Systematik und Methodik zur Pfahlbauern-Kultur

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Inhaltsverzeichnis

UNESCO - Prehistoric Pile Dwellings around the Alps

Bundesgesetzblatt der Republik Österreich vom 26.Juli 2012: → Kulturerbe, das in die Liste des Erbes der Welt aufgenommen wurde:
"Das Komitee für das Erbe der Welt aufgrund des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (BGBl. Nr. 60/1993) hat die Aufnahme des nachstehenden Kultur- und Naturerbes auf dem Gebiet der Republik Österreich in die Liste des Erbes der Welt gemäß Art. 11 Abs. 2 des Übereinkommens beschlossen: Prähistorische Pfahlbauten rund um die Alpen gemäß Beschluss 35COM 8B.35 (35. Sitzung des Komitees vom 19. bis 29. Juni 2011)."


Weltkulturerbe – Karte der 111 UNESCO-Pfahlbaustätten

Die folgende Übersicht zeigt die → 111 Fundstellen der seriellen Welterbestätte "Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen" (auch Listenübersicht).

Prehistoric Pile Dwellings around the Alps World Heritage Nomination, 2231 pages. (Austria p. 931 und p. 1664) (Achtung: 141,5 MB)

Advisory Bodies Evaluations (Reduktion von 156 auf 111 Stationen)

Maps of inscribed serial elements - Prehistoric Pile Dwellings around the Alps (better quality); Austria p. 57 ff.

Decisions: 35COM 8B.35 - Cultural Properties - Prehistoric Pile Dwellings around the Alps (Switzerland / Austria / France / Germany / Italy / Slovenia)

→ UNESCO: International Management Plan 2019-2023; Prehistoric Pile Dwellings around the Alps: 4. → National Management Austria S. 50–65


Hafner, Albert: → Das UNESCO-Welterbe "Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen" im Kanton Bern: frühe Forschungen, aktuelle Situation und Chancen für die Zukunft. Jahrbuch des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern 2012. S. 237-253. (Schutzmaßnahmen S. 246).

Auswahl der Bestandteile des UNESCO-Weltkulturerbes 2011

  • Für das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (BM:UKK) hat Cyril Dworsky die erfolgreiche Einreichung der Österreichischen Pfahlbauten zum UNESCO-Welterbe koordiniert.

Überarbeitung der Auswahl der Bestandteile des UNESCO-Weltkulturerbes "Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen" (p. 1298)

B.1 Grundsätze

Quelle: UNESCO S. 1300 ff.

Insgesamt sind 937 Pfahlbaufundstellen bekannt, von denen 156 für eine Serie von Bestandteilen der Serienkandidatur "Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen" eingereicht wurden. Eine Auswahl-Liste wurde in einem internen Auswahlverfahren (Nomination File, Kapitel 3.c.7) nach folgenden Grundsätzen zusammengestellt:

- Geografische und chronologische Repräsentativität: Um der großen geographischen Verbreitung, der zeitlichen Tiefe und der kulturellen Vielfalt der Pfahlbauten gerecht zu werden, gilt als Leitsatz bei der Auswahl der Bestandteile, dass die ausgewählten Fundstellen den gesamten Zeitraum innerhalb möglichst vieler Makroregionen abdecken müssen. Eine Makroregion ist eine geographische Einheit, deren Definition sowohl die prähistorische Kultursituation als auch die Lage der Siedlungen (großer See oder Moor) berücksichtigt. Letztere waren auch im Hinblick auf die verschiedenen Bautypen der Dörfer und die Anpassung der wirtschaftlichen Strategien von Bedeutung. Nicht zuletzt spiegeln die Makroregionen die lokalisierte Qualität und Dynamik der prähistorischen Gesellschaft wider.

- Bedeutung bei der Darstellung der Werte des archäologischen Phänomens: Die allgemeine vergleichende Analyse zielte darauf ab, die Pfahlbauten mit bestehenden Welterbestätten sowie anderen Stätten und potenziellen Serienobjekten zu vergleichen (Nomination File, Chapter 3.c.1-3.c.6) im Hinblick auf fünf Wertattribute, wobei die einzigartigen Merkmale der Pfahlbauten betont wurden. Dieselben fünf Attribute (B.2) waren ausschlaggebend für die Auswahl der Teile der Serie. In der internen Vergleichsanalyse wurden diese Kriterien auf jede bekannte Pfahlbaustelle aus dem Alpenraum und auf verschiedene Zeitspannen angewandt, um aufzuzeigen, in welcher Epoche die einzelne Stätte für ein oder mehrere Wertattribute des Serienobjekts besonders wichtig ist.

- Erhaltungszustand: Der Indikator "Erhaltungszustand und Potential" (B.3) existiert für alle bekannten Pfahlbauten in der transnationalen standardisierten Inventarisierungsdatenbank auf der beiliegenden CD. Der beste Erhaltungszustand ist ein Auswahlkriterium; wenn die Stätten jedoch aus chronologischer (bestimmter Zeitraum), geografischer oder kultureller Sicht (z. B. technische Innovation) von besonderer Bedeutung sind, kann diese Bedeutung überwiegen.

In Anbetracht der Bemerkungen von ICOMOS International mit Schreiben vom 14. Dezember 2010 wurde beschlossen, die Serie von 156 Bestandteilen im Detail neu zu bewerten. Die oben dargelegten Grundsätze wurden beibehalten. Es wurde jedoch mehr Wert gelegt auf

- die Auswahl prägnanter zu gestalten, indem Überschneidungen spezifischer Werte in Bezug auf die einzelnen Bestandteile eingeschränkt werden (key issues 1 und 2);

- Bevorzugung der am besten geschützten und verwalteten Gebiete, d. h. der am wenigsten bedrohten Gebiete, bei gleichzeitiger Einschränkung der Überschneidung der Werte (Schlüsselthemen 3 und 4). Gleichzeitig wurde die Qualität der Erhaltung und der Schutzmaßnahmen neu bewertet.


B.2 Die 20 Kriterien für die Aufnahme in die Welterbeliste

(vgl. hier die → Langfassung und Erläuterung der für die endgültige Auswahl zugrundegelegten Kriterien; UNESCO S. 1301 ff.)

a. Großer Zuwachs an Wissen über frühe Agrargesellschaften und den Alltag der Menschen

  • a1 Typisches Beispiel
  • a2 Wichtige Referenzassemblagen
  • a3 Belege für Fernhandelskontakte
  • a4 Seltene Periode
  • a5 Wichtige technische Innovationen
  • a6 Besondere geographische Lage
  • a7 Mehrere Siedlungsphasen
  • a8 Zeitgleiche Standorte
  • a9 Andere Aspekte

b. Wichtige Beispiele für die Entwicklung von Architektur, Bauwesen und Lebensraum

  • b1 Architekturelemente
  • b2 Rekonstruierbare Dorfgrundrisse (oder Teile davon)
  • b3 Siedlungen in ungewöhnlichen Lagen oder mit besonderen Funktionen
  • b4 Siedlungsdynamik innerhalb einer Mikroregion

c. Hervorragende Datierungsmöglichkeiten (Dendrochronologie)

  • c1 Qualitativ gute Datierungsmöglichkeiten
  • c2 Leicht verständliches Pfahlfeld

d. Äußerst reiche und breite wissenschaftliche Datenbasis

  • d1 Ungewöhnlich dicke Kulturschichten
  • d2 Hinweise auf Produktionstechniken
  • d3 Sehr kurze Siedlungsphase (1-2 Jahrzehnte)

e. Hervorragende Möglichkeiten für Naturwissenschaft oder reiche organische Funde

  • e1 Ausgezeichnetes Archiv für Archäobotanik, Archäozoologie, Paläolimnologie, Klima- und Landschaftsgeschichte usw.
  • e2 Hervorragende Erhaltung von organischen Funden (Holzartefakte, Textilien usw.)

B.3 Überarbeitung und endgültige Liste des österr. UNESCO-Weltkulturerbes

[Anm.: Bei Betrachtung der internationalen Auswahl der Stationen für das Weltkulturerbe springt ins Auge, dass seitens Österreich von den obigen 20 möglichen, relevanten Auswahlkriterien durchwegs nur ein einziges Kriterium je Station angegeben wird. In den anderen Ländern (Frankreich S. 1305-1312; Schweiz S. 1312-1335; BRD S. 1336-1345) werden für die einzelnen Stationen bis zu 12 der möglichen 20 Auswahlkriterien genannt.]

nominierte Stationen im Salzkammergut

Salzkammergut (UNESCO S. 1346-50 [Auswahl] / S. 1668-1683 [Entscheidung])

Die Fundstellen des Salzkammergutes in Oberösterreich sind die nordöstlichsten Fundstellen der geographischen Ausbreitung der Pfahlbausiedlungen. Sie sind auch wegen der früh nachgewiesenen Entwicklung der Kupfermetallurgie nördlich der Alpen von Bedeutung. Der Einfluss dieser wichtigen Innovation reicht nachweislich bis in die Westschweiz, und so sind die Fundstellen des Salzkammergutes unweigerlich mit dem Rest der Voralpen verbunden.

Die Auswahl der Fundstellen im Salzkammergut gewährleistet eine vollständige und hervorragende Dokumentation der neolithischen Mondseegruppe: Die Fundstellen Abtsdorf I und III (AT-OÖ-01, AT-OÖ-03) sind - gemeinsam mit der zugehörigen Fundstelle Abtsforf II - wichtig für das Verständnis kleinräumiger Siedlungsprozesse. Litzlberg-Süd (AT-OÖ-05) garantiert mit seinem massiven Paket an Besiedlungsschichten ein reiches Fundspektrum und ist daher eine wichtige Reserve für zukünftige Forschungen. Der gleichnamige Fundplatz Mondsee-See (AT-OÖ-07) ermöglicht mit seinem reichen Fundinventar die Erforschung von Handelskontakten und den Vergleich mit synchronen Pfahlbaukulturen. Abtsdorf I (AT-OÖ-01) schließlich ist der einzige eindeutig datierte Fundplatz der österreichischen Bronzezeit.


  • Abtsdorf I – AT-OÖ-01

Erhaltungszustand und Potential: A (2000-1000 BC)

Auswahlkriterium: a4 - Seltene Periode (von 20 möglichen Kriterien)

Auswahlkriterium a9 – Besonderer Wert: Die Pfahlbausiedlung ist wegen ihrer gesicherten Datierung an der Wende von der Früh- zur Mittelbronzezeit von besonderer Bedeutung (a4). Es handelt sich um die einzige gesicherte Radiokarbondatierung einer Pfahlbausiedlung dieser Epoche im Salzkammergut. Neolithische Funde aus dem Siedlungsgebiet deuten auf mehrere Phasen hin, die ein wichtiges Bindeglied zwischen neolithischen und bronzezeitlichen Siedlungen darstellen.

Schutz: Denkmalschutzgesetz, UVP-G und WRG; Natura2000-Gebiet; Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetz.

Aufgrund der guten Bedeckung mit Seemergel, Schotter und kalkhaltigem Schlamm besteht keine Gefährdung für die Station. Abtsdorf I liegt fast 100 m von der Uferlinie entfernt, wodurch das Gebiet außerhalb der Reichweite von Stegen, Bootshäusern und Badeplattformen liegt. Tauchverbotszonen sind als Pufferzonen definiert. Bojen und nautische Aktivitäten werden durch regionale Vorschriften kontrolliert. Für Boote mit Verbrennungsmotor gibt es erhebliche Einschränkungen. Durch regelmäßige Tauchgänge wird der Zustand der Station alle fünf bis zehn Jahre kontrolliert: → Managementplan 2.0, Kap. 4.4, Salzkammergut/Attersee.


  • Abtsdorf II – AT-OÖ-02 (ausgeschieden)

Erhaltungszustand und Potential: A (4000-3000 BC)

Auswahlkriterien: b4 – Mikroregion-Siedlungsdynamik (von 20 möglichen Kriterien)

Auswahlkriterium a9 – Besonderer Wert: Trotz der guten Bedeckung mit Seemergel und Kalkschlamm und des wissenschaftlich hochinteressanten Ensembles mit Abtsdorf I (AT-OÖ-01) und Abtsdorf III (AT-OÖ-03) wurde die Station aufgrund der unsicheren Erhaltungslage aus der Nominierung genommen. Die verlängerte Anlegestelle im zentralen Teil der Station verursacht einen erheblichen Bootsverkehr, der trotz der Managementbemühungen eine Bedrohung für die Station darstellen könnte.


  • Abtsdorf III – AT-OÖ-03

Erhaltungszustand und Potential: A (4000-3000)

Auswahlkriterien: b4 – Mikroregion-Siedlungsdynamik, d3 – Sehr kurze Siedlungsphase (von 20 möglichen Kriterien)

Auswahlkriterium a9 – Besonderer Wert: Abtsdorf III weist nicht nur eine sehr gute Überdeckung und damit gute Erhaltung auf, sondern ist in der Synopse mit den benachbarten Siedlungen von Abtsdorf I (AT-OO-01) und dem zugehörigen Fundplatz Abtsdorf II von besonderer Bedeutung und markiert ein wichtiges Element für das Verständnis kleinräumiger Siedlungsprozesse (b4). Dies wird durch das Fehlen von feinem organischem Material in den Kulturschichten untermauert, was auf eine Spezialisierung bzw. eine sehr kurze und damit gut nachvollziehbare Siedlungsgeschichte hinweisen könnte (d3).

Schutz: Denkmalschutzgesetz, UVP-G und WRG; Natura2000-Gebiet; Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetz.

Die Station befindet sich mindestens 40 m von der Uferlinie entfernt und außerhalb der Reichweite des Gefährdungspotenzials durch Stege, Bootshäuser und Badeplattformen. Das gesamte Gebiet liegt unter einer dicken Abdeckung aus Seemergel. Tauchverbotszonen wurden als Pufferzonen definiert. Bojen und nautische Aktivitäten werden durch regionale Vorschriften kontrolliert. Für Boote mit Verbrennungsmotor gibt es erhebliche Einschränkungen. Durch regelmäßige Tauchgänge wird der Zustand der Station alle fünf bis zehn Jahre kontrolliert: → Managementplan 2.0, Kap. 4.4, Salzkammergut/Attersee.


  • Aufham – AT-OÖ-04 (ausgeschieden)

Erhaltungszustand und Potential: A (4000-3000)

Auswahlkriterien: b4 – Mikroregion-Siedlungsdynamik (von 20 möglichen Kriterien)

Auswahlkriterium a9 – Besonderer Wert: Trotz des insgesamt sehr guten Erhaltungszustandes der Station Aufham und seines hohen Potentials für die Untersuchung von Siedlungsphasen wurde der Fundplatz überarbeitet und aus der Serie gestrichen. Die kleinräumige und inhomogene Struktur der in Privatbesitz befindlichen Parzellen führt zu einem erheblichen Bootsverkehr, der durch den benachbarten Yachthafen noch verstärkt wird. Die Beachtung dieser Gefährdung wird eine wichtige Aufgabe im Managementprozess sein. Dies würde jedoch die Ressourcen für Schutzmaßnahmen in einem schwer kalkulierbaren Umfang in Anspruch nehmen.

[Anm.: Die Anliegen des UNESCO-Weltkulturerbes werden mittels Sponsoring an das "Kuratorium Pfahlbauten" durch den benachbarten → Yachthafen (s. S. 29 ff.) finanziell unterstützt.]


  • Litzlberg Süd – AT-OÖ-05

Erhaltungszustand und Potential: A (4000-3000)

Auswahlkriterium: d1 – Ungewöhnlich dicke Kulturschichten (von 20 möglichen Kriterien)

Auswahlkriterium a9 – Besonderer Wert: Die Siedlung Litzlberg Süd zählt zu den Siedlungen mit den am besten erhaltenen archäologischen Horizonten in Österreich. Die massiven Pakete von Besiedlungsschichten und die sehr gute Überdeckung mit Seemergel und Kalkschlamm bieten ideale Voraussetzungen für ein reiches Fundspektrum (d1) und sind daher für das Verständnis kleinräumiger Entwicklungsprozesse in der Jungsteinzeit besonders wichtig.

Schutz: Denkmalschutzgesetz, UVP-G und WRG; Natura2000-Gebiet; Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetz. Tauchverbotszonen als Pufferzonen; Bojen und Nautik regional reguliert. Für Boote mit Verbrennungsmotor gibt es erhebliche Einschränkungen.

Die stabile Lage in der Bucht von Litzlberg unterstützt die guten Erhaltungsbedingungen der Station. Es gibt wenig Bootsverkehr, da alle angrenzenden Parzellen im Besitz einiger weniger Privatpersonen sind. Der Dialog mit der Gemeinde und der Naturschutzbehörde hat ergeben, dass ein großes Interesse an der Anlage besteht und ein starkes Bewusstsein für den Naturschutz des Sees und den kulturellen Wert der Station vorhanden ist. Erste Projekte zur Renaturierung der Uferlinie wurden bereits umgesetzt und werden als Best-Practice-Beispiele für die Zukunft dienen. Ein Monitoring der eher gefährdeten Uferbereiche der Station wird eingerichtet und es wird ein Budget für Schutzmaßnahmen reserviert. Durch regelmäßige Tauchgänge soll der Zustand der Staton alle fünf bis zehn Jahre kontrolliert werden: → Managementplan 2.0, Kap. 4.4, Salzkammergut/Attersee.


  • Nussdorf – AT-OÖ-06 (ausgeschieden)

Erhaltungszustand und Potential: A (3500-2500)

Auswahlkriterien: a4 – Seltene Periode, d1 – Ungewöhnlich dicke Kulturschichten (von 20 möglichen Kriterien)

Auswahlkriterium a9 – Besonderer Wert: Die Siedlung Nussdorf ist nicht nur sehr gut erhalten und weist ein reiches Fundspektrum auf, sondern nimmt aufgrund der Funddatierung und der C14-Proben auch eine wichtige Stellung bei der Erforschung der untergehenden Mondseegruppe ein. Trotz der Tatsache, dass nationaler Schutz die Fundstelle ohnehin sichern wird und die Handlungsmöglichkeiten der kommunalen Körperschaften einschränkt, wurde beschlossen, sie nicht in die Serie aufzunehmen, um den Handlungsspielraum für die gesamte Region zu erweitern.


  • Mondsee-See – AT-OÖ-07

Erhaltungszustand und Potential: B (4000-3000)

Auswahlkriterien: a2 – Wichtige Referenzassemblagen, a3 – Belege für Fernhandelskontakte, a5 – Wichtige technische Innovationen (von 20 möglichen Kriterien)

Auswahlkriterium a9 – Besonderer Wert: Die namengebende Station der Mondseegruppe stellt nicht nur aus forschungsgeschichtlicher Sicht einen außergewöhnlichen Wert dar. Das reiche Fundinventar der Siedlung stellt die bisher umfassendste Quelle zur wissenschaftlichen Erforschung der österreichischen Pfahlbaukulturen dar (a2). Mehrere Publikationen befassen sich mit den verschiedenen Fundkategorien (z.B. Keramik, Tierknochen und Feuerstein) und ermöglichen die Erforschung von Handelskontakten (a3) und den Vergleich mit synchronen Pfahlbaukulturen. Das reiche Spektrum an Metallfunden demonstriert die wichtige Rolle von See bei der frühen Entwicklung der Kupfermetallurgie (a5).

Schutz: Denkmalschutzgesetz, UVP-G und WRG; Natura2000-Gebiet; Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetz. Tauchverbotszonen der Bezirkshauptmannschaft; Bojen und nautische Regulierungen. Es gibt ein absolutes Verbot für Boote mit Verbrennungsmotor.

Die Überwachung und Verhinderung der Erosion im Abflussbereich ist nicht nur für die Erhaltung der Seebewohner notwendig, sondern auch für den Schutz der beiden Natura 2000-Fischarten. Eine enge Zusammenarbeit mit der Naturschutzbehörde und dem Limnologischen Institut in Mondsee wird aufgebaut und Budget für Monitoring und Schutz reserviert. Die Entwicklung und Umsetzung eines zusätzlichen Schutzprogramms ist seit 2010 in Arbeit: → Managementplan 2.0, Kap. 4.4, Salzkammergut/Mondsee.


Keutschacher See (S. 1350 f. [Auswahl] / 1664-1667 [Entscheidung])

Der Keutschacher See hat aufgrund seiner geographischen Lage zwischen Slowenien, Italien und dem österreichischen Salzkammergut eine besondere Bedeutung. Die Station Keutschacher See (AT-KT-01) ist eine der wenigen bisher bekannten Pfahlbaufundstellen dieser Makroregion. Seine Funde aus der neolithischen Kanzianiberg-Lasinja-Gruppe verbinden sie nicht nur mit den südöstlichen Pfahlbauregionen, sondern zeigen Einflüsse, die weit in die ungarische Region hineinreichen. Darüber hinaus bildet sie auch eine wichtige Verbindung zu den österreichischen Pfahlbauten nördlich der Alpen. Als erste in Österreich entdeckte Pfahlbausiedlung ist sie zusätzlich forschungsgeschichtlich von immenser Bedeutung.


  • Keutschacher See – AT-KT-01

Erhaltungszustand und Potential: B (4000-3500)

Auswahlkriterien: a1 – Typisches Beispiel, a2 – Wichtige Referenzassemblagen, a3 – Belege für Fernhandelskontakte, a6 – Besondere geographische Situation, b3 – Siedlungen in ungewöhnlichen Lagen (von 20 möglichen Kriterien)

Auswahlkriterium a9 – Besonderer Wert: Der Fundplatz gehört zu den Hauptfundstellen der neolithischen Kanzianiberg-Lasinja-Gruppe und ergänzt die Fundstellen auf mineralischem Boden durch seine hervorragenden Erhaltungsbedingungen für organisches Material. Der Einfluss der Lasinja-Keramik ist bis weit in die ungarische Region nachweisbar (a6) und stellt eine wichtige Verbindung zum südostalpinen Raum dar (a3). Pionierarbeiten in der Dendrochronologie haben wichtige Informationen über die Kanzianiberg-Lasinja-Gruppe geliefert und unterstreichen zusammen mit der Keramik als Referenzkomplex (a2) die Bedeutung der Station. Die Lage der Station im Zentrum des Sees ist auch bezüglich Nutzung und Siedlungsstrukturen der Pfahlbauten (b3) außergewöhnlich und interessant.

Schutz: Denkmalschutzgesetz, UVP-G und WRG; Naturschutzgebiet, Ramsar-Konventionsgebiet; gesamter See ist Tauchverbotszone. Das Kärntner Umweltplanungsgesetz (K-UPG) verlangt Umweltbericht mit Informationen über das kulturelle Erbe, der "archäologische Schätze" enthalten muss.

Durch die Lage in der Mitte des Sees und das Tauch- und Motorbootverbot ist die Station auch gut vor störenden menschlichen Aktivitäten geschützt. Kleinflächige Erosionsgebiete sind seit 1994 mit Geotextilien abgedeckt. Natürliche Erosion gibt es nach wie vor in geringem Umfang und wird durch regelmäßige Überwachung festgestellt. Dies wird zu einem besseren Verständnis der verschiedenen Einflussfaktoren führen, um die am besten geeigneten Gegenmaßnahmen zur Verbesserung der Stabilität der Station festzulegen.

Die Herkunft der Pflanzen als Indiz für die Herkunft unserer Pfahlbauern

Hofmann 1924, Elise (Tochter von M. Much) berichtet nur recht allgemein Funde von Gerstenähren, Emmer und Weizenkörnern zur Station See am Mondsee.

Maier 1998, Ursula: Der Nacktweizen aus den neolithischen Ufersiedlungen des nördlichen Alpenvorlandes und seine Bedeutung für unser Bild von der Neolithisierung Mitteleuropas. In: Archäologisches Korrespondenzblatt Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz Jg. 28, Heft 1, 1998:205–218.

  • Es handelt sich hier um freidreschende, tetrapoloide Weizenarten („Nacktweizen“): Hartweizen (Triticum durum), Rauhweizen (Triticum turgidum) und Weichweizen (Triticum aestivum). Die tetrapoloiden Formen haben sich entlang des Mittelmeeres nach SW-Europa verbreitet.
  • Freidreschende Getreidearten sind Getreide, deren Früchte beim Dreschen aus den Spelzen fallen; dazu zählen Weizen und Nacktgerste. Im Gegensatz dazu sind Dinkel, Gerste, Emmer und Einkorn Spelzgetreidearten, bei denen die Samenkörner mit den Spelzen verwachsen sind. Sie sind für die menschliche Ernährung wegen der erforderlichen Entspelzung in der Verarbeitung aufwändiger.
  • Über das Mittelmeergebiet und entlang seiner Küsten kam tetrapoloider Nacktweizen nach Südwesteuropa. Wahrscheinlich über das Rhonetal erreichte dieser im 5. Jt. das nördliche Alpenvorland. Er ist klimatisch gut angepasst und dadurch äußerst widerstandsfähig. Zwar besaß er nicht die hohen Erträge heutiger Zuchtsorten, war dafür aber besonders ertragssicher.
  • In der Cortaillod-Kultur (4.200–3.800 v. Chr.) der Westschweiz und Ostfrankreichs, war Nacktweizen zusammen mit Gerste bereits die vorherrschende Getreideart. Seinen Höhepunkt erreichte der Nacktweizenanbau im nördlichen Alpenvorland in der Pfyner Kultur (3.700–3.600 v. Chr.) sowie in der Hornstaader Kulturgruppe am Bodensee (3.915–3.904 v. Chr.), wo der Anteil des freidreschenden Weizens bis zu 70 % des Getreideaufkommens ausmachte (S. 214).

Schlichtherle schreibt (1997, S. 13), dass die Ausbreitung einer Kulturpflanze die These einer Ausbreitung aus einer mediterranen Wurzel stützen vermag. Es begann sich nämlich der Anbau von Nacktweizen durchzusetzen. Das Getreide muss vom Rhonetal ins Schweizer Mittelland gekommen sein, von wo sich sein Anbau sukzessive zum Bodensee fortsetzte. Die ältesten Funde von Nacktweizen in Europa stammen aus dem westmediterranen Raum, dem Siedlungsbereich der Cardial- oder Impressokultur.

Wiethold u. Wähnert (2008): Die botanischen Makroreste. In: Trebsche, P.: → Die Höhensiedlung „Burgwiese“ in Ansfelden (OÖ). Bd 2.

  • S. 318: „Bei den Nacktweizenfunden aus den jungneolithischen Seeufersiedlungen handelt es sich überwiegend um tetraploiden Nacktweizen.“

Leider fehlen nach wie vor Untersuchungen der Nacktweizen-Arten aus den Ackerbau-Stationen am Attersee und jener von Scharfling: weder Mooswinkel noch See/Mondsee oder Misling waren Stationen mit viel Ackerbau.

Tatsächlich weisen die aktuellen Forschungen zu Mooswinkel (2023) neben anderen Weizenarten auch Nacktweizen aus: Triticum aestivum/durum/turgidum.

Anm.: Nach → Heiss 2023, et al. (S. 20) et al. existieren im Fundmaterial Mooswinkel 38 Ährenreste (rachis fragment) des Nacktweizens Triticum aestivum/durum/turgidum, sodass eine tiefergehende Bestimmung (tetra- oder hexaploider freidreschender Weizen) möglich sein sollte.

Link zu → Literatur zu Pflanzen der Schweizer und Mondsee-/Attersee-Pfahlbauern

Die Herkunft der Haustiere als Indiz für die Herkunft unserer Pfahlbauern

Jagd- und Haustiere

Schmitzberger 2009, Manfred: → Haus- und Jagdtiere im Neolithikum des österreichischen Donauraumes. Dissertation Univ. Wien 2009, 189 Seiten. (auch Pfahlbauten; Detaildaten je Station im Anhang)

Hafner 2003, A.; Suter, P.: → Das Neolithikum in der Schweiz. Journal of Neolithic Archaeology, 2003. Creative Commons Attribution License. (Rinder aus Frankreich; S. 27: Anteile der Rinder in Schweizer Stationen)

Die Abstammung und Herkunft der Rinder

Insgesamt sprechen paläogenetische, archäologische und archäozoologische Daten für das folgende Szenario: Taurin-Rinder wurden in einer Region zwischen Südostanatolien und dem Zagros-Gebirge, Syrien und dem Libanon domestiziert. Der Domestizierungsprozess begann Mitte des 9. Jahrtausends v. Chr. mit einer geringen effektiven Anzahl wilder weiblicher Auerochsen. Nach 7.000 v. Chr. wurden die Hausrinderpopulationen von der zentralanatolischen Hochebene nach Westanatolien und in die Ägäis transportiert. Die ersten neolithischen Rinder wurden um 6.400 v. Chr. über folgende Routen nach Europa eingeführt:

  • Über die Mittelmeerroute erreichten die wandernden Bauern rasch u. a. Süditalien, Südfrankreich und die Iberische Halbinsel per Schiff. Die geringe genetische Vielfalt deutet auf eine geringe Populationsgröße der Rinder hin, die im westlichen Mittelmeerraum ankamen.
  • Auf dem zweiten Weg über das europäische Festland erreichten die Rinder schließlich Mittel-, West- (nach 5.500 v. Chr.) und Nordeuropa (nach 4.100 v. Chr.). Auch hier ging ein Großteil der genetischen Vielfalt während der Wanderung verloren.

Lit.: Scheu 2015, Amelie et al.: → The genetic prehistory of domesticated cattle from their origin to the spread across Europe. BMC Genetics 2015.

Viehzucht und Rinder in der Schweiz

Im Historischen Lexikon der Schweiz wird zur Herkunft des Hausrindes geschrieben, dass die ersten in den jungsteinzeitlichen Siedlungen von Sitten (östlich des Genfer Sees; um 5000 v.Chr.) nachgewiesen werden und weitere Funde aus den Ufersiedlungen des Mittellandes um 4.300 v.Chr. gefunden wurden. Die Menschen versuchten, die Rinderhaltung zu intensivieren, wofür waldfreie Flächen für Wiesen erforderlich waren. Die durchschnittliche Widerristhöhe betrug ca. 110 cm. Demgegenüber lag die Auerochs-Widerristhöhe bei 132 cm (kleine ♀) bis 189 cm (großer ♂).

"Die früheste Beeinflussung der Schweiz durch neolithische Wirtschaftsformen erfolgte aus dem Süden (Italien, ab der 1. Hälfte des 6. Jt.) und Südwesten (Frankreich, etwa ab 5.500 v.Chr.): Ab 5.500 setzt sich die Kenntnis der Viehzucht auch weiter nördlich im Rhonetal und dem französischen Jura fest und die Fundstätten enthalten Knochen von Haustieren, vor allem von Schafen und Ziegen, aber auch Hausrind und Hausschwein sind nachgewiesen." (Chaix 1993, 1987 in: → SPM II - Die Schweiz vom Paläolithikum bis zum Mittelalter, S. 97).

Hafner/Suter schreiben 2003 zum → Neolithikum der Schweiz: Vallon des Vaux südwestlich vom Neuenburgersee ist mit dem Proto-Cortaillod der älteste Fundkomplex (2. Hälfte 6. Jt.) bei den Jurafußseen und dem Genfersee der Westschweiz; diese Rinder kamen aus Ostfrankreich und breiteten sich ins Schweizer Mittelland aus.
Das westliche Schweizer Mittelland (Egolzwil 3; 4.350 v.Chr.) gleicht den zeitgleichen Komplexen der Westschweiz mehr als jenen vom Zürichsee (Kleiner Hafner bei Zürich; 4.250 v.Chr.), die eher Affinitäten zur Ostschweiz/Bodensee haben.
Das Gebiet Ostschweiz/Bodensee beherbergte die Pfyner Kultur (4.250 - 3.500); die älteste Bodenseestation Hornstaad-Hörnle IA in Schwaben datiert um 3.900 v.Chr.

Schiebler 2007, Jörg: → Hausrinder in der Schweizer Jungsteinzeit. Archiv für Tierheilkunde 2007:23–29.
„Ab dem 40. Jahrhundert v. Chr. steigen die Anteile der Rinderknochen unter den Haustierknochen in der Ostschweiz auf 60–80 % und in der Westschweiz auf 40–60%. Die Rinder waren also die häufigsten Haustiere und lieferten auch die größte Fleischmenge. Da auch die Funddichten (Anzahl Knochen pro m²) ansteigen, sind größere Herdengrössen anzunejmen. Um die Mitte des 4. Jt. v.Chr. gibt es Veränderungen an den Fussskelettteilen, welche auf die Nutzung als Arbeitstiere hinweisen. In Arbon Bleiche 3 (3384–3370 v.Chr.) gelang der chemische Nachweis von Milchfett an Topfkrusten. Ab 2.750 v.Chr. steigen die Funddichten der Rinderknochen weiter deutlich an.“

Wettstein 1924, Ernst: → Tierreste aus dem Pfahlbau am Alpenquai in Zürich. Vierteljahrsschrift Naturforschende Ges. Zürich 1924, 50 S.

  • S. 102–113: Das Rind; S. 113: Ermittlung der Widerristhöhe der Rinder aus Unterkieferlänge: 103 bis 136 cm; aus Länge von Speiche, Mittelhand und Handwurzel: 110 bis 130 cm.

Wright 2021, Elizabeth: → Investigating cattle husbandry in the Swiss Neolithic. Archaeological and Anthropological Sciences (2021) 13: 36.

  • Diese umfassende Arbeit behandelt die Proportionen und Größen der Rinder des Neolithikums (4.300-3.500 v.Chr.) in der gesamten Schweiz und kommt zum Schluss (S. 18), dass die Proportionen und die Körpergröße der Hausrinder während der gesamten Cortaillod- und Pfyn-Kultur in der Ost- und etwas mehr in der Westschweiz recht klein waren. Für solche relativ kleinen Körpergrößen und -formen gibt es eine Reihe möglicher Erklärungen. Die eine wäre die bewusste Auslese kleiner, aber robuster Rinder durch den Menschen für einen bestimmten Zweck. Eine weitere Hypothese besagt, dass die Verringerung der Körpergröße das Ergebnis von Inzucht sein könnte, bei dem der Genpool der Rinder aufgrund eines Mangels an neuen Tieren von außerhalb sehr klein wurde. Die Autorin bringt auf S. 7 für die einzelnen Zeitabschnitte und Regionen auch die Anteile von Rindern, Schweinen und Ziegen/Schafen. Größere Anteile von Rindern gibt es erst ab etwa 4.000 v.Chr.; in der Ostschweiz auch schon davor.

Markert zur → Schweizer Viehwirtschaft mit den Schlachtungszeitpunkten von Rindern, Ziegen, Schweinen; Auerochen und Hirschen in Arbon Bleiche und Steckborn-Schanz

Archäozoologische Einordnung der Rinder vom Mondsee/Attersee

Frank 2010, Caroline Kapitel 2.5 Viehzucht der Mondseekultur


Pucher 1997, Erich und Engl, Kurt: Studien zur Pfahlbauforschung in Österreich. Materialien I - Die Pfahlbaustationen des Mondsees: Tierknochenfunde. Mitt. d. Prähistor. Komm. Bd. 33. Öst. AdW 1997. 151 Seiten. OFFEN

Erich Pucher und Kurt Engl vermuteten bereits 1997, dass während des Neolithikums zwei verschiedene, dauerhaft isolierte Nutztierpopulationen in den Alpen existierten, die jeweils eine völlig unterschiedliche Geschichte und Herkunft hatten.

Pucher & Engl (1997) stellten auch fest, dass die Rinderknochen aus Mondsee gegenüber dem Donauraum von geringerer Größe und wesentlich graziler waren. Die Lage und Ausrichtung der Hornkerne zeigt mehr Ähnlichkeiten mit Rindern aus südlichen Regionen.


Rinder-Fußwurzelknochen aus verschiedenen Stationen:
Chamer Gruppe: Riekofen (Regensburg); Griesstetten (Oberpfalz) Altheimer Kultur: Ergolding (Landshut) Lasinja-Kultur: Keutschacher See Mondsee-Kultur: Mondsee-See, Pucher & Engl (1997) Frühneolithikum: Piancada (Friaul-Julisch Venetien) und Vasi a Bocca quadrata-Kultur: Razza di Campegine (Reggio Emilia) und Rocca di Rivoli (Turin).
Die Fußwurzelknochen von Auerochsen, Mondsee- vs. zeitgleiche Donauland-Rinder

Pucher 2003, Erich vergleicht die Rinder-Fußknochen der Stationen von Keutschach, Mondsee und anderen Stationen und schreibt: „Man kann zusammenfassen, dass die Rinder im Gebiet des Keutschacher Sees zwar nicht so groß waren, wie dies z. B. im Donauraum (Linienbandkeramik, Lengyel-Kultur, Baalberg-Kultur, Chamer-Gruppe, Jevišovice-Kultur usw.) der Fall war, aber doch ein wenig größer als jene vom Mondsee.
Die Grafik verdeutlicht die Größenverhältnisse an Hand der lateral gemessenen Rinder-Fußwurzelknochen. Die Messwerte der beiden Fundstücke vom Keutschacher See liegen am unteren Rand der beiden Chamer-Komplexe, doch knapp oberhalb des Mittelwertes der Mondsee-Population. Sie fallen aber ziemlich zentral in die Variationsreihen norditalienischer Serien, die etwas über dem Mondsee-Niveau liegen. Bemerkenswert ist die relativ niedrige Lage des Mittelwerts von Ergolding, einer Feuchtbodensiedlung der Altheimer Kultur, wozu der Autor (Neumann 1990, 20) aber selbst anmerkt, dass gerade kleinere Stücke überproportional vertreten sein dürften.“

Pucher 2010, Erich bringt auch einen eindrucksvollen bildlichen Nachweis der Größenverhältnisse der Fußwurzelknochen von Auerochse, Mondsee-Rindern und den zeitgleichen donauländischen Rindern, was sich auch in den ermittelten Widerristhöhen dieser Tiere mit Höhen von 180 cm, 115 cm und 130 cm deutlich widerspiegelt.

Dies ist umso interessanter, als die donauländischen Rinder bereits seit zwei Jahrtausenden in benachbarten Räumen lebten. Damit ist aber eine Abkunft der Rinder der Pfahlbauern von diesen recht unwahrscheinlich.

Bei Körpergrößen der Pfahlbauern von 160 cm bzw. 150 cm von Männern und Frauen ist es direkt einsichtig, dass diese Menschen lieber kleines Vieh als viel größeres wollten.

Link zu Weitere Literatur von Erich Pucher

Untersuchungen zu den Schafen der österreichischen Pfahlbauern

Schmölcke (2018), Groß, Nikulina: S. 106: Größe und Proportionen der Knochen zeigen, dass das am Mondsee gehaltene Vieh ausnahmslos kleiner und graziler war als seine gleichaltrigen Artgenossen im österreichischen Flachland. Die Größe der Schafe am Mondsee schwankte zwischen 57 und 69 cm (im Durchschnitt 62 cm) und diese Werte zeigen mehr Ähnlichkeiten mit Größenberechnungen von Pfahlbauten aus dem schweizerischen Westalpenraum als mit gleichzeitigen österreichischen Tieflandstandorten. Kurt Engl und Erich Pucher vermuteten bereits 1997, dass während des Neolithikums zwei verschiedene, dauerhaft isolierte Nutztierpopulationen in den Alpen existierten, die jeweils eine völlig unterschiedliche Geschichte und Herkunft hatten. Heute ist durch umfassende überregionale Vergleiche belegt, dass die Neolithisierung der Schweiz im Gegensatz zu Österreich nicht vom Balkan aus, sondern auf dem alternativen Weg entlang der mediterranen Küstenlinien und des Rhônetals erfolgte; dies zeigt sich auch in der antiken DNA von Schafresten. Im Gegensatz zu Österreich wurde also die gesamte Schweiz, einschließlich des Rhônetals, während des Neolithikums kontinuierlich von mediterranen Haltungstraditionen beeinflusst. Besonders deutlich wird diese Entwicklung an folgendem Beispiel: Zur gleichen Zeit, als Ostösterreichs Schafpopulationen zusammenbrachen, lebten im westlichen Teil der Alpen Hirtenvölker mit einer stark schafbasierten Wirtschaft.

Grömer (2018) & Saliari: S. 134: In der zweiten Hälfte des 4. Jahrtausends und der ersten Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr. lassen sich bemerkenswerte regionale Unterschiede erkennen. Die Tiere der Mondseekultur (3800-3200 v. Chr.) scheinen einen Sonderfall darzustellen. Die Analyse von Schaf- und Ziegenresten aus dem Fundort Mondsee weist auf wesentliche Unterschiede zu zeitgenössischen Schafknochen aus dem Donauraum hin.
Bei den untersuchten Schafresten aus Mondsee handelt es sich um kleinere Individuen (62 cm Widerristhöhe). Ihre Hornkerne kamen der Wildform sehr nahe, waren aber kleiner und wiesen mehr Ähnlichkeiten mit Tieren aus der Schweiz auf. Es wurde daher vorgeschlagen, dass diese Tiere entlang der Alpen nach Österreich gelangt sein könnten.
Pucher & Engl (1997) stellten fest, dass die Schafe und Ziegen der Mondseekultur einen hohen Grad an Einheitlichkeit aufwiesen, aber Unterschiede zu den im Vorland gefundenen Tieren zeigten.
Schaf-Funde der Badener Kultur aus der Slowakei und Ungarn zeigen bemerkenswerte Unterschiede. Die Analyse ergab, dass zw. 3500-2800 v. Chr. die Widerristhöhe um etwa 10 cm zunahm. Ähnliche Veränderungen wurden bis nach Norddeutschland festgestellt und mit der Ankunft neuer Schafpopulationen aus dem Nahen Osten und dem südöstlichen Mittelmeerraum in Verbindung gebracht. So wurde der Nachweis interpretiert, dass die ersten Wollschafe im späteren Neolithikum auftraten. Solche Größen-Veränderungen konnten jedoch für Österreich bisher nicht bestätigt werden (Schmitzberger 2009).

Literatur Annalen NHM 2018

Genetische Herkunft der Schafe in Europa und See/Mondsee

Statistik analysierter Schafzähne: Fundorte, Zeitperiode und Kultur, Datierung mit cal BC, Anzahl der aDNA-Proben, Aufteilung auf aDNA-Haplogruppen A und B
Graphische Darstellung (der korrigierten Abbildung): "Lokalitäten der aDNA der selbst analysierten alten Schafe (mit schwarzer Umrandung) und der lokale Anteil der Haplogruppen A (rot) und B (grün)". Korrigiert wurden hier die Kreisgrafiken von Mondsee (A=1 / B=12) Eilsleben (A=2 / B=9), Estonia (70-90 % B) und Brixlegg (A=1 / B=11). Die Ergebnisse der Studien von Geörg (2013, Balkan), Rannamäe (2016a, Estland; nun geändert) und Ferencakovic ((2013, Mufflon) wurden (ohne schwarze Umrandung) hinzugefügt. Die Größe der Kreisdiagrame ist proportional zur Anzahl der erfolgreich analysierten Zähne.

Histor. Lexikon der Schweiz: Schafe sind mit den Ziegen die ältesten wirtschaftlich genutzten Haustiere. Die Stammform des Hausschafs ist der südwestasiatische Mufflon. Die Domestikation erfolgte in den vorderasiatischen Bergregionen (Türkei, Irak, Syrien) im 9. Jt. v.Chr. In der Schweiz erscheinen die Hausschafe um 5000 v.Chr. in den jungsteinzeitlichen Siedlungen und in den ersten Seeufersiedlungen des Mittellands (bis 4100 v.Chr.), wo sie mit den Ziegen unter den Haustieren dominierten. Die jungsteinzeitlichen Schafe waren von grazilem Körperbau mit einem eher langgezogenen Schädel (durchschnittliche Widerristhöhe 63 cm).

[Die Stammform der Hausziege ist die Bezoarziege, welche heute noch in Gebirgsregionen Kleinasiens beheimatet ist; wurde um 8.000 v.Chr. domestiziert.]

Nikulina 2020, Elena und Ulrich SchmölckeThe first genetic evidence for the origin of central European sheep. bringen "erste Ergebnisse eines umfassenden Projekts zur Genetik der prähistorischen Schafbestände in Mitteleuropa. Es zeigt sich, dass Schafe während des Neolithikums auf zwei verschiedene Arten in Mitteleuropa eingeführt wurden und dass beide Bestände unterschiedliche genetische Strukturen aufwiesen. Eine östliche Population verbreitete sich von der Balkanhalbinsel über Ost-Österreich nach Norden und ergab eine Mischung aus einer dominanten Haplogruppe B mit einer stabilen Haplogruppe A. Eine andere Population erreichte Mitteleuropa über eine westliche Route über Italien und Frankreich und bestand aus Schafen mit der stark überwiegenden Haplogruppe B und geringer Haplogruppe A." (Abstract)

"falsche" Original-Grafik

Wie der Tabelle und der Grafik entnommen werden kann, sind die Schafe mit ausschließlich Haplogruppe B im Mittelmeerraum und Schleswig-Holstein - später auch in Frankreich - anzutreffen. Wie deutlich zu erkennen ist, gibt es gerade in Österreich im Neolithikum zwei unterschiedliche Schafherkünfte. Das Vorkommen von Ratzersdorf (östlich St. Pölten) ist das älteste in Österreich und weist recht hohe Anteile der Haplogruppe A auf. Demgegenüber sind die Anteile der Haplogruppe A bei den Schafen des Mondsees wesentlich geringer, was dagegen spricht, dass diese Schafe von donauländischen Schafen - die im Osten Österreichs schon seit über tausend Jahren vorkommen - abstammen.

Woher kamen nun die Schafe der Pfahlbauern vom Attersee und Mondsee?

Nikulina und Schmölcke schreiben dazu, dass es nicht auszuschließen ist, dass die Schafe dieser neolithischen Bauern nicht über die Balkanhalbinsel eingewandert sind, sondern sich zunächst entlang der Mittelmeerküste, später ins Rhonetal und schließlich ins westliche Mitteleuropa ausgebreitet haben, wo sich die Michelsberger Kultur entwickelte, deren Bevölkerung ausschließlich Schafe der Haplogruppe B besaß.

Diese Hypothese konnte von den beiden Autoren aber nicht endgültig verifiziert werden, da Proben von frühneolithischen Schafen aus Frankreich, der Schweiz oder dem Rheingebiet in deren Studie nicht integriert waren.

Sie meinen aber, dass es aber mehrere Argumente gibt, die dafürsprechen, dass diese Erklärung richtig ist: Erstens gehört das europäische Mufflon, der verwilderte Überlebende der neolithischen Schafe auf den Verbreitungswegen entlang der Mittelmeerküsten zur Haplogruppe B. Zweitens haben sie an der einzigen untersuchten südfranzösischen Fundstelle, der späteisenzeitlichen Siedlung Mirebeau-sur-Bèze in der Region Bourgogne-Franche-Comté, ausschließlich Schafe mit Haplogruppe B nachgewiesen. Drittens weisen in Nordwesteuropa (Großbritannien) alle traditionellen Schafrassen nur Haplogruppe B auf, während in Nordosteuropa die traditionellen Schafrassen ähnliche Häufigkeiten der Haplogruppe A und B aufweisen wie in (Ost-)Österreich tausend Jahre zuvor.

  • [Anm.: in der kleinen Abbildung wird die unrichtige, irreführende Darstellung aus obiger Veröffentlichung gebracht. Hinsichtlich der Korrektur vgl. die richtigen Daten in der obigen Tabelle.]

Verwendete Literatur zur Herkunft der Schafe

Die – überraschende – genetische Abstammung unserer Hausschweine

Archäologische Belege deuten darauf hin, dass die Domestizierung von Schweinen im Nahen Osten um ∼10 500 Jahren BP begonnen hat, und die mitochondriale DNA (mtDNA) deutet darauf hin, dass die Schweine zusammen mit den Bauern um ∼8 500 Jahren vor heute nach Europa kamen. Einige tausend Jahre nach der Einführung von Schweinen aus dem Nahen Osten in Europa verschwand jedoch ihre charakteristische nahöstliche mtDNA-Signatur immer mehr und wurde durch jene von europäischen Wildschweinen ersetzt. Dieser Wechsel ist auf einen beträchtlichen Genfluss von lokalen europäischen Wildschweinen zurückzuführen.

Die Analysen ergaben, dass europäische Hausschweine aus der Zeit von 7.100 bis 6.000 Jahren v.Chr. sowohl nahöstliche als auch europäische Kern-DNA-Vorfahren haben. Bis zum späten Neolithikum (3.000 v.Chr.) war der genomische Anteil der nahöstlichen Hausschweine in Europa auf unter 50 % gesunken, und der nahöstliche Anteil an den modernen europäischen Hausschweinen beträgt heute 0 bis 4 %. Das deutet darauf hin, dass der Genfluss von europäischen Wildschweinen zu einem fast vollständigen Verschwinden der nahöstlichen Vorfahren führte. Darüber hinaus zeigt sich, dass eine Variante an einem Gen-Ort, der für die schwarze Fellfarbe zuständig ist, aus dem Nahen Osten stammt und in europäischen Schweinen erhalten geblieben ist. Damit zeigt sich, dass Schweine zwar nicht unabhängig voneinander in Europa domestiziert wurden, dass sich aber der größte Teil der vom Menschen vermittelten Selektion in den letzten 5.000 Jahren auf die genomische Fraktion von europäischen Wildschweinen abstammt, und nicht auf die Fraktion, die von den frühen neolithischen Bauern in den ersten 2.500 Jahren des Domestikationsprozesses selektiert wurde. Neben dem nahöstlichen Fellfarbe-Gen blieb auch jenes für geringere Größe erhalten.

Verschmelzungs-Simulationen zeigen, dass eine genomische Ersetzung dieses Ausmaßes als Ergebnis der Aufmischung einer lokalen Population in eine eindringende Population dann zu erwarten ist, wenn die eindringende Population relativ klein ist und keine starken Barrieren für die Kreuzung bestehen.

[Vgl. hierzu auch die geringe Vermischung der anatolischen Bauern mit den mesolithischen Jägern/Sammlern; demgegenüber aber die enorme Geschwindigkeit und Intensität der Vermischung der Schnurkeramiker mit den Neolithikern ab 2.700 v.Chr.]

Das Ausmaß, in dem der nahöstliche Anteil der frühesten Hausschweine in Europa aus dem Genom des modernen europäischen Schweins getilgt wurde, ist beispiellos. Obwohl Verschmelzung auch zwischen lokalen Wildpopulationen und örtlich versetzten Haustieren [z. B. Rinder, Pferde, Hunde, Hühner, Ziege] und Pflanzenarten [z. B. Weintraube, Äpfel, Mais] nachweislich häufig vorkommt, sind Schweine die einzige Spezies, deren Genom so stark verändert wurde, dass ihre ursprüngliche Abstammung in modernen Populationen kaum noch nachweisbar ist. Dies deutet darauf hin, dass Schweine ein deutlich geringeres Maß an reproduktiver Isolation von ihren wilden europäischen Artgenossen erfahren haben als andere sich ausbreitende Haustiere, die in den Regionen, in die sie eingeführt wurden, auf eng verwandte Wildarten trafen [z. B. Rinder, Hunde].

Erläuterungen zu den Abbildungen: (A) Karte mit der Verteilung der ostasiatischen (blau), nahöstlichen( gelb), europäischen (rot) und Y2-Haplogruppen (violett) bei Wildschweinen. Die schwarzen Punkte stellen die Standorte von 696 modernen und alten Wildschweine dar. Karte B: Das große Kreisdiagramm rechts oben zeigt die Gesamthäufigkeit dieser Haplogruppen bei Hausschweinen, kleine Tortendiagramme zeigen die Häufigkeiten an verschiedenen archäologischen Orten zwischen 8.000 und 5.100 Jahren vor heute und in Karte C zw. 5.100 und 180 Jahren vor heute [[vor der industrieller Revolution und vor der Einführung asiatischer Schweine in Europa]. Karte D zeigt die Verteilung bei heutigen, modernen Hausschweinen.

Literatur zur Schweine-Genetik

Zielführende Forschungen zur Herkunft (der Tiere) unserer Pfahlbauern

Es ist heute einfach und kostengünstig möglich, antike DNA (aDNA) von Knochen z.B. der Schafe, Rinder und Schweine aus See/Mondsee mit solchen aus Cortaillod-Kulturen der Schweiz und auch von Egolzwil, Kleiner Hafner/Zürich aber auch vom Bieler See zu analysieren und ihre genetische Verwandtschaft zu vergleichen.

Das "Salz des Lebens" für die Neolithiker

Die existentielle Bedeutung des Salzes für den Menschen erkennt man insbesondere daran, dass „salzig“ eine eigene Geschmacksrichtung darstellt. Jäger/Sammler aßen gebratenes Fleisch, sodass das Salz im Fleisch beim Kochen nicht verloren ging. In pflanzlicher Nahrung ist kein Salz enthalten. Infolgedessen waren unsere Pfahlbauern zunehmend auf Kochsalz angewiesen, als sie immer mehr von der Jagd auf den Anbau von Kulturpflanzen übergingen.

Der Salzbedarf des Menschen beträgt zumindest 3 - 5 (WHO) Gramm pro Tag, wenn man schwitzt mehr.

Unzulänglicher Salzgehalt in neolithischen Nahrungsmitteln:

  • Getreide hat 0,02 g je 100 g; Erbsen haben 0,015 g Salz je 100 g, Äpfel 0,003 g je 100 g; Kirschen 0,01 g je 100 g.
  • Blut enthält rd. 1 g Salz je 100 ml. Der Salzgehalt beträgt bei Hirsch und Wildschwein 0,2 g je 100 g; bei Schaf, Ziege und Rind 0,18 g je 100 g, bei Reh 0,12 g Salz je 100 g Fleisch; rohe Milch enthält 0,12 g Salz je 100 ml; Fisch 0,16 g je 100 g; Hase, Fasan und Ente 0,1 g je 100 g.

Fansa 2006, Mamoun: → Wie baute man ein Haus vor 6.000 Jahren? In: Monumente Online; Landesmuseum Oldenburg. (Archäolog. Experiment der Salzgewinnung mit Briquettes)


Physische Symptome eines Natriummangels

Symptome eines Natriummangels sind: Unwohlsein, Kopf- und Muskelschmerzen, Erbrechen, Benommenheit und Verwirrtheit, Schwindel, Krämpfe.

Wikipedia: Bei chronischem Natriummangel führen Störungen von Gang und Aufmerksamkeit zu einem häufigeren Auftreten von Stürzen. Zudem kommt es unter Natriummangel zu einer verminderten Mineralisierung des Knochens und zu einer erhöhten Aktivität der Osteoklasten, Zellen, die Knochensubstanz abbauen. Die Folge ist eine Neigung zu Osteoporose und in Verbindung mit häufigeren Sturzereignissen ein vermehrtes Auftreten von Knochenbrüchen

Salzversorgung der Schweizer Neolithiker

Historisches Lexikon Schweiz: Neolithikum der Schweiz.: Ein wichtiger Rohstoff war Salz, das sich aber nicht nachweisen lässt. Die nächstgelegenen Salzquellen, die schon neolithisch genutzt wurden, befinden sich im französischen Jura, mit in der Tethys entstandenen bedeutenden Steinsalzlagern.

Salzversorgung der Mondseer/Atterseer Neolithiker

In Pfandl nahe Bad Ischl gab es die nächste Salzquelle für unsere Pfahlbauern.

Literatur zur Salzversorgung der Neolithiker

Barta Claus: → Salzabbau in Europa (6.000 v.Chr.–500 n.Chr.); → Startseite

  • Anzeichen für die Nassgewinnung (Nutzung von mit Wasser ausgelaugten Salzschichten) und die damit verbundene Salzsiedetechnik findet man ab dem 6. Jt. v. Chr. in Mittel- und Osteuropa.
  • Das Restwasser wurde in tönernen Gefäßen („Briquetage“-Technik: Brique = franz. Ziegel) durch Holzbefeuerung entfernt. Es gab auch Briquetage in Kelchform, die auf Tonröhren im Feuer standen. Ein Nachbau des Landesmuseums Natur und Mensch in Oldenburg erbrachte bei einer Temperatur von etwas mehr als 100 Grad Celsius und einer Siedezeit von zehn bis zwölf Stunden eine Ausbeute von 325 Gramm festem Salzkuchen pro Tiegel.

Steingeräte und Steine-Know-how der Pfahlbauern vom Mondsee

Antl-Weiser 2006, Walpurga: Silexplatten als Grundform für Geräte in der Station See/Mondsee. Arch. Austr. 2006:96-103.
Eine monographische Aufarbeitung des Silexmaterials von See/Mondsee stand 2006 kurz vor dem Abschluss; es blieb aber bei dem hier besprochenen überblicksmäßigen Vorbericht, wohl wegen ihrer intensiven Befassung mit der „Venus von Willendorf“.

