Moment, da war doch noch was!
Moment, da war doch noch was! Neues zur Pfahlbauarchäologie im Mond- und Attersee.
von Cyril Dworsky und Thomas Reitmaier in: Archäologie Österreichs 15/2, 2004:4–15.
Lit.: Dworsky 2004, Cyril u. Reitmaier, Thomas: → Moment, da war doch noch was! Neues zur Pfahlbauarchäologie im Mond- und Attersee. 1854–2004: 150 Jahre Entdeckung der Pfahlbauten. Archäologie Österreichs 15/2 2004:4–15.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung und Motivation des Projektes
- 2 Kurzinventarisation 2003
- 3 Aktueller Zustand der österreichischen Pfahlbauten – Die Schadensbilder
- 4 Maßnahmen für die Zukunft? Eine Ideenbörse
- 5 „Man kennt eh schon alles…“?
- 6 Detailinventar 2004 – Erste vielversprechende Ergebnisse
- 7 Dendrochronologische Grundlagenforschung
- 8 Der Vergangenheit eine Zukunft – Die Vergangenheit als Zukunft?
- 9 Anmerkungen (sind in den Lauftext eingearbeitet)
Einleitung und Motivation des Projektes
Genau 130 Jahre sind vergangen, seit Matthäus Much 1874 in seinem „Zweiten Bericht über Pfahlbauforschungen in den oberösterreichischen Seen“ diese immer noch sehr passenden Zeilen seiner Neuentdeckung der Pfahlbaustation von Scharfling im Mondsee voranstellte [1].
- [1] M. Much, Zweiter Bericht über Pfahlbauforschungen in den oberösterreichischen Seen. In: Mittheilungne der anthropologischen Gesellschaft in Wien IV, Nr. 10, 1874, 1.
Anlass genug für ein Jubiläum? Vielleicht, aber Europas Urgeschichtsforschung feiert in diesem Jahr ein weit bedeutenderes Jubelfest: vor 150 Jahren, im Winter 1954, wurden die in Obermeilen am Zürichsee erstmals im Uferbereich entdeckten Pfahlstümpfe, Keramikfragmente u.a.m. als Reste prähistorischer Siedlungen erkannt und von Ferdinand Keller als Pfahlbauten ausführlich beschrieben. Man kann dies ohne Übertreibung eine Stern-, wenn nicht dieGeburtsstunde der modernen Urgeschichte nennen, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in ganz Europa ein wahres Pfahlbaufieber ausbrechen ließ, das in manchen Teilen bis heute nicht abzukühlen scheint, und 2004 vor allem in der Schweiz und Süddeutschland in einer Vielzahl von Ausstellungen, Veranstaltungen und Publikationen dieser bedeutenden Zeugen ihrer Vergangenheit gedenken lässt [2].
- [2] Vgl. dazu exemplarisch: http://www.diepfahlbauer.ch/, http://www.pfahlbaufieber.ch/, http://www.pfahlbauquartett.de/. http://www.archaeosuisse.ch/, oder auch: Archäologie der Schweiz 27/2, Auf den Spuren der Pfahlbauer.
In Österreich sind seit dem beklagenswerten Ende einer fast zwei Jahrzehnte dauernden Ära fruchtbaren unterwasserarchäologischen Aufbauarbeit durch das Bundesdenkmalamt im Jahre 1986 (zur Chronologie der österreichischen Pfahlbauforschung vgl. Kasten) vor allem in den vergangenen vier Jahren von einer „Handvoll engagierter Begeisterter“ verstärkt Bemühungen unternommen worden, diesen stark verwaisten Bereich österreichischer Archäologie zu reaktivieren [3].
- [3] Zur Geschichte der österreichischen Pfahlbauforschung: K. Willvonseder: Die jungsteinzeitlichen und bronzezeitlichen Pfahlbauten des Attersees in OÖ. Mitt. Prähistor. Komm. XI/XII, Wien 1963-1968. – J. Offenberger: Die „Pfahlbauten“ der Salzkammergutseen. In: Das Mondseeland. Ausstellungskatalog Linz 1981:295–357. – J. Offenberger: 5000 Jahre Kulturgut unter Wasser. Pfahlbauforschung – Der österreichische Weg. Arche 10, 1995:4–15.
Im Frühjahr 2003 konnte als Grundlage für alle in Zukunft geplanten Unternehmen eine Kurzinventarisation der bis heute bekannten Seeufersiedlungen im Mondsee und Attersee durchgeführt werden [4].
- [4] Siehe dazu auch C. Dworsky und Th. Reitmaier: „Salzkammergut reloaded“ – Ein Arbeitsbericht zur Kurzinventarisation der prähistorischen Seeufersiedlungen in Mond- und Attersee 2003. Nachrichtenblatt Arbeitskreis Unterwasserarchäologie 10, 2003:51–56. Ausgespart blieb aufgrund ihrer Sonderstellung dabei lediglich die eponyme Station See/Mondsee.
Hauptanliegen dieser Arbeiten war ein in kurzer Zeit erstellbarer, vergleichender Überblick zur aktuellen Situation aller subaquaten Fundplätze, ausgehend davon konnte im Frühjahr 2004 ein erfolgreiches Detailinventar der Stationen Seewalchen, Weyregg II und Scharfling koordiniert werden. Die wichtigsten Ergebnisse aus den Jahren 2003 und 2004, die neue denkmalpflegerische Aspekte mit ersten archäologischen Erfolgen vereinen, sollen im nachfolgenden zusammenfassend vorgestellt werden.
