das flinkste demografische Segment darstellen und nicht durch Kinderbetreuung oder körperliche Gebrechen belastet sind. Alternativ könnten sie auch gefangen genommen worden sein, um sie in die Gemeinschaft des Angreifers zu integrieren. Interessanterweise fällt diese Alterslücke in Kilianstädten mit jener Periode der Linearbandkeramiker zusammen, in der Kinder im mittleren Alter anscheinend viel aktivere und anerkanntere Mitglieder ihrer Gemeinschaften wurden und daher, wie die jüngeren Frauen im reproduktiven Alter, als ein bevorzugtes Bevölkerungssegment für die Gefangennahme betrachtet worden sein könnten. In Kilianstädten wurde auch ein völlig neues Gewaltmuster festgestellt: das absichtliche und systematische Brechen der unteren Gliedmaßen (Schien- und Wadenbeine). Die Häufigkeit dieser festgestellten Perimortem-Frakturen deutet entweder auf Folter und/oder Verstümmelung der Toten hin. Es wird vermutet, dass damit eine Verfolgung der Angreifer auch durch Geister der Getöteten verhindert werden sollte.

Halberstadt (Sachsen-Anhalt; ~5000 v. Chr.)

Meyer, Chr. et al.: → Early Neolithic executions indicated by clustered cranial trauma in the mass grave of Halberstadt. Nature Communications vol. 9, 2018.

Ein jungsteinzeitliches Massengrab im Süden von Halberstadt gibt Rätsel auf: Die neun enthaltenen Leichen stammen von 7 erwachsenen Männern zwischen 25 und 40 Jahren, einem 16-20 Jahre jüngeren Mann und einer Frau zwischen 21 und 26 Jahren, die vermutlich brutal hingerichtet wurden. Alle Opfer wurden durch einen gezielten Schlag meist auf den Hinterkopf getötet und anschließend verscharrt. Die Strontium-Isotopen-Analyse der Skelette aus Halberstadt weist sie einem völlig anderen Lebensraum zu, das heißt, dass die Aggressoren offenbar von den Verteidigern überwältigt und hingerichtet worden sind.

Die 12 Pfahlbau-Berichte

I. Bericht (Keller, 1954): Die keltischen Pfahlbauten in den Schweizerseen. 1r Bericht Mittheilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich. Band IX. 2. Abtheilung. Heft 3. Zürich 1856, S. 67–100; 5 Tafeln. 38 Seiten. (Entdeckung durch Lehrer Aeppli zu Ober-Meilen Winter 1853/54; Beschreibung der Stationen am Zürchersee, Bielersee, Neuenburger- und Genfersee, Sempachersee, Greifensee, Pfäffikersee und Walenstadersee.)

II. Bericht (Keller, 1858): Auflistung der Funde an Schweizer Seen; in Deutschland (Unter- und Obersee); Savoyen und Irland. Vergleiche mit Syrien; neue Fundgegenstände;

III. Bericht (Keller; 1860, 2 Hefte): Romantisierende Einleitung von Keller; Torfmoos - Oberst R. Suter bei Wauwyl; Tafel II zu Wauwyl; viele neue Funde;

IV. Bericht (Keller, 1861): Torfmoore; Italien; Flachsindustrie; Weberei;

V. Bericht (Keller, 1863) viele neue Entdeckungen;

VI. Bericht (Keller; 1866): viele Seen: mit Wasserständen des Bodensees; Steinhügel bei Unteruhldingen: Tafel 6 (S. 91)

VII. Bericht (Keller; 1876): Lac de Bienne, Lüscherz, Latringen, Sutz, Lac de Neuchâtel; Lac de Morat; Lac Léman; Schädel von Esel und Rind aus den Pfahlbauten von Auvernier und Sutz; Die beiden Einbäume von Vingelz (Tafel XXIII); Ueber die Thierreste der Pfahlbaustationen Lüscherz und Möringen;