Die Silexgeräte der Station See/Mondsee sind aus Fragmenten von dünnen Silexplatten hergestellt. Antl-Weiser vermutet als Herkunft Baiersdorf in Bayern, sie können aber auch mit Abensberg verglichen werden. Sie untersuchte aus Plattensilex: 38 Pfeilspitzen, 16 Sichelmesser, 47 Messer und 23 kleinere Werkstücke.


Alexander Binsteiner war Lehrbeauftragter für „Europäische Silexlagerstätten“ an den Universitäten Innsbruck und Wien. Er wurde vor allem wegen gewagter Hypothesen zum "Mondsee-Tsunami" aber auch den Besuch von "Ötzi" am Mondsee bekannt.

  • Binsteiner 2006, Alexander: Das Silexinventar der Pfahlbausiedlung See/Mondsee. Linzer Archäolog. Forschungen Sonderheft 35, Linz 2006:23-40.
    • Binsteiner untersuchte 1182 Silexgeräte: 534 Pfeilspitzen, 228 Kratzer, 151 Klingen, 48 Sicheln, 7 Bohrer, 4 Schaber, 2 Schlagsteine und 1 Feuerstein.
      1142 Stück der Silexartefakte haben eine alpine Herkunft und nur 40 Stück sind Import: 28 Stück aus Baiersdorf-Plattenhornstein (Bayern, 320 km): 16 Sicheln; 8 Pfeilspitzen, 1 Messer, Bohrer sowie 8 Stück aus dem (ebenfalls bairischen) Arnhofen-Hornstein (davon 5 Messer); und 4 Stück aus Feuerstein vom Mt. Lessini (nahe Gardasee): 2 Klingen, 1 Schlagstein, 1 Feuerstein.
      Der weit überwiegende Anteil aller Silex-Artefakt-Typen stammt aus alpinen Gesteinen mit Ausnahme von jeder dritten Sichel (16 Importe zu 32 heimischen), 15 % der Bohrer (1 zu 6), 6 % der Klingen (9 zu 142), 2 % der Pfeilspitzen (9 zu 525).
      Pfeilspitzen wurden hergestellt aus Hornstein 292, Radiolarit 133, Spiculit 26, Plattenhornstein 11, Radiolarienhornstein 9, Spongiolit 2.
      Klingen, Messer wurden hergestellt aus Hornstein 76, Radiolarit 47, Spiculit 12, Plattenhornstein 2, Spongiolith 1.
      Sicheln wurden hergestellt aus Plattenhornstein 30, Hornstein 5, Spiculit 13.

Reiter 2011, Violetta: → Die Steinbeile vom Mondsee/Station See aus der Sammlung Matthäus Much. Diplomarbeit Univ. Wien 2011. Achtung: 339 MB; enthält auf S. 148 ff. auch Angaben zu → Materialien; mögliche Herkünfte entsprechend M. Götzinger (2008)

  • Bestimmung durch M. Götzinger 2008: Von den untersuchten 463 Mondseebeilen sind 64 % Metamorphite, 21 % Vulkanite (wahrscheinlich aus Böhmischer Masse), 10 % Plutonite und 5 % Sedimentgestein (wsl. von der Salzach). Bei den Metamorphiten ist Serpentinit mit 175 von 300 Stück am häufigsten, hat zumeist eine hell- bis dunkelgrüne Farbe und könnte vom Enns-Gebiet stammen.

Götzinger 2008, Michael: Die Steinrohstoffe der Mondseebeile in Slg. d. Inst. f. Ur- und Frühgesch. Univ. Wien, Archäologie Österreichs 19/2, 2008:39–42.

Götzinger 2006, Michael: Zur Rohstoffverteilung und -verfügbarkeit in der westlichen Lengyel-Kultur. Arch. Österreichs 17/2 2006:82–88.

Reiter 2013, Violetta: Ressourcenmanagement im Pfahlbau. Technologie und Rohmaterial der Steinbeilklingen vom Mondsee, Mitt.PK, Wien 2013.

Holzgeräte aus der Station Zürich-Seefeld

Steiner-Osimitz 2002, Stefanie (Lizenziatsarbeit 2002): → Die neolithischen Holzgeräte von Zürich-Seefeld/Kanalisationssanierung
Anm.: zum Betrachten "doppelseitige" Kopie beachten!

Die Autorin berichtet umfassend über die Vielfalt der Holzgeräte und geht vor allem auf die so wesentliche Auswahl der Holzarten für die jeweiligen Verwendungszwecke ein.

  • Werkzeuge: Beile (Stangenholm mit Flügel-, Kolben- oder Keulenkopf, Hammeräxte, Kugelknieholme, Knieholme mit Zapfen),
    Schlägel, Keile, Handschutz, gestielte Blätter (Schaufel/Spaten/Paddel)
  • Ackergeräte: Hacken, Furchenstöcke
  • Jagdgeräte und Waffen: Bogen und Pfeile, Wurfholz, Netzschwimmer
  • Haushaltsgeräte: Messer, Gefäße (Schalen, Schüsseln, Schöpfer, Platten, Schalen, Rindenschachtel);
    Mörser; Löffel; Quirl; Back- oder Worfelschaufel; Spiralwulstgeflecht; Holzdolch; Spatel; Spitzen
  • Transportmittel und Steigbäume: Räder samt Radachse; Einbaum, Paddel und „Spielzeugeinbaum“; Steigbäume
  • Diverse Geräte: Stäbe; „Knebel“

Ab Seite 125 zeigt die Autorin auf 39 Tafeln illustrative Beispiele zu den einzelnen Fundgruppen.

Eine kurze Wellenkunde (mit Wirkungen auf Pfahlbau-Überreste)

Aus den nachfolgenden Darstellungen findet man als überraschendes Ergebnis, dass das wirkliche Pfahlbau-Problem in der raschen Überdeckung der Überreste mit tiefem Wasser besteht:

Lahnungsreste: Holzpfosten u. Weideruten zum Schutz von Sutz-Lattrigen, Rütte, am Bielersee nach 5 Jahren
völlig fehlende Überreste unter "Pfahlbau"-Badesteg; am Grund gibt es sogar nur mehr sehr große Steine:
als Vergleichsmaßstab dienen Schlapfen auf dem Steg
  • Bei Pfahlbaustationen am trockenem Strand müssen alle Überreste in kurzer Zeit in tiefes Wasser (zumindest 3–4 m) gekommen sein, da wegen der Wellen-Erosion bei langsamem Wasseranstieg (Jahre) keine Überreste gefunden werden könnten. Das gilt insbesondere für leichte, gerade untergehende Gegenstände aus organischem Material, die schon bei leichtem Wellengang in geringer Wassertiefe abgeschwemmt würden.
  • Diese Gegebenheiten sind auch relevanten Pfahlbauforschern deutlich bewusst, wenn Albert Hafner und Peter Suter 2004 schreiben: „Die prähistorischen Siedlungsreste am Bielersee sind durch die stetige Erosion der Flachwasserzone massiv bedroht. Deshalb findet im Bereich der Gemeinde Sutz-Lattrigen seit 1988 ein Grossprojekt zu ihrer Dokumentation und Rettung statt.“
  • Bei im niedrigen Wasser auf Piloten stehenden Pfahlbauten werden durch die Wirkung von normalen und besonders Sturm-Wellen im flachen Wasser unter den Gebäuden alle vergleichsweise leichten Gegenstände, die ins Wasser fallen – auch wenn gerade untergehend – laufend seewärts abtransportiert. Sturmwellen setzen unter solchen Bauten auch spezifisch schwerere Gegenstände in Bewegung und transportieren sie ab.
  • Bei Untiefen mit Siedlungen auf trockenen Grund und langsamem Wasseranstieg (Jahre) würde die erodierende Kraft von Starkwindwellen (4–6 Bft) und Stürmen wohl nichts übrig lassen (Wellenbrecher-Wirkung). Die Überreste auf Untiefen müssen in kurzer Zeit in tiefes Wasser gelangt sein. Winterstürme sind recht häufig (vgl. Kap. weiter unten), und wenn sie parallel zur Längs-Ausrichtung des Sees laufen, produzieren sie sehr lange und sehr hohe Wellen. Die grundnahe Wasserteilchen-Geschwindigkeit nimmt proportional zur Wellenhöhe zu und zieht – sogar quadratisch mit der Wellenhöhe ansteigend – immer größere und schwerere Gegenstände seewärts ab.
  • Falls beim Verlassen eines Pfahlbausees der Seeabfluss – aus welchen Beweggründen auch immer – bewusst durch Verlegung des Abflusses bis auf eine bestimmte Höhe unterbunden wurde, dauerte ein Aufstau um z.B. 4–5 Meter am Zürichsee rund 50 Tage, am Bodensee 125 Tage, am Mondsee 90 Tage und am Attersee 150 Tage; wahrscheinlich aber etwas länger, falls der Abzug der Siedler erst im Herbst nach der Ernte erfolgte.
  • Bei Kliffen – durch Brandungswellen entstanden – könnten unter dem seewärts abtransportierten Abraum-Material Überreste bisher nicht entdeckter Pfahlbaustationen „verschüttet“ und damit besonders geschützt sein, die mit Sondier-Bohrungen einfach auffindbar wären.

Verwendete Literatur

  • Coastal Engineering Research Center (CERC 1984): → Shore Protection Manual, Volume I. Department of the US Army 1984. Distribution Unlimited. (DIE STANDARD-Wellentheorie: Chapter 2 (S. 2-1 bis 2-30: Lineare Wellentheorie): Wellengeschwindigkeit, -länge und -periode; Sinuswellen; Fluidgeschwindigkeit und -beschleunigung; Wellenenergie und -kraft (mit Formeln und vielen Rechenbeispielen.)
Graph zur Ermittlung der maximalen Wassertiefe mit Sandbewegung (Hallermeier)
  • Coastal Engineering Research Center (CERC 1984): → Shore Protection Manual, Volume II (Strukturen; Strukturplanung: physikal. Faktoren; Techn. Analysen und Fallstudien; Tabellen und Tafeln)
  • Hallermeier 1981, Robert: → Critical wave conditions for sand motion initiation. 8 Theorie-Seiten. US Army Corps of Engineers (CERC 1981). Approved for Publication. (Schwell-Geschwindigkeit für Sandbewegungen; kritische Wellenbedingungen; Berücksichtigung anderer physikalischer Faktoren.)
    → S. 10: sinh-Funktionsgraph (vgl. Abb.) zur Ermittlung der maximalen Wassertiefe dmax, in der immer noch Sandbewegung ausgelöst wird.
  • Brown 2005, E. et al.: → Waves, Tides and Shallow-Water Processes. 2nd edition. Butterworth-Heinemann, Oxford, 227 pp; prepared by an Open University Oceanography Course Team. (Ausgezeichnete Darstellung!)
  • Hofmann 2019, Hilmar; Ostendorp, Wolfgang (Hrsg.): → Seeufer: Wellen – Erosion – Schutz – Renaturierung. 155 S., Konstanz 2019. (Kapitel 6: Messung und Modellierung von Wellen, Strömungen und Sedimenttransport in der Flachwasserzone von Seen S. 45-64; Kapitel 10: Archäologische Denkmalpflege in der Uferzone des Bodensees S. 117-126.)

Bewegung der Wasserteilchen in Tiefwasser- und Flachwasser-Wellen

Tiefwasserwellen

Bewegung der Wassertteilchen in einer Tiefwasserwelle

Tiefwasserwellen unterscheiden sich deutlich von Flachwasserwellen. Hier interessieren uns die ersteren vor allem aufgrund Ihres Entstehens, der von ihnen aufgenommenen Windenergie und die Mechanismen ihrer Fortbewegung.

Die Höhe von Wellen hängt ab von der einwirkenden Windkraft und der Länge, über die der Wind auf die Wellen einwirken konnte ("Fetch").

Wie der nebenstehenden Grafik zu entnehmen ist, bewegen sich die einzelnen Wasserteilchen kreisförmig und absolut nur recht langsam in Richtung der Wellenbewegung.

Mit der hier verlinkten → GIF-Animation von Tiefwasser-Wellen wird die Bewegung der Wasserteilchen über drei Wellenperioden veranschaulicht:

  • beginnend mit einem Teilchen am Wellenberg und
  • beginnend mit einem Teilchen knapp nach dem Wellental;
  • wie der Grafik zu entnehmen ist, bleiben die einzelnen Wasserteilchen etwa an der gleichen Stelle: weitergegeben wird nur die Bewegung der Welle in Wellenrichtung.

Wie der Abbildung und der Animation ebenfalls zu entnehmen ist, nimmt die (rotierende) Bewegung der Wasserteilchen mit zunehmender Wassertiefe rasch ab.

Geschwindigkeit der Wasserteilchen an einzelnen Stellen der Welle
  • Die Wasserteilchen haben am Wellengipfel die gleiche Geschwindigkeit wie die Wellenfortbewegung.
  • Daraufhin bewegen sie sich nach unten, um ein Wellental zu bilden;
  • dort bewegen sie sich mit der absolut gleichen Geschwindigkeit wie die Wellengeschwindigkeit – aber entgegengesetzt zur Wellenfortbewegung!
    [Anm.: Diese gegenläufige Bewegung der Wasserteilchen im Wellental wird für uns bei Annäherung einer Welle an eine Untiefe (vgl. hier z.B. "Kleiner Hafner" aber auch die sogenannten "Hügeli" am Bodensee) oder in flacheres Wasser von besonderem Interesse.]
  • In der Folge dreht sich die Bewegung der Wasserteilchen nach oben, um erneut einen Wellenberg zu erzeugen.

Übergang von Tiefwasserwellen zu Untiefen-Wellen

Wellenverhalten in der Brecher-Zone von Untiefen
Wellenenergie wird durch Untiefen "verbraucht" (Michael Streßer, Helmholtz-Zentrum Geesthacht)

Wenn sich Tiefwasserwellen einer Untiefe nähern, wird die Wassertiefe rasch geringer. Dadurch verändert sich die Dynamik innerhalb der Welle.

Wenn das Verhältnis von Wassertiefe d zu Wellenlänge L geringer als d/L < 1/2 wird, verändert sich die Wellendynamik in Richtung von Flachwasserwellen.

In der nebenstehenden Grafik sind die wesentlichen Gegebenheiten einer einlaufenden Welle beim Auftreffen auf Untiefen dargestellt.

Bereits bei der ersten Untiefe verändert sich das Zurück-Fließen der Unterströmung im Wellental, da diese Wasserteilchen zu spät aufsteigen, sodass sich erste Brecher bilden.

Bei der nächsten – seichteren – Untiefe verstärkt sich der Effekt, sodass sich vermehrt brechende Wellen ausbilden.

"Beim Brechen der Wellen wird die Energie, die in den Wellen steckt, freigesetzt und es werden starke Strömungen und Turbulenzen erzeugt (Michael Streßer). Dadurch werden Ablagerungen aufgewirbelt und umgelagert."

Falls eine solche Untiefe aus Sand oder Steinen (mit kleinem d50) besteht, werden diese in kurzer Zeit seewärts abtransportiert. Falls eine Wellenbrecher-Funktion dauerhaft bestehen soll, müssen Steine (mit sehr großem d50) verwendet werden.

Inwieweit die sogenannten "Hügeli" am Bodensee mit ihren Wellenbrecher-Wirkungen bei Weststürmen eine Funktion für die weitab im Südosten des Bodensees (z.B. Arbon Bleiche) situierten Pfahlbausiedlungen hatten, ist wohl nur vor Ort erforschbar.

Dass solche Überlegungen zu den "Hügeli" realitätsnahe sind, kann der Dissertation von Rolf Habel, TU Berlin (2001) → „Künstliche Riffe“ zur Wellendämpfung. entnommen werden.


erforderliche Wellenhöhe für eine Partikel-Mobilisierung in ... m Tiefe (vgl. Hallermeier, Robert: Seiten 9 und 10)

Solche Wellenbrecher-Effekte mit ihren "abscherenden Wirkungen" sind bei (u.U. langsam) ansteigenden Seespiegeln wohl auch bei den beiden heutigen Untiefen "Kleiner Hafner" und "Großer Hafner" bei Zürich aufgetreten.

Falls solche Gegebenheiten z.B. beim "Kleinen Hafner" über längere Dauer (entsprechend den Theorien zum Seespiegelanstieg nur in Jahrzehnten eintretenden Klimaänderungen) angehalten hätten, wäre wohl von den Kulturschichten und kulturellen Hinterlassenschaften äußerst wenig oder nichts übrig geblieben.

Dass das nicht eintrat, hängt unter anderem mit der vergleichsweise nur geringen Tiefenwirkung von Wellen zusammen, wie der nebenstehenden Grafik zu entnehmen ist – die für vergleichsweise schwere Partikel mit Rohdichten von 2,2 kg/dm3 gilt. Um in einer bestimmten Wassertiefe solche Partikel zu mobilisieren (und damit seewärts abzutransportieren) sind größere Wellen - in einer Wassertiefe von 4 m Wellenhöhen von über 1 m - erforderlich.

Der Umweltphysiker Hofmann vom Limnologischen Institut der Universität Konstanz spricht in diesem Zusammenhang davon, dass "selbst bei Windwellenhöhen von 1 m, die während eines Starkwindereignisses (4–8 Bft) auftreten können, die Wassertiefe, bis zu der Partikel remobilisiert werden können, nur ~3 m (beträgt)."

Dieser physikalische Zusammenhang ist auch ein wesentliches Argument dafür, dass Pfahlbaureste, die mit Ausnahme von Steinwerkzeugen zumeist ein nur geringes spezifisches Gewicht haben, nicht langsam, sondern sehr rasch in größere Tiefe (zumindest 3 - 4 m) kommen müssen, damit wir überhaupt noch etwas von ihnen vorfinden können.

Flachwasserwellen

Bewegung der Wassertteilchen in einer Flachwasserwelle
Vergleich seegrundnahe Flachwasser- zu Tiefwasserwelle

Tiefwasserwellen haben keine Auswirkungen auf tiefen Seegrund. Bei Annäherung von Tiefwasserwellen an flaches Wasser verändern sich aber die Strömungsverhältnisse deutlich. Falls das Verhältnis von Wassertiefe d zu Wellenlänge L geringer als 1/20 wird, kommt die abbremsende Wirkung auf das im Wellental rückströmende Wassers zur Geltung.

Wiederum wird mit der hier verlinkten GIF-Animation von Flachwasser-Wellen die Bewegung der Wasserteilchen über drei Wellenperioden veranschaulicht:

  • beginnend mit einem Teilchen am Wellenberg und
  • beginnend mit einem Teilchen im Wellental.

Das im Wellental rückströmende Wasser kommt mit dem Seegrund in Reibung, wodurch es abgebremst wird, aber auch Schub auf den Seegrund entgegen der Wellenrichtung ausübt. Damit kommt diese Wassermenge aber für die neue Wellenbildung zu spät, während sich die Teilchen am Wellenberg weiterhin mit gleicher Geschwindigkeit wie die Welle in Wellenrichtung bewegen: dadurch werden die Wellen kürzer und steiler und beginnen in der Folge zu brechen.

Die Wasserteilchen können nun keine kreisförmige Bewegung mehr ausführen, vielmehr wird diese in eine elliptische Bewegung verformt – die am Seegrund sogar noch stärker „eingedellt“ wird.

Die Wellen "ziehen" aufgrund der "rollenden" Bewegung der Wasserteilchen in der Welle – oben in der, unten aber gegen die Wellenbewegung – bei Annäherung an das flache Ufer Material vom Seegrund entgegen der Wellenrichtung in Richtung See.

Wellen-Physik und Formeln im Flachwasser

Welleneigenschaften.png

In der nebenstehenden Grafik sind die wesentlichen Welleneigenschaften einer konkreten Messung (nach Hofmann 2019, Hilmar) dargestellt. Dabei bedeuten:

  • Hmax … maximale Wellenhöhe (zw. Wellenberg und Wellental) in [m]
  • Ts … signifikante Wellenperiodendauer in [s]
  • WL … Wellenlänge zw. zwei Wellenbergen in [m]
  • umax … maximale grundnahe Strömungsgeschwindigkeit (hier in 1 m tiefem Wasser) in [m/s]
  • BSS … Bodenschubspannung in [N/m2]
  • d50 … mobilisierbare Korngröße in [mm]
  • EF … Wellenenergiefluss in [W/m2]

Man erkennt, dass die maximale welleninduzierte grundnahe Strömungsgeschwindigkeit direkt mit der maximalen Wellenhöhe korreliert. Mit der Strömungsgeschwindigkeit ist klarerweise die Bodenschubspannung direkt verbunden. Deren Kraft muss eine bestimmte Höhe erreichen, um Partikel bestimmter Korngrößen mobilisieren zu können.

Bei Starkwindereignissen erreichen Wellen Höhen von 0,5–1,2 (2) m, Periodendauern von 2–2,5 (3) s und Längen von 6–12 (15) m. Damit verbunden sind grundnahe (in 1 m Wassertiefe) Strömungsgeschwindigkeiten von 0,5–1,5 (2) m/s und Bodenschubspannungen von 10–50 (80) N/m2; diese können Partikel von 1–10 (15) mm mobilisieren. Der Wellenenergiefluss erreicht 100–500 (800) W/m2.

Maximale grundnahe Wasserteilchen-Geschwindigkeit im Flachwasser

Grundnahe Teilchengeschwindigkeit.png
Wellendaten Kleiner Hafner mit Hmax = 2 . Hsig lt. "Guide"

Die maximale grundnahe Wasserteilchen-Geschwindigkeit in [m/s] errechnet sich unter Verwendung der nebenstehenden Formel von Brown (2005): → Waves, Tides and Shallow-Water Processes, wobei

  • umax = maximale grundnahe Geschwindigkeit der Wasserteilchen in [m/s]
  • π = Kreiszahl Pi = 3,1415926
  • H = Wellenhöhe (zw. Wellenberg und Wellental) in [m]
  • T = Wellenperiodendauer (Dauer zwischen zwei Wellenbergen) in [s]
  • sinh = sinus hyperbolicus
  • h = Wassertiefe in [m]
  • λ = Wellenlänge zwischen zwei Wellenbergen in [m]

(Der Sinus hyperbolicus im Nenner wirkt sich wie folgt aus: Nimmt man die grundnahe Teilchengeschwindigkeit umax bei einer Tiefe h = 1 m als Basis, so reduziert sich diese bei 2 m auf 1/3, bei 3 m auf 10 %, bei 4 m auf 3 % und bei 5 m auf 1,3 %.)

Notwendige Geschwindigkeit zur Teilchen-Mobilisierung am Flachwassergrund

Mobilisierungsgeschwindigkeit.png

Die notwendige Geschwindigkeit in [m/s] zur Mobilisierung von Teilchen am Flachwassergrund wird unter Verwendung der Formel des US Army Corps of Engineers (1984): → Shore Protection Manual aus den folgenden Parametern bestimmt:

  • umax, res = notwendige Geschwindigkeit der Wasserpartikel für Mobilisierung von Partikeln am Flachwassergrund in [m/s]
  • ρs (ros) = spezifisches Gewicht der Partikel am Flachwassergrund (= 1,0 g/cm3 für gerade untergehendes Holz bis 2,2 g/cm3 für Steine oder Material von abgeräumtem Kliff)
  • ρw (row) = spezifisches Gewicht von Wasser (= 1,0 g/cm3)
  • g = Erdbeschleunigung (= 9,81 m/s2)
  • d50 = mittlere Korngröße [m]

Der Wert des Bruchs der Rohdichten [ρs (Partikel) / ρw (Wasser)] tendiert bei ähnlichem spezifischem Gewicht zum Wert "1", sodass die erforderliche Ablöse-Geschwindigkeit des Wassers für solche Partikel gegen Null tendiert.

Untergehendes Holz, biologisches Material (Getreide, Stoffe, Holz-Werkzeuge usw.) haben anfänglich ein ähnliches Gewicht wie Wasser, sodass sie leicht vom Flachwassergrund abgeschwemmt werden können.

Geröllsteine (z. B. eingebracht über Schwemmkegel von Bächen, aber auch im Zuge von Kliff-Bildungen) haben dagegen eine spezifische Dichte von etwa 2,2 - 2,5 g/cm3. Hallmeier gibt folgende spezifische Gewichte an: Quartz 2,65 g/cm3 und Calcit 2,71 g/cm3.

Weitere → Rohdichten-Werte: Holzkohle: 1,4 g/cm3 (porenfrei, schwimmt nicht) ... 0,45 g/cm3 (porös, schwimmt); Getreidekörner: schwimmen nicht; Sand (Ufer): 1,8...2,6 g/cm3; Erde, nass: 1,6...1,8 g/cm3.

Die Rohdichte ρ der Zellwandstruktur von Holz beträgt 1,5 g/cm³; jene von Wasser 1,0 g/cm³.

Die Rohdichte von trockenem und von → frisch geschlagenem Holz beträgt etwa in g/cm3:

Eiche: 0,65…0,93; frisch geschlagen 0,970; Buche: 0,68…0,88; frisch geschlagen 0,910; Esche: 0,58...0,65; frisch geschlagen; 0,860; Kiefer: 0,49…0,86; frisch geschlagen 0,860; Ahorn: 0,45...0,59; frisch geschlagen 0,790; Tanne: 0,42...0,46; frisch geschlagen 0,750; Erlen: 0,48...0,53; frisch geschlagen 0,710; Fichte: 0,43…0,64; frisch geschlagen 0,680; Pappel: 0,38...0,45; frisch geschlagen 0,560.

Mobilisierbare Korngrößen abhängig von der Wasserteilchen-Geschwindigkeit

Korngrößen.png

Nach Umformung der vorigen Gleichung des US Army Corps of Engineers (1984): "Shore Protection Manual I" findet man eine Formel zur Bestimmung der (mittleren) Korngrößen d50 in [m], die mit einer bestimmten Wasserteilchen-Geschwindigkeit am Flachwassergrund mobilisiert werden können. Die hierbei verwendeten Parameter sind:

  • d50 = mittlere Korngröße in [m]
  • umax = welleninduzierte grundnahe Teilchengeschwindigkeit der Wasserpartikel in [m/s]
  • ρs (ros) = spezifisches Gewicht der Partikel am Flachwasserboden (mit 1,0+ g/cm3 für gerade untergegangenes Holz und bis 2,2 g/cm3 für Steine oder Material von abgeräumtem Kliff)
  • ρw (row) = spezifisches Gewicht des Wassers (= 1,0 g/cm3)
  • g = Erdbeschleunigung = 9,81 [m/s2]

Im Nenner tendiert der Wert des Bruchs der Rohdichten von [ρs (Partikel) / ρw (Wasser)] bei ähnlichem spezifischem Gewicht zum Wert "1", sodass der Wert des Nenners gegen Null geht und sich sehr hohe d50-Werte ergeben. Es ist auch klar, dass Partikel mit einem spezifischen Gewicht ähnlich Wasser – schon wegen des Auftriebs – sehr leicht mobilisierbar sind.

Aus der ersten, obigen Gleichung erkennt man auch, dass die grundnahe Wasserteilchen-Geschwindigkeit proportional mit der Wellenhöhe ansteigt. Die Größe der vom Grund mobilisierbaren Partikel steigt aber mit dem Quadrat der Wasserteilchen-Geschwindigkeit und damit auch mit dem Quadrat der Wellenhöhe.

60-cm-Wellen mobilisieren im Vergleich zu 20-cm-Wellen rund 9mal größere Partikel, 1-m-Wellen 25mal größere Partikel seewärts.

Illustrierendes Wellen-Beispiel bei Friedrichshafen

Starkwindwellen Friedrichshafen (25.4.2019)
Foto: Andreas Ambrosius (→ Artkel im Südkurier)
Schwan locker gg Sturmwellen (25.4.19) Video von
Andreas Ambrosius (→ Video im Südkurier: 0:40)

Wie in der Abbildung der drei Wellen deutlich zu erkennen ist, beginnt die rechte Welle das Verhältnis von Wassertiefe (ca. 2 m) zu Wellenlänge (ca. 8 m) mit dem Grenzwert von d/L < ½ deutlich zu unterschreiten, sodass die Welle zu brechen beginnt. Klar ist zu erkennen, dass die Wasserpartikel am Wellenkamm gegenüber dem rückfließenden Wasser im Wellental überhöht werden: die Welle beginnt zu brechen.

Bei der mittleren Welle erkennt man, dass sich das rückfließende Wasser des Wellentals unter den heraneilenden Wellenberg schiebt und damit der Wellenkamm auf der ganzen Breite nach vorne stürzt.

Die linke Welle ergießt ihre verbleibende Bewegungsenergie der Wassermasse des Wellenbergs Richtung Ufer.


Dass das Wasser zwischen den Wellenbergen seewärts strömt, ersieht man im Video des locker gegen die Wellen schwimmenden Schwans (im nebenstehenden Video ab 40 sec.), der sich zwischen den Wellenkämmen wegen der ablandigen Grundströmung im Wellental nur wenig anstrengen muss; nur bei den Wellenkämmen muss er "durchtauchen".

(Anm.: Der gleiche Effekt ist bei Surfern am Meer zu beobachten, die zwischen den Wellenkämmen nur wenig paddeln müssen, um aufs offene Meer zu kommen; schwierig sind immer nur die Wellenberge.)

Kliff-Bildungen – bestens erhaltene Pfahlbauten?

überdeckt Kliff-Material viele Pfahlbau-Stationen?
4-m-Kliff des Rosenwinds in Latzl-Bucht, Nußdorf Seegrund bis auf 7-cm-Steine seewärts abgeräumt
2-m-Kliff beim Seitlhof-Strand in Latzlhof-Bucht
2 - 5 m hohes Kliff-Ufer in Nußdorf a.A.12.000 m²

Kliffe sind Steilhänge eines Festgesteins oder eines scherfesten Lockergesteins (z.B. Bach-Schüttkegel) an einem Abbruchufer eines Sees oder an einer Abbruchküste eines Meeres.

Typische Reliefformen der Erosion sind Kliffs, also Steilböschungen im Uferbereich, die sich durch Welleneinwirkung in ein standfestes Substrat (z. B. Bach-Schüttungen) gegraben haben.

Ursprünglich waren kleine Kliffkanten mit Höhen von wenigen Dezimetern bis etwa 2 Meter an Seen weit verbreitet, wurden aber durch Vorschüttungen und Ufermauern abgedeckt oder im Zuge von Erosionssicherungsmaßnahmen (‚Seehang-Sanierung‘) durch Geröll- und Steinschüttungen gesichert.

Wesentliche Prozesse sind

  • die Brandung, die zu einer Brandungshohlkehle führt,
  • Scherkräfte innerhalb des Lockergesteins, die zu einem Abrutschen von Hangmassen führen, und
  • Wellen, die zu einem Abtransport des abgerutschen Lockergesteins Richtung See führen.

Am Attersee finden sich solche Kliff-Ufer, die vor allem dem sommerlichen nord-östlichen Rosenwind mit recht kontinuierlicher Windstärke von etwa 4 Bft (ca. 30 kmh) und einer Wind-Anlauflänge von rund 10 km ausgesetzt sind.

Seltene, aber besonders extreme Wellen bis zu 2 m produzieren Südstürme bis Orkanstärke (11 Bft).

Die z.B. in Nußdorf am Attersee vorzufindenden Ufer-Kliffe haben Höhen zwischen 2–5 m über dem Wasserspiegel.

Das Material, das ursprünglich von der historischen Kegelschüttung des Nässltalbachs stammt, wurde durch die Brandungswellen abgeräumt und seewärts abtransportiert.

Ähnliche Kliff-Verhältnisse gibt es bei den Pfahlbaustationen bei Abtsdorf und deutlicher bei Aufham.

14C-Datum VRI-300 1971: Latzlbucht Nußdorf a.A.

Der Doyen der österreichischen Pfahlbauforschung Johann Offenberger vermutete bereits im dritten Jahr (1971) seiner Unterwasser-Forschungen eine Station in der sogenannten „Latzl“-Bucht in Nußdorf.

Diese Stelle wäre für eine Pfahlbaustation recht günstig gelegen und hätte über eine Fläche von 1,2 ha verfügt (vgl. die nebenstehende Abbildung).

Obwohl Offenberger nicht selbst über Pfahlbau-Fehlsuchen in den offiziellen „Fundberichten aus Österreich“ berichtet, gibt es doch einen indirekten Nachweis dafür, dass er dort eine Pfahlbaustation annahm: vgl. hierzu die beigefügte Radiokarbondatierung eines Pfahles durch das Vienna Radium Institute (VRI) mit der niedrigen Nummer 300. (VRI-Kommentar: "Das Datum widerspricht der Annahme eines neolithischen Pfahlbaus.") Diese VRI-Zeitbestimmung war erst die zweite vom Attersee – nach jener der Pfahlbaustation Misling.

Unter Berücksichtigung der Menge des durch Brandungswellen abgeräumten und seewärts transportierten Materials konnte Offenberger ehemals in der Latzl-Bucht keinen möglichen Pfahlbau entdecken, da ein solcher rezent unter einer meterdicken Geröllschicht gelegen wäre.

Es wäre heute am Attersee und auch an anderen Seen mit vergleichbaren Ufer-Kliffen einfach möglich, durch Sondierungs-Bohrungen festzustellen, ob unter solchen Geröllschichten Spuren von Kulturschichten zu finden sind.

Das wäre umso interessanter, da durch solche Überdeckungen bestens erhaltene bisher unentdeckte Stationen gefunden werden könnten.

Anm.: Heutige Sicherungsmaßnahmen für erosionsgefährdete Stationen werden mittels Steinschüttungen in äquivalenter Weise bewerkstelligt (vgl. gleich den folgenden Abschnitt).

Gefährdung von Pfahlbauten durch Wellen und Niedrigwasserstände

Gefährdung von Stationen durch Wellenerosion

schraffiert: Juragewässerkorrektion, schwarz: "harte" Uferbefestigungen

Im Folgenden werden relevante Veröffentlichungen zur Gefährdung von Pfahlbaustationen durch Erosionsvorgänge gebracht.

Ramseyer, D. et al. (Eds.): → Archéologie et erosion Bd 1; 1996. 118 S.

  • Iseli, Christoph: Erhaltung und Wiederherstellung des natürlichen Ufers des Bielersees: Was ist zu tun? [Anm.: Durch die Juragewässer-Korrektionen wurde der Seespiegel des Bielersees abgesenkt, sodass dadurch die Pfahlbaustationen nunmehr in seichterem Wasser liegen. (siehe nebenstehende Abbildung)]
  • Courboud, Pierre: Natürliche Erosion und das Verschwinden von prähistorischen Unterwasserstätten am Genfersee

Archéologie et Érosion 2: → Gefährdete Feuchtgebiete. 2006; 133 Seiten.

  • Hafner, Albert: Schutzmaßnahmen zur Erhaltung der archäologischen Stätten am Bielersee
  • Brem, Hansjörg: Diktiert die Wirtschaft die Zerstörung oder die Erhaltung von Seenstationen? Die "in situ"-Erhaltung im Kanton Thurgau
  • Eberschweiler, Beat: Zerstörung der Pfahlbauten in den Zürcher Seen: Verschiedene Ursachen, angemessene Antworten
  • Köninger, Joachim et Schlichtherle, Helmut: Erosionsschutzmaßnahmen an Seeuferstationen im deutschen Teil des Bodenseeufers. Aktueller Stand der Erfahrungen und neue Projekte
Ufererosion im Flachwasserbereich. D = L/2 →
Niveau der Wellenwirkung, mit L = Wellenlänge

Archéologie et Erosion 3 → Monitoring und Maßnahmen. 2015, 210 Seiten.

  • Pohl, Henrik: Erste Ergebnisse und Massnahmen zum Schutz der prähistorischen Seeufersiedlungen in Österreich. S. 71–78.
  • Marianne Ramstein und Jürgen Fischer: Erosionsschutz in Sutz-Lattrigen (Bern). Forschungsstand, Erfahrungen und Perspektiven. S. 93–100.

Entsprechend dem Wellen-ATLAS der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Quelle: https://swisslakes.net/) können die daraus gewonnenen und nachfolgend angegebenen Werte der Wellenhöhen - wobei Hmax mit 2 . Hsig anzusetzen ist - verwendet werden. Bei einer Wassertiefe von D = L/2 beginnt die Wirkung auf den Seegrund. Daraus erkennt man, dass ob der großen Wellenlängen vor allem an den großen Seen mit langem Fetch viele Unterwasserstationen gefährdet sind. Das gilt insbesondere für den abgesenkten Bielersee.

Gefährdung von Stationen durch Niedrigwasserstände

LU-BW 2011: "Die Flächen der Stationen in Baden-Württemberg liegen heute größtenteils unter Wasser. Während Niedrigwasserzeiten kann jedoch der Wasserstand bis zu Ober- bzw. Untergrenzen dieser Flächen fallen. Erreicht oder unterschreitet der Wasserstand die Obergrenze, führt dies zu sehr geringer Wasserüberdeckung meist verbunden mit starkem Wellengang und damit zu Schädigung bzw. Zerstörung der Siedlungsareale. Erreicht der Niedrigwasserstand die Untergrenzen der Flächen, fallen die Siedlungsareale (Pfahlfelder und Kulturschichten) trocken und können durch Frost und Lufteinwirkung zerstört werden."

Freifallen von Siedlungsarealen aus dem Neolithikum
bei Niedrigwasser am Bodensee/Ober- und Untersee
Höhe der Siedlungsareale
in [m+NN]
Schichten-
Obergrenze
Schichten-
Untergrenze
Unteruhldingen/Stollenwiese 394,50 393,25
Obermaurach/Ziegelhütte 394,25 393,40
Sipplingen/Osthafen 394,30 393,20
Bodmann-Schachen I 394,00 < 393,00
Litzlstetten/Krähenhorn 395,00 393,80
Mammern-Langhorn 393 391
Steckborn „Turgi“ 394 393
Steckborn „Schanz“ 394 391
Ermatingen „Westerfeld/Büge“ 393 390
Arbon Bleiche 3 (nun an Land) 396,00 < 393,90

Quellen: LU-BW: → Bodensee-Wasserstände, 2011, S. 114; Wininger/Hasenfratz : → Ufersiedlungen am Bodensee, 1985; Leuzinger, Urs: → Arbon Bleiche 3 - Befunde. Dissertation 2000, S. 12.

Die Stationen: Kreuzlingen „Seeburg“, Bottighofen „Schlössli-Neuwies“, Landschlacht- Seedorf, Altnau „Ruderborn“, Güttingen, Kesswil „Seedorf“ und Uttwil „Unterbäche“ konnten (obwohl für sie konkrete frühere Pfahlbaufunde vorliegen) von Wininger/Hasenfratz – wohl wegen Erosion – trotz systematischer Bohrungen und Betauchungen nicht mehr aufgefunden werden.

Simulierte Windstärken und -richtungen an Pfahlbauseen

Verwendeter Farb-Code für die Windgeschwindigkeiten

Der Farbcode der von → „Meteoblue - Weather for you“ simulierten Windgeschwindigkeiten der nachfolgenden Diagramme ist der nebenstehenden Legende zu entnehmen.

(Anm.: Klarerweise können heute die ehemaligen Windgeschwindigkeiten und -richtungen zur Zeit der Pfahlbauern nicht rekonstruiert werden. Durch die Wirkung des Golfstroms könnten aber die meteorologischen Verhältnisse in etwa zutreffen. Aussagen der Paläobotaniker über ein vergleichsweise ähnliches Klima (z.B. Lüdi) sind hier hilfreich.)

Windstärken je Monat und See

Die Diagramme der einzelnen Seen zeigen die Anzahl der Tage im Monat, an denen der Wind eine gewisse Geschwindigkeit erreicht. Die höheren Windgeschwindigkeiten (gelb: über 50 kmh; orange: über 61 kmh) treten vor allem in den Wintermonaten Dezember-März auf.

Mit dem Link "→ Daten" gelangt man zum jeweiligen See; durch Hinunter-Scrollen kommt man zu den Grafiken Windgeschwindigkeit (und Windrose), wo detailliertere Daten angegeben sind.

Zugehörige Windrosen samt Windgeschwindigkeiten je See

Die Windrosen für die einzelnen Seen zeigen durch den Abstand vom Zentrum mittels den Kreisen gleicher Zeitdauern, an wie vielen Stunden im Jahr der Wind aus welcher Richtung geweht hat.

Der Farbcode der Windgeschwindigkeiten in den einzelnen Windrichtungen der einzelnen Diagrammen ist der oben angegebenen Legende zu entnehmen.

Häufigkeit von Winterstürmen je Monat

Entsprechend dem → Wintersturmkalender bedeuten Windböen-Maxima von über 130–180 km/h auf dem Feldberg im Südschwarzwald regelmäßig auch stürmische Verhältnisse in der Schweiz und in Oberösterreich.

Solche Sturmtage gab es in den einzelnen Monaten der 67 Jahre zwischen 1955–2022: Oktober 49 Sturmtage; November 82 Sturmtage; Dezember 137 Sturmtage; Jänner 162 Sturmtage; Feber 127 Sturmtage; März 72 Sturmtage.

Im Schnitt ergeben sich damit für die einzelnen Monate: 0,7 Sturmtage je Oktober; 1 ¼ Sturmtage je November; 2 Sturmtage je Dezember; 2,4 Sturmtage je Jänner; 1,9 Sturmtage je Feber und 1,1 Sturmtage je März.

Allein am Bodensee gab es im Zeitraum 2000–2020 jeweils im Winterhalbjahr insgesamt → 21 Föhnstürme mit Windgeschwindigkeiten von 70–120 kmh.

Winterkälte 1962/63 am Bodensee und Attersee

Der Winter 1962/63 war der 3. „Jahrhundertwinter“ nach den Jahren 1929 und 1947; mit Eisschollen auf dem Rhein und 125 Frosttagen. Es war der kälteste Winter der 2. Jahrhunderthälfte. Der Bodensee war in seiner ganzen Fläche zugefroren.==Vorausetzungen für Erhaltung von Pfahlbauresten; mögliche Experimente==



Wininger zu Voraussetzungen für langfristige Erhaltung

  • Winiger 1984, Josef: Nachtrag zum Pfahlbauproblem. In: → Helvetica Archaeologica 1984, S. 83-92.

"Es wurde zwar erkannt, dass am Phänomen der «Pfahlbauten» verschiedenartige Kulturen beteiligt sind, das «Pfahlbauproblem» wurde aber doch als Einheit behandelt. Gleichartigkeit der Bauweise ist nach allgemein ethnologischer Erfahrung am ehesten im Rahmen der Einheit einer Kultur zu erwarten. Die Einheit «Pfahlbauproblem» ist aber nicht aus einer Einheitlichkeit des Siedlungswesens abzuleiten, sondern aus einer Gleichartigkeit der Erhaltungsbedingungen: Die Erhaltung organischer Siedlungsreste ist an die Bedingungen des Überdecktwerdens und des Feuchtbleibens gebunden. Solche Bedingungen setzen langfristige massive Seespiegelschwankungen voraus."


Sturm Sabine beim "Kleinen Hafner" am 10.2.2020
Ramstein, M. & Fischer, J.:zerstörerische Westwind-Wellen laufen auf Fundstelle Sutz-Lattrigen, Rütte auf

Zitat: "In der Pfahlbauvorstellung ist eine Erklärung der guten Erhaltung organischen Materials mitenthalten in der Annahme, die Abfälle und Ruinen der Dörfer seien direkt ins Wasser gefallen und im Seegrund allmählich einsedimentiert worden, was ihre Konservierung über Jahrtausende ermöglichte. Daran ist sicher richtig, dass die Einlagerung der Siedlungsreste in ständig feucht bleibendem Seegrund ihre Zersetzung verhinderte. Unzutreffend scheint mir hingegen die Vorstellung, dass ins Wasser fallende organische Materialien dort kompakte torfige Schichten mit Aschen- und Mistlagen usw. bilden könnten, wie sie tatsächlich vorgefunden werden. Damit würde die Rolle der Wellenerosion unterschätzt, die bei regelmässig auftretenden Stürmen die Oberflächen der Strandplatten aufwühlt und die Bildung kompakt-organischer Schichten verhindert. Deshalb müssen für die Erhaltung von Kulturschichten und Objekten aus organischem Material an Seeufern mindestens drei Bedingungen erfüllt sein:

1. Siedlungsabfälle und -ruinen müssen dauernd feucht geblieben sein, damit sie nicht zersetzt werden konnten.
2. Sie müssen zudem überdeckt worden sein, damit sie durch die ständigen Wellenbewegungen nicht aufgewirbelt und fortgespült wurden.
3. Sie dürfen auch in späterer Zeit nie in eine Höhenlage geraten sein, in welcher längerdauernde Erosion zu ihrer Abtragung führen konnte.

Die Pfahlbautheorie erklärt nun nicht, wie es zu einer Überdeckung von Kulturschichten kommen konnte, welche zwar häufige und deutliche Erosionsspuren aufweisen, ebenso häufig aber auch kompakte organische Lagen enthalten, die unter Wasser kaum entstanden sein können. Es wären bestenfalls Mischungen von organischen mit limnischen Sedimenten zu erwarten, die ebenfalls auftreten können und dann als Folge von Erosion und Umlagerung zu deuten sind."

Die Autoren entwerfen folgendes Bild: "Ginge man von der Annahme begehbaren Siedlungsgrundes aus - also von Dörfern, die nicht im Wasser standen-, so erklärten sich jene Eigenschaften der Kulturschichten, die auf Bildung am Trockenen hinwiesen. Dann aber mussten die Seen zur der Zeit, als diese Dörfer standen, viel kleiner gewesen sein als heute und sich später wieder ausgedehnt haben, so dass die unterdessen gebildeten Siedlungsruinen wieder überschwemmt wurden. Bei dauerhaften Seehochständen konnten die Ruinenschichten dann durch Seekreide überdeckt und in diese eingelagert werden. Damit erklären sich sowohl die Merkmale der Bildung am Trockenen, als auch die allgegenwärtigen Erosionserscheinungen und auch eventuelle Umlagerungsschichten. Ging der See wieder stark zurück, so konnte ein neuer Zyklus Siedlung-Überschwemmung-Einlagerung beginnen."

Zusammenfassend schreiben sie: "ist festzuhalten, dass es massive und längerdauernde Seespiegelschwankungen … gegeben haben muss." (Ohne einen Nachweis fügen sie (leider) erläuternd hinzu: "… als Folge übergreifender klimatischer Faktoren …".)

Einfach mögliche Grundlagenforschung zum Pfahlbauproblem

Auch heute noch gibt es "richtige Pfahlbauten", insbesondere in Südostasien, auf den Nikobaren, in Westafrika, auf der chilenischen Insel Chiloé und in Neuguinea. In Südamerika werden im Wasser stehende Pfahlbauten allgemein als Palafitos bezeichnet. Vgl. hierzu:

Es bietet sich an, bei im Wasser von Seen auf Piloten stehenden bewohnten Pfahlbauten zu eruieren, inwieweit deren ins Wasser gefallene Abfälle (z. B. Hölzer, Äpfel, Getreidekörner, Textilien, Netze, Tierkot usw.) Kulturschichten ergeben, die jenen der neolithischen Pfahlbauten ähneln.

Es würden sich in räumlicher Nähe anbieten: der Pfahlbau-Nachbau Kammerl am Attersee (12 Jahre in Betrieb; dann 2022 verbrannt: was ist davon – nach 100 Jahren im Flachwasser – noch zu finden?), aber auch die Station Unteruhldingen. Pfahlbauten in heimischen Seen sind auch die vielen Bootshütten – bei denen aber vergleichsweise wenig „natürlicher Abfall“ ins Wasser fällt – dieser wäre eben künstlich einzubringen.

Klima und Seespiegelschwankungen

Weyregger Pfähle und Tag/Nacht-Bereich der Pfähle

Schmidt 1982, Roland: Pollen und Großreste aus der neolithischen Station Weyregg I am Attersee, OÖ. Fundberichte aus Österreich 21, 1982:157–169.
* Zwei von rd. 20 cm Seekreide getrennte Kulturschichten; Pfähle aus der unteren Kulturschichte enden an der Oberkante der Seekreideschicht.
* Baum- und NB-Pollen; Acker und Hackfruchtunkräuter; von Menschen verwendete Pflanzen

Gleichzeitigkeit der Besiedlung von Schweizer Seen/-gebieten

Dendrodaten zu Baudaten an verschiedenen Seen Grau=Dendrodaten Weiß=keine Daten. Pfeile=14C
  • Suter 1986, Peter und Schifferdecker, Francois: → Das Neolithikum im schweizerischen Mittelland. In: Chronologie – Archäologische Daten der Schweiz. Antiqua 15 der Schweizer. Ges. f. Ur- und Frühgeschichte. Basel 1986, S. 34–43. (Egolzwil, Kl. Hafner, Cortaillod usw. alle Epochen)

Die Grafik von Peter Suter, der sich eingehend mit den Stratigraphien am Kleinen Hafner aber auch erstmals mit der Gleichzeitigkeit der Besiedlung an einem gesamten See - dem Bielersee - tiefschürfend auseinandergesetzt hat, zeigt die neolithischen Siedlungen des schweizerischen Mittellandes.

  • grau: Bereich der dendrochronologisch nachgewiesenen Baudaten an den größeren Mittellandseen.
  • weiß: keine Schlagdaten nachgewiesen.
  • Pfeile: Ungefähre Datierung 14C-datierter Siedlungskomplexe (nur wenn Dendrodaten fehlen).

Wie der Grafik zu entnehmen ist, korrelieren die Besiedlungszeiten an den einzelnen Seen/-gebieten wenig oder gar nicht miteinander.

Eine Untersuchung der Gleichzeitigkeit aller Stationen des gesamten Bodensees - im Vergleich zur Arbeit von Peter Suter - wurde überraschenderweise bisher nicht in Angriff genommen, könnte aber erhellende Ergebnisse bringen.

Es steht wohl außer Zweifel, dass die Stationen des Bodensees bei tiefen Pegelständen besiedelt wurden: ansonsten wären deren Kulturschichten ja nicht unter Wasser gekommen und dadurch konserviert worden. Solche tiefen Pegelstände traten aber an allen Stationen des Bodensees zur gleichen Zeit auf.

Gleichzeitigkeit an Seen 2.png

Unter der Annahme, daß prähistorische Seeufersiedlungen bei tiefen Seespiegeln bewohnt waren, während ein hoher Pegelstand die Besiedlung unterbrach, gibt die Grafik eine Korrelation dendrochronologisch fixierter Stationen dreier Mittellandseen/-regionen zwischen dem Jungneolithikum und der Spätbronzezeit wieder.

Klima als Ursache von Seespiegelschwankungen? (ToDo)

Magny 1981, Michel; Olive, G.: Origine climatique des variations du niveau du lac Leman au cours de l'Holocene. La crise de 1700 ä 700 ans BC. In: Arch. suisses d'anthropol. gen. Geneve 45, 2, 159-170.

Zahlen auf Ordinate: Seenanzahl, mit allen
transgressiven/regressiven Schwankungen

Magny 1992, Michel: → Holocene lake-level fluctuations in Jura and the northern subalpine ranges, France: regional pattern and climatic implications. Boreas, 21 (1992), pp. 319-334. (vgl. nebenstehende Abbildung der S. 327: gleichzeitig Anstiege und Absenkungen der Seespiegel an mehreren Seen → es gibt also keinen Zusammenhang!)
[Zusammenfassung: Die holozänen Schwankungen des Seespiegels in jurassischen und französischen subalpinen Seen werden anhand sedimentologischer Analysen rekonstruiert, und es wird ein regionales Muster paläohydrologischer Veränderungen aufgezeigt. Die wichtigsten transgressiven Phasen erreichten ihren Höhepunkt um 8500 BP, 6500 BP, 4800 BP, 3500-2300 BP und 450 BP. (1) Die für eine große Zahl von Seen nachgewiesene Synchronität der holozänen Seespiegeländerungen, (2) die engen Korrelationen zwischen bestimmten Seen und (3) die Übereinstimmung zwischen dem Anstieg der Seespiegel im Jura und in den französischen Voralpen und dem Gletschervorstoß in den Schweizer und österreichischen Alpen sprechen für eine klimatische Steuerung dieser holozänen Seespiegelschwankungen.]

Magny 2004, M.: → Holocene Climate Variability as Reflected by mid-European Lake-Level Fluctuations and its Probable Impact on Prehistoric Human Settlements. Quaternary International 113 (1) 2004: pp. 65–79. doi:10.1016/S1040-6182(03)00080-6
Artikel hält nicht, was der Titel verspricht! Zitiert sich laufend selbst, wird aber 670 x zitiert!
[Zusammenfassung: Ein Datensatz von 180 Radiokohlenstoff-, Jahrring- und archäologischen Daten, die aus Sedimentsequenzen von 26 Seen im Jura, in den nordfranzösischen Voralpen und im Schweizer Mittelland gewonnen wurden, wurde verwendet, um einen holozänen mitteleuropäischen Seespiegel zu konstruieren. Die Daten weisen nicht auf eine zufällige Verteilung über das Holozän hin, sondern bilden Cluster, die auf einen Wechsel von niedrigeren und höheren, klimatisch bedingten Seespiegelphasen hindeuten. Sie belegen ein eher instabiles holozänes Klima, das von 15 Phasen mit höheren Seespiegeln geprägt war: 11 250-11 050, 10 300-10 000, 9550-9150, 8300-8050, 7550-7250, 6350-5900, 5650-5200, 4850-4800, 4150-3950, 3500-3100, 2750-2350, 1800-1700, 1300-1100, 750-650 cal. BP und nach 1394 AD. Ein Vergleich dieser mitteleuropäischen Seespiegel-Daten mit dem GISP2-Polar Circulation Index (PCI), den nordatlantischen Eisdriftzyklen (IRD) und der 14C-Aufzeichnung deutet auf Telekonnektionen in einem komplexen Kryosphären-Ozean-Atmosphären-System hin. Die Korrelationen zwischen dem GISP2-PCI, dem mitteleuropäischen Seespiegel, den nordatlantischen IRD-Ereignissen und den restlichen 14C-Aufzeichnungen deuten darauf hin, dass Veränderungen der Sonnenaktivität eine wichtige Rolle bei den holozänen Klimaschwankungen über dem Nordatlantik gespielt haben.]

Bleicher 2008, Niels: → Einige kritische Gedanken zur Erforschung des Zusammenhangs von Klima und Kultur in der Vorgeschichte. In: Strategien zum Überleben. Tagung Römisch-Germanisches Zentralmuseum Band 11, 2008. GEGEN MAGNY

[Trotz dieser Anhaltspunkte dafür, dass jener Ansatz problematisch ist, argumentierten auch andere Autoren in dieselbe Richtung – so z.B. Magny (2004), der sowohl die Seespiegel im Alpenvorland als auch die vorgeschichtliche Wirtschaft an die Sonnenaktivität gekoppelt sah:
»Phasen höheren Seespiegels fielen mit einer Zunahme des Jahresniederschlags, einer Abnahme der Sommertemperatur und einer Verkürzung der Vegetationsperiode zusammen. [...] Es ist bemerkenswert, dass die kulturellen Veränderungen im Neolithikum und in der Bronzezeit meist in Phasen höherer Seespiegel, d. h. kühlerer und feuchterer klimatischer Bedingungen, stattfanden, was wahrscheinlich zu einer Destabilisierung des früheren sozioökonomischen Gleichgewichts führte.« (ebenda 75f.).
Demgegenüber ist anzumerken, dass die von Magny rekonstruierten Seespiegelphasen bei genauerer Betrachtung nicht so überzeugend sind, wie ein Vergleich zwischen der von ihm erstellten »Score-Kurve« mit der 14C-Residualkurve vermuten lässt. Die von ihm mehrfach publizierte Score-Kurve (z.B. Magny 2004) basiert zum überwiegenden Teil auf der Summation der Wahrscheinlichkeiten von Radiokarbondaten; daher ist eine Ähnlichkeit mit der Kalibrationskurve schon fast zwingend – sie ermöglicht aber keine Rückschlüsse auf generelle regionale Seespiegelstände. Daher kann auch nicht argumentiert werden, dass sämtliche Phasen des kulturellen Wandels in Zeiten hoher Seespiegel stattgefunden hätten.]

Magny 2006, Michel; Urs Leuzinger; Sigmar Bortenschlager, Sigmar; Haas, Jean Nicolas: → Tripartite climate reversal in Central Europe 5600-5300 years ago. Quarternary Research 65, 3-19. (Klima als Grund für Seespiegelschwankungen)

Harrison 1996, Sandy; Yu, Ge; Tarasov, P.: → Late Quaternary Lake-Level Record from Northern Eurasia. Quaternary Research 45, 1996; p. 138–159. Bringen trotz Ankündigung im Artikel aber nichts zu Seespiegelschwankungen. Link zu → Abstract Harrison

Link zu vier → Swierczynski-Literaturen zum Mondsee (Diss. 2012, 2013) plus 5. Arbeit im Appendix: → Distinguishing floods, debris flows and hydrological changes in a 100-year varved sediment record from Lake Mondsee (Upper Austria); Hochwässer wd. des Neolithikums; Seespiegelschwankungen usw.

