Vermessung von Misling I und II
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Vermessung von Misling I und II
Misling I (1976; 1. Bericht von Czech)
Czech 1976, Karl: Pfahlbausuche und Lokalisierung der Pfahlbauten im Attersee. 1. Bericht, 1976, FÖ 15:29–40.
Czech berichtet, dass bis Ende 1975 systematische Bestandsaufnahmen von Pfahlbausiedlungen am Mondsee und Fuschlsee und zum Teil auch am Attersee bis in 10 m Tiefe durchgeführt worden sind.
Die Entdeckung einer bisher unbekannten Siedlung im Mondsee im Jahre 1970 durch J. Offenberger zeigt, dass auch im Attersee neben den elf bekannten Stationen möglicherweise weitere Siedlungen der Entdeckung harren. Im Attersee wurde bisher nur die Seeufersiedlung Misling II vermessen und lokalisiert (Offenberger, FS Pittioni).
Eine systematische Bestandsaufnahme wurde erstmals von J. Offenberger 1970 durch den Einsatz von Sporttauchern begonnen. Im Auftrag des BDA führen die Sporttaucher des UTC-Wels seit Anfang des Jahres 1976 die 1973 im Mondsee begonnene Bestandsaufnahme fort. 1976 wurde das Seeufer von Misling I bis Aich untersucht, ebenso die gesamte Bucht von Unterbuchberg bis zur Insel Litzlberg. Die Arbeit der Bestandsaufnahme teilt sich in Absuche und Umrissvermessung.
Technik der Suche
Gruppen von je fünf Tauchern suchen den Seegrund von 1,5 bis 10 m Tiefe ab. Der Seegrund wird genau beobachtet und seine Beschaffenheit untersucht. Zusätzlich werden alle 5–10 m Kontrolluntersuchungen des Bodens durch Abtragen des Schlammes, Gerölls oder Sandes bis zur Seekreide vorgenommen. Mit der Hand wird eine Bodenprobe aus der Seekreide bis maximal 40 cm Tiefe entnommen und noch unter Wasser auf Holz- oder Pflanzenreste untersucht.
1976 durchgeführte Lokalisierungen
Die Taucher des UTC Wels vermaßen zwei Stationen im Attersee: Misling I und eine neu entdeckte latenezeitliche Siedlung in Unterbuchberg.
Die Station Misling I befindet sich südlich des Schwentereckes, einem bewaldeten Landvorsprung bei der Liegenschaft „Auf der Schwent“, in einer kleinen Bucht ungefähr längs der Grundparz. 1664/1 der KG Unterach am Attersee. Das nördöstliche Ende der Station liegt genau vor der Grenze zwischen den Parz. 1664/2 und 1664/6, das südwestliche vor der Parz. 1664/5 der KG Unterach am Attersee. Die Untersuchungen zeigen die Länge des Pfahlbaues mit 85 m und die Breite mit 20 m; die mittlere Entfernung vom Ufer beträgt ungefähr 30 m.
Im Zentrum der Siedlung wurden durchschnittlich 10–15 m pro qm festgestellt, wobei rund 10% ohne Materialbewegung sichtbar sind. Diese gerade noch erkennbaren, etwas höher aus dem Boden ragenden Pfähle sind mit 1–3 cm Schlamm, die tiefer liegenden auch mit 5–10 cm großen Steinen bedeckt.
In der Mitte der kleinen Bucht steigt der Seeboden bis zum Ufer gleichmäßig an, das Geröll wird kleiner und nur um einiges mehr. Wesentlich anders stellt sich die Situation im SW und NO der Station dar: aus 3 m Tiefe steigt der Seeboden bis etwa 2 m Tiefe gleichmäßig an, Geröll und Sand werden etwas mehr. Ungefähr 20 m vom Ufer entfernt bilden 40–80 cm große Steine eine steil aus 2 m Tiefe bis 0,5–1 m Tiefe ansteigende Böschung. Im NO ist diese Böschung flacher (etwa 25%) als im SW (etwa 40%). Bis zu diesen großen Steinen konnten neolithische Artefakte festgestellt werden. In diesem Bereich deutet nicht nur die direkt am Ufer führende Straße, sondern auch der geänderte Verlauf der Uferlinie des Grundstückes Parz. 1664/5 darauf hin, dass die Uferzone nachträglich aufgeschüttet wurde.
