Übersetzung Dworsky 2023

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Dworsky 2023, Cyril: → Sunken landscapes and settlement areas. On the reconquest of underwater archaeological sites. (Versunkene Landschaften und Siedlungsgebiete. Zur Rückeroberung von archäologischen Unterwasserstätten). Internet Archaeology 62.

Archaeology and the Natural Environment. European Archaeologiae Consilium symposium proceedings. → Table of Contents

1. Einleitung

Prähistorische Pfahlbauten im Alpenraum spielen aufgrund ihrer besonderen Lage unter Wasser oder in wassergesättigten Umgebungen, wie z.B. Mooren, eine wichtige Rolle für die Erforschung und das Verständnis der Vergangenheit. Dies spiegelt sich in der Tatsache wider, dass sie seit 2011 als herausragende archäologische Stätten auf der UNESCO-Welterbeliste stehen (Abbildung 1). Die Seen boten günstige, aber auch schwierige Bedingungen für die Bebauung ihrer Ufer. Wie die hochkomplexen Stratigraphien vieler Fundstellen zeigen, führten ständig wechselnde Wasserstände, Überschwemmungen und Murgänge schon in prähistorischer Zeit zu einem dynamischen Siedlungsumfeld, das vermutlich ein ständiges Kommen und Gehen von Mensch und Natur zur Folge hatte (Swiecinsky et al. 2013). Nach dem Verschwinden der Pfahlbausiedlungen an den Seeufern im ersten Jahrtausend v. Chr., als der Wasserspiegel stetig anstieg und die Dorfruinen unter dicken Schichten von Seemergel versanken, eroberten sich Wasserpflanzen und -tiere die Flachwasserzonen zurück. Die alten Siedlungen wurden schließlich der Natur überlassen, und es entstanden neue Unterwasserlebensräume.

Abbildung 1: Karte der 111 Stätten, die in die UNESCO-Liste des Welterbes eingetragen sind (©Internationale Koordinierungsgruppe Palafittes)

2. Bedrohungen

Lange Zeit durch Sedimente und natürliche Ufervegetation geschützt, bedroht die moderne Entwicklung rund um die Seen zunehmend die Erhaltung des Unterwasserkulturerbes. Spätestens seit Mitte des 20. Jahrhunderts haben die intensive Bautätigkeit an den Seeufern und das Verschwinden der Schilfgürtel dazu geführt, dass die Flachwasserzonen an manchen Stellen fast vollständig erodiert wurden. Dies hatte enorme Auswirkungen auf die archäologischen Fundstellen. Der hohe Entwicklungsdruck und der ausufernde Tourismus konkurrieren mit der Erhaltung des kulturellen Erbes, das unter Wasser verborgen und daher unsichtbar ist. Zusätzliche Veränderungen in der Flora und Fauna machen die Situation noch dramatischer. Die Flachwasserzonen, in denen sich auch die Überreste neolithischer und bronzezeitlicher Siedlungen befinden, sind zum bevorzugten Lebensraum für verschiedene invasive Arten geworden, die erhebliche Schäden verursachen.

Inzwischen müssen wir eine Vielzahl von Neozoen (gebietsfremde Tiere) und Neophyten (gebietsfremde Pflanzen) als potenzielle Feinde unseres Unterwassererbes betrachten. Je nach den örtlichen Gegebenheiten erobern verschiedene Tiere und Pflanzen einen neuen Lebensraum. Im maritimen Bereich sind Schiffswracks dafür bekannt, dass sie als künstliche Riffe für Fische und Pflanzen dienen (Asner et al. 2022). In Binnengewässern werden archäologische Relikte genutzt, z. B. auf erodierten Pfahlfeldern, wo hölzerne Überreste aus dem Meeresboden ragen. Im UNESCO-Welterbe Keutschacher See findet der Zander (Sander lucioperca) ein Refugium zwischen den Pfählen in der Mitte des Sees (Abbildung 2) (Poppenwimmer 2020; Billaud 2021). Aufgrund der rechtlichen Situation – das Gewässer ist in Privatbesitz – und der wirtschaftlichen Bedeutung und Beliebtheit des Zanders als Speisefisch bei Sportanglern, kann der ursprünglich nicht heimische Zander jedoch nicht einfach entfernt werden. Auch im Keutschacher See hatte sich der heimische Europäische Edelkrebs (Astacus astacus) bis vor kurzem in den Pfahlbauten angesiedelt (Petutschnig 2001). Im Siedlungsgebiet gibt es zahlreiche Flusskrebsbauten und -gänge, die das Gelände stellenweise erodieren und vor allem Hebelpunkte für die Erosion bilden. Diese Bauten scheinen jedoch infolge der Krebspest aufgegeben worden zu sein. Glücklicherweise konnten sich der krankheitsresistente invasive Signalkrebs (Pacifastacus leniusculus) und der (amerikanische) Kamberkrebs (Faxonius limosus) hier noch nicht etablieren. Diese beiden Arten stellen eine ernsthafte Bedrohung für die Pfahlbauten in Frankreich dar und sind im Bodensee weit verbreitet (Hagmann und Köninger 2022).