VIII. Bericht (Keller; 1879): Gr. u. Kl. Hafner, Constanz, Bielersee)

IX. Bericht (Jakob Heierli, 1887): Bodensee, Mittelschweiz, Westschweiz mit Bielersee

X. Bericht (Viollier, D. / Sulzberger, K. / Scherer, P. Emanuel; 1924): (Ost- und Zentralschweiz; Mensch, Tier, Pflanzen))

XI. Bericht (Viollier, D. / Tschumi, O. / Ischer, T.; 1930) 2 KARTEN am ENDE (Westschweizer Pfahlbauten) und: → Tatsächlich findet man in der Grafik des XI. Pfahlbauberichts 1930 auf Seite 57 f. bei Stein vor und nach der Ortschaft die "untersten" Pfahlbausiedlungen des Bodensees.

XII. Bericht (Viollier, D. / Vouga, P. / Tschumi, O.; 1930): Statistik der schweizerischen Pfahlbauten: ALLE SEEN mit STATIONEN; (Siedlungen Westschweiz; Pollen; Diagramme Bielersee, Neuenburgersee, Lac Lemon)

Die Berichte 11 und 12 (Bd. 30), enthalten ein vollständiges Verzeichnis der Pfahlbauten der Westschweiz, samt Angabe aller darüber veröffentlichter Literatur.

Keutschacher See und Hafner See

Dworsky 2021, Cyril; Meyer, Lieselore: → Die jungsteinzeitlichen Pfahlbauten in Kärnten. Sonius 2021, S. 3–8.

Meyer 2020, Lieselore: → Der Hafnersee - Unbekannte Pfahlbauten.

Kleine Zeitung Kärnten: → Verborgener Schatz im Hafnersee; 7.1.2021

Offenberger 2014, Johann: → Die neolithische „Inselsiedlung“ im Keutschacher See (Kärnten) – Eine kritische Betrachtung. ÖAB; Historica – Austria, Band 12, Jg. 2014. 55 Seiten.

Klemun 1995, Marianne: → Die Erforschung des vorgeschichtlichen „Pfahlbaus" – ein kontroversielles Kapitel der internationalen prähistorischen Forschung des 19. Jahrhunderts und Ferdinand Hochstetters Entdeckung der Keutschacher „Pfahlbauten" (1864). Carinthia II, Klagenfurt. S. 215–238.


Samonig 2003, Bertram: → Die Pfahlbaustation des Keutschacher Sees. Mitteilungen der Prähistorischen Kommission: Studien zur Pfahlbauforschung in Österreich. Materialien II; 260 Seiten. ÖAW 203 Online Edition. [Anm.: Die einzelnen Kapitel sindals PDF downloadbar: u.a.: → 60 Tafeln mit Abbildungen; 96 Seiten → Katalog. OPEN ACCESS

S. 27: … dass in einem bestimmten Zeitabschnitt die Seeuntiefe trocken fiel und in Form einer kleinen, flachen Insel aus dem See ragte. Bei den jahreszeitlich bedingten Hochständen wurde sie überspült, wobei es zu sandigen Absätzen kam. Mit einem geringen Anstieg des Wasserspiegels kam es zur Bildung von Radizellentorf, bis eine neuerliche Auffüllung des Seebeckens eine Überflutung verursachte, in deren Folge dann die bislang gebildeten Ablagerungen durch Wellenschlag bis auf geringe Reste zerstört und abgetragen wurden (Mossler 1954, 92).