Maßgebende Triebkraft für die beiden Untersuchungen unter dem Patronat des oberösterreichischen Landesmuseums war und ist vor allem die Vision des Projektes „Pfahlbau-Freilichtmuseum Mondsee“. Die Ausführung und Finanzierung wurde im Rahmen eines LEADER+ Projektes durch den Verein zur Regionalentwicklung Mondseeland und durch die Mondseeland-Gemeinden ermöglicht. In Anlehnung an das Vorbild von Unteruhldingen am Bodensee könnten in einigen Jahren am Mondseeufer die wissenschaftlichen Erkenntnisse für die breite Öffentlichkeit in einem jungneolithischen Dorf erschließbar sein, dies in einer möglichst „naturgetreuen“ Rekonstruktion [5].
- [5] Dazu: Unpubl. Manuskript „Visibility Study Themenpark Mondsee“. Mondsee 2003. – Zu Unteruhldingen: http://www.pfahlbauten.de/.
- [Anm.: Lobisser, Wolfgang: Visibility Study zum Themenpark Mondsee. In: Vienna Institute for Archaeological Science (Hrsg.): Museale Aspekte, Entwicklung der Freilichtmuseen, Potentiale, Erfahrungen. Salzburg 2003:114–125.]
Kurzinventarisation 2003
Vorbereitende Arbeiten
Nach der Zusammenstellung aller bislang publizierten Berichte [6] über die einzelnen Pfahlbaustationen (Abb. 1) wurde bereits vor den eigentlichen Taucharbeiten jede Station auf Detailkarten ausfindig gemacht, um während des Projektes eine langwierige Suche vom Land bzw. vom Wasser/Boot aus zu vermeiden.
- [6] Dabei unberücksichtigt blieben alle unveröffentlichten, nicht zugänglichen Detailunterlagen zu den Siedlungen, mehrheitlich aus den Untersuchungen des Bundesdenkmalamtes unter Johann Offenberger.
Vorgaben
Im Rahmen der Bestandsaufnahme 2003 sollten vorab nur die bislang bekannten Fundplätze des Mond- und Attersees ohne Eingriff in deren Struktur inventarisiert werden. Dazwischen liegende, nach heutigem Wissensstand als fundleer geltende Uferzonen wurden nicht abgeschwommen. Pro Siedlungsstelle wurde ein Arbeitstag mit zwei Tauchgängen veranschlagt, sodass für alle 23 Siedlungen über 250 Stunden unter Wasser verbracht worden sind. Jede Station wurde in einem eigenen Dossier auf einen standardisierten Fragenkatalog hin untersucht und beurteilt: Situation über Wasser wie Zufahrt, Ufergestaltung, Infrastruktur und Schiffsverkehr etc., sowie die Situation unter Wasser, hier vor allem die oberflächlich sichtbare Ausdehnung der Kulturschichten, Seegrundtopographie, Seegrundmaterial, die Beschreibung der archäologischen Situation – Hölzer, Kulturschicht(en) und freiliegendes Fundmaterial – sowie der Schadensbilder. Die abschließende Beurteilung enthielt einen Abgleich mit den bisherigen Informationen und einen Vorschlag für künftige Arbeiten. Mit diesem Konzept orientierte sich die Aktion bewusst sehr stark an den Erfahrungen ausländischer Binnengewässerarchäologie, wie dem im Jahre 1996 im Kanton Zürich sehr erfolgreich durchgeführten Inventar, welches dort die wesentliche Grundlage nachhaltiger unterwasserarchäologischer Denkmalpflege und Forschung bildet [7].
- [7] B. Eberschweiler, Kurzinventarisation der Zürcher Seeufersiedlungen, Frühjahr/Sommer 1996. Unveröff. Bericht Zürich 1996.
Organisation, Durchführung, Erfahrungen
Ein vierköpfiges Team, die „Archäologische Tauchequipe Salzkammergut“ [8], führte die Inventarisation im April 2003 durch. Die Pfahlbaustationen Scharfling und Mooswinkel im Mondsee konnten innerhalb eines Wochenendes aufgenommen werden, der Attersee wurde, in Unterach beginnend das Westufer entlang über Seewalchen nach Weyregg während drei Wochen abgetaucht (Abb, 1).
- [8] Dr. Rupert Breitwieser, Salzburg; Cyril Dworsky, Wien; Mag. Thomas Reitmayer, Zürich; Isabella Tillich, MSc., Wien.
Die schriftliche Dokumentation wurde durch Photo- und Videoaufnahmen ergänzt; am Attersee stand den in der Regel zur Gänze eigenverantwortlich unter Wasser arbeitenden TaucherInnen zur Sicherheit ein Boot mit Aufsichtsperson zur Verfügung.
Besondere Aufmerksamkeit auf die unentbehrliche Öffentlichkeitsarbeit wurde bereits während des Projektes selbst in Form von Informations-Flyern und mehreren Fernseh- und Zeitungsmeldungen gelegt. Nach Abschluss des Projektes 2003 wurden in Seewalchen und Mondsee in „Pfahlbau-Aktionstagen“ die Ergebnisse zudem in einem breit angelegten Rahmenprogramm der Öffentlichkeit vorgestellt (Schautauchen, Kinderaktionstag mit Stationenbetrieb im Pfahlbaumuseum, Filmvorführungen, Festvortrag; Abb. 3).