Schmidt 2023, Roland (AdW); Brauer, Achim (GFZ Potsdam); Lauterbach, Stefan: → Klimawandel in einer 130.000-jährigen Zeitreise durch das Mondseeland (Salzkammergut) – (Vegetations-, Gletscher-, Seen- und Siedlungsgeschichte). Buch; Mondseer Dokumentationen 2023. 68 Seiten.

Arbogast 2006, Rose-Marie; Stefanie Jacomet, Michel Magny, Jörg Schibler: → The significance of climate fluctuations for lake level changes and shifts in subsistence economy during the late Neolithic (4300-2400 cal B.C.) in Central Europe. Vegetation History and Archaeobotany, 15 (2006): 403–18.

Illusion längerdauernder Seespiegelabsenkung wegen zu geringem Zufluss (ToDo)

Quelle: Regulierung Zürichsee, Bundesamt für Umwelt BAFU, → Faktenblätter Seeregulierung (Juni 2020); www.bafu.admin.ch > Themen > Naturgefahren > Dossiers > Seeregulierung

Zürichsee: Jahresabfluss Limmat 3,03 Mrd. m³; (mittlerer Abfluss 96 m³/s (1938–2012); Seespiegelhöhe: 405,90 (min) – 406,80 (Hochwasser) – 407,01 (max) m ü. M.; 90 km² Seefläche;

Reguliert werden die Seestände im Zürichsee nicht direkt beim Seeausfluss, sondern knapp zwei Kilometer limmatabwärts durch das Regulierwehr Platzspitz (knapp vor Sihl-Einmündung)

Bielersee: 244 m³/s (theoretische Aufenthaltszeit des Wassers im See beträgt nur 54 Tage)

Attersee: 3,94 km³; Wasserverweildauer: ~ 7,13 Jahre; Mittlerer Abfluss: 17,5 m³/s

Furger zu Seespiegelschwankungen und Siedlungsphasen am Bielersee

Seespiegelschwankungen am Bielersee bei Twann im 4. Jt.

Furger, Alex R. (Univ. Basel, Text) u. Hartmann, Fanny (Illustrationen): → Vor 5000 Jahren … So lebten unsere Vorfahren in der Jungsteinzeit in Twann (38 MB). Verlag Paul Haupt, Bern 1983. 172 Seiten.

Der Archäologe Furgler beschreibt in seinem ausgezeichnet geschriebenen und illustrierten und für jedermann gut lesbaren Buch auf S. 53/54 – samt eindrücklichen grafischen Darstellungen der hydrologischen Gegebenheiten von Aare, den drei Seen und der Zihl – als mögliche Ursachen für die Seespiegelschwankungen und Siedlungsphasen am Bielersee, dass die Aare bei Verlegung der Strecke bis Büren der Schicksalsfluss für die Uferbewohner gewesen ist. Aber auch Bergrutsche vom Jensberg könnten die untere Zihl und damit den Bielersee aufgestaut haben. Zahlreiche Hoch- und Niedrigwasserperioden wechselten sich im jungsteinzeitlichen Seeland in unregelmäßigen Abständen ab.

Auf den S. 55/56 bringt Furgler jene Grafiken, die der hier beigefügten Grafik zugrunde liegt. Im Gegensatz zu dieser verzeichnet Furgler aber während der Niedrigwasserperioden auch vorübergehende Hochwässer innerhalb der Siedlungszeiträume.

Anm.: Wenngleich Furgler Gründe für den Wasseranstieg - ebenso wie Lüdi - auf natürliche Ursachen zurückführt, widmet er sich dem fünfmaligen raschen Sinken des Wasserspiegels – um jeweils rd. fünf Meter – nicht. Dass sich auf zweimal rd. 170 Jahre dauernde Wasserhochstände kurzfristig niedrigere Wasserstände einstellten, kann wohl wenig glaublich durch wiederum natürliche Ursachen hervorgerufen worden sein. Es sei hier auch darauf verwiesen, dass sich Seekreide nur bei einer länger dauernden Überdeckung ab einem halben Meter Tiefe bildet, was einer kurzzeitigen, vorübergehenden Überschwemmungssituaton widerspricht. Grundsätzlich ist – im Laufe der 860 Jahre dauernden Siedlungsgeschichte Twanns – auffällig, dass sich die Vielzahl von Wasserhoch- und -niedrigständen immer zwischen denselben Koten abspielt, was bei natürlichen Ursachen wohl nicht so regelmäßig eintreten würde.

Lüdi zu Seespiegelschwankungen

Lüdi 1935, Werner: → Kap. XIII: Postglaziale Seespiegel- und Grundwasserschwankungen, Ueberschwemmungs- und Trockenhorizonte im Gebiete zwischen Alpen und Jura. Veröff. Geobotan. Inst. Rübel in Zürich. Band 11, 1935. → Quelle

S. 289–290: Wauwil: „... kann man die Entwicklungsgeschichte des Wauwilermooses wie folgt zusammenfassen: Im Gebiet der Pfahlbaudörfer war offener See und es erfolgte Seekreideablagerung bis ins Neolithikum, das hier in die Buchenzeit fällt. Dann fiel der Seespiegel rasch ab; auf der Seekreide bildete sich eine dünne Torf- (oder Gyttja-?) Schicht; die Bodenoberfläche trocknete aus und wurde vom Pfahlbauer besiedelt. Nach der Zeit der neolithischen Pfahlbauten (waldgeschichtlich in der Tannenzeit), vielleicht auch bereits innerhalb der Pfahlbauzeit, hob sich der Wasserspiegel wieder, und es folgte mächtige Torfbildung.“

S. 296: Zürichsee: „In Zürich wiederholt sich die Eigentümlichkeit der Lage, die wir am Genfer-, Bieler-, Thuner-, Vierwaldstättersee gefunden haben, dass nahe dem Seeausflusse ein Gebirgsfluss, der leicht zu Hochwasser anschwillt und in diesem Zustande viel Geschiebe führt, sich mit dem aus dem See ausfliessenden Flusse vereinigt. Hier ist es die Sihl, welche die Wasser der Schwyzer Alpen der Limmat zuführt und den Seespiegel weitgehend zu beeinflussen vermag. Kleinere, vom Zürichberg herunterkommende Bäche dagegen werden kaum eine wesentliche Wirkung ausgeübt haben.“

S. 297–298: Zürich: viele Funde von Torf, Seekreide usw. deutlich unter heutiger Seespiegelhöhe (widersprechen deutlich den apodiktischen Feststellungen von Schindler).

S. 305: Bodensee: Zur Zeit der Ablagerung des untern Torfes sei die Seespiegelhöhe mindestens 3 m niedriger gewesen als heute (396 m). Gams und Nordhagen können tiefen Wasserstand des Bodensees in der Pfahlbauzeit und auch für den Untersee belegen. Anderseits ist in Bodman am Untersee die unterste neolithische Kulturschicht mit 20—35 cm Kalkschlick überdeckt. Auch bei Arbon liegt am Seeufer eine mit Sand und Lehm überführte neolithische Station. Dadurch wird ein vorübergehender neolithischer Seehochstand wahrscheinlich gemacht.
Reinerth (1922, S. 15) setzt den Seespiegel der Bronzezeit auf 3—5 Meter niedriger an als er heute ist.

Physikalische Daten zu Klima-Auswirkungen auf Seespiegelhöhen

Verdunstung als theoretische Ursache von Seespiegelabsenkungen?

Globalstrahlungsdaten: Schweiz 1.000–1.500 kWh/m² pro Jahr; Österreich 1.100–1.400 kWh/m² pro Jahr: Konstanz 1194 kWh/m² pro Jahr
Hier wird eine Globalstrahlung von 1.200 kWh pro m² und Jahr auf die Flächen der einzelnen Seen zu Grunde gelegt, die für eine Verdunstung zur Verfügung steht: 1.200 x 1000 (kilo) x 1 W x 3.600 s (Stunde) = 4,32 GJ/m².Jahr

Abschätzung der erforderlichen Verdunstungswärme von Wasser:

  1. Erwärmung des Wassers von 20 ˚C auf 100 ˚C mit 4,1868 kJ/kg.K … 335 kJ/kg (100 ˚C)
  2. Verdunstungsenthalpie (Lit.-wert) von Wasser mit theoret. 100 ˚C … 2258 kJ/kg Dampf
  3. insgesamt erforderlich Gesamtwärme je kg Wasserdampf 2593 kJ … 2593 MJ/m³ H2O
Ermittelte Daten für die einzelnen Seen
See-Fläche
in km²
Einstrahlung
in 1015 Joule/a
Verdunstung
in Mio. m³/a
MQ-Abfluss
in Mio. m³/a
Verdunstung/
Abfluss in %
Dauer für 5-m-Anstieg
falls Abfluss verlegt
Bodensee 536,0 2.316 893 7.915 11,3 124 Tage
Zürichsee 90,1 389 150 3.185 4,7 52 Tage
Attersee 46,2 200 77 539 14,3 155 Tage
Mondsee 13,8 60 23 288 8,0 87 Tage
Attersee theoret.
ohne Mondsee
46,2 200 77 251 30,7 (242 Tage)

Anm.: Für den Bielersee sind nach den Jura-Gewässerkorrektionen heutige Werte nicht mehr verwendbar.

Falls beim Verlassen eines Pfahlbausees der Seeabfluss bewusst - aus welchem Grund auch immer - durch Verlegung des Abflusses unterbunden wird, dauert ein Aufstau um z.B. 5 Meter am Zürichsee durchschnittlich 52 Tage, am Bodensee 125 Tage, am Mondsee 87 Tage und am Attersee 155 Tage.

Paradoxe Ergebnisse der Verdunstungs-Theorien

Falls man Verdunstungstheorien näher tritt, dass die Seen wegen hoher Verdunstung abflusslos geworden wären und dadurch die Flächen der Siedlungen trocken fielen, fallen einem die sehr unterschiedlichen Verhältnisse zwischen Verdunstung und durch diese zu ersetzende Abflüsse auf. Für Verdunstung als Ursache der Seespiegelabsenkungen hätte die Sonneneinstrahlung um das unvorstellbare sieben- bis zwanzigfache höher sein müssen, was als völlig illusorisch auszuschließen ist.

Weiters sind bei den einzelnen Seen sehr unterschiedliche Verdunstungs-/Abfluss-Verhältnisse festzustellen. Falls die Verdunstungstheorien zuträfen, wären die Seespiegelabsenkungen zwischen den einzelnen Seen völlig unterschiedlich ausgefallen und es gäbe keine ähnliche Tiefenlage der Pfahlbausiedlungen, wie sie heute vorgefunden werden.

Besonders paradox wären die Gegebenheiten im Salzkammergut gewesen: Unter der (illusorischen) Annahme, dass der Mondsee wegen Verdunstung abflusslos geworden wäre, ergäbe sich für den Attersee die Situation, dass bei ihm das Verdunstungs-/Abfluss-Verhältnis im Vergleich zum Mondsee um das Vierfache stärker gewirkt hätte, da ihm ja der Zufluss vom Mondsee abhanden gekommen wäre. Damit wäre die Absenkung beim Attersee viel tiefer gewesen – was aber nicht der Fall ist.

Frühe Ablehnung der Verdunstungstheorien

Fritz Cramer weist bereits 1936 mit seinen "Klimaschwankungen am Zürichsee?" darauf hin, dass der Zürichsee bei gleichem Zufluss aufgrund von Verdunstung nicht abflusslos werden konnte und kommt zum Schluss (S. 130), dass hierfür die Oberfläche des Zürichsees um das 63fache größer sein müsste. [Anm.: Mit heutigem Wissen zur Globalstrahlung, wäre die 21-fache Fläche ausreichend gewesen.]

Suter mit Jacomet wollen 1987 (S. 19) beim Kleinen Hafner nicht erneut auf die Genese der einzelnen Schichten eingehen, sagen aber klar, dass „... ihre Abfolge ein Nacheinander von Phasen der Besiedlung des Kleinen Hafners und Phasen von (längeren) Siedlungsunterbrüchen (Siedlungslücken) widerspiegelt, während denen die Insel zeitweise vollständig oder teilweise überschwemmt war oder zumindest nicht als geeigneter Siedlungsstandort betrachtet worden ist.“, und ihre Bauten stehen auf trockenem Grund.

Geringer-Niederschlag-Theorien

Betrachtet man die Verdunstungs-/Abfluss-Verhältnisse, bewirkt auch geringer Niederschlag kein Trockenfallen von Strandflächen für Pfahlbausiedlungen; unter Umständen sinkt der Seespiegel entsprechend der geringeren Tiefe der Abflüsse nur um wenig. Ein geringerer Niederschlag vermag die Abfluss-Höhe nicht um mehrere Meter zu beeinflussen.

Auch Schindler bemerkt 1971 (S. 304) endlich selbst, dass er sich auf schwankendem Boden befindet, und versucht sich zu retten, wenn er schreibt: „ … der tiefstmögliche Seespiegel konnte nicht unter die Kote 403,5 m sinken, falls nicht der See für längere Zeit abflusslos wurde. Auf Grund paläobotanischer Untersuchungen schloss W. Lüdi (1951) diese Möglichkeit aber aus, denn ein derart arides Klima widerspricht der damals herrschenden Vegetation."

Der Abfluss des Bodensees

Der Abfluss des Untersees zeigt recht "einseitiges" Abflussverhalten, das sich vor allem auf dessen nördliche Seite konzentriert. Offensichtlich gibt es vergleichsweise tiefe Abflussrinnen, denen der Wasserstrom folgt. Die Tiefenangaben der Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee mit dem zugehörigen → Internet-Link ermöglichen, den Verlauf der Rinnen detailliert zu verfolgen.

Die Abflussrinne im Bodensee-Untersee bis Stein am Rhein

Abflussrinne im Bodensee-Untersee bis Stein/Rhein Internat. Gewässerschutzkomm. Bodensee: → Link

Überraschenderweise besitzt der Abfluss des Untersees eine klar erkennbare Abflussrinne, die sich am nördlichen Ufer anschmiegt, wie der → Tiefenkarte der Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee zu entnehmen ist.

Bei Öhningen hat diese Rinne zumindest bis zur Stiegerstraße eine Tiefe von 10 Metern (vgl. kleines Bild in der nebenstehenden Grafik).

Eine deutlich zu erkennende und mit 12 m deutlich tiefere Rinne am südlichen Ufer (vor Eschenz) endet recht abrupt und setzt sich nicht weiter fort.

[Frage: War das die ursprüngliche Abflussrinne des Untersees? Wurde diese Rinne durch die Schüttungen des Dorfbachs und des Auerbachs verlegt? Und was hat es zu bedeuten, dass diese Rinne auch heute noch um 8 m tiefer ist als jene beim gegenüberliegenden Ufer zwischen Öhningen und Stein?]

Zwischen Öhningen und Stein/Rhein gibt es eine Strecke - wieder am nördlichen Ufer - auf einer Länge von 1 bis 1 ½ km mit einer geringeren Wassertiefe von rd. 4 Metern. Südlich davon ist der Seeabfluss deutlich seichter.

Diese 4 m tiefe Abflussrinne im Untersee vor Stein/Rhein wird wohl durch entsprechende Erosion laufend offen gehalten: falls durch Bachschüttung diese Rinne z.B. um einen Meter seichter würde, ergäbe sich eine höhere Strömungsgeschwindigkeit und das Material würde spätestens beim nächsten Hochwasser abtransportiert.

Bei Stein am Rhein engt sich die Abflussrinne stark ein, sodass sich die Strömungsgeschwindigkeit erhöht und die Wassertiefe auf über 7 Meter anwächst.

Höhenkoten und Gefälle des Rheins bis Schaffhausen

in der Bildmitte: Stein am Rhein mit 397 m ü.M.; links oben: Hemishofener Brücken 393 m ü.M.

Google-Earth-Daten (10.9.2023):

  • Eschenz/Öhningen (Untersee) 397 m ü.M.; nach ~ 1 ½ km →
  • Stein am Rhein 397 m ü.M.; nach ~ 2 km mit 2 ‰ Gefälle
  • Hemishofen 393 m ü.M.; nach ~ 6 km mit 1 ‰ Gefälle →
  • Diessenhofen 387 m ü.M.; nach ~ 8 km mit ¼ ‰ Gefälle →
  • Schaffhausen 385 m ü.M.

Nach Stein am Rhein fließt der Rhein an der Station "Im Hof" mit dem beachtlichen Gefälle von rund 2 ‰ vorbei bis zu den 2 km entfernten Hemishofener Brücken.

Der Rhein hat gleich nach Stein am Rhein mit rd. 300 m und bei den Hemishofener Brücken mit über 300 m ein besonders breites Flussbett, sodass sich eine geringere Strömungsgeschwindigkeit ergibt.

Anm.: Zum Vergleich sei angeführt, dass die Donau in Österreich ein Gefälle von 0,5 ‰ aufweist und damit als "Mittelgebirgsfluss" eingestuft wird. Sie hat dabei – frei in ihrem vglw. engen Bett fließend – eine Strömungsgeschwindigkeit von rd. 10–15 kmh.

Konkrete Gegebenheiten des Seeausrinns zw. Stein/Rhein und Hemishofen

Seeausrinn zw. Stein am Rhein und Hemishofen

Strebel 2020 (S. 6) berichtet: „Der unregulierte, natürliche Seeabfluss ist schweizweit einzigartig. Am größtenteils kiesigen Gewässergrund befinden sich Felder und Riffe poröser Kalktuffe. Diese sind Habitat für zahlreiche Kleinlebewesen, welche wiederum eine reiche Nahrungsquelle für Wasservögel darstellen. Im Winter liegt die Wassertiefe über dem größten Teil der Flussbreite in einem Bereich von 1–3 m.

Flussaufwärts des Gebiets befinden sich strömungsarme Buchten, Inseln und Kiesufer, welche sich gut als Ruhe- und Schlafplätze für Wasservögel eignen. Mit dem Seebecken am Untersee-Ende steht den Wintergästen eine zumeist strömungsarme Wasserfläche als Schlafplatz zur Verfügung, welche nicht weit von den nahrungsreichen Flussabschnitten entfernt ist. Das Untersee-Ende und der anschließende Rheinabschnitt decken sämtliche Ansprüche ab, um Tauchenten und Blässhühnern als herausragendes Überwinterungsgebiet zu dienen (Leuzinger 1976, Suter 1982a).“

Wie ist ein Szenario für eine Seespiegelabsenkung des Bodensees vorzustellen?

Grundsätzlich lag zumindest in der Bronzezeit der Wasserspiegel des Bodensees auf 392 m und damit um 4-5m unter dem heutigen Niveau.

Voraussetzung für das hier gezeichnete Szenario sind hydrologische Kenntnisse des "Abgrabens" von Abflüssen von anderen bereits abgesenkten neolithischen Seen.

Wasserführung des Alpenrheins

Eine Seespiegelabsenkung des Bodensees müsste mit einer Eintiefung der Sohle des Rheins bei Hemishofen und dort bei bereits tiefer Stelle und höherer Strömungsgeschwindigkeit in Angriff genommen werden. Der Rhein ist bei Hemishofen besonders breit (über 300 m), sodass die Fließgeschwindigkeit nur gering ist. Das Gefälle des Rheins beträgt aber im Abschnitt bis Stein/Rhein rund 2 ‰, was einem "Mittelgebirgsfluss" entspricht. [Anm.: Der Inn hat von Innsbruck bis Kufstein ein Gefälle von 2 ‰.] Die Arbeiten müssen vorrangig in den ersten vier oder letzten zwei Monaten des Jahres durchgeführt werden, da dann der Rhein eine geringe Wasserführung hat (Grafik).

Illustrierendes Bild zum Treideln

Erstes Abgraben mittels langen Stangen bewirkt am Grund des Flusses höhere Fließgeschwindigkeit, die das Bodenmaterial flussabwärts abtransportiert. Betrachtet man die heutige Situation (z.B. mit Google-Earth), dann bietet sich hierfür die Rinne am nördlichen Ufer an. Dabei muss möglichst ufernahe im Fluss mittels Einbaum, der sich flussaufwärts auf dem noch langsam fließenden Abschnitt befindet, gearbeitet werden. Dieser Einbaum wird mittels Seil am Flussufer an Bäumen verankert. Das entspricht einer Treidel-Technik, mit der der Einbaum auch im Fluss agieren kann (vgl. hierzu Treideln, Treppelweg (Österreich) oder Reckweg (Schweiz)).

In dem ersten so entstehenden "neuen Kanal" fließt immer mehr Wasser, da nun auch das Wasser der ehemals seichten Stellen des vorher so breiten Flussabschnitts in diesem "Kanal" fließt. Da dieser einen geringeren Querschnitt als der breite Fluss hat, ergibt sich eine höhere Fließgeschwindigkeit, die zumindest das feinere Material rasch abtransportiert und damit diesen "ersten Kanal" weiter eingräbt.

Diese "Rückwärtserosion" wird flussaufwärts vorangetrieben, wobei die erhöhte Strömungsgeschwindigkeit in dem solcherart entstehenden "Kanal" diesen Prozess besonders bei der jeweils immer mehr flussaufwärts gelegenen Arbeitsstelle aufgrund des immer höher werdenden Gefälles umso mehr begünstigt.

Wenn dieses Abgraben fortgesetzt wird und man nach ca. 2,5 km Abgraben bei "Im Hof" bei Stein/Rhein mit einer Eintiefung von 3 Metern anlangt, setzt sich dieser Prozess von selbst ohne jeglichen weiteren Aufwand bis in den Untersee und den Bodensee fort:

Die Wassertiefe bei Stein/Rhein beträgt heute und ursprünglich wohl auch rd. 7 m, die durch die beschriebene Rückwärtserosion unvermittelt auf z.B. 4 m erniedrigt wird. Das bedeutet, der Höhenunterschied zwischen Untersee und dem Rhein bei "Im Hof" beträgt damit plötzlich 3 Meter.

Das bedeutet ein unmittelbar auftretendes enormes Gefälle für das ausströmende Wasser des Untersees. Dadurch wird die bisherige Sohle der Abflussrinne im Untersee rasch seewärts ("rückwärts") erodiert und abtransportiert, bis der Wasserspiegel des Untersees und damit des Bodensees die Höhe des abgegrabenen Rheins erreicht.

Bei einer Absenkung von Untersee und Bodensee um 3 Meter fließen 1,6 Mrd. m3 (= 15 % des gesamten Bodensee-Jahresabflusses) in kurzer Zeit durch die Abflussrinne und haben aufgrund des Gefälles (entsprechend Hochgebirgsfluss) genügend Kraft, um die Rinne rückwärts-erodierend rasch tiefer zu graben.

Abfluss-Situation beim Bodensee

Abflussverhältnisse

Wieder-Aufstau nach Arbon Bleiche nicht mehr gelungen? (vglbar Wauwil)

Keller, Oskar / Krayss, Edgar: → Die letzte Vorlandvereisung in der Nordostschweiz und im Bodensee-Raum (Stadialer Komplex Würm-Stein am Rhein). Eclogae Geologicae Helvetiae 73 (1980); 18 Seiten.

Oskar Keller/Edgar Krayss: → Die hochwürmzeitlichen Rückzugsphasen des Rhein-Vorlandgletschers und der erste alpine Eisrandkomplex im Spätglazial. Geographica Helvetica 1987. 10 Seiten.

Legler, G. (Hauptmann im Geniestabe): → Denkschrift über die Abflussverhältnisse des Bodensees von Constanz bis Stein (1862) v.a. S. 19 ff.

Sohle des Bodensees (Konstanz, Eschenz, Stein) → Bodensee-Regulierung, Hochwasserschutz, Kraftnutzung und Schiffahrt

Treibholz am Bodensee: https://www.igkb.org/fileadmin/user_upload/dokumente/seespiegel/53485_Seespiegel_14.pdf

Rhein-Hochwässer (HQ 100) https://www.bodensee-hochwasser.info/pdf/Extrem-HW-Bodensee-Internet.pdf

Klima-, 14C- und Seespiegelschwankungen am Bodensee

Magny 1993, M.: → Solar influences on Holocene climatic changes illustrated by correlations between past lake-level fluctuations and the atmospheric 14C record. Quaternary Research, 40 (1993), pp. 1-9. (Korrelation von 14C-Gehalt der Atmosphäre mit Seespiegelhöhen)

Magny 2004, M.: → Holocene climatic variability as reflected by mid-European lake-level fluctuations, and its probable impact on prehistoric human settlements. Quaternary International, 113 (2004), pp. 65-79. → Zweite Quelle. In "Duscussion" (p. 74) werden Seespiegel-Hochstände für bestimmte Jahrhunderte aufgelistet. In den Conclusions (p. 77) prognostiziert der Autor, dass "the 14C-record would support the hypothesis by Damon et al. (1989) of a higher-than-average solar activity during the next few centuries."

Magny 2006, M.; Leuzinger, U.; Bortenschlager, S.; Haas, J.N.: → Tripartite climate reversal in Central Europe 5600–5300 years ago. (Klimaschwankungen, 14C-Gehalt der Atmosphäre, Seespiegelschwankungen am Bodensee, Bohrkerne in Arbon Bleiche 3 …); Quaternary Research 65(1) 2006:3-19

Bodenseeabfluss, 10. Bericht

S. 44: 6) Hof bei Stein a. Rhein. Nahezu mitten im Rheinstrom etwas unterhalb Stein am Rhein liegt die Untiefe im »Hof«, wo 1883 die Reste des einzigen zum Gebiete des Kantons Schaffhausen gehörenden Pfahlbaues entdeckt wurden. Ausser zahlreichen Pfählen sieht man aus dem Untergrund auch Schwellen hervorragen, welche zur Sicherung der Anlage gegen die Strömung gedient hatten. Diese kleine Ansiedelung ist ihrer Lage wegen bemerkenswerth. B. Schenk (der ausserdem noch einen neuen Pfahlbau bei Gundolzen am Zellersee, zwischen Hornstaad und Iznang, entdeckt hat) hat diese Station ausgebeutet, auf welcher der starken Strömung wegen nur bei sehr niedrigem Wasserstand gearbeitet werden kann; zur Seltenheit wird die Stelle einmal ganz trocken. Schwache Spuren einer Kulturschicht fanden sich nur in geschützten Lagen. Alle Fundgegenstände sind mit einer dicken Sinterkruste umgeben und desshalb sehr schwer zu erkennen. Das Suchen war daher eine zeitraubende Arbeit, nichtsdestoweniger hat Schenk eine beträchtliche Zahl von Fundstücken gewonnen, als da sind: Feuersteingeräthe, etwa 150 Steinbeile, darunter drei kleine weingelbe Nephrite und zahlreiche grosse Serpentine. Durchbohrte Steinbeile sind ziemlich selten. Merkwürdig ist ein zerbrochenes Beil aus Basalt, bei welchem noch deutlich die bearbeiteten Flächen erkannt werden konnten. Dieser Fund ist ein Unicum. Aus Serpentin besteht eine wirteiförmige durchbohrte Scheibe von zirka 7 cm Durchmesser und einer Dicke von zirka 4 cm, welche wie zwei ähnliche, wenig grössere Scheiben von Bobenhausen und vom Bielersee als Feldhacke gedient haben mag. (Schlagknopf nach Leiner siehe pag. 35.) Neben Horn- und Knochenwerkzeugen fanden sich auch Knochen von Bär, Schwein, Biber, Hirsch, Reh und Kuh. Die Scapula eines Hirsches mit einem Loch in der Mitte, dessen Rand auf einer Seite abgeschliffen ist, ist von allen Unebenheiten durch Schleifen befreit und derjenigen vom »Turgi« (Seite 43) im Museum Frauenfeld ähnlich. Von pflanzlichen Resten sind Flachs-Faden und -Gewebe, sowie Bast-Geflechte zu nennen. Von Töpferwaare ist ein im Besitz der Antiq. Gesellschaft in Zürich befindlicher urnenförmiger Topf von zirka 30 cm Höhe erwähnenswerth. Die Metallzeit ist durch ein Kupferbeil von Steinbeilform (von 7 cm Länge, 4 cm unterer und 3 cm oberer Breite), einen Bronzering und ein Bronzebeil vertreten.


Lage des Pfahlbaus bei Stein am Rhein: "Im Hof"

Wie in der Abbildung zu erkennen ist, ist der Rhein vor der Engstelle zweigeteilt (mit der Insel Werd und Pfahlbauten bei Eschenz) und nachher wird der Rhein bei den Pfahlbauten „Im Hof“ (siehe den Pfeil) sehr breit. Beide Pfahlbauten befinden sich heute unter der Oberfläche des Rheins und sie profitierten sicher nicht von günstigen landwirtschaftlichen Voraussetzungen im Umfeld. Die Berge zu beiden Seiten des Rheins steigen innert kurzer Entfernung um 150-200 m rasch an. Damit erhebt sich die Frage, warum sie dort siedelten. Der Orkopf bei Eschenz könnte die Aufgabe gehabt haben, Verklausungen des Bodenseeabflusses durch heranschwimmende Bäume (nach Stürmen) zu verhindern. Die Lage der Siedlung „Im Hof“ bietet sich als geeignete Stelle für die Sicherstellung einer entsprechenden Rückwärtserosion des Rheins an der Engstelle an. Jedenfalls wäre Stein am Rhein eine besonders geeignete Stelle, um unterhalb des Flussbettes des Rheins zu sondieren, ob die ursprünglich Moräne ungestört vorliegt.


Seespiegelhöhen des Bodensees zw. 392 m und 400 m ü.M. (KOMPAKTER)

Magny Michel zum Bodensee und Suter zum Bielersee (ToDo)

Regressionen und Transgressionen am Bielersee

Magny 2005, M. gibt bereits 1995 in → "Die Schweiz im Neolithikum" als Zeiträume der Seespiegelhochstände 4.100–3.800 v.Chr. sowie 3.600–3.200 v.Chr. an, was mit den von Peter Suter vorgelegten dendrochronologisch bestimmten Ergebnissen für den Bielersee (vgl. Besiedlungsphase um 3.400 v. Chr. in der nebenstehende Grafik) nicht zusammenpasst.

Magny 2004, Michel: → Holocene climate variability as reflected by mid-European lake-level fluctuations and its probable impact on prehistoric human settlements. In: Quaternary International Volume 113, Issue 1, 2004, Pages 65-79.
(16 x eigene Arbeiten zitiert; wurde 671 x von anderen zitiert.)

Müller: In Arbon-Bleiche 3 konnten viele Hinweise auf die Seespiegelentwicklung gewonnen werden (Haas u. Magny 2004, 43–49; Magny et al. 2006, 3–19). Da Untersee und Obersee miteinander kommunizierten, sind die Seespiegelbeobachtungen aus dem Raum Arbon mit jenen von Eschenz direkt vergleichbar. Es wurde dort festgestellt, dass die im Mittelholozän stattgefundenen Klimawechsel Seespiegelanstiege bewirkten. Dabei wird angenommen, dass damals das Klima erheblich feuchter und kühler wurde. Die damaligen Schwankungen lassen sich in zwei erste Seespiegelanstiege, die zwischen 3600 bis 3500 BC stattfanden, und einen dritten gliedern, der um 3375–3320 BC erfolgte. Mit dem Anstieg des Bodenseespiegels konnten die «Pfahlbauer» die seenahen Bereiche der Bucht von Arbon-Bleiche nicht mehr als Siedlungsplatz nutzen.

Magny 2004; Haas N.: Schichtgenese und Vegetationsgeschichte. In: S. Jacomet, U. Leuzinger und J. Schibler, Die jungsteinzeitliche Seeufersiedlung Arbon-Bleiche 3. Umwelt und Wirtschaft. Archäologie im Thurgau 12. Frauenfeld, 43–49.

Magny 2006, M.; Leuzinger, U., Bortenschlager, S. und Haas, J.N. Tripartite climate reversal in Central Europe 5600–5300 years ago. Quarternary Research 65, 3–19.

Die Arbeiten von Oskar Keller & Edgar Krayss (1970er - 2013)

Geograph und Glazialmorphologe Doz. Oskar Keller

Der Geograph und Glazialmorphologe Oskar Keller und der Bauingenieur Edgar Krayss befassen sich seit den 1970er-Jahren mit den Eiszeiten in der Schweiz und vor allem in der Nordost-Schweiz und im Bodenseeraum.

  • Keller 1991, 0skar & Krayss, Edgar: Buch:Geologie und Landschaftsgeschichte des voralpinen Appenzellerlandes. Das Land Appenzell 21/22. Herisau. 120 Seiten.
    • S. 73: Gliederung der würmzeitlichen Eisrandlagen im Bodenseeraum
    • Würm-Maximum (W/M) = Schaffhausen: W1 = Engi, W2 = Herblingen, W3 = Solenberg
    • Würm-Feuerthalen (W/F): W4 = Feuerthalen; W5 = Langwiesen
    • Würm-Stein am Rhein (W/S): W6 = Staffel, W7 = Etzwilen, W8 = Stein am Rhein
    • Würm-Konstanz (W/K): W9 = Reichenau, W10 = Konstanz

Auszug zu: Einzelne Gletscherstände im Rheintal/Untersee (Keller 1999: S. 65)

Maximalstand und erste Rückschmelzphase

Eisstände Rheintal-Untersee nach Oskar Keller

Im Maximalstand W1 drängte sich die Eisfront des Vorlandgletschers so eng an die Kalkfelsen des Randen, dass sich für Ablagerungen kaum Platz bot. Bei Schaffhausen wird der interne Stand W2 durch die Schotterterrasse der Breiti repräsentiert, W3 durch diejenige des Stokarbergs.

Dem Stand W4 wird als Typuslokalität die Munotterrasse zugeordnet. Der zugehörige Wallmoränenkranz streicht von Feuerthalen über Buchthalen zum Rauhenberg und von dort wieder westwärts nach Thayngen. Beim Rückschmelzen zum Stand W6 wurde das Becken von Diessenhofen etappenweise eisfrei. Am Riegel von Langwiesen staute sich ein See auf, in den die Deltaschotter von Ebnet bei Willisdorf geschüttet wurden.

Im Stand W6 lag das Gletschertor der Rheintalzunge bei Rheinklingen. Südlich des Rodenbergs stirnten die Seitenzunge von Etzwilen und die Stammheimer Zunge des Thurtalgletschers gegen einen gemeinsamen Sander. Der Hauptstand W7 des Stein am Rhein-Stadiums Hess die eindrückliche Endmoränenlandschaft zwischen Etzwilen und Hemishofen entstehen. Über Kaltenbach steigen die Randmoränen nach Klingenzell auf; am Gegenhang sind sie hoch über Oehningen zu finden.

Zweite Rückschmelzphase

Nach der inneren Randlage W8 bei der Altstadt von Stein am Rhein setzte auch dort, analog zum Thurtal, die zweite Rückschmelzphase mit der Bildung eines großen Zungenbecken- oder Moränenstausees, des Untersees, ein. Beim Rückzug der Eisfront kam es erst auf der Höhe der Insel Reichenau wieder zu einem bedeutenden Zwischenhalt (W9). Zu dieser Randlage fallen die Seitenmoränen ab, die sich am Hang von Fruthwilen staffeln.

Der Endmoränenbogen von Konstanz markiert den Hauptstand W10 des Konstanz-Stadiums, von Schmidle (1914) als «Konstanzer Phase des Würmgletschers» eingeführt. Die Eisfront des Bodenseegletschers stirnte hier sowohl gegen den Untersee, als auch bei der Insel Mainau gegen den Überlingersee. Über die Stromrinne von Petershausen im Nordteil von Konstanz standen die beiden Gewässer miteinander in Verbindung.


Maximale Ausdehnung des Birrfeld-Gletschers
  • Keller 2010, Oskar: Landschafts-, Klima- und Vegetationsgeschichte. In: S. Benguerel et al.: → Archäologie im Thurgau 16. 2010, S. 43–65. [enthält auch: Leuzinger, Urs: → Jungsteinzeit S. 84 – 105; und alle Zeitperioden bis heute.]
  • Keller 2013, Oskar: Buch: Alpen – Rhein – Bodensee: Eine Landschaftsgeschichte. Appenzeller Verlag, 180 Seiten. (78 CHF)

Die Arbeiten von Erich Müller (1979, 2011)

Ur-Untersee (S. 64)

Der damalige Ur-Untersee reichte von Etzwilen/Hemishofen zumindest bis zum Konstanzer Stand. Die Wasserspiegelhöhe kann zwischen 412 und 415 m über Meer eingegabelt werden, was sehr gut mit der Höhenlage von Verlandungssedimenten im Raum von Stein am Rhein übereinstimmt. Der Ur-Untersee hatte eine wesentlich grössere Ausdehnung als heute. So reichte er bis nach Worblingen zum dortigen Moränenwall und nach Überlingen am Ried sowie nach Böhringen.

3.5.2. Entwässerungsverhältnisse während des Konstanzer Standes (S. 68)

Von der Annahme ausgehend, dass zu dieser Zeit der aufstauende Moränenriegel bei Hemishofen noch intakt war und somit der Seespiegel immer noch auf zirka 410 bis 415 m über Meer lag, bestand bei Kreuzlingen eine im See endende Eisfront.

4.1. Absenkung der Seespiegel (S. 70)

Im Bereich der Stauriegel fanden vorerst nur geringe Erosionen statt. Daher wurden die Seen primär nur langsam, aber sukzessive abgesenkt. Dabei wurden die Abflussmengen und somit auch die Erosionswirkungen stetig erhöht. Dies setzte sich solange fort, bis plötzlich die Riegel schlagartig «zusammenbrachen» und die Seen teilweise oder ganz ausliefen. [„Rückwärts-Erosion“?] Während der Hüttwilersee nur um 7 m und der Untersee um 16 m abgesenkt wurden, verlandeten die übrigen Seen ganz.


  • Müller 2011, Erich R.: Kap. 3.2 Geologie; Abschn. 3.2.5: Seespiegelstände des Bodensees. In: Benguerel 2011, Simone; Leuzinger, Urs; Müller, Erich et al.: → Tasgetium | Das römische Eschenz. Archäologie im Thurgau 17; Veröffentlichung des Amts für Archäologie des Kantons Thurgau. Frauenfeld 2011; 278 Seiten; Seiten 22-23.

Holozän – nacheiszeitliche Landschaftsentwicklung (vom AATG-Geologen Erich R. Müller: S. 22–23)

Natürliche Regulierungen des Seespiegels

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass zwischen Eschenz und Öhningen bzw. dem Äschezerhorn und Stiegen (Öhningen) die Schlüsselstelle zu den Pegelständen des Bodensees liegt. Denn hier wird der nacheiszeitliche Bodensee gestaut. Als maßgebende «Steuerelemente» wirkt das dynamische Zusammenspiel der drei Bachschuttkegel des Dorfbachs und des Auerbachs sowie des Nodbachs (Öhningen) in Kombination mit den Erosionsprozessen des hier austretenden Hochrheins.

Aus den Abflussdaten des Bodensees von 1800 bis 2003 gibt es für den Abfluss des Rhein bzgl. der Pegelstände von Konstanz folgende Beziehung (Ostendorp et al. 2007):

Q [m3/s] = 0,00489·x2 - 0,968·x + 94,3; bei r = 0,996
wobei: x = Pegelstand [in cm] in Konstanz (391,89 [m+NN], bzw. 392,16 m ü. M.)

Damit ergibt bei einem Konstanzer Seepegel von 393 m ein Abfluss unter 100 m³/s und bei einem Pegelstand von 397 ein Rheinabfluss von 850 m³/s. [Anm.: MQ = 369 m³/s; HQ100 = 3.100 m³/s]

Verlauf der Seespiegelstände

Verlauf der Bodenseepegel im Holozän

Für das ganze Holozän betrachtet, traten in dieser Zeitepoche Seespiegel zwischen 392,50 bis 400 m ü. M. auf (Abb. 10). Vorerst befand sich der Seespiegel zur Zeit der Pleistozän-/Holozän-Grenze auf Kote 403±2 m. Dabei wurde der Untersee noch im Bereich des Moränenriegels Stein am Rhein-Burg (W8) gestaut. Anschließend wurde dieser durch den Rheinlauf erodiert, was eine Absenkung der Auslaufhöhe, und damit direkt verbunden, des Bodensee-/Unterseespiegels bewirkte. In der zeitlichen Folge wuchsen die Bachschuttkegel des Eschenzer Dorfbachs, des Auerbachs und des Nodbachs an. Dabei wurde der See nicht mehr am Moränenriegel aufgestaut, sondern an den «vereinigten» Bachschuttkegeln. In späterer Zeit mit geringerer Wasserführung des Rheins vermochten diese Bachschuttkegel den See wieder höher zu stauen. Zu Zeiten mit hohen Abflüssen finden verstärkte Erosionen an den stauenden Bachschuttkegeln statt, was folglich zum Absenken der Staukoten und daher zu niedrigeren Seespiegeln führt.

Auf Koten 403 und 398 m finden sich am Zeller See Strandterrassen. Diese entsprechen frühholozänen Seespiegelständen. Dabei stellt jene unterhalb der 400 m-Höhenlinie eine meist nur 2 m hohe Erosionsstufe dar. Der 398 m-Stand ist zeitlich mit dem Atlantikum (um 7000±1000 Jahre BP) zu korrelieren. Dies stimmt mit dem prähistorischen Befund überein, da mesolithische Funde nur landwärts von oberhalb der 398 m-Höhenlinie bekannt sind. In den Zeitabschnitten von 6 200 bis 5 900 BP sowie um 5300 BP fanden beträchtliche Wechsel der Seespiegelhöhen statt.

Jungsteinzeitliche Siedlungsreste finden sich zwischen den Höhenkoten 393 und 396 m, bronzezeitliche dagegen bei 392 bis 394 m. Während des Subboreals (4500 bis 2600 BP) lag dann der Seespiegel ca. 2–3 m tiefer als heute, das heißt etwa bei 392 bis 393 m ü. M.

Zu den Zusammenhängen von Seespiegelschwankungen mit den Bachdelta-Bildungen im Raum Eschenz–Öhningen fehlen bis heute Beschreibungen. So bleiben die Fragen offen, inwieweit die oben genannten Kriterien auch für das Verstärken bzw. Abnehmen der Deltabildungen zutreffen.

Bundesamt für Landestopografie im Kanton Thurgau (2008)

  • Bundesamt für Landestopografie (2008): → Geologischer Atlas der Schweiz (Blatt 1033/1034 Steckborn-Kreuzlingen). Erläuterungen 112. Verfasst von Zaugg, A.; Geyer, M.; Rahn, M.; Wessels, M.; Schlichtherle, H.; Hasenfratz, A. & Burkhalter, R. (S. 74–76)
  • Billamboz 1997, Andre; Dieckmann, B.; Ellminger, F.; Schlichtherle, H.; Vogt, R.: Prehistoric settlement and lake level changes of Lake Constance. In: 7th Intern. Symp. on Palaeolimnology.Terra nostra 1997/8:17– 20. (€ 16,50)

Seespiegelschwankungen seit der letzten Eiszeit (392-400 m ü.M.) (S. 74–75)

"Früh (1906) gab aufgrund von Delta- und Übergussschichten im Bachschuttkegel von Steckborn (Gebiet Weier) einen maximalen Unterseespiegel von 412 m ü.M. an. Dieser Seespiegel geht vermutlich auf einen spätglazialen, nur kurze Zeit beständigen Eisrandstausee zurück. Schmidle (1942) erwähnte einen maximalen, spät-/postglazialen Unterseestand von 413 m ü.M. und gab aufgrund von Terrassenbildungen, Geländekanten und Strandwällen abgestufte Seestände von 413, 408, 403 und 398 m ü.M. an. Blum et al. (1995) konnten eine Laufrichtungsänderung der Radolfzeller Aach in Rielasingen auf ca. 11 ka BP datieren. Davor floss die Aach in einer ehemaligen Schmelzwasserrinne über Ramsen direkt dem Rhein westlich von Hemishofen zu. Durch Extrapolation des Rinnengefälles der Aach (aus Blum et al. 1995) von Rielasingen über Ramsen nach Hemishofen resultiert ein Vorflutniveau (= Seespiegel im Untersee in der Zeit vor 11 ka BP) um 405 m ü.M. Dieser Seespiegel entspricht dem Seestand vor ca. 12 ka BP im Allerød-Interstadial (Torfmoore Nonnenhorn; vgl. Zusammenstellung der Stände im Bodensee [Obersee] in Zaugg et al. 2008). Der Seespiegel im Untersee war somit im ausgehenden Spätglazial noch maßgeblich durch das Niveau der Rheinsohle im Bereich der Endmoränen im Staffelwald westlich von Stein am Rhein beeinflusst (Staffelwald = äusserer Stand W 6 des Stein-am-Rhein-Komplexes, Keller & Krayss 2005a). Die Seehöhe von 405 m ü.M. entspricht zudem der topographisch höchsten Verbreitung der den Beckenton überlagernden See- und Verlandungssedimente im Raum Kreuzlingen.

Ein auch geologisch interessanter Aspekt ist die Höhenlage der vorgeschichtlichen Siedlungszeugnisse bezogen auf das heutige Niveau des Konstanzer Normalpegels (395 m ü.NN). Während spät-altsteinzeitliche Reste bis etwa 406 m ü.M. nachgewiesen worden sind, finden sich mittelsteinzeitliche Siedlungsreste bei 398–400 m ü.M. (Reinerth 1930), jungsteinzeitliche Stationen bei 393–396 m ü.M. und bronzezeitliche Reste bei 392–394 m ü.M. (Billamboz et al. 1997).

Die tiefe Lage von Fundschichten und Pfahlfeldern im Flachwasser bei 392,5 bis 395 m ü.M. einerseits, und der Nachweis einer jungsteinzeitliche Funde führenden, 398–400 m ü.M. verlaufenden Uferlinie bei Hornstaad anderseits, die mit Torf und kulturführenden Kolluvium überdeckt wurde, weist auf einen beträchtlichen Wechsel des Bodenseewasserspiegels um 4200–3900 v.Chr. und nochmals um ca. 3300 v.Chr. hin. Die Ergebnisse verschiedener Arbeitsgruppen (Rösch & Ostendorp 1988, Niessen & Sturm 1990, Ostendorp 1990, Dieckmann & Vogt 1994, Billamboz et al. 1997) deuten übereinstimmend auf Seespiegelschwankungen von bis zu 8 m (400–392 m ü.M.) im Holozän hin. Eine wissenschaftlich eindeutige und befriedigende Erklärung dieses für einen Binnensee beachtlichen Phänomens steht noch aus. Jüngste Untersuchungen auf Schweizer Seite deuten auf ähnliche, wenn auch metermässig nicht so bedeutende Seespiegelschwankungen der kleinen Seen auf dem Thurgauer Seerücken hin (Nussbaumer See, Steinegger Weiher, Hasesee; vgl. Rösch 1983, 1985). Eine Klärung erhofft man sich unter anderem von detaillierter Dendrochronologie, von Untersuchungen zur Verengung des Ausflusses durch die Deltaschüttungen beim Äschezerhorn (Eschenzer Horn) und zur Karbonatproduktion im Ausfluss des Untersees (natürliche Schwellenbildung?) sowie von der Erklärung möglicher Auswirkungen von Rutschungen in den Rhein zwischen Stein am Rhein und Schaffhausen."

Wechselnde Seepegelstände des Bodensees (in: Der Orkopf, 2020)

von Richard Vogt, Landesamt für Denkmalpflege Stuttgart in:

Bodensee-Ausrinn mit Schwemmfächern kleinerer Bäche

"Dem Bereich Öhningen/Eschenz bzw. Eschenzer Horn und Stiegen am Ausfluss des Untersees kommt eine zentrale Rolle für die Pegelstände des Bodensees zu. Erich Müller sieht hier das Zusammenspiel von drei Bachschuttkegeln als stauende Steuerelemente und Einschneidungen durch den Hochrheinausfluss als massgeblich an (Abb. 10).35 Dabei kommt neben klimatischen Faktoren auch der Witterung mit Starkregenereignissen eine entscheidende Bedeutung zu, welche die Entwicklung der Bachschuttkegel nachhaltig zu beeinflussen vermag. Während hohe Seepegelstände mit erhöhten Jahresniederschlägen, abnehmenden Sommertemperaturen und verkürzten Vegetationszeiten in Verbindung zu bringen sind, entstehen tiefe Pegelstände bei abnehmenden Jahresniederschlägen, zunehmenden Sommertemperaturen sowie verlängerter Vegetationszeit.36 Dieser Zusammenhang ist aktuell nach den unterdurchschnittlichen Niederschlägen des Jahres 2018 und dem daraus resultierenden niedrigen Seepegel offenkundig. Zugleich rufen hohe Abflussraten an Staukörpern wie den Schuttkegeln verstärkte Erosionen hervor, die in der Folgezeit zu sinkenden Seepegeln führen. Konkretere Untersuchungen zu genannten Wirkungsgeflechten existieren bislang jedoch nicht.

Verlauf der Bodenseepegel im Holozän: Grafik: AAThurgau, Erich Müller und Matthias Schnyder.

Erich Müller geht davon aus, dass während des Holozäns Wechsel im Bodenseepegel zwischen 392,5 und bis 400 m ü. M. aufgetreten sind.37 Er leitet dies aus den Höhenlagen frühholozäner Strandterrassen auf Niveaus von 403 bzw. 398 m ü.M. sowie der Lage jungsteinzeitlicher und bronzezeitlicher Siedlungsreste ab. Seine Überblicksdarstellung ist in Abbildung 11 wiedergegeben. Hierzu ist allerdings anzumerken, dass die genauere Höhenlage der Seepegel aus mehreren Gründen nur äusserst schwer zu fassen ist. So lässt sich aus überlieferten Seeablagerungen gewöhnlich nur der minimale, für deren Entstehung notwendige Wasserstand ablesen, obwohl der Pegel natürlich deutlich höher gelegen haben kann. Als Beispiel können hier Seekreideablagerungen dienen, die sich sowohl im seichten Flachwasser als auch bei einer mehrere Meter mächtigen Wasserüberdeckung ablagern können. Ausserdem kann für Siedlungsschichten im heutigen Flachwasserbereich nicht automatisch auf tieferliegende Seepegel (Trockenbodenbedingungen) zu damaliger Zeit geschlossen werden, denn bei Anzeichen für eine abgehobene Bauweise sind durchaus deutlich höhere Pegelniveaus möglich. Ausserdem ist zu berücksichtigen, dass Sedimentschollen mit den darin enthaltenen Kulturschichtstraten v.a. im Haldenbereich in tiefere Niveaus als in prähistorischer Zeit abgeglitten sein können. Seetiefstände sind wiederum deshalb schwer zu fassen, da die dabei abgelagerten Sedimente bei Transgressionen überspült und zumindest teilweise wieder aufgearbeitet wurden. Um also eine durchgehende Seepegelchronologie vorlegen zu können, bedarf es eine Fülle weiterer Einzelbeobachtungen."

Fußnoten 35, 36, 37: Müller, Erich In: Benguerel et al. 2011: Tasgetivm I Das römische Eschenz, S. 22.

Seepegel zur Zeit der Steinschüttung der "Hügeli" im Bodensee (2021)

Seepegel zur Zeit der Steinschüttung (S. 108; "ERM" = Erich Müller): "Eine der zentralen Fragen ist, ob die Hügel an Land, im Flachwasser oder sogar unter Wasser aufgeschüttet wurden. Die Hügelbasen liegen heute zwischen 389.50 und 392.00 m ü.M., die Kuppen variieren zwischen 390.8 und 392.7 m ü.M. Somit befinden sich die Hügelscheitel heutzutage ganzjährig unter Wasser; bei winterlichen Niedrigwassertiefstständen von 395 m ü. M. um die 3 m 5. ( 5 Der extreme Tiefstand der Messperiode 1930–2019 wurde mit 394.5 m ü. M. am 13. Februar 2006 am Pegel Romanshorn gemessen. [Anm.: 1891 - 394,25 m ü.M.]).

ERM: Geologisches Profil durch Rhein bei Hemishofer Brücken
Geolog. Bericht #2007 Geotechn. Büro Dr. von Moos AG 1969

Aus hydrologischen und geologischen Gründen kann der Bodenseepegel nicht beliebig absinken. Der Seepegel war aber klimabedingt phasenweise deutlich tiefer als heute (Vogt 2020 [Wechselnde Seepegelstände des Bodensees. In: Der Orkopf] ). Die höchstmögliche, aber wohl kaum tatsächlich erreichte Untergrenze eines prähistorischen Wasserspiegels lässt sich anhand der Profile bei Eschenz und Hemishofen berechnen (Müller 2011, S. 22: [Seespiegelstände des Bodensees. In: Benguerel 2011: Tasgetium | Das römische Eschenz.] ). ... Hauptregulatoren der Seepegelschwankungen sind somit die Bachschüttungen bzw. Erosionsvorgänge bei Eschenz/Öhningen (D) und im Konstanzer Seerhein. Eine für den minimalen Obersee-Pegel relevante Stelle liegt allerdings bei den Rheinbrücken von Hemishofen. Dort gibt es vier Bohrungen, die belegen, dass die Basis der Abflussrinne – Oberkante der anstehenden Moräne – bei höher/gleich 390 m ü. M. liegt (Geotechnisches Büro Dr. A. von Moos AG, 1969) (vgl. die Abb.). Somit kann man modellhaft mit einem tiefstmöglichen Wasserspiegel um 392.5 m ü. M. bei einer abfliessenden Wasserhöhe von maximal 2.5 m ausgehen. Auch wenn das Bohrraster bei Hemishofen etwas weitmaschig erscheint, ist doch offensichtlich, dass der Untersee und erst recht der Obersee wohl nie unter die Kote 393 m ü. M. abgesunken sein können. Dies ist auch mit den absoluten Höhen der Kulturschicht von Arbon-Bleiche 3 bei 393.9 m ü. M. um 3380 v. Chr. (Leuzinger 2000, 12 [Die jungsteinzeitliche Seeufersiedlung Arbon-Bleiche 3. Befunde. Archäologie im Thurgau 9.]; Magny, M.; Leuzinger, Urs et al. 2006 [Tripartite climate reversal in Central Europe 5600–5300 years ago.]) und den Befunden im Umfeld des Orkopfs bei Eschenz mit 393.5 m ü. M. in der Frühbronzezeit (Benguerel et al. 2020, 100–106) vereinbar. Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang auch die sehr tief liegenden Kulturschichtreste der beiden spätbronzezeitlichen Seeufersiedlungen Unteruhldingen (D) Stollenwiesen und Hagnau (D) Burg auf Höhenkoten um 392 m ü. M. (Schöbel 1996, 76–80). Bei den letztgenannten beiden Fundstellen gilt es allenfalls Sedimentrutschungen sowie eine abgehobene Bauweise der Häuser zu berücksichtigen."

"Die hypothetisch mögliche minimale Pegelhöhe des Bodensees um 393 m ü. M. zur Bauzeit der Steinstrukturen hätte zur Folge, dass die Hügel damals im Winterhalbjahr in mindestens 1.5–2 m Wassertiefe aufgeschüttet worden sein müssen. Damit die künstlichen Inseln bei einer angenommenen Höhe der Steinpackung von 0.8 bis 1.5 m Mächtigkeit aus dem Wasser ragen würden, fehlen in dieser Berechnung nach wie vor mehrere Dezimeter. Ob man diesen Höhenunterschied mit Sedimentsetzungen, Verlagerung der Steinpackung oder Mikrotektonik erklären kann, ist derweil offen. Ebenso unbeantwortet bleibt zurzeit die Frage, ob eine Sichtbarkeit der «Hügeli» an der Oberfläche zumindest saisonal von ihren Erbauern tatsächlich beabsichtigt war."

Verwendete Literatur:

Leuzinger (2000), Urs: → Die jungsteinzeitliche Seeufersiedlung Arbon-Bleiche 3. Befunde. Archäologie im Thurgau 9. Frauenfeld. [Seite 15: Die archäologischen Fundschichten verlaufen auf Höhen zwischen 393,90 und 397,00 m ü.M. und aus Rezension: ... zieht der Autor zu Recht den Schluss, dass die Häuser an der Hangkante der Arboner Bucht zumindest seewärts vom Boden abgehoben errichtet wurden.]

Müller 2011, Erich: Kap. 3.2 Geologie; Abschn. 3.2.5: Seespiegelstände des Bodensees. In: S. Benguerel/H. Brem/B. Fatzer et al.: → Tasgetium I. Das römische Eschenz. Archäologie im Thurgau 17. Frauenfeld. S. 22 ff.

