Mährisch-österreichischen Baalberger Gruppe/Furchenstichkeramik

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Mährisch-österreichische Baalberger Gruppe/Furchenstichkeramik

Forschungsgeschichte: Über die Forschungsgeschichte der böhmisch-mährischen Trichterbecherkultur haben J. Driehaus (1959) und J. Preuss (1962; 1966) berichtet. Eine monographische Bearbeitung der mährischen Trichterbecherkultur liegt von A. Houst´ová (1960) vor. In Österreich wurde über die frühe Trichterbecherkultur meist in Zusammenhang mit dem Typus Retz gesprochen. Die von E. Neustupný, M. Zápotocký und A. Houst´ová vertretene Vierstufengliederung der mährischen Trichterbecherkultur wurde nach mährischen Höhensiedlungsstratigraphien und in Anlehnung an die nordische Chronologie von C. J. Becker ausgearbeitet. Stufe I wurde durch den Depotfund von Bozice beschrieben; Stufe II = Baalberge/Krepice, Stufe III = Breitstempelkeramik/Jevisovice C2, Stufe IV = Wirksamwerden der kannelierten Keramik/Jevisovice C1 und Gräber des Typs Ohrozim (Neustupný 1959; Zapotocký 1958b; Houst´ova 1960). Der Typus Retz, der auch Furchenstichkeramik beinhaltet, wurde bei der Gliederung des Jungneolithikums (älteres Äneolithikum) in Mähren öfter herangezogen. O. Seewald (1940) und nach ihm R. Pittioni brachten Retz mit der Trichterbecherkultur in Zusammenhang und datierten ihn älter als Baden (Pittioni 1954, 181f.). So auch Zapotocký (1956), der Retz den böhmisch-mährischen Baalberger Funden zufügte. J. Driehaus setzte den Retzer Fund wegen der Furchenstichkeramik mit der Schicht C1 von Jevisovice gleich, wo bereits die frühe Badener Kultur vertreten war, und meinte, dass entsprechende altertümliche, glatte Keramik wie in Retz noch in der Jevisovice C1 Schicht vorkäme. Driehaus wollte die Leistenverzierung der Baalberger Henkelkrug-„Attachen“ nicht als zwingendes Baalberger Merkmal anerkennen und stellte die Existenz der Baalberger Gruppe in Mähren überhaupt in Frage. Auch das Fehlen typischer Baalberger Gräber in Mähren unterstützte diese Konzeption. Die Stufen I und IV klammerte J. Driehaus aus: Bozice besäße deutliche Lengyel-Elemente und in Jesivovice C1 kämen Badener Elemente vor. Es blieb im Wesentlichen nur die Schicht C2 von Jevisovice, die als eine dem böhmischen Baalberge zwar verwandte, aber eigene „ältere mährische Gruppe“ angesprochen wurde. Sie sollte mit Pfyn, Altheim und dem mitteldeutsch-böhmischen Baalberge den jungneolithischen Nordalpinen Kreis bilden (Driehaus 1960a), dr unlängst gemeinsam mit Mondsee und Michelsberg der „breiteren“ Trichterbecherkultur zugerechnet wurde (Zapotocký 1986a).