Diese Deutung sah der Geologe Fritz Brandtner (Wien, Untersuchung von Moor- und Seeböden) durch das Auffinden eines Bachbettes im südöstlichen Seebereich bestätigt. Das Bachbett mit Holz- und Holzkohleeinschwemmungen lag ca. 1,5 m unter dem heutigen Wasserspiegel. Für Brandtner ist dies ein Beweis für starke Seespiegelschwankungen. Seiner Meinung nach wurde der Pfahlbau in einer Trockenperiode angelegt. Beim Wiederansteigen des Seespiegels sind Hölzer und Holzkohlestücke aus der Siedlung in das Bachbett eingeschwemmt und durch Torfbildung überdeckt worden. Wenn das zutrifft, befand sich der Pfahlbau zur einen Hälfte im Wasser, da Pfähle bis in sechs Meter Tiefe vorhanden sind, und zur anderen Hälfte auf festem Untergrund (Anm.: Diese zweite Vermutung von Brandtner trifft höchstwahrscheinlich zu, wie neue Untersuchungen von Cichocki im August 2001 ergaben. Lt. Mündl. Mitt. von O. Cichocki.)

Aktuelle IntCal20 Kalibrationskurve für die nördliche Hemisphäre

Artikel: The IntCal20 Northern Hemisphere Radiocarbon Age Calibration Curve (0–55 cal kBP) Zs. Radiocarbon 62. doi: 10.1017/RDC.2020.41. Download des Artikels: → als HTML und → als PDF

Datenquelle für die Kalibrationskurve: https://www.intcal.org/https://www.intcal.org/data.htmlhttps://www.intcal.org/curves.htmlhttps://www.intcal.org/curves/intcal20.14c.

IntCal20-Daten von 6.500 bis 4.500 calBP ≈ 4.500 bis 2.500 v. Chr.
Normalverteilung: 68,3 % der Werte im Intervall [X ± 1σ]; 95,4 % der Werte im Intervall [X ± 2σ]; mit σ (Sigma) als Standardabweichung

Die weiter unten auszugsweise angegebenen Daten der IntCal20-Kalibrationskurve werden in der Grafik für die Jahre 6.500 bis 4.500 Jahre vor heute dargestellt. Dabei erkennt man einerseits, dass die 14C-Daten ein um 600 - 850 Jahre zu geringes Alter gegenüber dem kalendarischen Alter ausweisen, andererseits dass es zu jedem 14C-Alter mehrere kalendarische Alter gibt.

Den unten angegebenen 14C-Daten von IntCal20 kann ebenfalls entnommen werden, dass diese Daten nicht für einen bestimmten Zeitpunkt X (den wahrscheinlichen Erwartungswert) sondern nur für einen bestimmten Zeitraum angegeben werden können. Diese Abweichungen vom physikalisch ermittelten Zeitpunkt X werden mittels Standardabweichung um diesen Wert (X ± σ = X ± Sigma) angegeben.

Beispiel aus dem IntCal20-Datensatz: (mit: 0-Punkt calBP = 1950 n. Chr.)

calBP, 14C age, Sigma, Delta 14C, Sigma (Daten durch Beistriche getrennt)

6000,5276,17,71.4,2.3

5995,5248,16,74.5,2.2

5990,5228,16,76.6,2.2

5985,5207,16,78.7,2.1

5980,5200,16,79.0,2.1

5975,5207,17,77.4,2.3

5970,5218,18,75.3,2.4

5965,5230,17,73.1,2.3

5960,5239,17,71.1,2.3

5955,5244,18,69.9,2.4

5950,5242,18,69.5,2.4

Curiosa

"Pfahlbauten" - Monopol

Der beschreibende Begriff „Pfahlbauten“ ist seit dem 4. Juni 2004 (nun verlängert bis 31.10.2033) eine eingetragene Marke [= ein immaterielles Monopolrecht] beim Deutschen Patent- und Markenamt. Inhaber der Wortmarke → „Pfahlbauten“ mit der Registernummer 30355957 ist der Verein für Pfahlbau- und Heimatkunde e. V. [= "Unteruhldingen"].


"Geheime" Gesetze?

