Kompakte Darstellung der Pfahlbauten vom Mondsee und Attersee: Unterschied zwischen den Versionen

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==Herkunft der Bauern Europas (Donauländische und Mittelmeer-Route)==
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==Herkunft der Bauern Europas (Donau- und Mittelmeer-Route)==
  
[[Datei:Near-East-and-Neolithic-Europe-map-Coloured-areas-represent-different-Neolithic.png|thumb|360px|Wanderung: Anatolien - donauaufwärts und Mittelmeer-Route]]
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[[Datei:Near-East-and-Neolithic-Europe-map-Coloured-areas-represent-different-Neolithic.png|thumb|380px|Wanderung: Anatolien →donauaufwärts und →Mittelmeer-Route]]
  
 
Wie der nebenstehenden Grafik von &rarr; [https://www.researchgate.net/publication/357197969_New_Kids_on_the_Block_Reappraising_Pottery_Styles_aDNA_and_Chronology_from_Western_Iberia_Early_Neolithic/fulltext/61c2fbbb52bd3c7e0583c5bf/New-Kids-on-the-Block-Reappraising-Pottery-Styles-aDNA-and-Chronology-from-Western-Iberia-Early-Neolithic.pdf?origin=publication_detail ''<u>Mariana Diniz (2021)</u>''] zu entnehmen ist,  stammen die ersten Neolithiker aus Anatolien, das Gebiet rund um das '''Marmara-Meer''' war bereits um '''9500 Jahren vor heute''' neolithisch besiedelt. Die farbigen Flächen stehen für die verschiedenen neolithischen Kulturen, und die schwarzen durchgezogenen Linien stellen die Gebiete dar, in denen nach <u>''Jean Guilaine (2001)''</u> eine kulturelle und chronologische Neuzusammensetzung stattgefunden hat.  
 
Wie der nebenstehenden Grafik von &rarr; [https://www.researchgate.net/publication/357197969_New_Kids_on_the_Block_Reappraising_Pottery_Styles_aDNA_and_Chronology_from_Western_Iberia_Early_Neolithic/fulltext/61c2fbbb52bd3c7e0583c5bf/New-Kids-on-the-Block-Reappraising-Pottery-Styles-aDNA-and-Chronology-from-Western-Iberia-Early-Neolithic.pdf?origin=publication_detail ''<u>Mariana Diniz (2021)</u>''] zu entnehmen ist,  stammen die ersten Neolithiker aus Anatolien, das Gebiet rund um das '''Marmara-Meer''' war bereits um '''9500 Jahren vor heute''' neolithisch besiedelt. Die farbigen Flächen stehen für die verschiedenen neolithischen Kulturen, und die schwarzen durchgezogenen Linien stellen die Gebiete dar, in denen nach <u>''Jean Guilaine (2001)''</u> eine kulturelle und chronologische Neuzusammensetzung stattgefunden hat.  
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Die Ausbreitung entlang der Donau erfolgte nicht kontinuierlich, sondern in Sprüngen. Offensichtlich musste sich das „Agrarpaket“ (Vieh: Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine; Getreide-Arten) evolutionär an die gegenüber den Herkunftsgebieten geänderten klimatischen Verhältnisse anpassen.
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Wie auch zu erkennen ist, erfolgte die schnellere Migration der Bauern entlang der Küste des Mittelmeers und erreichte relativ rasch Frankreich, von wo sie sich nach Norden ausbreitete und mit ihrem Vieh und Getreide etwa um 4.500 v. Chr. auch den Süden der Schweiz erreichte.
  
 
Im Neolithik-Workshop der Österreichischen Akademie der Wissenschaften: "The Central/Western Anatolian Farming Frontier", Wien April 2016, gingen <u>''Jean Guilaine''</u> mit ''“The Neolithisation of Europe: An Arrhythmic Process.”'' und <u>''Mehmet Özdogan''</u> mit &rarr; ''[https://www.academia.edu/60304426/An_Alternative_look_at_the_Neolithisation_process_of_Western_Anatolia_from_and_old_periphery_to_a_new_core  "An Alternative Look at the Neolithisation Process of Western Anatolia – from an old Periphery to a New Core.]''" detailliert auf die zeitliche Ausbreitung des Neolithikums ein.
 
Im Neolithik-Workshop der Österreichischen Akademie der Wissenschaften: "The Central/Western Anatolian Farming Frontier", Wien April 2016, gingen <u>''Jean Guilaine''</u> mit ''“The Neolithisation of Europe: An Arrhythmic Process.”'' und <u>''Mehmet Özdogan''</u> mit &rarr; ''[https://www.academia.edu/60304426/An_Alternative_look_at_the_Neolithisation_process_of_Western_Anatolia_from_and_old_periphery_to_a_new_core  "An Alternative Look at the Neolithisation Process of Western Anatolia – from an old Periphery to a New Core.]''" detailliert auf die zeitliche Ausbreitung des Neolithikums ein.
  
Alle '''Frühen Europäischen Bauern''' (EEF) haben aus genetischer Sicht einen gemeinsamen Ursprung im neolithischen Westanatolien, vertreten durch nur 5 Individuen aus '''''Menteşe Höyük''''' und 21 Individuen aus &rarr; [https://core.ac.uk/reader/11599060  '''''Barcın Höyük'''''] im Nordwesten - alle unmittelbar neben dem Marmara-Meer (Haak et al. 2015; Anthony & Brown 2017).
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Alle frühen Europäischen Bauern haben aus genetischer Sicht einen gemeinsamen Ursprung im neolithischen Westanatolien, vertreten durch nur 5 Individuen aus '''''Menteşe Höyük''''' und 21 Individuen aus &rarr; [https://core.ac.uk/reader/11599060  '''''Barcın Höyük'''''] im Nordwesten - alle unmittelbar neben dem Marmara-Meer (Haak et al. 2015; Anthony & Brown 2017).
  
 
==Erste Besiedlung Nieder- und Oberösterreichs==
 
==Erste Besiedlung Nieder- und Oberösterreichs==
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[[Datei: Mayer Abb. 3.jpeg|thumb|270px|Früheste neolithische Siedler in NÖ und OÖ]]
 
[[Datei: Mayer Abb. 3.jpeg|thumb|270px|Früheste neolithische Siedler in NÖ und OÖ]]
  
In der Abbildung sieht man für das Frühneolithikum die Verteilung von Notenkopf-Keramik vor allem in NÖ, aber nur wenig im Linzer Bereich und einige Fundstellen der „vasi a bocca quadrata“-Kultur im Kärntner Raum.  
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In Ober- und Niederösterreich gibt es keine Funde zu einer mesolithischen Besiedlung durch Jäger und Sammler.
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In der nebenstehenden Abbildung des Bundesdenkmalamtes sieht man für das Frühneolithikum die Verteilung von Notenkopf-Keramik vor allem in NÖ, aber nur wenig im Linzer Bereich und einige Fundstellen der „vasi a bocca quadrata“-Kultur im Kärntner Raum. Nach der Notenkopfkeramik entwickelte sich vor allem im niederösterreichischen Raum die Lengyel-Kultur, die sich bis etwa 4.100 v. Chr. halten konnte.
  
Nach der Notenkopfkeramik entstand im selben Gebiet die Lengyel-Kultur, die sich bis etwa 4.100 v. Chr. halten konnte.
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Im Alpenvorland gab es – außer einem eng begrenzten Gebiet um Linz – nur ganz geringe Besiedlung. Die Besiedlung konzentrierte sich auf Gebiete, die den räumlichen Vorlieben der Linearbandkeramiker entsprachen. Diese konzentrierten sich wegen ihres Viehs und Getreides auf Lössböden in niedrigen Seehöhen mit angenehmen Temperaturen (8–10 °C durchschnittliche Jahrestemperatur) und mit nur geringen Jahresniederschlägen (unter 800 mm pro Jahr).  
  
Im Alpenvorland gab es nur ganz geringe Besiedlung – diese konzentrierte sich vor allem in niedrig gelegenen agrarisch günstigen Löss-Gebieten mit angenehmen Temperaturen und nur geringen Niederschlägen. Man kann davon ausgehen, dass die Besiedlung der Salzkammergut-Seen nicht auf eine bodenständige, vorhandene Bevölkerung aufbauen konnte. Das '''''Alpenvorland ist letztlich unbesiedelt'''''.
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Man kann davon ausgehen, dass eine Besiedlung der Salzkammergut-Seen nicht auf eine bodenständige, vorhandene jungneolithische Bevölkerung aufbauen konnte. Im Gegenteil: die Notenkopfkeramiker und die darauf folgenden Lengyel-Leute mieden die Gebiete des Alpenvorlandes wegen der fehlenden Lössböden, der tieferen durchschnittlichen Jahrestemperaturen (Hausruck ca. 7 °C) und der viel höheren Jahresniederschläge (bis 1.300 mm pro Jahr): Das '''''Alpenvorland''''' ist bis ca. 4.000 v. Chr. letztlich '''''unbesiedelt'''''.
  
 
==Erste Hochkultur der Welt in Südost-Europa (Vinča; Karanovo und Varna)==
 
==Erste Hochkultur der Welt in Südost-Europa (Vinča; Karanovo und Varna)==
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[[Datei: Or de Varna - Bijoux.jpg|thumb|200px|Varna, Grab 43, Goldschmuck]]
 
[[Datei: Or de Varna - Bijoux.jpg|thumb|200px|Varna, Grab 43, Goldschmuck]]
  