Vogt 2020, R.: Wechselnde Seepegelstände des Bodensees. In: S. Benguerel/H. Brem/R. Ebersbach et al.: → Der Orkopf. Eine Fundstelle auf der Landesgrenze. Archäologie im Thurgau 20. Siedlungsarchäologie im Alpenvorland XIV, 22–23. Frauenfeld.

Schöbel 1996, G.: → Die Spätbronzezeit am nordwestlichen Bodensee. Taucharchäologische Untersuchungen in Hagnau und Unteruhldingen 1982–1989. Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg 47. Stuttgart.

Magny 2006, Michel; Leuzinger, U.; Bortenschlager, S. et al.: → Tripartite climate reversal in Central Europe 5600–5300 years ago. Quaternary Research 65, 3–19.

[Anm.: C. Schindler war 1969 Mitinhaber des Geotechn. Büros von Dr. Moos AG; 1982 Prof. f. Ingenieurgeologie ETHZ]

Zürichsee - Limmat (1971) (ToDo)

Conrad Schindler: → Geologie von Zürich und ihre Beziehung zu Seespiegelschwankungen; Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Ges. Zürich 1971:283–315.

S. 297: „… höchstwahrscheinlich die dubiose «Seekreide» den Sünden eines längst verstorbenen Bohrmeisters anzurechnen ist.“ UND: „Es konnte z. B. durch Rückwärtserosion in der Ausflussrinne leicht ein kritischer Punkt erreicht werden, in welchem die höchste Schwelle plötzlich um beispielsweise 2 m erniedrigt wurde.“ UND: "gesamte Limmatsohle besteht aus Moränenmaterial"

Traunsee (ToDo)

Trebsche 2023, Peter; Seidl da Fonseca, Helena; et al.: → A Fluctuating Environment: Micromorphological and Archaeobotanical Investigations of the Early Iron Age Lakeshore Settlement at Traunkirchen (Upper Austria). Environmental Archaeology, The Journal of Human Palaeoecology; 18.2.2023.

Geologie: Endmoränen, -material und Seeabfluss (großteils, ToDo)

Abfluss des Attersees - Längenschnitt des Traungebiets 1904

Wie der nebenstehenden Abbildung aus 1904 (K.k. Hydrographischer Dienst in Österreich: Das Traungebiet) vor jeglicher Abflussbeeinflussung und -regulierung des Attersees zu entnehmen ist, hatte dessen Seeausrinn auf den ersten Kilometern der Ager ein recht starkes Gefälle, das weit über dem Durchschnitt der Ager mit rund 3,6 Promille lag.

Diese Gegebenheit ist auf das Vorhandensein der Endmoräne bei Schörfling/Seewalchen zurückzuführen, auf deren see-abgewandten Seite eben dieses höhere Gefälle auftrat. Dies führte früh zur Anlage von Mühlen, die bereits im Mittelalter errichtet wurden, und heute noch mit der Ortschaft "Siebenmühlen" daran erinnern.

Demgegenüber gibt es beim Ausrinn des Gmundner Sees keine Überhöhung der Endmoräne mehr, die vermutlich durch die immer wieder auftretenden extremen Hochwässer eingeebnet wurde.

Damit gab es am Gmundner See auch keine einfachen Möglichkeiten einer Seeabsenkung mittels Rückwärts-Erosion durch neolithische Kanal-Pfahlbauern.

Dass es in späterer Zeit dennoch zwei Mal zu Seespiegel-Absenkungen gekommen ist, zeigen aktuelle Forschungen bei Traunkirchen.

Salcher, B. et al.: → High-resolution mapping of glacial landforms in the North Alpine Foreland, Austria. (vgl. v.a. Abb. 7, S. 288 zum Seeabfluss durch Endmoränen: "verändert nach Schreiner": Hegau und westlicher Bodensee. = Sammlung Geologischer Führer - besorgt am 22.4.22. Neuere Literatur: → Bernhard Salcher, University of Salzburg, Department of Geography and Geology, PhD

Salcher, Bernhard; Starnberger, Reinhard; Götz, Joachim: → Sediment‐landform associations of major glaciations in the North Alpine Foreland. Abb. 6 XXI International Congress of the Carpathian Balkan Geological Association (CBGA 2018); Berichte der Geologischen Bundesanstalt, v. 126, p. 289 – 304.

Ellwanger, D. et al.: → Quaternary of the southwest German Alpine Foreland (Bodensee-Oberschwaben, Baden-Württemberg, Southwest Germany), Quaternary Science Journal 2011, Vol. 60, Nr. 2-3, p. 306-328. - es sind v.a. die Moränenbildungen unterschiedlicher Eiszeiten zw. Ober-/Untersee und beim Abfluss des Bodensees von Interesse.

Huber (Zürichsee, Sihl, Limmat)

Schindler, Conrad: → Geologie von Zürich und ihre Beziehungen zu Seespiegelschwankungen: S. 297: Schindler wischt Hinweise auf Seekreidefunde und "Moräne" (Seekreideablagerungen?) in größerer Tiefe (19-20 m) mit den „Sünden eines längst verstorbenen Bohrmeisters“ vom Tisch.

Janik, V.: → Die Pfahlbausiedlung See/Mondsee im Blickfeld landschaftlicher Forschung. Jahrbuch des OÖ Musealvereins, Linz, 1969; S. 181 - 200.

Suter, Peter et al.: → Um 2700 v. Chr. – Wandel und Kontinuität in den Ufersiedlungen am Bielersee: S. 145, ad "Nidau": Die erhaltenen Kulturschichten liegen in 4 bis 6 m Tiefe unter dem heutigen Gehniveau unterhalb von Ablagerungen der Moderne sowie Seekreide-, Lehm-/Silt- und Torfschichten ... Im südlichen Siedlungsareal – landseitig der spätbronzezeitlichen Station Nidau, Neue Station – finden sich erneut Schlagdaten des 39. Jahrhunderts v. Chr.; ihre 14C-Daten fallen in den Zeitraum 3950 bis 3800 v. Chr.

Lukas, S., Rother, H.: → Moränen versus Till: Empfehlungen für die Beschreibung, Interpretation und Klassifikation glazialer Landformen und Sedimente. (zur Zusammensetzung von Moränenmaterial)

Rother, H. u. Wansa, S.: → Gletscherablagerungen und glazigene Vollformen (Lockergesteine). Geologische Kartierungsanleitung in der Geowissenschaftlichen Sammlungen im Bereich der Staatlichen Geologischen Dienste Deutschlands.


Hydrologen zur Rückwärts-Erosion (ToDo)

111 Pfahlbaustationen: Örtlichkeit, Seehöhe, heutige Lage unter/über Wasser

Im Folgenden werden Informationen zu den 111 UNESCO-Pfahlbaustationen gebracht unter Verwendung von

  • Google-Earth: Damit wurde die Tiefen-Lage der 111 Stationen an den Seerändern einzeln abgeschätzt, wobei man bei den bei Sonnenschein aufgenommenen Google-Bildern wegen der unterschiedlichen Farbe einfach seichte von tieferen Stellen unterscheiden kann. [Dieses Vorgehen wurde dadurch erforderlich, da es überraschenderweise zu den meisten Pfahlbau-Stationen keine Tiefenangaben gibt.]

Die 56 Schweizer Stationen weisen eine durchschnittliche Seehöhe von 429 m ü.A. auf; die fünf österreichischen Stationen zeigen durchschnittlich 479 m ü.A.; 18 Stationen in Süddeutschland liegen auf 485 m ü.A.; die 11 französischen Stationen auf 367 m ü.A.; die 19 italienischen Stationen liegen auf nur 167 m ü.A. und die beiden slowenischen Stationen liegen auf 288 m ü.A.

45 Stationen liegen auf einer Seehöhe zwischen 400 und 449 m ü.A. und weitere 25 Stationen liegen auf Seehöhen zwischen 450 und 600 m ü.A. (2 Stationen auf 612 m und 652 m ü.A.); 17 Stationen haben Seehöhen zwischen 350 und 399 m ü.A.

In den nachfolgenden Tabellen werden angegeben:

  • UNESCO-Nummer und Örtlichkeit der Station, See-Name samt Seehöhe über Adria und vor allem die
  • konkrete Lage der Pfahlbau-Station
    • am Seerand im Flachwasser (einige wenige Meter Tiefe: entsprechend der Anmutung in Google-Earth)
    • oder trocken auf dem heutigen Ufer
  • geschätzte Ausdehnung der Strandplatte Richtung See (ev. auch deren Länge parallel zum Ufer)
Höhenverteilung Schweizer Pfahlbaustationen; die niedrige-Seehöhe-Stationen liegen am Genfersee

Es gibt offenbar eine besonders bevorzugte Seehöhe für die „klassischen“ Pfahlbaustationen, wie der eingefügten Tabelle und der Grafik zu entnehmen ist. Einerseits sind das die Seehöhen zwischen 400 und 450 m mit 44 Stationen, andererseits liegen sogar 66 der 111 UNESCO-Pfahlbaustationen – das sind knapp 60 % – innerhalb von nur 120 Höhenmetern: und zwar zwischen 395 m und 514 m ü.A.

Es ist wohl davon auszugehen, dass sich diese Gegebenheiten noch verstärken, wenn man sich auf vergleichbare Rahmenbedingungen konzentriert wie z.B. Beschränkung auf die ehemaligen Gletscherrandgebiete nördlich der Alpen oder die französischen Stationen. Allein 45 der 56 Schweizer Stationen liegen innerhalb eines engen Bereichs von nur 60 Höhenmetern und zwar von 400–460 m ü.M.

Wie den Tabellen zu entnehmen ist, liegen die Pfahlbaustationen ganz überwiegend unter Wasser – und regelmäßig in vergleichsweise wenig tiefem Wasser (einige Meter). Hinsichtlich der Pfahlbauten, die heute am trockenen Land liegen kann nur vermutet werden, dass diese zu einer Zeit mit hohem Wasserstand errichtet worden sind. Bei solchen Stationen dürfte es demnach nicht mehrere Kulturschichten mit zwischengelagerter Seekreide geben (was einfach zu überprüfen ist).

Die Pfahlbaustationen unter 400 Höhenmetern zeigen offenbar einen anderen Siedlungszugang.

Da die 111 Stationen bereits eine Auswahl darstellen, können die hier gebrachten Auswertungen nur qualitativ sein: für eine generelle Aussage müssten alle über 1000 Stationen in zeitlicher und räumlicher Dimension systematisch untersucht werden, was aber über den hier gesteckten Rahmen hinausgeht; wissenschaftlich relevant (und interessant) wäre dies allemal.

Verteilung der 111 UNESCO-Pfahlbaustationen auf Höhenbereiche
Höhenverteilung der 111 UNESCO-Pfahlbaustationen
Höhenbereich in m ü.A. Anzahl
über 600 m 2
550-600 m 9
500-550 m 6
450-500 m 9
400-450 m 44
350-400 m 17
300-350 m 0
250-300 m 6
200-250 m 7
150-200 m 0
100-150 m 3
50 -100 m 5
3-50 m 3

Gletscherrandseen; Seehöhe, Fläche, Einzugsgebiet, Abflussgefälle, Siedlungsalter

Der Alpenraum zum Höhepunkt der letzten Eiszeit; © Geologische Bundesanstalt; Idee van Husen (2013)

Zitat: © Geologische Bundesanstalt (Hrsg.): → Der Alpenraum zum Höhepunkt der letzen Eiszeit.. Geologische Bundesanstalt: → Quartär/Rocky Austria: Seitenende: "Grafiken stehen für Forschung und Lehre zur Verfügung" mit dortigem → Download-Link.

Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen: Wikipedia, Daten zu den Stationen ...; → Liste der größten Seen in der Schweiz

  • Zürichsee 406 m, 90,1 km2; 1800 km2; Limmat MQ 101 m³/s; "Sihl" kann Limmat verlegen; Limmat 5 m auf 1 km nach Sihl-Treffen: > 5 ‰ Gefälle; 4250 v.Chr.;
  • Egolzwil 597 m (bei Wauwil ~3-km2-See; heute 6 m tiefe "Wanne" durch "Ron" rundherum trockengelegt) ; 4280 v.Chr.
  • Bodensee 395 m, 536 km2; 11.487 km2; Rhein MQ 251 m³/s; Stein am Rhein/Diessenhofen: 10 km - 16 m: 1,6 ‰ Gefälle; bei Stein mehr; 4000 v.Chr.
  • Zugersee 413 m, 38,3 km², 212 km² Einzugsgebiet, MQ = 6 m³/s; auf 2,2 km – 6 m = 3 ‰ Gefälle
  • Genfersee 372 m, 581 km2; 7.975 km2; Fluss "Arve" kann Rhone verlegen; 1 km 3 m: 3 ‰ Gefälle; 4000 v.Chr.
  • Sempachersee 504 m, 14,5 km2; 4000 v.Chr.
  • wegen Juragewässerkorrektionen nur Abschätzungen der Abflussgefälle:
    • Bielersee 429 m, 40 km2; ~3200 km2 (o. Aare ...→ Richard La Nicca, Bern 1842); 4000; Flüsschen "Schüss" kann Zihl verlegen; Alte Zihl 1,5 km rd. 5 m bei Port: 3,5 ‰ Gefälle;
    • Neuenburgersee 430 m, 218 km2; 2.670 km2; 4000; wahrscheinlich mit 5-km-Kanal mit (vor-)abgesenkt
    • Murtensee 429 m, 22,8 km2; 693 km2; ursprünglicher Abfluss nach Nordosten: 10 km (Kallnach) fast ohne Gefälle; 3000 v.Chr.

  • Savoyische Seen ~430-550 m; 3500 v.Chr.

  • Federsee 578 m, 1,4 km2; 35,4 km2; 4000 v.Chr.
  • Starnberger See (bis 1962 Würmsee) 584 m, 58,4 km2; 314 km2; Würm mäandert lustlos ohne Moräne mit wenig Gefälle; 4000 v.Chr.
  • Ammersee (Altheimer Gruppe) 533m, 46,6 km2; 993 km2; Amper nach 12 km 528 m: 1 ‰ Gefälle; 3500 v.Chr.

  • Attersee 469 m, 46,2 km2; 464 km2; Ager MQ 17,1 m³/s, HHQ 110 m³/s; 3,6 ‰ auf 34 km; 4000 v.Chr., Ndf VRI 4310 ± 90 v.Chr.
  • Mondsee 481 m, 13,8 km2; 247 km2; Seeache MQ 9,14 m³/s, HHQ 73,4 m³/s; Gefälle 4 ‰ auf 3 km; VRI 4910 ± 130 v.Chr.
  • Keutschachersee 506 m, 1,3 km2; 30 km2; VRI 5420 ± 60 v.Chr.
    • Mattsee|Obertrumer See|Grabensee: alle 503 m – Mattig in 8 km 491 m: 1,5 ‰ Gefälle;
    • Wallersee: 506 m – Fischbach fließt km-lang flach dahin;
    • Wolfgangsee: 538 m – Ischler Ache fließt 4 km bis 514 m mit ≈ 6 ‰ Gefälle;
    • Fuschlsee: 665 m – max 2 ha Strandplatten; entwässert in Mondsee;

  • Lago di Varese 238 m, 15 km2; 112 km2; 5300 v.Chr.
  • Gardasee 65 m (größte Tiefe 346 m), 370 km2; 3556 km2; 2200 v.Chr.
  • Ledrosee 655 m; 2,2 km2; 111 km2; 2000 v.Chr.
  • Lago di Viverone, 230 m, 5,8 km2; 25,7 km2; 1450 v.Chr.

Hydrologie der Salzkammergut-Seen für die Kanal-Pfahlbauern

Niederschlagsverteilung Traunsee-Gebiet 12.+13.9.1899
Linz < 50 mm; Attersee 250 mm; Hallstättersee > 350 mm

Extremniederschläge im Traungebiet September 1899

Flögl 1980, Helmut & Blaschke, Hans: → Die Hochwasserretention der Salzkammergutseen. Sonderband Hochwasser-Abwehr des Landes OÖ, 1980, 20 Seiten.

Das extremste Hochwasserereignis wurde aufgrund der Niederschläge von nur zwei Tagen – am 12.+13.9.1899 – verzeichnet. (Nach: K.k. Hydrographischer Dienst in Österreich (1904): Das Traungebiet und die Verwertung des Retentionsvermögens der Salzkammergut-Seen zur Milderung der Hochwassergefahren.)

Die Niederschläge nur dieser beiden Tage betrugen in Linz weniger als 50 mm; beim Attersee rd. 250 mm; im inneren Salzkammergut 300 mm und beim Hallstättersee sogar über 350 mm.

Aber auch Niederschlagsereignisse der jüngeren Zeit z.B. 2.-5.6.2013 konnten regional ziemlich stark ausfallen:

  • Weißenbach v. 2.6.2013 Pegel 303 cm mit HQ 114 m³/s und einer Jährlichkeit von 200 Jahren
  • See/Mondsee 3.6.2013 Pegel 356 cm mit HQ 94,1 m³/s und einer Jährlichkeit von 25 Jahren
  • Raudaschlsäge 5.6.13 Pegel 108 cm mit HQ 93,5 m³/s und einer Jährlichkeit von 15 Jahren

Hydrologischer Vergleich der Seen

Hydrologischer Vergleich Attersee : Mondsee : Wolfgangsee : Traunsee
Einzugsge-
biet E [km²]
Seefläche
F [km²]
Verhältnis
E / F
Seeinhalt
[Mio. m³]
Abfluss MQ
in [m³/s]
Durchfluss-
dauer [a]
Hochwasser
1899 [cm]
HHQ-Speicherg
1899 [Mio m³]
Attersee 462 46,8 10,1 3.944 17,0 7,2 146 68,2
Mondsee 247 14,2 17,4 510 9,1 1,8 236 33,5
Wolfgangsee 123 13,2 9,2 619 5,4 3.9 187 24,6
Traunsee 1417 25,7 58,0 2.302 70,0 1,0 354 90,8

Daten: Rosenauer 1932: F.: → Über das Wasser in OÖ.; Flögl 1980:Die Hochwasserretention der Salzkammergutseen

Von allen in Frage kommenden Seen zeigt der Attersee von vornherein die günstigsten Hochwasserverhältnisse. Unter Berücksichtigung des Zwei-Seen-Systems mit dem Mondsee konnten für den Attersee aber noch zusätzliche Verbesserungen erzielt werden.

Wie der obigen Tabelle zu entnehmen ist, kam der Traunsee schon wegen seiner extremen Hochwasserverhältnisse für eine neolithische Besiedlung nie in Betracht: Die Seespiegel-Schwankung zwischen Mittelwasser und Hochwasser betrug mehr als vier Meter.

Das Attersee-Mondsee-System

Vergleich Mondsee : Attersee : (Attersee ohne Mondsee)
MQ = mittlerer Abfluss; HHQ = höchster Hochwasserabfluss
Einzugs-
gebiet [km²]
Seefläche
[km²]
MQ
[m³/s]
HHQ
[m³/s]
Mondsee allein 247 13,8 9 73
Attersee mit Mondsee 463 60,0 17 110
Attersee ohne Mondsee 217 46,2 8 37

Wie der Tabelle und den für Pfahlbausiedlungen besonders bedeutsamen Hochwasser-Verhältnissen HHQ (= höchster Hochwasserabfluss) entnommen werden kann, sind die Hochwässer des Mondsees (Abfluss 73 m³/s bei kleiner Seefläche) die hauptsächliche Ursache für die Attersee-Hochwässer des gemeinsamen Systems Mondsee-Attersee (110 m³/s). Diese sind für den Attersee im Gesamtsystem dreimal so schwierig wie für den Attersee allein (37 m³/s - wegen des geringeren direkten Einzugsgebietes und der viel größeren Seefläche).

Extrem-Hochwasser am Attersee 11.-20.9.1899

Wie der obigen Tabelle zu entnehmen ist, verdoppelt sich der alleinige Attersee-Abfluss bei Hochwasser (37 m³/s) nur auf das Doppelte des Normal-Abflusses (17 m³/s), wenn man den gleichzeitigen Hochwasserabfluss des Mondsees verhindern kann.

Wenn man den Attersee besiedeln wollte, musste man die drohenden Hochwässer des Mondsees beherrschen.

Wenn man für ein Starkregenereignis eine Verhinderung der Abflusswelle des Mondsees in den Attersee für die Dauer von 3 Tagen annimmt, erhöht sich bei dieser Wasserrückhaltung der Spiegel des Mondsees um ~ 1 ½ m (73 m³/s x 3.600 s x 24 h x 3 Tage = 18,9 Mio. m³ geteilt durch 13.8 Mio. m² Seefläche = 1,37 m). Mit einer Vorabsenkung um 3 m liegt man auf der sicheren Seite.

zu beherrschende Hochwasserereignisse am Mondsee

Wie der nebenstehenden Grafik zu entnehmen ist, bringt das stärkste Hochwasserereignis am Mondsee innert eines Jahrhunderts einen Seespiegelanstieg um maximal 2 ½ m.

Wenn man den Mondsee-Abfluss z.B. um rund 3 m vorab absenkte, hätten die Auswirkungen eines Starkregen-Ereignisses auf den Attersee durch entsprechenden Aufstau des Mondsees minimiert werden können.

Damit die Pfahlbauten in See/Mondsee auch bei einer Hochwasserrückhaltung des Mondsees auf dem Trockenen blieben, wäre eine Absenkung des Mondsees um rund 4–5 m zielführend gewesen (vgl. Janik-Veröffentlichung mit 6 m bei Möbelfabrik).

Seeretention HW 9/1920: - - - Abfluss ohne Retention [m³/s]

Es ist allgemein geläufig, daß bei steigenden Zuflüssen zu einem See dessen Wasserstand einige Zeit steigen muß, bis der Abfluß gleich groß wird wie der Zufluß. Dieser Effekt wird Seeretention genannt. Ebenso wird bei fallenden Zuflüssen der Seeabfluß nachhinken und sich erst allmählich dem kleiner werdenden Zufluß anpassen.

Die vergleichsweise beherrschbaren Hochwässer von Mondsee und Attersee stehen in starkem Kontrast zu den Verhältnissen am Traunsee: Der Hochwasserabfluss des Traunsees hätte 1920 ohne Seeretention 1400 m³/s betragen, wies aber trotz der Seeretention noch immer einen Wert von 1050 m³/s auf - das ist rund das 6fache von Mondsee und Attersee. Der Traunsee war für die Kanal-Pfahlbauern sicher nicht beherrschbar.

Durch die natürliche Seeretention kommt es auch zu einer Reduktion der ohne diese (theoretisch) auftretenden Seespiegel-Erhöhungen des Attersees: 1918: 90 cm (statt 320 cm ohne Retention); 1920: 130 cm (statt 350 cm); 1954: 110 cm (statt 280 cm); 1959: 130 cm (statt 490 (!) cm). Im Jahr 1959 betrug vor / während des Hochwassers der Abfluss 30 / 115 m³/s bei einem Seestand von 469,40 / 470,20 m ü.A.

Die höchsten Wasserspegeldifferenzen zwischen Hochwasserspitze und dem Ausgangswasserspiegel unmittelbar vor der Hauptwelle betrugen für den Attersee 1899: 1,05 m; für den Mondsee 1899: 2,28 m und für den Traunsee 1897: 3,35 m (!).

Die Hochwässer weisen bei den im folgenden angeführten Jährlichkeiten (= Auftretenswahrscheinlichkeiten alle ... Jahre) folgende Abflussmengen auf:

  • See (See-Ache): 40 m³/s (jährlich); 80 m³/s (alle 10 a); 100 m³/s (alle 30 a); 120 m³/s (alle 100 Jahre)
  • Raudaschlsäge: 43 m³/s (jährlich); 85 m³/s (alle 10 a); 110 m³/s (alle 30 a); 140 m³/s (alle 100 Jahre)

Kein hoher/niedriger Wasserstand wegen feuchtem/trockenem Klima

Abfluss aus Attersee abhängig vom Wasserstand

Wie der Abbildung der „natürlichen Konsumtionskurve“ des Attersee-Abflusses (Flögl 1971) entnommen werden kann, steigt der Abfluss in Abhängigkeit von der Seehöhe exponentiell an, wie man auf einfache Weise durch Drehen der Abbildung (Wasserstands-Achse liegt dann als Abszisse unten) - und damit dem Vertauschen der beiden Achsen - erkennen kann.

So beträgt der Attersee-Abfluss bei einer Seehöhe von 469,0 m: 20 m³/s; bei einer Seehöhe von 469,5 m: 50 m³/s; bei einer Seehöhe von 470,0 m bereits 110 m³/s und bei einer Seehöhe von 470,5 m über 230 m³/s.

Die beiden angefühten Punkte bezeichnen die Wasserstände und Abflüsse der extremen Hochwässer der Jahre 1899 und 1959.

Demgegenüber wird der Attersee bei einer Seehöhe von 468,5 m abflussfrei.


Die Attersee-Pfahlbauten werden (geschätzt) in Seehöhen von ca. 464 - 467 m ü. A. gefunden.

[Anm.: Die österreichischen Pfahlbauten werden nach Abschätzungen aufgrund Google-Earth-Bildern in Seetiefen von ca. 464–467 m ü.A. gefunden, wobei hierzu bestimmte Sichttiefen für das Wasser angenommen werden. Mit Ausnahme von Schweizer Arbeiten (z.B. Suter - Kleiner Hafner) gibt es in den Veröffentlichungen nur selten konkrete Tiefenangaben.]

Verwendete Literatur

K.k. Hydrographischer Dienst in Österreich (1904): Das Traungebiet und die Verwertung des Retentionsvermögens der Salzkammergut-Seen zur Milderung der Hochwassergefahren. Hrsg. vom k. k hydrographischen Zentral-Bureau, Wien. Verlag W. Braumüller, Wien 1904.

Rosenauer 1932, F.: → Über das Wasser in OÖ. JBOÖMV 1932:356–378.

Flögl 1980, Helmut; Blaschke, Hans: → Die Hochwasserretention der Salzkammergutseen. Hochwasser-Abwehr (Sonderband des Landes OÖ) 1980, 20 Seiten.

Nachtnebel 2008, Hans-Peter et al.: → Wasserwirtschaftliche Entwicklung in Überflutungsgebieten. Institut für Wasserwirtschaft, Hydrologie und konstruktiven Wasserbau, BOKU. 255 Seiten. Teil Attersee S. 17–36.

BMLFUW 2015: → Hochwasser Juni 2013 – Ereignisdokumentation; BMLUFUW Sept. 2015, 90 Seiten.

Altheim-Kultur ist mit Mondseekultur nicht "eng verwandt"

Paul Reinecke legt 1924 legt erste "falsche Fährte"

Formen des "Altheimer Kulturkreises" lt. Reinecke 1924 es ist keinerlei Ähnlichkeit mit Mondsee-Keramik erkennbar

Reinecke 1915, Paul: → Altheim (Niederbayern. Befestigte jungneolithische Siedlung. Röm.-german. Korr.-blatt 8, 1915:9–11. (Reinecke begründet damit die „Altheim-Kultur“ und die „Münchshöfener Kultur“)

Reinecke 1924, Paul: → Der spätneolithische Altheimer Kulturkreis. Der Bayerische Vorgeschichtsfreund. 4, 1924:13–16.

  • Link zum Transskript seines Artikels → Der spätneolithische Altheimer Kulturkreis. (mit einer Tafel: vgl. die nebenstehende Abbildung)
    Es überrascht enorm, wie hier Reinecke Verbindungen mit anderen Gruppen „aus dem Ärmel schüttelt“ und diese seine Aussagen unhinterfragt über Jahrzehnte weiter tradiert werden.
  • Reinecke beschreibt in diesem Aufsatz die Altheimer Kultur anhand der Mondseekultur (!!!), die er – wie einige andere – mit Altheim in einen Topf wirft. Dadurch konnte er überhaupt erst Kupfer für die Altheimer Kultur reklamieren.
    Warum sich in der österreichischen Archäologie die Meinung verfestigen konnte, dass die Mondseekultur eng mit Altheim verwandt gewesen sei, ja sie sogar mit ihr "verschwistert" (Ruttkay) gewesen sei, ist unklar. (Wahrscheinlich hat niemand die Veröffentlichungen von Reinecke und Driehaus 1960 gelesen.)
  • Driehaus schreibt 1960, dass Reinecke vor allem in seinen Aufsätzen auf die Kupferfunde aus Altheimer Siedlungen hingewiesen habe. Es schien demnach, als sei das Bild dieser Gruppe stark vom Kupfer-Metall geprägt und der Begriff „Altheim“ war gleich einem „Nimbus von Kupfer“ umgeben.
    "Leider hat sich aber der schmale Bestand an sieben (7) Metallgegenständen – zwei Flachbeile, ein Blechanhänger, drei Pfriemen und ein kleiner Gussklumpen – seit der Ausgrabung von Altheim im Jahr 1914 nicht um ein einziges Stück vermehrt." (Driehaus 1960:75)

Martin Hell verfestigt als "Jünger" von Reinecke die Altheim-These

Der Bauingenieur Martin Hell entdeckte rund 100 prähistorischen Siedlungen; hatte belastete Vergangenheit, Mitgliedsantrag zu NSDAP wurde 1941 abgelehnt; er wurde später aber mit Ehrungen überhäuft (DDr.hc Univ. Wien und Univ. Innsbruck)

→ Willvonseder schreibt 1961 in seinem Artikel: → Martin Hell und die ur- und frühgeschichtliche Forschung in Salzburg. auf S. 98: „den größten Einfluss auf Martin Hell hatte Paul Reinecke, auch als Mentor“.
→ Danner 2015, Peter: → Archäologie in Salzburg von 1938 bis 1945. (vor allem Aufarbeitung von M. Hell) In: Archäologie in Österreich 1938–1945. Symposium Graz 1915.


→ Bibliographie Nr. 42. Der Auhögel bei Hammerau. Heimatblätter, Beilage zum Reichenhaller Grenzboten 6 (21.3.1920)

Funde im Reichsgau Salzburg und Mondsee

→ Bibl. Nr. 236: Die Steinzeit im Gau Salzburg. Salzburger Landes-Zeitung 181 (3./4.8.1940) mit 1 Karte.
Sein ganzer Artikel wird mit dem folgenden Transkript zur → „Steinzeit im Gau Salzburg“ wiedergegeben.

  • Hell beschreibt als Leiter „AG Vorgeschichte des Gauschulungsamtes Salzburg“ die ns Vorstellung der Herkunft der Germanen und in Folge der Salzburger. Die „Salzburger Fundstellen sowie die Altheimer Kultur und die Mondseekultur zeigten starke nordische Einflüsse auf, die auch auf blutsmäßige Zusammenhänge schließen ließen.“

→ Bibl. Nr. 237: Die „Mondseeleute“ im Gau Salzburg. Salzburger Landes-Zeitung 202 (28.8.1940).
Sein ganzer Artikel wird mit dem folgenden Transkript zu den → „Mondseeleuten“ wiedergegeben.

  • Hell postuliert Altheim und Mondsee als zeitgleiche nordische Kulturen und neben den Seesiedlungen auch Landsiedlungen in Oberdonau und auch im Gau Salzburg. Zu seiner nordischen Mondseekultur gehören nun auch seine salzburgischen Fundstätten Rainberg, Grillberg in Elsbethen, Auhögel bei Hammerau und Götschenberg bei Bischofshofen.

→ Bibl. Nr. 531. Salzburg in vollneolith. Zeit. Die Münchshöferkultur. ArchA 14 1954:11—34: Rainberg, Mattsee, Maxglan, Klinglberg, Götschenberg, Dürrnberg.
→ Bibl. Nr. 1006. Hell, Martin: Ein überragendes Forscherleben ging zu Ende. Prof. Dr. Paul Reinecke. Reichenhaller Tagblatt 88 (4.6.1958).


  • Viele Verweise auf Veröffentlichungen von „Hell, Martin“ in: Kyrle 1918, Georg; → Urgeschichte des Kronlandes Salzburg; Österreichische Kunsttopographie; Verlag Schroll, Wien 1918. (beinhaltet auch den Großteil von Hells Berichten zu den einzelnen Fundstellen – vgl. die obige Karte)
    und Hells umfangreichen Beitrag: Hell, M. & Koblitz, H.: → Die prähistorischen Funde vom Rainberge. (37 Seiten)

  • Hell , 1924, Martin: → Zur vorgeschichtlichen Besiedelung des Landes Salzburg. MGSL 1924:45–53. Hier Link zum → Transkript
    Neolithische Höhensiedlungen Rainberg, Götschenberg; bemalte Keramik vom Lengyeltypus; mehrmals Scherben vom Münchshöfertypus (Maxglan, Dürrnberg, Elsbethen); Keramiken mit Anklang an Altheim-, Münchshöfer-, Schussenrieder- und Michelsbergertypus. Jüngerneolithische Funde zeigen nahe Verwandtschaft mit der Altheimer-Kultur (Reinecke 1915) und vorangehende Münchshöfer-Kultur – eine Mischkultur. Eine Beeinflussung durch die Pfahlbauten ist möglich, von der sich ja importierte Gefäße des Mondseestiles auf den Höhensiedlungen Auhögl, Rainberg, Grillberg und Götschenberg fanden.
    Er sieht eine Mischkultur von der Art, wie sie H. Reinerth in seiner Aicherbühler-Kultur aufstellte, auch wenn diese „mancherlei eigene Züge aufweist, die es vielleicht einmal gerechtfertigt erscheinen lassen mögen, von einer besonderen salzburgischen Kulturgruppe des Spätneolithikums zu sprechen.“ (S. 53)
    Anm.: Den Auhögel bei Hammerau in Bayern am linken Ufer der Saalach entdeckte Fr. Weber: Eine Wohnstätte aus der jüngeren Steinzeit in Südostbayern. In: Beiträge z. Anthrop. u. Urgeschichte Bayerns, Bd. IX, 1891:137 ff, Bd. X, 1892:191 ff, Bd. XI, 1893:307 ff, Bd. XII, 1894:76 ff.
  • Hell 1940, Martin: → Urzeitlicher Kult im Gau Salzburg. MGSL 1940:1–12. Hier Link zum → Transkript
    Hell stellt hier seine früheren (1913, 1926, 1933) Salzburger Forschungen in den Dienst der ns Ideologie. Er skizziert vorgeschichtliche (ur- und groß-) germanische Kultstätten mit Weihehandlungen. Damals soll es einen Sonnenkult gegeben haben, was für den „geistigen Hochstand altgermanischer Religionsvorstellungen“ zeuge. Die Verehrung der Sonne habe ihren Ausdruck gefunden in Sinnzeichen, von denen die Sonnenscheibe, das Sonnenrad und das Hakenkreuz die wichtigsten seien. Diese Symbole gingen auf noch frühere Kulturen zurück: „Gegen Ende der nordischen Urzeit, vertreten durch die Jungsteinzeit, also noch vor 2000 v. Ztr., machen sich im Salzburgischen zwei Kulturgruppen besonders bemerkbar, die Altheimer Kultur und die Mondseekultur. Beide sind Mischkulturen mit vorwiegend nordischem Einschlag, der nicht nur kulturell, sondern auch blutsmäßig zu bewerten ist. Die Mondseekultur, die bisher im Pfahlbau bei Oberburgau am Mondsee die meisten Funde geliefert hat, aber auch am Rainberg, Grillberg bei Eisbethen, Götschenberg bei Bischofshofen vertreten ist, verwendet als Zierelement auf ihren Tongefäßen sehr häufig das Zeichen der Sonnenscheibe.“

Pittioni übernimmt unhinterfragt Reineckes und Hells Ansichten zur Gänze

Pittioni 1954, Rudolf: Urgeschichte des österreichischen Raumes, Wien 1954. Die Mondseegruppe (S. 210–232)

Pittioni beschreibt „freihändig“ die Grenzen der Mondsee-Gruppe und bezieht sich bzgl. der Keramik [363] auf Reinecke 1924 (Der spätneolithische Altheimer Kulturkreis). In der Folge bezieht er alle verfügbaren Stationen in die Mondsee-Gruppe mit ein.

Pittioni nimmt (S. 213) „als Siedlungsbereich der Mondsee-Gruppe Oberösterreich und Salzburg mit dem westlich anschließenden Bayern an. Die Ostgrenze dürfte mit dem Unterlauf der Enns annähernd zusammenfallen, doch ist eine nähere Bestimmung … noch nicht durchführbar. Gegen Süden zu scheint der Alpenkamm eine natürliche Grenze … bewirkt zu haben, während gegen Westen durch das Salzachtal ein Vordringen bis zum Pinzgau möglich gewesen ist. Die derzeit südwestlichste Station ist der Götschenberg bei Bischofshofen. Nordtirol scheint von der Mondsee-Gruppe nicht mehr erreicht worden zu sein.“


Die von ihm verwendete Literatur bzgl der von ihm in die Mondsee-Gruppe einbezogenen Stationen stammt aus den 1930er-Jahren und stützt sich ausschließlich auf Willvonseder [FN 366, 368, 369, 370] und Hell [FN 364, 371, 372, 373, 374, 375].

Neben den Stationen an den Seen [366] zählt Pittioni (S. 213) zur Mondsee-Gruppe: „… aus Oberösterreich das bekannte Steinschlägeratelier bei Laussa-Losenstein [FN 368] und eine ähnliche Anlage an der Rebensteinmauer [FN 369] im Bereich der Gemeinde Garsten. Eine verhältnismäßig reiche … Besiedlung ist für das Mühlviertel, im Besonderen für das Gallneukirchener Becken [FN FN 370] anzunehmen. Aus dem Land Salzburg können folgende Fundorte genannt werden: Salzburg-Stadt mit dem Rainberg [FN 371], der Schlossberg bei Mattsee [FN 372], der schon früher erwähnte Götschenberg [FN 364] bei Bischofshofen, der Grillberg bei Elsbethen [FN 373], Liefering [FN 374] und Hallwang [FN 375].“

[FN 371] Tongefäßscherben Nr. 14 u. 15

Pittioni sieht es als erwiesen an (S. 228), „dass es sich nur um Pfahlbauanlagen über dem Wasserspiegel handeln kann. Die Ursache für die Errichtung von Pfahlbausiedlungen ist kaum zu ergründen, doch könnte man mit Rücksicht auf die Schweizer Verhältnisse an westeuropäische Einflüsse denken, die vielleicht auch durch die Verwendung des Zwischenfutters (S. 223, Abb. 151,2) angedeutet erscheinen.“

Driehaus lehnt 1960 jegliche Verbindung Altheim-Mondsee ab

Driehaus 1960, J.: Die Altheimer Gruppe und das Jungneolithikum in Mitteleuropa (Mainz 1960). 245 Seiten, 59 Tafeln.

S. 75 f.: „Geräte aus Kupfer: Seitdem die Ausgrabungen des Erdwerks von Altheim bekannt wurden, ist der Begriff Altheim gleich einem Nimbus vom Kupfer umgeben. P. Reinecke hat in seinen Aufsätzen immer wieder auf die Kupferfunde aus Altheimer Siedlungen hingewiesen. Es könnte demnach scheinen, als sei das Bild dieser Gruppe stark vom Metall geprägt. Leider hat sich jedoch der Bestand an 7 Metallgegenständen – zwei Flachbeile, ein Blechanhänger, 3 Pfriemen, ein kleiner Gußklumpen – seit der Ausgrabung von Altheim im Jahre 1914 nicht um ein einziges Stück vermehrt.
Die beiden Flachbeile gehören verschiedenen Typen an. Das gedrungene Beil aus Altheim mit ausgehämmerter Schneide findet im näheren Umkreis seine Parallele in Beilen der Ufersiedlungen des Mond- und Attersees. Die Blechplatte aus Altheim läßt sich mit den bekannten Blechanhängern vergleichen, ist in Süddeutschland ohne Vergleichsstücke. Die drei Pfriemen und der Schmelzklumpen sind typenlos.
Spuren eigener Verarbeitung (Schlacken und Gußtiegel) wurden nicht gefunden. Bei dem kleinen Kupferklumpen aus Altheim kann es sich um ein geschmolzenes Gerät handeln. Die vorliegenden Metallgeräte dürften eingetauscht sein.
Ebenso fehlen indirekte Anzeichen einer Begegnung mit Metall auf breiter Grundlage. Auf die Steingeräteindustrie haben Metallformen kaum eingewirkt. Abgesehen von Knaufhammeräxten, die zwar Metallvorbilder kopieren, aber als überregionalerTypus keine weiteren Schlüsse erlauben, ahmt nur ein steinernes Flachbeil vom Auhögl ein Kupferbeil nach. Die Silexindustrie bleibt im Gegensatz etwa zum Endneolithikum der Südwestschweiz, wo Silexgeräte von Kupfervorbildern geradezu durchtränkt sind, vom Metall unberührt.“

Driehaus (S. 119 f.) „Dieser nicht einmal in alle Einzelheiten dringende Vergleich hat gezeigt, dass es weder sachlich noch methodisch vertretbar ist, Altheim und Mondsee zu einem Kulturkreis oder gar zu einer Gruppe zusammenzuschließen. In der Keramik sind, wie schon M. Hell betonte, beide Gruppen deutlich voneinander getrennt. Diese Trennung gilt nicht nur, wie man bei einer oberflächlichen Betrachtung glauben könnte, für die Feinkeramik, sondern ebenso für die grobe Ware. Schmuck und Tonplastik scheiden beide Gruppen grundsätzlich.
Noch vor wenigen Jahren schien es, als seien die Altheimer und die Mondseegruppe Nachbarn gewesen, die etwa im Salzachtal aneinandergrenzten. Inzwischen sind aber durch die unermüdlichen Arbeiten M. Hells so zahlreiche Funde zutage gekommen, dass an eine unmittelbare Nachbarschaft nicht mehr gedacht werden kann.“

Matuschik zeigt 1991 die klare Trennung von Altheim und Mondsee

Matuschik 1991, Irenäus: → Grabenwerke des Spätneolithikums in Süddeutschland. Fundberichte aus Baden-Württemberg Bd. 16, 1991:27–55.

Matuschik bringt als einer der wenigen Autoren, die überörtlich archäologisch forschen, einen räumlichen und zeitlichen Überblick über die Kulturen des süddeutschen, schweizerischen und oberösterreichischen Raumes.

Die erste Grafik des frühen Jungneolithikums zeigt v. a. die Verbreitung der Michelsberger Kultur; an der Donau gibt es etwa bei Regensburg die sogenannte „Fazies Wallerfing“; am Bodensee die Hornstaader und am Zürichsee die Zürcher Gruppe.

In der zweiten Grafik zum späten Jungneolithikum sieht man in der Schweiz die Cortaillod- und die Phyner Kultur; in Bayern konzentriert sich die Altheimer Kultur an der Donau bis etwa Regensburg und um Altheim im Isargebiet; bevorzugt wurden Anhöhen, Geländezungen oder Gelände- bzw. Terrassenkanten, in seltenen Fällen, so in Altheim, liegen die Anlagen im Flachland. Die Grundform der Anlagen hängt von der jeweiligen Geländelage ab; während bei Anlagen auf sanft abfallenden Anhöhen oder im Flachland die Gräben rundum geführt wurden, wurden bei Geländezungen oder Terrassenkanten die Geländeabfälle ausgenutzt.
In Oberösterreich zeigt sich an Mondsee und Attersee die Mondsee-Gruppe. In der Schweiz liegen die Pfahlbauern um die Seen.

Das frühe Endneolithikum (dritte Grafik) zeigt in der Schweiz an Bodensee und Zürchersee die Horgener Kultur und recht verbreitet Funde der Chamer Kultur an der Donau. Im Salzkammergut scheint keine Besiedlung mehr auf.

Die vierte Grafik zum späten Endneolithikum zeigt den Übergang zu den neu auftauchenden Kulturgruppen der Schnurkeramiker und der Glockenbecher. Die Schnurkeramiker (Kreise) dringen vor allem in das Alpenvorland ein, während sich die Glockenbecher (Punkte) eher am mittleren Rhein und an der Donau um Regensburg zeigen.


Altheimkultur ≠ Mondseekultur und Pfahlbaukulturen in Schweiz

Die nebenstehende Grafik bringt einen Ausschnitt aus der obigen zweiten Grafik, um die Gegebenheiten zu den beiden Kulturen Altheim und Mondsee näher darstellen zu können.

Wie unmittelbar zu erkennen ist, massiert sich die Altheimer Kultur südlich des Regensburger Donauknies und um die namengebende Fundstelle von Altheim im Isargebiet. Eine einzelne – völlig dislocierte – Altheimer Station soll es entsprechend Martin Hell an der Saalach (siehe ◼️) bei Auhögl bei Hammerau (auf bayerischer Seite) gegeben haben.

Die Mondsee-Kultur zeigt sich als seengebundene Kultur um den Mond- und Attersee.

Nun gibt es weitere Nennungen zur Mondseekultur bei Paura (Beninger 1961) am Zusammenfluss von Traun und Vöckla und im Osten Oberösterreichs an der Enns und sogar bis Niederösterreich; wer diese Stationen aufgebracht hat ist unklar. Weitere vier Stationen sollen an der Salzach liegen: diese Nennungen sind ausschließlich auf Martin Hell zurückzuführen, der dort einzelne Scherben der Mondseekultur fand.

Es liegt auf der Hand, dass wegen der Vermutungen von Martin Hell bzgl. 1 Altheimer Station an der Saalach und 4 gewillkürten Mondseer Siedlungen an der Salzach (zw. Salzburg und Bischofshofen) keine Verwandtschaft zwischen Altheimer und Mondseer Kultur abgeleitet werden kann.

Das widerspricht nicht, dass Mondseer Keramik und Kupfergeräte in diese Stationen gekommen sein können; dies vor allem bei talwärts gelegenen Stationen entlang der Vöckla und Traun und auch entlang der Donau.

Altheim-Experte Prof. Saile erwähnt Mondsee gar nicht mehr

Keramische Klassifikationseinheiten in Mitteleuropa im 37.Jahrh. v. Chr.

Saile 2012, Thomas: → Altheim – ein Jahrhundert Erdwerk. In: H. Meller, S. Friederich (eds.), Salzmüde – Regel oder Ausnahme? Internationale Tagung 2012 in Halle (Saale). Tagung Landesmuseums f. Vorgeschichte 16:197–208.

Saile 2014: Th. Saile, → 100 Jahre Altheim. Aktuelle Anmerkungen zu einem altbekannten Platz. Niederbayerischer Archäologentag 32, 2014:37 – 58.

Auch der Arbeit von Saile (2014): → Ein Kampf um Altheim? Zur Unschärfe vorgeschichtlicher Lebensbilder kann keine Ähnlichkeit zur Altheimer Kultur entnommen werden. (3.700 – 3.300 v.Chr.; schmucklose Keramik; nur 6 Kupfergegenstände mit wenig Arsen, Kupfer aus Salzachtal; 3 Gräben errichtet mit 3.500 Manntagen)

Saile 2015, Thomas: → The earthworks at Altheim: Built by many for many. In: J. Müller et al. (eds.), Megaliths – Societies – Landscapes. Proceedings of the international conference »Megaliths – Societies – Landscapes. Early Monumentality and Social Differentiation in Neolithic Europe« (2015) in Kiel. Vol. 1, Bonn 2019:131–151.


Radiokarbondatierung Altheimer Erdwerke

Saile 2017, Thomas: → Die jungneolithischen Erdwerke von Altheim. Praehistorische Zeitschrift 92, 2017:66–91.

Zur beigefügten Radiokohlenstoff-Datierung der Erdwerke von Altheim: "Das früheste Datum wurde für eine Probe aus dem kleinen Testgraben an der Nordostseite von Altheim II ermittelt, was darauf hindeutet, dass die kleine rechteckige Anlage etwa zu Beginn des 37. Jahrhunderts v. Chr. angelegt wurde. Vier Daten aus dem inneren Graben von Altheim I deuten darauf hin, dass er um die Wende des 36. Jahrhunderts v. Chr. angelegt wurde.“

„Zwar sind Kupferobjekte im Altheimer Kulturmilieu selten, trotzdem ist "die Vorstellung von Altheim von einer Aura des Kupfers umgeben" (Driehaus 1960, 75; dieses falsche Gerücht wurde von Reinecke aufgebracht). Aus dem Mittelgraben, aus dem bereits das bekannte (einzelne) Altheimer Kupferbeil (Pászthory / Mayer 1998, 25 ff. Nr. 17) stammt, wurde 2013 ein flaches Stück Kupferblech von 6,3 cm Länge und 3,7 cm Breite geborgen, das an den beiden kürzeren Seiten aufgerollt ist (Zirngibl et al. 2014, 32 Abb. 34). Dieses Objekt – wahrscheinlich ein Anhänger – hat Parallelen im Bodenseeraum und unter dem Schmuck aus Brześć Kujawski, Jordansmühl und Baalberge.“


  • Paszthory 1998, K. und Mayer, E.: → Die Äxte aus Bayern. Prähist. Bronzefunde, Verl. Steiner, Stuttgart 1998; S. 25 ff.
    Es gibt nur ein (1) namengebendes „Altheim-Beil“ aus Station Altheim; in der gesamten Altheimer-Gruppe gibt es vier (4) Stück in: Altheim, Au, Hesselberg und Kempfhausen (Starnberger See); sie haben nur geringen Arsenanteil. Die meisten Beile vom engeren Altheim-Typ lieferte die österreichische Mondsee-Gruppe. Nahestehende bzw. typzugehörige Beile liegen aus Seerandsiedlungen der Pfyner Gruppe und der jüngeren Cortaillodkultur vor. Eine Fundkonzentration zeichnet sich im oö Seengebiet ab.

Fehlender inhaltlicher und zeitlicher Konnex von Altheim zu Mondsee

Ottaway 1982, Barbara: Earliest Copper Artifacts of the Northalpine Region - Their Analysis and Evaluation. Schriften des Seminars für Urgeschichte derUniversität Bern, Heft 7, 1982: 242 Seiten; S 243–351: Abbildungen, Karten, Folien, Anhänge und Computer-Ausdrucke. Ist lt. Ruttkay 1993 das wichtigere Buch gegenüber der Dissertation.

Auch der Arbeit von Saile (2014): → Ein Kampf um Altheim? kann keine Ähnlichkeit zur Altheimer Kultur entnommen werden. (3.700 – 3.300 v.Chr.; schmucklose Keramik; nur 6 Kupfergegenstände mit wenig Arsen, Kupfer aus Salzachtal; 3 Gräben errichtet mit 3.500 Manntagen)

Reitmaier 2019, Florian: → Die Erdwerke der Altheimer Kultur. 37. Niederbayerischer Archäologentag 2019. Rahden/Westf. 2019:93–150. (Er bringt keinerlei Bezug der Altheimer Kultur zum salzburger oder oberösterreichischen Raum.)

Schmitz 2004: Demgegenüber erbrachten die Stationen See und Scharfling zahlreiche Kupferflachbeile, Dolche, gekrümmte Klingen, Spiralen, Pfrieme, Angelhaken, Gussreste aus arsenhaltigem Kupfer. sowie Reste von mehr als 160 Gusslöffeln. Insgesamt sind rund 190 Metallfunde der Mondseegruppe bekannt, etwa 75 von diesen, die der Sammlung Schmidt angehörten, sind seit 1945 verschollen.

Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege: → UNESCO-Pfahlbau-Fundstellen in Bayern: Siedlung Kempfenhausen am Starnberger See lag auf ehemals trocken gefallener Insel, heute 4 ½ m unter Wasser; 3.728–3.719 v.Chr., "das heißt am Beginn der Altheimer Kultur des bayerischen Jungneolithikums"; Zeitstellung passt zu Auflassen von "See" und Scharfling; Mondsee-Arsenkupfer (Ahle und Beil); Ableger der Mondseekultur? Töpfe vglb. zu Mondsee-Keramik aber schmucklos; keinerlei landwirtschaftliche Tätigkeiten.

Gegenüberstellung grundlegender Arbeiten zur Mondsee- und Altheimer Kultur

Antl-Weiser (1995), S. 10: „Einundzwanzig Stationen vom Mond- und Attersee gehören der jungneolithischen Mondsee-Gruppe an. Nur die im Jahr 1976 im Attersee entdeckte Siedlung Abtsdorf I stammt aus der Bronzezeit und wird anhand von 14C-Daten in das 16. Jh. v. Chr. datiert. Die Mondsee-Gruppe zählt heute zum jungneolithischen nordalpinen Kreis nach Driehaus und ist für die österreichische und die neuere ausländische Forschung eine mit Altheim eng verwandte Gruppe". Sie wird in drei Abschnitte unterteilt: einen älteren typologisch problematischen Abschnitt um 3.800 v. Chr., einen vollständig entwickelten Abschnitt von 3.700 bis 3.300 v. Chr. und einen dritten Abschnitt, der um 3.000 v. Chr. anzusetzen ist (Ruttkay 1981, Raetzel-Fabian 1986:66, Obereder et al. 1993).“

Franz 1927, Leonhard und Weninger, Josef: → Die Funde aus den prähistorischen Pfahlbauten im Mondsee. Materialien zur Urgeschichte Österreichs, hrsg. von der Anthrop. Ges. Wien und der Prähistor. Ges. 3. Heft. Mit 10 Abb. Im Text und 376 Abb. auf XLII Tafeln.

Driehaus 1960, Jürgen: → Die Altheimer Gruppe und das Neolithikum in Mitteleuropa. Verlag des Römisch-Germanischen Zentralmuseums. In Kommission bei R. Habelt 1960. 245 Seiten, 59 Tafeln.

Auch der Arbeit von Saile (2014): → Ein Kampf um Altheim? kann keine Ähnlichkeit zur Altheimer Kultur entnommen werden. (3.700 – 3.300 v.Chr.; schmucklose Keramik; nur 6 Kupfergegenstände mit wenig Arsen, Kupfer aus Salzachtal; 3 Gräben errichtet mit 3.500 Manntagen) GRAFIK !!!!

Saile 2023, Thomas: → Warum immer wieder Altheim? In: Uthmeier, T. et al.: (eds.), Steinzeit in Bayern. Darmstadt 2023:949–954.

Reitmaier 2019, Florian: → Die Erdwerke der Altheimer Kultur. 37. Niederbayerischer Archäologentag 2019. Rahden/Westf. 2019:93–150. (Er bringt keinerlei Bezug der Altheimer Kultur zum salzburger oder oberösterreichischen Raum.)

Willvonseder 1955, Kurt: → Das Mondseer Land in urgeschichtlicher Zeit. In: OÖ Heimatblätter. 1955:97–112.

Willvonseder 1968, Kurt: → Die jungsteinzeitlichen und bronzezeitlichen Pfahlbauten des Attersees. Mitt. Prähistor. Komm. Wien, XI. und XII. Band. 453 S., 34 Tafeln.

Ruttkays "Typologie und Chronologie der Mondsee-Gruppe" 1981

Dr. Elisabeth Ruttkay in Kern; Antl-Weiser; Stadler: → Nachruf Ann. NHM Wien, Serie A, 2010:55–66

Kern 2010, Anton; Antl-Weiser, Walpurga; Stadler, Peter: → Nachruf Dr. Elisabeth Ruttkay (mit Veröffentlichungsliste). Annalen Naturhistorisches Museum in Wien, Serie A, 2010:55–66;
Im Folgenden wird eine kompakte Darstellung ihres Lebenslaufs: → Elisabeth Hanák-Ruttkay (1926–2009) gebracht.

sowie: → Elisabeth Ruttkay in der englischen Wikipedia; samt Bild: „Prehistory Professor J. Neugebauer dubbed Ruttkay the `grande dame of Austrian Neolithic research´.“

Vorbemerkung: Ruttkays Diss. 1979 "Das Neolithikum mit bemalter Keramik in Öst."

Noch während ihrer Dissertationszeit veröffentlicht Ruttkay 1976, Elisabeth: Beitrag zum Problem des Epi-Lengyel-Horizontes in Österreich. Archaeologica Austriaca, Beiheft 13. FS Pittioni, 1976: 285–319 mit 13 Abb. samt Fotos. (v.a. Bisamberg, Oberpullendorf, Schleinbach)

Ruttkay 1978, Elisabeth: Das Neolithikum mit bemalter Keramik in Österreich. Eine chronologisch-kulturhistorische Untersuchung. Dissertation Univ. Wien 1978. 2 Bände (Textteil 329 Seiten; 2. Bd. mit 27 Tafeln und 2 Karten).
(Eingereicht am 10. Nov. 1978; Gutachter: Pittioni (Betreuer) und Friesinger; promoviert zur Dra. phil. am 8. Nov. 1979)
Hier wird auch das von ihr der Dissertation beigefügte → "Curriculum Vitae" (samt Kopie ihrer Unterschrift) wortident gebracht.

Ihre früheren Arbeiten und die Dissertation betreffen vor allem die Lengyel-Kultur und die darauf folgende Epi-Lengyel-Kultur in Niederösterreich, Mähren und Ungarn, nicht aber westlichere Kulturen (OÖ, Salzburg, Bayern) oder die Mondseekultur.

