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Rezension von: Viktor Köressaar, New York Public Library
 
Rezension von: Viktor Köressaar, New York Public Library
 
  
 
Dieser monumentale Band liefert den ersten umfassenden Überblick über die steinzeitlichen Kulturen der östlichen Hälfte des europäischen Kontinents. Obwohl die große Bedeutung dieses Gebietes, insbesondere im Hinblick auf die Entstehung, Differenzierung und Ausbreitung der indogermanisch sprechenden Völker in Europa, von Prähistorikern und Philologen seit langem erkannt wurde, galt es bisher als unzugängliches Terrain. Der Hauptgrund dafür war natürlich die Sprachbarriere. Dr. Gimbutas, der mehrere dieser Sprachen beherrscht, hat uns nun die erste Monographie über die osteuropäische Steinzeit vorgelegt, die auf der Prüfung aller verfügbaren Quellen aus erster Hand beruht.
 
Dieser monumentale Band liefert den ersten umfassenden Überblick über die steinzeitlichen Kulturen der östlichen Hälfte des europäischen Kontinents. Obwohl die große Bedeutung dieses Gebietes, insbesondere im Hinblick auf die Entstehung, Differenzierung und Ausbreitung der indogermanisch sprechenden Völker in Europa, von Prähistorikern und Philologen seit langem erkannt wurde, galt es bisher als unzugängliches Terrain. Der Hauptgrund dafür war natürlich die Sprachbarriere. Dr. Gimbutas, der mehrere dieser Sprachen beherrscht, hat uns nun die erste Monographie über die osteuropäische Steinzeit vorgelegt, die auf der Prüfung aller verfügbaren Quellen aus erster Hand beruht.

Version vom 21. Mai 2022, 18:23 Uhr

REVIEWs: Marija Gimbutas. The Prehistory of Eastern Europe, Part I. Mesolithic, Neolithic, and Copper Age Cultures in Russia and The Baltic Area. (American School of Prehistoric Research, Peabody Museum, Harvard University, Bulletin No. 20.) Cambridge, Mass.: Peabody Museum, 1956. ix, 241 p., plates, $7.50.



Rezension von: Viktor Köressaar, New York Public Library

Dieser monumentale Band liefert den ersten umfassenden Überblick über die steinzeitlichen Kulturen der östlichen Hälfte des europäischen Kontinents. Obwohl die große Bedeutung dieses Gebietes, insbesondere im Hinblick auf die Entstehung, Differenzierung und Ausbreitung der indogermanisch sprechenden Völker in Europa, von Prähistorikern und Philologen seit langem erkannt wurde, galt es bisher als unzugängliches Terrain. Der Hauptgrund dafür war natürlich die Sprachbarriere. Dr. Gimbutas, der mehrere dieser Sprachen beherrscht, hat uns nun die erste Monographie über die osteuropäische Steinzeit vorgelegt, die auf der Prüfung aller verfügbaren Quellen aus erster Hand beruht.

Was diesen Band zu einem unschätzbaren Beitrag für das weite Feld der europäischen Vorgeschichte im Allgemeinen macht, ist die Konsequenz, mit der der Autor die Verflechtung der prähistorischen Kulturen zwischen Ost- und Mittel- bzw. Nordeuropa hervorhebt. Im ersten Kapitel wird die genetische Einheit der Waldkultur (Maglemose-Kunda-Komplex) um das südliche Baltikum erkannt, ebenso wie ihre Ausbreitung nach Osten und ihr Überleben in der mittelrussischen Waldzone. Im dritten und vierten Kapitel wird die osteuropäische mit der mitteleuropäischen Vorgeschichte anhand der tripolischen und donauländischen Kulturen verbunden. Im selben Kapitel erhält die Trichterbecherkultur (die erste nördliche) eine wohlverdiente Behandlung. Erst in jüngster Zeit ist man sich dank der Arbeiten von Vogt und Piggott ihres starken Einflusses auf die sogenannten westlichen Kulturgruppen des prähistorischen Europas bewusst geworden.

