Transkript von S. 202

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Offenberger 1981, Johann: Archäologische Untersuchung Weyregg I: S. 202

Die oberste Kulturschicht vieler neolithischer Seeufersiedlungen liegt heute frei oder ist von „rezentem, erodiertem“ Material überschüttet. Nur in den Siedlungen Aufham und Abtsdorf I konnte bisher eine Überlagerung der Kulturschicht mit Seekreide festgestellt werden. So besteht die Tatsache, dass zwischen älterer und jüngerer Kulturschicht in Weyregg I und Aufham – auch in dieser Siedlung wurden zwei getrennte Kulturschichten beobachtet – in anscheinend verhältnismäßig kurzer Zeit ein durchschnittlich 0,15 m starkes Sedimentstratum gebildet wurde, das über den jüngeren Kulturschichten fast überall fehlt: dies trotz einer Jahrtausende währenden Wasserbedeckung von durchschnittlich 2,5 m Höhe.

Haben hier anders geartete Strömungsverhältnisse einerseits eine Aufschwemmung, andererseits eine Abschwemmung bewirkt, ist die Ursache in unterschiedlichen Seespiegelschwankungen zu suchen oder trifft beides zu?

Mehrere Anzeichen sprechen dafür, dass der Seespiegelanstieg auf das heutige Niveau nicht plötzlich und katastrophenartig, sondern allmählich und schubweise vor sich ging.

Das Schotterstratum über der jüngeren Kulturschicht von Weyregg I könnte einen Hinweis darstellen, dass dieser Teil der Siedlung über einen gewissen Zeitraum im Brandungsbereich lag und erodiertes Material über der Kulturschicht abgelagert wurde. Ebenso könnte das Schotterstratum jedoch der letzte Rest höherer Schichtlagen sein, die durch starke Abrasion verloren gingen; nur die schweren Schichtbestandteile sanken in eine tiefere Schicht ab.

Einen weiteren Hinweis gibt möglicherweis die Höhe der Pfähle. Die Pfahlköpfe der älteren Siedlung reichen durch das Seekreidestratum bis an die Unterkante der Kulturschicht der jüngeren Siedlung heran. Die Pfähle wurden durch das steigende Wasser und die einsetzende Sedimentation vor dem Abmorschen geschützt und blieben über die Siedlungsebene hinaus erhalten. Dies würde für einen relativ rasch steigenden Wasserstand in dieser Zeit sprechen.

Die Pfahlköpfe der jüngeren Siedlungsphase enden durchwegs eben mit der Oberfläche der Kulturschicht, auch dann, wenn die Kulturschicht durch anderes Material überlagert wurde. Der Seespiegelanstieg ging in dieser Phase langsam vor sich, die Pfähle morschten an der Oberfläche ab und blieben nur im feuchten Milieu erhalten.

Einen ähnlichen Schluss lässt die Verteilung verschwemmten Bauholzes in der Siedlung Misling II zu. Die aus der Siedlung stammenden Hüttenhölzer wurden in einem breiten Saum in der vermuteten ehemaligen Uferzone knapp außerhalb der Siedlung abgelagert. Im landseitigen Siedlungsbereich sind aufgehende Bauelemente kaum oder überhaupt nicht aufzufinden. Sie sind vermutlich an der Luft vermorscht und vergangen. Nur die im Uferbereich zusammmenbrechenden Bauteile kamen direkt mit Wasser in Berührung, sogen sich voll und blieben im Brandungsbereich liegen. Hätte ein langsam, aber kontinuierlich steigender Wasserstand zum Auflassen der Siedlung geführt, wären auch Bauelemente im Siedlungsbereich erhalten geblieben. Schnell steigende Hochwässer hingegen hätten alle schwimmfähigen Hölzer aus der Siedlung weggeschwemmt. All dies spricht dafür, dass die Siedlung schon vor dem Seespiegelanstieg aufgegeben worden sein muss.