Die Nekropole von Varna I ist eine Begräbnisstätte westlich von Varna (etwa ½ Kilometer vom Varna-See und 4 km vom Stadtzentrum entfernt), die international als eine der wichtigsten archäologischen Stätten der Weltvorgeschichte gilt. Hier wurden die ältesten Goldschätze und Schmuckstücke der Welt entdeckt, die aus der Zeit zwischen 4.600 und 4.300 v. Chr. stammen. Der Goldschatz von Varna ist der größte und vielfältigste. In der Nekropole wurden insgesamt 294 Gräber gefunden, von denen viele hochentwickelte Beispiele der Metallurgie (Gold und Kupfer), Töpferwaren (etwa 600 Stück, darunter auch mit Gold bemalte), hochwertige Klingen aus Feuerstein und Obsidian, Perlen und Muscheln enthielten. Die Gräber wurden mittels Radiokarbondatierung auf 4569-4340 v. Chr. datiert.
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[[Datei: Goldobjekte_aus_Varna2.png|left|thumb|300px|Goldperlen aus '''''Varna'''''-Grab Nr. 43, '''''43. Jh. v.Chr.''''']]
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Diese hochentwickelte Kultur im Raum von Bulgarien, Rumänien und angrenzenden Ländern hatte neben einer hochstehenden Hochtemperatur-Keramikproduktion auch die Gewinnung (Bergwerke) und Verarbeitung von Kupfer (Schmelzpunkt bei knapp 1.100 °C) hervorgebracht. Das für die Artefakte verwendete Kupfererz stammte aus einer Mine bei Stara Zagora.
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Die Funde zeigen, dass die Varna-Kultur Handelsbeziehungen mit fernen Ländern unterhielt (bis zur unteren Wolga und den Kykladen) und sie exportierte Metallwaren und Salz aus einem Steinsalzbergwerk.  In den Gräbern wurden auch mediterrane Spondylus-Muscheln als Schmuck gefunden.
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Die Kultur verfügte über tiefe religiöse Vorstellungen über das Leben nach dem Tod und hatte hierarchische Statusunterschiede entwickelt. Daneben hatte sie auch eine Vorliebe für Gold – jedenfalls in den höheren Schichten der Gesellschaft – hervorgebracht, wie die reich ausgestatteten Gräber in der Nekropole Varna I zeigen.
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Die Nekropole von Varna I ist eine Begräbnisstätte westlich von Varna (etwa ½ Kilometer vom Varna-See und 4 km vom Stadtzentrum entfernt), die international als eine der wichtigsten archäologischen Stätten der Weltvorgeschichte gilt. Hier wurden die ältesten Goldschätze und Schmuckstücke der Welt entdeckt, die aus der Zeit zwischen 4.600 und 4.300 v. Chr. stammen. Der Goldschatz von Varna ist der größte und vielfältigste der damaligen Welt. In der Nekropole wurden insgesamt 294 Gräber gefunden, von denen viele hochentwickelte Beispiele der Metallurgie (Gold und Kupfer), Töpferwaren (etwa 600 Stück, darunter auch mit Gold bemalte), hochwertige Klingen aus Feuerstein und Obsidian, Perlen und Muscheln enthielten. Die Gräber wurden mittels Radiokarbondatierung auf 4569-4340 v. Chr. datiert.
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==Zu dieser Zeit in Zürich: Erfindung der Kanal-Pfahlbauerntechnik==
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[[Datei:Zürich um 3000 v. Chr..jpg|thumb|310px|Zürich, Sihl, Siedlungskammer Seefeld 4.300 v.Chr.]]
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[[Datei: Schüttungen der Sihl.png|thumb|300px|Sihl-Schüttung über Zürich und später in Limmat]]
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Die Sihl war ehedem ein wildbachartiger Fluss, der parallel zum Zürichsee im Sihltal fließt und ursprünglich über das nunmehrige Stadtgebiet von Zürich in den Zürichsee entwässerte und erst nach dessen Aufschüttung in die Limmat, den Abfluss des Zürichsees, (heute) nach 1,8 Fluss-Kilometer einmündete. Greule (Deutsches Gewässernamenbuch, 2014) führt den Namen der Sihl auf die idg. Wurzel *s[h<sub>2</sub>]i-lo „tobend, wütend“ zurück. Bei starken Gewittern konnte der Abfluss der Sihl bis zu 500 m³/sec (!) (Bericht zur Volksabstimmung über die Korrektion der Limmat vom 14.9.1941) betragen (mittlere Wasserführung MQ: 7 m³/s; HHQ; 280 m³/s; HQ<sub>500</sub> = 600 m³/s) und damit dreimal höher als jener der Limmat (150 m³/sec) sein.
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Die Sihl schüttete historisch ihre Schotterfracht anfänglich wohl mäandernd über das jetzige Stadtgebiet von Zürich und baute den flachen Untergrund der Stadt auf, wie anhand der 2-m-Höhenschichtlinien zu erkennen ist.
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Nachdem dieser Abfluss durch die zunehmende Aufschotterung des Gebietes von Zürich nicht mehr möglich war, verlegte sich der Abfluss der Sihl weiter nach Nordosten und letztlich zur Gänze in die Limmat. Durch ihre Schotterfracht konnte die Sihl nun vor allem bei Starkregen den freien Abfluss der Limmat innert kurzer Zeit so verlegen, dass es zu deren Aufstau und in der Folge zu einem Seespiegelanstieg des Zürichsees kommen konnte.
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Wenn die damaligen – vor rund 6.300 Jahren – Ufersiedlungen der egolzwilerischen Kultur am Zürichsee bemerkten, dass der Seespiegel aufgrund einer Gewitter-Schüttung der Sihl in die Limmat immer mehr anstieg, blieb den Siedlern nichts übrig, als diese neue Schotter-Schüttung zu beseitigen. Damit sank der Seespiegel des Sees wieder und die Ufersiedlungen konnten weiter bewohnt werden. Die Beseitigung der Sihl-Schüttung erforderte die Forcierung eines Erosions-Kanals in der und durch die Limmat selbst.
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Eine solche Rückwärts-Erosion könnte wohl dadurch bewerkstelligt worden sein, dass man mit geeignetem Werkzeug (z. B. lange Stangen mit Haken) das Bett der Limmat deutlich unterhalb der Einmündung der Sihl beginnend kanalartig eintiefte, wodurch sich dort die Strömungsgeschwindigkeit erhöhte und damit ein Selbst-Erosionsgeschehen in Gang gesetzt und unter tätiger Mitwirkung der Kanal-Pfahlbauern bis zum See fortgesetzt wurde.
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Je nachdem, in welcher Entfernung vom See man mit dieser kanalartigen Eintiefung begann, stellte man wieder die frühere Seespiegelhöhe her oder erreichte sogar niedrigere Pegelstände. Im letzten Fall fielen am ganzen See Strandflächen trocken, die ohne jegliches Roden besiedelt und genutzt werden konnten. Dieser vielfache Nutzen für alle Seeufer-Anwohner veranlasste wohl die gesamte Gruppe, sich an dieser gemeinsamen Kanal-Aufgabe und den Arbeiten zu beteiligen. Die Idee der '''''Kanal-Pfahlbauern-Technik als Geschenk der Sihl''''' war in der Welt.
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Eine Besiedlung nach erfolgter Eintiefung des Abflusses sollte jedenfalls immer innert einer kurzen Zeitspanne erfolgen, sodass die trockengefallenen Strandflächen nicht durch das Aufkommen von Bäumen (z.B. „Eschen-, Erlen-, Birkenanflug“) entwertet wurden. Der trockenfallende ehemalige Seeboden ist zudem fruchtbar und gut als Getreideacker und Weide für das Vieh nutzbar.
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==Zerstörung der Karanovo-, Vinča-Kultur und Abwanderung der Metallurgen==
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Um '''''4.300–4.100 v. Chr.''''' kam es zu ersten Invasionen aus den Steppen Südrusslands und mehr als 600 Siedlungen im unteren Donautal und Ostbulgarien wurden dabei niedergebrannt. Die eindringende Gruppe wird wegen ihrer Gräber als '''''"Suvorovo"'''''-Gruppe bezeichnet, nach einem Grab in Suvorovo (Ukraine) nördlich des Donaudeltas, in dem ein Mann mit einem steinernen Keulenkopf in Form eines Pferdekopfes (Pferdekopf-Szepter) bestattet wurde.
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Danach ist das Balkanhochland leer und es lassen sich zwischen 3.900 und 3.300 v. Chr. keine dauerhaften Siedlungen mehr nachweisen. Verbrannte Siedlungen enthalten menschliche Skelette, die als massakriert angesehen werden. Die letzte kupferzeitliche Zerstörungsebene bei Karanovo VI. enthielt 46 menschliche Skelette, die ebenfalls als Massaker gedeutet werden. Die kupferverarbeitenden Kulturen in Mitteleuropa wechseln um 4.000 v. Chr. zu serbischen Erzen.
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Der Stil von Keramik und Metallgegenständen änderte sich deutlich. Die Migration aus den Steppen hat zur gleichen Zeit wie dieser Zusammenbruch stattgefunden. "Wir haben es mit der vollständigen Ersetzung einer Kultur zu tun" sagt ein führender Experte für kupferzeitliche Metallurgie. Es war "eine Katastrophe von kolossalem Ausmaß ... eine vollständige kulturelle Zäsur", so eine bulgarische Archäologin.
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Offenbar kam es durch diese Invasion zur Zerstörung dieser blühenden Kultur und ihrer komplexen Gesellschaft – und die Metallurgen und die zuarbeitenden Handwerke verließen die Gegend auf der Suche nach neuen, sichereren Heimstätten und Kupfervorkommen.
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Die einen wendeten sich '''''donauaufwärts,''''' die anderen Richtung '''''Kaukasus,''''' den sie von ihren Handelsaktivitäten in die pontisch-kaspischen Steppen kannten.
  
Die Kultur verfügte über tiefe religiöse Vorstellungen über das Leben nach dem Tod und hatte hierarchische Statusunterschiede entwickelt. Die Funde zeigen, dass die Varna-Kultur Handelsbeziehungen mit fernen Ländern unterhielt (bis zur unteren Wolga und den Kykladen) und sie exportierte Metallwaren und Salz aus einem Steinsalzbergwerk. Das für die Artefakte verwendete Kupfererz stammte aus einer Mine bei Stara Zagora. In den Gräbern wurden auch mediterrane Spondylus-Muscheln gefunden.
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==Abwanderung der einen Kupfer- und Gold-Metallurgen donauaufwärts==
  
==Zur gleichen Zeit in Zürich: Erfindung der Kanal-Pfahlbauernkultur==
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Diese Bewegung der SO-Metallurgen donauaufwärts ist nicht nur durch die plötzlich erscheinenden Artefakte aus Kupfer und Gold zu erkennen. Sie führte um 4.100 v. Chr. auch zur Umwandlung der Lengyel-Kultur in jene der deutlich unterschiedlichen '''''Epi-Lengyel-Kultur''''', die durch eine fremde, neue Keramik zu erkennen ist. Auch der spätere '''''„Mondsee-Krug“''''' kam mit diesen Metallurgen nach Mitteleuropa.
  
==Zerstörung der Vinča-Kultur und Abwanderung der Metallurgen==
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Noch vor 4.000 v. Chr. werden '''''„abgekupferte“ (kopierte, gespranzte)''''' '''<u>Steinäxte</u>''' gefunden: Doppelaxt aus Serpentinit in Cham-Eslen (4300–4000 v. Chr.) im Zugersee mit kupfernem Vorbild aus Südosteuropa; ebenso die steinernen „Aichbühler Hammeräxte“ in Oberschwaben (4200–4000 v. Chr.) mit Vorbildern aus dem Karpatenbecken. Etwa zur gleichen Zeit kommen im westlichen Mitteleuropa die ersten importierten (echten) Kupfergeräte auf.
  
==Wanderung der Kupfer- und Gold-Metallurgen donauaufwärts==
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[[Datei: Stollhof Hoard 02.JPG |thumb|320px|Gold-Hortfund Stollhof, Niederösterreich, 4000 v. Chr.]]
  
==Wanderung der Kupfer- und Gold-Metallurgen zum Kaukasus==
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Kupfer-Funde des Schwergeräte-Horizonts reichen '''''nördlich der Alpen (v.a. in Österreich)''''' weit nach Westen: Linz-St.Peter (OÖ; Hammeraxt und Flachbeilklinge), Steindorf (Kärnten), Missingdorf und Mitterretzbach (NÖ). Massive Flachbeile aus demselben chronologischen Horizont (Ende 5. Jt. v. Chr.) entdeckte man bis nach Salzburg. Weiters ist der Fund einer fragmentierten Kupferaxt aus Überlingen am Bodensee (Baden-Württemberg) anzuführen, ein Schwergerätetyp. Sie wurde im südlichen Karpatenbecken aus bosnischem oder ostserbischem Erz hergestellt. Neuere <sup>14</sup>C-Daten verweisen auf die Zeit 4300–4000 calBC. Weiters eine Kupferahle von Schernau bei Dettelbach (Bayern) in der zweiten Hälfte des 5. Jt. v. Chr. mit chemisch südosteuropäischer Herkunft.
  
===Entwicklung von hartem Arsenkupfer und von Silber===
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Weiters gibt es Belege für Import von Kupferobjekten im Schweizer Mittelland und in Südwest-Deutschland kurz nach der Wende zum 4. Jt. v. Chr. – eine Gruppe von Objekten mit eindeutigen Bezügen zum Ostalpenraum. Aus Egolzwil 4 (Schweiz) stammt eine massive Beilklinge. Die Beilklinge aus Horw LU-Fondlenhöhe ist typologisch etwa 4.000 v.Chr. zuzuweisen.
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Auch die berühmte Mondseeforscherin Elisabeth Ruttkay stellt solche Konnexe mit den SO-Metallurgen her, wenn sie in ihrer ''"Chronologie und Typologie der Mondsee-Gruppe"'' schreibt: „Dass wir [in Mondsee] eine so frühe Herstellung von Kupfergegenständen voraussetzen, darf nicht verwundern, da ja auch der große &rarr; '''''<u>[https://de.wikipedia.org/wiki/Depotfund_von_Stollhof  Gold</u>-Depotfund von Stollhof]''''' (bei der ''Hohen Wand'' in NÖ; vgl. die Abbildung) mit unserer '''''Formengruppe 1''''' [Anm.: also dem Beginn der Mondsee-Gruppe] '''''<u>annähernd gleichzeitig</u>''''' ist."
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==Abwanderung der anderen Kupfer- und Gold-Metallurgen zum Kaukasus==
  