Aktueller Zustand der österreichischen Pfahlbauten – Die Schadensbilder
Da an dieser Stelle die einzelnen Fundstellen nicht im Detail beschrieben werden sollen, sind nachfolgend die gesammelten Eindrücke zusammenfassend wiedergegeben:
Grundsätzlich sei festgestellt, dass der Bestandsaufnahme des Bundesdenkmalamtes in den 1970er und 1980er Jahren eine gute, laufend gewachsene Qualität zugesprochen werden kann, die als sehr wichtige Basis die problemlose Durchführung der Kurzinventarisation in einer derartig kurzen Zeit erst möglich machte. Letztere hat in erster Linie gezeigt, dass es nur eine sehr kleine Anzahl von Siedlungen gibt, die vollkommen bzw. zum überwiegenden Teil überdeckt erhalten sind und deren Kulturschichtreste oder Pfähle sich am Seegrund überhaupt nicht oder nur schwach abzeichnen (z. B. Litzlberg Süd/Attersee, mit überdeckter, mächtiger Fundschicht). Diese wenigen Stationen können als vorerst gut geschützt bezeichnet werden, bedürfen aber trotzdem laufender Kontrolle ihres Zustandes in einem zeitlich festgelegten Rhythmus. Die Mehrzahl der Siedlungen ist großflächig verschiedenartigen Erosionsmechanismen und anderen schädlichen Einflüssen ausgesetzt und dadurch akut von einer endgültigen Zerstörung bedroht.
Eine seit langem bekannte und auch bestätigte Haupursache für einen kontinuierlichen und vor allem beschleunigen Abbau der schützenden Deck- und Kulturschichten im Bereich prähistorischer Pfahlbaudörfer in Seen ist der heutzutage vielerorts fehlende Schilfgürtel im Lotoralbereich, der durch moderne Mauern, Molen- und Kaianlagen sowie eine breit mit Sand, Kies und Blockwurf geschüttete Uferzone ersetzt wurde [9].
- [9] J. Offenberger, Die österreichischen Pfahlbauten – Ein Arbeitsbericht. Jahrb. Oberösterreichischer Musealverein 121/I, 1976, 105-120. – J. Offenberger, Probleme der Bodendenkmalpflege in den Salzkammergutseen. Fundber. Österreich 19, 1980, 203-209. – J. Offenberger, Pfahlbauten, Feuchtbodensiedlungen und Packwerke – Bodendenkmaler in einer modernen Umwelt. Arch. Austriaca 70, 1986, 205-226.
Ungebremster Wellengang, Schifffahrt und die durch Schleusen veränderten Strömungsverhältnisse im Ausflussbereich der Seen bewirken eine stetige und nachhaltige Veränderung des Seegrundes und führen zu tiefgreifender Flächenerosion in urgeschichtlichen Siedlungen (Abb. 4) [10].
- [10] Archèologie et erosion – measures de protection pour la sauvegarde des sites lacustres et palustres. Actes de la rencontre internationale de Marigny. Lac de Chalain 1994.
Die auch messbar nachweisbaren Auswirkungen dieser Prozesse konnten während der Kurzinventarisation an vielen Seeufersiedlungen anhand offenliegender Kulturschichten bzw. vollkommen ausgespülter und erodierter Pfahlfelder festgestellt werden (z. B. Mooswinkel/Mondsee, Misling 2/Attersee oder Seewalchen/Attersee).
In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass die detailgerechte Aufnahme eines gesamten, mehrere 1.000 m² großen Pfahlfeldes, wie dies durch das Bundesdenkmalamt in den 1970er Jahren mehrfach praktiziert wurde [11], keinesfalls zum Schutz und nur sehr beschränkt zum Erkenntnisgewinn einer prähistorischen Siedlung beigetragen hat. Durch den manuellen Abtrag bzw. der Verlagerung der Deckschichten (Schlamm, Schlick, Steine etc.) wurde möglicherweise sogar die Erosion begünstigt. Zudem wurde durch das nur selektive Abbergen von Fundmaterial und Pfahlproben die „originale“ Situation gestört (z. B. Mooswinkel und Scharfling/Mondsee, vgl. unten).
- [11] Vgl. dazu etwa die Aufnahme von Scharfling/Mondsee: J. Offenberger, die oberösterreichischen Pfahlbauten. Die Untersuchungen des Bundesdenkmalamtes in den Jahren 1970–1974. Arch. Austriaca, Beiheft 13, 1976, 249-284, bes. Abb. 5 [Anm.: „Pfahlfeld von Scharfling“].
Dramatisch und eindrücklich zeigten sich unter Wasser auch punktuelle Zerstörungen wie Ankerspuren (Abb. 2), vor allem aber Baggerungen und andere bauliche Eingriffe in Uferzonen. Erwähnt seien hier mehrfach beobachtete Gräben (Abb. 5) und Aufschüttungen von Kanälen und Leitungen (Abb. 4), ausgebaggerte Hafeneinfahrten, Bade- und Bootsstege, Schiffsanlegestellen sowie kraterförmige Sprungturmgruben (Abb. 4) im unmittelbaren Siedlungbereich (z. B. Seewalchen/Attersee, Weyregg/Attersee, Attersee/Attersee). Als besonders schwerwiegend und regelhaft zeigte sich in diesem Zusammenhang die verheerende Wirkung von kreisenden Bojen(ketten) (Abb. 2 und 6). Die an einem 500 kg schweren Stein rotierende, überlange Kette reißt einen bis zu 15 m durchmessenden und bis zu 4 (!) m tiefen Trichter in den Seeboden und vernichtet dadurch auf Dauer sämtliche darin eingelagerten archäologischen Informationen (z. B. Abtsdorf/Attersee oder Litzlberg/Attersee).