Ruttkay beschreibt in ihrer Dissertation die chronologische Entwicklung der niederösterreichischen Kulturen wie folgt: Linearbandkeramik – Notenkopfkeramik – Vor-Lengyel-Zeit – Lengyel-Kultur – Epi-Lengyel-Kultur (= Nach-Lengyel-Kultur).

Die Epi-Lengyel-Zeit fällt mit der Entstehung der Mondsee-Kultur in etwa zusammen.

Ruttkay sieht S. 212 für „die Epi-Langyel-Zeit auf dem österreichischen Gebiet drei Typengemeinschaften:

  • Typus Bisamberg in NÖ samt Typus Oberpullendorf im Burgenland,
  • Typus Kanzianberg-Brezje-Zrece in Steiermark und Kärnten und
  • Typus Linz-Niederperwendt in OÖ und Salzburg.
Verbreitung der Epilengyel-Gruppen in Österreich

Die östlichen Gruppen der Epilengyelzeit zeigen Verwandtschaft mit der mährischen Gruppe der Jordansmühler Kultur, die südliche Gruppe ist mit einem Abschnitt der „Alpinen Facies der Lengyelkultur“ Slawoniens ident. Der Typus Linz-Niederperwendt ist eine Variante der bayerischen Münchshöfener Gruppe.“

Die Verbreitung der Epilengyel-Gruppen in Österreich (entsprechend Ruttkays Fundortliste: S. 265–267):

  • Gruppe Bisamberg-Oberpullenidorf: 1: Wien-Stadlau: 2–25: Burgenländische Stationen; 32–40: Niederösterreichische Stationen
  • Gruppe Linz-Niederperwendt:
    • Oberösterreich: 41 Dornach/Saxen (Pittioni 1935), 42 Linz-Altstadt (Karnitsch 1962), 43 Niederperwendt (Pittioni 1935), 44 Stadl-Paura (Beninger 1961 Abb. 15,1-5,10-14; Abb. 18,1-5; Abb. 24,2)
    • Salzburg: 45 Salzburg-Maxglan (Hell 1954), 46 Salzburg-Rainberg (Hell 1954)
  • Gruppe Kanzianberg-Brezje-Zrece:
    • Kärnten: 26 Ettendorf-Kulm (Strelli 1930), 27 Keutschachersee (Moßler 1954), 28 Mallestig-Kanzianberg (Dolenz 1938, Pittioni 1954, Abb. 116), 29 Maria Saalerberg (Franz 1931), 30 Völkermarkt-Steinkögelen (Müller-Karpe 1948), 31 Wolfsberg-Strappelkogel (Franz 1931);
    • Steiermark: 47 Judenburg-Pölshals (Süß 1969), 48 Mixnitz-Drachenhöhle (Kyrle 1931), 49 Wildon-Buchkogel (Süß 1969)

Die von Ruttkay in ihrer Dissertation ab Seite 230 präsentierten Typologien (Tafeln A – D:Fotos und Tafeln I bis XXII) der drei Epilengyel-Typengemeinschaften passen - mit wenigen Ausnahmen (Henkelkrug) - nicht mit jenen der Mondsee-Gruppe zusammen.


Ruttkays "Typologie und Chronologie der Mondsee-Gruppe" 1981

Ruttkay Elisabeth schreibt 1981 in ihrer Typologie und Chronologie der Mondsee-Gruppe: "Die prähistorische Archäologie benützt für die Umschreibung ihrer Kulturgruppen keramische Typeninventare, die, mit den Angaben über Siedlungskunde, Totenfürsorge, Schmuck- und Geräteformen ergänzt, ein individuelles Bild menschlicher Kulturäußerungen übermitteln. So wurde anhand der Keramik aus den Pfahlbaustationen des Mond- und Attersees die prähistorische Kulturgruppe Mondsee konstruiert."

  • Anm.: Pittioni reiht in seinem Standardwerk aus 1954 "Urgeschichte des österreichischen Raumes" die mährisch-niederösterreichisch-burgenländische Gruppe (S. 144), die Badener Gruppe (S. 189) und Ossarn (S. 202) zeitlich vor Mondsee (S. 210) ein, was - wie heute bekannt - chronologisch unrichtig ist, auf Ruttkay aber wohl einen bedeutenden Einfluss ausgeübt haben wird, da Pittioni ja Doktor-Vater von Ruttkay gewesen ist.
    Pittioni nimmt "als Siedlungsgebiet der Mondsee-Gruppe Oberösterreich und Salzburg mit dem westlich anschließenden Bayern an" (S. 213) "und auch die Funde Hells am Götschenberg bei Bischofshofen, den Rainberg bei Salzburg und auch die Langensteinerwand" (S. 228) zählt er als Höhensiedlungen zur Mondseegruppe.
    Er vermutet aber für die Seesiedlungen einen Einfluss von den Schweizer Verhältnissen, „die vielleicht auch durch die Verwendung des Zwischenfutters angedeutet erscheinen (Pittioni S. 229: Abb. 151,2).“
  • Damit war Ruttkays "Typologie und Chronologie der Mondsee-Gruppe" von 1981 von dieser Chronologie Pittionis wesentlich beeinflusst und sie übernahm sowohl Pittionis Chronologie der Kulturen – und damit mögliche Abstammungs- bzw. Verwandtschaftsbeziehungen – als auch die Zuzählungen der von Pittioni (S. 228) angeführten anderen Siedlungen in OÖ und Salzburg zur Mondsee-Gruppe.

Link zum Transkript der Veröffentlichung von → Elisabeth Ruttkay: Typologie und Chronologie der Mondseegruppe In: Das Mondseeland - Geschichte und Kultur (vergriffen). Kulturabteilung, OÖ Landesausstellung 1981 in Mondsee. Linz 1981:269-294.

Hier kommt unvermittelt Ruttkays Aussage: Ihre Anfänge aber, die mit der Formengruppe 1 angedeutet werden, in eine Zeit, wo auch die Anfänge der ehemaligen Geschwistergruppe, der Altheimer Gruppe, gesucht werden. Nach unserer vorliegenden Studie darf Mondsee mit Altheim weiterhin als gleichzeitige „Geschwistergruppe“ angesprochen werden, die mit jener nicht nur durch ihre Gleichzeitigkeit, sondern auch durch ihre gemeinsame „nordische“ Baalberger-Komponente verbunden ist.

Hier gibt es Internet-Links zur → von Ruttkay hauptsächlich verwendeter Literatur samt ausführlicher konstruktiv-kritischer Kommentierung der Literaturstellen und der Autoren.


Konstruktive Kritik an Ruttkays "Mondsee-Gruppe"

Verbreitung der Mondsee-Gruppe; bis Bischofshofen und Ossarn (NÖ)
Ruttkays Formengruppe 1–3 der Keramiken der Mondsee-Gruppe

Es gehört zweifellos zu Ruttkays Verdienst, dass sie die Pfahlbauforschung in Österreich nach Offenberger weiter gefördert hat. Sie konnte im Pfahlbauprojekt viele „konfrontative“ Forscher zusammenführen, integrieren und einbinden.

1981 gehörte es zum Werkzeug der Archäologen, die Zuordnung von Funden zu konkreten Gruppen anhand der Keramik zu bewerkstelligen. Es ist heute aber ein wenig überraschend, dass diese „weiterhin (fast dogmatisch) an die Untrennbarkeit von Keramik und Kulturgruppen glauben“ und u. U. helfende Beiträge anderer Disziplinen geringschätzen.

Jedenfalls fehlten Ruttkay – gegenüber heute – die in großer Anzahl verfügbaren Radiokarbondaten und insbesondere deren Kalibrierung, die neolithische Gruppen wesentlich älter datieren. Auch die humangenetischen Analysen des Jahres 2015 (Haak Zs. Nature 522: "Jamnaja"; „Schnurkeramiker“) waren ihr nicht bekannt; ebensowenig solche von Haustieren. Eine für die Mondseer Pfahlbauforschung ganz wesentliche Technik besteht in tiefschürfenden Metallanalysen, wenngleich sich Ruttkay auch dafür offen zeigte und mit Pernicka zusammenarbeitete.

Zu Beginn ihrer Veröffentlichung listet Ruttkay eine große Anzahl von Fundstellen auf, die sie zur Mondsee-Gruppe zählt. Das ist umso überraschender, weil sie nicht auf Pittioni als Begründung dafür verweist. Es ist nur indirekt zu erschließen, dass sie zumindest selbst an diese Auswahl glaubte, weil sie auch Ottaway eine entsprechende Literaturliste übermittelte und die daran zweifelnde Ottaway künftig nicht mehr zitierte.

Wie der nebenstehenden Karte zu entnehmen ist, zählt Ruttkay neben den Stationen an Mond- und Attersee auch Stationen an Enns/Steyr und auch Stadl-Paura zur Mondsee-Gruppe. Zusätzlich bezieht sie die Salzburger Stationen (wohl wegen der Veröffentlichungen von „Hell“) und sogar den Auhögel bei Ainring an der Saalach in die Mondsee-Gruppe ein. Überraschend ist, dass sie auch die weit entfernten Stationen Bischofshofen sowie Ossarn und Grünbach in NÖ einbezieht.

Jedenfalls suchte Ruttkay typologisch passende Keramik bei anderen Gruppen und wurde – nach ihrer Ansicht – im mährisch-slowakisch-ungarischen Bereich fündig. Ruttkay stützte sich vorrangig auf die Arbeiten von Anna Medunova-Benesova (Jevisovice / Bolaz Kultur: siehe: → Jevisovice-Kultur in Südwestmären: Deutsche Zusammenfassung auf S. 83–90 mit 15 Tafeln der Jevisovice-Keramik) – mit der sie auch regen wechselseitigen Austausch hatte – aber auch auf jene von Nandor Kalicz (Beceler-, Balaton-Kultur). Damit konstruierte sie die „Typologie der Mondsee-Gruppe“; siehe dazu die Formengrruppen 1–3 in der nebenstehenden Abbildung.

Nach einigen chronologischen Überlegungen auf S. 286 taucht plötzlich die Altheim-Kultur wie aus dem Nichts auf:

„Ihre [die Mondseer] Anfänge aber, die mit der Formengruppe 1 (vgl. die Abbildung; oberer Teil) angedeutet werden, müssen noch in der ersten Hälfte des Jungneolithikums (Neolithikum C) gelegt werden, in einer Zeit, wo auch die Anfänge der ehemaligen Geschwistergruppe, der Altheimer Gruppe, gesucht werden. Nach unserer vorliegenden Studie darf Mondsee mit Altheim weiterhin als gleichzeitige „Geschwistergruppe“ angesprochen werden, die mit jener nicht nur durch Gleichzeitigkeit, sondern auch durch ihre gemeinsame „nordische“ Baalberger-Komponente verbunden ist.“


Ruttkays ehemalige Zeitstellung – und damit Verwandtschaftshypothese – passt nicht

Absolute und relative Chronologie archäolog. Kultur-Gruppen zur Zeit der Pfahlbauten in OÖ

Wie der nebenstehenden Darstellung zu entnehmen ist, synchronisierte Ruttkay die Anfänge der Mondsee-Gruppe mit Boleráz / Balaton 2–3 und die entwickelte Mondsee-Gruppe mit Jevišovice.

Die ältesten Radiokarbondaten der Mondsee-Gruppe zeigen ihren Beginn kalendarisch aber um 3.900 / 3.800 vor Chr (Scharfling, Seewalchen).

Demgegenüber sind die Daten von Boleráz und Jevišovice deutlich jünger, wie anhand der nachfolgend angeführten Literatur gezeigt wird.

(Anm.: Auch die Daten der Altheim-Gruppe (~3.600 v. Chr.) sind jünger als jene der Mondsee-Gruppe.)


Radiokarbon-Datierungen – (cal. v.Chr., mit 1 σ)

3519–3373: Frühestes Boleraz
3325–3027: Boleraz
3016–2900: Frühes klassisches Baden (Stufen IIB – III)
2892–2687: Jüngeres klassisches Baden


  • Schmitsberger 1999, Oliver: → Neue 14C-Daten zur Jevišovicekultur in NÖ. In: A. Krenn-Leeb (Hrsg.), Wirtschaft, Macht und Strategie. Höhensiedlungen und ihre Funktionen in Ur- und Frühgeschichte. Internat. ÖGUF-Symp. 26.-29.10.1999; AÖ Spezial 1, 2006, 41 ff.
    (VERA = Vienna Environmental Research Accelerator)

Jevišovice-Siedlung Strögen-Kirchfeld (NÖ)

VERA-246: 4340 +/- 34 BP = 3020 – 2940 BC
VERA-247: 4330 +/- 35 BP = 2930 – 2890 BC
VERA-249: 4370 +/- 30 BP = 2970 – 2915 BC
VERA-3040: 4350 +/- 35 BP = 3020 – 2900 BC
VERA-3042: 4370 +/- 40 BP = 3020 – 2910 BC

Jevišovice-Siedlung Neubach-Wachberg (NÖ)

VERA-440: 4145 +/- 35 BP = 2760 – 2660 BC
VERA-441: 4270 +/- 35 BP = 2911 – 2879 BC
KN - 4520: 4251 +/- 59 BP = 2920 – 2850 BC


Die Baden-Kultur ist chronologisch in die folgenden Phasen zu untergliedern:

3640 – 3370 (68%) Boleraz
3384 – 3370 (100%) Arbon Bleiche 3 (Late Pfyn, Early Horgen, Late Boleraz - dendrochronologische Daten nach Leuzinger)
3510 – 3100 (68%) Cerveny-Hradok
3360 – 3010 (64%) Classical Baden
3350 – 3010 (64%) Ossarn I
3240 – 2870 (61%) Ossarn II


Ruttkay wird mit ihrer Festschrift 2006 in 14C-Datierungen involviert

Cultural Groups and Absolute Chronology of Austrian Neolithics

Ruttkay korrigiert 2006 selbst in Einzelveröffentlichung die vermeintliche Verwandtschaft

Regionale chronologische Sequenzen bzgl. Trichterbecher Mährens (cal BC)

Ruttkay 2006, E.: → Eine Siedlungsgrube mit jungneolithischer inkrustierter Keramik aus Puch-Scheibenfeld NÖ. Mit Bemerkungen von Erich Pucher (S. 302-304) zu den Tierknochen Annalen NHM Wien, 107 A, 2006:267–304.

Wie der nebenstehenden Grafik zu entnehmen ist, setzt Ruttkay hier die früher herangezogenen Gruppen wie Jevisovice, Ohrozim; Boleráz mit 3.500–3.400 cal BC bedeutend jünger an als die Mondsee/Atterseee-Gruppe, die im Text auch nicht (mehr) erwähnt wird. Zudem geht sie davon aus, dass diese Gruppen eher donauabwärts ausgestrahlt haben.


Pucher 2006, Erich schreibt auf S. 303 in seinen „Bemerkungen zu den Tierknochen aus Puch-Scheibenfeld“, dass sich „die metrischen Befunde zu den Haustieren, die sämtliche Belege auch aus archäozoologischer Perspektive an die Viehhaltung des Trichterbecherkreis anschließen lässt, jedoch von den inneralpinen Gruppen des Jungneolithikums (z. B. Mondsee) absetzt.“

Ruttkay geht aber bereits 1997 detaillierter auf „verzierte inkrustinierte Ware“ ein: → Ruttkay 1997, Elisabeth: Zur jungneolithischen Furchenstichkeramik im östlichen Mitteleuropa. – Studia honoraria, 1 (Festschrift für B. Hänsel): 165–180. – Espelkamp-Berlin.

Die bemerkenswerte Arbeit von Elisabeth Ruttkay 1991

FWF-Pfahlbauprojekt mit Elisabeth Ruttkay (1989-1995)


Vor-Information 1: Ruttkay 1976 erstmals zum Epi-Lengyel-Horizont in Österreich

Ruttkay 1976, E.: Beitrag zum Problem des Epi-Lengyel-Horizontes in Österreich. FS Pittioni. ArchA., Beiheft 13, 1976:285–319.

Einhenkeliger Krug Schleinbach NÖ

Zum Epi-Lengyel liegen 1976 nur wenige Siedlungen vor. Der Henkelbecher ist die wichtigste Form; er hat gut abgesetzten Boden, gequetscht-kugeligen Bauch, zylindrischen Hals und gerade abgeschnittenen Rand. Die Henkel sind ausnahmelos randständig, nie hochgezogen. Besonders charakteristisch ist das sorgfältige Einfügen des Henkels in den Rand und den Bauchumbruch. Diese Krüge kommen auch in Ungarn und im unteren Donautal vor. Möglicherweise sind manche Formen nicht als Lengyel-Erbe anzusprechen, sondern muss man ihren Ursprung im Zentral- und Ostbalkan suchen. Die verzierte Keramik zeigt eingeritzte Linienbündel auf der Schulter und ist auch bei der slowenischen Lasinja-Kultur bekannt. Das Material ist mit der ungarischen Hochkupferzeit etwa gleichzeitig und steht mit Mähren und der slawonsichen Lasinja-Kultur in Verbindung. Es gibt einen Zusammenhang mit Kanzianberg und Münchshöfen, etwas loser zu Balaton I und der Lasinja-Kultur Kroatiens.

Es ist hier Ruttkay (noch) "nicht möglich, die südöstlichen Beziehungen – die besonders durch den Doppelbecher zum Ausdruck kommt – einzubeziehen, obwohl ihr diese als sehr wichtig erscheinen. Das mittelneolithische, einheimische Substrat wird in dieser Zeit durch südöstliche Impulse stark verändert. Erst durch das zusammenhängende Verbreitungsgebiet des Epi-Lengyel-Komplexes werden die starken südöstlichen Beziehungen von Münchshöfen und die frühen Kupferfunde südlicher Provenienz im Norden verständlich."

Im Inventar des Fundes Bisamberg befinden sich Schmelztiegelfragmente und Schlacken. Sie sind Zeugnisse einer im Lande tätigen Kupfergießerei. Ein gleichzeitiger Nachweis von Salzburg-Maxglan ist bekannt (Hell 1954). Das Epi-Lengyel ist allgemein durch das Auftreten von Kupfergegenständen ausgezeichnet. Auch im süddeutschen Raum fallen die ersten Kupferfunde etwa in dieser Zeit.


Vor-Information 2: Regionale Absolut-Chronologie (Obeneder 1989)

Regionale Absolut-Chronologie von der Schweiz bis Schwarzes Meer in cal BC

Obereder 1989, Jörg: → Die Jungneolithische Siedlung Raababerg bei Graz. Diplomarbeit Univ. Wien (bei Prof. Friesinger), 1989, 244 Seiten. Link zu den → drei Fußnoten

Die Fortschritte der Dendrochronologie und den dadurch ermöglichten Präzisionskalibrierungen von 14C-Werten erlauben erstmals eine Typologie-unabhängige Chronologie aufzubauen [183].

Während für die Schweiz und Südwestdeutschland derartige Chronologien bereits vorliegen und für Mitteleuropa nördlich der Alpen eine Übersicht aufgrund kalibrierter Daten zusammengestellt wurde, kann man für die südöstlichen Gebiete nunmehr auch viele unkalibrierte 14C-Daten heranziehen, die jedoch unkalibriert sind [184].

Um eine entsprechende Übersicht für das frühe Jungneolithikum zu erhalten, wurden daher neben den Daten aus den oben genannten Arbeiten einige Ergänzungen berücksichtigt und sämtliche Einzelwerte einheitlich nach den von Gilot und Mahieu 1987 publizierten Angaben kalibriert [185]. Das so erhaltene Ergebnis wurde in ein absolutchronologisches Schema gebracht (siehe die nebenstehende Abb. 7).

Kulturen: Egolzwil, Wauwil, Cortaillod, Pfyn, Twann, Münchshöfen, Epilengyel, Mondsee, Boleráz, Baden, Gumelnita, Cucuteni, Tripolje, Bodrogkeresztur usw.


Vor-Information 3: Äneolithische Kulturen und Sălcuţa-Kultur in SO-Europa

Eneolithic cultures distribution map from Southeastern Europe (after Pătroi 2013)
Krug aus Sălcuţa (nach D. Berciu, 1961)

Pătroi 2013, Cătălin Nicolae: → About the Sălcuţa Eneolithic culture. Annales d’Université Valahia Targoviste, Tome XV, No 1, 2013:117–140.

Der Name der Sălcuța-Äneolithikum-Gemeinschaften stammt von der gleichnamigen Siedlung im Kreis Dolj. Ihr Verbreitungsgebiet umfasst Oltenien, das östliche Banat, Nordwestbulgarien und Nordostserbien; ähnliche Gemeinschaften gibt es auch in Mazedonien und Albanien (vgl. die Abb.).

Die Sălçuţa-Kultur ist Teil eines großen äneolithischen Komplexes, zusammen mit den Gruppen von Krivodol (Bulgarien) und Bubanj (Serbien). Die besten Analogien für Elemente der materiellen Kultur finden sich in der Gumelniţa-Kultur.

In der nebenstehenden Abbildung wird das Verbreitungsgebiet der Salcuta-Krivodol-Bubanj-Kultur dargestellt, sowie die benachbarten Kulturen Gumelnita, Karanovo VI, Tripolje und Cucuteni sowie Vinca und Tiszapolgar. Vor allem aber ist auch der Auslöser der Bewegung für diese Gruppen durch die Ankunft der Suvorovo-Gruppe im Donau-Delta dargestellt.

Die für die Sălcuţa-Kultur charakteristischen Gegenstände ähneln in Form und Design den Funden aus der Gumelniţa-Kultur. Die Evolutionsphase Sălcuţa IV wird als letzte Evolutionsstufe der Sălcuţa-Kultur angesehen, obwohl die entdeckten Gegenstände (Henkelkeramik, … das Motiv der Spirale) zeigen, dass es sich um ein neues Kulturphänomen handelt.

Die Entwicklung der Salcuța-Kultur und die Entwicklungsperioden der Salcuța-Bubanj-Krivodol-Kultur ist durch mehrere spezifische Elemente gekennzeichnet, nämlich:

  • Intensivierung des Kupferbergbaus in Rudna Glava, Ai Bunar und Kupferverarbeitung in großem Umfang;
  • Funktion als Filter und dann als Überträger für die südlichen Einflüsse dieser Elemente auf große Gebiete;
  • Wanderungen indoeuropäischer Völker (Suvorovo) aus den Steppen in den karpatho-danubisch-pontischen Raum.

Die Entwicklung der Sălcuța-Kultur erfolgt gleichzeitig mit dem Beginn eines langen und langwierigen Prozesses der kulturellen Vereinheitlichung, der sich auf die siebenbürgischen Kupfergebiete und die Bemalung von Keramik konzentriert.

Wenn die Daten für den nördlichen Donauraum zwischen 4451-3980 cal. B.P. konvergieren, fallen die Daten für den nord-westlichen Teil Bulgariens zwischen 4330 - 4020 cal. B. P. Nach dem gegenwärtigen Stand der Forschungen und Informationen, die wir kennen, glauben wir, dass wir über die Sălcuţa-Kultur als ein Gumelniţa-Kulturphänomen sprechen können.


Georgieva 2007, Petya: → Late Stages of the Sălcuţa-Krivodol Culture. Gerda Henkel Stiftung, Sofia 2007:229–337.
In dieser Veröffentlichung werden auf den Seiten 332–334 Abbildungen der zweihenkeligen Henkelkrüge gebracht, die später ident an der mittleren Donau und auch im niederösterreichischen Raum auftauchen.


Todorova 1975, Henrieta und Tonceva, G.: Die äneolithische Pfahlbausiedlung bei Ezerovo im Varnasee. In: Germania, Bd. 53, 1975:30–46.
Hier beschreibt Todorova die Funde am Varnasee sowie die Keramik, die mit Graphit überzogen worden ist. In Rillen der Keramik sind Spuren von weißer oder roter Inkrustination vorhanden, sodass die Keramik immer schwarz-weiß-rot gewirkt hat. Häufig wird dieses Muster mit horizontalen Graphitlinien am Gefäßhals kombiniert.
„Ezerovo war eines der größten Produktions-, Gesellschafts-, Kultur-, aber vor allem Handelszentrum dieser Zeit, in erster Linie wohl dank der günstigen geographischen Lage. In einer Zeit, wo man den Wagen noch nicht kante und der Transport auf dem Wasserweg der günstigste und schnellste war, müssen die an der Schwarzmeerküste liegenden Pfahlbausiedlungen eine sehr bedeutende Rolle gespielt und intensive Kontakte mit verschiedenen, z. T. weit entfernten Gebieten unterhalten haben.“


  • Mit dem folgenden Link wird auf die faszinierende CUCUTENI-Kultur dieser Epoche (Phase A: 4.600–4.100 v. Chr.) hingewiesen:
    Lazarovici 2009, Cornelia-Magda et. al.: → Cucuteni – A Great Civilization of the Prehistoric World. Palatul Culturii Publishing House. Hrsg. Moldavia Ministry and Romanian Academy. 352 Seiten mit sehr vielen faszinierenden Abbildungen.

Vor-Information 4: Ruttkay erforscht 1985 die Fernbeziehungen nach SO-Europa

Ruttkay 1985, Elisabeth: Fernbeziehungen im neolithischen Europa. Mitt. Anthrop. Ges. Wien, Bd. 115, 1985:139–162.

Ruttkay behandelt in dieser Arbeit einerseits die Fernbeziehungen zwischen mittlerer Donau [etwa unser Raum bis zum Eisernen Tor] und unterer Donau zu Beginn des 4. Jahrtausends, andererseits die noch weiträumigeren Beziehungen gegen Ende des 4. Jt. zwischen Südost-Europa bis nach Mitteldeutschland.

Für den – uns interessierenden – ersten Abschnitt kommt sie auf S. 141 zum Schluss, dass „… die Kommunikation zwischen den verschiedenen archäologischen Kulturgruppen der Donauländer eine Gleichgesinnung der Gruppen in der kultisch-religiösen Welt zeigt. Die bemaltkeramischen Kulturen an der unteren Donau, Gumelnita, Salcuta-Krivodol und die Lengyel-Kultur, auch die Vinca-Kultur, liefern uns Hinterlassenschaften aus der ersten Hälfte des 4. Jahrtausends, die trotz z. T. unterschiedlicher Abstammung, unterschiedlicher Geschirrserien und Siedlungsgewohnheiten die Vorstellung der Zusammengehörigkeit dieser Gruppen auf der Ebene des Kultes vermitteln.“

Auf S. 149 ff. geht sie auch auf den Kupferhandel ein und meint, dass dieser nicht in Form von Erz, sondern in Form von Barren erfolgt ist. Die Verbreitung erfolgte von den Produzenten an die Konsumenten und wurde von diesen an weitere Konsumenten usw. weitergegeben.


Vgl- hierzu auch: Bakker 1988, J. A.: Prehistoric long-distance roads in North-West Europe. In: Lichardus (Hrsg.): Die Kupferzeit als historische Epoche. Saarbrücker Beiträge zur Altertumskunde. Bd. 55, Verlag Habelt, Bonn 1991:505–528.

  • Es gab immer enorm weite Fernbeziehungen (z. B. Spondylus-Muscheln von Ägäis bis Paris; Ai Bunar-Erz ins Tripolye-Gebiet – u. U. über das Meer via den Hafen von Varna; Feuerstein von Dänemark nach Nörrland/Schweden). Bzgl. unterschiedlicheer Routen zw. A und B können unterschieden werden die schnellste, kürzeste, einfachste und sicherste. Weiters ergibt es einen Unterschied, ob Waren von Menschen oder z.B. von Ochsen getragen wurden. Die schnellste und am wenigsten anstrengende Route war wohl das Befahren eines Flusses – zumindest bergab. Ebenso günstig war ein Transport über das Meer – was sich auch in der raschen neolithiscchen Besiedlung der Mittelmeer-Regionen zeigte.


Ruttkay 1991: Das Ende der Donauländischen Welt und Südosteuropa [13.2.2024]

Krug aus Sălcuţa (nach D. Berciu)
Abb. 7,4: Henkeltasse v. Bisamberg aus Sammlung von Manfred Kmoch
Typischer Krug der Mondseekultur

Ergebnis: Vor 4.000 v. Chr. gelangen Kupfer-Metallurgen mit hochstehender Keramik aus dem unteren Donautal zumindest bis nach NÖ, ohne die frühere Bevölkerung zu verdrängen.

Ruttkay 1991, E.: Das Ende der Donauländischen Welt und Südosteuropa. Mitt. Anthr. Ges. Wien 121, 1991:159–181. (Gebrauch ist für Forschungszwecke gestattet.)

Dieser Link bringt ein Transskript zum → Ende der Donauländischen Welt und Südosteuropa.

Die Epi-Lengyelzeit ist um 4.030 v. Chr. durch fortschrittlichere Keramikformen (Henkeltasse, -krug) und vor allem durch fortschrittlichere technologische Kenntnisse (Kupfergießen) gekennzeichnet. Ruttkay betont, dass diese Fortschritte nicht durch die Übersiedlung ganzer Menschengruppen aus einem höherstehenden Gebiet zurückzuführen ist; es ist im Gegenteil von einer kontinuierlichen autochthonen Entwicklung auszugehen. Die offensichtliche Veränderung ist wohl in erhöhter Mobilität zu sehen, deren Ursache in der Kupferversorgung Mitteleuropas zu suchen ist.

Dem Salcuta-Bubanj-Krivodol-Komplex gehören drei miteinander eng verwandte Kulturen an. Die Salcuta-Kultur in Siebenbürgen, Banat und Oltenien; die Bubanj-Kultur in Ostserbien, Kosovo, Albanien und Pelagonien; die Krivodol-Kultur in Nordwest-Bulgarien.

Von diesem Gesamtkomplex („Salcuta-Komplex“) sind bedeutsame Impulse auf die Epi-Lengyel-Kultur (Böhmen, Mähren, Südwest-Slowakei, Transdanubien, Alpenostrand in Steiermark, Kärnten, Slowenien und Kroatien) wahrnehmbar.

Ruttkay schreibt auf S. 166/9: Es erscheinen in der Epilengyel-Zeit des östlichen Alpenvorlandes Typologien, die sich aus der einheimischen Entwicklung nicht ableiten lassen. Die deutlichsten Typen, die aus der Fremde kamen, sind die zweihenkelige Tasse (Abb. 2,2) und der Becher mit asymmetrischen Henkeln (Abb. 7,4). Dazu kommen als „Fremdlinge“ – unter anderem – eine lineare Verzierung der Schüsselränder (Abb. 4,1), sowie umlaufende Halsverzierung (Abb. 7,1; 7,4; 7,7), Flechtmuster (Abb. 4.1 und Abb. 7,7) und schräge, alternierend angebrachte Linienbündel (Abb. 7,1). Auch das Glutgefäß (Abb. 6,6) kann wegen seines häufigen Auftretens im Fundgut als Zeichen auswärtiger Impulse gelten.

Ruttkay S. 169: Da nicht nur die zweihenkelige Tasse, sondern auch der seltene Becher mit asymmetrischem Henkel zu den Neuerungen des epilengyelzeitlichen östlichen Alpenvorlandes gehört (Abb. 7,4) und der in Siedlungen des Salcuta-Komplexes nachgewiesen ist (Djakovo, Telis) (vgl. Georgiev 1981; Cochadziev 1984; Gergov 1987; Kalicz-Schreiber 1991), bestimmt dies in großen Zügen die Richtung, wo man das Ursprungsgebiet der zweihenkeligen Tasse suchen sollte. Die zweihenkeligen Tassen des östlichen Alpenvorlandes haben ihre besten Entsprechungen in den zweihenkeligen Tassen der graphitbemalten Keramik.

Zusammenfassend stellt Ruttkay fest, dass die auswärtigen Beziehungen der Epilengyel-Gruppe, die anhand der oben angeführten keramischen Qualitäten wahrgenommen wurden, nicht ausreichen, um eine Einwanderung von Volksgruppen aus dem vermeintlichen Ursprungsland der graphitbemalten Keramik, nachweisen zu können. Dazu fehlen Geschirrserien (Typenfronten), die im Epilengyelgebiet gleichermaßen vorhanden sein müssten wie im Ursprungsland.

Da das Verbreitungsgebiet des Salcuta-Komplexes sich nicht in unmittelbarer Nachbarschaft des östlichen Alpenvorlandes befindet, sind diese Neuerungen kein „Durchsickern“. Es bleibt daher nur die Möglichkeit, die in der Keramik festgestellten Fremdelemente auf Handels-Mobilität zurückzuführen. Da die Epilengyel-Zeit gegenüber der ganzen vorangehenden Entwicklung durch reiche Kupferverwendung gekennzeichnet ist, war es wohl der Handel mit Kupfer.

Wie umfangreiche metallurgische Untersuchungen von Evgenij N. Cernych gezeigt haben, verlagerte sich der Schwerpunkt der Erzgewinnung am Balkan auf die Erze des Nordbalkans.


Ruttkay 1991, E.: → Höbenbach/Krems. Mittelneolithische Kontakte NÖs mit Niederbayern. Ann. NHM Wien, Bd. 92 A, 1991:105–124.

⇒ Ruttkay trennt hier – erstmals – die Altheimer und Hells Salzburger Siedlungen von der Mondsee-Gruppe.
Altheim hat mit Isar–Donau; Maxglan und Rainberg haben mit Salzach–Donau einfachen Zugang zu den nö Siedlungen.

Henkeltasse auf Tafel 1/1; nicht 1/2 lt. Ruttkay

Ruttkay schreibt auf S. 105: "Beide Gruben erlauben, die Siedlung von Höbenbach/Krems mit bayerischen Kulturgruppen in Beziehung zu setzen, was für das Neolithikum Niederösterreichs selten gelingt."

Ruttkay S. 118 f.: „Die meisten [in NÖ] vorkommenden Tonwaren sind Nachweise eines Importes. Sie sollten aus einer Gegend hierher gelangt sein, wo die kennzeichnende Verzierung beheimatet ist, aus Niederbayern. Dieser Gruppe könnten auch der Becher von Salzburg-Maxglan (Hell 1954) und vielleicht weitere schnittverzierte Fragmente (Hell 1953) zugeteilt werden. In diese Stufe ließen sich auch das Bruchstück aus der Rössener Kultur (Hell 1954), die „lengyeloiden“ Becher und wahrscheinlich auch die Trichterrandschüssel (Hell 1965) von Maxglan unterbringen.“ Und: „Es wird angenommen, dass die mittelneolithische schnittverzierte Keramik in Niederösterreich ein Import aus Niederbayern ist. In Österreich war die hier diskutierte stich- und schnittverzierte Keramik bisher unbekannt.“

Ruttkay S. 108: Als Einzelfund aus 1927 von Höbenbach, wurde 1942 (von Beninger) eine Henkeltasse mit überrandständigem, hochgezogenem Henkel von der Prähist. Abt. angekauft (Abb. 6/1; Tafel 1/1 [nicht 1/2 lt. Ruttkay]), die sowohl in den niederösterreichischen Gruppen als auch in Altheim vorkommt. Damit kommt Ruttkay abschließend (S. 116) zum Schluss: „Es ist festzuhalten, dass das süddanubische Niederösterreich westlich des Wienerwaldes nicht nur im Mittelneolithikum, sondern auch im Jungneolithikum in einen Kreis überregionaler Kontakte eingeschaltet ist.“

Nachfolgend werden die Literaturstellen zu den vergleichenden Abbildungen dieser Henkeltasse gebracht:

  • Ruttkay (1991, Höbenbach): Abb. 6, 1; Tafel 1/1 (nicht Tafel 1/2).
  • Pittioni (1954, Badener Gruppe, Mittlere Phase): Abbildungen auf SS. 195, 196, 198, 206.
  • Driehaus (1960, Altheim): Tafel 32/1, 2; Tafel 57/7 (nicht Tafel 1 lt. Ruttkay).

Ruttkay 1997, E.: Jungneolithische Furchenstichkeramik im östlichen Mitteleuropa (FS B. Hänsel). Espelkamp-Berlin, 1997:165–180.

  • Fußnote 3: „Seit 1989 beschäftigt sich ein interdisziplinäres FWF-Projekt mit den jungneolithischen Pfahlbausiedlungen der Mondsee-Gruppe. Eine der den Archäologen gestellten Fragen lautet: Wie ist die gesamte Gruppe entstanden? Um diese Frage beantworten zu können, sind chronologische Untersuchungen der Mondsee-Ware und auch der ihr verwandten Keramiken erforderlich. Dieser Beitrag ist Teil des Forschungsvorhabens.“
  • Ruttkay befasst sich in dieser Arbeit mit Furchenstich und Inkrustierung und bringt dazu sieben Abbildungen u.a. von der „Rebensteiner Mauer“, Retz, Mödling, Hollabrunn, Mannersdorf, Ossarn, Slowakei, dem Gajary-Stil und der Bodrogkeresztur-Kultur (Slowakei, Ungarn und Rumänien).
    Überzeugende Ähnlichkeiten zu dem mit Furchenstich verzierten Krüglein, dem „Leitfossil“ der Zeit (S. 165) und der Mondsee-Gruppe werden aber nicht gebracht.

Erste Chronologisierung der Kulturen und die erstmalige "lange Chronologie"

Vergleich von "langer" mit kurzer Chronologie

Gross 1991, Eda; Ruoff, Ulrich: → Die Bedeutung der absoluten Datierung der jungsteinzeitlichen Kulturen in der Schweiz für die Urgeschichte Europas. In: Lichardus, J. (ed.): Die Kupferzeit als historische Epoche. Symposium Saarbrücken und Otzenhausen, Saarbr. Beitr. zur Altertumskunde 55, Bd. 1, 1991:401–420.

Die erstmalige „lange Chronologie“ von Eda Gross 1991

Die hier gebrachte Arbeit von → Eda Gross hat besondere forschungsgeschichtliche Relevanz, da sie mit dieser ihrer Arbeit erstmals – in einem damals noch durch und durch ablehnenden Milieu (v.a. Lichardus, Kossack) – die Sichtweise der langen Chronologie vertreten hat.

Dabei hat sie erstmals vorhandene 14C-Daten mit den dendrochronologischen Daten der Schweizer Pfahlbauten miteinander verknüpft und damit eine Umrechnung von 14C-Daten in die Absolutchronologie der Baumringalter ermöglicht – und damit erstmals eine realitätsnahe Kalibrierung der Radiokohlenstoffmethode geschaffen.

Diese Sichtweise stieß bei damaligen "Autoritäten" auf heftigen Widerstand, da dadurch viele chronologische Annahmen um Jahrtausende verschoben wurden – und damit Lehrmeinungen geändert und Lehrbücher umgeschrieben werden mussten.

Die Abbildung zeigt die enormen Auswirkungen der „langen Chronologie“ gegenüber der „kurzen Chronologie“, wenn man allgemein bis zu dieser Veröffentlichung davon ausgegangen ist, dass Egolzwil zeitgleich mit der 1. Dynastie Ägyptens (3000 v. Chr.) gewesen sei. Die Frühdynastie I in Mesopotamien und Troja Ia (2700 v. Chr.) hätten dem jüngeren Cortaillod entsprochen. Das Frühminoisch I von Kreta und das Frühhelladisch I von Griechenland (um 2600 v. Chr.) hätten parallel zum Pfyn der Schweiz bestanden.

Demgegenüber bestand Egolzwil 1.300 Jahre vor der 1. Dynastie Ägyptens, 1.600 Jahre vor Mesopotamien und Troja und 1.700 Jahre vor Kreta und Hellas. Die Kulturen von Cortaillod und Mondsee/Attersee blühten ein Jahrtausend vor der 1. Dynastie Ägyptens, 1.300 Jahre vor Mesopotamien und Troja Ia und 1.400 Jahre vor Kreta und Hellas.

Die Mondsee-Kultur blüht ein Jahrtausend vor Ägypten

erstmals kalibrierte neolithische Daten in CH, BRD, DDR, CSSR, PL und Österreich

Die nächste Abbildung rückt mehrere frühere – und zeitlich zumeist zu "kurze" – Chronologien in ein völlig neues und realitätsnäheres Bild.

Eda Gross hat mit dieser Arbeit erstmals realistische chronologische Daten zu den einzelnen Kulturen sowohl von Schweiz, Deutschland, DDR, CSSR, Polen und Österreich sowie von den südöstlichen Ländern Ungarn, Jugoslawien, Bulgarien, Rumänien und Griechenland auf eine gemeinsame Basis gestellt und diese sogar mit den bis dahin „ältesten Kulturen“ Ägypten, Mesopotamien, Troja, Kreta, Griechenland in einen neuen, einheitlichen Zeitrahmen gestellt.

Der von Eda Gross im Jahre 1991 eingeführte wissenschaftlich fundierte Ansatz zur Kalibrierung von 14C-Daten besteht bis heute weiter und wird für die Kalibrierung von 14C-Daten weiterhin intensiv eingesetzt.

Damit wurden viele grundlegende österreichische Arbeiten (Pittioni 1954, Ruttkay 1981 usw.) zu den Pfahlbauten an den Salzkammergutseen und die daran beteiligten Kulturen in einen neuen Zeitrahmen gestellt und viele Annahmen wurden "über den Haufen" geworfen.

So beginnt die Epi-Lengyel-Gruppe in Österreich um etwa 4.100 v.Chr. – was mit dem Abbruch der Kulturen in Bulgarien, Rumänien und Jugoslawien um 4.200 v. Chr. gut zusammenpasst. Mondsee I startet um 3.900 v. Chr. und läuft bis 2.600 v. Chr. Die Baden-Kultur beginnt erst um 3.400 v. Chr.

In der Schweiz liegt die Egolzwiler Gruppe um 4.300 v. Chr. ziemlich richtig; die Cortaillod-Gruppierung folgt gleich auf Egolzwil; parallel zu dieser entwickelt sich die Pfyn-Gruppe etwas zeitverzögert, gefolgt von Horgen ab etwa 3.700 v. Chr.

Die erste Abbildung bringt den Vergleich der kalibrierten 14C-Daten mit der dendrochronologischen Datierung des schweizerischen Neolithikums (linke Spalte) und den Vergleich der kalibrierten 14C-Daten aus historisch datierten Komplexen Ägyptens mit der historischen Chronologie (rechte Spalte).

Die mittlere Abbildung bringt kalibrierte 14C-Daten der neolithischen Kulturen in Schweiz, BRD, DDR, CSSR, Polen und Österreich; die rechte Abbildung jene von Ungarn, Jugoslawien, Bulgarien, Rumänien, Griechenland, Anatolien und Ägypten.

Die Mondsee-Gruppe und intendierte Landsiedlungen

Das frühe und mittlere Neolithikum in Oberösterreich

Heinz Gruber vom Bundesdenkmalamt schreibt, dass eine grundlegende Zusammenfassung des Forschungsstandes über das frühe und mittlere Neolithikum von Karina Grömer (2001) gegeben wird:

Grömer 1999, Karina: Leonding – Neolithische Siedlung mit Befestigung und Einzelgrab, Diplomarbeit Univ. Wien 1999. (war umfassende Basis für →)

Grömer 2001, Karina: Jungsteinzeit im Großraum Linz. Siedlungs- und Grabfunde aus Leonding (mit Beurteilung der Felsgesteingeräte und der Silices sowie archäozoologischem Teil). Linzer Archäologische Forschungen 33, Magistrat Linz; 153 Seiten Textteil; mit umfassendem Katalog und Abbildungen insgesamt 326 Seiten.

  • S. 137 Chronologietabelle (Württemberg, Bayern, OÖ/Sbg, Böhmen, Mähren, NÖ, SW-Slowakei)

Grömer, 2001, Karina: → Neolithische Siedlung mit Lengyelgrab in Leonding. Die Stellung OÖs im Früh- und Mittelneolithikum. Jahrb. OÖ Musver. 146/I, 9–41.

  • S. 32–39: Oberösterreich im Früh- und Mittelneolithikum; S. 28: Chronologietabelle (Württemberg, Bayern, OÖ/Sbg, Böhmen, Mähren, NÖ, SW-Slowakei); Lössgebiete für Besiedlung ...

Grömer 2002, Karina: → Das Neolithikum im oberösterreichischen Mühlviertel. Neolitické a eneolitické osídlení hornorakouského Mühlviertelu. Archeol. výzkumy v jižních Čechách 15, 2002:7–54.

  • S. 33: keine Funde der Mondsee-Gruppe im Mühlviertel; S. 47: viele Funde um Donau; S. 49 (angepasste) Chronologietabelle

Gibt es Gruppen in der Nähe, mit denen "Mondsee" verwandt sein könnte?

Lenneis 2016, Eva; Pieler, Franz: → Relative Chronologie der Linearbandkeramik in Österreich. In: Centenary of Jaroslav Palliardi's Neolithic and Aeneolithic Relative Chronology. 2016:45–66. (Zeit bis Vor-Lengyel; mit 8 Tafeln)

Die ältesten Funde der sich formierenden Linearbandkeramik in Österreich stammen von Brunn/Gebirge und datieren auf 5670–5413 BC und die Keramikformen ähneln jenen der Starcevo-Kultur. Der darauf folgenden Notenkopf-Keramik vor allem in Niederösterreich – in OÖ nur in Leonding – folgt die Lengyel-Zeit.

Lippert 1978, Andreas: → Der Götschenberg bei Bischofshofen. MGSL 1978:1–16; Tafeln 17–44. (keine Ähnlichkeit mit Mondsee-Gruppe; ev. einzelne Importstücke)

Lippert 1992, Andreas weist in „Der Götschenberg bei Bischofshofen“ (MPK 27) im Salzburger Alpenvorland folgende Siedlungen der Altheimer Kultur zu: Götschenberg bei Bischofshofen. Grillberg bei Elsbethen, Rainberg, Schloßberg, Salzburg (Krankenhaus), Liefering und Hallwang.


Chronologisches Modell für neolithische Kultur-Phänomene der 2. Hälfte des 5. Jt. in Mitteleuropa

Gleser 2016, Ralf: → Neue Überlegungen zur Chronologie der postbandkeramischen Kulturphänomene in Mitteleuropa. In: Centenary of Jaroslav Palliardi´s Neolithic and Aeneolithic Relative Chronology. 2016:107–116.

Ab der zweiten Hälfte des 5. Jt. können die Kulturen gut in Horizonte gegliedert werden, weil die archäologischen Kulturen gut als aufeinander folgend zu erkennen sind. Die Anzahl der erkannten Stilstufen ist deutlich kleiner als im vorangehenden Mittelneolithikum. Die Keramikstile wurden viel dauerhafter produziert als in der Zeit davor. Z. B. ist für die Stufe MOG IIb nach Ruttkay eine Dauer von 260 Jahren bzw. 9 Generationen anzunehmen; für die Schiepziger Gruppe des Epi-Lengyel ist eine Laufzeit von 300 Jahren zwischen 4100 und 3800 cal.BC zu erkennen. Im Gegensatz dazu überdauerten in der ersten Hälfte des 5. Jt. keramische Stile oft nur 2 bis 4 Generationen.

Demgegenüber zeigt die Mondsee-Attersee-Gruppe eine enorme Beständigkeit über den ganz außergewöhnlich langen Zeitraum von rund 1.200 Jahren (3.900 – 2.700 v. Chr.).


Nachfolgend werden bestmögliche chronologische Informationen zu relevanten Kulturen gebracht:

  • Balkan: Salcuta-Gumelnita bis 4100 v. Chr.
  • Südwest-Slowakei: Lengyel 4500 – 4100 v. Chr.
  • Niederösterreich: Mährisch-Ostösterreichischen Gruppe (bemalte Keramik) bis 4.100.
  • Niederösterreich: Epi-Lengyel beginnt um 4.100 v. Chr.
  • Bayern: Südostbayerisches Mittelneolithikum bis 4500 v. Chr.
  • Bayern: Münchshöfen von 4.500 – 4.100 v. Chr.

  • Schweiz: Egolzwil 3 4300 – 4200 v. Chr.
  • Schweiz: Wauwil 4300 - 3800 v. Chr.
  • Schweiz: Cortaillod 4200 – 3900 v. Chr.
  • Schweiz: Pfyn 3900 - 3600 v. Chr.
  • Schweiz: Cortaillod (Twann) 3.900 - 3400 v. Chr.
  • Schweiz: Horgen 3200 - 2800 v. Chr.
  • Ägypten: 1. Dynastie 3300 - 2700 v. Chr.

Lit.: Gross 1991, E. & Ruoff, U.: → Die Bedeutung der Datierung der jungsteinzeitlichen Kulturen in der Schweiz für die Urgeschichte Europas. In: Lichardus: Die Kupferzeit als historische Epoche. Saarbr. Beitr. z. Altertumskunde, Habelt, Bonn 1991:401-420.


Die Abfolge der Kulturen in Oberösterreich

Mayer 2009, Christian (Bundesdenkmalamt Wien): Abbildungen. In: Gruber 2009, H.: → Das Neolithikum in OÖ – Ein Überblick zum Forschungsstand. Fines Transire 18, 2009:133–143.

Gruber verwendet hier die grafischen Aufbereitungen von Dr. Mayer des BDA zur Darstellung der chronologischen Abfolge der Kulturen in Oberösterreich.

Wie vor allem den beiden ersten Grafiken von Christian Mayer (Bundesdenkmalamt) zu entnehmen ist, gab es im Alpenvorland nur ganz wenig Besiedlung – diese konzentrierte sich vor allem in agrarisch günstigen Löss-Gebieten. Damit kann man davon ausgehen, dass die Besiedlung der Salzkammergut-Seen nicht auf eine bodenständige, vorhandene Bevölkerung aufbauen konnte.

  • In der ersten Abbildung sieht man für das Frühneolithikum die Verteilung von Notenkopf-Keramik vor allem in NÖ, aber nur wenig im Linzer Bereich und einige Fundstellen der „vasi a bocca quadrata“-Kultur im Kärntner Raum. Das Alpenvorland ist letztlich unbesiedelt.
  • Die nächste Karte des Mittelneolithikums zeigt die Abfolge von Lengyel (NÖ, wenig OÖ), Mondsee und das folgende Baden. Plötzlich sind die Seen mit "Mondsee-Kultur" dicht besiedelt. In dieser Karte werden viele Stationen auch abseits der Seen der Mondsee-Kultur zugeschlagen.
  • Die dritte Abbildung vergleicht die Stationen der bayerischen Münchhöfener Kultur mit jenen der Mondsee-Kultur (und zeigt viele weitere Kulturen in NÖ).
  • Die vierte Abbildung des Endneolithikums zeigt die Fundstellen der Chamer Kulturgruppe im Vergleich mit jenen der Mondsee-Gruppe. Hier ist auch zu sehen, dass die Jevisovice-Gruppe - die Ruttkay zeitgleich mit Mondsee ansetzte - erst gegen Ende der Mondsee-Gruppe aufscheint. In NÖ treten mehrere weitere Kulturgruppen in Erscheinung.
  • Die letzte Grafik zeigt – nach dem Ende der Mondsee-Attersee-Kultur – die Fundstellen der Schnurkeramik (Corded Ware) und der Glockenbecherkultur (Bell Beaker), die sich insbesondere in NÖ und Burgenland ausbreitet. In OÖ treten beide Gruppen im Linzer Raum auf; an den Seen treten beide Gruppen nicht auf.

David Mitterkalkgrubers jungneolithische Siedlungen im Ennstal

Adolf Hitler bei Besuch in Linz geschenkte Serpentin-Doppelaxt

Mitterkalkgruber 1954, David: → Jungsteinzeitliche Siedlungen im Ennstal. JB Oö Musealverein 1954:123–140.

S. 124: Das gesamte Grabungsergebnis (Langensteinerwand in Laussa) wurde von Georg Kyrle einer eingehenden Bearbeitung unter Berücksichtigung der geographischen Verhältnisse unterzogen. Die Form der Steinwerkzeuge und die Keramik, insbesondere die Art der Verzierung derselben, ließen ihn diese Siedlung in den Kreis der ostalpinen Pfahlbaukultur, der Mondseekultur, einreihen *).

  • *) Bibliographie zur Urgeschichte Österreichs (1931), Nr. 1665. — G. Kyrle, Jungsteinzeitliche Funde aus dem unteren Flussgebiete der Enns, Wiener Prähist. Zeitschrift V (1918), S. 18—47. — G. Kyrle, Reallexikon 7, S. 250—251: Laussa. Äneolithisches Steinwerkzeugatelier, das an einer tief im Mittelgebirge liegenden Stelle gut geschützt angelegt wurde, in dem bei der Zuarbeitung der Bachgeschiebe auf Äxte auch das Steinschneiden in Verwendung stand. — Langensteinerwand.

S. 134: Mitterkalkgruber: "Zusammenfassend kann gesagt werden, dass in diesem Gebiet im jüngeren Teil der Siedlungsperiode eine Überschneidung und Vermischung nordischer und donauländischer Kulturelemente stattfand, wobei aber das donauländische Element noch sehr stark nachwirkt. Meines Erachtens hat ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Mondseekultur, wie bisher angenommen wurde, nicht bestanden. Nach den bisherigen Forschungsergebnissen hat der Siedlungsraum im Voralpengebiet östlich der Enns seine eigene Kulturentwicklung, deren Wurzel nur im Donauraum zu suchen ist, durchgemacht. Die in diesem Gebiet gefundenen eindeutigen Mondseetypen fallen unter den übrigen Kulturresten auf und wirken fremdartig. Sie mögen im Handelswege hierher gelangt sein. Zudem ist der Raum westlich der Enns bis zum Steyrtal hinüber fundfrei. Fundberichte liegen erst von Molln, Kirchdorf, Micheldorf, Klaus, Steyrling und Brunnenthal-Pernerau vor. Die Handelsbeziehungen, die sicher bestanden, hatten nicht nur einen regen Güteraustausch zur Folge, sondern brachten auch eine kulturelle Beeinflussung mit sich. Es ist daher erklärlich, warum gerade in diesem Gebiet eine klare Trennung der Kulturzugehörigkeit oft nicht ohne weiteres möglich ist.


„Mondseeische“ Krüge?
„Mondseeische“ Krüge?

Mitterkalkgruber 1992, David (1913–1996): Die Jungsteinzeit im oö Ennstal und ihre Stellung im ostalpinen Raum. Linzer archäologische Forschungen, Sonderband IX. Magistrat Linz, 1992. 182 S. und 73 Tafeln.

David Mitterkalkgruber ist jedenfalls für seine jahrzehntelange Forschungs- und Sammlungstätigkeit in diesem Raum viel zu verdanken und dass er trotz seines fortgeschrittenen Alters noch sein gesamtes Material vorgelegt hat. Mitterkalkgruber sieht für die meisten Stationen enge Verbindungen zur Mondsee-Kultur. Leider sind viele seiner Rückschlüsse von den damaligen (Lehr-)Meinungen – die nicht ihm vorzuhalten sind – beeinflusst, die aber mittlerweile vor allem wegen neuerer 14C-Daten nicht mehr zutreffen. Insoferne wäre es heute einfach möglich, seine ehemaligen Funde und Schlussfolgerungen neu zu bewerten und einzuordnen.

Mitterkalkgruber bedankt sich in seinem Vorwort: "Dass mir die Vollendung meines Lebenswerkes trotz meines hohen Alters noch vergönnt ist, verdanke ich vor allem Frau Dr. Elisabeth Ruttkay. Ich danke ihr von ganzem Herzen für die wissenschaftliche Führung und ihre selbstlose Hilfe. Herr Dir. Eduard Beninger hat mich als Mitarbeiter bei verschiedenen Grabungen in spezielle Grabungstechniken eingeführt und bei der Bestimmung meines Materials beraten. Mein Dank geht auch an die Herrn Univ.-Prof. Dr. Kurt Willvonseder und Univ.-Prof. Walter Modrijan, Salzburg."

Kennt man die damalige Haltung der von ihm hauptsächlich zitierten Autoren, ist die Zuschreibung der Ennser Stationen zur Mondsee-Gruppe klar. Da sich Mitterkalkgruber als Vergleichsobjekte fast nur auf Franz-Weninger, Willvonseder, Beninger und Kunze stützt, bleiben keine anderen Verbindungen möglich. Die Literatur der beiden Autorinnen aus der damaligen Tschechoslowakei ist ihm offenbar von Ruttkay entsprechend Ihren Arbeiten zur MOG und ihrer Dissertation vermittelt worden – die beiden liegen auch ihrer Chronologie und Typologie der Mondsee-Gruppe zugrunde.