Wie den nachstehenden offiziellen Informationen zu entnehmen ist gibt es ein - sehr sinnvolles - gesetzliches Tauchverbot zum Schutz von Pfahlbauten. Die diesbezügliche Regelung ist aber nicht auffindbar (weder RIS noch Oberösterreich noch BH-Bescheid).

Pohl 2022, Henrik: → Welterbetag 2022: Pfahlbauten hautnah – Eine Tauchexkursion zur Siedlung See am Mondsee: „Die Fundstellen der Pfahlbauten in den österreichischen Seen unter Wasser sind nicht nur verborgen und damit so unsichtbar wie unzugänglich, auch gehört zu den Schutzmaßnahmen der Welterbestätten ein allgemeines Tauchverbot. Dies kann durch personalisierte Ausnahmegenehmigungen (z.B. zur Erforschung und Kontrolle der Fundstellen) aufgehoben werden und dient dazu, den unkontrollierten Zugang zu den empfindlichen Siedlungsresten einzuschränken.“

Dworsky 2018, Cyril: „… wäre es schon möglich zu einer der unter Wasser gelegenen prähistorischen Siedlungen, die Teil des UNESCO-Welterbes sind, in den Attersee, Mondsee oder Keutschacher See zu tauchen. Wirklich praktikabel ist das aber nicht. Schon alleine, weil die → Pfahlbauten in Österreich alle in Tauchverbotszonen liegen.“

Auskunft der → Oö Landesregierung vom 26.2.2013: „… teilen wir Ihnen mit, dass im Jahr 2012 insgesamt 3 Ausnahmegenehmigungen vom Tauchverbot im Attersee/Mondsee erteilt wurden. Zweck dieser Ausnahmen vom Tauchverbot waren: Entfernung von Müll, Monitoring unterwasserarchäologischer Fundstellen bzw. fotograph. Dokumentation von Arealen für Pfahlbauten.“


Der (logische) Test-Prüfer zum Pfahlbauproblem

Der Test-Prüfer: Lüdi, Werner: → Pfahlbauprobleme; In: "Bericht über das Geobotanische Forschungsinstitut Rübel in Zürich" 1950:108-139; v.a. S. 126 ff.

S. 134: „Angesichts der vielen gegen Zersetzung empfindlichen Fundstücke, wie Gewebe, bearbeitete Hölzer, Samen und andere Pflanzenreste, ist eine Häufung der Kulturschicht auf trockenem Boden kaum erklärlich, vermutlich am ehesten, wenn man annimmt, die ganze Siedlung sei durch plötzliche Überschwemmung zerstört worden und dabei dauernd unter das Wasser gekommen.“

Rucker, Christian: Untersuchung des energetischen Potentials einer verzögerten Hochwasserabgabe aus dem Attersee. Diplomarbeit 2007, Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft, TU Graz

Eichen und deren Wachstum

Hannes Mayer: Waldbau auf soziologisch-ökologischer Grundlage; Gustav Fischer-Verlag 1977, 513 S.

Mátyás, Gabor: → Rekonstruktion der nacheiszeitlichen Einwanderung der Eichen in der Schweiz anhand ihrer Chloroplasten-DNA. (vgl. insbesondere auf Seite 12 die Abb. 1: „Pollenhinweise zur postglazialen Einwanderung der Eichen in die Schweiz“ mit der dortigen Isochore (9.000 Jahre vor heute)).

ad Schindlers Grafik: (Anm.: Z. B. hätten die Pfähle enorme Längen aufweisen müssen, wenn er auf seinem minimalen Seespiegel (403,5 m) beharrte: Pfahlfundierung ~ 1 m in Seekreide auf Kote 400 m (lt. der Abb.) plus seine Schätzung für Seehochstände von ~ 407,5 m (S. 310) plus 1 m "Freibord" der Fußböden ergäben ~ 10 m lange – sich nicht wesentlich verjüngende – Pfähle bis zur Fußbodenhöhe. Auf Fragen, wie damit die Pfähle im 3,5 m tiefen Wasser – auf Flößen mit zumindest 5 m hohem Aufbau – zielgerichtet eingerammt werden und mechanisch stabil (Sturmwellen) zu errichten wären, geht er nicht ein.)

