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B.2 Kriterien

Link zur Quelle: → B.2 Criteria (Seite 1301 ff.)

a. Großer Zuwachs an Wissen über frühe Agrargesellschaften und den Alltag der Menschen

a1 Typisches Beispiel: ein Beispiel, das das Gesamtbild der Pfahlbauten prägt und gleichzeitig repräsentativ für eine bestimmte Zeit und Region ist.

a2 Wichtige Referenzassemblagen: Die Beurteilung eines Fundkomplexes hinsichtlich seiner zeitlichen und räumlichen Stellung erfordert typologische Vergleiche mit Referenzfundkomplexen. Besonders wichtig sind Fundstellen, die nach Kulturgruppen benannt sind, da sie sozusagen als "Gradmesser" dienen.

a3 Belege für Fernhandelskontakte: Während die prähistorische Periode weitgehend durch eine kleinräumige Organisation gekennzeichnet war, gibt es Beispiele für Austauschbeziehungen über Hunderte von Kilometern. Die Bedeutung solcher Beziehungen lag nicht zuletzt darin, dass sie oft wichtige technologische Innovationen ermöglichten.

a4 Seltene Periode: Fundstellen aus seltenen Perioden, die in der Region und darüber hinaus vorkommen, sind Meilensteine für den Beginn oder das Ende der Pfahlbauzeit in der Region oder können sogar auf kulturelle Veränderungen hinweisen. Gerade dieser Wert berechtigt zur Aufnahme in die Serie, auch wenn der Erhaltungszustand nicht als hervorragend bezeichnet werden kann (Potential/Erhaltungskategorie "B" – Nomination File, S. 277-278).

a5 Wichtige technische Innovationen: Metallverarbeitung, Transportwesen usw. sind wichtige Etappen in der Entwicklung der Zivilisation, für die die Pfahlbauten gute Belege liefern.

a6 Besondere geographische Situation: Sei es eine alpine Lage, in großer Höhe über dem Meeresspiegel oder am Rande des Verbreitungsgebietes einer Kulturgruppe – eine besondere geographische Lage erfordert immer spezifische wirtschaftliche Konzepte oder Anpassungen im Hinblick auf die Interaktion mit benachbarten Gruppen. Solche Fundstellen ergänzen die Erkenntnisse aus dem "klassischen" Siedlungsgebiet und erweitern den Einblick in die prähistorische Gesellschaft erheblich.

a7 Mehrere Siedlungsphasen: Fundstellen mit mehreren stratigraphisch ausgeprägten Siedlungsphasen innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums (maximal 100 Jahre) geben Aufschluss über die kulturelle Entwicklung und die Veränderungen, die innerhalb eines klar definierten Siedlungsgebietes und damit – aller Wahrscheinlichkeit nach – auch einer gleichbleibenden Bevölkerung stattgefunden haben.

a8 Zeitgleiche Standorte: Dank der zuverlässigen Daten, die die Dendrochronologie liefert, können zeitgleiche Standorte identifiziert werden. Dies ermöglicht es, Unterschiede und Ähnlichkeiten, Regeln und Ausnahmen zu definieren, was für das Verständnis der Mechanismen, die die prähistorische Gesellschaft beherrschten, wichtig ist. Dieser Wert bezieht sich auf den herausragenden wissenschaftlichen Wert der Pfahlbauten. Das Kriterium bezieht sich nicht auf eine Überschneidung bestimmter Werte – wie oben dargelegt, ist es eines der Ziele dieser Neubewertung, solche Überschneidungen innerhalb der Serie zu minimieren –, sondern auf einen bestimmten Wert, den zwei Standorte gemeinsam haben. Um die Zahl der Standorte so weit wie möglich zu begrenzen, sollte dieser Wert jedoch moderat angewandt und auf zwei Standorte innerhalb eines bestimmten Zeitraums und einer bestimmten Makroregion beschränkt werden.

a9 Andere Aspekte (erläutert in der Spalte "Besonderer Wert" der Tabellen)


b. Wichtige Beispiele für die Entwicklung von Architektur, Bauwesen und Lebensraum

Prähistorische Pfahlbauten sind hervorragende Belege für frühe bäuerliche Siedlungen, die die architektonische Tradition über längere Zeiträume widerspiegeln (Kriterium v für Inschriften). Um diese Anforderung zu erfüllen, muss eine Vielzahl von Werten einbezogen werden:

b1 Architekturelemente: Prähistorische Siedlungen können nur dann rekonstruiert werden, wenn Elemente wie Architektur, Dacheindeckungen, spezielle Bauweisen und Gebäude mit besonderen Funktionen in größtmöglicher Vielfalt bekannt sind.

b2 Rekonstruierbare Dorfgrundrisse (oder Teile davon): Die Struktur eines Dorfes ist nicht nur für das Erscheinungsbild der Siedlung wichtig, sondern auch für die soziale Organisation in prähistorischer Zeit.