Abbildung 2: Zander in der UNESCO-Welterbestätte Keutschacher See in Kärnten/Österreich (©Kuratorium Pfahlbauten)

Auch invasive Muscheln sind ein wachsendes Problem. Einheimische Muschelarten wie die Große Teichmuschel (Anodonta cygnea) oder die Bachmuschel (Unio crassus) sind aufgrund schlechter Wasserqualität und anderer Faktoren verschwunden und konnten bisher keine neuen Populationen aufbauen (Patzner 2019). Zunehmend werden auch Arten aus der Familie der robusten Dreikantmuscheln (Dreissenidae) gefunden (z.B. die Quagga-Muschel), die vermutlich aus dem Schwarzmeerraum stammen. Sie haften teilweise großflächig am Seeboden und mancherorts direkt an archäologischen Funden wie Holzpfählen (Abbildung 3) (Hagmann und Köninger 2022). Auch ehemals autochthone Arten wie der Biber, die in ihre natürlichen Lebensräume entlang der Ufer zurückkehren, tragen zum Verfall der Pfahlbauten bei, indem sie ihre Bauten im Bereich der archäologischen Reservate errichten (Gschwind 2020).


Abbildung 3: Dichte Bedeckung des Seebodens mit Zebramuscheln (Dreissena polymorpha) an der eisenzeitlichen Fundstelle Traunkirchen in Oberösterreich (©Kuratorium Pfahlbauten)

Auch in den zirkumalpinen Gewässern breiten sich Neophyten aus, wobei die Bedeckung der Standorte mit aquatischen Makrophyten unterschiedliche Auswirkungen haben kann. Einerseits besteht die Gefahr einer stärkeren Zerstörung in den oberen Schichten durch ein stärkeres Wurzelwerk in den Seesedimenten. Andererseits gibt es auch positive Auswirkungen, da im ruhigen Bereich der Algenteppiche weniger Sediment abgetragen wird und die Pflanzen sogar als Sedimentfalle wirken können. Das Monitoring von Fundstellen am Bodensee seit 2012 zeigt eine starke Zunahme von Makrophyten wie dem Schweizer Laichkraut (Stuckenia helvetica) und neuerdings auch der Zerbrechlichen Armleuchteralge (Chara globularis) (Ebersbach et al. 2019). Die Zerbrechliche Armleuchteralge selbst, die in österreichischen Seen heimisch ist, ist eine geschützte Art in den Natura 2000-Gebieten Attersee und Mondsee und wirft wie der Biber die Frage nach möglichen Interessenkonflikten zwischen Naturschutz und Schutz des kulturellen Erbes auf. Im Sinne des UNESCO-Welterbekonzepts, das Natur- und Kulturerbe als Einheit betrachtet, müssen jedoch gemeinsame Lösungen für den Schutz beider gefunden werden.

Die Dokumentation der Ausbreitung von Neozoen und Neophyten und ihrer neuen Lebensräume ist umso wichtiger, als sie auch als Vorboten des Klimawandels angesehen werden können. In diesem Zusammenhang ist die rasche Einrichtung einer wirksamen und umfassenden Überwachung von Flachwasserzonen dringend erforderlich, da das Ausmaß und die potenzielle Bedrohung in vielen Gebieten derzeit nicht abgeschätzt werden können.


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