Ortsnamen des Attergaus – eine Reise durch Jahrtausende

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Ortsnamen des Attergaus – eine Reise durch Jahrtausende erstellt am 17. Juli 2021

Überbleibsel der indogermanischen bis keltischen Zeit in deren Eigenbezeichnung

Die ältesten – indogermanischen (ca. 4700 BP) und in der Folge keltischen – Namen sind jene der Gewässer:

`Atter´-See: vgl. den Artikel über die „Pfahlbauern und der Name des Attersee“

Ager: entweder noch indogermanisch oder erst keltisch, von idg. *ag- , (uridg. *h2eg-): `treiben, in Bewegung setzen´

Traun: truna, keltisch bzw. idg. *dreu-/dru- : „laufen, eilen“

Ischl, die: keltisch „Iskila“, zu indogerm. *eis-/is- : „heftig, schnell bewegen“; an der Ischl lag in der Antike die römische „statio escensis“ mit einer Zollstation bei Bad Ischl für die Bodenschätze des kaiserlichen Patrimoniums (Alföldy, G.: Noricum; Wiesinger, P.: Ortsnamen und Siedlungsgeschichte im Salzkammergut, oöMV)

Romanisierung der Kelten (ab 15 v. Chr.)

Die Kelten Ufer-Noricums (drei Stämme nördlich der Alpen: Ambisonten im nordwestlichen Salzachtal, dann die Alauni und die Stiriates bei Steyr) wurden während der römischen Besetzung ab 15 v. Chr. über die Jahrhunderte kontinuierlich romanisiert, d.h. sie übernahmen im Laufe der Zeit die vulgärlateinische (= romanische) Sprache und auch die christliche Religion. Alföldy spricht in seinem Werk `Noricum´ von einem römischen Patrimonium als kaiserlichem Fiskalgut in den Alpen zur Nutzung der Bodenschätze Eisen und Salz, was auch durch die Zollstelle bei Bad Ischl und die Eigentumsverhältnisse der nachfolgenden Agilolfinger (mit dem Traunseekloster `Trunseo´ = Altmünster) im Inneren und Äußeren Salzkammergut nahegelegt wird.

Überbleibsel der römischen Periode in der Eigenbezeichnung

Parschallen: (auch Parschalling mit -ing als Analogiebildung zu späteren bairischen -ing-Namen der Gegend); Barschalken („scalci“) waren persönlich freie aber abgabenpflichtige romanisierte Bewohner (`Romanen´), die aber an ein bestimmtes Fiskal-Gut im Erbbesitz gebunden waren.

Der „Barschalken“-Begriff leitet sich von altem römischem Fiskalbesitz her, mit „bar“ als `Abgabe an den Fiskus´, in der Nachfolge des römischen Staates dann an den bairischen Herzog, der jedenfalls auf altem römischem (Patrimonial-) und in der Folge auf agilolfingischem Fiskalland lag.

Der (Vulgär-)lateinische Name `Parschallen´ blieb bis in die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts bestehen und wurde erst dann ins Frühmittelhochdeutsche der Baiern übernommen, wie sich aus der noch heutigen Betonung des Namens Parschallen auf der vorletzten Silbe erschließen lässt, wie im Folgenden dargelegt wird: Im Germanischen und dessen Weiterentwicklungen zum Alt-, Mittel- und Neuhochdeutschen gilt bei Mehrsilbigkeit von Wörtern und Namen stets der Initial-Akzent auf der 1. Silbe. Demgegenüber gilt im Lateinischen der sogenannte Praenultima-Akzent, also der Akzent auf der vorletzten Silbe, der sich auch im Vulgärlateinischen und Romanischen fortsetzt. Da der Initialakzent im Althochdeutschen fest war, wurden ihm bei Übernahme von Namen regelmäßig auch die anders akzentuierten lateinischen/romanischen Gewässer- und Siedlungsnamen angeglichen. Diese Akzentregel behielt während der ganzen althochdeutschen Zeit – ab dem 8. Jahrhundert - bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts ihre Gültigkeit und betraf alle bis dahin integrierten lateinischen/romanischen Namen. Erst ab der Mitte des 11. Jahrhunderts mit dem Übergang vom Althochdeutschen zum Frühmittelhochdeutschen verlor sie ihre Wirksamkeit, so dass erst ab dieser Zeit übernommene Namen ihren angestammten romanischen Akzent beibehielten.

Der Akzent zeigt daher an, ob ein mehrsilbiger Name schon ins Bairisch-Althochdeutsche oder erst spät – also ab 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts – ins Bairisch-Frühmittelhochdeutsche oder Bairisch-Mittelhochdeutsche aufgenommen wurde.

Dementsprechend ergibt sich, dass in der Gegend um Parschallen bis um die Mitte des 11. Jahrhunderts Vulgär-Latein und erst dann bairisches Mittelhochdeutsch gesprochen wurde.

(Lieratur: Wiesinger, P., Greule, A.: Baiern und Romanen – Zum Verhältnis der frühmittelalterlichen Ethnien aus der Sicht der Sprachwissenschaft und Namenforschung. Narr Franke Attempto Verlag, Tübingen 2019, S. 70. und: Lechner, K.: Parschalken – Ein Beitrag zur österreichischen Rechtsgeschichte und Volkskunde. Festschrift zum 70. Geburtstag von Theodor Mayer, Thorbecke Verlag, Konstanz 1954 und siehe die dort zitierte umfangreiche Literatur, v.a. das Buch von A. Janda: Die Barschalken. Ein Beitrag zur Sozialgeschichte des Mittelalters.)