→ vgl. hierzu auch --> LÜDI !!!

Skriptum Waldwachstum Professur Forsteinrichtung und Waldwachstum ETH Zürich

Eichenbewirtschaftung im Alpenvorland OÖ LWKa OÖ BOKU HQ BILDER

BUCH: https://www.wald-und-holz.nrw.de/fileadmin/Publikationen/Broschueren/Eichenkonzept_Wald_und_Holz_NRW_022015.pdf

Eiche - Baum- und Stammform

WACHSEN EICHEN in SOLCHE HÖHEN ? Stangenholz: Bestände mit einem durchschnittlichen BHD von 7 bis 14 cm

Deutsche Eiche HQ BILDER 5m Stammumfang 20-25 cm; = 4 cm Durchmesser

Schlankheit als Risiko Kriterium für das Versagen von Bäumen entdeckt Forschungszentrum Karlsruhe in der Helmholtz-Gemeinschaft

https://www.plantopedia.de/eiche-wachstum/ junge Eichen wachsen schneller als ältere; 40 bis 70 mm pro Jahr sind möglich; 2 m Höhe erreicht das Jungbäumchen nach etwa 4-5 Jahren; nach zehn Jahren liegt die Höhe zwischen 4 und 7 m; mit jedem Jahr verlangsamt sich das Wachstumstempo (Endgröße 15 - 35 m)

Das Wachstum von Eichen und Roteichen: Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg

https://www.waldwissen.net/de/lebensraum-wald/baeume-und-waldpflanzen/laubbaeume/eichenarten-in-oesterreich WACHSTUMs-BILD

https://www.waldwissen.net/de/waldwirtschaft/waldbau/bestandespflege/eichepflege-und-qualitaet-der-baeume STANGENHOLZ

Literatur-Sammlung

ETHZ-Suche

Jungsteinsite.de: http://www.jungsteinsite.de/

Univ. Würzburg: Vorlesung: → Neolithikum 1 – Literaturliste

Univ. Würzburg: Vorlesung: → Neolithikum 2 – Literaturliste – alle Kulturen in Mitteleuropa

Plattform – Zeitschrift des Vereins für Pfahlbau und Heimatkunde e.V. 23/24, 2014/15. (Gunter Schoebel) → Der Südwesten – Zur Situation während des Nationalsozialismus; S. 54–71.


Matthias Hardt: → Seen und Kulturlandschaftsentwicklung in Mitteleuropa - Von den Feuchtbodensiedlungen des Neolithikums bis zu den modernen Tagebaufolgelandschaften. In: Siedlungsforschung. Archäologie – Geschichte – Geographie 27, 2009, S. 7–30. (Überblick zu Pfahlbauten)

Staudacher-Buchau, W.: Gab es in vorgeschichtlicher Zeit am Federsee wirklich Pfahlbauten?; Praehistor. Zs. 1925, 16(1), p. 45-58.

Reinerth, Hans: Die Pfahlbauten des Federseemoores. Praehistor. Zs. 1927

Reinerth, Hans: Zur Pfahlbaufrage. PrHistor. Zs. 1927. Die Pfahlbauten standen seit der Eiszeit wg. TROCKENHEIT auf dem TROCKENEN.
«Wir müssen deshalb für alle bisher ohne Unterschied als Pfahlbauten bezeichneten Steinzeitdörfer am See annehmen, daß sie nicht im Wasser, sondern an dessen Ufer errichtet waren, so daß die Hauptmasse der Häuser auf trockenen Boden ohne Pfahlrost errichtet werden konnte und nur die äußersten Häuser, die den Verkehr mit dem See vermittelten und bei Hochwasser unter Wasser kamen, Pfahlbauten waren.»