Die allermeisten der oben beschriebenen Schadensbilder in den Pfahlbauten der Salzkammergut-Seen sind bereits seit Jahrzehnten bekannt und propagiert und waren im Grunde auch die eigentliche Veranlassung der anderthalb Jahrzehnte dauernden Bestandsaufnahme durch das Bundesdenkmalamt [12].
- [12] Guter Überblick bei: J. Offenberger, Pfahlbauten, Feuchtbodensiedlungen und Packwerke – Bodendenkmale in einer modernen Umwelt. Arch. Austriaca 70, 1986, 205-226.
Sie wurden – erwartungsgemäß – durch das Projekt im Jahr 2003 „lediglich“ in zum Teil erheblich fortgeschrittenem Ausmaß bestätigt. Selbstverständlich ist zerstörtes und bedrohtes Kulturgut unter Wasser kein „österreichisches“ Problem. Vergleichbare und ähnlich schwerwiegende Problemsituationen findet man bekanntlich auch in den neolithischen und bronzezeitlichen Seeufersiedlungen am Bodensee und in den Schweizer Seen vor [13].
- [13] Für die Schweiz vgl. dazu etwa: B. Eberschweiler, Pfahlbauforschung in Zürich – Vergangenes und Kommendes. In: Zürcher Denkmalpflege, Stadt Zürich, Bericht 1995/96. Zürich-Rohr 1997, 12-14. – B. Eberschweiler, Eine Bestandsaufnahme der Zürcher Pfahlbauten. In: Archäologie im Kanton Zürich, Bericht 1995/96. Zürich/Egg: Fotorotar 1998, 299-305. Allgemein: H. Schlichtherle (Hrsg.), Pfahlbauten rund um die Alpen. Archäologie in Deutschland, Sonderheft 1997.
In Deutschland und in der Schweiz werden seit Jahrzehnten mitunter einfache, vor allem aber wirksame Maßnahmen zum Schutz dieser einzigartigen archäologischen Archive getroffen. Aufbauend auf systematisch erstellten Inventaren genießen die Fundstellen gleichermaßen denkmalpflegerische Betreuung und begleitende Untersuchung.
Obwohl die Bestandsaufnahme in Österreich sogar früher als in unseren Nachbarländern begonnen wurde und für diese Vorbildfunktion erlangte, wurden die Schutzmaßnahmen und wissenschaftliche Erforschung bedauerlicherweise für den Mond- und Attersee bislang (viel zu lang) unterlassen.
Die Verhängung von Tauchverboten allein reicht zur Rettung dieser so bedeutenden Kulturschätze leider nicht aus und es scheint mitunter beinahe so, als hätten Wissenschaft und Behörden die Pfahlbauten aus ihrem Gedächtnis verloren – Aktiver Denkmalschutz und Forschung sollte in Österreich nicht an der Wasseroberfläche enden!
Maßnahmen für die Zukunft? Eine Ideenbörse
Ausgehend von der nunmehr aktualisierten Kenntnis des vorwiegend schlechten Zustandes der österreichischen Pfahlbaustationen sollte in allernächster Zeit ein Maßnahmenkatalog erstellt werden, der es in einer Kombination aus intensivierten Schutz- und Forschungsaufgaben erlauben würde, die Fundstellen langfristig zu erhalten und gleichzeitig einem breiten Publikum näherzubringen. Nachfolgend seien daher einige der möglichen Ziele aufgeführt, die in den nächsten Jahren angestrebt und umgesetzt werden könnten. Diese Anstrengungen bedürfen jedoch vor allem des unbedingten politischen Willens und eines entsprechenden finanziellen Einsatzes.
1. Archäologische Schutzzonen – Ausdehnung und Fortführung der Prospektion
Alle 2003 inventarisierten Seeufersiedlungen sind in definierte archäologische Schutzzonen/Tauchverbotszonen eingebunden, die jedoch den heute vielmals aufgefüllten und verbauten Uferbereich der ehemals besiedelten Strandplatten nicht miteinbeziehen. Zerstörungen bei baulichen Eingriffen bleiben dadurch vermutlich unbeobachtet, weshalb eine Erweiterung der bestehenden Schutzzonen/Funderwartungsgebiete ins „Hinterland“ zumindest überlegenswert erscheint.
Schließlich gilt es zu bedenken, dass grundsätzlich alle Uferplatten und Zonen mit Seekreidebildung als potentielle prähistorische, bislang noch unentdeckte Siedlungsstandorte anzusehen sind. Mittelfristig werden aus diesem Grund auch die Prospektionsarbeiten im/am Wasser, d.h. die taucherische Absuche der Litoralbereiche, fortzuführen und auszudehnen sein, um eine umfassende Kenntnis aller vorhandenen Fundplätze auch in anderen (kleineren) Seen zu erlangen („Man kann nur schützen was man kennt“) [14].
- [14] Zur verschiedenen Prospektionstechniken: Archäologie unter Wasser 2, Prospektionstechniken. Rahden 1998.