Die beschriebene Vermessungsmethode wurde in Misling I erstmals mit Erfolg angewandt. Die Vermessung wurde an einem Tag durchgeführt und abgeschlossen.
Misling II (1973–1976; Bericht von J. Offenberger )
Offenberger 1976, Johann: Vermessung der Pfahlbaustation Misling II 1973–1976. FÖ 15, S. 196–197.
Die Vermessung der Pfahlbaustation Misling II (Parz. 1998/1) wurde im Jahr 1973 begonnen und 1976 abgeschlossen (siehe dazu Offenberger in FÖ 12, 1973:22 f., FÖ 13, 1974:40 und FÖ 14, 1975:72 f.; dort jeweils unter „Buchenort“).
Die Vermessungsarbeiten wurden in vier Kampagnen an 108 Arbeitstagen durchgeführt. In 1728 Tauchstunden wurden rund 2.300 qm Siedlungsareal untersucht. Etwa 300 cbm Schotter mussten händisch umgelagert werden, um die 18.000 bis 19.000 vermessenen Pfähle freizulegen.
Nach der durchgeführten Untersuchung ist die Siedlung wesentlich größer als bisher angenommen. Sie erstreckt sich vom Haus „Finstermann“ , Seeuferparz. 1527/1, fast über 100 m das Ufer entlang bis knapp über die nordöstliche Ecke der Seeuferparz. 1529/3 hinaus. Die Breite der Station beträgt 30 m (Abb. 139 und 140).
Der natürliche Uferverlauf ist durch den Ausbau der Attersee-Bundestraße und durch die Aufschüttung von Badeplätzen stark verändert. Während im Nordosten das Ende der Siedlung von der Vermessung erfasst wurde, setzen sich die Pfähle im Südwesten noch ungefähr 5 m über das vermessene Siedlungsareal hinaus fort. Einzelne Pfahlgruppen wurden noch in 10–15 m Entfernung vom SW-Endpunkt der Vermessung festgestellt. Die uferseitige Siedlungsgrenze verläuft in 1 m Tiefe entlang der Tiefenschichtlinie 468,0 m (ü. A.), nur im mittleren Bereich der Siedlung reicht sie höher das Ufer hinaus und unter die einen Badeplatz begrenzende Steinmauer. Die seeseitige Siedlungsgrenze entspricht etwa der Tiefenschichtlinie 466,0 m. Der vom Ufer weg rund 40 m bis in drei Meter Tiefe flach fallende Seeboden geht etwa bei 464,0 m in einen verhältnismäßig steilen Abhang über. Die Siedlung Misling liegt somit ähnlich wie Scharfling im Mondsee auf einer flachen Uferplatte entlang eines Abbruches im Seeboden. Im Gegensatz zu Scharfling liegt sie jedoch wesentlich seichter und reicht bis an das heutige Ufer heran.
Seeseitig ist das Siedlungsareal von einer bis zu 20 cm mächtigen Schlammschicht, zum Ufer zu von einer bis zu einer Mächtigkeit von 50–60 cm anwachsenden Schicht aus Sand, mittleren und großen, abgerollten Bruchsteinen bedeckt. Diese Geröllschicht dürfte teils durch Erosion (eine schmale Senke führt aus dem hügelig ansteigenden Hinterland in den mittleren Bereich der Station), teils durch Aufschüttungen beim Straßenbau aufgebracht worden sein.