 
===Entstehung der Hochkultur von Maikop mit Kurganen===
 
===Entstehung der Hochkultur von Maikop mit Kurganen===
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[[Datei: Maikop-Kultur.png|thumb|390px|Eigene Bearbeitung nach P. M. Мунчаев (1994): ''Die Maikop-Kultur'']]
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Die Kupfer-Metallurgen vom Balkan – nach dem Niedergang aufgrund des Vordringens der Suvorovo-Gruppe Ende des 5. Jt. v. Chr. – gingen in den Kaukasus und brachten klarerweise ihr technologisches Know-how sowie ihre Kenntnisse der gesamten ''"chaîne opératoire"'' dorthin mit.
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Die Balkan-Metallurgen stießen am Kaukasus nicht mehr auf "reines" Kupfer; die Erze am Kaukasus enthielten auch in unterschiedlichen Anteilen Arsen, sodass sich von selbst der Übergang zur härteren Arsen-Bronze ergab. (Anm.: Zinn-Bronze erscheint erst ein Jahrtausend später, und ersetzte die Arsen-Bronze, wohl weil Arsen-Dämpfe giftig sind.)
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Der Archäologe Kohl schreibt: „Mit dem Aufkommen der Maikop-Kultur im nördlichen Kaukasus kommt es zu einem '''''Wechsel von der Metallurgie <u>reinen</u> Kupfers zur <u>arsen</u>haltigen Kupfer/Bronze-Metallurgie'''''. Die zirkumpontische metallurgische Provinz ersetzt nun die '''''nicht mehr funktionierende metallurgische Provinz Karpaten-Balkan."'''''
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Jedenfalls erscheint der Maikop-Komplex um 4.000 v. Chr. auf dem Gebiet der Mešoko-Kultur im Nord-Kaukasus; die Mešoko-Leute leben dort aber unverändert weitere Jahrhunderte - auch während der Maikop-Periode. Es zeigt sich, dass der dort ansässigen „Mešoko“-Gruppe eine fremde Kultur "aufgepfropft" wurde, sie nahmen auch kulturelle Besonderheiten (z.B. Beerdigung unter Steinhügeln „Kurgane“) an. 
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Die Maikop-Leute vermischen sich nicht mit den Mešoko und auch nicht mit den Jäger/Sammler-Kulturen in der nördlichen Maikop-Steppe. Die Maikop-Kultur setzt auch keine der Mešoko-Grabdenkmäler fort. Auch in der Maikop-Steppe sind Hügel mit ursprünglichen, eneolithischen und den Maikop-Steppe-Bestattungen getrennt. Die Maikop-Gemeinschaften wollten sich offenbar auch nicht in eine Kontinuitätslinie mit den früheren steppenverwandten Bewohnern der Vorgebirgs-Zone stellen.
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===Entwicklung des härteren Arsenkupfers; Silber- und Goldaffinität===
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[[Datei: Maikop-Äxte.jpg|left|thumb|180px|harte Arsenkupfer-Kreuzäxte]]
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[[Datei: Gold-Collier.png|thumb|300px|Gold-Collier aus '''''Maikop'''''-Kurgan, '''''37. Jh. v.Chr.''''']]
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[[Datei: Скульптурная фигурка быка.jpg|thumb|400px|Figur eines Stieres. Gold. Guss. Maikop-Grabhügel Foto: Russische Föderation, Staatliche Eremitage, St. Petersburg, Foto: J.J. Piotrovskij;  (Скульптурная фигурка быка. Золото; литье. Майкопский курган)]]
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Der bekannte Metallurg Pernicka schreibt 1998: "Viele natürliche Kupferlagerstätten enthalten Arsen als Begleitelemente, die bei der Verhüttung zumindest teilweise ins Kupfer gelangen. Reines Arsen oder Arsenverbindungen kommen zwar in der Natur vor, sind aber recht selten. Deshalb ist die absichtliche Herstellung von Arsenkupfer aus zwei verschiedenen Materialien unwahrscheinlich. Eher ist an eine mehr oder weniger gezielte Auswahl von arsenhaltigen Kupfererzen zu denken. Eine Erzauswahl dürfte in gewissem Umfang zwar möglich gewesen sein, aber es war nicht vorherzusehen, welche Zusammensetzung das Metall haben würde. Außerdem ist es aber wegen der Flüchtigkeit des Arsens schwierig, Kupfer mit mehr als etwa 5 % Arsen herzustellen.
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Die Legierung hat einen niedrigeren Schmelzpunkt als reines Kupfer (1085 °C) und sie neigt beim Guss weniger zur Blasenbildung. Denn Kupfer hat die für den Gießer unangenehme Eigenschaft, im geschmolzenen Zustand Sauerstoff aufzunehmen und beim Erkalten in Form von Blasen im Guss wieder abzugeben. Es ist deshalb nützlich, dem geschmolzenen Kupfer sogenannte Antioxidantien beizugeben, die den Sauerstoff binden. Arsen ist ein solches Material. Der Arsenanteil härtet aber auch das Metall, sowohl im gegossenen Zustand als auch nach der Bearbeitung. Durch Kaltdeformation kann sogar die Härte von normalem Stahl erreicht werden. Diese Eigenschaft hat zur Herstellung von wesentlich verbesserten Werkzeugen und Waffen geführt. Es gibt also gute Gründe, um Arsen-Kupfer zu verwenden. Wenn also mit Arsenkupfer ein wesentlich härteres Metall als reines Kupfer zur Verfügung stand, ist der rasche Ersatz des Kupfers durch Arsen-Kupfer für die Herstellung von Werkzeugen und Waffen leicht einsichtig."
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[[Datei: Maikop 3.png |left|thumb|170px| gehämmerter Silberbecher]]
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Vergleicht man die Spitzenleistungen der Gold-Metallurgie am Balkan (z.B. Varna) mit jenen des Oshad-Kurgans, erkennt man in Maikop eine ähnlich hohe Qualität (siehe die Abbildungen). Nur die Karpaten-Balkan-Schmiede hatten das Know-how, um eine entsprechende ''"chaîne opératoire"'' im Kuban-Gebiet für ein neues Metall-Zentrum aufzubauen.
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Die im Maikop-Kurgan bereits im 37. Jh. v. Chr. gegenüber der Karpaten-Balkan-Metallurgie erkennbaren metallurgischen Fortschritte sind: Silberproduktion mit komplexem Kupellationsverfahren, Silber-Bleche für Becher, viele spezialisierte Holzbearbeitungs-Werkzeuge, Nasenringe für Ochsen, weltweit längste Dolche usw.)
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Kleine Grabhügel sind bereits während des 5. Jt. v. Chr. in der pontischen und der Wolga-Region – 15-20 m Durchmesser, kaum höher als 0,5 m – sowie im Nordkaukasus bekannt. Unmittelbar nach Erscheinen der Maikop-Kultur gibt es nun aber monumentale Grabhügel, die viele der rituellen Besonderheiten der Steppen-Grabhügel und Mešoko-Gräber übernehmen wie Böden aus Geröllsteinen, Bestreuen der Toten mit rotem Ocker usw. Der älteste ausgegrabene Maikop-Grabhügel ist Brut 3 und datiert kalibriert auf 3933–3766 v. Chr. Er ist 8 m hoch und hat einen Durchmesser von 50 m.
  
 
==Finden die donauländischen Gold- und Kupferschmiede Rauriser Gold?==
 
==Finden die donauländischen Gold- und Kupferschmiede Rauriser Gold?==
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Zu Gold im Umfeld des Mondsees schreibt Martin Hell 1951 in „Spuren alter Goldwäscherei bei St. Johann im Pongau“ auf Seite 11: „Allgemein bekannt ist, dass in Salzburg von altersher Goldwäscherei betrieben wurde. Das Gold kommt von den Hohen Tauern und so erweist sich die Salzach etwa ab Taxenbach als goldführend. Der relativ reichste Goldgehalt findet sich in der Flussstrecke von Taxenbach bis gegen Mitterberghütten [bei Bischofshofen]. Das Gold aus dem Rauriser Tal wurde mit dem Geröll der Rauriser Ache bergab in die Salzach transportiert und gelangte so bis St. Johann und Bischofshofen usw., wo es aus dem Fluss gewaschen werden konnte. Zu den ältestbekannten und ertragreichsten Vorkommen' zählt jedenfalls das von Rauris in der '''''Goldberggruppe'''''.
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'''''Cech 2015''''', Brigitte: &rarr; ''[https://www.academia.edu/27951337/Tauerngold_Historische_und_montanarch%C3%A4ologische_Zeugnisse_zum_Edelmetallbergbau_in_den_Ostalpen_Bergauf_Bergab_10_000_Jahre_Bergbau_in_den_Ostalpen_Bochum_2015_571_575 Tauerngold – Historische und montanarchäologische Zeugnisse zum Edelmetallbergbau in den Ostalpen]''. Bergauf Bergab. 10.000 Jahre Bergbau in den Ostalpen, Bochum 2015:571-575.
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Cech schreibt, dass das Gold wahrscheinlich aus den Flüssen gewonnen wurde; und weiter: "Im 2. Jahrhundert AC berichtet der griechische Historiker Polybios von der Entdeckung reicher Goldvorkommen im Gebiet der Norischen Taurisker: „Ferner erzählt Polybios, man habe zu seiner Zeit gerade über Aquileia bei den Norischen Tauriskern eine so ergiebige Goldgrube entdeckt, dass sich, wenn man zwei Fuß (~ 60 cm) tief die obere Erde wegräume, sofort Gold zum Ausgraben finde und dass die Grube nicht mehr als 15 Fuß (~ 4,4 m) tief sei. Ein Teil des Goldes sei sogleich gediegen, von der Größe einer Sau- oder Feigbohne, so dass nur der achte Teil beim Schmelzen verlorengehe, das übrige bedürfe zwar weiterer Schmelzung, sei aber dennoch ungemein gewinnbringend.“
  