Die neuvorgelegten Komplexe zeigen, dass die Furchenstichkeramik im mährisch-österreichischen Raum kein stufenbildendes Element ist (Medunová-Benesová 1964; Ruttkay 1971; Smíd 1981); sie lässt sich mindestens in zwei Horizonte gliedern (Medunová-Benesová 1986). In Österreich stellte sich heraus, dass die ausschlaggebende Komponente des Typs Retz nicht die Furchenstichkeramik (so Driehaus 1960; Lichardus 1976a,b; Dimitrijevic 1980), sondern die glatte Begleitware Baalberger Art (Ruttkay 1980) ist. Neue Untersuchungen von M. Smíd über die mittelmährischen Hügelgräbernekropolen ergaben eine kontinuierliche Belegung von der Baalberger Stufe (Trichterbecherkultur II) bis einschließlich kannelierter Keramik, allerdings mit unterschiedlichem Ritual (Smíd 1990). In Anbetracht der Kontinuität auch in der Keramiktypologie sollte die Benennung „Trichterbecherkultur Mährens“ aufgegeben und dafür die Bezeichnung „mährisch-österreichische Baalberger Gruppe“ verwendet werden. In Anlehnung an E. Pleslová-Stiková (1985; 1987) wird eine Zweiteilung in eine ältere (A) und eine jüngere (B) Stufe vorgeschlagen: Phase A1 – Bozice/Olgersdorf, Phase A2 – Brumovice/Pfaffstetten, Stufe B – Jevisovice C2, die allmählich in Baden übergeht (Ruttkay 1976a). Die ältere Furchenstichkeramik (Typus Retz) ist in der älteren Stufe, die jüngere (Typus Brünn-Lisen) in der Zeit der frühen Badener Kultur nachgewiesen (Nemejcová-Pavuková 1984, Abb. 11;4, 33:3). Die Furchenstichkeramik im nord- und süddanubischen Niederösterreich und in der Steiermark ist ohne verlässliche Datierung. Je zwei Grubeninhalte aus dem Wiener Stadtgebiet und aus Ossarn, VB St. Pölten wurden der südwestslowakischen gemischten Gruppe mit Furchenstichkeramik zugeteilt (Ruttkay 1981; 1988).

Verbreitung der Mährisch-österreichischen Baalberger Gruppe: Mittel- und Südwestmähren; Lockere Besiedlung bei Opava im Norden, Breclav im Südosten und um Brünn (Houst´ová 1960). In Österreich wurde ihr älterer Abschnitt im norddanubischen Niederösterreich vom Kamp bis zur March nachgewiesen (Ruttkay 1985a, Karte 5). Die Gruppe greift auch in die Südwestslowakei über (Nemejcová-Pavuková 1982b).

Gräber wurden in Österreich noch nicht gefunden. Aus Mittelmähren sind Brandgräber unter Hügeln seit längerem bekannt (Medunová-Benesová 1967), von Slatinky, Kreis Prostejov, Körpergräber von Kindern in Steinkisten unter Steinhügeln mit typischer Baalberger Keramik (Prudká 1978).

Siedlungen mit Siedlungsgruben, die auch Hüttenlehm enthielten, sowohl in Mähren (Poritluky, Pohorelice-Klasterka) als auch in Niederösterreich (Pfaffstetten, Steinabrunn) aufgedeckt (Medunová-Benesofá 1970; Unger 1980; Seewald 1940; Krenn 1939, 28). Ein vollständiger Hausgrundriss kam in der Südwestslowakei zutage (Nemejcobá-Pavuková 1982b).