In seinen Auswertungen des Materials je Fundort stützt sich Mitterkalkgruber insbesondere auf:

  • Willvonseder 1963-68: Die jungsteinzeitlichen und bronzezeitlichen Pfahlbauten des Attersees
  • Beninger 1961, E.: Die Paura an der Traun. Eine Landsiedlung der Pfahlbaukultur und ihre Verkehrslage in ur- und frühgeschichtlicher Zeit. Schriftenreihe Landesbaudirektion 17, Wels
  • Franz-Weninger 1927: Die Funde aus den prähistorischen Pfahlbauten im Mondsee.
  • Kunze 1981 Keramik der Pfahlbauern (nur wegen vergleichbarer Mondsee-Keramik verwendet)
  • Medunova-Benesova 1981: Jevisovice, Stary-Zamek (in Tschechisch)
  • Nemejcova-Pavukova 1984: Zur Problematik von Dauer und Ende der Boleraz-Gruppe in der Slowakei. In: Slovenska Archeologia, Bratislava, S. 75–146. (in Slowakisch)
  • Kyrle 1918: Jungsteinzeitliche Funde aus dem unteren Flussgebiet der Enns

Zusätzlich werden bei seinen Auswertungen häufig zitiert:

  • Ruttkay 1971: (Siedlungsreste in Schwechat), 1976 (Beitrag zum Problem des Epi-Lengyel-Horizontes in Österreich), 1981 (Typologie und Chronologie der Mondsee-Gruppe) [und 16 weitere Lit.-Stellen]
  • Driehaus 1960, J.: Die Altheimer Gruppe und das Jungneolithikum in Mitteleuropa
  • Hell 1927 (Götschenberg bei Bischofshofen), 1954 (Salzburg in vollneolithischer Zeit)
  • Pittioni 1954: Urgeschichte des österreichischen Raumes
  • Burger 1988, I.: Die Siedlung der Chamer Gruppe von Dobl (nur bzgl. „Cham“)

Erstmals nennt Mitterkalkgruber auf Seite 165 eine Randscherbe eines Gusslöffels oder Schmelztiegels und 8 Fragmente sowie einen Gusstropfen aus Kupfer (leider ohne Bestimmungen).

Hinsichtlich der Fleischversorgung in den Stationen berichtet er:

  • Rebensteiner-Mauer: nur Wildtiere, keine Haustiere
  • Langensteiner Wand: Hausschwein, Schaf und Ziege; Wildtiere
  • Prückler-Mauer: Hausschwein, Hausrind, Schaf und Ziege; Wildtiere

Jakob Maurers "Mondseer Landsiedlungen"

Link zur Liste der → Veröffentlichungen von Jakob Maurer. (beinhaltet viele der Forschungen mit Timothy Taylor zur Vorbereitung der oö Landesausstellung 2020)


Maurer 2012, Jakob: → Steyregg-Windegg – Eine Siedlung der Chamer Kultur - Struktur und Fundmaterial. Diplomarbeit Univ. Wien; 2012: 278 Seiten.
Maurers „Erfindung“ der „Mondseegruppe mit Höhensiedlungen usw.“ erfolgte mit dieser Diplomarbeit (eine Suche „Mondsee“ ergibt 64 Treffer).

Jakob Maurers Ausdehnung der Mondsee-Gruppe

Maurer 2012, Jakob: → Landsiedlungen der Mondsee‐Gruppe – eine kupferzeitliche Forschungslücke in den nordöstlichen Voralpen. Internationales Arbeitstreffen “Das Inntal als Drehscheibe zwischen Kulturen nördlich und südlich des Alpenhauptkammes” in Innsbruck (17.02.2012), Publikation abgesagt. 25 S. und 25 Abb.

Maurer weist die folgenden Fundstellen der Mondseegruppe zu:

  • Schweighofer Mauer in Ertl (Mostviertel in NÖ);
  • Höhensiedlungen in der Laussa und im Mostviertel (Rebensteiner Mauer, Prückler Mauer und Langensteiner Wand) mit ähnlichem Fundmaterial wie Schweighofer Mauer;
  • einzelne Straten in Ansfelden-Burgwiese;
  • die Paura in Stadl-Paura (mit „Hiatus der Mondsee-II-Phase“)
  • die Salzburger und niederbayrischen Siedlungen zählt er eher zur Altheimer Gruppe mit Importen aus Mondsee;
  • „am Götschenberg bei Bischofshofen ist der typische Mondsee-II-Furchenstich vorhanden“
  • weitere Trockenbodensiedlungen der Mondseer Gruppe im Raum Graz; und
  • Funde von der Krautinsel im Chiemsee

Maurer 2013, Jakob: → Das Mostviertel und die Mondsee-Gruppe – Felsklippen und Bärenzähne. In: Tag der nö Landesarchäologie 2013. Katalog des nö Landesmuseums 2013:28–35.

  • Einleitung: Dass das Hauptverbreitungsgebiet der kupferzeitlichen Mondsee-Gruppe bis in das südwestliche Niederösterreich reicht und sich keineswegs auf die oberösterreichischen Seeufer beschränkt, ist in der Öffentlichkeit wenig bekannt. Ähnlich wie die Feuchtbodensiedlungen am Mond- und Attersee (Unesco-Weltkulturerbe seit 2011!) verdienen aber auch die Trockenbodensiedlungen der Mondsee-Gruppe im Ennstal und im Mostviertel eine intensive Betrachtung.
  • Die Mondsee-Gruppe: Welche gesellschaftliche Situation sich hinter dem Erscheinungsbild der Mondsee-Gruppe verbirgt und ob sich die dahinter stehenden Menschen als Teil einer gemeinsamen Identitätengemeinschaft betrachteten, können wir derzeit nicht mit Sicherheit einschätzen. Eine zentrale politische Führung ist nicht nachweisbar, und beim aktuellen Forschungsstand liegen auch keine Hinweise auf die Existenz von besonders bedeutenden Zentralorten vor. Vielleicht handelt es sich eher um ein loses Netzwerk oder eine Gruppierung verschiedener Stämme, Großfamilien oder Dorfgemeinschaften? Wir wissen es nicht. Das archäologische Fundmaterial und die Ähnlichkeit der Gefäßverzierungen auf den verschiedenen Fundplätzen weisen aber jedenfalls auf vergleichbare stilistische Vorlieben und auf persönliche Kontakte hin, beispielsweise durch die Verheiratung von Personen.

Maurer 2014, Jakob, → Die Mondsee-Gruppe: Gibt es Neuigkeiten? Ein allgemeiner Überblick zum Stand der Forschung. Vorträge des 32. Niederbayerischen Archäologentages 2014:45-90.

Maurer verwendet in seinen Bezügen auf die Mondsee-Gruppe nun durchwegs den Konjunktiv. Er gibt aber nach wie vor keinerlei Begründung für die Einbeziehungen "seiner" OÖ- und NÖ-Stationen (insbesondere Schweighofer Mauer in Ertl) zur Mondsee-Gruppe; er liefert aber auf S. 156 eine Abbildung der drei Keramik-Typologien von Ruttkay.

Erforderliche Keramik-Gegenüberstellungen zur Klärung der Herkunft (lt. Elisabeth Ruttkay)

Das "klassische" Bild der Mondseekultur wurde von frühen Arbeiten geprägt.

Im Folgenden wird relevante Literatur zur Keramik der Mondsee/Attersee-Gruppe angeführt.

Keramik der Mondsee/Attersee-Gruppe

  • Franz 1927, Leonhard und Weninger, Josef: → Die Funde aus den prähistorischen Pfahlbauten im Mondsee. Materialien zur Urgeschichte Österreichs, hrsg. von der Anthrop. Ges. Wien und der Prähistor. Ges. 3. Heft. Mit 10 Abb. Im Text und 376 Abb. auf XLII Tafeln.
  • Lochner 1997, Michaela: Studien zur Pfahlbauforschung in Österreich. Materialien I – Die Pfahlbaustationen des Mondsees: Keramik. Mitt. d. Prähistor. Kommiss. Bd. 32, Öst. AdW 1997, 395 Seiten
  • Bachner 2002, Margit: Die Keramik der Seeuferstation See/Mondsee - Slg. Much, Inst. f. Ur- und Frühgeschichte, Diss., 3 Bände: Text, Katalog, Tafeln; Wien 2002.

Sich für Vergleiche anbietende Literatur

  • Ruttkay 1991, E.: Das Ende der Donauländischen Welt und Südosteuropa. Mitt. Anthr. Ges. 121, Wien, 1991:159–181.
  • Ruttkay 1997, E.: Jungneolithische Furchenstichkeramik im östlichen Mitteleuropa (FS B. Hänsel). Espelkamp-Berlin, 1997:165–180.
    • Fußnote 3: „Seit 1989 beschäftigt sich ein interdisziplinäres FWF-Projekt mit den jungneolithischen Pfahlbausiedlungen der Mondsee-Gruppe. Eine der den Archäologen gestellten Fragen lautet: Wie ist die gesamte Gruppe entstanden? Um diese Frage beantworten zu können, sind chronologische Untersuchungen der Mondsee-Ware und auch der ihr verwandten Keramiken erforderlich. Dieser Beitrag ist Teil des Forschungsvorhabens.“
  • Hafner 2005, Albert; Suter, Peter: → Raum/Zeit-Ordnung und neue Denkmodelle. Archäologie im Kanton Bern, Band 6B, Bern 2005:431–498, mit umfassendem Katalog.
    • Gliederung in Regionen (West-, Zentral-, Ostschweiz / Bodensee, oberes Rhonetal und Alpenrheintal) und diese in Zeitperioden sowie nach Keramik-Typologien.

Der Weg des Kupfers ins Salzkammergut und seine Metallurgie

Kupfer-Ausbreitung in Zentraleuropa bis in Schweiz

Suter 2013, Peter: Das Leben am See – Wirtschaft, Haus, Handwerk, Verkehr, Austausch. In: → Die Pfahlbauer – Am Wasser und über die Alpen. Archäologischer Dienst des Kantons Bern 2013.

Abb. S. 82: Die Kupfer-Metallurgie kommt in intensivem Ausmaß von SO-Europa um 3800 v.Chr. bis in die Schweiz; sie trifft aus Frankreich aber erst um 2900 v.Chr. in der Schweiz ein.

Die Schweizer Kupfergegenstände (vgl. Gross 2021 Tab. 11) haben eher geringe Arsen-Gehalte von unter 1 %; es gibt eine einzelne Ausnahme bei Hitzkirch um 4.000 v.Chr. (1,9 % As) und drei in der Zeitspanne 3.000-2.700 v.Chr. mit bis 2 % Arsen im nahen Frankreich.


Kupfer-Artefakt-Importe vor 4000 BC aus dem Karpatenbecken nach Mitteleuropa

Noch vor Ende des 5. Jahrtausends werden „abgekupferte“ (kopierte, gespranzte) Steinäxte gefunden: Doppelaxt aus Serpentinit in Cham-Eslen (4300–4000 BC) im Zugersee mit kupfernem Vorbild aus Südosteuropa; ebenso die steinernen „Aichbühler Hammeräxte“ in Oberschwaben (4200–4000 BC) mit Vorbildern aus dem Karpatenbecken (Driehaus 1960).

Etwa zur gleichen Zeit kommen im westlichen Mitteleuropa die ersten importierten (echten) Kupfergeräte auf. In Italien am Oberlauf der Etsch/Adige gibt es eine Reihe von Beilklingen vom Typ Szakálhát (Karpaten-Schwergerät).

Weitere Funde dieses Schwergeräte-Horizonts reichen nördlich der Alpen (v.a. in Österreich) weit nach Westen (alle Angaben nach Mayer 1977): Linz-St.Peter (OÖ; Hammeraxt und Flachbeilklinge), Steindorf (Kärnten, Depot mit 2 Siria-Äxten), Missingdorf (NÖ, Axt vom Typ Jászladány), Mitterretzbach (NÖ, Axt vom Typ Jászladány). Massive Flachbeile aus demselben chronologischen Horizont (Ende 5. Jt. v. Chr.) entdeckte man bis nach Salzburg. (Mayer 1977, Eugen Friedrich: Die Äxte und Beile in Österreich. Prähist. Bronzefunde, Abt. IX, Bd. 9; Beck, München 1977. 295 Seiten.)

Weiters ist der Fund einer fragmentierten Kupferaxt vom Typ Siria aus Überlingen am Bodensee (Baden-Württemberg) anzuführen, ein Schwergerätetyp, der in Gräbern der Bodrogkeresztúr-Kultur (Typus „Aszód“) belegt ist und in denselben Zeithorizont gehört wie die Kupferäxte vom Typ Jászladány. Sie wurde im südlichen Karpatenbecken aus bosnischem oder ostserbischem Erz hergestellt. Neuere 14C-Daten verweisen auf die Zeit 4300–4000 calBC. (Matuschik 1997, Irenäus: Eine donauländische Axt vom Typ Siria aus Überlingen am Bodensee. Prähist. Zs. 2002:81–105.

Weiters eine Kupferahle von Schernau bei Dettelbach (Bayern) kurz nach der Mitte des 5. Jt. v. Chr. mit chemisch südost-europäischer Herkunft. (Lüning 1973, Jens: Der älteste Kupferfund im süddeutschen Raum. Arch. Korrbl. 3, 1973:15–22.

Weiters gibt es Belege für Import von Kupferobjekten im Schweizer Mittelland und in Südwest-Deutschland kurz nach der Wende zum 4. Jt. v. Chr. – eine Gruppe von Objekten mit eindeutigen Bezügen zum Ostalpenraum. Das bekannteste Objekt ist die mit drei Buckeln versehene Kupferscheibe aus Hornstaat-Hörnle IA mit engen Parallelen im westlichen Karpatenbecken, die dendrochronologisch auf 3917–3902 datiert ist (Matuschik 1997). Aus Egolzwil 4 stammt eine massive Beilklinge vom Typ Hartberg, die an den Anfang des 4. Jt. gehört und noch zu den Schwergeräten gehört. Die Beilklinge aus Horw LU-Fondlenhöhe ist typologisch dem Ende des 5./Beginn 4. Jt. zuzuweisen. (van Willigen 2018, S. et al.: → Zwei jungneolithische Äxte aus Kupfer und Stein im Museum Zofingen AG. JB Archäologie Schweiz 2018:23–40.)

Zur überraschenden Verlagerung der Kupfer-Metallurgie innert Europa

Verbreitung früher Kupferartefakte vor ca. 3500 calBC

Verbreitung von Kupferartefakten 4600–4400 v.Chr.

Govedarica 2016, Blagoje: → Das Phänomen der balkanischen Kupferzeit. In: Der Schwarzmeerraum vom Neolithikum bis in die Frühneuzeit (6000–600 v. Chr.) Prähist. Arch. in SO-Europa Bd. 30, VML 2016:11–22.

Schier 2016, Wolfram et al.: → Ex oriente lux? – Ein Diskussionsbeitrag zur Stellung der frühen Kupfermetallurgie Südosteuropas. In: Von Baden bis Troja – Jubiläumsschrift für Ernst Pernicka. ÖstAdW, VML 2016:59–122. (Die Grafiken wurden von Dr. Stefan Suhrbier erstellt.)

Frühe Kupferzentren im Vinča-Gebiet und später im Gebiet von Varna und der „Kodžadermen-Gumelniţa-Karanovo VI Kultur“ an der Schwarzmeerküste – die spätestens im 43 Jh. endeten – hatten umfangreiche und hoch-qualitative Kupferproduktionen. Später konzentrierten sich die kreuzschneidigen Axthacken und jüngeren Hammeräxten auf die nördlichere Bodrogkeresztúr-Kultur. Diese lässt sich nach neuen 14C-Daten auf die Zeit 4250–3950 calBC datieren.

In den letzten zwei Jahrhunderten des 5. Jt. (Abb. 12) lässt sich ein großer zusammenhängender Verbreitungsraum mehrerer hunderter kupferführender Fundstellen erkennen. Er reicht von NW-Bulgarien und Ostserbien bis nach Nordmähren. Sein Kernbereich umfasst Siebenbürgen und die Osthälfte des Karpatenbeckens, er lässt sich im Wesentlichen mit der Bodrogkeresztúr-Kultur assoziieren. Der westpontische Raum, von Thrakien bis zur Dobrudscha, ist hingegen weitgehend fundleer, in diese Zeit fällt die „Übergangsperiode“ nach dem Ende der bulgarischen Spätkupferzeit und der südrumänischen Gumelniţa-Kultur.

Im Zeitraum 4000–3800 (Abb. 13) ist erneut eine deutliche Verlagerung der Dichtezentren zu erkennen. Während Siebenbürgen und das Theißgebiet nur wenige Kupferfunde aufweisen, findet sich eine starke Konzentration im Raum Westslowakei-Mähren, eine weitere in Mitteldeutschland. Erstmals treten Kupferfunde jetzt im südwestdeutsch-schweizerischen Raum auf. Moderate Verdichtungen bestehen weiterhin in Kroatien, außerdem im Bereich der Cucuteni AB-Kultur zwischen Ostkarpaten und Dn’estr sowie der Tripol’e B2-Kultur am mittleren Dn’epr.

Verbreitung von Kupferartefakten 3800–3600 v.Chr.

Zwischen 3800 und 3600 (Abb. 14) bleiben Verbreitungsschwerpunkte von Kupferartefakten in der Westslowakei und Mähren sowie in Mitteldeutschland bestehen, während sich die größte Verdichtung im Raum zwischen Bodensee und Schweizer Mittelland ausmachen lässt. Aus zahlreichen Uferrandsiedlungen der Pfyner und Cortaillod-Kultur sind nicht nur Kupferkleinartefakte, sondern auch Gusstiegel und sonstige Spuren lokaler Produktion nachgewiesen, häufig dendrodatiert. Die Zone nordalpiner Kupferproduktion lässt sich nach Osten bis zur Mondseekultur verfolgen. In Südosteuropa ist eine gewisse Fundkonzentration im östlichen Siebenbürgen zu verzeichnen, die nach Norden ins Gebiet der Cucuteni B-Kultur ausstrahlt und im Süden mit einzelnen Fundpunkten bis Thrakien reicht.

Während der letzten hier betrachteten Zeitscheibe 3600–3400 (Abb. 15) bestehen weiterhin Verdichtungsräume in der Westslowakei, Mähren und in Mitteldeutschland (Einzelfunde von Flachbeilen), wohingegen das Karpatenbecken und Südosteuropa weitgehend fundleer erscheinen. Einzig im Bereich der Tripol’e C1-Siedlungen am mittleren Dn’epr lässt sich eine kleinräumige Fundkonzentration ausmachen. Die südwestdeutsch-schweizerische Fundkonzentration ist in dieser Zeitscheibe verschwunden.

Es wird unerwartet deutlich, dass die Verbreitung von Kupferartefakten und die mit ihnen verbundenen metallurgischen Kenntnisse und Fähigkeiten keine lineare Diffusion zeigen. Dichtezentren lösen sich ab; neu auftretende Verdichtungen sind mit einem Rückgang früherer benachbarter Schwerpunkte verbunden. Besonders deutlich ist dies mit der Verlagerung des bulgarisch-westpontischen Schwerpunkts (4600–4200) nach Siebenbürgen und das Karpatenbecken 4200–4000 und erneut um 4000 BC in den slowakisch-mährischen Raum.

Die Ausbreitung der Kupfermetallurgie nach Mitteleuropa

Erst als Kupfer gesellschaftlich etabliert war, breitete sich die Kupfermetallurgie und das Wissen um die technischen Prozesse auch Richtung Mitteleuropa aus. Bis in die zweite Hälfte verlief eine Ausbreitungsgrenze durch Transdanubien. Bereits in der ersten Hälfte des 5. Jt. spielte Kupfer östlich der Theiß und im südlichen Transdanubien eine Rolle. Während Kupfer in Tiszapolgár und Bodrogkeresztúr einen festen Platz hatte, kam Kupfer in der nordwestlichen Lengyel-Kultur eine völlig untergeordnete Rolle zu.

Erst als es in der zweiten Hälfte des 5. Jt. v. Chr. zu deutlichen Veränderungen in der nordwestlichen Lengyel-Kultur kommt, gewinnen dort auch Kupfer (v. a. Schwergeräte) und die Kupfermetallurgie an Bedeutung. Auch wenn zahlreiche Kupferfunde dieser Zeit und Region Einzelfunde sind, weisen die räumliche Konzentration und regional abgrenzbare Formen auf eine eigenständige Kupfermetallurgie in den Westkarpaten hin.

Gleichzeitig verändern sich Ende des 5. Jt. v. Chr. die genutzten Kupferquellen. Die Artefakte sind nun aus westslowakischem Kupfer hergestellt, dem sogenannten Nógrádmarcal-Kupfer.

Erst jetzt verbreitet sich diese Innovation weiter nach Westen und es gibt eine pyrotechnische Verarbeitung von Kupfer in Bisamberg-Oberpullendorf, Keutschacher See und Makotřasy (Tschechien). Aus Bisamberg-Oberpullendorf stammt Keramik, die mit dem Fragment eines Gusstiegels vergesellschaftet war. die Keramikfunde verweisen auf das 41. Jh. v. Chr. Aus gleicher Zeit stammen Gusslöffelfragmente mit anhaftenden Kupferrückständen aus der Feuchtbodensiedlung vom Keutschacher See (14C-Daten zeigen 4100–3700, Dendrodaten 3947–3871 v.Chr.)

Die Phase des Imports von Kupfergegenständen aus Südosteuropa und anschließend aus dem westkarpatischen Raum wird im Lauf des 39. Jh. v. Chr. schließlich von der eigenständigen Produktion lokaler Formen aus einer neuen Kupferart – dem Mondseekupfer – abgelöst, das sich durch seinen Arsengehalt auszeichnet. Im Bereich der Pfyner und der Mondsee-Kultur lässt sich nun eine lokale Kupferproduktion fassen, die u. a. durch Gusstiegelfunde, Rohlinge, Halbfabrikate und Schleifwerkzeuge belegt ist. Nachweisbar ist v. a. die Herstellung lokaler Flachbeilformen,. [Daneben sind in geringerer Zahl aber auch Dolche, Ahlen, Meißel oder Schmuck in Form von Hakenspiralen belegt. Einzelne Typen belegen das Fortbestehen der Kontakte in den südosteuropäischen Raum anhand formaler Ähnlichkeiten.

Zur Kupfer-Metallurgie

Der Beginn der Kupfermetallurgie, der die pyrotechnische Verarbeitung von Metallen einleitet, ist ein grundlegender Schritt in der Menschheitsgeschichte. Bei diesem Innovationsprozess und dem damit verbundenen Technologietransfer sind sowohl technische als auch gesellschaftliche Voraussetzungen zu berücksichtigen, die beide eine conditio sine qua non darstellen.

Bei der frühen Herstellung neolithischer Keramik wurden Temperaturen zwischen 500 und 800°C erreicht. Erst für die Produktion sehr hart gebrannter und polychromer Keramik, wie sie am Ende des 6. Jt. v. Chr. im Bereich ab der Stufe Vinča B in Südosteuropa auftritt, sind der Einsatz von Reduktionstechniken sowie Temperaturen im Bereich von 850 bis 1100°C nötig, die nur in zweikammerigen Brennöfen und die Verwendung von Holzkohle erreicht werden können. Lochtennen, die die Existenz solcher Öfen bestätigen, liegen ab der Stufe Vinča C (ca. 5000–4750 calBC) aus Rumänien und Nordbulgarien vor. Der derzeit älteste direkte Beleg für Kupferverhüttung ist der Schlackebrocken aus der Siedlung von Belovode/Serbien, der um 5000 v. Chr. datiert wird.

Haubner 2020, Roland: → Die prähistorische Kupfermetallurgie – allgemeine Betrachtungen. Berg Huettenmaenn Monatsh Vol. 166 2021:343–351.

  • Die Rituale zur Metallgewinnung wurden durch mündliche Überlieferung weitergegeben. Eine solche Werkanleitung könnte bei den metallurgischen Handwerksmeistern etwa gelautet haben: „Suche die bunten Steine und sammle sie ein. Mach diese bunten Steine im Feuer so heiß, bis das rote unzerbrechliche Material entsteht!“ (bei oxydischen Erzen). Oxidische Kupfererze lassen sich leicht mit Kohlenstoff zu metallischem Cu reduzieren. Dies kann einfach in einem Tiegel oder Herd im Holzkohle-Feuer erfolgen. Von der Dauer des Reduktionsschritts ist es abhängig, wieviel Sauerstoff im Cu gelöst bleibt und somit wieviel Cu-Cu2O Eutektikum gebildet wird. Durch das Vorliegen eines Eutektikums kann bereits beim Schmelzpunkt von Cu (1085 °C) eine vollständig aufgeschmolzene Legierung erhalten werden. Aus der Mondseekultur sind Cu Gegenstände mit Cu-Cu2O Eutektikum im Gefüge bekannt. Eine vollständige Entfernung von Sauerstoff aus der Schmelze war zu dieser Zeit nicht möglich – wobei aber enthaltenes Arsen als Desoxidationsmittel wirkte, dadurch aber der Schmelze verloren ging.
    Fahlerze als Erzbasis erfordern bereits einen zweistufigen Prozess, um metallisches Kupfer (Cu) herzustellen. Chemisch müssen die Elemente Schwefel (S) und Arsen (As) oxidiert und das Cu reduziert werden. Um Schwefel aus dem Erz zu entfernen muss es „geröstet“ werden, dabei bildet Arsen gasförmiges As4 oder As2, welches abdampft. Von den Sulfiden reagiert zuletzt Cu2S. Nur wenn gleichzeitig metallisches Cu und gasförmiges As vorliegen, wird Cu3As gebildet. Dieses ist weitgehend stabil und zersetzt sich erst, wenn Cu zu Cu2O oxidiert wird. Nur dieses As verdampft während der Weiterverarbeitung durch Schmelzen und Gießen nicht. In der Praxis bedeutet dies, dass beim Rösten ein Großteil des Schwefels zu SO2 reagiert, Cu2O gebildet wird und As abdampft. Im nachfolgenden Reduktionsschritt des Cu2O mit Kohlenstoff aus Holzkohle wird noch vorhandenes As in der Schmelze aufgenommen, und es entstehen Arsenbronzen. Es ist von der Prozessführung abhängig, wieviel As in die Bronze eingebaut wird. Fehlerze werden in der Schweiz erst ab dem Ende des 4. Jt. abgebaut und verhüttet.

Mödlinger 2019, M.; Haubner, R.: → Arsenic loss during metallurgical processing of arsenical bronze. Archaeol. Anthropol. Sci. 11, 2019:133–140.

  • Die Verluste von Arsen aus einer As-Cu-Legierung sind beim Schmelzen und Erstarren unter oxidierenden Bedingungen (also Luft-Sauerstoff) ziemlich hoch und nehmen bei höheren Arsen-Gehalten überproportional zu. Bzgl. des Arsenverlustes bei prähistorischem Recycling sind zu berücksichtigen: chemische Zusammensetzung des Metalls; Zusammensetzung der zusammenzuschmelzenden Metalle; Schmelz- und Gießbedingungen (Temperatur, Atmosphäre, Zeit) und die Geometrie der recycelten Metallobjekte, des Tiegels und der Gussform.

Die "phänomenalen" Eigenschaften von geschmiedetem Arsen-Kupfer

Härte wg. Δ-Dicke-% durch Kaltschmieden; As-Kupfer 2–3-mal härter als pures Kupfer; bearbeitet nach Ottaway (diese nach Tylecote)

Ottaway 2014, Barbara; Heeb, Julia: → Experimental Archaeometallurgy. In: Archaeometallurgy in Global Perspective: Methods and Syntheses. New York: Springer. 2014:161–192.

S. 176: Die früheste Kupferlegierung in Europa war arsenhältiges Kupfer, erst ein Jahrtausend später folgte Zinnbronze. Archäologische Nachweise werden nur durch Metallanalysen erbracht. Ein Blick auf die nebenstehende Abbildung zeigt, dass einer der Gründe für das Legieren ein rein technischer sein könnte, nämlich die Verbesserung der Eigenschaften. So lässt sich beispielsweise die Härte von reinem Kupfer durch Kaltschmieden nicht so stark erhöhen wie durch Bearbeitung von legiertem Kupfer (vgl. die Verdopplung bis Verdreifachung der Härte von geschmiedetem Arsenkupfer gegenüber purem Kupfer in der nebenstehenden Abbildung). Wie in der Abbildung extra herausgearbeitet, ist der Härte-Anstieg bereits bei nur geringem Kaltschmieden viel steiler als bei purem Kupfer.

Die Attraktion des Arsen-Kupfers ergab sich also nicht durch die materielle Zusammensetzung selbst, sondern vor allem durch die Arbeit der Schmiede: durch die Kaltverformung wurden die Schneiden der Beile (Messer usw.) bedeutend härter als bei reinem Kupfer.

Weitere Punkte, die für legiertes Arsen-Kupfer sprechen, sind der niedrigere Schmelzpunkt von Legierungen im Vergleich zu reinem Kupfer und die Verringerung der Porosität mit zunehmenden Legierungselementen. Planschliffe von arsenhältigem Kupfer zeigen mit ansteigendem Arsengehalt eine frappant inverse Beziehung zur Porosität des Metalls, was besonders beim Nachschärfen von Beilen und Messern (keine Lunker im Metall) von ausschlaggebender Bedeutung ist.

Eigenschaften von Arsen-Kupfer - keine künstliche Legierung möglich

Schroeder 2015, Claudia; Arndt, Torsten: → Problematik, Klinik und Beispiele der Spurenelementvergiftung – Arsen Toxichem Krimtech 82(3); 2015:327–339.

Junk 1973, Margrit: → The Influence of Arsenic on the Properties of Copper. In: Material properties of copper alloys containing arsenic, antimony and bismuth. Dissertation Univ. Freiberg; 274 Seiten, 1973:19–26

Arsen-Kupfer ist deutlich härter und zäher als pures Kupfer. Es ist einfacher gießbar und kann mit Gussformen in Massenproduktion hergestellt werden. Von besonderer Bedeutung ist, dass es z. B. bei Beschädigung als Neu-Guss zur Gänze wiederverwendbar ist, ohne dass die Qualität darunter leidet - wenngleich dabei Arsen verloren geht.

Der Schmelzpunkt von Kupfer liegt bei 1085 °C.

Arsen sublimiert bei einer Temperatur von 613 °C, geht also aus dem festen Aggregatzustand direkt in die Gasphase über (und verdampft).

Das spezifische Gewicht von Kupfer beträgt 8,9 kg/dm3, jenes von (metallischem) Arsen 5 kg/dm3; d.h. (noch) festes Kupfer geht in flüssigem Arsen (mit 613 °C) unter - während das Arsen bei weiterem Erhitzen sublimiert.

Deshalb konnte "Arsen-Kupfer" nicht durch künstliches Legieren hergestellt werden. Wollte man Kupfer durch Beifügung zu flüssigem Arsen legieren, würde sich flüssiges Arsen über dem noch festen Kupfer befinden und verdampfen. Würde man metallisches Arsen zu flüssigem Kupfer von rd. 1100 °C hinzufügen, würde dieses auf dem schwereren Kupfer schwimmen und ebenfalls verdampfen.

Zudem verbrennt Arsen bei über 180 °C an der Luft (von selbst) mit bläulicher Flamme zu einem weißen Rauch von giftigem Arsen(III)-oxid (Arsenik). Arsen-Stäube sind leicht entzündlich. In natürlich vorkommender Legierung ist Arsen weniger und nur unter oxidierenden Bedingungen flüchtig.

Maikop-Kupfer und dessen Arsen-Gehalt (bis ≤ 10 %)

Untersuchte Maikop-Kupfergeräte

Einen guten Überblick zu kaukasischem Arsenkupfer gibt Alistair Pike (Britisches Museum): → Analysis of Caucasian metalwork – the use of antimonal, arsenical and tin bronze in the Late Bronze Age In: Ancient Caucasian and Related Material in the British Museum. The British Museum, London 2002:87–92.

In der Archäologie wird Fahlerz auch manchmal als Synonym für Arsenbronzen verwendet, wie sie besonders in der Frühen Bronzezeit gebräuchlich waren. Im Kaukasus stand Fahlerz natürlich an, während es an Zinn mangelte, daher wurde es hier bis zum Ende der Bronzezeit bevorzugt genutzt.

S. 90: Das Vorhandensein von Arsen in Kupfer erhöht die Härte des Metalls und wirkt außerdem als Antioxidantium, das die Bildung von Gasporen beim Gießen verringert. Der Arsengehalt der Gegenstände variiert von keinem bis zu 5,5 %, mit einem Mittelwert von etwa 2,5 %. Der "ideale" Arsengehalt liegt bei 4–5 %, was den besten Kompromiss zwischen Härte und Elastizität darstellt. Arsen entweicht beim Erhitzen rasch aus arsenhaltigem Kupfer in einer oxidierenden Umgebung.

Arsenkupfer mit 1–3 % Arsen hat eine rote Farbe, mit 4–12 % Arsen eine goldene Farbe und mit 12–18 % eine silberne oder graue Farbe. Die gegossenen Gegenstände aus arsenhaltigem Kupfer haben einen höheren Arsengehalt (3-5 %) als die bearbeiteten Dolchklingen aus arsenhaltigem Kupfer.


Arsen-Spektralanalysen Maikop und Novosvobodnaia

Selimkhanov 1962, Isa R. bringt in: → Spectral analysis of metal articles from archaeological monuments of the Caucasus. Proc. of the Prehistoric Society, Vol. 28, 1962:68–79: die Ergebnisse von 27 Analysen von Artefakten aus dem Maikop-Kurgan. Fast durchgängig wird arsenhaltiges Kupfer mit 3-10 % Arsen verwendet.

Wie der nebenstehenden Tabelle zu entnehmen ist, beträgt der durchschnittliche Arsengehalt der Gegenstände aus dem Maikop-Kurgan 5,5 % und maximal 9,1 %; jener aus dem späteren Novosvobodnaia-Kurgan 4,9 %; ohne den Ausreißer mit 0,7 % As beträgt er 5,3 % und maximal 10,0 %.
Aus der Tabelle ist auch die außerordentliche Reinheit des Kupfers hervorzuheben: andere Elemente kommen nicht einmal im Promille-Bereich vor.

Andere Fundstellen am Kaukasus lieferten folgende Arsengehalte im Kupfer: Kiultepe (Türkei) durchschnittlich 3,8 %, maximal 6,1 %; Shengavit (Armenien) durchschnittlich 2,7 %, maximal 3,1 %; Gräber in Dagestan durchschnittlich 1,9 %, maximal 2,5 %.

Metallurgische Forschungen zum "Mondsee-Kupfer"

Die Metallurgen Budd, Gross und Schmitz zum "Mondsee-Kupfer" (bis ≤ 10 % As)

bis 11 % Arsengehalt des Kupfers der Funde aus See am Mondsee

Budd 1991, P.: → A metallographic investigation of eneolithic arsenical copper artefacts from Mondsee, Austria. Historical Metallurgy 1991:99–108.

Budd untersuchte 14 Objekte aus der Sammlung Much der Universität Wien: 10 Mondsee-Beile und 2 Dolche; die Arsen-Gehalte schwanken einerseits von wenig bis zu 3, 5 und einmalig sogar 10,7 % (vgl. die nebenstehende Tabelle).

Das ist deshalb so relevant, weil hohe Arsengehalte von Kupfer in Europa äußerst selten sind. In der Stuttgarter Datenbank von Pernicka kommen Arsengehalte über 3 % nur mit drei Prozent und Arsengehalte über 5 % nur mit einem Prozent vor.


Gross 2021, Eda et al.: → Diversity of resources and volatility of metallurgical networks—multi‑methodological provenance analysis of neolithic and EBA‑copper‑artefacts from Switzerland and eastern France. In: Archaeological and Anthropological Sciences (2021), 34 pages. [ 34 x „Mondsee“]

Die untersuchten Schweizer Kupfergegenstände haben durchwegs Arsen-Gehalte, zumeist unter 1 %; es gibt eine einzelne Ausnahme bei Hitzkirch um 4.000 v.Chr. und drei in der Zeitspanne 3.000-2.700 v.Chr. mit unter 2 % im nahen Frankreich.

Die hier gewonnenen Daten zeigen auch deutlich, dass die Axt-Typologie vollständig von der Erz-Provenienz entkoppelt ist, was bedeutet, dass Materialbeschaffung und metallurgische Verarbeitung voneinander unabhängig waren.


Schmitz 2004, Albert: → Typologische, chronologische und paläometallurgische Untersuchungen zu den Kupferflachbeilen und Kupfermeißeln in Alteuropa. Dissertation; Band 1: Text, 668 Seiten. (646 x Arsen. 153 x Mondsee, 6 x Kaukasus, 4 x Maikop, Cortaillod, Pfyn usw.); → Band 2: Programm-Code, Abbildungen, 662 Seiten.

Schmitz 2004 befasst sich in seiner Dissertation intensiv mit dem „Mondseekupfer“ und dessen weiträumiger Verbreitung in Europa. Eine Suche in seiner Dissertation ergab 153 Treffer zu „Mondsee“ und 27 zu "Mondseegruppe".

Insgesamt sind rund 190 Metallfunde der Mondseegruppe bekannt, etwa 75 von diesen, die der Sammlung Schmidt angehörten, sind seit 1945 verschollen.

S. 98: Die Stationen „See“ und „Scharfling“ erbrachten weiters Dolche, gekrümmte Klingen, Spiralen, Pfrieme, Angelhaken, ein Blechfragment, Gussreste und Reste von mehr als 160 Gusslöffeln. 545 ff.: Der Bestand an kupfernen Flachbeilen der Mondseegruppe (vom Mondsee und Attersee) lag per 1989 bei 37 Exemplaren. Es stehen hierzu 37 auswertbare Metallanalysen aus folgenden Fundorten zur Verfügung: Attersee (vier), Seewalchen (vier), Weyregg (vier), Unterach (25). Der Arsengehalt schwankt zwischen 0,5 und 5 (max. 11) %. Schmitz vermutet die Herkunft des Mondseekupfers aus dem Kaukasus. (S. 546:) „Ergänzend ist durch Analysen von Kupferresten aus Gusslöffeln sowie der Gusstropfen selbst nun auch gesichert, dass dieses Kupfer dasselbe wie das der Fertigprodukte ist, die wohl zur Gänze in den Stationen der Mondseegruppe erzeugt wurden.“ Charakteristisch ist das verwendete arsenhaltige Kupfer, das von hier aus weitreichend exportiert wurde.

S. 584: „Die erweiterten Handelskontakte führten dazu, dass sich ab dem Ende der Frühkupferzeit II zunehmend Arsenkupfer etablieren konnte. Der Ursprung dieser Technologie kann in östlicher Richtung gesucht werden, ohne nun das genaue Herkunftsgebiet benennen zu können."

Altheim bringt demgegenüber nur 6 arsenhaltige Kupferfunde, darunter ein Flachbeil und drei Pfrieme. Ottaway 1994:238 schreibt: „Diese Funde (aus Altheim) sind zeitgleich und typologisch wie auch z.T. spurenelementarisch denjenigen der Mondseekultur sehr ähnlich.“ (S. 226:) „Im Mondseegebiet, das als Quelle für die sogenannten "Altheimer Beile" diente, kommt der Typ Vinca ebenfalls vor.“

(S. 585:) „… so sind lokale Produktionen in der Schweiz, dem Bodenseeraum, in Westdeutschland, in Südskandinavien und in Polen festzustellen. Das signifikante Material stammt offenbar aus dem oberösterreichischen Raum, so dass sich die von Schubert definierte Materialgruppe Mondsee, trotz fehlender konkreter Bergbaunachweise, an diesem Herkunftsgebiet festmachen lässt.“


Turck 2010, Rouven: → Die Mondsee-Metallurgie. In: Die Metalle zur Zeit des Jungneolithikums in Mitteleuropa. (S. 37-42); Masterarbeit Univ. Heidelberg 2008. In: Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie 185 (Bonn 2010)
Es ist opinio communis, dass die Feuchtbodenbesiedlungen der Nordalpen ein zusammengehöriges, vergleichsweise einheitliches Phänomen darstellen. Im frühen 4. Jt. v. Chr. brechen die Importe aus Südosteuropa ab, während die eigenständige Produktion von Kupfergeräten einsetzt.


Die Metallurgin Barbara Ottaway 1977, 1979, 1982

Ruttkay trifft Ottaway 1977 bei Budapester Symposium

Ruttkay nahm 1977 an einem Syposion in Budapest über Die Bronzezeit in Südosteuropa und den Nachbarländern teil und brachte selbst einen Beitrag zur Erforschung der Leitha‐Gruppe. Dort trug auch die Edinburgher Dissertantin Barbara Ottaway (gem. mit Chr. Strahm) über Die Beziehungen des Nordalpinen Raumes und des Karpatenbeckens in der frühen Kupferzeit vor und Ruttkay war offenbar von ihren archäologischen und metallurgischen Ausführungen wissenschaftlich äußerst beeindruckt, sodass sie sich auch in die Erstellung der Dissertation Ottaways einbrachte.

Ottaway 1977, Barbara u. Strahm, Christian: → Die Beziehungen des Nordalpinen Raumes und des Karpatenbeckens in der frühen Kupferzeit. In: N. Kalicz, R. Kalicz-Schreiber (Hrsg.): → Die Frühbronzezeit im Karpatenbecken und in den Nachbargebieten; Symposium in Budapest-Velem, 1977:125–143.
Da diese in ihren Aussagen für die Mondseekultur hoch interessante Veröffentlichung nicht öffentlich verfügbar ist, wird hier ein → Kompaktes Exzerpt dieser Veröffentlichung gebracht.

In ihrer Veröffentlichung "Die Metallfunde und die Metallurgie der kupferzeitlichen Mondseegruppe. Ein Vorbericht" (Zs. Archäologie Österreichs 4, H. 2, 1993:5–9) bezieht sich Ruttkay – zumindest in den Anmerkungen – direkt auf Ottaway (Anm. 11) und Strahm (Anm. 5), wobei sie deren Veröffentlichung aus 1977 (siehe gleich unten) aber nicht anführt. Die von ihr angekündigte gemeinsame „Gesamt-Publikation“ kam offenbar nicht zustande. Die durch Antl-Weiser 1995 von Ruttkay (1993) übernommene Meinung ("eine mit Altheim eng verwandte Gruppe") ist nicht belegbar. Die Altheimer-Gruppe hat keine Beziehung zur Bewirtschaftung von Seen und deren hydrologische Beherrschung. Das einzige, was auch bei der Altheimer-Gruppe vorkommt, ist die Anlage von tiefen und langen Gräben – allerdings auf dem Trockenen rund um ihre Siedlungen. Dass sich Ruttkay vor allem auch auf unpublizierte Clusteranalysen von Strahm stützt und die österreichischen Beile ohne Beleg als "Altheim-Beile" bezeichnet, ist überraschend.


Ottaways Dissertation 1978

Ottaway 1978, Barbara: → Aspects of the earliest copper metallurgy in the norhern sub-alpine area in its cultural setting: ausgezeichnete und tiefschürfende metallurgische Dissertation an der University of Edinburgh → Volume I (Text, 347 pages); → Volume II (Appendix, figures, data)

→ Clustering: S. 214, 220 Table 222 Cluster 2, 10, 1.5 ; S.229-238: Discussion

Ruttkay unterstützte Ottaway intensiv bei der Erstellung ihrer Dissertation (eine Suche ergab 26 Treffer bzgl. "Ruttkay") und brachte dabei eine größere Anzahl östlicher Kulturen ein. Trotzdem sah Ottaway (S. 74) die deutlich unterschiedlichen Höhensiedlungen eher in Verbindung mit Altheim als die Seesiedlungen. "Die Cortaillod-, Pfyn-, Mondsee- und Horgen-Kulturen finden sich vorwiegend an oder in der Nähe von Seeufern, in Mooren oder an Flussufern, aber immer mit einigen Vorposten auf Hügeln oder Felsen. Die Höhensiedlungen sind zwangsläufig von ganz anderem Charakter. Dies und die Tatsache, dass das Verhältnis von grober zu feiner und verzierter Ware auf Höhensiedlungen ganz anders als bei den Seen ist, ließen den Salzburger Landesarchäologen Hell in den 1940er-Jahren vermuten, dass die Salzburger Höhensiedlungen eher zur Altheimer als zur Mondseer Kultur gehören. Demgegenüber sah Willvonseder diese Höhensiedlungen in Verbindung zur Mondseekultur."

Ottaways irrige Übernahmen zur Lage von Altheim- und Mondsee-Kultur
Verteilung der Mondsee-Kultur (nach Willvonseder 1968)
Verteilung der Altheim-Kultur (nach Driehaus 1960)

Die von Ottaway in ihrem Volume II zu Grunde gelegten zeitlichen Vorkommen der Altheim- und Mondseekultur (Abb. 6 und App. I) und räumlichen Verbreitung der Altheimkultur (Abb. 11; nach Driehaus 1960) und Mondseekultur (Abb. 18; nach Willvonseder 1968) - vergleiche die nebenstehenden Abbildungen - treffen nicht zu.

Die Mondsee-Kultur kommt nur im Seengebiet vor, wenngleich andere Stationen Mondsee-Keramik aufweisen – die sie wohl durch Handel erworben haben. Die Altheim-Kultur kommt im Salzburgischen überhaupt nicht vor, wenngleich Hell dies – in Verehrung von Reinecke – in die Welt gesetzt hat.

  • Willvonseder 1968, Kurt: Die jungsteinzeitlichen und bronzezeitlichen Pfahlbauten des Attersees in Oberösterreich. Mitt. Prähistor. Komm. der ÖAW Wien. Band 11/12, 453 S.
  • Driehaus 1960, Jürgen: Die Altheimer Gruppe und das Jungneolithikum in Mitteleuropa. Röm.-Germ. Zentralmuseums. R. Habelt, Mainz 1960. 245 Seiten. (basierend auf seiner Diss.: "Die Formen der Altheimer Kultur im Rahmen der Europäischen Kupferzeit", München, 1953.)
Ottaways überraschende, selektive Auswahl der Literatur von Martin Hell
  • Link zu Willkürliche Auswahl der Veröffentlichungen von Martin Hell: Dieses selektive Material wurde Ottaway offenbar von Ruttkay zur Verfügung gestellt: (vgl. den Dank Ottaways an Ruttkay im vorigen, letzten Absatz).
    Überraschenderweise verwendet Ruttkay keine einzige der von ihr Ottaway zur Verfügung gestellten Veröffentlichungen Hells in ihrer „Mondsee-Veröffentlichung“ 1981. Im Gegenteil verwirft sie mit diesen Argumente von Driehaus. Hells Veröffentlichung aus 1913 zum Rainberg ist die einzige, die sie anführt, um sie sogleich als irrelevant zu verwerfen.
Kompaktfassung von Ottaways Mondsee-Kapitel (S. 71-82)

Link zu: → Ottaway-Exzerpt: Kontakte, Herkunft und Datierung der Mondseekultur (S. 80 ff.) in Langfassung.
Diese wichtigere Arbeit Ottaways aus 1978 wurde von Ruttkay – im Gegensatz zu jener aus 1977 – weder 1981 noch 1993 berücksichtigt.

Das Gebiet der Mondsee-Kultur liegt lt. Willvonseder zw. Salzach, Enns und Donau; es gibt viele Pfahlbau-Siedlungen um Mond- und Attersee; ein weiterer Cluster von (zugehörigen) Höhensiedlungen liegt um Salzburg, ausschließlich entsprechend den Veröffentlichungen von Martin Hell aus 1916–1975. Östlich der Enns werden noch einzelne zu Mondsee ähnliche Siedlungen angeführt sowie Paura an der Traun und Gerlham bei Seewalchen. Da sich die Funde der Höhensiedlungen von jenen der Ufersiedlungen unterschieden, ordnete sie Hell eher der Altheimer- als der Mondsee-Kultur zu. Ottaway beklagt, dass es nur ganz wenige Fund-Auswertungen gibt. Sie beschreibt die Fundgegenstände; die Mondseekrüge unterscheiden sich klar von jenen Altheims. Steinwaffen und -hämmer kommen bei Land-, See- und Minen-Stationen vor. Im Anhang werden viele Abbildungen zur Mondsee- und Altheimkultur gebracht.

Die Kupferfunde umfassen Flachbeile, Messer, Dolche, Spiralen und Ahlen. Die meisten kommen vom Mond- und Attersee, aber die Landfunde wie in Paura lassen keinen Zweifel an deren Kupfergebrauch zu. Kupferfunde in und um Salzburg wie auch Schmelzen und Perlen sind häufig, aber alle sind Rettungsgrabungen von Hell, der sie zeitlich nicht zuordnen konnte und er benannte die Begleitkeramiken als Münchshöfener-, Michelsberg-, Altheim- und Cham-Kultur.

Es gibt (damals) 13 Radiokarbondaten vom Mond- und Attersee, deren Mittelwert zwischen 2.880 und 2.460 v.Chr. liegt mit Randwerten von 3.000 und 2.300 v.Chr. Diese sind damit zeitgleich mit Cortaillod- und Pfynkultur der Schweiz und überschneiden sich mit Michelsberger und Trichterbecherkultur und vielleicht dauerte auch die Altheimkultur bis zu diesem Horizont.

Die Ähnlichkeit zur Altheimkultur wurde v.a. durch Driehaus (1960) und Pittioni (1954) herausgestellt: gleiches Feuersteinmaterial, einzelne Feuersteingeräte (Sicheln) und ähnliche Steingeräte und Höhensiedlungen. Der Henkelkrug war in abgewandelter Form auch in Altheim bekannt. Ein Flachbeil und Ahlen ähneln Mondseer Kupferfunden. Jedoch könnten alle diese gemeinsamen Faktoren durch die gleichen wirtschaftlichen Bedürfnisse und das Vorhandensein des gleichen Rohmaterials erklärt werden.

„Ein überzeugenderer Beleg für den Kontakt sind die Grenzsiedlungen um Salzburg selbst. Einige von diesen (Hainberg, Ainring, Auhögl) werden mit gleichwertigen Argumenten abwechselnd der Altheimer Kultur (Driehaus 1961, Hell 1943) und der Mondsee-Kultur (Willvonseder 1968, Reitinger 1968) zugeordnet. Dies ist das beste Indiz für eine echte kulturelle Überschneidung mit starken Kontakten. Die zeitliche Stellung der gesamten Altheimkultur ist natürlich ungewiss; es ist jedoch sicher, dass sie nicht so lange bestand wie die Mondseekultur.“

"Letztere ist während ihrer gesamten Dauer erstaunlich einheitlich und muss bis zu ihrem Ende eine eng zusammenhängende Volksgruppe gewesen sein: obwohl etliche Metallartefakte aus Bronze sind, d. h. sie Kontakte zu technologisch fortgeschritteneren Menschen oder Zentren hatte, findet sich nichts davon an Fundstellen, an denen sich Mondsee- oder frühbronzezeitliche Gruppen vermischt haben (Reitinger 1968, 61).“

„Es ist unklar, wo die Urspünge der Mondseekultur liegen. Die Vorgängerkultur in Oberösterreich und um Salzburg war die Münchshöfener Kultur, von der 6 Stationen sicher bekannt sind.

Maxglan und Rainberg, beide nahe Salzburg, wurden beide durch Hell (1954) ausgegraben, und gehören zu dieser Gruppe (ich danke Elisabeth Ruttkay für die Erlaubnis zur Nutzung dieses Materials noch vor Veröffentlichung). Beide Stationen beinhalteten Kupferfunde und der Vorschlag ist deshalb hoch interessant. Die Münchshöfener Kultur ist – entsprechend Ruttkay – Teil des großen Epi-Lengyel-Komplexes, zu dem Belaton-I, Jordanov- und die Lasinja-Kultur gehören. Das würde wiederum ein hoch interessanter Horizont sein, da Kupfer in den Gräbern der Jordanov-Kultur bekannt ist." (Ottaway 1978)


Erhellende Ottaway: Earliest Copper Artifacts of the Northalpine Region (1982)

Verbreitung des Ersten Kupferführenden Horizonts

Ottaway 1982, Barbara: Earliest Copper Artifacts of the Northalpine Region – Their Analysis and Evaluation. Schriften des Seminars für Urgeschichte der Universität Bern. Heft 7, 1982. 351 Seiten.

Ottaway weitet ihre Dissertation hiermit auch auf Schweizer Kulturen aus. Drei Cluster von Kupfersorten (1.5, 2 und 10) in der Mondsee-Gruppe und in Schweizer Kulturen bilden die chronologisch ältesten (arsenreichen) Kupfervorkommen am Nordrand der Alpen. Dazu gehören auch die entsprechenden Kupfermetallurgien und Spezialkenntnisse wie Hochtemperatur-Schmelzöfen (> 1.100 °C; anaerob), Gießen und Schmiedearbeiten. Das arsenreiche Kupfer stammt nicht aus Europa.

Ottaways chronologische und metallurgische Analyse

Der von Barbara Ottaway untersuchte Zeitraum umfasst ca. 4.300 bis 2.700 v. Chr. Sie untersuchte 362 Artefakte (ohne solche mit über 2 % Zinn: „echte“ Bronze) aus Österreich, der Schweiz und Süddeutschland mittels Neutronenaktivierungsanalyse und Atomemissionsspektrometrie. Ottaway steuerte selbst rd. 100 zusätzliche, neue Kupfer-Analysen bei. Die Analysen der 31 chronologisch frühen Mondsee-Artefakte entnahm sie SAM-Publikationen (SAM = Studien zu Anfängen der Metallurgie; Stuttgart). Eine Clusteranalyse brachte 10 gut definierte Hauptgruppen von Kupferartefakten.

Nördlich der Alpen tauchen – als Importe aus Südost-Europa – allererste Kupferfunde in der 2. Hälfte des 5. Jahrtausends v. Chr. bis zur Wende zum 4. Jt., aber nur als Einzelfunde auf.

Ottaway konnte chronologisch für den Nordalpenraum insbesondere 3 kupferführende Horizonte herausarbeiten:

Verteilung Cluster 1.5, 2 und 10 des Mondsee-Kupfers
Anzahl der Cluster-Artefakte je Kultur u. Chronologie

Erster kupferführender Horizont: Mondsee-Gruppe, Cortaillod-Kultur, Pfyner Kultur (3.900-3.500 BC), Altheimer Kultur
Anm. 1: Ottaway führt Altheim noch an erster Stelle, da ehedem Altheim das älteste 14C-Datum hatte.
Anm. 2: Ottaway verweist S. 199 darauf, dass die Cortaillod-Kultur ihre Rinder von der Chasséan-Kultur bekamen.

  • Mit diesem Horizont beginnt die erste, früheste wirkliche Kupferverwendung [Ottaway S. 192-195].
    Das in diesen Kulturen vorkommende arsenreiche Kupfer gehört zu den Clustern 2, 10 und 1.5.
    Cluster 1.5 kommt vor allem direkt in Mondsee vor.
    Wie den nebenstehenden Grafiken zu entnehmen ist, kommt das Mondsee-Kupfer neben den oberösterreichischen Seen vor allem am Zwei-Seen-System Bielersee und Neuenburgersee und ein wenig im Pfyner Gebiet vor.
    Die Anzahl der Altheimer Kupferobjekte stammen nicht aus Altheim selbst, sondern von Stationen in Salzburg und dem benachbarten Bayern, die Altheim durch Hell und anderen (z. B. auch von Pittioni) zugerechnet worden sind.
    Cluster 10 von diesen drei frühesten Kupfergruppen enthält besonders viel Arsen und stammt wahrscheinlich von außerhalb des Untersuchungsgebietes.
    Attersee und Pfyn verfügen über Metallbearbeitung und Schmiede; wahrscheinlich auch die Cortaillod-Kultur.
    Zeitgleich nutzen auch östliche Kulturen in der Slowakei (Laznany), Westungarn (Balaton 2-3) und Ostungarn (Bodrogkeresztur) Kupfer.
    Die zeitgleiche Chasséan-Kultur in Frankreich nahe Schweiz nutzte Kupfer auch später noch nicht (das Schweizer Kupfer kam nicht aus dem Süden).


Zweiter kupferführender Horizont: Horgener Kultur (3.300-2.800 BC), Lüscherz, Cham (3.500-2.700 BC), Baden-Boleraz

  • Auf den ersten Horizont folgt eine Diskontinuität, in der Kupfer wesentlich seltener auftritt. Zu dieser Zeit gab es in Norddeutschland Verschiebungen, die noch vor der Schnurkeramik auftraten. In allen der angeführten Kulturen gab es nur geringe Kupferverwendung, auch im Boleráz der CSSR. Das späte Chasséan von Frankreich zeigt erstmals einige wenige Kupfer-Artefakte. Zu dieser Zeit kommen die neue Kupfer-Sorten 5, 7 und 9 in die nördliche Alpenregion.

Dritter kupferführender Horizont: Baden-Ossarn, Auvernier, Frühe Schnurkeramik

  • Es kommt zur Rückkehr einer reichen, Kupfer-verwendenden Phase. Auvernier, Frühe Schnurkeramik und die Baden-Kultur haben die gleichen Artefakte wie im ersten Horizont (Flachäxte, Dolche, zweischneidige Messer usw. sowie zusätzlich Spiralen und Ösenringe).
    Dieser Horizont liegt in der Zeit des Kupfer-Abbaus und -Schmelzens entlang des Salzachtales mit den Kupfersorten 3 und 4. Dieses Kupfer wurde hauptsächlich im westalpinen Gebiet (v.a. Schweiz) benutzt.