2. Gesetzliche Vorschriften für Bojen/Ankern
Den schwerwiegenden, überall angetroffenen Auswirkungen scheuernder Bojenketten wäre durch eine einfache wie kostengünstige Lösung entgegenzuwirken, indem eine zweite Boje an der Kette den Kontakt dieser zum Seegrund unterbindet. Überdies sollen dringend die Liege- und Ankerplätze mit dem Bojenplan und den archäologischen Schutzzonen abgestimmt werden.
3. Kantenschutz
An den mehrfach beobachteten offenen Profilkanten und Abbrüchen von Sprungsturmgruben (z. b. Seewalchen) oder Baggergräben arbeitet die Erosion stärker als in ebenen, unberührten Arealen des Seegrundes. Durch einfaches Abbergen des gefährdeten Materials mit nachfolgendem, bleibendem Schutz durch Verschalung/Spundung ist es möglich, diese akuten Erosionsprozess zu verringern bzw. auch einzudämmen.
4.Detailinventarisierung (vgl. auch unten)
Die dreiwöchige Bestandsaufnahme 2003 gibt, wie auch die 15-jährige Arbeit des Bundesdenkmalamtes, zu vielen Siedlungen noch kaum Aufschluss über deren wissenschaftliche Bedeutung (Ausdehnung, Stratigraphie, Fundmaterial, zeitliche Einordnung etc.)
Aus diesem Grund sollten die „interessantesten“ Stationen fortlaufend erneut und genauer aufgenommen werden, um eine noch bessere Kenntnis als Basis für archäologische Eingriffe zu Verfügung zu haben. Dies kann etwa durch Bohrungen, kleinflächige Sondierungen, Entnahme von Dendroproben und Abbergen von freigespültem Fundmaterial erfolgen, wie es 2004 für Weyregg II, Seewalchen und Scharfling erfolgt ist (siehe unten).
5. Kontrollen, Erosionsmessungen
Um neue Gefährdungen abzuwenden, sind wenn möglich, alle bekannten Siedlungen in regelmäßigen Abständen zu kontrollieren. Gleichzeitig wäre eine bessere Zusammenarbeit mit den Behörden anzustreben, um rechtzeitig Bauvorhaben, Baggerungen etc. abzuklären um, sofern notwendig, entsprechend präventive Schritte in die Wege leiten zu können. Die Installation von fixen Erosionskontrollen unter Wasser würde zudem eine messbare Überprüfung des Denkmälerzustandes ermöglichen (Erosionsrate/Jahr etc.).
6. Grabungen
Vorbeugende Schutzmassnahmen sind sehr aufwändig und kommen, wie das Inventar 2003 belegt hat, bereits an vielen Stellen zu spät. Manche Siedlungsstellen sind so stark gefährdet, dass dringend Rettungsgrabungen durchgeführt werden müssten, um die letzten noch verbliebenen Informationen sichern zu können. Selbstredend erfordern derartige Vorhaben hochqualifiziertes Personal, eine möglichst allumfassende, multidisziplinäre Dokumentation und Auswertung des nachher „zerstörten“ Fundplatzes und damit erhöhten zeitlichen und finanziellen Einsatz.
7. Großflächige Schutzmaßnahmen
Kostensparende Alternativen zur teilweisen oder vollständigen Ausgrabung von Seeufersiedlungen wären die Errichtung von Palisadenschutzzäunen, Renaturierungsmaßnahmen (Schilfgürtel) oder eine vollständige Abdeckung ganzer Siedlungsflächen mit schützenden Betonplatten, Geotextil- und Kiesschichten.
Eine derartige Sicherung ist exemplarisch bereits vor Jahrzehnten im Bodenseeraum, in der Westschweiz und im französischen Jura mit entsprechender Langzeitbeobachtung begonnen worden. Vorbereitend notwendig ist bei einer künstlichen Überdeckung des Seegrundes eine umfangreiche Absuche und Reinigung des Gebietes, um eine optimale Ausführung gewährleisten und ein Objekt dauerhaft für zukünftige Generationen versiegeln zu können [15].
- [15] Archèologie et erosion – measures des protection pour la sauvegarde des sites lacustres et palustres. Actes de la rencontre internationale de Marigny. Lac de Chalain 1994. – H. Brem et al., Archäologische Schutzmaßnahmen in den Seeufersiedlungen von Ermatingen TG-Westerfeld. In: Jahrb. Schweizer. Ges. f. Ur- und Frühgeschichte 84, 2001, 7-28. – J. Köninger und H. Schlichtherle, Reservatbildende Massnahmen in Bodensee-Pfahlbausiedlungen bei Wallhausen und am Schachenborn von Bodmann. In: Nachrichtenblatt Arbeitskreis Unterwasserarchäologie 7, 2000 69-74.
„Man kennt eh schon alles…“?
Neben diesem – unleugbar unaufschiebbaren – denkmalpflegerischem Pflichtenheft werden in den Salzkammergutseen vor allem auch grundlegende Arbeiten zur (dendro-)chronologischen Einordnung der Siedlungen im Vordergrund stehen müssen, um die zeitliche und kulturelle Entwicklung und Verflechtung der Mondsee-Gruppe besser verstehen zu lernen [16].