 
==Bewusste Gründung des Arsenkupfer-Zentrums am Mond- und Attersee==
 
==Bewusste Gründung des Arsenkupfer-Zentrums am Mond- und Attersee==
  
===Anforderungen der Metallurgen===
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Der Landesarchäologe Josef Reitinger schreibt 1969, dass sich „das Werden der Mondseegruppe, archäologisch nicht aufzeigen lässt. Diese tritt uns <u>'''plötzlich als fertige Kulturform</u>''' entgegen.“
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===Die Argumente für eine bewusste Gründung===
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Gar vieles spricht für eine bewusste Gründung der Mondsee/Attersee-Gruppe als Arsenkupfer-Zentrum für Mitteleuropa durch die ehemaligen südosteuropäischen Metallurgen im Einvernehmen mit der neuen Zirkumpontischen Metallurgischen Provinz (Maikop) als Arsenkupfer-Lieferanten.
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* Keine der benachbarten, möglicherweise in Frage kommenden, Kulturen war metallurgisch in der Lage, Kupfer (und schon gar nicht Arsenkupfer) zu verarbeiten – außer die Metallurgen von Vinča, Karanovo VI und Varna.
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* In ganz Europa gibt es keine Arsenkupfererz-Quelle – außer die Zirkumpontische Metallurgische Provinz mit Maikop (Pernicka, Chernykh).
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* Es gibt sehr ähnliche Arsenkupfer-Rezepte bei der Herstellung von Dolchen in Maikop, Usatovo und Mondsee (Ravich u. Ryndina).
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* Der Mondsee-Krug lässt sich vom südosteuropäischen Salcuta-Komplex herleiten (Ruttkay).
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* Die Rinder stammen archaeozoologisch von der Schweizer Cortaillod-Kultur (Pucher).
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* Die Mondseer Schafe haben andere Haplogruppen wie die benachbarten donauländischen Schafe (Schmölcke).
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* Der Weizen ist tetraploider Nacktweizen, wie er in der Schweiz vorkommt (Wiethold u. Wähnert).
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* Die Pfeilformen der Schweizer Cortaillod-Kultur und das Mondseer Material gleichen einander (Morgan).
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* Auch in der Mittel- und Westschweiz taucht unvermittelt das sogenannte „Mondsee-Kupfer“ auf (Ottaway).
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===Sicherheitsbedürfnisse der Gründer===
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====Traumatische Erfahrungen von Vinča, Karanovo VI und Varna====
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Die Erfahrungen von Vinča; Karanovo VI und Varna mit den Einfällen der Suvorovo-Gruppe haben bei den Metallurgen, Schmieden und zugehörigen Handwerkern wohl traumatische Erlebnisse hinterlassen.
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Höchstwahrscheinlich wurden diese Überfälle von Gruppen vorgetragen, die vorher selbst mit Kupfer-Artefakten und Spondylus-Schmuck beliefert worden waren. Diese Gruppen sollen ihre Angriffe im Donau-Delta von weit aus dem Osten kommend vorgetragen haben – wie der russische Metallurg Chernykh schreibt. Es ging offenbar darum, sich die Kostbarkeiten anzueignen, ohne dafür selbst entsprechende Gegen-„Geschenke“ reichen zu müssen. So führte der überbordende Wohlstand und der angehäufte – und stehlbare – Reichtum zum Untergang ihrer sozio-kulturellen Gemeinschaft.
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Die offene Lage um das Donau-Delta hatte den invasiven Gruppen keinen natürlichen Schutz entgegenzusetzen. Diese Erfahrungen haben wohl dazu geführt, dass in der Folge die Maikop-Chiefs in bergigem Gebiet siedelten.
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Aber auch vorher schon hatten die „Metall-Herren“ mit den kostbaren Materialien vorsichtig umgehen müssen. So haben sie nie selbst nach den Metallen geschürft (in den Kupferminen Ai Bunar, Rudna Glava, Jarmovac, Veliki Majdan, Majdanpek) oder Gold in Flüssen  gewaschen, sondern diese Arbeiten immer von anderen Gruppen durchführen lassen. Die diesen Gruppen im Gegenzug gegebenen Ressourcen waren offenbar angemessen, sodass diese Beziehungen dauerhaft bestanden.
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Je wertvoller die Pretiosen waren, umso besser mussten sie geschützt werden. Im offenen Gelände kann man wertvolle Gegenstände wie Kupfer oder Gold (angesichts der erforderlichen Arbeit zu dessen Gewinnung etwa zehnmal wertvoller) nur durch Vergraben in Horten vor räuberischem Zugriff schützen. Davon zeugen viele Hortfunde mit Kupfer und Gold wie auch der Gold-Depotfund von Stollhof in Niederösterreich – den der Besitzer wohl nicht mehr abholen konnte.
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===="Sichere" Stationen der Mondsee/Attersee-Gruppe====
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Geht man von einem theoretischen Angriff auf die Mondsee/Attersee-Gruppe aus, so kann man sich diesen vernünftigerweise nur aus dem Norden vorstellen, wo es wenige neolithische Gruppen mit gangbaren Verbindungen und Flussläufe gab.
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Wenn man überhaupt an den Attersee gelangt (und nicht am Traunsee landet), gibt es zwar die eher landwirtschaftlichen Stationen am Nordende des Sees, die aber außer üblichen keine wertvollen Güter haben.
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Ein Vordringen in Richtung Süden ist auf der Ostseite des Sees eigentlich unmöglich, da die Wälder auf der ganzen Länge des Sees kein anstrebenswertes Ziel zeigen.
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Auf der Westseite unterbrechen nach der Station Litzlberg-Süd die Rutschhänge des Buchberg jedes Vorwärtskommen.
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Sollte der Buchberg umgangen worden sein, ergeben sich auf der Westseite des Attersees laufend ähnliche Gegebenheiten beim Reithergupf in Nußdorf, beim Schwendter Eck in Aich und vor den Stationen bei Misling.
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Sollte man aber doch so weit gekommen sein, ergibt sich für mögliche Angreifer die frustrierende Anschauung, dass es keine weiteren, sichtbaren Siedlungen gibt.
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Der Anschluss Richtung Mondsee ist die Einmündung der Seeache, die nicht einmal vom See aus einfach erkennbar und zu finden ist.
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Nimmt man an, dass mögliche Angreifer doch noch die Seeache und damit den Weg zur Station See/Mondsee gefunden haben sollten, finden sie nur eine verlassene Siedlung – ohne Bewohner.
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Diese – und wahrscheinlich auch solche von anderen Stationen – haben sich längst nach Scharfling abgesetzt und alle Einbäume mitgenommen und sind über gehbare Wege nicht mehr erreichbar.
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===Orientierung der Gründer am Metallurgie-Komplex von Maikop===
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[[Datei: Maikop 4.png|thumb|220px|Ikonographische Darstellung des Maikop-Reiches auf dem Silber-Becher]]
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Charakterisiert man den Metallurgie-Komplex von Maikop, ergibt sich:
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* (sichere) Lage an den Abhängen des Kaukasus
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* Lage an (zwischen) zwei Flüssen
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* Landwirtschaft mit Rindern, Schafen und Ziegen sowie Schweinen
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* Jagdtiere
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* gutes Auskommen mit der ursprünglichen, genügsamen Bevölkerung (Meshoko)
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* offenbar Bergleute, die die Arbeit erledigten
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* Aufbau einer Klientel in der vorgelagerten Maikop-Steppe
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===Notwendige Verkehrsverbindung Donau–Schwarzes Meer===
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Damit die ehemaligen Kupfer-Gold-Metallurgen an das begehrte Arsenkupfer kommen konnten, führte der einzige sinnvolle Verkehrsweg über Ager, Vöckla, Traun und die Donau Richtung Schwarzes Meer. Damit schieden Schweizer Stationen jedenfalls aus. Die bayerischen Seen zeigten einerseits weniger geschützte Lagen, aber auch fehlende Eignung als „Kanal-Pfahlbau-Seen“. Dies traf auch für die anderen Salzburger und oberösterreichischen Seen zu.
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Ob die Mondseer/Atterseer Metallurgen selbst bis nach Maikop fahren mussten oder das Arsenkupfer bereits mit Erreichen des Schwarzen Meeres verfügbar war, kann nur vermutet werden. Falls das Gegen-Geschenk aber in Form von Gold gegeben werden musste, ist die Fahrt bis Maikop wahrscheinlich.
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===Auswahl der Bauern nach deren passendem Agrarpaket===
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Warum kamen die vorhandenen neolithischen Gruppen (Epi-Lengyel in NÖ, Münchshöfen in Bayern, Mischgruppe in OÖ) nicht in Frage?
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Für diese Gruppen mit ihrem Agrarpaket an Vieh und Getreide waren die agrarwirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Salzkammergutseen prohibitiv. Die größere Höhe mit den damit verbundenen &rarr; '''''[https://www.land-oberoesterreich.gv.at/Bilder/UWD%20Abt_US/us_Lufttemperatur_Jahresmittel.jpg niedrigeren Temperaturen]''''' (unter '''''7 °C Jahresdurchschnitt''''') und dem deswegen deutlich späteren Vegetationsbeginn passte nicht zu ihrer Viehwirtschaft. Die fehlenden Lössböden und die &rarr; '''''[https://www.land-oberoesterreich.gv.at/Bilder/UWD%20Abt_US/us_Niederschlag_Jahresmittel.jpg fast doppelten Jahres-Niederschläge]''''' ('''''1.300 statt 700 mm''''') waren für ihren Ackerbau völlig ungeeignet.
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Die Gründer der Mondsee/Attersee-Gruppe mussten sich also auf die Suche nach Bauern mit höhenangepasstem Vieh und Getreideanbau ohne Lössböden und mit hohen Jahresniederschlägen machen.
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Die nächsten Bauern mit solchen Anpassungen von Vieh und Getreide gab es nördlich der Alpen nur in der Schweiz – die '''''Cortaillod-Kultur''''' (mit den Klimawerten: '''''900–1300 mm Jahresniederschlag und 7–8 °C Jahresdurchschnittstemperatur''''' abseits der Seen &rarr; ''[https://www.meteoschweiz.admin.ch/klima/klima-der-schweiz.html MeteoSwiss]'').
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Es gibt viele sachliche Nachweise ('''''Vieh, Getreide, Pfeil-Technik, Kanal-Pfahlbautechnik, keine donauländische Verwandtschaft, die spätere Arsenkupfer-Belieferung''''' … offen ist ein archäologischer Vergleich der Gebrauchskeramik) dafür, dass es diese Schweizer Bauern waren, die an den Mond- und Attersee übersiedelten.
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Ein überraschendes Detail am Rande ist auch eine beliebte Jagdbeute (von den Schweizer Hochgebirgsjägern), die man in See/Mondsee fand: Gämsen aus dem Gebirge. So musste sich der Archaeozoologe Erich Pucher 1997 mit dieser in archäologischen Stationen seltenen Jagdbeute intensiv auseinandersetzen.
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===Kanal-Pfahlbauern: Seeabsenkung mittels Rückwärtserosion===
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Die Landgewinnung durch '''''Absenkung des Seespiegels''''' war im Vergleich zu '''''Waldrodung''''' mittels Äxten oder auch '''''Brandrodung''''' (in beiden Fällen verblieben Baumstümpfe und Wurzeln weiter im Boden) mit Abstand die '''''einfachste und schnellste''''' Möglichkeit, große '''''baumfreie''''' Flächen für '''''Siedlung, Äcker und Wiesen''''' zu gewinnen
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Die '''''Technik zur Absenkung eines Sees''''' für die Gewinnung baumloser Strandflächen wurde höchstwahrscheinlich in Zürich entdeckt. Dort entwässert die Limmat den Zürichsee. Etwa 2 km nach dem See mündet die Sihl in die Limmat. Bei Starkregen liefert diese '''''enorme Schotterfrachten''''', sodass die Limmat verlegt wird und damit der Seespiegel ansteigt. Gegen diesen Anstieg haben sich die am See lebenden Leute durch Abgraben des den Abfluss verlegenden Schotters mittels '''''„Rückwärtserosion“''''' gewehrt, sodass der Seespiegel wieder auf seine ursprüngliche Höhe absinkt.
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Wenn die Seebewohner ihre Rückwärtserosions-Technik in größerer Entfernung vom See begannen, so senkte sich die Seespiegelhöhe unter das gewöhnliche Niveau und es fielen viele Strandflächen trocken, die dann besiedelt werden konnten.
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Mit dem folgenden Link: &rarr; '''''[[Abgraben des See-Abflusses mittels Rückwärts-Erosion]]''''' wird unternommen, eine Vorstellung von der Technik und den Arbeiten zur Absenkung eines Seespiegels zu geben.
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Die Geräusche des „stürzenden“ Wassers beim Graben des Kanals und vor allem beim finalen Durchstich zum See haben dem Attersee wohl zu seinem ('''''alt-europäischen''''') Namen verholfen.
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===Agrarwirtschaftliche Nutzung von abgesenkten Seen===
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Der relevante, wesentliche Vorteil der Absenkung des Seespiegels besteht darin, dass die flachen Schelfflächen des Sees trockenfallen und damit große '''''baumlose''''' Flächen für '''''Siedlungen''''' und '''''agrarische Nutzungen (Äcker und Wiesen)''''' ohne Rodung verfügbar werden.
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* '''''Siedlungen:''''' Am gesamten See können Siedlungen errichtet werden. Der Nutzen für viele Siedler an einem See konnte ausschließlich durch eine Gemeinschaftsleistung erreicht werden, die gemeinsame Willensbildung, Planung und Organisation voraussetzte.
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* '''''Ackerflächen:''''' Die trockengefallenen Flächen sind ab den Stellen mit ehemaliger Wassertiefe von etwa 1½ m fruchtbar und können ohne störende Wurzeln bearbeitet werden. Wahrscheinlich war aber eine Düngung (Abbrennen der Strohhalme, Dung usw.) erforderlich.
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* '''''Wiesen:''''' In der Forschung ist dieser Aspekt ziemlich '''''vernachlässigt'''''. Zumindest Rinder und Schafe benötigen Wiesen für ihre Ernährung. Klarerweise mussten nach der Trockenlegung entsprechende Mengen an Grassamen (etwa 30 kg je Hektar) ausgebracht werden, damit Gras-Weiden für die Tiere entstanden. Ziegen sind anspruchsloser; Schweine finden ihre Nahrung im Wald (bevorzugt Buchecker und Eicheln). <br /> Man kann annehmen, dass damals die Fläche von 1 Hektar für 3 GVE ausreichte. (1 GroßViehEinheit = 1 Rind = 6 Schafe = 6 Ziegen = 3 Schweine)
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* '''''Flächen-Schätzungen für Attersee und Mondsee:''''' Seewalchen, Litzlberg und v.a. Kammer 40 ha; Aufham 15 ha; Abtsdorf 20 ha; Nußdorf–Parschallen 35 ha; Weyregg 6 ha; südlich von Misling 2 ha; See/Mondsee 0,5 ha; Pichl Auhof 3 ha; Scharfling 1 ha.
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* '''''Überraschung:''''' Die Siedlungen Misling und jene am Mondsee haben keine relevanten Flächengewinne durch Absenkung des Seespiegels. ''[Anm.: Worauf bereits Offenberger hingewiesen hat.]''
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* '''''Möglicher Zweck der Absenkung des Mondsees:''''' Betrachtet man das Zwei-Seen-System Mondsee-Attersee, so hat eine dauernde, deutliche '''''Vor-Absenkung des Mondsees''''' wegen der dann möglichen Zurückhaltung von Mondsee-Hochwässern große Bedeutung für eine Minderung von '''''Hochwässern am Attersee'''''.
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===Mondsee-Attersee: Sozio-kulturell geeinte Gruppen===
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Es zeigt sich, dass die einzelnen Stationen klare Unterschiede und Funktionen aufweisen. Die Mondseer Stationen und Misling sind für Landwirtschaft denkbar ungeeignet und hatten vor allem metallurgische Aufgaben.
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Die anderen Stationen produzierten Getreide und betrieben Viehzucht. Die Jagd wurde in den Wintermonaten betrieben (Gämsen schon im Sommer und Herbst).
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Bei den Seeabflüssen gab es sehr verantwortungsvolle hydrologische Aufgaben hinsichtlich Freihaltung des Abflusses und Instandhaltung der Kanäle; aber auch eine entsprechende dauernde Vorabsenkung des Mondsees und im Anlassfall die Rückhaltung eines Hochwassers.
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====Die Metallurgen und ihre Nebengewerbe====
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[[Datei: 2.41_Werkstatt.jpg|thumb|300px| Werkstatt: Schmelzofen, Holzkohle, Blasebälge mit Düsen, Gusstiegel, Gussformen, Kaltschmieden]]
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Schon wegen des überragenden Wertes der Arsenkupfer-Artefakte für die gesamte Mondsee-Attersee-Gruppe waren dies die tonangebenden Leute, an denen sich die anderen Gruppen zu orientieren hatten. Deren hervorgehobene Stellung war schon wegen deren exklusiven Zugangs zum Arsenkupfer klar. Sie waren es, die jährlich eine große Reise zur Arsenkupfer-Beschaffung unternahmen.
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Nebengewerbler lieferten Holzkohle, bauten Schmelzöfen, produzierten Gussformen und unterstützten beim Gießen der Artefakte (Blasrohre, Blasbälge) usw. Schmiede entfernten die Guss-Grate, härteten durch Kalt-Hämmern die Beile, schliffen die Schneiden und polierten die Artefakte.
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In den Siedlungen der Metallurgen wurde auch die fein verzierte "Mondseer" Keramik hergestellt und Pfeilspitzen auch für andere Stationen produziert.
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Inwieweit die Mondsee-Attersee-Gruppe auch Salz produzierte durch Verdampfen von salzhältigem Quellwasser, das es bei Bad Ischl gab, wäre nur durch dortige Funde entsprechender Keramik-Töpfe zu belegen. ''[Anm.: In der Nähe von Varna gab es eine industriell aufgezogene Salzproduktion.]''
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====Die Kanal-Pfahl-Bauern====
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Außerhalb der Schweiz gibt es keine Gruppen, die systematisch die Kanal-Pfahlbautechnik betreiben konnten. Ausnahmen gibt es in Baden-Württemberg wie z. B. dem Federsee-Moor: bei dem offensichtlich ein Wiederaufstau misslang – ebenso wie im Schweizer Egolzwil.
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Es ist offensichtlich, dass die hydrologische Bewirtschaftung eines Sees eine '''''sozio-kulturell einheitlich agierende Gruppe für den ganzen See''''' bedingte.
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Es ist davon auszugehen, dass das Vorhanden-Sein einer solchen, raren '''''„politisch geeint agierenden Gruppe“''''' aus der Schweiz den Ausschlag dafür gegeben hat, ein '''''Arsenkupfer-Zentrum für Mitteleuropa''''' an einem Zwei-Seen-System im Salzkammergut gegenüber anderen Alternativen zu realisieren.
  
====Sicherheitsbedürfnisse====
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====Die Getreidebauern/Viehzüchter====
  
====Orientierung an Maikop====
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Dieser Gruppe kamen die Subsistenz-Aufgaben durch '''''Ackerbau und Viehhaltung''''' zu – nicht nur für den eigenen Bedarf, sondern '''''auch für die Metallurgen, Schmiede sowie Metallgewerbler und auch für die See-Bewirtschafter'''''. 
  
====Verkehrslage zur Donau====
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Daneben hatten sie wohl auch die Produktion von Pfählen für den Bau der Gebäude und die Sicherung der Kanäle usw. zu erledigen. Sie produzierten ihre eigene '''''„Gebrauchskeramik“''''' und die Dinge des täglichen Bedarfs. Daneben haben sie wohl auch '''''Bekleidung, Seile, Gewebe, Taschen und Netze''''' hergestellt. Der Bau von '''''Einbäumen''''' war eine wichtige Aufgabe, schon um den Kontakt zu den anderen – schlecht zugänglichen – Stationen aufrechterhalten zu können. Sie haben auch vielfältige Gegenstände aus Holz geschaffen. Auch die Beschaffung und Zurichtung von Werkzeugen aus Gestein und Silices war deren Aufgabe. Diese Gruppe trug auch mit Sammeln von Früchten und Beeren und dem Fischfang wesentlich zur Ernährung aller bei.
  