Als ein wichtiges Ergebnis ihrer Untersuchung hob Ottaway hervor, dass man beim Vergleich des ersten mit dem dritten kupferführenden Horizont eine Umkehr der Versorgung mit Metall feststellt. Im dritten Horizont ist der Nordalpenraum unabhängig von Südost-Europa und scheint sogar mehr Kupfer und auch eigene Rohstoffquellen zur Verfügung zu haben. Die Umkehr des Südost-Einflusses beginnt nach Ottaway bereits am Ende des ersten Horizonts [S. 68].


Ottaway gruppiert die Analysen der Kupferobjekte mithilfe der Cluster-Analyse. Die Gruppierung ergab insgesamt 10 Cluster [S. 342–345].

Die Cluster wurden von Ottaway schließlich als „Kupfersorten“ bezeichnet, und es zeigte sich, dass die Cluster 1.5, 2 und 10 die frühesten Kupfersorten waren. Diese 3 Cluster zeichnen sich alle durch das Element Arsen aus [S. 125]. Die Mondsee-Gruppe umfasst insgesamt 34 Artefakte, die insbesondere in diese 3 Cluster fallen [S. 117].

Nachfolgend soll auf jene Cluster kurz eingegangen werden, die für die Mondsee-Gruppe von besonderer Bedeutung sind.

Cluster 2: Mit insgesamt 45 zugewiesenen Artefakten handelt es sich um einen großen Cluster. Ein Arsengehalt von im Mittel leicht über 0,5 Gew.-% ist charakteristisch. Weitere charakteristische Elemente und in geringer Konzentration vorhanden sind Antimon und Silber. Im allgemeinen nicht vorhanden sind die Elemente Zinn, Gold, Zink und Kobalt. Nickel kommt mit einem großen Streubereich vor. Geographisch zeigt Cluster 2 einen Schwerpunkt um die Schweizerischen und österreichischen Seen [S. 126 f.].

Cluster 10: Mit 65 Objekten ist auch Cluster 10 sehr groß. Er weist den höchsten Arsengehalt der Objekte auf bei einem mittleren Arsengehalt von 1,7 Gew.-% und geringer Variation. Weiterhin sind Silber und Antimon für die Einordnung wichtig. Viele Flachbeile und Dolche sind hier enthalten [S. 128].

Cluster 1.5: Dieser Cluster ist mit nur 23 Artefakten der kleinste der frühen Arsen-Cluster. Ihn zeichnet der geringste aber nur wenig variierende Arsengehalt von im Mittel um 0,2 Gew.-% Arsen aus [S. 129]. Dieser Cluster kommt nur in der Mondsee-Gruppe vor.

Die Objekte des Mondsee-Kupfers sind größtenteils in den Clustern 2 und 10 enthalten. Ottaway stellte das charakteristische Arsen als wichtigstes Nebenelement des Kupfers heraus und wies auf die Anteile von Antimon und Silber hin, die eine wichtige Rolle bei der Gruppierung der Objekte bildeten.

Zur Herkunft der Kupfer-Technologie schreibt Ottaway zusammenfassend, dass „die Einführung des Kupfers in den nordalpinen Raum nicht auf eine einzige Kultur zurückzuführen ist, sondern auf ein kompliziertes, auf mehrseitigen Kontakten bestehendes Netz" [S. 206].

Es ist nicht wahrscheinlich, dass das Metall und die Metallurgie von nur einem metallurgischen Zentrum eingeführt wurde, da sich die Kupfersorten im 2. und 3. Horizont beträchtlich wandeln. In diesen späteren Horizonten wurde das Kupfer in den kupferreichen Ostalpen lokal abgebaut und wurde vorrangig im westlichen Bereich (Schweiz) genutzt [S. 195].

Ergebnis: Die Arsen-Kupfer-Technologie verbindet Mondsee mit Bielersee

Die Cluster 2 und 10 des Arsen-Kupfers zeigen die klare Verbindung zwischen Mondsee und Bielersee, wobei die Anteile – trotz der gegenteiligen Intensität der Forschung – in Mondsee klar überwiegen. Die besonders arsenhältigen Artefakte des Clusters 10 konzentrieren sich nur in Mondsee (samt den Altheim zugeschlagenen Stationen) und am Bielersee/Neuenburgersee.

Dass die Arsen-Kupfer-Artefakte also gerade an diesen Zwei-Seen-Systemen auftreten ist ein weiterer Hinweis auf die enge Verbindung. Jedenfalls gab es am Mondsee die entsprechende Metall-Technologie, die bedeutsames Know-how zur Voraussetzung hat; inwieweit dies auch am Bielersee vorhanden war ist noch zu untersuchen.

Zielführende einfach mögliche Aktualisierungen von Ottaway 1982

Solche Aktualisierungen sind einfach möglich, da Barbara Ottaway dankenswerterweise ihren gesamten Datensatz samt Methodik im Anhang offen gelegt hat.

Ottaways ehemalige Zeitstellung der Kulturen

Chronologische Adaptionen

Besonders störend ist z. B. die viel zu frühe Zeitstellung von Altheim, die die Clusterbildung beeinflusst.

Ottaway legte mit dem Stand 1982 die folgenden unkalibrierten 14C-Daten zugrunde (vgl. Abb.):

  • Altheim 3300 v. Chr. [1 Datum verfügbar]
  • Pfyn 3500 3100 – 2800 2700 [32 Daten]
  • Cortaillod 3400 3100 – 2700 2200 [45 Daten]
  • Mondsee 3000 2800 – 2400 2200[15 Daten]
  • Baden Boleráz 2700 – 2550 [6 Daten]
  • Horgen 3300 2500 – 2400 2000 [21 Daten]
  • Lüscherz 3000 2600 – 2300 2200 [6 Daten]
  • Cham 2450 2400 - 2100 1900 [5 Daten]
  • Baden classis 2500 - 2100 [14 Daten]
  • Saone-Rhone 2600 2300 - 2200 2100 [26 Daten]
  • Schnurkeramik 2600 2350 - 1800 [20 Daten]

Räumliche Zuordnungen

Besonders der räumlichen Verortung der hier vor allem angesprochenen hoch-Arsen-hältigen Artefakten kommt besondere Bedeutung zu. Dies trifft wiederum für Altheimer Funde zu, die in Altheim selbst Importe gewesen sind. Gleiches gilt wohl für Einzelfunde in den Salzburger Stationen. Dass viele Einzelfunde (z. B. vereinzelt in Niederösterreich, aber auch in Steiermark als größere Ansammlung) wohl mit Handel mit Mondsee zusammenhängen, könnte mit metallurgischen Analysen (SAM) einfach verifiziert werden.



Die Schweiz hat im 4. Jt. abseits der Seen wenig „Mondsee-Kupfer“, an Seen schon

Ergebnisse der Untersuchungen der Metalle abseits der großen Seen

Funde 3850–3500 v.Chr. = grün markiert; untersuchte (schwarze Kreise) und nicht untersuchte (leere Kreise)

Gross 2021, Eda; van Willigen, Samuel et al.: → Diversity of resources and volatility of metallurgical networks—multi‑methodological provenance analysis of neolithic and EBA‑copper‑artefacts from Switzerland and eastern France. Archaeological and Anthropological Sciences 2021, 34 Seiten.

Die nebenstehende Abbildung zeigt die analysierten (schwarze Kreise) und die nicht analysierten (leere Kreise) der Kupferfunde des Zeitraums 4300–1800 v. Chr.

Es wurden 14 Schweizer Kupferartefakte der Zeitspanne 3850–3500 v. Chr. (grün markiert) auf ihre Blei-Isotopen-Zusammensetzung analysiert: Egolzwil-4 & 2x Hitzkirch (westlich Zürichsee); 4x Risch & Cham & Zug (nahe Zugersee), Oberriet & Wartau & Mels (Ostschweiz südlich Bodensee); Thayngen & Wilchingen (westlich des Bodensees). (vgl. auch die Abb. 1 und 2 in der angeführten Veröffentlichung)

Es konnten umständehalber keine Kupferfunde der Pfahlbaustationen vom Bodensee, Bielersee, Neuenburgersee oder Genfersee analysiert werden.

Blei-Isotopen-Signaturen untersuchter Schweizer (schwarze Quadrate) und der Mondseer Funde (graue Quadrate
Zoom der Pb–Verhältnisse Schweiz (schwarze Quadrate) gegenüber Mondsee (graue Quadrate)

Die nebenstehende Abbildung zeigt für die Zeitspanne 3850–3500 v. Chr. die Blei-Isotopen-Zusammensetzungen der 14 Schweizer Objekte (schwarze Quadrate) und jene der 25 Kupferobjekte aus dem Mondsee-Attersee-Gebiet (graue Quadrate): dabei sind auf der senkrechten Achse die Werte der 207Pb zu 204Pb–Verhältnisse gegenüber den Werten der 206Pb zu 204Pb–Verhältnisse auf der waagrechten Achse eingetragen.

In der Projektion sind fünf Schweizer Objekte isotopisch nah (aber nicht identisch) mit der recht kompakten Gruppe, die aus 25 der 29 Objekte aus dem Mondsee-Attersee-Gebiet besteht, nämlich vier Flachäxte aus Wilchingen (Nr. 11), Hitzkirch-Seematte (Nr. 4), Risch (Nr. 7) und Mels (Nr. 12) sowie ein unbestimmtes Fragment aus Zug (Nr. 17).

Wie in der Zoom-Darstellung deutlich zu erkennen ist, liegen die Blei-Isotopen-Zusammensetzungen des „Mondsee-Kupfers“ recht geordnet auf einer sehr schmalen Ellipse. Die fünf Schweizer Funde liegen am unteren Rand dieser Ellipse (drei) und zwei weitere liegen klar innerhalb der Ellipse – und sollten damit jedenfalls aus „Mondsee-Kupfer“ bestehen. Offenbar kam also „Mondsee-Kupfer“ – durch Handel, Tausch, Geschenke – auch in Stationen ohne Pfahlbauten.

Demgegenüber zeigen die übrigen neun Schweizer Beilklingen Blei-Isotopen-Zusammensetzungen, die weit außerhalb dieser Gruppe liegen und haben damit keinerlei Verwandtschaft mit dem Kupfer der Mondseer Artefakte. Die Blei-Isotopen-Signaturen haben gezeigt, dass bei diesen eine Herkunft aus den Lagerstätten um Mondsee und Attersee ausgeschlossen ist.

Insgesamt ist zu sagen, dass die 14 Schweizer Objekte aus dieser Zeitspanne isotopisch sehr heterogen sind. Weder bilden die drei gebildeten Typen von Beilen eine homogene Gruppe, noch stimmen die Isotopenwerte einer dieser typologischen Gruppen mit den Werten der Funde aus dem Mondsee-Attersee-Gebiet überein.

Objekte, die dieser metallurgischen Tradition zuzuordnen sind, wurden in vielen voralpinen Pfahlbauten sowie in einigen Höhensiedlungen und Erdwerken aus dieser Zeit gefunden. Sie weisen ein einheitliches Erscheinungsbild auf und es ist zu vermuten, dass sie ein gemeinsames metallurgisches Know-how widerspiegeln. (Mondseer und Schweizer Pfahlbaustationen)

Die anderen Schweizer Funde dieser Zeitspanne weisen keine einheitliche Blei-Isotopen-Zusammensetzung auf; einige von ihnen stammen wahrscheinlich aus dem sächsisch-böhmischen und/oder dem slowakischen Erzgebirge, während andere Objekte wahrscheinlich aus ostalpinem Kupfer hergestellt wurden. Es ist wahrscheinlich, dass das Rohmaterial in Form von Perlen und Metallstücken in die südwestlichen Regionen nördlich der Alpen gelangte. Diese wurden dann in Tiegeln umgeschmolzen, gegossen und zu lokal spezifischen Axtformen geschmiedet (z.B. Thayngen-, Bottighofen-, Robenhausen- und Altheimer Beile).

Die hier gewonnenen Daten zeigen deutlich, dass die Axt-Typologie vollständig von der Erzprovenienz entkoppelt ist, d.h. Materialbeschaffung und metallurgische Bearbeitung waren voneinander unabhängig.

Aufschlussreiche, erhellende Zusammenfassung zur Metallurgie jener Zeit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es verschiedene metallurgische Traditionen aus unterschiedlichen, weit entfernten Innovationszentren gibt. Die Metallurgie dieser Zeit stammt aus verschiedenen Traditionen, die aus unterschiedlichen Hotspots und Abbaugebieten stammen. Die Metallurgie dieser Zeit muss im Zusammenhang mit ihren Verbindungen zu anderen metallurgischen Zentren betrachtet werden. Der Transfer von Wissen, Material und Personen wird möglicherweise durch kleine Gemeinschaften unterstützt, die über exklusives ökologisches und technologisches Wissen verfügen und ihre Interessengebiete ausweiten wollen. Einzelpersonen mit Verbindungen zu Innovations-Hotspots könnten aktiv an der Prospektion und dem Abbau von Erzen sowie der Entwicklung von Metallurgien in den Alpen und den voralpinen Seen beteiligt gewesen sein oder diese initiiert haben. Wenn diese metallurgischen Traditionen wirklich nur von wenigen Entscheidungsträgern geprägt wurden, dann sind Abbrüche des Wissenstransfers aufgrund biografischer Unsicherheiten und der Unbeständigkeit und Verletzlichkeit sozialer Beziehungen im interkulturellen Kontakt eher die Regel als die Ausnahme.

Matuschik vertritt noch 1998 eine überholte Herkunft des Mondseekupfers

Matuschik 1998, Irenäus: → Kupferfunde und Metallurgie-Belege, zugleich ein Beitrag zur Geschichte der kupferzeitlichen Dolche Mittel-, Ost- und Südosteuropas. Zs. Unterwasserarchäologie 1998, 49 Seiten.

Matuschik erstellte in seinem Anhang eine umfangreiche Liste von Kupferfunden und auch Gusslöffeln und zieht daraus recht überholte Schlüsse, wenn er z.B. aus der Form die Herkunft des Kupfers ableitet. Weiters wirft er Altheim mit nur 6 Kupferfunden in einen Topf mit Mondsee mit deren über 160 Gusstiegelfunden und rund 190 Metallfunden.

Einfache Forschung zum Zusammenhang von Schweizer mit Mondsee-Stationen

Da es in vielen Schweizer Pfahlbauten Kupferfunde gibt, ist es einfach möglich, Blei-Isotopen-Untersuchungen anzustellen, die einen Vergleich des in Mondsee verarbeiteten Kupfers mit dem in den einzelnen Pfahlbaustationen der Schweizer Seen gefundenen Kupfers hinsichtlich ihrer Provenienz anzustellen.



Der Metallurg Ernst Pernicka

Kupfer-Metallfunde bis 4.500 v. Chr.: SO-Europa
kalibrierte 14C-Chronologie Vorderasien – Europa

Pernicka 1990, Ernst: → Gewinnung und Verbreitung der Metalle in prähistorischer Zeit. JB Röm.-German. Zentralmuseums Mainz 1990, 109 Seiten; ist das Standardwerk; [Achtung: 235 MB].

Wie der nebenstehenden Abbildung zu entnehmen ist, häufen sich bis 4.500 v. Chr. die Metallfunde aus Kupfer westlich des Schwarzen Meeres mit der sogenannten → Link: Carpaten-Balkan-Metallurgie-Provinz (CBMP) mit den Kulturen Vinca, Gumelnita, Karanovo VI, Cucuteni A und Tripolje sowie deren umfangreicher Kupferproduktion sowie Goldbeigaben in die Gräber in Varna (insbesondere Grab 43).

Um 4.300-4.100 v. Chr. kam es zu → Link: ersten Invasionen der Suvorovo-Kultur aus den Steppen der Ukraine und mehr als 600 Siedlungen im unteren Donautal und Ostbulgarien wurden dabei niedergebrannt.

Danach ist das Balkanhochland leer und es lassen sich zwischen 3.900 und 3.300 v. Chr. keine dauerhaften Siedlungen mehr nachweisen. Verbrannte Siedlungen enthalten menschliche Skelette, die als massakriert angesehen werden. Die letzte kupferzeitliche Zerstörungsebene bei Karanovo VI. enthielt 46 menschliche Skelette, die ebenfalls als Massaker gedeutet werden.

Die kupferverarbeitenden Kulturen in Mitteleuropa wechseln um 4.000 v. Chr. zu serbischen Erzen. Metallgegenstände werden nun aus neuen arsenhaltigen Bronze-Legierungen hergestellt.

Pernicka schreibt auf Seite 51: „Im Alpenraum fehlen die Anfänge mit gediegen Kupfer fast vollständig. Die Metallverarbeitung – belegt durch Schmelztiegelfunde – setzt in Mondsee, Cortaillod, Pfyn und Altheim gleich mit arsenhaltigem Kupfer ein (Ottaway 1982: Earliest Copper Artifacts in Northalpine Region) und verläuft in der Folge mit der Entwicklung in Südosteuropa parallel.“ und auf S. 88: "In Europa ist diese Metallsorte völlig unbekannt."


Pernicka 1997, Ernst; Todorova, H.:Prehistoric copper in Bulgaria: Its composition and provenance. Eurasia Antiqua Bd. 3 1997. S. 41–180. Disc. p. 118.

  • Auf Basis dieser frühen und umfassenden metallurgischen Untersuchung Südosteuropas mit der Expertin Todorova kannte Pernicka die dortigen Erzverhältnisse tiefschürfend. Damit konnte er später die Herkunft des Mondseekupfers aus dieser Region ausschließen.
  • S. 147–156: Im Endneolithikum zeigen die bulgarischen Proben minimalste Arsengehalte weit unter Promillebereich; in früher Kupferzeit gibt es vereinzelt 2,5 bis 3,4 ‰; später wieder sind sie fast Arsen-frei, seltenst bis 1 %; in der Proto-Bronzezeit gibt erstmals Werte von 1 – 2 %, ausnahmsweise 3,7; 4,9 und 8,4 % Arsen-Gehalt; in Spätbronzezeit durchwegs unter ½ %; einmalig wird 1 ½ % Arsengehalt erreicht.

Pernicka 1998, Erich: → Die Ausbreitung der Zinnbronze im 3. Jahrtausend, in: Mensch und Umwelt in der Bronzezeit Europas; Oetker-Voges Verlag, Kiel 1998.

Der Metallurg Pernicka beschreibt den Umschwung von Kupfer zu Arsen-Bronze als wichtigstem Rohstoff für Geräte und Waffen: Arsen-Bronze ist leichter zu verarbeiten, vor allem zu gießen, als Kupfer. Die Legierung hat einen niedrigeren Schmelzpunkt als reines Kupfer (1085 °C) und sie neigt beim Guss weniger zur Blasenbildung. Denn Kupfer hat die für den Gießer unangenehme Eigenschaft, im geschmolzenen Zustand Sauerstoff aufzunehmen und beim Erkalten in Form von Blasen im Guss wieder abzugeben. Es ist deshalb nützlich, dem geschmolzenen Kupfer sogenannte Antioxidantien beizugeben, die den Sauerstoff binden. Arsen ist ein solches Material. Der Arsenanteil härtet aber auch das Metall, sowohl im gegossenen Zustand als auch nach der Bearbeitung. Durch Kaltdeformation kann sogar die Härte von normalem Stahl (nicht abgeschreckt) erreicht werden. Diese Eigenschaft hat zur Herstellung von wesentlich verbesserten Werkzeugen und Waffen geführt. Es gibt also gute Gründe, um Arsen-Kupfer zu verwenden.

Viele natürliche Kupferlagerstätten enthalten Arsen als Begleitelemente, die bei der Verhüttung zumindest teilweise ins Kupfer gelangen. Es ist deshalb auch unklar, ob es sich bei Arsenkupfer um absichtliche Legierungen handelt oder um reine Zufallsprodukte, die durch die Erzbasis vorgegeben waren. Reines Arsen oder Arsenverbindungen kommen zwar in der Natur vor, sind aber recht selten. Deshalb ist die absichtliche Herstellung von Arsenkupfer aus zwei verschiedenen Materialien unwahrscheinlich. Eher ist an eine mehr oder weniger gezielte Auswahl von arsenhaltigen Kupfererzen zu denken. Eine Erzauswahl dürfte in gewissem Umfang zwar möglich gewesen sein, aber es war nicht vorherzusehen, welche Zusammensetzung das Metall haben würde. Außerdem ist es aber wegen der Flüchtigkeit des Arsens schwierig, Kupfer mit mehr als etwa 5 % Arsen herzustellen, so dass die erreichbare Härte der Legierung unter der der späteren Zinn-Bronze mit 10 % Zinnanteil liegt. (Anm. von Pernicka: Nur ein Prozent der analysierten prähistorischen Metallfunde in der Stuttgarter Datenbank enthalten mehr als 5 % Arsen und nur drei Prozent mehr als 3 % Arsen. Besonders arsenreiche Kupferobjekte treten vorwiegend in Vorderasien auf.)

Wenn also mit Arsenkupfer ein wesentlich härteres Metall als reines Kupfer zur Verfügung stand, ist der rasche Ersatz des Kupfers durch Arsen-Kupfer für die Herstellung von Werkzeugen und Waffen leicht einsichtig.

Die Verwendung von Arsenkupfer-Bronzen beginnt – rund tausend Jahre vor Einführung der Zinn-Bronze – bereits am Beginn des 4. Jt. nahezu zeitgleich in einem sehr großen Gebiet, das vom Iran über den Kaukasus und rund um das Schwarze Meer reicht.



Pernickas Forschungen zur Herkunft des "Mondsee-Kupfers" 1993-2012

Obereder (1993), J.; Pernicka, E.; Ruttkay, E.: → Die Metallfunde und die Metallurgie der kupferzeitlichen Mondseegruppe. Ein Vorbericht. Arch. Österreichs 4/2, 1993:5-9. "Mondseekupfer "kann charakterisiert werden als arsenhaltiges Kupfer, das ansonsten relativ rein ist (Sb, Ag und Ni durchwegs sehr geringe Werte. ...) Ergänzend ist durch Analysen von Kupferresten aus Gusslöffeln sowie der Gusstropfen selbst nun auch gesichert, dass dieses Kupfer dasselbe wie das der Fertigobjekte ist, die wohl zur Gänze in den Stationen der Mondseegruppe erzeugt wurden. Die Herkunft des arsenhaltigen Kupfers liegt weiterhin im Dunklen, da entsprechende Erzlagerstätten im geographischen Umfeld der Mondseegruppe nicht gefunden wurden. Da die Arsentechnologie Parallelen bzw. Vorgänger im östlichen Karpatenbecken sowie in den östlich hieran angrenzenden Gebieten hat, wird auch an eine Herkunft dieses Kupfers aus diesen Gebieten gedacht. Andererseits stünde dann das massive und einheitliche Vorkommen bzw. die lokale Produktion der Mondseegruppe sehr isoliert da."

Pernicka 2004, E.; Ruttkay, E., Pucher, E.; Cichocki, O.: → Prehistoric lacustrine villages on the Austrian lakes: past and recent research developments. in: Menotti, Francesco. 150 years of lake dwelling research. p. 50-69.

"Da kein größeres alpines Kupfervorkommen bekannt ist, das nur noch Arsen aufweist, ist die Herkunft des Erzes, aus dem Mondseekupfer gewonnen wird, ungewiss."

Pernicka 2010, Ernst & Frank Carolin: Copper artefacts of the Mondsee group and their possible sources. In: → Lake Dwellings after Robert Munro. Proc. Intern. Seminar: The Lake Dwellings of Europe. Univ. Edinburgh 2010:113–138. → Wesentliche Aussagen

  • basierend auf Langfassung: Frank 2010, Carolin: Kupfer der Mondseegruppe. Die Metallfunde der Mondseegruppe aus Wien und Überlegungen zur Frage nach der Herkunft des Kupfers, Magisterarbeit bei Pernicka (2010/korr. 2012) Eberhard-Karls-Univ. Tübingen, 2010. 2 Bände: Textteil 102 S.; Anhang mit 44 Abb., 12 Tab. und 5 Tafeln. Mit diesem Link wird eine → kompakte Darstellung ihrer Arbeit gegeben.
  • Als Ergebnis ihrer Arbeit stellte sie fest, dass sowohl aufgrund der chemischen Zusammensetzung als auch wegen der Blei-Isotopen-Analysen eine Herkunft des „Mondsee-Kupfers“ aus den Ostalpen und dem Balkan unmöglich ist. Auch die historischen Bergwerke „Ai Bunar“ und „Majdanpek“ kommen nicht in Frage, da diese nur Reinkupfer ohne jegliches Arsen lieferten.
    Frank stellt aber auch fest, dass es serbische Artefakte gibt, die aus ähnlichem Kupfer bestehen wie die Mondseer Artefakte, aber auch für diese gibt es keine Lagerstätte.

Nach Pernicka (2010) stammt das arsenhaltige sogenannte „Mondseekupfer“ nicht vom Mitterberg, nicht aus den Alpen und auch nicht aus Südost-Europa. Mondsee-Kupfer hat besonders viel Arsen: 0,5–5%

Er kommt zu den folgenden Schlussfolgerungen (S. 131): "Die chemischen und Blei-Isotopen-Eigenschaften des von der Mondseegruppe verwendeten Kupfers sind relativ homogen. Das dominierende Element ist Arsen, so dass die Bezeichnung "arsenhaltiges Kupfer" am treffendsten ist. Ein Vergleich der chemischen und Isotopen-Daten der ostalpinen Erze mit dem "Mondseekupfer" zeigt, dass es keine Korrelation gibt und dass die ostalpinen Kupfererze als mögliche Quellen ausgeschlossen werden müssen, obwohl die Verteilung des arsenhaltigen Kupfers im vierten Jahrtausend v. Chr. und die Verteilung der für die Mondseegruppe charakteristischen Metalltypen eine deutliche Tendenz nach Südosteuropa aufweisen, gibt es bisher keine gute Korrelation der Isotopendaten mit bekannten Kupferlagerstätten von dort."

Die abschließende Arbeit Pernickas zur Herkunft des "Mondseekupfers"

Pernicka schließt sich 2012 Chernykhs Ansichten an

Verteilung von Arsenkupfer im 4. Jt. v. Chr.; Quelle = dunkle Ellipse CPMP um Kaukasus
Arsengehalt Mondseer Kupfer; vgl. den Unterschied der Dolche zu Äxten

Pernicka 2012, Ernst: → The Development of Metallurgy in Western Anatolia, the Aegean and Southeastern Europa before Troy. In: → Western Anatolia before Troy in the 4th Millenium BC Int. Symp. KHM Wien 2012.
Hier gibt es den Link zu dem Transskript des übersetzten Artikels von Pernicka zu den → Kupfer-Legierungen S. 452–456.

Pernicka (S. 452): "Auf den Höhepunkt der Metallproduktion im späten 5. Jt. v. Chr. folgt eine an Metallfunden auffallend arme Periode im südöstlichen Europa und der Ägäis. Jedoch erscheint kurz darauf arsenhaltiges Kupfer als neues Material fast gleichzeitig vom Nahen/Mittleren Osten bis nach Mitteleuropa (Mondsee, Cortaillod) [20]. Pernicka schreibt: "Entsprechend Chernykh et al. [21] markiert dies die Umstrukturierung der kulturellen Beziehungen zwischen Anatolien und Europa, die zur Bildung der so genannten Zirkumpontischen Metallurgischen Provinz führte, die sich, wie wir heute wissen, bis in den Iran und Zentralasien erstreckte" (vgl. die Abb.).


Fußnote[20]: Edward Sangmeister 1971; Eckehart Schubert 1981 [beide siehe unten]

Fußnote[21] Anm. von Pernicka: "Chernykh 1991 et al. beschreiben die Verbreitung von arsenhaltigem Kupfer in der von ihnen so bezeichneten frühen Bronzezeit und schließen die Kura-Araxas- und die Maikop-Kultur ein. Diese Terminologie stimmt jedoch nur mit der Periode der Frühbronzezeit 1 in Ostanatolien überein, die bereits in der zweiten Hälfte des vierten Jt. v.Chr. beginnt."


[Anm.: Wie bekannt, beginnt die Mondseekultur mit ihrem "Mondsee-Kupfer" (vor allem mit der weit überwiegenden Fundanzahl an stark arsenhältigen Kupfergegenständen und -gusstiegeln in See/Mondsee) gleich nach Beginn des 4. Jt. v. Chr., sodass ostanatolische (Kura-Araxas ab 3.300 v. Chr.) und andere Kulturen nach der Mitte des 4. Jt. nicht in Frage kommen. Damit verbleibt – bisher aber ohne metallurgische odaer archäologische Nachforschungen – die Maikop-Kultur als Quelle des "Mondsee-Kupfers".]

[Anm.: Dass die metallarme Periode um 4.000 v. Chr. auch in der Ägäis auftritt, spricht gegen den Vorschlag von Sangmeister einer iberischen Herkunft des Arsen-Kupfers.]

Pernicka: "Das metallurgische Problem der Herstellung von Arsenkupfer liegt in der hohen Flüchtigkeit von Arsen (Sublimationspunkt 615 °C), so dass es – anders als das Metall Zinn 1000 Jahre später – der Kupferschmelze nicht direkt zugesetzt werden kann, obwohl das Element auch in der Natur vorkommt."
Das spricht dafür, dass arsenreiche Erze allein oder als Mischung mit europäischen Kupfererzen verwendet wurden.



Zu Pernicka 2012 gehörige Literatur

Sangmeister 1973, Edward: Aufkommen der Arsenbronze in SO-Europa. In: Actes du VIIIe Congrès International des Sciences Préhistoriques et Protohistoriques 1971. Verlag: Union internationale des sciences préhistoriques et protohistoriques, Beograd 1973 Bd. 1, S. 109–138. (vom Hören-Sagen)

  • Grundlage von Sangmeisters Untersuchung bilden die 22.000 Metallanalysen aus dem mittel- und südosteuropäischen Raum der AG für Metallurgie des Altertums (SAM) in Stuttgart. Sangmeister kommt lt. Schubert (s. u.) in seiner Studie zu dem etwas überraschenden Ergebnis, dass die südosteuropäische Arsenmetallurgie letztendlich ein Ableger der iberischen sei. Von einem frühen Arsenzentrum in Portugal sei die Kenntnis der Arsenverarbeitung über die Ostägäis in den Balkanraum vermittelt worden.

S. 117: Sangmeister: Neben den Arsenkupfer-Funden in SO-Europa an der unteren Donau, Böhmen, Mähren, Mondsee und Schweiz kommt Arsenkupfer-Erz auch auf der iberischen Halbinsel vor und er schreibt in Fußnote 4: „Laut mündlicher Auskunft von Dr. O. da Veiga Ferreira, Servicos Geologicos, Lissabon, gibt es in Portugal Kupfererze mit 4–6% Arsen“ und weiters "mit bis zu 6 % Arsen im Schmelzprodukt in Portugal."
S. 118: Wie erklärt sich das annähernd gleichzeitige Auftreten von Arsen-Kupfer in SO-Europa, in der Schweiz, in Mittel- und Südwesteuropa? Wenn hier das Material nicht importiert wurde, muss entweder das Rezept zur Herstellung der Arsenlegierung oder das Aufsuchen arsenhaltigen Kupfererzes relativ rasch verbreitet worden sein.
S- 127: Es wäre möglich an eine Entdeckung der Arsenbronze in Südosteuropa zu denken. Es gibt aber noch ein zweites europäisches Zentrum d. i. die Iberische Halbinsel. Das sogenannte Tejo-Beil Portugals ist vergleichbar zum Altheim- und Mondseebeil; auch das südöstliche Rechteckbeil ist ganz ähnlich.
S. 129: Sangmeister schlägt als Erklärung vor: „Die Arsenbronze wird in Portugal entdeckt, wo es Roherz mit angeblich bis 6 % Arsen gibt. Von dort kommt es als Material und ebenso Rezept seiner Herstellung in die Ägäis. Die Beziehungen zwischen der Ägäis und Südosteuropa vermitteln die Kenntnis nach Norden, wo einerseits von Rumänien aus, evtl. vom Südostalpenraum aus, andererseits – gebunden wohl an die uns unbekannten Lagerstätten – eine Eigenproduktion einsetzt, die sich an ein spezielles Programm hält: scharfkantige Rechteckbeile und Dolche mit Rippen und Nieten, die in Kreta ihre Vorformen haben. Wir hätten damit eine erste fassbare Einwirkung der Metallurgie der Ägäis, da ja in Früh- und Vollkupferzeit Verbindungen der Formen nur nach Anatolien nachweisbar sind (Beil vom Plocnik–Typ in Troja). Während die Verwendung von Arsenkupfer in Südosteuropa nur eine Episode bleibt, verwendet man es in Südwesteuropa bis tief in die Frühbronzezeit.“


Schubert 1981, Eckehart [Denkmalpflege Hessen; Namengeber von „Mondseekupfer“]: Zur Frage der Arsenlegierungen in der Kupfer- und Frühbronzezeit Südosteuropas. In: Studien zur Bronzezeit. FS Wilhelm Brunn, Mainz 1981:447–459.

  • Zitat S. 453: „Es ist sehr bezeichnend, dass der metallurgische Umschichtungsprozess im Spätneolithikum, der sich im Auftreten des arsenhaltigen Kupfers zeigt, mit weitreichenden kulturellen Veränderungen Hand in Hand geht, die sich etwa im Abbruch der bemaltkeramischen Kulturen andeuten. Weiterhin wurde durch den Arsenanteil ein verbessertes Produktionsverfahren möglich. Nun treten erstmals feste Gussformen auf, nachdem man viele Jahrhunderte in verlorener Form gegossen hatte. Die neuen Metalltypen sind kaum im Westen, sondern im Osten zu suchen.
    Die Gedanken von Sangmeister wird man wohl, soweit es die Entwicklung an der unteren Donau betrifft, fallen lassen und in einer anderen Richtung suchen müssen, die schon durch die Herkunft verschiedener Metalltypen und ihrer Träger vorgezeichnet ist: in den Steppengebieten und im Bereich des Kaukasus suchen. Wenn es nämlich im Osten einen Raum gibt, der über eine hervorragende und langlebige Arsenmetallurgie verfügte, so ist es der Kaukasusraum und sein Umland. Dort fehlt der ausgeprägte Naturkupferhorizont, den wir auf dem Balkan vor allem in Gestalt der Schwergeräte so deutlich fassen. An seine Stelle tritt mehr oder minder sofort das hochprozentige Arsenkupfer, das erst sehr spät durch die Zinnbronze abgelöst wird (vgl. Selimchanow 1977)."

Selimchanow 1977, Isa: Zur Frage einer Kupfer-Arsen-Zeit. Germania 55, 1977, 1–6.

  • Nach Selimchanow (Baku) gab es am Kaukasus nie reines Kupfer, sondern immer nur in Verbindung mit Arsen. Er zitiert auf S. 5 in Tabelle 1 für Gebrauchsgegenstände (Meißel, Nadel, Spachtel, Klinge) um 3.800 v.u.Z. Arsengehalte von 1,1 –3,7 % und in Tabelle 2 Fundstücke aus Stavropol/Nordkaukasus (nordwestlich von Maikop), die 3,3–11,3 % Arsengehalt aufweisen.

Chernykh 1990, Evgenij, N. – Aviloval L. – Borceva T. – Orlovskaja L.: → El sistema de la provincia metalúrgica circumpóntica (Das System der Circumpontischen Metallurgischen Provinz). Trabajos de Prehistoria 47, 1990:63–101. (License CC BY-NC 4.0)

→ hier gehts zum ins Deutsche übersetzten TRANSKRIPT von Chernykh 1990/1991 (35 Seiten).

  • Abstract: Die Zirkumpontische Metallurgische Provinz stellte ein eng miteinander verbundenes System von Produktionszentren für Kupfer, arsenhaltige Bronzen und Zinnbronzen mit ähnlicher Morphologie dar. Es spielte zweifellos eine zentrale Rolle in der Alten Welt und umfasste die Kulturen der frühen und mittleren Bronzezeit im südlichen Teil Osteuropas, des Kaukasus, Kleinasiens und der Balkan-Karpaten-Region. Das Problem der Morphologie und der Produktionstechnologie wird im Rahmen von weitreichenden Beziehungen, der Entwicklungsdynamik verschiedener kultureller und produktiver Systeme, der relativ schnellen Bildung der Provinz und ihrer zufälligen Zerstörung untersucht.
Abfolge der Metallurgiezentren: schwarz = CMP
  • Chernykhs Schlussfolgerungen (S. 99): In Südosteuropa erlebten Bergbau und Metallurgie einen raschen und beispiellosen Aufschwung: Im Chalkolithikum entstand die ursprüngliche und mächtige Metallurgieprovinz der Karpaten und des Balkans (CBMP). Sie datiert auf das Ende des 5. und den Beginn des 4. Jahrtausends v. Chr, [Anm.: Datum ist viel zu jung.] Auf dem Balkan gab es keine antiken Kupfervorläufer wie in Kleinasien. Die komplizierte Technologie des Gießens von Waffen und massiven Werkzeugen, der groß angelegte Bergbau (Ai Bunar und andere) und eine große Menge Gold (Varna) tauchten wie aus dem Nichts auf. Ein ähnliches Phänomen gibt es in der gesamten Alten Welt nicht.
    Ein weiteres Paradoxon ist offensichtlich: In der Frühbronzezeit, als die Circumpontische Metallugische Provinz entstand, folgte mit dem Zerfall der chalkolithischen CBMP-Provinz ein starker Rückgang der Metallproduktion in der Karpaten-Balkan-Region (vgl. die Abb.).
    Im Vergleich zur Cirkumpontischen Metallurgischen Provinz (CMP) handelte es sich bei der CBMP um ein kurzlebigeres System, das sich ohne erkennbaren Grund auflöste (so wie es sich gebildet hatte). Es wäre naheliegend, die Ursprünge der Circumpontischen Metallurgischen Provinz zumindest in den nördlichen Zentren des Balkans und der Karpaten (der Heimat der metallurgischen Produktion während des Chalkolithikums) zu suchen. Ein großer Teil der verglichenen Merkmale zeigt jedoch, dass die alten Stereotypen während der Frühbronzezeit eher verworfen als fortgeführt wurden. Die morphologische Analyse der Kategorienreihen, die Herstellungsprozesse und die Zusammensetzung der Legierungen sagen uns das gleiche. In der Tat haben einige Merkmale ihre Spuren hinterlassen, insbesondere in den Karpaten-Balkan-Zentren: Herstellung schwerer Waffen, eine beträchtliche Anzahl von Artefakten aus "reinem" Kupfer, Vorherrschaft von Werkzeugen und Waffen, ein vergleichsweise geringer Anteil von Funden aus Nekropolen, usw. Insgesamt handelt es sich jedoch um zwei unterschiedliche Komplexe.
Abb. 18: Anzahl Cu-/Bronzefunde je 10.000 km² je Gebiet EBA = Early Bronce Age, EBM = Middle Bronce Age
  • Der Nordkaukasus als das überragende Arsen-Kupfer-Zentrum: Ein weiterer Aspekt verdient eine Bemerkung: ein Index für die Dichte der Kupfer- und Bronzefunde pro Gebietseinheit. Die Notwendigkeit eines solchen Indexes ergibt sich aus der unterschiedlichen Größe der einzelnen untersuchten Regionen.
    Die Anzahl der Funde je 10.000 km² und Gebiet ist in dem nebenstehenden Histogramm (Abb. 18) zu sehen. Einige Fälle sind paradox. Während der Frühen Bronzezeit (EBA) war der Nordkaukasus, der über keine eigenen Erze verfügte, 4-mal reicher an Bronzefunden als Kleinasien und 1,7-mal reicher als der Transkaukasus, wobei die beiden letztgenannten die Quellen der Metallversorgung für die nordkaukasischen Kulturen (die «Maikop-» und die synchronen Steppenkulturen) waren. Die nordpontischen Einheiten haben im Durchschnitt viel größere Bronzesammlungen als die kleinasiatischen und sind etwas ärmer als die des Nordkaukasus.
    Während der Mittleren Bronzezeit (EBM) wurde das nordkaukasische Phänomen sogar noch beeindruckender: Die Zahl der dort gefundenen Bronzeartefakte hatte sich verdreizehnfacht. Das Missverhältnis zwischen dem Nordkaukasus und seinen südlichen Nachbarn wurde sogar noch größer: 7,5 im Vergleich zum Transkaukasus und 9 im Vergleich zu Kleinasien. Dies geschah trotz eines deutlichen Anstiegs der Produktion in diesen Regionen.
    Die Steppe zwischen dem Asowschen und dem Kaspischen Meer und den Ausläufern des Kaukasus – das Maikop-Steppe-Gebiet (der entstehenden Jamnaja-Gruppe) – weist eine noch größere Dynamik auf: von 1,5 Funden pro 10.000 km² in der Frühen auf 37 in der Mittleren Bronzezeit.

Chernykh 1991, Evgenij N. – Aviloval L. – Borceva T. – Orlovskaja L.: The circumpontic metallurgical province as a system. In: Lichardus (Hrsg.): Die Kupferzeit als historische Epoche. Saarbrücker Beiträge zur Altertumskunde. Bd. 55, Verlag Habelt, Bonn 1991:593–622. (Anm.: Ist gleichlautende englische Version des vorigen spanischen Chernykh-Artikels aus 1990.)



Weitere Arbeiten von Chernykh 2013 / 2014

Abb. 3: Die Kupferzeit der CBMP, 5. Jt. BC: CB – zentraler Block; PB - peripherer Block (Cucuteni-Tripolye-Kultur); SB - Steppen-Viehzuchtgemeinschaften

Chernykh 2014, Evgenij Nikolayevich: → Review – Metallurgical Provinces of Eurasia in the Early Metal Age: Problems of Interrelation. Iron and Steel Institute of Japan (ISIJ International), Vol. 54, 2014:1002–1009. (lt. Homepage des ISIJ: License CC BY-NC-ND)

→ Hier gehts zum ins Deutsche übersetzeten TRANSKRIPT von Chernykh 2014

  • Der Artikel konzentriert sich auf die vergleichende Analyse regionaler Modelle der frühen Metallproduktion im Nahen Osten (Anatolien, Mesopotamien, Levante und Iran) im 5. bis frühen 2. Jt. v. Chr. sowie die Carpaten-Balkan-Metallurgie-Provinz und die darauf folgende Cirkumpontische Metallurgische Provinz. Die Studie basiert auf der statistischen Analyse von Computerdatenbanken mit mehr als 3.500 kalibrierten 14C-Daten von historischen Kupfer/Bronze-, Gold-, Silber- und Blei-Artefakten. Die frühe Metallzeit wird in fünf chronologisch unterscheidbare Perioden unterteilt werden.

Abb. 4: Die Frühe Arsen-Kupferzeit der CMP, 5. Jt. BC: L-Ur – Spät-Uruk; K-Ar – Kura-Araxas; MK – Maikop-Großkurgan-Gemeinschaft; MSK - Maikop-Steppe-Kurgankultur.

Chernykh 2013, Evgenij Nikolayevich: Kultury nomadov v megastrukture Evraziyskogo mira. (Nomadische Kulturen in der eurasischen Megastruktur.) Moscow: Yask: Yazyki Slavyanskoy Kul’tury. 2013; Группа 1 и 2.
(Anm.: Unkalibrierte 14C-Daten bringen - wiederum - zu junge Altersangaben!)

Kapitel 9: The Origins of the Circumpontic Metallurgical Province (p. 132–141)
Chapter 9.1: Maykop Settlements and Economy and Mysteries of Maykop (p. 142–147)

  • Am Ende des 5. Jt. v. Chr. kam es in vielen der frühen Bergbau- und Metallverarbeitungszentren der Karpaten-Balkan-Metallurgie-Provinz zu einem erheblichen Rückgang der Aktivitäten. Die grundlegende dreigliedrige Struktur der Provinz blieb jedoch im Wesentlichen unverändert, aufgeteilt in die sesshaften Ackerbauern des Donaubeckens, die periphere Tripolye-Gemeinschaft und ihre Hirtennachbarn in der pontischen Steppe. Der Niedergang fiel mit einer Verlagerung der wichtigsten Produktionszentren der Karpaten-Balkan-Provinz nach Norden, in die Berge Siebenbürgens, zusammen. Die aktivsten Zentren des Bergbaus und der Metallurgie waren mit der letzten Kultur des zentralen Blocks, der Tiszapolgar-Bodrokeresztur-Kultur, verbunden, deren letzte Phasen uns ins vierte Jahrtausend v. Chr. führen (siehe: Anhang 1: Tabelle-Ap1; Abb. Ap1.6 und Ap1.9). Wahrscheinlich war es dieses nördliche Produktionszentrum, das die östlichen Tripolye-Gemeinschaften während der Phasen C1 und C2 mit Kupfer versorgte. Diese wiederum gaben dieses Metall an die Steppenhirten der Sredny-Stog-Kultur weiter.
    Im 4. Jt. v. Chr. entstand in Eurasien ein neues kulturelles und technologisches Phänomen, ein gefährlicher Konkurrent für die Karpaten-Balkan-Provinz.

Chernykh schwenkt 2013 auf eine Herkunft der CMP aus der CBMP ein

Рис. 3.6: Offizielle (blau) und Černych´s Grenze (rot) zw. Europa und Asien

Černych Evgenij Nikolaevič (geb. 1935) war Professor am und Leiter des Labors für naturwissenschaftliche Methoden (vor allem Metallurgie) in der Archäologie, korrespondierendes Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften und Doktor der Geschichte.

Seine Arbeit konzentrierte sich auf nomadische Kulturen in der eurasischen Welt. Er hat mit seinen Forschungen viel zum Verständnis von Geschichte und Kultur von Nomadengesellschaften beigetragen. Seine Arbeiten wurden auch ins Englische übersetzt und unter dem Titel "Nomadic Cultures in the Mega-Structure of the Eurasian World" als recht lesenswertes und reich bebildertes Buch (im Russischen noch zwei Bände) veröffentlicht.

Der Nomadenforscher Černych war ein intensiver Verfechter einer „russischen“ Herkunft der Circumpontischen Metallurgischen Provinz (CMP), wie anhand der nebenstehenden Grafik gezeigt wird.

Bei der lt. Černych „offiziellen“ Grenze zwischen Europa und Asien (blaue Punkte) gehören aber sowohl der Karpaten-Balkan-Raum als auch das Vorgebirge des Kaukasus – und damit das Gebiet der Maikop-Kultur – zu Europa.

Demgegenüber zieht Chernykh diese Grenze viel weiter westlich, sodass nur mehr das zentrale Karpaten-Balkan-Gebiet zu Europa gehört und alle weiteren Gebiete – die neben dem Kaukasus und dessen Vorgebirge auch die Tripolye-Kultur und alle Steppen-Bewohner (samt der späteren Jamnaja-Kultur) umfassen – werden dem asiatischen Gebiet der nomadischen Hirtenvölker zugeschlagen.


Chernykh et al. schreiben noch 1990/91 in „The circumpontic metallurgical province as a system“:

Ein weiteres Paradoxon ist offensichtlich: In der Frühbronzezeit, als die Circumpontische Metallugische Provinz entstand, folgte mit dem Zerfall der chalkolithischen CBMP-Provinz ein starker Rückgang der Metallproduktion in der Karpaten-Balkan-Region.

Im Vergleich zur Cirkumpontischen Metallurgischen Provinz (CMP) handelte es sich bei der CBMP um ein kurzlebigeres System, das sich ohne erkennbaren Grund auflöste (so wie es sich gebildet hatte). Es wäre naheliegend, die Ursprünge der Circumpontischen Metallurgischen Provinz zumindest in den nördlichen Zentren des Balkans und der Karpaten (der Heimat der metallurgischen Produktion während des Chalkolithikums) zu suchen. Ein großer Teil der verglichenen Merkmale zeigt jedoch, dass die alten Stereotypen während der Frühbronzezeit eher verworfen als fortgeführt wurden. Die morphologische Analyse der Kategorienreihen, die Herstellungsprozesse und die Zusammensetzung der Legierungen sagen uns das gleiche. In der Tat haben einige Merkmale ihre Spuren hinterlassen, insbesondere in den Karpaten-Balkan-Zentren: Herstellung schwerer Waffen, eine beträchtliche Anzahl von Artefakten aus "reinem" Kupfer, Vorherrschaft von Werkzeugen und Waffen, ein vergleichsweise geringer Anteil von Funden aus Nekropolen, usw. Insgesamt handelt es sich jedoch um zwei unterschiedliche Komplexe.


Chernykh 2014, Evgenij Nikolayevich formuliert in : → Review – Metallurgical Provinces of Eurasia in the Early Metal Age: Problems of Interrelation ziemlich klar:

Das Aufkommen der hochwertigen Arsen-Kupfer-Metallproduktion war einer technologischen Explosion sehr ähnlich. Gleichzeitig war die gesamte Proto-CMP-Produktion der vorhergehenden – Karpaten-Balkan-Metallurgie CBMP – sowohl vom technologischen als auch vom morphologischen Standpunkt aus absolut unähnlich:

  • Erstens: absolute Dominanz der arsenhaltigen Bronzen – Cu+As und Cu+As+Ni.
  • Zweitens: die große Zahl von Gold- und vor allem Silberschmuck und sakralen Produkten
    (Silber wurde in den Zentren der Karpaten-Balkan-Metallurgischen Provinz CBMP nicht verwendet).

Eine paradoxe Situation war eng mit der Proto-CMP verbunden. Praktisch befanden sich alle Bergbau-, Metallurgie- und Metallverarbeitungsschwerpunkte in der südlichen Zone der von sesshaften Bauerngemeinschaften besetzten Provinz: das späte Uruk und seine synchronen Kulturen und Fundorte in Anatolien, Kura-Araxas und einige andere Kulturen im Südkaukasus. Demgegenüber gibt es in diesem Raum letztlich keine Metallfunde - ebensowenig in der dem Kaukasus vorgelagerten Steppe, wie den nachstehenden Daten entnommen werden kann.

Zur Ausstattung mit Metall zwischen Nordkaukasus, Südkaukasus und Maikop-Steppe

  • Proto-CMP: Fundzahlen im Nordkaukasus: 8910 und südlichen Gruppen 543
  • Proto-CMP: Metall-Anteile im Südkaukasus: Gold 28, Silber 22, Cu+As 493
  • Maikop-Kultur: Metallanteile in den Kurganen: Gold 7326, Silber 1152, Kupfer 391
  • Maikop-Kultur: Metall-Artefakte in den Kurganen: 8852 und anderswo 59
  • Maikop-Kultur: Metall-Artefakte im Nordkaukasus 8863 und Steppe-Maikop 47

Рис. 8.25: Zoomorphe und "abstrakte" Steinszepter.

Černych 2013, Evgenij Nikolaevič beschreibt in „Nomadic Cultures in the Mega-Structure of the Eurasian World“ auch die Viehzüchter südlich und östlich der Tripolye-Gemeinschaft in der Proto-Circumpontischen Provinz. Ein kennzeichnendes Merkmal dieser Gruppen war das Vorhandensein ungewöhnlicher steinerner "Szepter" in ihren Gräbern, die offenbar Pferdeköpfe darstellen (Рис. 8.25).

An dieser Stelle ist auf die Darstellung in dieser Homepage: → Die Suvorovo-Kultur überrennt Alteuropas Südosten (4200/4100 v.Chr.) von Anthony hinzuweisen, der die deutlichen Unterschiede darstellte zwischen den Szeptern in Alteuropa, jenen der Suvorovo-Kultur – die mit den hier von Černych präsentierten ident sind – und anderen pontisch-kaspischen Szeptern. Gerade diese Suvorovo-Kultur führte zum plötzlichen Untergang der Carpatho-Balkan-Metallurgie-Provinz (CBMP).

Chernykh zeigt die Handelsrichtungen der jungen CBMP auf, die sich fast ausschließlich auf die Hirtenvölker im Osten und Nordosten konzentrierten. Sie richteten sich weder nach Anatolien noch auf die benachbarte Balkanhalbinsel; stattdessen wandte man sich der Steppe und den kulturfremden Nomadengemeinschaften zu, die den sesshaften Kulturen der Karpaten-Balkan-Region in späteren Perioden so zu schaffen machten. [Anm.: Hier kommt erstmals der Hinweis auf den gewaltsamen Untergang der CBMP.]

Und: "Diese Kontakte wurden jedoch durch andere wichtige Ereignisse unterbrochen, die den Kulturen der Karpaten-Balkan-Provinz, die einst mit Gold- und Kupferschmuck, Waffen und beeindruckenden Töpferwaren geglänzt hatten, nichts Gutes brachten. Diese Ereignisse standen in direktem Zusammenhang mit "Kontakt" aus der Steppenzone – nicht mit den Hirten der pontischen Steppe, die als erste Kenntnisse über Metall entwickelten – sondern mit einer Hirtengruppe aus einer anderen, weiter entfernten Region." [Anm.: Černych bezieht sich hier offenbar – ohne sie zu nennen – auf die Suvorovo-Leute, die er (vgl. die Szepter) wohl schon immer kannte.]

Černych schreibt zur Bildung der Proto-Circumpontischen Metallurgie-Provinz: "Das erste war die Umstellung [gegenüber der CBMP] auf eine künstliche Legierung aus Kupfer und Arsen – auch wenn dies aus der Sicht eines modernen Metallurgen eine eher unerwartete Wahl ist – die von den Handwerkern dieser neuen metallurgischen Provinz eingeführt und später in einer großen Zahl von Produktionszentren Eurasiens übernommen wurde."

[Anm.: Dass dem Metallurgen und Archäologen Černych unbekannt gewesen wäre, dass eine „künstliche Legierung“ nicht möglich ist, kann ihm nicht unterstellt werden. Warum er das dann schreibt, kann man nur dahingehend vermuten, dass er seinen früheren Aussagen (vgl. Chernykh 2014), dass der Materialwechsel von purem Kupfer der CBMP zum Arsen-Kupfer der CMP diese beiden Kulturen unterschieden hätte, nicht widersprechen wollte: Dieser Übergang war ja durch die anderen verfügbaren Erze – und nicht durch künstliche Legierung - bedingt.]

Abschließend schreibt Černych, dass die "Struktur der frühen Cirkumpontischen Metallugischen Provinz in einigen wichtigen Punkten der Struktur ihrer Vorgängerin im Karpaten-Balkan-Raum ähnelte" und führte keine Unterschiede mehr an.



Vermutungen von weiteren Mondseekupfer-Forschern (Pittioni, Matuschik)

Studie Elementzusammensetzung Fertigobjekte Mondsee (Arsenkupfer) und Attersee (Zinnbronze)

Pittioni 1957, Richard: Urzeitlicher Bergbau auf Kupfererz und Spurenanalyse. Arch. Austr. Beiheft 1; Verl. Deuticke, Wien 1957:56.

Zitat aus Ottaway 1977: Pittioni vermutet in Mondsee "... ein unabhängiges Kupferzentrum, das nach Westen und Osten seine Produkte verhandelt hat."

Wie der nebenstehenden Tabelle zu entnehmen ist, unterscheiden sich die Metallobjekte vom Mondsee und vom Attersee recht deutlich. Die Funde von See/Mondsee zeigen deutliche Anteile von Arsen (As), jene vom Attersee weisen vor allem die überwiegenden Anteile von Zinn (Sn) und sind damit „klassische“ Bronze-Stücke – die einer späteren Periode angehören.

Pittioni 1964, Richard: Ergebnisse und Probleme des urzeitlichen Metallhandels. AdW, phil.-hist. Klasse, 244. Bd, 5. Abh.; 1964, 23 S.

Pittioni unterscheidet vier Kupferarten: ostalpines Kupfer (Mitterberg), nordtioler Kupfer (Bertagrube) und Ostkupfer (nur Handelsware). Die Handelsware aus Hortfunden bestehen aus sogenannten „Ringbarren“, d. h. verhältnismäßig kräftigen, zu einem fast geschlossenen Kreis zusammengebogenen Metallstäben mit stets ausgehämmerten und leicht eingerollten Enden mit einem Gewicht von rd. ¼ kg, die zu 87 % Ostkupfer sind. „Somit ist der Hauptkupferhandel von einem außerhalb der ostalpinen Lagerstätten befindlichen Produktionsgebiet ausgegangen und hat von diesem – vorläufig noch nicht näher umschreibbaren – Zentrum quer durch die Donausenke hindurch … die hier lebende bäuerliche Bevölkerung mit seinen Produkten versorgt.“ Verarbeitet wurde dieses Kupfer in Niederösterreich (z. B. Ossarn, Unterwölbling) und in Oberösterreich am Mondsee und Attersee.