Im zweiten Kapitel analysiert Dr. Gimbutas die Kurgan-Kultur der osteuropäischen Steppen; im fünften Kapitel verfolgt sie das Auftreten kurganischer Elemente in der Kugelamphoren-Kultur und deren Ausbreitung nach Nordwesten auf Kosten der Trichterbecherkultur in den Saale-Elbe-Raum. Ihrer Meinung nach stellt die Kugelamphorenkultur eine Verschmelzung der eindringenden pontischen Elemente mit denen der Trichterbecherkultur dar; die Ähnlichkeit zwischen der Kugelamphorenkultur und der kurganischen Hüttengrabzeit ist am auffälligsten in Gräbern und Keramik. Der Schnurkeramik- und Streitaxtkomplex der folgenden Periode wird von Dr. Gimbutas als Überlebens- und Nachfolgekultur des Kugelamphorenkomplexes interpretiert, und die Differenzierung dieses Schnurkeramikkomplexes in verschiedene divergierende Untergruppen (Sächsisch-Thüringisch, Südostbaltisch, Ziota usw.) spiegelt wahrscheinlich die Aufspaltung der mehr oder weniger einheitlichen Kultur der vorangegangenen Phase in separate Zweige unter dem Einfluss lokaler Substrate wider. Dr. Gimbutas schenkt auch dem Problem des Ursprungs und der Verbreitung der indoeuropäisch sprechenden Völker gebührende Aufmerksamkeit. Es ist ihr hoch anzurechnen, dass sie die inzwischen überholte Theorie verworfen hat, wonach die sächsisch-thüringischen Schnurkeramik-Völker mit den ursprünglichen Indoeuropäern identifiziert wurden; ihre Theorie, wonach das kurganische Hüttengrabvolk die Rolle der sächsisch-thüringischen Völker einnimmt, ist jedoch nicht einwandfrei. Wir wären auf einem viel sichereren Boden, wenn wir postulieren würden, dass das Hüttengrabvolk der Kurgan-Kultur bereits ein späteres indoeuropäisches Idiom sprach, vielleicht den Ur-Satem-Dialekt, oder noch wahrscheinlicher das gewöhnliche Indo-Iranische.

Die nahöstlichen linguistischen Belege beweisen, dass die Wanderungen mit Kugelamphoren und Schnurkeramik-Streitäxten die ersten Indoeuropäer des Kentum-Zweiges nicht nach Mitteleuropa gebracht haben können. Sie müssen bereits dort gewesen sein. Als Arbeitshypothese könnten die Trichterbechervölker als Vertreter der ersten Indoeuropäer in Mitteleuropa angesehen werden. Die Anerkennung von Trichterbecherelementen in der östlichen Provinz der Windmill Hill-Kultur durch Piggott und die Interpretation der Michelberg-Kultur als südwestliche Provinz der Trichterbecher von Vogt verleiht ihr viel Gewicht. Auch die rasche Differenzierung des Streitaxt-Corded Ware-Komplexes in separate Untergruppen unter dem Einfluss lokaler Substrate scheint sie zu bestätigen.

Dr. Gimbutas' Ablehnung eines einheitlichen Kamm- und Grubenmarkenkomplexes in Nordosteuropa stützt sich auf gute Belege, aber ihr negativer Ansatz in Bezug auf die sprachliche Seite des Problems, nämlich die Herkunft und Verbreitung des finno-ugrischen Bestands, ist weit davon entfernt, die Frage zu lösen. Dieses sehr komplexe Problem bedarf dringend einer gründlichen Überprüfung sowohl aus archäologischer als auch aus linguistischer und anthropologischer Sicht, Sichtweise.

Die Monographie von Dr. Gimbutas stellt den ersten Versuch dar, das große Gebiet der osteuropäischen Archäologie als Ganzes zu behandeln. Ihre herausragenden und nachhaltigen Qualitäten zeigen sich in den folgenden Punkten: (1) die Darstellung der Ergebnisse der Feldarbeit in Osteuropa in der Mitte des 20. Jahrhunderts und ihre Korrelation mit der Vorgeschichte Mitteleuropas; (2) eine solide, sorgfältige, kritische und unabhängige Herangehensweise an die chronologischen Probleme und den Nachweis der Stratifikation; und (3) die Anregung neuer Ansätze und neuer Lösungen für die entscheidenden Probleme des mitteleuropäischen Spätneolithikums. Es ist ein äußerst wichtiger Beitrag zur europäischen Vorgeschichte, und wir können nur hoffen, dass sein zweiter Teil bald folgen wird.