Ischer, Theophil: → Waren die Pfahlbauten der Schweizer Seen Land- oder Wassersiedlungen? Anzeiger für schweizerische Altertumskunde 1928 VERSUCH: "VERNICHTUNG von REINERTH"

Lüning, Jens: → Zum Kulturbegriff im Neolithikum Prähist. Zeitschr. 47, 1972, 145-173.

Schier, Wolfram: → Extensiver Brandfeldbau und die Ausbreitung der neolithischen Wirtschaftsweise in Mitteleuropa und Südskandinavien am Ende des 5. Jahrtausends v. Chr. Prähistorische Zs., 2009.

Schier, Wolfram, Ehrmann, Otto u. Rösch, Manfred: → Experimentelle Rekonstruktion eines jungneolithischen Wald-Feldbaus mit Feuereinsatz – ein multidisziplinäres Forschungsprojekt zur Wirtschaftsarchäologie und Landschaftsökologie, Prähistorische Zs., 2009.

KULTURELLES:

Dusseldorp, Gerrit L., Amkreutz, Luc: → Foraging for Farmers? An evolutionary perspective on the process of Neolithisation in NW Europe – A case study from the Low Countries Prähitorische Zs. 2015

Przybyła, Marcin: → Mating systems in prehistoric populations. An evolutionary approach and archaeological evidence Prähistorische Zs. 2013

RESEARCHGATE-Quelle zu JACOMET

Jacomet, St.: → Plant economy and village life in Neolithic lake dwellings at the time of the Alpine Iceman (--> Arbeiten wd. des Jahres …) Zs. Vegetation History and Archaeobotany · January 2009

Jacomet, St. et al.: → Archäobotanik am Zürichsee. Ackerbau, Sammelwirtschaft und Umwelt von neolitischen und bronzezeitlichen Seeufersiedlungen im Raum Zürich. Ergebnisse von Untersuchungen pflanzlicher Makroreste der Jahre 1979-1988. ZUSAMMENFASSUNG

Jacomet, St.: → Soziale Verhältnisse vor 5400 Jahren (betrifft: Spezialisierungen in Arbon Bleiche; Zuwanderer vom Wr. Becken)

Jacomet et al.: → Bauern, Fischerinnen und Jäger: Unterschiedliche Ressourcen- und Landschaftsnutzung in der neolithischen Siedlung Arbon Bleiche 3 (Thurgau, Schweiz)?

Jacomet et al.: → Archäobiologie als sozialgeschichtliche Informationsquelle: ein bislang vernachlässigtes Forschungspotential

Jacomet, St. et al.: → Bauern, Fischerinnen und Jäger: Unterschiedliche Ressourcen- und Landschaftsnutzung in der neolithischen Siedlung Arbon Bleiche 3 (Thurgau, Schweiz)?

Jacomet, St., Leuzinger, Urs u. Schibler, Jörg: → Die jungsteinzeitliche Seeufersiedlung Arbon I Bleiche; Teil 3 Umwelt und Wirtschaft (2004)

Jacomet, St. et al.: → Neolithic Lake Dwellings in the Alpine Region (HQ allgem. Darstellg.)

Jacomet, St. u.Schibler, Jörg: → Subsistenzwirtschaft aus archäo(bio)logischer Sicht (2010)
... jedoch ist nicht mit einer häufigen Verlegung der bewirtschafteten Flächen zu rechnen: Diese müssen einen großen Wert dargestellt haben, hatte man sie einmal dem Wald abgerungen. Mit traditionellen Methoden (Pflanzensoziologie, ökologische Zeigerwerte, Arealkunde) ausgewertete Unkrautspektren, mindestens des Jung- und Endneolithikums, deuten jedenfalls auf dauerhaft bewirtschaftete Flächen hin (zusammenfassend etwa Hosch & Jacomet 2004, 128 ff.).