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Zur Zeit des stärksten letzten Vereisung war das Schwarze Meer ein halb-süßer bis brackiger (aber niemals gänzlich Süßwasser-) See anoxischen Alters mit einem Wasserspiegel ∼100 m unter dem heutigen. Zu dieser Zeit war es sowohl vom Kaspischen Meer als auch vom Marmarameer isoliert. In dem sich erwärmenden Klima um 17.000 vor heute erhöhten mehrere Faktoren (z. B. massive Wasserabflüsse durch das Abschmelzen der Eisschilde, das Auftauen von Permafrostböden und enorme Wasserführungen von Flüssen und wahrscheinlich Zuflüsse aus dem Kaspischen Meer über den Manych-Überlauf) den Pegel des Sees auf ∼ -20 m. Überschüssiges halbfrisches Wasser aus dem See floss in das Marmarameer, das diesen Abfluss weiter ins Mittelmeer leitete.

Ungefähr ab 9.800 Jahren vor heute sank der Pegel des Schwarzen Meeres nicht wieder unter die Höhe von -50 m, und die maximale Schwankungsbreite war weniger als etwa 20 m. Der Brackwassersee wurde in ein halbmarines Becken umgewandelt, was weder schnell noch allmählich noch katastrophal verlief. Vielmehr vollzog sich dieser Prozess oszillierend und ermöglichte eine periodische Einwanderung von Organismen aus dem Mittelmeerraum in das pontische Becken. Die erste Einwanderungswelle fand etwa 9.500 Jahre vor heute statt, ein Datum, das viel früher liegt als jenes, das im Szenario der frühholozänen Sintflut vorgeschlagen wird. Die Wiederbesiedlung verlief anfangs langsam und wurde ab 7.200 immer ausgeprägter, um schließlich zwischen 6.000 und 2.800 vor heute ihren Höhepunkt zu erreichen. Wahrscheinlich verlief die erste nacheiszeitliche Verbindung zwischen dem Schwarzen Meer und dem Marmarameer nicht durch die Bosporusstraße; eine alternative Route durch die Bucht von Izmit, den Sapanca-See und den Sakarya-Fluss könnte zu dieser Zeit existiert haben.

In den letzten 10 000 Jahren stieg der Wasserstand des Schwarzen Meeres allmählich, aber oszillierend an, wobei er gelegentlich höher anstieg, aber schließlich seinen heutigen Stand erreichte. Die Anstiegsrate betrug im Durchschnitt 3 cm pro 100 Jahren, aber sicherlich nicht 15 cm pro Tag (fast 55 m pro Jahr), wie es die Hypothese der frühholozänen Sintflut postuliert. Ein Anstieg des Meeresspiegels um 3 cm pro 100 Jahren wäre von den Bewohnern der Küstengebiete kurzfristig nicht bemerkt worden und hätte sie nicht zum Ausweichen in das Innere Europas veranlasst. Die Nachweise widersprechen den Annahmen von Ryan et al. (1997), Ryan et al. (2003) und Ryan und Pitman (1998), wonach eine intensive Binnenwanderung von Kulturgruppen aus dem pontischen Tiefland irgendwann zwischen 8.400 und 7.200 vor heute begann. Im Gegenteil, es gibt sogar indirekte Hinweise darauf, dass der Beginn der holozänen Transgression mit der Wanderung der Menschen in die entgegen gesetzte Richtung zusammenfiel, d. h. eine Einwanderung vom Mittelmeerraum in die pontische Tiefebene (Özdogˇan, 1999).

Obwohl das spätpleistozäne Flutszenario eine viel solidere geologische und paläontologische Grundlage hat, gibt es noch keine verlässlichen archäologischen Hinweise darauf, dass eine solche Überschwemmung einen großen Einfluss auf die Menschengruppen dieser Zeit hatte. Solange keine neuen und aussagekräftigeren Daten vorliegen, muss man zu dem Schluss kommen, dass die "Sintflut" des frühen Holozäns am Schwarzen Meer eine zeitgenössische Legende darstellt. Die faszinierende geologische und archäologische Geschichte der pontischen Region verdient es, weiter erforscht zu werden, und wird vielleicht neue Erkenntnisse bringen. Die mediale Darstellung eines katastrophalen Wendepunkts in der Menschheitsgeschichte in der Größenordnung der biblischen Sintflut hat die ernsthafte Aufmerksamkeit von ihrer tatsächlichen geografischen und kulturellen Bedeutung abgelenkt. Die öffentliche Wahrnehmung, dass dort Noahs "Sintflut" stattgefunden hat, wird durch keinerlei wissenschaftliche Beweise gestützt.