===Sozio-kulturell geeinte Gruppe===
+
Der Jahresablauf war von Aussaat und Ernte des Getreides und dem jahreszeitlichen Verlauf der Viehwirtschaft (Geburt von Kälbern im späten Frühjahr/Sommer, Hüten des Viehs, Besorgen einer Zufütterung für den Winter usw.) bestimmt. Die Jagd war nach der Ernte eine wesentliche Aufgabe des Winterhalbjahres.
  
====Einbindung in umfassendes Metallurgiegeschehen====
+
Zur '''''Vermeidung von Inzucht''''', aber auch der Aufrechterhaltung der '''''Höhen- und Klimaanpassung''''' ihres Viehs mussten sie wohl regelmäßig neue Tiere aus ihrer ehemaligen Heimat holen. Diese Kontakte waren wohl die Ursache, dass '''''Mondsee-Beile in der Schweiz''''' auftauchten. Eine genetische „Auffrischung“ mit dem benachbarten '''''donauländischen Vieh''''' kam schon wegen deren fehlender Höhen- und Klimaanpassung '''''überhaupt nicht in Frage'''''.
  
====Hydrologische Bewirtschaftung von Seen====
+
===Stabile sozial-ökonomische Gruppe über ein Jahrtausend===
  
====Arbeits-Teilung und Ressourcen-Teilung====
+
In einer Gesamtbetrachtung der Mondsee-Attersee-Kultur ist es faszinierend zu sehen, dass sie trotz ihrer '''''Komplexität''''' und den stark unterschiedlichen Gruppen und '''''Machtverteilung''''' eine so '''''einige Gesellschaft''''' bildete.
  
Metall-Zuarbeiten
+
Getrieben vom Wohlstand, den die Produktion von Arsenkupfer-Artefakten ermöglichte, gab es wohl eine als „gerecht“ empfundene Arbeitsverteilung und eine als '''''„gerecht“ empfundene Ressourcen-Zuteilung''''' des verfügbar gewordenen Mehrwerts.
  
Salzproduktion?
+
Dass es so gewesen sein muss, erschließt sich aus dem außergewöhnlich langen '''''Bestand dieser Kultur''''' über mehr als ein '''''Jahrtausend'''''. Das ist umso bemerkenswerter, da Neid ja eine besondere menschliche Eigenschaft ist, und die Mondsee-Attersee-Gruppe „sozial-ökonomisch“ dauerhaft stabil war und das auch nach dem Versiegen der Arsenkupfer-Versorgung blieb.
  
Landwirtschaft
+
==Die Zeit nach dem Arsenkupfer (3.300–2.700 v. Chr.)==
  
Jagd
+
Wie aus der '''''ab 3.300 v. Chr.''''' sinkenden Häufigkeit von „Mondseekupfer“-Funden hervorgeht, dürfte die Versorgung mit Arsenkupfer mit dem dramatischen '''''Umbruch am Kaukasus''''' ziemlich rasch zu Ende gegangen sein.
  
Transport
+
Das hängt mit dem Übergang von der klassischen '''''Maikop'''''-Kultur zur neuen '''''Maikop-Novosvobodnaja'''''-Kultur zusammen, die ihrerseits mit der aufstrebenden '''''Jamnaja'''''-Kultur in den pontisch-kaspischen Steppen verbunden ist. Die Eroberung der Steppen hängt von der Entwicklung '''''ochsengezogener Wagen''''' ab, mit denen die Viehzüchter diese riesigen Weideflächen erstmals nutzen konnten.
  
===Bauern samt Agrarpaket===
+
Das Versiegen der Arsenkupfer-Quelle wird sich tiefgreifend auf die Mondsee-Attersee-Gruppe ausgewirkt haben. Vielleicht haben die Metallurgen mit dem Umschmelzen von Arsenkupfer-Werkzeugen begonnen, aber dieser Bedarf wurde ohne neues Metall immer weniger. Die Siedlungen am Mondsee: See und Scharfling scheinen aufgegeben worden zu sein, während es neu die Steg-Anlage Mooswinkel gibt.
  
====Höhenangepasstes Vieh und Getreide====
+
Elisabeth Ruttkay schreibt, dass es eine Art „Lücke“, ab 3.100 v. Chr. aber wieder Nachweise gibt. Jedenfalls wird die Besiedlung des Attersees fortgesetzt und Misling wird neu besiedelt.
  
====Umgang mit löss-freien Böoden====
+
Etwa mit dem Aufkommen der Schnurkeramiker '''''um ca. 2.700 v. Chr.''''' geht die Zeit der Pfahlbauernkultur an den Salzkammergutseen zu Ende – vielleicht durch eine aus den Steppen eingeschleppte Pandemie?
  
====Hochgebirgs-Jäger====
+
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==Die Zeit nach dem Arsenkupfer==
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Rund ein Jahrtausend später wird um '''''~ 1.700 v. Chr. ''''' der Attersee erneut abgesenkt – aber nun tiefer als während der Pfahlbauernzeit. Es ist die Bronzezeit, also die Zeit der Legierung von 9 Teilen Kupfer mit 1 Teil Zinn. Das Kupfer dieser Zeit stammte v.a. vom Mitterberg bei Bischofshofen, das Zinn musste von weither antransportiert werden. Gesiedelt wurde vor Aufham (Station I) und vielleicht auch bei Seewalchen –  wenn es dort beim Seeabfluss nicht ein See/Fluss-Heiligtum gab, wo wertvolle Bronzestücke geopfert wurden.

Aktuelle Version vom 8. Mai 2024, 14:58 Uhr

Inhaltsverzeichnis

Herkunft der Bauern Europas (Donau- und Mittelmeer-Route)

Wanderung: Anatolien →donauaufwärts und →Mittelmeer-Route

Wie der nebenstehenden Grafik von → Mariana Diniz (2021) zu entnehmen ist, stammen die ersten Neolithiker aus Anatolien, das Gebiet rund um das Marmara-Meer war bereits um 9500 Jahren vor heute neolithisch besiedelt. Die farbigen Flächen stehen für die verschiedenen neolithischen Kulturen, und die schwarzen durchgezogenen Linien stellen die Gebiete dar, in denen nach Jean Guilaine (2001) eine kulturelle und chronologische Neuzusammensetzung stattgefunden hat.

Die Ausbreitung entlang der Donau erfolgte nicht kontinuierlich, sondern in Sprüngen. Offensichtlich musste sich das „Agrarpaket“ (Vieh: Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine; Getreide-Arten) evolutionär an die gegenüber den Herkunftsgebieten geänderten klimatischen Verhältnisse anpassen.

Wie auch zu erkennen ist, erfolgte die schnellere Migration der Bauern entlang der Küste des Mittelmeers und erreichte relativ rasch Frankreich, von wo sie sich nach Norden ausbreitete und mit ihrem Vieh und Getreide etwa um 4.500 v. Chr. auch den Süden der Schweiz erreichte.

Im Neolithik-Workshop der Österreichischen Akademie der Wissenschaften: "The Central/Western Anatolian Farming Frontier", Wien April 2016, gingen Jean Guilaine mit “The Neolithisation of Europe: An Arrhythmic Process.” und Mehmet Özdogan mit → "An Alternative Look at the Neolithisation Process of Western Anatolia – from an old Periphery to a New Core." detailliert auf die zeitliche Ausbreitung des Neolithikums ein.

Alle frühen Europäischen Bauern haben aus genetischer Sicht einen gemeinsamen Ursprung im neolithischen Westanatolien, vertreten durch nur 5 Individuen aus Menteşe Höyük und 21 Individuen aus → Barcın Höyük im Nordwesten - alle unmittelbar neben dem Marmara-Meer (Haak et al. 2015; Anthony & Brown 2017).

Erste Besiedlung Nieder- und Oberösterreichs

Früheste neolithische Siedler in NÖ und OÖ

In Ober- und Niederösterreich gibt es keine Funde zu einer mesolithischen Besiedlung durch Jäger und Sammler.

In der nebenstehenden Abbildung des Bundesdenkmalamtes sieht man für das Frühneolithikum die Verteilung von Notenkopf-Keramik vor allem in NÖ, aber nur wenig im Linzer Bereich und einige Fundstellen der „vasi a bocca quadrata“-Kultur im Kärntner Raum. Nach der Notenkopfkeramik entwickelte sich vor allem im niederösterreichischen Raum die Lengyel-Kultur, die sich bis etwa 4.100 v. Chr. halten konnte.

Im Alpenvorland gab es – außer einem eng begrenzten Gebiet um Linz – nur ganz geringe Besiedlung. Die Besiedlung konzentrierte sich auf Gebiete, die den räumlichen Vorlieben der Linearbandkeramiker entsprachen. Diese konzentrierten sich wegen ihres Viehs und Getreides auf Lössböden in niedrigen Seehöhen mit angenehmen Temperaturen (8–10 °C durchschnittliche Jahrestemperatur) und mit nur geringen Jahresniederschlägen (unter 800 mm pro Jahr).

Man kann davon ausgehen, dass eine Besiedlung der Salzkammergut-Seen nicht auf eine bodenständige, vorhandene jungneolithische Bevölkerung aufbauen konnte. Im Gegenteil: die Notenkopfkeramiker und die darauf folgenden Lengyel-Leute mieden die Gebiete des Alpenvorlandes wegen der fehlenden Lössböden, der tieferen durchschnittlichen Jahrestemperaturen (Hausruck ca. 7 °C) und der viel höheren Jahresniederschläge (bis 1.300 mm pro Jahr): Das Alpenvorland ist bis ca. 4.000 v. Chr. letztlich unbesiedelt.

Erste Hochkultur der Welt in Südost-Europa (Vinča; Karanovo und Varna)

Varna, Grab 43, Museum Varna
Varna, Grab 43, Grabbeigaben
Varna, Grab 43, Goldschmuck
Goldperlen aus Varna-Grab Nr. 43, 43. Jh. v.Chr.

Diese hochentwickelte Kultur im Raum von Bulgarien, Rumänien und angrenzenden Ländern hatte neben einer hochstehenden Hochtemperatur-Keramikproduktion auch die Gewinnung (Bergwerke) und Verarbeitung von Kupfer (Schmelzpunkt bei knapp 1.100 °C) hervorgebracht. Das für die Artefakte verwendete Kupfererz stammte aus einer Mine bei Stara Zagora.

Die Funde zeigen, dass die Varna-Kultur Handelsbeziehungen mit fernen Ländern unterhielt (bis zur unteren Wolga und den Kykladen) und sie exportierte Metallwaren und Salz aus einem Steinsalzbergwerk. In den Gräbern wurden auch mediterrane Spondylus-Muscheln als Schmuck gefunden.

Die Kultur verfügte über tiefe religiöse Vorstellungen über das Leben nach dem Tod und hatte hierarchische Statusunterschiede entwickelt. Daneben hatte sie auch eine Vorliebe für Gold – jedenfalls in den höheren Schichten der Gesellschaft – hervorgebracht, wie die reich ausgestatteten Gräber in der Nekropole Varna I zeigen.

Die Nekropole von Varna I ist eine Begräbnisstätte westlich von Varna (etwa ½ Kilometer vom Varna-See und 4 km vom Stadtzentrum entfernt), die international als eine der wichtigsten archäologischen Stätten der Weltvorgeschichte gilt. Hier wurden die ältesten Goldschätze und Schmuckstücke der Welt entdeckt, die aus der Zeit zwischen 4.600 und 4.300 v. Chr. stammen. Der Goldschatz von Varna ist der größte und vielfältigste der damaligen Welt. In der Nekropole wurden insgesamt 294 Gräber gefunden, von denen viele hochentwickelte Beispiele der Metallurgie (Gold und Kupfer), Töpferwaren (etwa 600 Stück, darunter auch mit Gold bemalte), hochwertige Klingen aus Feuerstein und Obsidian, Perlen und Muscheln enthielten. Die Gräber wurden mittels Radiokarbondatierung auf 4569-4340 v. Chr. datiert.

Zu dieser Zeit in Zürich: Erfindung der Kanal-Pfahlbauerntechnik

Zürich, Sihl, Siedlungskammer Seefeld 4.300 v.Chr.
Sihl-Schüttung über Zürich und später in Limmat

Die Sihl war ehedem ein wildbachartiger Fluss, der parallel zum Zürichsee im Sihltal fließt und ursprünglich über das nunmehrige Stadtgebiet von Zürich in den Zürichsee entwässerte und erst nach dessen Aufschüttung in die Limmat, den Abfluss des Zürichsees, (heute) nach 1,8 Fluss-Kilometer einmündete. Greule (Deutsches Gewässernamenbuch, 2014) führt den Namen der Sihl auf die idg. Wurzel *s[h2]i-lo „tobend, wütend“ zurück. Bei starken Gewittern konnte der Abfluss der Sihl bis zu 500 m³/sec (!) (Bericht zur Volksabstimmung über die Korrektion der Limmat vom 14.9.1941) betragen (mittlere Wasserführung MQ: 7 m³/s; HHQ; 280 m³/s; HQ500 = 600 m³/s) und damit dreimal höher als jener der Limmat (150 m³/sec) sein.