Die Pfähle stehen vor allem im zentralen Teil der Siedlung sehr dicht gesetzt, durchschnittlich 8–10 Pfähle pro qm. Diese Massierung der Pfähle ist aus zwei Gründen zu verstehen: Bei einer aus den Radiocarbondatierungen (VRI-355 Misling II/1 = 4390 ± 90, VRI-356 Misling II/2 = 4710 ± 90) errechenbaren theoretischen Siedlungsdauer von 140 bis 320 Jahren und einer durchschnittlichen Haltbarkeit der Pfähle von 8–10 Jahren mussten alle Siedlungsobjekte verhältnismäßig häufig erneuert werden. Die Fußböden der Häuser waren auf Unterzüge und Schwellhölzer aufgelegt, die mit Pflöcken im Boden fixiert waren (Abb. 141).
Die Dicke der verwendeten Pfähle und Pflöcke schwankt zwischen 2 und 20 cn, die durchschnittliche Dicke beträgt 9 bis 10 cm. Ein geringerer Teil der Pfähle weist Bearbeitungsspuren auf. Neben halbierten Stämmen und radialen Stammausschnitten wurden auch mehrkantig behauene Stämme verwendet, wobei drei, vier und mehr Stammsegmente vom Kernholz abgespaltet wurden. Waagrechte, senkrechte und schräge Bohrungen und Nuten, nur 2 cm starke, radial aus einem Stamm herausgearbeitete Brettchen bezeugen einen hohen Stand der Holzbearbeitungstechnik.
Die Kulturschicht ist durchschnittlich 10 cm stark, jedoch an manchen Stellen der Siedlung nicht nachweisbar. Kleinere Siedlungsflächen wurden mit Rindenbahnen belegt. Anscheinend wurden ebenso regellos verlegte Stämmchen und Äste zur Bodenbefestigung aufgebracht. Eine größere Anzahl von waagrecht in der Kulturschicht liegenden Balken ist mit in halbrunden Ausnehmungen und senkrechten Bohrungen stehenden Pflöcken in ihrer Lage am Boden fixiert. Vor allem diese Substruktionen dienen als Beweis, dass die Siedlung Misling II ursprünglich nicht im Wasser, sondern am Seeufer errichtet worden war.
Am seeseitigen Siedlungsrand wurde eine starke Schwemmholzschicht festgestellt, die eindeutig aus Hölzern der neolithischen Siedlung besteht. Dies würde jedoch bedeuten, dass die Siedlung zur Zeit des auf Grund des Befundes zu postulierenden Seespiegelanstieges bereits verlassen war.
Im Randbereich der Siedlung wird es trotz der starken Massierung der Pfähle im Zuge der Auswertung des Vermessungsplanes möglich sein, mehrere Hausgrundrisse zu erarbeiten. Die Größe der rechteckigen Häuser dürfte nach dem derzeitigen Stand der Untersuchungen etwa 4 x 6 m betragen haben. Ein rund 3 x 4 m messender Grundriss ist mit einiger Wahrscheinlichkeit einem Wirtschaftsgebäude zuzuordnen.
Im mittleren Teil der Siedlung befindet sich eine N–S, also schräg zum Ufer verlaufende, 15 m lange und mit 1 m Breite pfahlfreie Fläche. Seeseitig weitet sich diese Fläche zu einem kleinen freien Platz. In diesem Bereich ist die Seekreide mit einer etwa 10 cm starken, harten Schicht aus Kies bedeckt. Es liegt die Vermutung nahe, dass hier ein Weg innerhalb der Siedlung aufgedeckt wurde. Am uferseitigen Ende dieses „Weges“ wurden auf einer größeren Fläche regellos verlegte Hölzer freigelegt, die als Untergrundbefestigung im Bereich eines Gebäudes zu deuten sind.
Das Fundinventar umfasst typische Gefäße der Mondseekeramik, mehrere hundert Flachbeile verschiedener Größe, Knaufhämmer, doppelkonische Keulenköpfe, Kupfermesser und Flachbeile aus Kupfer, Kalksteinperlen und verschiedene Silexgeräte. Hervorzuheben sind der Fund einer Kegelkopfnadel, eines Fragmentes einer Fußschale und einer Steinimitation eines gelochten Eberzahnes. Die Funde befinden sich derzeit zur Bearbeitung in den Werkstätten des BDA, später im Heimathaus Mondsee.