Zell: Cellae = kleine Zellen als Außenstelle eines Monasteriums (hier: Trunseo – Altmünster)

Nußdorf: etwa `vicus nucis´: von nux, nuces = Nuß, Nüsse (auch Trunseo zugehörig)

Altenberg: etwa `colli alto´: `beim hohen Hügel´; (Altenberg bei Linz ist `Balkon von Linz´; das dritte Altenberg an der nö. Donau ist ebenfalls erhöht und war ein römisches Kastell)

Gampern: vgl. Camparon, in uilla Campara; von lat. campus / roman. campu = `Feld´mit Suffix –arius

Kemating: vgl. kemenata – Zimmer in Haus mit Kamin; mit -ing = bair. Hinweis auf Dorf (s.u.)

Attersee: zweifellos sagten die damaligen Romanen auch zum Ort „Attersee“ in ihrem (Vulgär-)Latein etwas wie „Atter“-vicus (?); zum See „Attersee“ etwas wie „Atter“-lacus (?).

Attergau: die Gaubezeichnung stammt von der karolingischen Gaueinteilung

Abersee: vom Personennamen PN Aparwin, „lacus Abrianus“; später umbenannt in `Wolfgangsee´

Irrsee: vom PN des hl. Ursus (Angehöriger der Thebäischen Legion - wie der Nußdorfer hl. Mauritius!)

Wallersee: vom roman. Ortsnamen Vallaria = Tal-Gut, Tal-Hof; erweitert auf „Walar-seo“ = Wallersee

Überbleibsel der römischen Periode in bairischer Fremdbezeichnung

Die die beherrschende Verwaltung übernehmenden Baiern bezeichneten die vorhandene romanisierte, keltische Bevölkerung als Walchen, Welsche; diese Bezeichnung wurde dann von ihnen auch allgemein für lateinische Bevölkerung verwendet.

Seewalchen: am nordwestlichen Seeufer siedelnde christliche Romanen = Walchen; eine Urpfarre

Ainwalchen: ursprünglich `Einwalhesdorf´: also Benennung eines Einzelgehöfts von Walchen, dem von den Baiern die beiden Komposita `ein´ (ein, einzeln) und -dorf gegeben wurden.

Walchen, Ort: Name hängt mit den Ministerialengeschlecht der `Walchen´ zusammen, war also wahrscheinlich keine Ansiedlung von Walchen

Bairische Siedlungsnamen

Die ersten bairischen Siedlungsgruppen findet man mit den -heim-Namen und den -ing-Namen. Die -ing-Namen neuer Siedlungen mit ihren Führungspersönlichkeiten am Namensanfang trifft man in auffallender Weise aber nicht im „inneren“ Attergaugebiet, sodass davon auszugehen ist, dass die bereits und weiter vorhandene romanische Besiedlung fest verankert blieb.

-ing-Namen: massiertes Auftreten nur außerhalb der Linie Hipping, Rixing, Wötzing flächendeckend bis Timelkam

Schörfling: am Nordostufer, im Vergleich zu den Seewalchen wohl weniger christliche, Baiern unter der Führungs-Person eines `Skerolf´ im Ort „Skerolfinga“ siedelnd; hängt wohl mit der Herrschaftsübernahme der Agilolfinger zusammen. Das seltene Kirchenpatrozinium des Hl. Gallus kam wohl mit den Bambergern dorthin.

St. Georgen: Mit den Bambergern wurde aus dem `Attergaudorf´ das `St. Georgen´. Wohl im Bestreben, „bairischer“ zu heißen wurde dann später aus „Sankt Jörgen“ in Analogiebildung „Sanktjörg-ing“ und vereinfachend „Santjörging“ dann „Santjöring“ und in der Sprache der Einheimischen das „Sanntiring“ von heute.

-heim, -ham: Bergham, Thalham (gehören noch zu den ersten bairischen Siedlern, „Einsprengsel“ in die romanische Basisbesiedlung)

-hofen: Atterhofen (Hinweis auf karolingische Verwaltungs-Höfe wie auch Mattighofen usw.)

-stetten: Stettham (auch ein adeliger Sitz)

-dorf: Nußdorf; Abbatis-Dorf (Dorf des Abtes - Abtsdorf: wohl als Anerkennung für die Danaer-Dienste des Mondseer Abtes Heinrich gegenüber Herzog Tassilo III. in Rom); Eisenpalmsdorf (`Eisen´ von `Isaak´), Ohlsdorf, Steindorf: (Nach den -ing-Namen werden die -dorf-Namen produktiv und vermehrt auch für bestehende Ansiedlungen verwendet und treten in der zweiten bair. Besiedlungswelle auf.)

„Reuten“-Namen: Rodungsnamen von Reith, Breitenröth usw. (dritte bair. Ausbaustufe)

-aha: Untraha („unter der Ache“), Unterach

-bach: Weißenbach, Schwarzenbach

-berg: Altenberg, Buchberg

Überbleibsel der Alpenslawen in bairischer Fremdbezeichnung

„Windische“ ist die alte bairische Bezeichnung für die Alpenslawen; solche Namen sind letztlich auf das Innere Salzkammergut beschränkt und treten nur vereinzelt im Äußeren Salzkammergut auf.

Wienerroith: = von `Windischen´ gereutet; sonst würde man in der Mundart „Weana-Roith“ sagen

Zimnitz: vom slawischen „Zimnica“ = „kalt, Schneeberg“; der höchste Gipfel heißt früh `Leonsberg´