- [16] E. Ruttkay, Typologie und Chronologie der Mondsee-Gruppe. In: Das Mondseeland. Ausstellungskatalog Linz 1981, 269-294. – E. Ruttkay, Mondsee-Gruppe. In: J. Preuss (Hrsg.), Das Neolithikum in Mitteleuropa 2, Teil C, Weissbach 1999, 75-78. – E. Ruttkay, Beiträge zu Typologie und Chronologie der Siedlungen in den Salzkammergutseen. In: M. Höneisen (Red.), Die ersten Bauern – Pfahlbaufunde Europas, Bd. 2, Zürich 1990, 111-121.
Da bis heute praktisch keine geschlossenen und eindeutig stratifizierten Fundkomplexe aus großen und gut erhaltenen Flächen von österreichischen Pfahlbauten vorliegen, sind den bisher vorgelegten Auswertungen nur sehr beschränkte, zumeist unrepräsentative Aussagemöglichkeiten zuzugestehen [17].
- [17] Vgl. dazu etwa: L. Franz und J. Weninger, Die Funde aus den prähistoriscchen Pfahlbauten im Mondsee. Materialien zur Urgeschichte Österreichs 3, Wien 1927. – K. Willvonseder, Die jungsteinzeitlichen und bronzezeitlichen Pfahlbauten des Attersees in Oberösterreich. Mitt. Prähistor. Komm. XI/XII, Wien 1963-1968. – M. Bachner, Die Keramik der Pfahlbaustation See/Mondsee in der Much-Sammlung. Diss. Universität Wien, 2002. – M. Lochner, Die Pfahlbaustationen des Mondsees, Keramik. Studien zur Pfahlbauforschung in Österreich. Mitt. Prähistor. Kommission 32, Wien 1997. – E. Pucher und K. Engl, Die Pfahlbaustationen des Mondsees – Tierknochenfunde. Studien zur Pfahlbauforschung in Österreich. Mitt. Prähistor. Kommission 33, Wien 1997.
Weitgehend unberücksichtigt geblieben ist bislang auch die wesentliche Problematik von Ausbau- und Erneuerungsphasen eines Dorfes sowie der mehrmaligen Nutzung desselben Siedlungsplatzes. Letztere spiegeln sich derzeit lediglich ansatzweise im zeitlich differenzierten Kleinfundmaterial wider, jedoch sollten im Idealfall auch einzelne Haus-/Dorfstrukturen bzw. sogar die spannende Dynamik einer Siedlungsevolution lesbar werden [18].
- [18] A. Hafner, Lattring – J.en VI, Riedstation. Siedlungsplan und Baugeschichte. Ufersiedlungen am bielersee, Band 4, Bern 1992. J. Wini1, 1989.nger, Bestandsaufnahme der Bielerseestationen als Grundlage demographischer Theoriebildung. Ufersiedlungen am Bielersee, Band
Standen die unterwasserarchäologischen Forschungen in Österreich (deutlich spürbar unter Johann Offenberger [19] und noch heute im Bewusstsein der Öffentlichkeit) noch merklich im Licht der sogenannten „Pfahlbaufrage“ (Siedlungen an Land oder im Wasser?), so erscheint diese Fragestellung heute seit langem nicht mehr im Vordergrund der Untersuchungen.
- [19] J. Offenberger, Die „Pfahlbauten“ der Salzkammergutseen. In: Das Mondseeland. Ausstellungskatalog, Linz 1981, 295-357.
Vielmehr muss in Verbindung mit vielen verschiedenen Nachbardisziplinen versucht werden, eine möglichst universale Rekonstruktion der Umwelt- und Kulturgeschichte eines Gebietes zu schaffen [20]. Schließlich ist den jungneolithischen Menschen der Mondsee-Gruppe an den Ufern der Salzkammergutseen und darüber hinaus gerade auch in Hinblick auf die mitteleuropäische Kupfermetallurgie des 4. Jahrtausends eine überregionale Mittlerrolle zuzuschreiben [21].
- [20] Als ein Beispiel von vielen vgl. die Reihe: Siedlungsarchäologie im Alpenvorland, Bd. 1 ff.
- [21] Chr. Strahm, Die Anfänge der Metallurgie in Mitteleuropa. Helvetica archaeologica 25, 1994-97, 1-39. – I. Matuschik, Kupferfunde und Metallurgie-Belege, zugleich ein Beitrag zur Geschichte der kupferzeitlichen Dolche Mittel-, Ost und Südosteuropas. In: Mainberger, Das Moordorf von Reute, Stauden 1998, 207-261. – J. Obereder et al., Die Metallfunde und die Metallurgie der kupferzeitlichen Mondseegruppe. Ein Vorbericht. Arch. Osterreich 4-2, 1993, 5-9.
Detailinventar 2004 – Erste vielversprechende Ergebnisse
Erste kleine, doch erfolgversprechende Schritte zu den eben umrissenen Themen [konnten im Frühjahr 2004 bei der genaueren Aufnahme von drei Siedlungen gemacht werden. In Weyregg II/Attersee, im Ausflussbereich des Attersees bei Seewalchen bzw. Kammer und in Scharfling/Mondsee konnten durch systematische Sondierungen mit einem Handbohrer und durch zwei, lediglich einen halben Quadratmeter große Grabungsschnitte erstmals äußerst wertvolle Aufschlüsse zur Schichterhaltung und Stratigraphie gewonnen werden.
Gut dokumentierte Profile aus den jungneolithischen Seeufersiedlungen Österreichs lagen bislang nur von Weyregg I und der Siedlung See vor [22]; alle übrigen Beobachtungen zur Schichtausdehnung und -mächtigkeit beruhten überwiegend auf Abschwimmaktionen, Handsondierungen und den Umriss- bzw. Detailvermessungen aus den Tauchuntersuchungen des Bundesdenkmalamtes.