Die Sihl schüttete historisch ihre Schotterfracht anfänglich wohl mäandernd über das jetzige Stadtgebiet von Zürich und baute den flachen Untergrund der Stadt auf, wie anhand der 2-m-Höhenschichtlinien zu erkennen ist.

Nachdem dieser Abfluss durch die zunehmende Aufschotterung des Gebietes von Zürich nicht mehr möglich war, verlegte sich der Abfluss der Sihl weiter nach Nordosten und letztlich zur Gänze in die Limmat. Durch ihre Schotterfracht konnte die Sihl nun vor allem bei Starkregen den freien Abfluss der Limmat innert kurzer Zeit so verlegen, dass es zu deren Aufstau und in der Folge zu einem Seespiegelanstieg des Zürichsees kommen konnte.

Wenn die damaligen – vor rund 6.300 Jahren – Ufersiedlungen der egolzwilerischen Kultur am Zürichsee bemerkten, dass der Seespiegel aufgrund einer Gewitter-Schüttung der Sihl in die Limmat immer mehr anstieg, blieb den Siedlern nichts übrig, als diese neue Schotter-Schüttung zu beseitigen. Damit sank der Seespiegel des Sees wieder und die Ufersiedlungen konnten weiter bewohnt werden. Die Beseitigung der Sihl-Schüttung erforderte die Forcierung eines Erosions-Kanals in der und durch die Limmat selbst.

Eine solche Rückwärts-Erosion könnte wohl dadurch bewerkstelligt worden sein, dass man mit geeignetem Werkzeug (z. B. lange Stangen mit Haken) das Bett der Limmat deutlich unterhalb der Einmündung der Sihl beginnend kanalartig eintiefte, wodurch sich dort die Strömungsgeschwindigkeit erhöhte und damit ein Selbst-Erosionsgeschehen in Gang gesetzt und unter tätiger Mitwirkung der Kanal-Pfahlbauern bis zum See fortgesetzt wurde.

Je nachdem, in welcher Entfernung vom See man mit dieser kanalartigen Eintiefung begann, stellte man wieder die frühere Seespiegelhöhe her oder erreichte sogar niedrigere Pegelstände. Im letzten Fall fielen am ganzen See Strandflächen trocken, die ohne jegliches Roden besiedelt und genutzt werden konnten. Dieser vielfache Nutzen für alle Seeufer-Anwohner veranlasste wohl die gesamte Gruppe, sich an dieser gemeinsamen Kanal-Aufgabe und den Arbeiten zu beteiligen. Die Idee der Kanal-Pfahlbauern-Technik als Geschenk der Sihl war in der Welt.

Eine Besiedlung nach erfolgter Eintiefung des Abflusses sollte jedenfalls immer innert einer kurzen Zeitspanne erfolgen, sodass die trockengefallenen Strandflächen nicht durch das Aufkommen von Bäumen (z.B. „Eschen-, Erlen-, Birkenanflug“) entwertet wurden. Der trockenfallende ehemalige Seeboden ist zudem fruchtbar und gut als Getreideacker und Weide für das Vieh nutzbar.

Zerstörung der Karanovo-, Vinča-Kultur und Abwanderung der Metallurgen

Um 4.300–4.100 v. Chr. kam es zu ersten Invasionen aus den Steppen Südrusslands und mehr als 600 Siedlungen im unteren Donautal und Ostbulgarien wurden dabei niedergebrannt. Die eindringende Gruppe wird wegen ihrer Gräber als "Suvorovo"-Gruppe bezeichnet, nach einem Grab in Suvorovo (Ukraine) nördlich des Donaudeltas, in dem ein Mann mit einem steinernen Keulenkopf in Form eines Pferdekopfes (Pferdekopf-Szepter) bestattet wurde.

Danach ist das Balkanhochland leer und es lassen sich zwischen 3.900 und 3.300 v. Chr. keine dauerhaften Siedlungen mehr nachweisen. Verbrannte Siedlungen enthalten menschliche Skelette, die als massakriert angesehen werden. Die letzte kupferzeitliche Zerstörungsebene bei Karanovo VI. enthielt 46 menschliche Skelette, die ebenfalls als Massaker gedeutet werden. Die kupferverarbeitenden Kulturen in Mitteleuropa wechseln um 4.000 v. Chr. zu serbischen Erzen.

Der Stil von Keramik und Metallgegenständen änderte sich deutlich. Die Migration aus den Steppen hat zur gleichen Zeit wie dieser Zusammenbruch stattgefunden. "Wir haben es mit der vollständigen Ersetzung einer Kultur zu tun" sagt ein führender Experte für kupferzeitliche Metallurgie. Es war "eine Katastrophe von kolossalem Ausmaß ... eine vollständige kulturelle Zäsur", so eine bulgarische Archäologin.

Offenbar kam es durch diese Invasion zur Zerstörung dieser blühenden Kultur und ihrer komplexen Gesellschaft – und die Metallurgen und die zuarbeitenden Handwerke verließen die Gegend auf der Suche nach neuen, sichereren Heimstätten und Kupfervorkommen.

Die einen wendeten sich donauaufwärts, die anderen Richtung Kaukasus, den sie von ihren Handelsaktivitäten in die pontisch-kaspischen Steppen kannten.

Abwanderung der einen Kupfer- und Gold-Metallurgen donauaufwärts

Diese Bewegung der SO-Metallurgen donauaufwärts ist nicht nur durch die plötzlich erscheinenden Artefakte aus Kupfer und Gold zu erkennen. Sie führte um 4.100 v. Chr. auch zur Umwandlung der Lengyel-Kultur in jene der deutlich unterschiedlichen Epi-Lengyel-Kultur, die durch eine fremde, neue Keramik zu erkennen ist. Auch der spätere „Mondsee-Krug“ kam mit diesen Metallurgen nach Mitteleuropa.

Noch vor 4.000 v. Chr. werden „abgekupferte“ (kopierte, gespranzte) Steinäxte gefunden: Doppelaxt aus Serpentinit in Cham-Eslen (4300–4000 v. Chr.) im Zugersee mit kupfernem Vorbild aus Südosteuropa; ebenso die steinernen „Aichbühler Hammeräxte“ in Oberschwaben (4200–4000 v. Chr.) mit Vorbildern aus dem Karpatenbecken. Etwa zur gleichen Zeit kommen im westlichen Mitteleuropa die ersten importierten (echten) Kupfergeräte auf.

Gold-Hortfund Stollhof, Niederösterreich, 4000 v. Chr.

Kupfer-Funde des Schwergeräte-Horizonts reichen nördlich der Alpen (v.a. in Österreich) weit nach Westen: Linz-St.Peter (OÖ; Hammeraxt und Flachbeilklinge), Steindorf (Kärnten), Missingdorf und Mitterretzbach (NÖ). Massive Flachbeile aus demselben chronologischen Horizont (Ende 5. Jt. v. Chr.) entdeckte man bis nach Salzburg. Weiters ist der Fund einer fragmentierten Kupferaxt aus Überlingen am Bodensee (Baden-Württemberg) anzuführen, ein Schwergerätetyp. Sie wurde im südlichen Karpatenbecken aus bosnischem oder ostserbischem Erz hergestellt. Neuere 14C-Daten verweisen auf die Zeit 4300–4000 calBC. Weiters eine Kupferahle von Schernau bei Dettelbach (Bayern) in der zweiten Hälfte des 5. Jt. v. Chr. mit chemisch südosteuropäischer Herkunft.

Weiters gibt es Belege für Import von Kupferobjekten im Schweizer Mittelland und in Südwest-Deutschland kurz nach der Wende zum 4. Jt. v. Chr. – eine Gruppe von Objekten mit eindeutigen Bezügen zum Ostalpenraum. Aus Egolzwil 4 (Schweiz) stammt eine massive Beilklinge. Die Beilklinge aus Horw LU-Fondlenhöhe ist typologisch etwa 4.000 v.Chr. zuzuweisen.

Auch die berühmte Mondseeforscherin Elisabeth Ruttkay stellt solche Konnexe mit den SO-Metallurgen her, wenn sie in ihrer "Chronologie und Typologie der Mondsee-Gruppe" schreibt: „Dass wir [in Mondsee] eine so frühe Herstellung von Kupfergegenständen voraussetzen, darf nicht verwundern, da ja auch der große → Gold-Depotfund von Stollhof (bei der Hohen Wand in NÖ; vgl. die Abbildung) mit unserer Formengruppe 1 [Anm.: also dem Beginn der Mondsee-Gruppe] annähernd gleichzeitig ist."

Abwanderung der anderen Kupfer- und Gold-Metallurgen zum Kaukasus

Entstehung der Hochkultur von Maikop mit Kurganen

Eigene Bearbeitung nach P. M. Мунчаев (1994): Die Maikop-Kultur

Die Kupfer-Metallurgen vom Balkan – nach dem Niedergang aufgrund des Vordringens der Suvorovo-Gruppe Ende des 5. Jt. v. Chr. – gingen in den Kaukasus und brachten klarerweise ihr technologisches Know-how sowie ihre Kenntnisse der gesamten "chaîne opératoire" dorthin mit.

Die Balkan-Metallurgen stießen am Kaukasus nicht mehr auf "reines" Kupfer; die Erze am Kaukasus enthielten auch in unterschiedlichen Anteilen Arsen, sodass sich von selbst der Übergang zur härteren Arsen-Bronze ergab. (Anm.: Zinn-Bronze erscheint erst ein Jahrtausend später, und ersetzte die Arsen-Bronze, wohl weil Arsen-Dämpfe giftig sind.)

Der Archäologe Kohl schreibt: „Mit dem Aufkommen der Maikop-Kultur im nördlichen Kaukasus kommt es zu einem Wechsel von der Metallurgie reinen Kupfers zur arsenhaltigen Kupfer/Bronze-Metallurgie. Die zirkumpontische metallurgische Provinz ersetzt nun die nicht mehr funktionierende metallurgische Provinz Karpaten-Balkan."

Jedenfalls erscheint der Maikop-Komplex um 4.000 v. Chr. auf dem Gebiet der Mešoko-Kultur im Nord-Kaukasus; die Mešoko-Leute leben dort aber unverändert weitere Jahrhunderte - auch während der Maikop-Periode. Es zeigt sich, dass der dort ansässigen „Mešoko“-Gruppe eine fremde Kultur "aufgepfropft" wurde, sie nahmen auch kulturelle Besonderheiten (z.B. Beerdigung unter Steinhügeln „Kurgane“) an.

Die Maikop-Leute vermischen sich nicht mit den Mešoko und auch nicht mit den Jäger/Sammler-Kulturen in der nördlichen Maikop-Steppe. Die Maikop-Kultur setzt auch keine der Mešoko-Grabdenkmäler fort. Auch in der Maikop-Steppe sind Hügel mit ursprünglichen, eneolithischen und den Maikop-Steppe-Bestattungen getrennt. Die Maikop-Gemeinschaften wollten sich offenbar auch nicht in eine Kontinuitätslinie mit den früheren steppenverwandten Bewohnern der Vorgebirgs-Zone stellen.

Entwicklung des härteren Arsenkupfers; Silber- und Goldaffinität

harte Arsenkupfer-Kreuzäxte
Gold-Collier aus Maikop-Kurgan, 37. Jh. v.Chr.
Figur eines Stieres. Gold. Guss. Maikop-Grabhügel Foto: Russische Föderation, Staatliche Eremitage, St. Petersburg, Foto: J.J. Piotrovskij; (Скульптурная фигурка быка. Золото; литье. Майкопский курган)

Der bekannte Metallurg Pernicka schreibt 1998: "Viele natürliche Kupferlagerstätten enthalten Arsen als Begleitelemente, die bei der Verhüttung zumindest teilweise ins Kupfer gelangen. Reines Arsen oder Arsenverbindungen kommen zwar in der Natur vor, sind aber recht selten. Deshalb ist die absichtliche Herstellung von Arsenkupfer aus zwei verschiedenen Materialien unwahrscheinlich. Eher ist an eine mehr oder weniger gezielte Auswahl von arsenhaltigen Kupfererzen zu denken. Eine Erzauswahl dürfte in gewissem Umfang zwar möglich gewesen sein, aber es war nicht vorherzusehen, welche Zusammensetzung das Metall haben würde. Außerdem ist es aber wegen der Flüchtigkeit des Arsens schwierig, Kupfer mit mehr als etwa 5 % Arsen herzustellen.

Die Legierung hat einen niedrigeren Schmelzpunkt als reines Kupfer (1085 °C) und sie neigt beim Guss weniger zur Blasenbildung. Denn Kupfer hat die für den Gießer unangenehme Eigenschaft, im geschmolzenen Zustand Sauerstoff aufzunehmen und beim Erkalten in Form von Blasen im Guss wieder abzugeben. Es ist deshalb nützlich, dem geschmolzenen Kupfer sogenannte Antioxidantien beizugeben, die den Sauerstoff binden. Arsen ist ein solches Material. Der Arsenanteil härtet aber auch das Metall, sowohl im gegossenen Zustand als auch nach der Bearbeitung. Durch Kaltdeformation kann sogar die Härte von normalem Stahl erreicht werden. Diese Eigenschaft hat zur Herstellung von wesentlich verbesserten Werkzeugen und Waffen geführt. Es gibt also gute Gründe, um Arsen-Kupfer zu verwenden. Wenn also mit Arsenkupfer ein wesentlich härteres Metall als reines Kupfer zur Verfügung stand, ist der rasche Ersatz des Kupfers durch Arsen-Kupfer für die Herstellung von Werkzeugen und Waffen leicht einsichtig."

gehämmerter Silberbecher

Vergleicht man die Spitzenleistungen der Gold-Metallurgie am Balkan (z.B. Varna) mit jenen des Oshad-Kurgans, erkennt man in Maikop eine ähnlich hohe Qualität (siehe die Abbildungen). Nur die Karpaten-Balkan-Schmiede hatten das Know-how, um eine entsprechende "chaîne opératoire" im Kuban-Gebiet für ein neues Metall-Zentrum aufzubauen.