b3 Siedlungen in ungewöhnlichen Lagen oder mit besonderen Funktionen: Nach a6 sind nicht nur die typischen Beispiele von Siedlungsstrukturen zu berücksichtigen, sondern auch Sonderfälle. Ungewöhnliche topographische Lagen (Inseln, Moore) oder besondere Funktionen (z.B. Steganlagen) sind entscheidend, um ein möglichst detailliertes Bild der Vorzeit zu entwerfen.

b4 Siedlungsdynamik innerhalb einer Mikroregion: Die Dendrochronologie ermöglicht es, die Siedlungsdynamik, d.h. die Aufgabe und Verlegung von Siedlungen derselben Gesellschaft innerhalb kurzer Zeiträume und auf einem sehr kleinen Gebiet von wenigen Quadratkilometern genau zu verfolgen – ein wichtiger Wert für das Verständnis der prähistorischen Gesellschaft. Dieser Wert kann – muss aber nicht – mit einer anderen Fundstelle in der näheren Umgebung kombiniert sein.


c. Hervorragende Datierungsmöglichkeiten (Dendrochronologie)

Die Möglichkeit, archäologische Überreste mit dendrochronologischen Mitteln genau und jahrgenau zu datieren, ist eine der herausragenden Eigenschaften der archäologischen Forschung. Allerdings sind nicht alle Fundstellen in gleichem Maße geeignet.

c1 Qualitativ gute Datierungsmöglichkeiten: Nicht alle Pfähle sind für dendrochronologische Analysen geeignet. Die Verfügbarkeit von Holzarten, die für die Datierung geeignet sind, und von Proben mit ausreichenden Jahresringen ist für diesen Wert von besonderer Bedeutung.

c2 Leicht verständliches Pfahlfeld: Dichte Pfahlfelder können die Interpretation von Siedlungsstrukturen erschweren, da es nie möglich ist, alle Hölzer dendrochronologisch zu datieren. Daher sind einfache Pfahlfelder, die mit bloßem Auge interpretiert werden können, von besonderem Wert.

d. Äußerst reiche und breite wissenschaftliche Datenbasis

Dank günstiger Erhaltungsbedingungen liefern Pfahlbauflächen oft außerordentlich reiche Fundkomplexe, die es auch erlauben, statistische Analysen durchzuführen und "Zufälle" auszuschließen.

d1 Ungewöhnlich dicke Kulturschichten: Es ist nicht immer möglich, das Potenzial einer Stätte genau einzuschätzen, insbesondere wenn sie kaum erforscht ist. Das bedeutet aber auch, dass sie noch weitgehend intakt ist. In den Fällen, in denen ungewöhnlich dicke Kulturschichten festgestellt werden können, kann man davon ausgehen, dass die Stätte ein großes Potenzial für künftige Forschungen birgt und eine hervorragende Ressource für weitere Untersuchungen darstellt.

d2 Hinweise auf Produktionstechniken: Nicht nur gebrauchsfertige Gegenstände geben Einblick in die prähistorische Zeit, sondern auch Rohlinge, Halbfertigprodukte und Abfälle, anhand derer die Herstellung von Werkzeugen und Artefakten nachvollzogen werden kann.

d3 Sehr kurze Siedlungsphase (1-2 Jahrzehnte): Dieser Wert ist von besonderer Bedeutung, weil wir dank ihm – in Verbindung mit einer großen Anzahl von Funden und einer präzisen Datierung – ein genaues Abbild, einen "Einblick" in das Leben in prähistorischer Zeit geben können, das nicht durch eine lang andauernde kulturelle Entwicklung verzerrt oder durch spätere Siedlungsphasen gestört wird.


e. Hervorragende Möglichkeiten für Naturwissenschaft oder reiche organische Funde

Die Pfahlbauten sind hervorragende Archive für naturwissenschaftliche Studien, insbesondere für Biowissenschaften, Paläolimnologie (die Erforschung von Binnengewässern und Ökosystemen) und Klimaforschung, die an organischen Funden durchgeführt werden. Im Allgemeinen sind organische Materialien das wichtigste Merkmal prähistorischer Feuchtbodensiedlungen und prägten das Leben der Menschen zu dieser Zeit. Je nach den örtlichen Erhaltungsbedingungen (ausreichende Feuchtigkeit) weisen nicht alle Fundstellen den gleichen Erhaltungszustand des organischen Materials auf. Es ist daher notwendig, Fundstellen mit besonders günstigen Erhaltungsbedingungen hervorzuheben.

e1 Ausgezeichnetes Archiv für Archäobotanik, Archäozoologie, Paläolimnologie, Klima- und Landschaftsgeschichte usw.

e2 Hervorragende Erhaltung von organischen Funden (Holzartefakte, Textilien usw.)