Salzburger Chronik, 7.2.1936 „Tante Dora – Die Herrin von Kogl“

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Tante Dora - Die Herrin von Kogl

Am 15. Jänner, um halb acht Uhr abends, hat ihre Exzellenz die Gräfin Dora Kottulinsky, geb. Baronin Mayr-Melnhof, die Herrin von Schloss Kogl i.A. die Augen für immer geschlossen. In Salzburg, in ihrem gemütlichen Heim an der Salzach, das sie im Spätherbst immer zu beziehen pflegte, nachdem sie die Pforten ihres Schlosses Kogl, unweit vom Attersee, für den Winter geschlossen hatte. Sonnendurchflutet liegt sie da, die liebe kleine Villa und hinter den Scheiben der Veranda schimmert ein dichter Kranz von rosa Primeln und erfüllt den Raum mit seinem zarten Duft, der bis in den Salon dringt und sich dort zu verbinden scheint mit dem Geist der ihn durchweht. Alles ist harmonisch; aus den antiken Möbeln spricht die Gediegenheit, aus den in lichten Farben bezogenen Fauteuils, das heitere Wesen der Bewohnerin, aus den Portraits ihre Pietät, aus den zahlreichen Photographien reizender Kinder, - ihre Großneffen und Nichten – die warme Liebe, die sie für sie hegte und aus dem Arbeitskörbchen lugt ein dickes Kinderjäckchen und erzählt von ihrer unermüdlichen Fürsorge für die Armen.

In der Bevölkerung von St. Georgen, nächst Schloss Kogl, und noch weit darüber hinaus, wird es Unzählige geben, die jetzt mit wehem Herzen und nassen Augen ihrer Wohltäterin gedenken werden, die für immer von ihnen gegangen ist, aber auch heiße Dankgebete werden für diese seltene und edle Frau empor zum Himmel steigen. Wer wissen wollte, was es heißt, im Sinne des Evangeliums Gutes zu tun, brauchte nur den Blick auf sie zu lenken. Bei ihr wusste wohl die Linke nicht was die Rechte tat - im Stillen wirkte sie unermüdlich mit Wort und Tat und mit jener Herzensgüte die dem Empfänger ein Glücksgefühl mit auf den Weg gibt, als sei er der Gebende und sie die Beschenkte. Trotzdem die Herrin von Kogl seit Jahren schwer leidend war und große Schmerzen litt, die oft nur stundenweise, durch tägliche Injektionen behoben oder gelindert werden konnten, sprach sie nicht oder nur auf Befragen kurz darüber. Dafür aber, welches Mitempfinden, welche ehrliche warme Teilnahme an jedem fremden Schmerz. Keine Stiege war zu hoch, kein Weg zu mühsam, wenn sie sich auch selbst kaum schleppen konnte um Kranke zu besuchen, zu trösten. „Helfen!“ Das war das Erste woran sie dachte, wenn sie von irgendeinem Unglück, einem Leiden, einer Sorge hörte. Im Kriege hatte sie neben vielen anderen Hilfs-Aktionen, das Schloss in ein Lazarett umgewandelt, und rührende Briefe der Soldaten von ehemals, geben Zeugnis, dass sie heute nach zwanzig Jahren, Jene noch nicht vergessen können, von welcher sie erkannten, dass sie nicht nur gab und schenkte, sondern mit ganzem Herzen und warmer Nächstenliebe, sich für das Schicksal jedes Einzelnen interessierte. Ihre Geschäfte führte sie selbst, und wer ihre klugen Augen sah, wusste, dass sie es wohl machte, ebenso wie sie ihr Haus gewissenhaft genau und mit seltenem Überblick leitete. Was diese Frau, noch dazu bei ihrem leidenden Zustande, geleistet hat, ist geradezu unwahrscheinlich. Geschäfte, Haushalt, die vielen Wohltätigkeitsaktionen und Verpflichtungen, eine zahlreiche Korrespondenz, und - besonders in Kogl - die Mühen, die ihre große Gastfreundschaft mit sich brachte, wobei sie jedem ihre besondere, individuelle Aufmerksamkeit und Fürsorge zuteil werden ließ. Wenn sie ihren Gästen, wie sie es zu tun pflegte, in ihren behaglichen Zimmern einen kleinen Besuch machte, wie angenehm ließ sich´s da mit ihr reden über Zeit und Gegenwart, über persönliche und fremde Angelegenheiten. Für alles zeigte sie Interesse. In Kogl ging es oft wie in einem Bienenhause zu. Stets waren einige Freunde des Hauses für acht bis vierzehn Tage oder für mehrere Wochen im Schloss, andere erschienen auf einen kurzen Besuch, Nachbarn kamen zum Speisen oder zum Tee. Vor allem aber waren meist viele Verwandte, hauptsächlich Neffen und Nichten zugegen; denn zu jenen, die es wirklich waren, hatten sich im Laufe der Zeit gar viele hinzugesellt, die sich selbst dazu ernannten. Allverehrt und beliebt wie sie es war, war es kein Wunder, dass jeder sie zur Tante haben wollte - und nun war und blieb sie die „Tante Dora“! Und die Zahl der Neffen und Nichten wuchs und sie umsorgte und liebte sie alle, wie nur eine richtige und gute Tante es zu tun vermag. Wie oft konnte man irgendwo Gespräche hören, wie Folgende: „Wie geht es denn der X? Sie hatte doch eine schwere Grippe!“ – „O sehr gut; kaum Rekonvaleszentin, war sie bei Tante Dora und da hat sie sich ganz erholt.“ – „Was macht denn Fräulein Y.?“ – „Ach die Arme! Sie konnte infolge der schlechten Zeiten in ihrem Beruf gar nichts ausrichten und da nahm Tante Dora sie für einige Wochen zu sich, so dass sie ihre Sorgen ein wenig vergessen konnte!“

Trotz all ihrer vielseitigen Tätigkeit, von der man sich oft fragte, wie die zarte, kränkliche Frau ihr gerecht werden konnte, verschmähte Tante Dora gegen Abend nicht ein kleines Kartenspiel und spielte mit Passion, wobei sie aber immer bereit war, zugunsten eines anderen zu verzichten. Ihre Selbstlosigkeit äußerte sich eben im Kleinen wie im Großen. Fuit! Es war! Nun haben sich die Pforten der Salzburger Villa, sowie die des Schlosses endgültig hinter der Herrin von Kogl geschlossen … Weit offen aber standen sicherlich die Pforten des Paradieses, um Einlass zu gewähren dem Engel der Barmherzigkeit,

d e r „T a n t e D o r a“.

(Salzburger Chronik, 7.2.1936)