- [22] J. Offenberger und S. Nicolussi, Tauchuntersuchungen der Abt. f. Bodendenkmale des BDA im Attersee und Traunsee. FÖ 20, 1981:223–244. – E. Ruttkay: Archäologisches Fundmaterial aus den Stationen Abtsdorf I, Abtsdorf II und Weyregg. FÖ 21, 1982:19–23. – J. Offenberger: Pfahlbauten, Feuchtbodensiedlungen und Packwerke – Bodendenkmale in einer modernen Umwelt. Arch. Austriaca 70, 1986:205–226. – R. Schmid: Palynologie , Stratigraphie und Grossreste von Profilen der neolithischen Station See am Mondsee, OÖ. Arch. Austriaca 70, 1986:277 ff.
Vor allem in Bezug auf diese darf man die Ergebnisse der vergleichsweise kurzen Einsätze von 2004 als positive Überraschung bewerten. Galten die Pfahlbaustationen von Weyregg II, Seewalchen und Scharfling seit mehreren Jahrzehnten als weitgehend zerstört, ausgebaggert und entsprechend „uninteressant“ – das heißt, deren aussagekräftige Kulturschichten als wenig bis kaum mehr vorhanden – so zeigte sich in beiden Aufschlüssen bzw. den Bohrungen eine mächtige Abfolge von ausgezeichnet konservierten, übereinander gelagerten Kulturschichtpaketen (Abb. 7 und 8). Unterbrochen sind diese Siedlungsreste von sterilen Seekreidelagen bzw. dünnen Schwemmschichten, welche als Anzeiger für eine zwischenzeitliche Transgression des Mond- bzw. Attersees zu beurteilen sind.
Abb. 7: Ostprofil von Schnitt 1 in Weyregg II (Zeichnung: Th. Reitmaier; Digitalisierung: C. Dworsky)
Abb. 8: Südprofil von Schnitt 2 in Scharfling (Zeichnung: Th. Reitmaier, Digitalisierung: C. Dworsky)
Durch diese mit sehr einfachen Mitteln und in geringer Zeit erarbeiteten Befunde wird sowohl der komplexe Aufbau der in der Jungsteinzeit mehrmals (!) bewohnten Strandplatten deutlich, was früher schon chronologisch trennbares Fundmaterial, aber auch die zum Teil riesigen Pfahlfelder und die hohe Pfahldichte veranschaulicht hätten. Zum anderen beweist es, wie wenig tatsächlich über die Dorfanlagen bekannt ist, trotz detaillierter Vermessungsarbeiten an der Seegrundoberfläche (Beispiel Scharfling). Nicht zuletzt sind ohne einen tieferen Einblick in den Seegrund und entsprechend exakte Nachweise für die Schichterhaltung auch manche Aussagen zur Erhaltung fragiler Fundgattungen wie Textilien und Geflechte, Holzobjekte und botanische und zoologische Reste zu relativieren [23].
- [23] Z.B.: W. Antl-Weiser und V. Holzer: Neue Ergebnisse der Pfahlbauforschung in Österreich. In: Plattform 4, 1995:8–19.
- Anm.: Die hier getroffenen Aussagen wurden später von Johann Offenberger als persönliche Kritik an den Leistungen seiner Person aufgefasst.
- Offenbergers Aufgabe und Kompetenz bestand grundsätzlich nicht in wissenschaftlichen Forschungen – im Gegenteil hatte er die denkmalpflegerischen Grundlagen für diese zu schaffen.
Dendrochronologische Grundlagenforschung
Neben diesen gezielten archäologischen Eingriffen stand im Frühjahr 2004 auch eine erste planmäßige Entnahme von Holzproben zur dendrochronologischen Datierung im Vordergrund, da datierte „Pfahlbauhölzer“ zurzeit nur aus der südalpinen Inselsiedlung im Keutschacher See vorliegen [24]. Aus den oben erwähnten Siedlungen Weyregg II, Seewalchen und Scharfling konnten insgesamt 44 Pfahlproben entnommen werden. Bereits unter Wasser wurde darauf geachtet, dass nur Pfähle beprobt werden, deren Holzart (Eiche, Fichte, Tanne, Esche), regelmäßiges Wachstum und ausreichende Jahrringanzahl sich für die dendrochronologische Untersuchung eignet.
- [24] O. Cichocki, Ein jungsteinzeitliches Dorf im See? Pfahlbauforschung im Keutschacher See. In: Gemeinde Keutschach am See (Hrsg.). Keutschach am See – Eine Chronik. Keutschach 2003, 11-26.
Es ist unbestritten, dass allein die Dendrochronologie eine exakte, d.h. jahrgenaue Einordnung und Abfolge der österreichischen Pfahlbausiedlungen mit ihren fantastisch erhaltenen Bauhölzern liefern kann. Im Ideal würde die Dendrochronologie wie bereits oben beschrieben dann auch das Herausarbeiten von Hausgrundrissen und Dorfstrukturen ermöglichen, was Grundbedingung für eine wissenschaftlich vertretbare Rekonstruktion wie dem geplanten Freilichtmuseum „Pfahlbaudorf Mondseeland“ wäre. Voraussetzung für zufriedenstellende Resultate ist die systematische Beprobung aller (!) verbauten Hölzer, um deren Art und Alter bestimmen zu können.