Die im Maikop-Kurgan bereits im 37. Jh. v. Chr. gegenüber der Karpaten-Balkan-Metallurgie erkennbaren metallurgischen Fortschritte sind: Silberproduktion mit komplexem Kupellationsverfahren, Silber-Bleche für Becher, viele spezialisierte Holzbearbeitungs-Werkzeuge, Nasenringe für Ochsen, weltweit längste Dolche usw.)

Kleine Grabhügel sind bereits während des 5. Jt. v. Chr. in der pontischen und der Wolga-Region – 15-20 m Durchmesser, kaum höher als 0,5 m – sowie im Nordkaukasus bekannt. Unmittelbar nach Erscheinen der Maikop-Kultur gibt es nun aber monumentale Grabhügel, die viele der rituellen Besonderheiten der Steppen-Grabhügel und Mešoko-Gräber übernehmen wie Böden aus Geröllsteinen, Bestreuen der Toten mit rotem Ocker usw. Der älteste ausgegrabene Maikop-Grabhügel ist Brut 3 und datiert kalibriert auf 3933–3766 v. Chr. Er ist 8 m hoch und hat einen Durchmesser von 50 m.

Finden die donauländischen Gold- und Kupferschmiede Rauriser Gold?

Zu Gold im Umfeld des Mondsees schreibt Martin Hell 1951 in „Spuren alter Goldwäscherei bei St. Johann im Pongau“ auf Seite 11: „Allgemein bekannt ist, dass in Salzburg von altersher Goldwäscherei betrieben wurde. Das Gold kommt von den Hohen Tauern und so erweist sich die Salzach etwa ab Taxenbach als goldführend. Der relativ reichste Goldgehalt findet sich in der Flussstrecke von Taxenbach bis gegen Mitterberghütten [bei Bischofshofen]. Das Gold aus dem Rauriser Tal wurde mit dem Geröll der Rauriser Ache bergab in die Salzach transportiert und gelangte so bis St. Johann und Bischofshofen usw., wo es aus dem Fluss gewaschen werden konnte. Zu den ältestbekannten und ertragreichsten Vorkommen' zählt jedenfalls das von Rauris in der Goldberggruppe.

Cech 2015, Brigitte: → Tauerngold – Historische und montanarchäologische Zeugnisse zum Edelmetallbergbau in den Ostalpen. Bergauf Bergab. 10.000 Jahre Bergbau in den Ostalpen, Bochum 2015:571-575.

Cech schreibt, dass das Gold wahrscheinlich aus den Flüssen gewonnen wurde; und weiter: "Im 2. Jahrhundert AC berichtet der griechische Historiker Polybios von der Entdeckung reicher Goldvorkommen im Gebiet der Norischen Taurisker: „Ferner erzählt Polybios, man habe zu seiner Zeit gerade über Aquileia bei den Norischen Tauriskern eine so ergiebige Goldgrube entdeckt, dass sich, wenn man zwei Fuß (~ 60 cm) tief die obere Erde wegräume, sofort Gold zum Ausgraben finde und dass die Grube nicht mehr als 15 Fuß (~ 4,4 m) tief sei. Ein Teil des Goldes sei sogleich gediegen, von der Größe einer Sau- oder Feigbohne, so dass nur der achte Teil beim Schmelzen verlorengehe, das übrige bedürfe zwar weiterer Schmelzung, sei aber dennoch ungemein gewinnbringend.“

Bewusste Gründung des Arsenkupfer-Zentrums am Mond- und Attersee

Der Landesarchäologe Josef Reitinger schreibt 1969, dass sich „das Werden der Mondseegruppe, archäologisch nicht aufzeigen lässt. Diese tritt uns plötzlich als fertige Kulturform entgegen.“

Die Argumente für eine bewusste Gründung

Gar vieles spricht für eine bewusste Gründung der Mondsee/Attersee-Gruppe als Arsenkupfer-Zentrum für Mitteleuropa durch die ehemaligen südosteuropäischen Metallurgen im Einvernehmen mit der neuen Zirkumpontischen Metallurgischen Provinz (Maikop) als Arsenkupfer-Lieferanten.

  • Keine der benachbarten, möglicherweise in Frage kommenden, Kulturen war metallurgisch in der Lage, Kupfer (und schon gar nicht Arsenkupfer) zu verarbeiten – außer die Metallurgen von Vinča, Karanovo VI und Varna.
  • In ganz Europa gibt es keine Arsenkupfererz-Quelle – außer die Zirkumpontische Metallurgische Provinz mit Maikop (Pernicka, Chernykh).
  • Es gibt sehr ähnliche Arsenkupfer-Rezepte bei der Herstellung von Dolchen in Maikop, Usatovo und Mondsee (Ravich u. Ryndina).
  • Der Mondsee-Krug lässt sich vom südosteuropäischen Salcuta-Komplex herleiten (Ruttkay).
  • Die Rinder stammen archaeozoologisch von der Schweizer Cortaillod-Kultur (Pucher).
  • Die Mondseer Schafe haben andere Haplogruppen wie die benachbarten donauländischen Schafe (Schmölcke).
  • Der Weizen ist tetraploider Nacktweizen, wie er in der Schweiz vorkommt (Wiethold u. Wähnert).
  • Die Pfeilformen der Schweizer Cortaillod-Kultur und das Mondseer Material gleichen einander (Morgan).
  • Auch in der Mittel- und Westschweiz taucht unvermittelt das sogenannte „Mondsee-Kupfer“ auf (Ottaway).

Sicherheitsbedürfnisse der Gründer

Traumatische Erfahrungen von Vinča, Karanovo VI und Varna

Die Erfahrungen von Vinča; Karanovo VI und Varna mit den Einfällen der Suvorovo-Gruppe haben bei den Metallurgen, Schmieden und zugehörigen Handwerkern wohl traumatische Erlebnisse hinterlassen.

Höchstwahrscheinlich wurden diese Überfälle von Gruppen vorgetragen, die vorher selbst mit Kupfer-Artefakten und Spondylus-Schmuck beliefert worden waren. Diese Gruppen sollen ihre Angriffe im Donau-Delta von weit aus dem Osten kommend vorgetragen haben – wie der russische Metallurg Chernykh schreibt. Es ging offenbar darum, sich die Kostbarkeiten anzueignen, ohne dafür selbst entsprechende Gegen-„Geschenke“ reichen zu müssen. So führte der überbordende Wohlstand und der angehäufte – und stehlbare – Reichtum zum Untergang ihrer sozio-kulturellen Gemeinschaft.

Die offene Lage um das Donau-Delta hatte den invasiven Gruppen keinen natürlichen Schutz entgegenzusetzen. Diese Erfahrungen haben wohl dazu geführt, dass in der Folge die Maikop-Chiefs in bergigem Gebiet siedelten.

Aber auch vorher schon hatten die „Metall-Herren“ mit den kostbaren Materialien vorsichtig umgehen müssen. So haben sie nie selbst nach den Metallen geschürft (in den Kupferminen Ai Bunar, Rudna Glava, Jarmovac, Veliki Majdan, Majdanpek) oder Gold in Flüssen gewaschen, sondern diese Arbeiten immer von anderen Gruppen durchführen lassen. Die diesen Gruppen im Gegenzug gegebenen Ressourcen waren offenbar angemessen, sodass diese Beziehungen dauerhaft bestanden.

Je wertvoller die Pretiosen waren, umso besser mussten sie geschützt werden. Im offenen Gelände kann man wertvolle Gegenstände wie Kupfer oder Gold (angesichts der erforderlichen Arbeit zu dessen Gewinnung etwa zehnmal wertvoller) nur durch Vergraben in Horten vor räuberischem Zugriff schützen. Davon zeugen viele Hortfunde mit Kupfer und Gold wie auch der Gold-Depotfund von Stollhof in Niederösterreich – den der Besitzer wohl nicht mehr abholen konnte.

"Sichere" Stationen der Mondsee/Attersee-Gruppe

Geht man von einem theoretischen Angriff auf die Mondsee/Attersee-Gruppe aus, so kann man sich diesen vernünftigerweise nur aus dem Norden vorstellen, wo es wenige neolithische Gruppen mit gangbaren Verbindungen und Flussläufe gab.

Wenn man überhaupt an den Attersee gelangt (und nicht am Traunsee landet), gibt es zwar die eher landwirtschaftlichen Stationen am Nordende des Sees, die aber außer üblichen keine wertvollen Güter haben.

Ein Vordringen in Richtung Süden ist auf der Ostseite des Sees eigentlich unmöglich, da die Wälder auf der ganzen Länge des Sees kein anstrebenswertes Ziel zeigen.

Auf der Westseite unterbrechen nach der Station Litzlberg-Süd die Rutschhänge des Buchberg jedes Vorwärtskommen.

Sollte der Buchberg umgangen worden sein, ergeben sich auf der Westseite des Attersees laufend ähnliche Gegebenheiten beim Reithergupf in Nußdorf, beim Schwendter Eck in Aich und vor den Stationen bei Misling.

Sollte man aber doch so weit gekommen sein, ergibt sich für mögliche Angreifer die frustrierende Anschauung, dass es keine weiteren, sichtbaren Siedlungen gibt.

Der Anschluss Richtung Mondsee ist die Einmündung der Seeache, die nicht einmal vom See aus einfach erkennbar und zu finden ist.

Nimmt man an, dass mögliche Angreifer doch noch die Seeache und damit den Weg zur Station See/Mondsee gefunden haben sollten, finden sie nur eine verlassene Siedlung – ohne Bewohner.

Diese – und wahrscheinlich auch solche von anderen Stationen – haben sich längst nach Scharfling abgesetzt und alle Einbäume mitgenommen und sind über gehbare Wege nicht mehr erreichbar.

Orientierung der Gründer am Metallurgie-Komplex von Maikop

Ikonographische Darstellung des Maikop-Reiches auf dem Silber-Becher

Charakterisiert man den Metallurgie-Komplex von Maikop, ergibt sich:

  • (sichere) Lage an den Abhängen des Kaukasus
  • Lage an (zwischen) zwei Flüssen
  • Landwirtschaft mit Rindern, Schafen und Ziegen sowie Schweinen
  • Jagdtiere
  • gutes Auskommen mit der ursprünglichen, genügsamen Bevölkerung (Meshoko)
  • offenbar Bergleute, die die Arbeit erledigten
  • Aufbau einer Klientel in der vorgelagerten Maikop-Steppe

Notwendige Verkehrsverbindung Donau–Schwarzes Meer

Damit die ehemaligen Kupfer-Gold-Metallurgen an das begehrte Arsenkupfer kommen konnten, führte der einzige sinnvolle Verkehrsweg über Ager, Vöckla, Traun und die Donau Richtung Schwarzes Meer. Damit schieden Schweizer Stationen jedenfalls aus. Die bayerischen Seen zeigten einerseits weniger geschützte Lagen, aber auch fehlende Eignung als „Kanal-Pfahlbau-Seen“. Dies traf auch für die anderen Salzburger und oberösterreichischen Seen zu.

Ob die Mondseer/Atterseer Metallurgen selbst bis nach Maikop fahren mussten oder das Arsenkupfer bereits mit Erreichen des Schwarzen Meeres verfügbar war, kann nur vermutet werden. Falls das Gegen-Geschenk aber in Form von Gold gegeben werden musste, ist die Fahrt bis Maikop wahrscheinlich.

Auswahl der Bauern nach deren passendem Agrarpaket

Warum kamen die vorhandenen neolithischen Gruppen (Epi-Lengyel in NÖ, Münchshöfen in Bayern, Mischgruppe in OÖ) nicht in Frage?

Für diese Gruppen mit ihrem Agrarpaket an Vieh und Getreide waren die agrarwirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Salzkammergutseen prohibitiv. Die größere Höhe mit den damit verbundenen → niedrigeren Temperaturen (unter 7 °C Jahresdurchschnitt) und dem deswegen deutlich späteren Vegetationsbeginn passte nicht zu ihrer Viehwirtschaft. Die fehlenden Lössböden und die → fast doppelten Jahres-Niederschläge (1.300 statt 700 mm) waren für ihren Ackerbau völlig ungeeignet.

Die Gründer der Mondsee/Attersee-Gruppe mussten sich also auf die Suche nach Bauern mit höhenangepasstem Vieh und Getreideanbau ohne Lössböden und mit hohen Jahresniederschlägen machen.

Die nächsten Bauern mit solchen Anpassungen von Vieh und Getreide gab es nördlich der Alpen nur in der Schweiz – die Cortaillod-Kultur (mit den Klimawerten: 900–1300 mm Jahresniederschlag und 7–8 °C Jahresdurchschnittstemperatur abseits der Seen → MeteoSwiss).

Es gibt viele sachliche Nachweise (Vieh, Getreide, Pfeil-Technik, Kanal-Pfahlbautechnik, keine donauländische Verwandtschaft, die spätere Arsenkupfer-Belieferung … offen ist ein archäologischer Vergleich der Gebrauchskeramik) dafür, dass es diese Schweizer Bauern waren, die an den Mond- und Attersee übersiedelten.