In seiner Zusammenfassung (S. 22) verweist Pittioni auf notwendigerweise vorhandene Berufsgruppen: Händler kauften und verkauften das Kupfer. „Die Tatsache allein, dass der so viele technische Voraussetzungen zu erfüllende Bergbau nur durch einen geschulten Bergmannstand in befriedigender Weise bewältigt werden kann, schließt eine mit der handelsmäßigen Weitergabe der Bergbauprodukte beschäftigte Gruppe in sich. Sie hat nicht bloß eigenes Handelsgut weitergegeben, sondern anscheinend sogar – wie einschlägige Depots zeigen – durch den Gebrauch beschädigte Altwaren gesammelt.

(Beifügung: Das noch viel bedeutsamere herstellungsmäßige Knowhow – das eben nicht kopierbare Alleinstellungsmerkmal – ist das Gießen von arsenhältigem Kupfer, insbesondere damit der Arsengehalt und damit die einzigartigen Produkteigenschaften nicht verloren gehen.)

Anhang: Spektralanalysen von Erzen, Schlacken und Fertigobjekten seit 1957
1957: Nr. 444 – 462 Mondsee, Fertigobjekte ArchA Beiheft 1 1957, Tabelle 26
1957: Nr. 463 – 475 Attersee, Fertigobjekte ArchA Beiheft 1 1957, Tabelle 26
1960: Nr. 2546 – 2567 Attersee, Fertigobjekte ArchA Beiheft 28 1960, Tabelle 1
1963: Nr. 3512 – 3519 Mondsee, Ringbarren ArchA Beiheft 6 1963, Tabelle 24


Matuschik 2016, Irenäus: Neufunde von Gusstiegeln aus Sipplingen am Bodensee. (Einsetzen der „Gusstiegelmetallurgie“ im nördlichen Alpenvorland und Herkunft des genutzten Kupfers). In: G. Körlin: From Bright Ores to Shiny Metals. Der Anschnitt. Beiheft 29, VML, Bochum 2016:49–68.

Verteilung der Funde von Gusstiegeln 4. Jt. v. Chr.

Der folgende Link bringt das Transkript seines Abschnitts → „Zum verarbeiteten Kupfer“.

Matuschik argumentiert, dass sich im Falle von Importen des Mondsee-Kupfers – das bereits im 39. Jh. v. Chr. im Umlauf war – die Metallurgiebelege in den naturräumlich begünstigten und intensiv besiedelt gewesenen Siedlungskammern in Niederösterreich, Mittelböhmen und an der oberen Donau häufen müssten, was aber nicht der Fall ist, während die Funde am Alpenfuß und in den Alpentälern – beides Regionen, die naturräumlich benachteiligt sind – häufig sind. Bei Zugrundelage der Importthese wäre also zu urteilen, dass in die agrarisch begünstigten Besiedlungszentren wenig und zum naturräumlich benachteiligten Alpenfuß viel Fernimport gelangt ist – ein Bild, das kulturhistorisch betrachtet nicht plausibel ist.

Deshalb ist viel wahrscheinlicher, dass sich die Funde in einem starken Ausmaß auf den Alpenfuß beziehen, weil das genutzte Kupfer auch in den Alpen produziert wurde. Damit spricht das Verbreitungsbild der Metallurgiebelege für eine „lokale“ Materialherkunft und gegen die "Importthese".

Weiterhin ist auffällig, dass die Fundverteilung deutlich bipolar ist mit einer Fundhäufung im Bereich der Mondsee-Gruppe und mit einer zweiten, sehr ausgeprägten Fundhäufung im Bereich der Pfyner Kultur (vgl. die Abb.), wo die Anzahl der Gusstiegel pro Siedlung teilweise beträchtlich ist.

Sollte die westliche Fundhäufung (Schweiz, Bodensee) durch Import aus dem nordostalpinen Raum zu erklären sein, dann wäre wiederum zu fragen, weshalb derart viel Material nach Westen und nur äußerst wenig in die nördlich vorgelagerte Siedlungskammer im bayerischen Donautal (Altheimer Kultur) gelangt ist.



Experimente zur historischen Kupfer-Metallurgie

„Wenn ein Prähistoriker versucht, den Schmelzprozess experimentell durchzuführen, wäre er in der Lage eines des Kochens Unkundigen, der mit Hilfe eines Kochbuchs, in dem alle Mengen- und Zeitangaben fehlen, ein kompliziertes Gericht bereiten sollte. (Franz Hampl, ArchA Beih. 14, 1976:58–67)

Hier gibt es den Link zur → Literatur zur Experimentellen Montanarchäologie

Eine einfache Darstellung der prähistorischen Kupfermetallurgie

Hanning Erica, Hannes Herdits und Elena Silvestri berichten über die technologischen Aspekte der Kupferverhüttung und das Schmelzen von Kupfererz:

Die Methode, die zur Herstellung von Kupfer verwendet wurde, ist abhängig von der chemischen Zusammensetzung des Erzes: Kupferoxide und Kupfercarbonate (z.B. das grüne Mineral Malachit (Cu2CO3 (OH)2) oder blauer Azurit (Cu3(CO3) (OH)2)) reagieren anders als Kupfersulfide (z.B. Chalcopyrit (CuFeS2) oder Fahlerze – eine Mischreihe zwischen Tennantit Cu6(Cu4(Fe,Zn)2)As4 S13 und Tetrahedrit Cu6(Cu4(Fe,Zn)2)Sb4 S13)).

Wie direkt zu erkennen ist, enthalten nur Fahlerze als Tennantit geringe Mengen Arsen, sodass diese sowohl wegen der geringen As-Menge als auch der wohl besonders schwierigen Metallurgie als Ausgangserze für das Mondseer Arsenkupfer ausscheiden.


  • Kupfercarbonate werden durch Erhitzen bei relativ niedrigen Temperaturen umgewandelt: (das entstehende Kohlendioxid und der Wasserdampf entweichen in die Atmosphäre; das entstandene Kupfer-Monoxid verbleibt)
    Cu2CO3(OH)2 + Wärme → 2CuO + CO2+ H2O
  • Anschließend können die Kupfer-Oxide in gediegen Kupfer-Metall umgewandelt werden, indem sie in einer durch unvollständige Verbrennung eines Brennstoffs wie Holz oder Holzkohle in der erzeugten reduzierenden Atmosphäre erhitzt werden:
    2CuO + 2CO → 2Cu + 2CO2

  • Kupfersulfide benötigen einen deutlich komplexeren Verhüttungsprozess. Im Falle von Chalcopyrit müssen der gebundene Schwefel und das Eisen entfernt werden, meistens durch eine Kombination von Rösten und Verhütten des Erzes.
  • Das Erz wird im offenen Feuer bei relativ niedrigen Temperaturen (ca. 600–900°C) geröstet, ohne dabei aufgeschmolzen zu werden. Dabei werden Schwefelverbindungen von Kupfer und Eisen in Oxide umgewandelt und das entstehende Schwefeldioxid entweicht als Rauch, der einen ätzenden „schwefeligen“ Geruch hat:
    2CuFeS2 + 5O2 → 2FeO + Cu2O + 4SO2
  • Nachdem der Schwefel vollständig entfernt und alle Bestandteile des Erzes völlig oxidiert sind, können die nun erzeugten Oxide in einer reduzierenden Atmosphäre (z.B. in einem Holzkohlefeuer mit niedriger Luftzufuhr mittels Blasrohren über Tondüsen oder Blasbälgen) zu Metall umgewandelt werden:
    Cu2O + CO → 2Cu + CO2 und: 3Cu2O + 3 FeO → 6Cu + Fe3O4
    (die letzte Komponente verbleibt als Schlacke)

Folgerungen für die Arsenkupfer-Metallurgie

Wie klar zu erkennen ist, muss für die Kupfer-Gewinnung trotz der hohen Temperaturen immer eine reduzierende Atmosphäre vorhanden sein (also das Vorhandensein von Kohlenmonoxid CO): dies ist aber nur durch die Verwendung von Holzkohle und einer streng einzuhaltenden – geringen – Luftzufuhr möglich.

Weiters sieht man direkt, dass eine vergleichbare Röstung bei arsenhältigem Kupfer unmittelbar zur Oxidierung und Verdampfung des Arsens geführt hätte. Bis heute ist die Aufbereitung arsenhältigen Kupfers das unentdeckte Geheimnis der Metallurgen von Maikop.

Die Maikop-Metallurgen müssen – zwangsweise – eine Methodik entwickelt haben, mit der sie das Arsenkupfer herstellen konnten: Falls sie so wie früher in der Umgebung von Varna das nun arsenhältige Kupfererz rösteten, waren die Röst-Arbeiter bald schwer vergiftet oder tot.

Gleichzeitig ist damit ersichtlich, dass auch beim Schmelzen von gediegen Arsenkupfer trotz der hohen Temperatur von rd. 1.100 °C strikt eine reduzierende Atmosphäre (also CO-Überschuss) eingehalten werden muss. Dazu war ein erfahrender Metallurg und eine eingespielte Mannschaft mit exakter, geringer Luftzufuhr mittels Tondüsen zum Schmelzofen (Tiegel) über die gesamte Schmelzdauer (mehr als 1 Stunde) erforderlich.

Trotzdem war auch der Gussprozess wegen der möglicherweise entstehenden Arsendämpfe gefährlich: dass das Arsenkupfer gegenüber gediegen Kupfer bessere Eigenschaften hatte, war ja darauf zurückzuführen, dass das Arsen allen Sauerstoff in der Schmelze oxidierte und als Arsenoxid „abdampfte“.

Angesichts der geringen gewichtsmäßigen Ausbeute von Kupfermetall (nur ca. 1 %) im Vergleich zum dafür notwendigen Erzeinsatz und den erforderlichen (unbekannten) komplexen Aufbereitungsarbeiten ist davon auszugehen, dass die Mondsee/Attersee-Metallurgen gediegen Arsenkupfer-Metall vom Kaukasus abholten.

Dafür spricht auch, dass in Mitteleuropa nur Gusstiegel/Gusslöffel und keine anderen Elemente des Metallurgie-Prozesses gefunden wurden. Damit verblieben nur mehr die Aufgaben Köhlerei, Schmelzofenbau, Formenbau und Guss sowie Schmieden.

Alle metallurgischen Prozesschritte: Montanarchäologische Experimente

Im Rahmen der „Montanarchäologie“ wurden bereits eine Unzahl von Experimenten durchgeführt. Diese gliedern sich nach Modl (2011): "Vom Kupfererz zur Bronzenadel" in die im folgenden dargestellten einzelnen Prozessschritte. Bei Modl (2011) – der an diesen Experimenten von 2001 bis 2011 arbeitete – gibt es auch eine umfassende Besprechung der Literatur zu allen Prozessschritten:

  • Erzabbau (Abbaugeräte, Feuersetzen zum Absprengen von Gestein, Pölzen)
  • Erzaufbereitung (Erzzerkleinerung, trocken- und nassmechanische Trennung zur Konzentration des Kupfererzes)
  • Erzröstung (Haufenröstung zur Entfernung des Sauerstoffs oder Schwefels durch Oxidation aus der Kupferverbindung;
    kommt für Arsenkupfererz nicht in Frage, da dann das Arsen oxidieren und sogleich verdampfen würde)
  • Köhlerei (Bau und 24/7-Betrieb des Meilers)
  • Herstellung der Tiegel für die Verflüssigung des Arsenkupfers im Schmelzofen
  • Verhüttung (Erzqualität, Holzkohlenzufuhr, mechanische Luftzufuhr mit Blasrohren oder handbetriebenen Blasbälgen über Tondüsen in das Holzkohlebett, mit Tiegeln für kleine Mengen; Öfen für größere Mengen: Gruben- und Schachtöfen)
  • [Legierung (Herstellung von Arsenlegierungen aus der gemeinsamen Verhüttung oxidischer und sulfidischer Kupfererze bzw. von Erzen mit lagerstättenbedingtem höheren Arsengehalt)]
  • Herstellung der Gussform für den Guss des Objekts (Wachsausschmelzverfahren oder geteilte Gusshälften)
  • Schmelzen und Guss (Schmelzofen, Anzahl von Luftkanälen zum Schmelzofen, Formmaterialien, Gussformen, Gusstechniken)
  • Schmieden (Entgraten, Treibarbeiten, Ringe, Verzierungsarbeiten)

Die Arbeit der Mondseer Schmiede und der Wanderschmiede in der Schweiz

Die Darstellung beruht insbesondere auf der herausragenden Arbeit von Modl (2011), Hanning (2015), Herdits (1997) und Holdermann/Trommer (Online-Site).

  • Antransport des Arsenkupfers in Barrenform (wohl mit Rindern), Werkzeugen und auch der
  • Gussformen (3–4 „modische“ Stücke) aus geeignetem Gestein (Speckstein, Sandstein, Glimmerschiefer): wurden wohl von den Wander-Schmieden mitgebracht. Zur Fertigung der steinernen Gussform wurden Werkzeuge aus Arsenkupfer verwendet. (Anm.: In Mondsee, der gesamten Schweiz und in Baden-Württemberg wurden aber keine steinernen Gussformen gefunden.)
  • Produktion der Holzkohle vor Ort (stückig; etwa 5–10 kg je Guss)
  • Errichtung des Schmelzofens (ca. 50 x 40 x 30 cm) mit Zuluftsystem über Düsen und besonderer Bedachtnahme auf mögliche Arsendämpfe (Schutzwände …); benötigt etwa 40–50 kg Lehm/Magerungsmittel
  • unmittelbar daneben einen Heizofen für das Vorheizen der Gussform - deshalb findet man immer Doppel-Öfen - (verhindert das schlagartige Erstarren des Gussmaterials beim Eingießen)
  • Herstellung der Gusstiegel (österreichisch „Gusslöffel“) aus etwa 1 kg Lehm/Magerung; gebrannt im Schmelzofen und
    Herstellung einer dazu passenden, abnehmbaren Holzzange zur Manipulation der Tiegel
  • Herstellung der Luftdüsen und Blasrohre oder Blasbälge für den Ofen (aus Lehm und Magerung)
  • Schmelzen des Arsenkupfers (mit Sicht auf Schmelzgut: Metallfarbe als Temperatur-Indikator)
  • Gießen der Schmelze in vorbereitete, vorgeheizte Gussform(en) und das folgende Abkühlen
  • Abschroten und Entgraten des Rohgusses
  • Ausschmieden der Schneide (Kaltschmieden)
  • Einmeißeln der Schäftungshilfe im Griffangelbereich
  • Schleifen und Polieren
  • Schärfen der Schneide

Ablauf des Gussvorgangs

Die beiden Öfen werden etwa 1 Stunde vorgeheizt, sodass die Ofenwände nicht mehr kühlend wirken. Dabei entsteht ein gleichmäßig durchgeglühtes Holzkohlebett. Der darin eingebettete Schmelztiegel – samt dem Arsenkupfer – erreicht langsam eine Ausgangstemperatur von 600 °C; wie auch die Gussform im anderen Ofen.

Arsen sublimiert bei einer Temperatur von 613 °C: damit wird es schwieriger als beim Schmelzen von reinem Kupfer: es darf zu keinerlei Luftüberschuss kommen.

Ab nun kann es auch zum Entstehen von giftigen Arsendämpfen (AsOx) kommen, sodass beim weiteren Hochfahren der Temperatur strikt auf eine reduzierende Atmosphäre (also nur CO2 und CO: kein freier Luft-Sauerstoff mehr) im Schmelzofen geachtet werden muss. Damit kommt der exakten Luftzufuhr eine wesentliche Bedeutung zu. Das Hochfahren der Temperatur durch besonders hohe Luftzufuhr kann also nicht so schnell erfolgen wie bei reinem Kupfer.

Wie lange es nun dauert, bis das Arsenkupfer geschmolzen ist und etwa auf rd. 1.100 °C erhitzt worden ist, wurde bisher aber in keinem Experiment untersucht. Dann wird der Gusstiegel aus der Glut genommen, um die flüssige Gussspeise in die Gussform zu gießen. Die Gussform kühlt in der Folge ab, sodass das Arsenkupfer-Artefakt entnommen werden kann.

Gold und Silber von Varna und Maikop sowie im Umfeld des Mondsees

Pernicka 2014, Ernst: → Possibilities and limitations of provenance studies of ancient silver and gold. In: 6. Mitteldt. Archäologentag 2013, Metalle der Macht – Frühes Gold und Silber. LAmt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt 2014:153–164.

Bei Silber sind wegen der komplexen Herstellungsprozesse (Kupellation) nur wenige Informationen aus der chemischen Zusammensetzung zu gewinnen. Kennzeichnend für die Herkunft sind die Bleiisotopenverhältnisse, wobei zwischen gediegen Silber und aus Bleierzen gewonnenem Metall zu unterscheiden ist. Bei Gold ist es viel schwieriger, da Gold regelmäßig durch Goldwäsche und nicht bergmännisch gewonnen wurde. Weiters enthält es extrem wenig Blei; deshalb haben Isotopenanalysen bisher nur wenig zur Herkunft gebracht.

Das Gold von Varna (4.550 bis 4300/4200 v.Chr.) – aber kein Silber

Goldperlen aus Varna-Grab Nr. 43, 44. Jh. v.Chr.

Belegung des Friedhofs von Varna I: 4650 - 4300/4200 calBC (Grab #43: ca. 455o–445o calBC)

Pernicka 2014, Ernst; Leusch, V.; Armbruster, B.: → Kupferzeitliches Gold aus Varna – Herkunft, Zirkulation, Verarbeitung und Funktion In: 6. Mitteldt. Archäologentag 2013, Metalle der Macht – Frühes Gold und Silber. LAmt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt 2014:165–182. [mit beeindruckenden Abbildungen der Gold-Objekte]

Zusammenfassung: Das Gräberfeld von Varna I ist der früheste Beleg einer spezialisierten und entwickelten Goldverarbeitung sowie einer bis dahin unbekannten hohen sozialen Differenzierung. Die »chaîne opératoire« des Goldes in der späten Kupferzeit des Kodžadermen-Gumelniţa-Karanovo VI (KGK) Kulturkomplexes im Westpontikum wird rekonstruiert. Die Ergebnisse und deren Interpretation bzgl. der Produktionstechniken und -abläufe sowie der Verbreitung der Goldobjekte werden gebracht. Die Goldartefakte wurden ebenso untersucht wie auch geologische Prospektionen von Goldvorkommen im östlichen Bulgarien unternommen, die wahrscheinlich schon während der Kupferzeit genutzt wurden.

Die hier gebrachte → kompakte Darstellung von Varna I erinnert bzgl. Metallurgie von Gold und -legierungen; handwerklichen Fähigkeiten; Goldschmuck; serielle Wiederholungen; Gewandapplikationen; Prestigegeräten (Streitäxte, Beile); polychromem Schmuck mit seltenen Steinen usw. frappierend an die Ausstattung des Grabes im Oshad-Kurgan von Maikop.
Dies zeigt sich eindrücklich durch einen Vergleich der aussagekräftigen Abbildungen in den hier beifügten Artikeln zu Varna und Maikop.


Krauß 2016, Raiko: → Varna und die Folgen schreibt: "Gräber mit Ockerstreuung lassen sich im Gräberfeld Varna I bis an dessen Ende um 4300 nachweisen. Etwa in dieser Zeit oder nur kurz danach, spätestens jedoch um 4200, endet auch die Besiedlung auf allen Tellsiedlungen im KGK VI-Gebiet.. In der unmittelbar darauffolgenden Zeit treten die Gräber mit stark individualisiertem Bestattungsritual des Steppengebietes auch südlich der Donau auf. Sie weisen bereits alle Merkmale der späteren Gruben- oder Ockergräber auf. Im Süden erreichen die Gruppen mit dieser spezifischen Bestattungsweise auch das nordbulgarische Donautiefland."

Leusch 2019, Verena: → Zur Rolle der kupferzeitlichen Goldmetallurgie im westlichen Schwarzmeerraum – Untersuchungen der Goldfunde aus dem Gräberfeld Varna I (Bulgarien). Dissertation Univ. Tübingen 2019, 432 Seiten. Sie geht tiefschürfend auf die Metallurgie des Gräberfeldes Varna I ein und berichtet dazu eingehend in ihrer → Inhaltszusammenfassung:


Das Gold und Silber von Maikop (ab 3900/3700 v.Chr.)

Gold-Collier aus Maikop-Kurgan, 37. Jh. v.Chr.

Hansen 2014, Svend: → Gold und Silber in der Maikop-Kultur. In: 6. Mitteldt. Archäologentag 2013, Metalle der Macht – Frühes Gold und Silber. LAmt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt 2014:389–410.

Zu Vergleichen mit den Schätzen von Varna wird hier auf das Kapitel → Abbildungen der bedeutsamsten Schätze und Internet-Links und vor allem auf die dort beigefügten Links zu umfangreichem Bildmaterial hingewiesen.

Gold im Kaukasus

Deutsches Bergbau-Museum: → Gold – Früher Bergbau im Kaukasus.

Der Westteil Georgiens umfasst als Land des „Goldenen Vlies“ der Argonautensage, die Kolchis (eine antike Landschaft zwischen dem Kaukasus und der Ostküste des Schwarzen Meeres), ein Synonym für den Goldreichtum in der Antike. [Anm.: wahrscheinlich wurden Schaf-Felle zum Herausfiltern der Goldseife verwendet – daher der Name „Goldenes Vlies“.]

Älteste → Goldmine der Welt 3400 v. Chr. im Kaukasus (Stöllner: Das Gold wurde in zwei Perioden abgebaut wurde, einmal in der Zeit der Kura-Araxes-Kultur, also etwa zw. 3.400/3.300 und 2.800/2.700 v. Chr. und dann wieder nach der Zeitenwende.)

Gold im Umfeld des Mondsees an der Salzach

Hell 1951, Martin: Spuren alter Goldwäscherei bei St. Johann im Pongau. Demokratisches Volksblatt Nr. 161, (14.7.1951). Tageszeitung, Salzburg.

  • Seite 11: „Allgemein bekannt ist, dass in Salzburg von altersher Goldwäscherei betrieben wurde. Das Gold kommt von den Hohen Tauern und so erweist sich die Salzach etwa ab Taxenbach als goldführend. Der relativ reichste Goldgehalt findet sich in der Flussstrecke von Taxenbach [der Einmündung der Rauriser Ache in die Salzach] bis gegen Mitterberghütten [bei Bischofshofen], also in dem großen Knie der Salzach, wo diese aus dem Längstal in das Quertal des Flusses übergeht.“ Hell schreibt weiter, dass sich bei St. Johann Siedlungsspuren der Bronzezeit zeigen.

Das Gold aus dem Rauriser Tal wurde mit dem Geröll der Rauriser Ache bergab in die Salzach transportiert und gelangte so bis St. Johann und Bischofshofen usw., wo es aus dem Fluss gewaschen werden konnte.

Zu den → ältestbekannten und ertragreichsten Vorkommen zählt jedenfalls das von Rauris in der Goldberggruppe.

Das → Rauriser Tal des Goldes galt Jahrhunderte lang als Zentrum des Goldbergbaus in Österreich. In der Hochblütezeit (von 1460 bis 1560 n. Chr) wurden im Raurisertal und im Gasteinertal rund 10 % der Gold-Weltproduktion gewonnen. Zur absoluten Hochblütezeit 1550 wurde in Rauris in 450 Zechen gearbeitet.


Cech 2015, Brigitte: → Tauerngold – Historische und montanarchäologische Zeugnisse zum Edelmetallbergbau in den Ostalpen. Bergauf Bergab. 10.000 Jahre Bergbau in den Ostalpen, Bochum 2015:571-575.

Cech schreibt, dass das Gold wahrscheinlich aus den Flüssen gewonnen wurde; und weiter: "Im 2. Jahrhundert AC berichtet der griechische Historiker Polybios von der Entdeckung reicher Goldvorkommen im Gebiet der Norischen Taurisker [davon der "Tauern"-Name]: „Ferner erzählt Polybios, man habe zu seiner Zeit gerade über Aquileia bei den Norischen Tauriskern eine so ergiebige Goldgrube entdeckt, dass sich, wenn man zwei Fuß (~ 60 cm) tief die obere Erde wegräume, sofort Gold zum Ausgraben finde und dass die Grube nicht mehr als 15 Fuß (~ 4,4 m) tief sei. Ein Teil des Goldes sei sogleich gediegen, von der Größe einer Sau- oder Feigbohne, so dass nur der achte Teil beim Schmelzen verlorengehe, das übrige bedürfe zwar weiterer Schmelzung, sei aber dennoch ungemein gewinnbringend“ (Polybios 34.19, zitiert bei Strabon 4, 6,12)."

Das zu Ende gehende Mesolithikum der Jäger und Sammler

Kind 2016, Claus-Joachim: → Die letzten Jäger und Sammler – Das Mesolithikum in Baden-Württemberg. Denkmalpflege in Baden-Württemberg Ausgabe 35.1, 2016. 7 Seiten.
Diese Broschüre bringt eine recht erhellende Darstellung zu den letzten Jägern und Sammlern, ihrer Umwelt und dem Leben im Mesolithikum; mit Gliederung in der Jagdperiode in Haupt- und Außenlager.

Stäuble 2013, Harald; Wolfram, Sabine: → Bandkeramik und Mesolithikum: Abfolge oder Koexistenz. Conf. Paper 2013.

Stäuble bringt auf S. 121 eine recht erhellende Darstellung eines Schemas von möglichen Kontakten zwischen mesolithischen Jägern/Sammlern und neolithischen Bauern/Viehzüchtern und ihren Folgen. Nach dem dargestellten Schema wird in drei grundsätzlich mögliche Entwicklungen zwischen den Jägern/Sammlern und den Ackerbauern/Viehzüchtern unterschieden:

a) Verdrängung/Konflikt (Vernichtung, Vertreibung, Isolation)
b) Toleranz und/oder Vermeidung und
c) Integration/Assimilation (Einsickern, Kommerzialisierung, Aneignung, Übernahme/Assimilation).

Diese Möglichkeiten sind wohl in einzelnen Gebieten Mitteleuropas unterschiedlich zum Zuge gekommen. Es gab sicher Unterschiede in den flachen Lössgebieten Polens, Deutschlands und Nordfrankreichs und den eher bergigen Gebieten der Alpen und dem Alpenvorland. So endete das Mesolithikum in der Schweiz z. T. erst um etwa 4.000 v. Chr., wobei die Jäger und Sammler in den bergigen Gebieten unbehelligt blieben.

Ähnliches ist auch für den uns interessierenden Raum in Oberösterreich anzunehmen, der ja von den neolithischen Ackerbauern und Viehzüchtern eher gemieden denn angestrebt wurde. In den Gebieten südlich der Donau gab es zu Beginn der Pfahlbauernzeit an den oberösterreichischen Seen sicher noch immer mesolithische Jäger und Sammler. Ob sich das Verhältnis zwischen den ehemals „Einheimischen“ und den „Zuwanderern“ friedlich oder konfliktreich gestaltete kann heute nicht mehr beurteilt werden.

(Seltene) kriegerische Auseinandersetzungen um 5000 v. Chr.

Etwa 500 Jahre nach Ankunft der Neolithiker (5.500 v. Chr.) in den fruchtbaren Lössgebieten gab es offenbar – wenn auch seltene – kriegerische Auseinandersetzungen, wobei nicht klar ist, ob mit anderen neolithischen Gruppen oder mit den ursprünglichen mesolithischen Jägern und Sammlern.

Biermann 2012, Eric: → Krieg in der Vorgeschichte: Die Interpretation archäologischer Funde und Befunde im interkulturellen Vergleich am Beispiel steinerner Keulenköpfe des Mesolithikums bis Mittelneolithikums. In: Mitteleuropa im 5. Jt. v. Chr. Neolithikum und ältere Metallzeiten.
(Karten ab S. 345 ff. zeigen eine Häufung der Keulenköpfe im mittel- und norddeutschen Raum, aber keine Keulenköpfe im zentralen österreichischen Raum; jedoch einige an der Salzach und doch mehrere im Gebiet der Altheimer Kultur.)

Christensen 2004, Jonas: → Warfare in the European Neolithic. Acta Archaeologica, vol. 75, 2004:129–156. HQ Überblick; schlechtes Verhältnis von LBK mit Jägern/Sammlern … Befestigungen

Meyer 2018,, Chr. et al.: Patterns of Collective Violence in the Early Neolithic of Central Europe. In: A. Dolini et al. (eds.), Prehistoric Warfare and Violence, Quantitative Methods in the Humanities and Social Sciences (2018) Überblick zu den 3 Massakern (~5.000 v.Chr.)

Frayer 1997, David: OFNET (Bavaria): → Evidence for a Mesolithic Massacre. In: Troubled Times: Violence and Warfare in the Past (1997) Volltext: sind mesolithische Jäger/Sammler um 5.500 v.Chr. (14C: 7.560–7.360 BP); und → Google book mit high quality pictures

Peter-Röcher 2002, Heidi: → Krieg und Gewalt: Zu den Kopfdepositionen in der Großen Ofnet-Höhle und der Diskussion um kriegerische Konflikte in prähistorischer Zeit, 2002. Prähistorische Zeitschrift 77, 2002:1–28. Sie sieht in Ofnet kein Massaker, sondern ein besonderes "Kopfbestattungs-Ritual".


Schletz (Niederösterreich; ~5200 v.Chr.)

Die befestigte neolithische Siedlung Schletz bei Asparn in NÖ wurde 1983 ausgegraben. Im Laufe der systematischen Untersuchungen ergaben sich völlig unerwartete Ergebnisse. Es wurden 67 Individuen auf dem Grund eines ovalen Grabens gefunden. Ohne Ausnahme weisen deren Überreste multiple traumatische Schädel-Läsionen aber auch Bissspuren von Carnivoren auf. Die demographischen Analysen zeigen, dass die gesamte Bevölkerung dieser frühen bäuerlichen Siedlung vollständig ausgelöscht und über Monate unbeerdigt liegen gelassen wurde. Die Befunde legen nahe, dass dieses Genozid-Szenario für das endgültige Verlassen dieser Siedlung verantwortlich war. Die Alters- und Geschlechterverteilung weist auf ein Fehlen junger Frauen hin, was als eine Entführung bzw. Frauenraub durch die Angreifer interpretiert wird. Es gibt keine direkten Skelett-Nachweise auf die Angreifer am Platz; demgegenüber weist die Gleichförmigkeit der Strontium-Verhältnisse alle 67 Individuen als Einheimische aus.

Talheim (Baden-Württemberg; ~ 5000 v. Chr.)

Das Massengrab, das nahe Talheim in Baden-Württemberg gefunden wurde, datiert in einen Zeitraum, der etwa 7000 Jahre zurückliegt. Es enthielt die Skelettreste von 34 Individuen des frühen Neolithikums, das durch die Kultur der Linearbandkeramik repräsentiert wird. Diese Menschen scheinen die Opfer eines Massakers geworden zu sein, wie es die zahlreichen tödlichen Kopfverletzungen, ernsten Pfeilschusswunden und die Niederlegung aller Toten in der gleichen Grabgrube andeuten. Es wird angenommen, dass das Grab Mitglieder der gleichen Gemeinschaft enthält, die von einer anderen Gruppe angegriffen und getötet wurden.

Kilianstädten (Rhein-Main; ~ 5000 v. Chr.)

Christian Meyer, Christian Lohr, Detlef Gronenborn, Kurt W. Alt: → The massacre mass grave of Schöneck-Kilianstädten reveals new insights into collective violence in Early Neolithic Central Europe. PNAS | September 8, 2015 | vol. 112 | no. 36 | 11217–11222

Mit dem untersuchten linearbandkeramischen Massengrab von Kilianstädten in Baden-Württember werden neue schlüssige und unbestreitbare Nachweise für ein Massaker vorgelegt. Mindestens 26 Personen wurden gewaltsam durch stumpfe Gewalteinwirkung auf den Schädel und Pfeilverletzungen getötet, bevor sie in einem Massengrab wild zusammengewürfelt verscharrt wurden. Die Unterrepräsentation von getöteten Frauen auf eine mögliche Entführung jüngerer Frauen hindeuten, wie auch an anderen Fundorten vermutet wurde. Ebenso könnte die geringe Anzahl von Teenagern unter den Opfern auf ihre höheren Fluchtchancen im Vergleich zu jüngeren Kindern oder älteren Erwachsenen zurückzuführen sein, da diese das flinkste demografische Segment darstellen und nicht durch Kinderbetreuung oder körperliche Gebrechen belastet sind. Alternativ könnten sie auch gefangen genommen worden sein, um sie in die Gemeinschaft des Angreifers zu integrieren. Interessanterweise fällt diese Alterslücke in Kilianstädten mit jener Periode der Linearbandkeramiker zusammen, in der Kinder im mittleren Alter anscheinend viel aktivere und anerkanntere Mitglieder ihrer Gemeinschaften wurden und daher, wie die jüngeren Frauen im reproduktiven Alter, als ein bevorzugtes Bevölkerungssegment für die Gefangennahme betrachtet worden sein könnten. In Kilianstädten wurde auch ein völlig neues Gewaltmuster festgestellt: das absichtliche und systematische Brechen der unteren Gliedmaßen (Schien- und Wadenbeine). Die Häufigkeit dieser festgestellten Perimortem-Frakturen deutet entweder auf Folter und/oder Verstümmelung der Toten hin. Es wird vermutet, dass damit eine Verfolgung der Angreifer auch durch Geister der Getöteten verhindert werden sollte.

Herxheim – 1000 rituelle Menschenopfer (Rheinland-Pfalz; 5100 v.Chr.)

Die Ausgrabungen zeigen, dass in Herxheim knapp vor 5000 v. Chr. ganz außergewöhnliche Rituale stattfanden, in deren Verlauf insgesamt mehr als 1000 Menschen getötet und dann zerlegt wurden. Man entfernte akribisch alles Fleisch, alle Sehnen und das übrige Weichgewebe von den Knochen, die danach klein zerschlagen wurden. Die Schädel erfuhren eine Sonderbehandlung: die Akteure der Ritualhandlungen schlugen mit gezielten Steinbeilschlägen Gesichtsschädel und Schädelbasis ab, so dass nur noch das Schädeldach (Kalotte) übrig blieb. Von diesen schalenartigen Schädelkalotten fanden sich in den Ausgrabungen etwa 500, dazu noch zahlreiche Fragmente von weiteren Schädeldächern, was die Zahl der Toten weiter erhöht. Die menschlichen Überreste wurden mit anderen wertvollen Artefakten in größeren oder kleineren Fundkonzentrationen in die offenstehenden Grabenanlagen deponiert. Strontiumisotopen-Analysen erbrachten überraschende Ergebnisse: Von fast 100 menschlichen Individuen erwiesen sind rund 90 als „Fremde“, d. h., nicht in Herxheim oder Umgebung geborene oder aufgewachsene Opfer. Bei den Analysen fielen hohe Strontium-Anteile auf: Die Personen wuchsen offenbar in höheren Mittelgebirgsgegenden mit Granit- bzw. Gneissuntergrund auf. Dies ist erstaunlich, da bisher Belege einer Besiedlung der Mittelgebirge durch Bandkeramiker fehlen. Die Vermutung, es handle sich bei den Opfern von Herxheim also um Mesolithiker, die als Gefangene in Herxheim bei Ritualhandlungen getötet wurden, widerlegen DNA-Analysen. Diese belegen, dass sich die DNA der Opfer gut in das Spektrum bandkeramischer Menschen einfügt. Damit gibt es eine ungeklärte Diskrepanz zwischen den Strontiumisotopen-Analysen und den genetischen Untersuchungen – die Identität der Toten von Herxheim ist bislang unbekannt.

Halberstadt (Sachsen-Anhalt; ~5000 v. Chr.)

Meyer, Chr. et al.: → Early Neolithic executions indicated by clustered cranial trauma in the mass grave of Halberstadt. Nature Communications vol. 9, 2018.

Ein jungsteinzeitliches Massengrab im Süden von Halberstadt gibt Rätsel auf: Die neun enthaltenen Leichen stammen von 7 erwachsenen Männern zwischen 25 und 40 Jahren, einem 16-20 Jahre jüngeren Mann und einer Frau zwischen 21 und 26 Jahren, die vermutlich brutal hingerichtet wurden. Alle Opfer wurden durch einen gezielten Schlag meist auf den Hinterkopf getötet und anschließend verscharrt. Die Strontium-Isotopen-Analyse der Skelette aus Halberstadt weist sie einem völlig anderen Lebensraum zu, das heißt, dass die Aggressoren offenbar von den Verteidigern überwältigt und hingerichtet worden sind.

Die 12 Pfahlbau-Berichte

I. Bericht (Keller, 1954): Die keltischen Pfahlbauten in den Schweizerseen. 1r Bericht Mittheilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich. Band IX. 2. Abtheilung. Heft 3. Zürich 1856, S. 67–100; 5 Tafeln. 38 Seiten. (Entdeckung durch Lehrer Aeppli zu Ober-Meilen Winter 1853/54; Beschreibung der Stationen am Zürchersee, Bielersee, Neuenburger- und Genfersee, Sempachersee, Greifensee, Pfäffikersee und Walenstadersee.)

II. Bericht (Keller, 1858): Auflistung der Funde an Schweizer Seen; in Deutschland (Unter- und Obersee); Savoyen und Irland. Vergleiche mit Syrien; neue Fundgegenstände;

III. Bericht (Keller; 1860, 2 Hefte): Romantisierende Einleitung von Keller; Torfmoos - Oberst R. Suter bei Wauwyl; Tafel II zu Wauwyl; viele neue Funde;

IV. Bericht (Keller, 1861): Torfmoore; Italien; Flachsindustrie; Weberei;

V. Bericht (Keller, 1863) viele neue Entdeckungen;

VI. Bericht (Keller; 1866): viele Seen: mit Wasserständen des Bodensees; Steinhügel bei Unteruhldingen: Tafel 6 (S. 91)

VII. Bericht (Keller; 1876): Lac de Bienne, Lüscherz, Latringen, Sutz, Lac de Neuchâtel; Lac de Morat; Lac Léman; Schädel von Esel und Rind aus den Pfahlbauten von Auvernier und Sutz; Die beiden Einbäume von Vingelz (Tafel XXIII); Ueber die Thierreste der Pfahlbaustationen Lüscherz und Möringen;

VIII. Bericht (Keller; 1879): Gr. u. Kl. Hafner, Constanz, Bielersee)

IX. Bericht (Jakob Heierli, 1887): Bodensee, Mittelschweiz, Westschweiz mit Bielersee

X. Bericht (Viollier, D. / Sulzberger, K. / Scherer, P. Emanuel; 1924): (Ost- und Zentralschweiz; Mensch, Tier, Pflanzen))

XI. Bericht (Viollier, D. / Tschumi, O. / Ischer, T.; 1930) 2 KARTEN am ENDE (Westschweizer Pfahlbauten) und: → Tatsächlich findet man in der Grafik des XI. Pfahlbauberichts 1930 auf Seite 57 f. bei Stein vor und nach der Ortschaft die "untersten" Pfahlbausiedlungen des Bodensees.

XII. Bericht (Viollier, D. / Vouga, P. / Tschumi, O.; 1930): Statistik der schweizerischen Pfahlbauten: ALLE SEEN mit STATIONEN; (Siedlungen Westschweiz; Pollen; Diagramme Bielersee, Neuenburgersee, Lac Lemon)

Die Berichte 11 und 12 (Bd. 30), enthalten ein vollständiges Verzeichnis der Pfahlbauten der Westschweiz, samt Angabe aller darüber veröffentlichter Literatur.

Keutschacher See und Hafner See

Dworsky 2021, Cyril; Meyer, Lieselore: → Die jungsteinzeitlichen Pfahlbauten in Kärnten. Sonius 2021, S. 3–8.

Meyer 2020, Lieselore: → Der Hafnersee - Unbekannte Pfahlbauten.

Kleine Zeitung Kärnten: → Verborgener Schatz im Hafnersee; 7.1.2021

Offenberger 2014, Johann: → Die neolithische „Inselsiedlung“ im Keutschacher See (Kärnten) – Eine kritische Betrachtung. ÖAB; Historica – Austria, Band 12, Jg. 2014. 55 Seiten.

Klemun 1995, Marianne: → Die Erforschung des vorgeschichtlichen „Pfahlbaus" – ein kontroversielles Kapitel der internationalen prähistorischen Forschung des 19. Jahrhunderts und Ferdinand Hochstetters Entdeckung der Keutschacher „Pfahlbauten" (1864). Carinthia II, Klagenfurt. S. 215–238.


Samonig 2003, Bertram: → Die Pfahlbaustation des Keutschacher Sees. Mitteilungen der Prähistorischen Kommission: Studien zur Pfahlbauforschung in Österreich. Materialien II; 260 Seiten. ÖAW 203 Online Edition. [Anm.: Die einzelnen Kapitel sindals PDF downloadbar: u.a.: → 60 Tafeln mit Abbildungen; 96 Seiten → Katalog. OPEN ACCESS

S. 27: … dass in einem bestimmten Zeitabschnitt die Seeuntiefe trocken fiel und in Form einer kleinen, flachen Insel aus dem See ragte. Bei den jahreszeitlich bedingten Hochständen wurde sie überspült, wobei es zu sandigen Absätzen kam. Mit einem geringen Anstieg des Wasserspiegels kam es zur Bildung von Radizellentorf, bis eine neuerliche Auffüllung des Seebeckens eine Überflutung verursachte, in deren Folge dann die bislang gebildeten Ablagerungen durch Wellenschlag bis auf geringe Reste zerstört und abgetragen wurden (Mossler 1954, 92).

Diese Deutung sah der Geologe Fritz Brandtner (Wien, Untersuchung von Moor- und Seeböden) durch das Auffinden eines Bachbettes im südöstlichen Seebereich bestätigt. Das Bachbett mit Holz- und Holzkohleeinschwemmungen lag ca. 1,5 m unter dem heutigen Wasserspiegel. Für Brandtner ist dies ein Beweis für starke Seespiegelschwankungen. Seiner Meinung nach wurde der Pfahlbau in einer Trockenperiode angelegt. Beim Wiederansteigen des Seespiegels sind Hölzer und Holzkohlestücke aus der Siedlung in das Bachbett eingeschwemmt und durch Torfbildung überdeckt worden. Wenn das zutrifft, befand sich der Pfahlbau zur einen Hälfte im Wasser, da Pfähle bis in sechs Meter Tiefe vorhanden sind, und zur anderen Hälfte auf festem Untergrund (Anm.: Diese zweite Vermutung von Brandtner trifft höchstwahrscheinlich zu, wie neue Untersuchungen von Cichocki im August 2001 ergaben. Lt. Mündl. Mitt. von O. Cichocki.)

Aktuelle IntCal20 Kalibrationskurve für die nördliche Hemisphäre

Artikel: The IntCal20 Northern Hemisphere Radiocarbon Age Calibration Curve (0–55 cal kBP) Zs. Radiocarbon 62. doi: 10.1017/RDC.2020.41. Download des Artikels: → als HTML und → als PDF

Datenquelle für die Kalibrationskurve: https://www.intcal.org/https://www.intcal.org/data.htmlhttps://www.intcal.org/curves.htmlhttps://www.intcal.org/curves/intcal20.14c.

IntCal20-Daten von 6.500 bis 4.500 calBP ≈ 4.500 bis 2.500 v. Chr.
Normalverteilung: 68,3 % der Werte im Intervall [X ± 1σ]; 95,4 % der Werte im Intervall [X ± 2σ]; mit σ (Sigma) als Standardabweichung

Die weiter unten auszugsweise angegebenen Daten der IntCal20-Kalibrationskurve werden in der Grafik für die Jahre 6.500 bis 4.500 Jahre vor heute dargestellt. Dabei erkennt man einerseits, dass die 14C-Daten ein um 600 - 850 Jahre zu geringes Alter gegenüber dem kalendarischen Alter ausweisen, andererseits dass es zu jedem 14C-Alter mehrere kalendarische Alter gibt.

Den unten angegebenen 14C-Daten von IntCal20 kann ebenfalls entnommen werden, dass diese Daten nicht für einen bestimmten Zeitpunkt X (den wahrscheinlichen Erwartungswert) sondern nur für einen bestimmten Zeitraum angegeben werden können. Diese Abweichungen vom physikalisch ermittelten Zeitpunkt X werden mittels Standardabweichung um diesen Wert (X ± σ = X ± Sigma) angegeben.

Beispiel aus dem IntCal20-Datensatz: (mit: 0-Punkt calBP = 1950 n. Chr.)

calBP, 14C age, Sigma, Delta 14C, Sigma (Daten durch Beistriche getrennt)

6000,5276,17,71.4,2.3

5995,5248,16,74.5,2.2

5990,5228,16,76.6,2.2

5985,5207,16,78.7,2.1

5980,5200,16,79.0,2.1

5975,5207,17,77.4,2.3

5970,5218,18,75.3,2.4

5965,5230,17,73.1,2.3

5960,5239,17,71.1,2.3

5955,5244,18,69.9,2.4

5950,5242,18,69.5,2.4

Curiosa

"Pfahlbauten" - Monopol

Der beschreibende Begriff „Pfahlbauten“ ist seit dem 4. Juni 2004 (nun verlängert bis 31.10.2033) eine eingetragene Marke [= ein immaterielles Monopolrecht] beim Deutschen Patent- und Markenamt. Inhaber der Wortmarke → „Pfahlbauten“ mit der Registernummer 30355957 ist der Verein für Pfahlbau- und Heimatkunde e. V. [= "Unteruhldingen"].


"Geheime" Gesetze?

Wie den nachstehenden offiziellen Informationen zu entnehmen ist gibt es ein - sehr sinnvolles - gesetzliches Tauchverbot zum Schutz von Pfahlbauten. Die diesbezügliche Regelung ist aber nicht auffindbar (weder RIS noch Oberösterreich noch BH-Bescheid).

Pohl 2022, Henrik: → Welterbetag 2022: Pfahlbauten hautnah – Eine Tauchexkursion zur Siedlung See am Mondsee: „Die Fundstellen der Pfahlbauten in den österreichischen Seen unter Wasser sind nicht nur verborgen und damit so unsichtbar wie unzugänglich, auch gehört zu den Schutzmaßnahmen der Welterbestätten ein allgemeines Tauchverbot. Dies kann durch personalisierte Ausnahmegenehmigungen (z.B. zur Erforschung und Kontrolle der Fundstellen) aufgehoben werden und dient dazu, den unkontrollierten Zugang zu den empfindlichen Siedlungsresten einzuschränken.“

Dworsky 2018, Cyril: „… wäre es schon möglich zu einer der unter Wasser gelegenen prähistorischen Siedlungen, die Teil des UNESCO-Welterbes sind, in den Attersee, Mondsee oder Keutschacher See zu tauchen. Wirklich praktikabel ist das aber nicht. Schon alleine, weil die → Pfahlbauten in Österreich alle in Tauchverbotszonen liegen.“

Auskunft der → Oö Landesregierung vom 26.2.2013: „… teilen wir Ihnen mit, dass im Jahr 2012 insgesamt 3 Ausnahmegenehmigungen vom Tauchverbot im Attersee/Mondsee erteilt wurden. Zweck dieser Ausnahmen vom Tauchverbot waren: Entfernung von Müll, Monitoring unterwasserarchäologischer Fundstellen bzw. fotograph. Dokumentation von Arealen für Pfahlbauten.“


Der (logische) Test-Prüfer zum Pfahlbauproblem

Der Test-Prüfer: Lüdi, Werner: → Pfahlbauprobleme; In: "Bericht über das Geobotanische Forschungsinstitut Rübel in Zürich" 1950:108-139; v.a. S. 126 ff.

S. 134: „Angesichts der vielen gegen Zersetzung empfindlichen Fundstücke, wie Gewebe, bearbeitete Hölzer, Samen und andere Pflanzenreste, ist eine Häufung der Kulturschicht auf trockenem Boden kaum erklärlich, vermutlich am ehesten, wenn man annimmt, die ganze Siedlung sei durch plötzliche Überschwemmung zerstört worden und dabei dauernd unter das Wasser gekommen.“

Rucker, Christian: Untersuchung des energetischen Potentials einer verzögerten Hochwasserabgabe aus dem Attersee. Diplomarbeit 2007, Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft, TU Graz

Eichen und deren Wachstum

Hannes Mayer: Waldbau auf soziologisch-ökologischer Grundlage; Gustav Fischer-Verlag 1977, 513 S.

Mátyás, Gabor: → Rekonstruktion der nacheiszeitlichen Einwanderung der Eichen in der Schweiz anhand ihrer Chloroplasten-DNA. (vgl. insbesondere auf Seite 12 die Abb. 1: „Pollenhinweise zur postglazialen Einwanderung der Eichen in die Schweiz“ mit der dortigen Isochore (9.000 Jahre vor heute)).

ad Schindlers Grafik: (Anm.: Z. B. hätten die Pfähle enorme Längen aufweisen müssen, wenn er auf seinem minimalen Seespiegel (403,5 m) beharrte: Pfahlfundierung ~ 1 m in Seekreide auf Kote 400 m (lt. der Abb.) plus seine Schätzung für Seehochstände von ~ 407,5 m (S. 310) plus 1 m "Freibord" der Fußböden ergäben ~ 10 m lange – sich nicht wesentlich verjüngende – Pfähle bis zur Fußbodenhöhe. Auf Fragen, wie damit die Pfähle im 3,5 m tiefen Wasser – auf Flößen mit zumindest 5 m hohem Aufbau – zielgerichtet eingerammt werden und mechanisch stabil (Sturmwellen) zu errichten wären, geht er nicht ein.)

→ vgl. hierzu auch --> LÜDI !!!

Skriptum Waldwachstum Professur Forsteinrichtung und Waldwachstum ETH Zürich

Eichenbewirtschaftung im Alpenvorland OÖ LWKa OÖ BOKU HQ BILDER

BUCH: https://www.wald-und-holz.nrw.de/fileadmin/Publikationen/Broschueren/Eichenkonzept_Wald_und_Holz_NRW_022015.pdf

Eiche - Baum- und Stammform

WACHSEN EICHEN in SOLCHE HÖHEN ? Stangenholz: Bestände mit einem durchschnittlichen BHD von 7 bis 14 cm

Deutsche Eiche HQ BILDER 5m Stammumfang 20-25 cm; = 4 cm Durchmesser

Schlankheit als Risiko Kriterium für das Versagen von Bäumen entdeckt Forschungszentrum Karlsruhe in der Helmholtz-Gemeinschaft

https://www.plantopedia.de/eiche-wachstum/ junge Eichen wachsen schneller als ältere; 40 bis 70 mm pro Jahr sind möglich; 2 m Höhe erreicht das Jungbäumchen nach etwa 4-5 Jahren; nach zehn Jahren liegt die Höhe zwischen 4 und 7 m; mit jedem Jahr verlangsamt sich das Wachstumstempo (Endgröße 15 - 35 m)

Das Wachstum von Eichen und Roteichen: Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg

https://www.waldwissen.net/de/lebensraum-wald/baeume-und-waldpflanzen/laubbaeume/eichenarten-in-oesterreich WACHSTUMs-BILD

https://www.waldwissen.net/de/waldwirtschaft/waldbau/bestandespflege/eichepflege-und-qualitaet-der-baeume STANGENHOLZ

Literatur-Sammlung

ETHZ-Suche

Jungsteinsite.de: http://www.jungsteinsite.de/

Univ. Würzburg: Vorlesung: → Neolithikum 1 – Literaturliste

Univ. Würzburg: Vorlesung: → Neolithikum 2 – Literaturliste – alle Kulturen in Mitteleuropa

Plattform – Zeitschrift des Vereins für Pfahlbau und Heimatkunde e.V. 23/24, 2014/15. (Gunter Schoebel) → Der Südwesten – Zur Situation während des Nationalsozialismus; S. 54–71.


Matthias Hardt: → Seen und Kulturlandschaftsentwicklung in Mitteleuropa - Von den Feuchtbodensiedlungen des Neolithikums bis zu den modernen Tagebaufolgelandschaften. In: Siedlungsforschung. Archäologie – Geschichte – Geographie 27, 2009, S. 7–30. (Überblick zu Pfahlbauten)

Staudacher-Buchau, W.: Gab es in vorgeschichtlicher Zeit am Federsee wirklich Pfahlbauten?; Praehistor. Zs. 1925, 16(1), p. 45-58.

Reinerth, Hans: Die Pfahlbauten des Federseemoores. Praehistor. Zs. 1927

Reinerth, Hans: Zur Pfahlbaufrage. PrHistor. Zs. 1927. Die Pfahlbauten standen seit der Eiszeit wg. TROCKENHEIT auf dem TROCKENEN.
«Wir müssen deshalb für alle bisher ohne Unterschied als Pfahlbauten bezeichneten Steinzeitdörfer am See annehmen, daß sie nicht im Wasser, sondern an dessen Ufer errichtet waren, so daß die Hauptmasse der Häuser auf trockenen Boden ohne Pfahlrost errichtet werden konnte und nur die äußersten Häuser, die den Verkehr mit dem See vermittelten und bei Hochwasser unter Wasser kamen, Pfahlbauten waren.»

Ischer, Theophil: → Waren die Pfahlbauten der Schweizer Seen Land- oder Wassersiedlungen? Anzeiger für schweizerische Altertumskunde 1928 VERSUCH: "VERNICHTUNG von REINERTH"

Lüning, Jens: → Zum Kulturbegriff im Neolithikum Prähist. Zeitschr. 47, 1972, 145-173.

Schier, Wolfram: → Extensiver Brandfeldbau und die Ausbreitung der neolithischen Wirtschaftsweise in Mitteleuropa und Südskandinavien am Ende des 5. Jahrtausends v. Chr. Prähistorische Zs., 2009.

Schier, Wolfram, Ehrmann, Otto u. Rösch, Manfred: → Experimentelle Rekonstruktion eines jungneolithischen Wald-Feldbaus mit Feuereinsatz – ein multidisziplinäres Forschungsprojekt zur Wirtschaftsarchäologie und Landschaftsökologie, Prähistorische Zs., 2009.

KULTURELLES:

Dusseldorp, Gerrit L., Amkreutz, Luc: → Foraging for Farmers? An evolutionary perspective on the process of Neolithisation in NW Europe – A case study from the Low Countries Prähitorische Zs. 2015

Przybyła, Marcin: → Mating systems in prehistoric populations. An evolutionary approach and archaeological evidence Prähistorische Zs. 2013

RESEARCHGATE-Quelle zu JACOMET

Jacomet, St.: → Plant economy and village life in Neolithic lake dwellings at the time of the Alpine Iceman (--> Arbeiten wd. des Jahres …) Zs. Vegetation History and Archaeobotany · January 2009

Jacomet, St. et al.: → Archäobotanik am Zürichsee. Ackerbau, Sammelwirtschaft und Umwelt von neolitischen und bronzezeitlichen Seeufersiedlungen im Raum Zürich. Ergebnisse von Untersuchungen pflanzlicher Makroreste der Jahre 1979-1988. ZUSAMMENFASSUNG

Jacomet, St.: → Soziale Verhältnisse vor 5400 Jahren (betrifft: Spezialisierungen in Arbon Bleiche; Zuwanderer vom Wr. Becken)

Jacomet et al.: → Bauern, Fischerinnen und Jäger: Unterschiedliche Ressourcen- und Landschaftsnutzung in der neolithischen Siedlung Arbon Bleiche 3 (Thurgau, Schweiz)?

Jacomet et al.: → Archäobiologie als sozialgeschichtliche Informationsquelle: ein bislang vernachlässigtes Forschungspotential

Jacomet, St. et al.: → Bauern, Fischerinnen und Jäger: Unterschiedliche Ressourcen- und Landschaftsnutzung in der neolithischen Siedlung Arbon Bleiche 3 (Thurgau, Schweiz)?

Jacomet, St., Leuzinger, Urs u. Schibler, Jörg: → Die jungsteinzeitliche Seeufersiedlung Arbon I Bleiche; Teil 3 Umwelt und Wirtschaft (2004)

Jacomet, St. et al.: → Neolithic Lake Dwellings in the Alpine Region (HQ allgem. Darstellg.)

Jacomet, St. u.Schibler, Jörg: → Subsistenzwirtschaft aus archäo(bio)logischer Sicht (2010)
... jedoch ist nicht mit einer häufigen Verlegung der bewirtschafteten Flächen zu rechnen: Diese müssen einen großen Wert dargestellt haben, hatte man sie einmal dem Wald abgerungen. Mit traditionellen Methoden (Pflanzensoziologie, ökologische Zeigerwerte, Arealkunde) ausgewertete Unkrautspektren, mindestens des Jung- und Endneolithikums, deuten jedenfalls auf dauerhaft bewirtschaftete Flächen hin (zusammenfassend etwa Hosch & Jacomet 2004, 128 ff.).