Rezension von Stuart Piggott, Universität von Edinburgh

Dies ist der sechste von drei Bänden, in denen Gimbutas einen vollständigen Überblick über die Vorgeschichte einer der prägendsten Regionen der Alten Welt im Altertum geben will. Die relative Unzugänglichkeit des Gebietes selbst, verschärft durch die modernen politischen Verhältnisse, und die sprachlichen Schwierigkeiten, die sich dem durchschnittlichen westlichen Gelehrten stellen, haben unser Wissen bedauerlicherweise unvollständig gelassen. Childe, HanEar und Jettmar haben zusammenfassende Darstellungen bestimmter Epochen oder Regionen dieses großen Gebietes geliefert, aber nichts, was mit Gimbutas' Werk vergleichbar wäre, ist bisher versucht worden. Wir stehen bereits nach der Veröffentlichung eines Drittels ihres Werkes tief in ihrer Schuld. Nach einer kurzen physiographischen Einführung in das Gebiet wird das archäologische Material von der frühen Nacheiszeit an klar und systematisch dargestellt, mit vollständigen Bibliographien für jeden Abschnitt. In absoluter Chronologie (wie in der Tabelle auf S. 10 dargestellt) reicht die Zeitspanne vom Jungpaläolithikum bei ca. 10.000 v. Chr., bis zu den verschiedenen lokalen Kulturen der Bronzezeit bei ca. 1.600 v. Chr.

Ein Wort der Kritik muss jedoch zu den Karten gesagt werden, von denen einige (insbesondere Abb. 1) kartographische Schrecknisse sind. Das archäologische Material ist notwendigerweise nach veröffentlichten Zeichnungen oder Fotografien illustriert und nicht nach originalen Museumsforschungen. Dies führt zu einer uneinheitlichen Qualität der bildlichen Darstellung, und es ist ein Kommentar zu den Standards der archäologischen Techniken in den beschriebenen Ländern, die oft recht beklagenswert sind. dass es relativ wenige Pläne und Schnitte von Ausgrabungsstätten gibt. Das ist natürlich nicht die Schuld des Autors, aber es weckt Misstrauen in die Zuverlässigkeit vieler der verwendeten Grabungsberichte; dieser Faktor wird in der archäologischen Synthese zu oft ignoriert oder umgangen, aber er ist ein Faktor, dem man sich stellen muss. Je niedriger die Standards der Feldtechniken sind, desto unzuverlässiger sind die erzielten Ergebnisse.

Ein Großteil der Chronologie, die für die besprochenen Kulturen vorgelegt wird, ist in der Tat äußerst hypothetisch. Passeks Daten für die Tripolye-Kulturphasen (S. 99) oder die von Foss für die fenno-karelischen Kulturen (S. 181) könnten beispielsweise um ein Jahrtausend oder so verschoben werden, ohne dass dies den vorhandenen Beweisen schadet. Gimbutas selbst scheint die Gleichsetzungen zwischen floristischen Zonen und den abgeleiteten klimatischen Phasen im nördlichen und südlichen Extrembereich ihres Untersuchungsgebiets zu optimistisch angenommen zu haben.

Aber im Großen und Ganzen ist sich die Autorin nicht nur dieser und anderer potenzieller Fallstricke voll bewusst, sondern sie ist auch mit beispielhaftem Geschick und gutem Urteilsvermögen mit ihrem schwierigen Quellenmaterial umgegangen. Irgendwo in diesem Labyrinth aus Tonscherben, Stein- und Kupfergeräten liegt nach Gimbutas' Auffassung die archäologische Geschichte hinter der sprachlichen Entstehung und frühen Entwicklung der indoeuropäischen Sprachgruppe. Sie scheut sich nicht, dies auszusprechen und einige attraktive Möglichkeiten der Korrelation aufzuzeigen, und man kann nur hoffen, dass sie dieses Thema in ihren späteren Bänden weiterentwickeln wird. Für diese Aufgabe können wir ihr nur das Glück wünschen, das sie so sehr verdient.