Ein überraschendes Detail am Rande ist auch eine beliebte Jagdbeute (von den Schweizer Hochgebirgsjägern), die man in See/Mondsee fand: Gämsen aus dem Gebirge. So musste sich der Archaeozoologe Erich Pucher 1997 mit dieser in archäologischen Stationen seltenen Jagdbeute intensiv auseinandersetzen.

Kanal-Pfahlbauern: Seeabsenkung mittels Rückwärtserosion

Die Landgewinnung durch Absenkung des Seespiegels war im Vergleich zu Waldrodung mittels Äxten oder auch Brandrodung (in beiden Fällen verblieben Baumstümpfe und Wurzeln weiter im Boden) mit Abstand die einfachste und schnellste Möglichkeit, große baumfreie Flächen für Siedlung, Äcker und Wiesen zu gewinnen

Die Technik zur Absenkung eines Sees für die Gewinnung baumloser Strandflächen wurde höchstwahrscheinlich in Zürich entdeckt. Dort entwässert die Limmat den Zürichsee. Etwa 2 km nach dem See mündet die Sihl in die Limmat. Bei Starkregen liefert diese enorme Schotterfrachten, sodass die Limmat verlegt wird und damit der Seespiegel ansteigt. Gegen diesen Anstieg haben sich die am See lebenden Leute durch Abgraben des den Abfluss verlegenden Schotters mittels „Rückwärtserosion“ gewehrt, sodass der Seespiegel wieder auf seine ursprüngliche Höhe absinkt.

Wenn die Seebewohner ihre Rückwärtserosions-Technik in größerer Entfernung vom See begannen, so senkte sich die Seespiegelhöhe unter das gewöhnliche Niveau und es fielen viele Strandflächen trocken, die dann besiedelt werden konnten.

Mit dem folgenden Link: → Abgraben des See-Abflusses mittels Rückwärts-Erosion wird unternommen, eine Vorstellung von der Technik und den Arbeiten zur Absenkung eines Seespiegels zu geben.

Die Geräusche des „stürzenden“ Wassers beim Graben des Kanals und vor allem beim finalen Durchstich zum See haben dem Attersee wohl zu seinem (alt-europäischen) Namen verholfen.

Agrarwirtschaftliche Nutzung von abgesenkten Seen

Der relevante, wesentliche Vorteil der Absenkung des Seespiegels besteht darin, dass die flachen Schelfflächen des Sees trockenfallen und damit große baumlose Flächen für Siedlungen und agrarische Nutzungen (Äcker und Wiesen) ohne Rodung verfügbar werden.

  • Siedlungen: Am gesamten See können Siedlungen errichtet werden. Der Nutzen für viele Siedler an einem See konnte ausschließlich durch eine Gemeinschaftsleistung erreicht werden, die gemeinsame Willensbildung, Planung und Organisation voraussetzte.
  • Ackerflächen: Die trockengefallenen Flächen sind ab den Stellen mit ehemaliger Wassertiefe von etwa 1½ m fruchtbar und können ohne störende Wurzeln bearbeitet werden. Wahrscheinlich war aber eine Düngung (Abbrennen der Strohhalme, Dung usw.) erforderlich.
  • Wiesen: In der Forschung ist dieser Aspekt ziemlich vernachlässigt. Zumindest Rinder und Schafe benötigen Wiesen für ihre Ernährung. Klarerweise mussten nach der Trockenlegung entsprechende Mengen an Grassamen (etwa 30 kg je Hektar) ausgebracht werden, damit Gras-Weiden für die Tiere entstanden. Ziegen sind anspruchsloser; Schweine finden ihre Nahrung im Wald (bevorzugt Buchecker und Eicheln).
    Man kann annehmen, dass damals die Fläche von 1 Hektar für 3 GVE ausreichte. (1 GroßViehEinheit = 1 Rind = 6 Schafe = 6 Ziegen = 3 Schweine)
  • Flächen-Schätzungen für Attersee und Mondsee: Seewalchen, Litzlberg und v.a. Kammer 40 ha; Aufham 15 ha; Abtsdorf 20 ha; Nußdorf–Parschallen 35 ha; Weyregg 6 ha; südlich von Misling 2 ha; See/Mondsee 0,5 ha; Pichl Auhof 3 ha; Scharfling 1 ha.
  • Überraschung: Die Siedlungen Misling und jene am Mondsee haben keine relevanten Flächengewinne durch Absenkung des Seespiegels. [Anm.: Worauf bereits Offenberger hingewiesen hat.]
  • Möglicher Zweck der Absenkung des Mondsees: Betrachtet man das Zwei-Seen-System Mondsee-Attersee, so hat eine dauernde, deutliche Vor-Absenkung des Mondsees wegen der dann möglichen Zurückhaltung von Mondsee-Hochwässern große Bedeutung für eine Minderung von Hochwässern am Attersee.

Mondsee-Attersee: Sozio-kulturell geeinte Gruppen

Es zeigt sich, dass die einzelnen Stationen klare Unterschiede und Funktionen aufweisen. Die Mondseer Stationen und Misling sind für Landwirtschaft denkbar ungeeignet und hatten vor allem metallurgische Aufgaben.

Die anderen Stationen produzierten Getreide und betrieben Viehzucht. Die Jagd wurde in den Wintermonaten betrieben (Gämsen schon im Sommer und Herbst).

Bei den Seeabflüssen gab es sehr verantwortungsvolle hydrologische Aufgaben hinsichtlich Freihaltung des Abflusses und Instandhaltung der Kanäle; aber auch eine entsprechende dauernde Vorabsenkung des Mondsees und im Anlassfall die Rückhaltung eines Hochwassers.

Die Metallurgen und ihre Nebengewerbe

Werkstatt: Schmelzofen, Holzkohle, Blasebälge mit Düsen, Gusstiegel, Gussformen, Kaltschmieden

Schon wegen des überragenden Wertes der Arsenkupfer-Artefakte für die gesamte Mondsee-Attersee-Gruppe waren dies die tonangebenden Leute, an denen sich die anderen Gruppen zu orientieren hatten. Deren hervorgehobene Stellung war schon wegen deren exklusiven Zugangs zum Arsenkupfer klar. Sie waren es, die jährlich eine große Reise zur Arsenkupfer-Beschaffung unternahmen.

Nebengewerbler lieferten Holzkohle, bauten Schmelzöfen, produzierten Gussformen und unterstützten beim Gießen der Artefakte (Blasrohre, Blasbälge) usw. Schmiede entfernten die Guss-Grate, härteten durch Kalt-Hämmern die Beile, schliffen die Schneiden und polierten die Artefakte.

In den Siedlungen der Metallurgen wurde auch die fein verzierte "Mondseer" Keramik hergestellt und Pfeilspitzen auch für andere Stationen produziert.

Inwieweit die Mondsee-Attersee-Gruppe auch Salz produzierte durch Verdampfen von salzhältigem Quellwasser, das es bei Bad Ischl gab, wäre nur durch dortige Funde entsprechender Keramik-Töpfe zu belegen. [Anm.: In der Nähe von Varna gab es eine industriell aufgezogene Salzproduktion.]

Die Kanal-Pfahl-Bauern

Außerhalb der Schweiz gibt es keine Gruppen, die systematisch die Kanal-Pfahlbautechnik betreiben konnten. Ausnahmen gibt es in Baden-Württemberg wie z. B. dem Federsee-Moor: bei dem offensichtlich ein Wiederaufstau misslang – ebenso wie im Schweizer Egolzwil.

Es ist offensichtlich, dass die hydrologische Bewirtschaftung eines Sees eine sozio-kulturell einheitlich agierende Gruppe für den ganzen See bedingte.

Es ist davon auszugehen, dass das Vorhanden-Sein einer solchen, raren „politisch geeint agierenden Gruppe“ aus der Schweiz den Ausschlag dafür gegeben hat, ein Arsenkupfer-Zentrum für Mitteleuropa an einem Zwei-Seen-System im Salzkammergut gegenüber anderen Alternativen zu realisieren.

Die Getreidebauern/Viehzüchter

Dieser Gruppe kamen die Subsistenz-Aufgaben durch Ackerbau und Viehhaltung zu – nicht nur für den eigenen Bedarf, sondern auch für die Metallurgen, Schmiede sowie Metallgewerbler und auch für die See-Bewirtschafter.

Daneben hatten sie wohl auch die Produktion von Pfählen für den Bau der Gebäude und die Sicherung der Kanäle usw. zu erledigen. Sie produzierten ihre eigene „Gebrauchskeramik“ und die Dinge des täglichen Bedarfs. Daneben haben sie wohl auch Bekleidung, Seile, Gewebe, Taschen und Netze hergestellt. Der Bau von Einbäumen war eine wichtige Aufgabe, schon um den Kontakt zu den anderen – schlecht zugänglichen – Stationen aufrechterhalten zu können. Sie haben auch vielfältige Gegenstände aus Holz geschaffen. Auch die Beschaffung und Zurichtung von Werkzeugen aus Gestein und Silices war deren Aufgabe. Diese Gruppe trug auch mit Sammeln von Früchten und Beeren und dem Fischfang wesentlich zur Ernährung aller bei.

Der Jahresablauf war von Aussaat und Ernte des Getreides und dem jahreszeitlichen Verlauf der Viehwirtschaft (Geburt von Kälbern im späten Frühjahr/Sommer, Hüten des Viehs, Besorgen einer Zufütterung für den Winter usw.) bestimmt. Die Jagd war nach der Ernte eine wesentliche Aufgabe des Winterhalbjahres.

Zur Vermeidung von Inzucht, aber auch der Aufrechterhaltung der Höhen- und Klimaanpassung ihres Viehs mussten sie wohl regelmäßig neue Tiere aus ihrer ehemaligen Heimat holen. Diese Kontakte waren wohl die Ursache, dass Mondsee-Beile in der Schweiz auftauchten. Eine genetische „Auffrischung“ mit dem benachbarten donauländischen Vieh kam schon wegen deren fehlender Höhen- und Klimaanpassung überhaupt nicht in Frage.

Stabile sozial-ökonomische Gruppe über ein Jahrtausend

In einer Gesamtbetrachtung der Mondsee-Attersee-Kultur ist es faszinierend zu sehen, dass sie trotz ihrer Komplexität und den stark unterschiedlichen Gruppen und Machtverteilung eine so einige Gesellschaft bildete.

Getrieben vom Wohlstand, den die Produktion von Arsenkupfer-Artefakten ermöglichte, gab es wohl eine als „gerecht“ empfundene Arbeitsverteilung und eine als „gerecht“ empfundene Ressourcen-Zuteilung des verfügbar gewordenen Mehrwerts.

Dass es so gewesen sein muss, erschließt sich aus dem außergewöhnlich langen Bestand dieser Kultur über mehr als ein Jahrtausend. Das ist umso bemerkenswerter, da Neid ja eine besondere menschliche Eigenschaft ist, und die Mondsee-Attersee-Gruppe „sozial-ökonomisch“ dauerhaft stabil war und das auch nach dem Versiegen der Arsenkupfer-Versorgung blieb.

Die Zeit nach dem Arsenkupfer (3.300–2.700 v. Chr.)

Wie aus der ab 3.300 v. Chr. sinkenden Häufigkeit von „Mondseekupfer“-Funden hervorgeht, dürfte die Versorgung mit Arsenkupfer mit dem dramatischen Umbruch am Kaukasus ziemlich rasch zu Ende gegangen sein.

Das hängt mit dem Übergang von der klassischen Maikop-Kultur zur neuen Maikop-Novosvobodnaja-Kultur zusammen, die ihrerseits mit der aufstrebenden Jamnaja-Kultur in den pontisch-kaspischen Steppen verbunden ist. Die Eroberung der Steppen hängt von der Entwicklung ochsengezogener Wagen ab, mit denen die Viehzüchter diese riesigen Weideflächen erstmals nutzen konnten.

Das Versiegen der Arsenkupfer-Quelle wird sich tiefgreifend auf die Mondsee-Attersee-Gruppe ausgewirkt haben. Vielleicht haben die Metallurgen mit dem Umschmelzen von Arsenkupfer-Werkzeugen begonnen, aber dieser Bedarf wurde ohne neues Metall immer weniger. Die Siedlungen am Mondsee: See und Scharfling scheinen aufgegeben worden zu sein, während es neu die Steg-Anlage Mooswinkel gibt.

Elisabeth Ruttkay schreibt, dass es eine Art „Lücke“, ab 3.100 v. Chr. aber wieder Nachweise gibt. Jedenfalls wird die Besiedlung des Attersees fortgesetzt und Misling wird neu besiedelt.

Etwa mit dem Aufkommen der Schnurkeramiker um ca. 2.700 v. Chr. geht die Zeit der Pfahlbauernkultur an den Salzkammergutseen zu Ende – vielleicht durch eine aus den Steppen eingeschleppte Pandemie?


Rund ein Jahrtausend später wird um ~ 1.700 v. Chr. der Attersee erneut abgesenkt – aber nun tiefer als während der Pfahlbauernzeit. Es ist die Bronzezeit, also die Zeit der Legierung von 9 Teilen Kupfer mit 1 Teil Zinn. Das Kupfer dieser Zeit stammte v.a. vom Mitterberg bei Bischofshofen, das Zinn musste von weither antransportiert werden. Gesiedelt wurde vor Aufham (Station I) und vielleicht auch bei Seewalchen – wenn es dort beim Seeabfluss nicht ein See/Fluss-Heiligtum gab, wo wertvolle Bronzestücke geopfert wurden.