Nachruf in der Tagespost vom 28.1.18649
Carl Mayr, Edler v. Melnhof †.
(Anonyme Einsendung an die Tagespost)
Carl von Mayr hatte sein ganzes Leben dem Aufschwung der Eisenindustrie und dem Hüttenwesen gewidmet, und da er über eine ungewöhnliche Begabung, gepaart mit dem reichsten theoretischen und praktischen Wissen und einer ausdauernden Tätigkeit ohne Gleichen zu gebieten hatte, so erzielte er auch in kürzester Zeit Resultate, welche nicht nur ihm, sondern dem ganzen Lande Ehre und Vorteil brachten.
Carl v. Mayr absolvierte seine Studien am polytechnischen Institut zu Wien und widmete sich unmittelbar darauf mit dem ganzen Feuereifer der Jugend dem Eisenhüttenwesen, welches er – im eigentlichen Sinne des Wortes – praktisch betrieb, indem er auf den Werken seines Vaters die steierische Herrenarbeit mit der Zange in der Hand erlernte. Gar bald erkannte hier sein Scharfblick, dass es für die Steiermark hohe Zeit sei, das ausgefahrene Geleise des Altherkömmlichen zu verlassen, um nicht vollends von den riesigen Fortschritten, welche schon damals in den Rheinländern, in Belgien und besonders in England im Eisenhüttenwesen gemacht worden waren, überflügelt und endlich erdrückt zu werden. So trat er bereits im Jahre 1836 in Gesellschaft des um die österreichische Montan-Industrie so hochverdienten, nunmehrigen k.k. Sectionsraths Herrn Peter Tumner eine hüttenmännische Reise nach Deutschland an, welche er sodann allein über einen großen Theil Europa´s ausdehnte.
Zunächst besuchte M. die schwedischen Eisenwerke und verweilte längere Zeit bei dem berühmten Sheffström, Professor der Hüttenkunde zu Falun.
Von da ging er in die Rheinprovinzen und erlernte praktisch während eines längeren Aufenthaltes den Puddling- und Walzproceß auf einer der dortigen, den englischen nachgebildeten neuen Anlagen. Auf diese Weise vielseitig in seinem Fache ausgerüstet, setzte er die Wanderung mit um so größerem Nutzen durch Belgien, England, Frankreich fort und besuchte vor seiner Heimkehr nach zweijähriger Abwesenheit auch noch die Eisenwerke bei Brescia, um sein Urtheil über den Stand der Eisenindustrie vollends festzustellen.
Da es Verhältnisse nicht zuließen, seine Kenntnisse und reichen Erfahrungen gleich nach Beendigung der Reise in der Heimat zu verwerten, so acceptierte M. den ehrenvollen Antrag des Herrn Grafen Johann Kostiz auf der Herschaft Plan in Böhmen, ein Puddling- und Walzwerk zu erbauen.
Diese Aufgabe führte im Jahre 1840 M. in der befriedigendsten Weise aus und folgte sodann einem Rufe seines Vaters um die Leitung des zu jener Zeit noch im ersten Aufkeimen begriffenen Puddlingswerkes auf der Donawitz bei Leoben zu übernehmen. Nach dem Ableben seiner Mutter trat er in Gesellschaft seines Bruders Franz in den Besitz der sämtlichen Werke seines Vaters.
Carl trennte sich 1849 von seinem Bruder Franz und errichtete in Judenburg ein eigenes kleines Puddling- und Walzwerk. Später verfiel er in ein schweres Siechtum, sodass er Anfang 1864 seinem Bruder Rudolf die Leitung dieses Werkes übertrug.
So hatte Carl v. Mayr nun den Boden gewonnen, von welchem aus er seine Kenntnisse so wie die seltenen Eigenschaften seines Charakters zur vollsten Geltung bringen konnte. Und er hat sie auch zur Geltung gebracht, denn die rapide Entwicklung dieser Werke ist wesentlich sein Verdienst und M. war der Erste, welcher alle Vorurteile aus den Wurzeln hob und beseitigte, indem er dem mit Steinkohlen erzeugten Eisen für den Commerzbedarf erfolgreich die Bahn brach, und dadurch sich namentlich um die Steiermark ein Verdienst erwarb, welches um so gewichtiger hervortritt, wenn man erwägt, dass M. zu jener Zeit alles aus sich schöpfen musste, dass er allein den dornenvollen Pfad der Reformen betreten hatte und nirgends unterstützende Behelfe oder nachahmenswerte Beispiele fand.
Von dem rastlosen Bestreben erfüllt, stets Neues zu gründen, trennte sich M. im Jahre 1849 von seinem Bruder Franz, kaufte ein im kleinsten Maßstabe angelegtes Puddlingwerk zu Judenburg und brachte dasselbe in der kaum glaublich kurzen Zeit von Einem Jahre zu einer sehr großen Extension.
Viel zu früh für die Fortentwicklung unserer Eisenindustrie verfiel M. in ein schweres Siechtum, welches jahrelang seiner segensvollen Wirksamkeit Grenzen setzte und seine Tatkraft lähmte. Ungeachtet dessen blieb Carl v. Mayr bis an sein von allen Guten und Redlichen betrauertes Ende was stets war, ein Mann von Geist und von edlem Herzen, der das ihm anvertraute Pfund nicht egoistisch vergrub, sondern zum Frommen und Gedeihen des Vaterlandes und der Mitmenschen zu verwerten verstand. Sei ihm die Erde leicht!