Da die dendrochronologischen Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind, seien an dieser Stelle exemplarisch acht Nadelholzproben aus Scharfling(Mondsee vorgestellt, die bereits im Labor für Dendrochronologie in Zürich bearbeitet wurden [25].
- Labor für Dendrochronologie der Stadt Zürich, Trivon Sormaz, Bericht 181. An dieser Stelle möchten wir dem Amt für Städtebau der Stadt Zürich, Fachstelle Unterwasserarchäologie/Dendrolabor, für die großzügige Unterstützung danken.
Die acht Pfahlproben – fünf davon sind Fichte (Picea abies), drei Weißtanne (Abies alba) – weisen ein individuelles Alter von 25 bis 150 Jahren auf und wurden im weiteren auch dendrochronologisch untersucht. Die analysierten Hölzer ließen sich untereinander nicht synchronisieren, weshalb keine Mittelkurve aufgebaut und keine absolute Datierung anhand des Vergleichs mit den bekannten Standardchronologien vorgenommen werden konnte. Die Proben sind zum Teil mit Wachstumsstörungen behaftet und weisen individuelle Wachstumstendenzen auf. Um solche Proben rein dendrochronologisch datieren zu können, fehlen (noch) die regionalen und artspezifischen Chronologien. Ein Datierungsversuch anhand der Korrelation mit mitteleuropäischen Eichenchronologien (Schweiz und Deutschland) ergab daher sehr unterschiedliche Möglichkeiten – keine davon konnte als sichere Dendrodatierung verifiziert werden, auch nicht mittels wiggle-matching.
Um den Datierungsspielraum einzuengen, konnten an drei Proben je eine Jahrringsequenz mit zehn Jahresringen (mit Waldkante) mittels 14C-AMS-Datierung bestimmt werden [26]. Die daraus gewonnenen BP-Daten wurden mit dem Programm Oxcal 3.9 berechnet [27], die entsprechenden Ergebnisse sind aus den Abbildungen ersichtlich (Abb. 9).
- [26] Die Proben konnten im Rahmen des Schweizerischen Nationalfondprojektes Nr. 1214-59365 absolut datiert werden.
- [27] Die Kalibration wurde mit dem Programm Oxcal 3.9 von Bronk Ramsey (Atmospheric data from Stuiver et al. 1998) berechnet.
Aufgrund der gewonnenen 14C-Daten ist somit eine Zuweisung ins 38. und 37. Jahrhundert v. Chr. wahrscheinlich, womit neben dem dokumentierten Profil auch die naturwissenschaftlichen Ergebnisse klar eine Mehrphasigkeit der Station Scharfling fassbar machen.
Trotz der vorerst ausbleibenden bzw. noch zu erwartenden endgültigen Resultate zeigt bereits die Analyse weniger Hölzer das hohe Potential der Dendrochronologie, und es gilt, noch weit mehr in diese Methode zu investieren und weiteres Probenmaterial zu entnehmen.
Der Vergangenheit eine Zukunft – Die Vergangenheit als Zukunft?
Die Pfahlbauten des Salzkammerguts sind zweifellos Kulturdenkmale von europäischem Rang. Wie nirgends sonst in Österreich sind hier vorgeschichtliche Siedlungen in großer Zahl unter Wasser ausgezeichnet konserviert und bieten alle Möglichkeiten umweltgeschichtlicher, bioarchäologischer und dendrochronologischer Forschung. Umso alarmierender ist es, dass ein großer Teil der Fundstätten erheblich gefährdet ist und bis heute nichts dagegen unternommen worden ist. Die Kurzinventarisation aller Fundstellen im Jahr 2003 und die daran angeschlossenen Detailuntersuchungen im heurigen Jahr haben in aller Deutlichkeit den aktuellen, mitunter erschreckenden Zustand des Kulturerbes unter Wasser, aber auch erste Erfolge auf mögliche Wege zum Erhalt dieser archäologischen Schätze aufzeigen können.
Gerade in einer Zeit stark eingeschränkter bis nicht mehr existierender finanzieller Möglichkeiten im kulturellen Bereich werden jedoch große Anstrengungen notwendig sein, die begonnenen Vorhaben konsequent weiterzuverfolgen und umsetzen zu können. Bedauerlicherweise erschwert auch die politisch stark veränderte Universitätslandschaft in Österreich Grundlagenforschung immer mehr. Aus diesem Grund sind vermehrt internationale Kooperationen vor allem auf EU-Ebene anzustreben, um Know-How, Ideen, Informationen und insbesondere Geldmittel besser ausschöpfen zu können. Die nationalen denkmalpflegerischen Einrichtungen haben die Grenzen ihrer Kapazitäten bedauerlicherweise längst überschritten und können ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Verantwortung nicht einmal annähernd gerecht werden.
Das Konzept eines Themenparks „Pfahlbaudorf Mondseeland“ zeigt, wie fruchtbar sich das Zusammenspiel von Wissenschaft und Tourismus erweisen kann und es bleibt zu hoffen, dass die Museumsidee weiterhin als perfekter Träger für einen Fortbestand der Forschung in den österreichischen Seeufersiedlungen fungieren kann. Dafür muss allerdings das gesellschaftliche Bewusstsein um die eigene Vergangenheit vor allem am Mond- und Attersee noch weiter gestärkt werden und das Interesse der österreichischen Archäologie an den Pfahlbauten wieder zu einem Pfahlbaufieber aufheizt werden.