Keramik: Vorherrschend ist eine mitteldicke, hartgebrannte Ware, Oberfläche oft geglättet und poliert, aber auch matte Oberflächen und Schlickrauhung; sparsame Verzierung aus aufgesetzten Warzen und Leisten als senkrechte, kurze Stäbe, oder in U- und V-Formen meist an der Schulter der Trichterbecher, aber auch an Schüsseln und großen Trichterrandgefäßen. Quastenartig hängende oder verkehrt v-förmige Leisten als Henkel-„Attachen“ an Krügen. Glatte Randleisten und Arkadenränder sind an Großgefäßen angebracht.
Formen der Phase A1 werden gut repräsentiert durch die geschlossenen Komplexe von Bozice (Zapotocký 1957) und Olgersdorf (Ruttkay 1971); Trichtertopf, auch mit länglichen Einstichreihen am Rand, zweihenkelige Amphore, viehenkelige Amphore und Amphorenformen mit unterschiedlicher Henkelanzahl, profilierter Topf mit verzierter Randleiste, Ösenkranzflasche, „Butte“, Fußschüssel und Krug. Die Funde von Olgersdorf ergänzen dieses Inventar durch Vorratsgefäß mit kurzem Trichterhals und Arkadenrand und mit Furchenstich verzierte Henkeltasse. Bis auf die Ösenkranzflasche sind die hier erfassten Formen in der weiteren Entwicklung der Mährisch-österreichischen Baalberger Gruppe anzutreffen. Als autochthones Element ist der Krug anzusprechen (Ruttkay 1987b). Michelsberger Einschlag ist die Ösenkranzflasche (Lüning 1968a, 160) und möglicherweise auch das Vorratsgefäß mit Arkadenrand. Die tierpfotenähnliche Henkelbildung der zweihenkeligen Amphora wurde von der einheimischen Jordansmühl/Bisamberg-Oberpullendorf-Formung übernommen und zeigt, dass die beiden Komplexe und die hier erfassten Formen nicht älter als die Epilengyelzeit eingestuft werden dürfen. Die „Butte“ der Phase A1 ist auch eine Epilengyelform.
In der Phase A2 werden die Typen der Phase A1 modifiziert weitergeführt. Die Phase wurde durch Grubeninventare von Brumovice (Pavelcik 1963), Kramolin (Kosturik 1976), Pritluky (Medunová-Benesová 1970) aus Mähren und von Retz, Pfaffstetten und Steinabrunn aus Niederösterreich (Ruttkay 1980) dargestellt. Trichterbecher und Trichtertopf, zweihenkelige und vierhenkelige Amphore, Krug, Vorratsgefäß, hohe Trichterrandschüssel, Schüssel mit eingezogenem Rand und mitunter Zungenbuckel, unverzierte, weichprofilierte Henkelschale mit hochgezogenem Bankhenkel, in Mähren auch Kragenflasche. Flache doppelkonische Spinnwirtel, ovale Tonlöffel mit Zapfenstiel oder Griffzunge sind die wichtigsten Tongeräte, Schüsseln und Henkelschalen sind Epilengyel-Formen (Pavelcik 1974, Abb. 6:2,3,6; 7:10). Die Epilengyel-Reminiszenzen bedeuten, dass Phase A1 und Phase A2 zeitlich unweit voneinander liegen. Die erhöhte Bedeutung des glatten Leistenschmuckes in der Phase A2 fällt auf. Ein Krug aus Slatinky-Kosir hat eine Scheibenhenkel-„Attache“, die weiträumige Zusammenhänge andeutet.
Furchenstichkeramik tritt in Siedlungsgruben gemeinsam mit Keramik der älteren Stufe der Mährisch-österreichischen Baalberger Gruppe auf; auch in einer Kulturschicht in Mähren, Laskov-Rmiz, ist sie mit Scheibenhenkelfragment vergesellschaftet (Smíd 1981). Durch furchenstichverzierte Fragmente sind zwei Typen belegt, der Krug und die Henkeltasse mit hochgezogenem Bandhenkel. Letztere liegt in drei Formen vor: als halbkugelige Tassen mit rundem Boden (Taf. 61:1), mit kugeligem Unterteil und zylindrischem Hals (Taf. 61:2) und mit spitzem Boden und trichterförmigem Hals.
Zur Phase B können zunächst die Keramikformen der Trichterbechergräber des Typs Ohrozim gezählt werden, wie der Trichterbecher mit Leistenschmuck, die Trichterrandschüssel, die zweihenkelige Amphora (gelegentllich auch mit zwei randständigen Henkeln) und der „Pfahlbautopf“ (Taf. 61:13), der oft als Urne diente (Medunová-Benesová 1967). Die Siedlungskeramik der Phase B aus der Schicht Jevisovice C2 (Medunová-Benesová 1981a) der Mährisch-österreichischen Baalberger Gruppe ist vielfältig: Trichterbecher, zweihenkelige Amphore, vierhenkelige Amphore, selten Krug (Taf. 61:12) (ein Exemplar mit kennzeichnender Breitstempelverzierung), Trichterrandschüssel, vierhenkeliger Trichterrandtopf, rundbodige Henkeltasse, Fußschüssel. Neue Keramiktypen sind der „Pfahlbautopf“/doppelkonischer Topf, der anscheinend die Stelle des Großgefäßes/Vorratsgefäßes einnimmt; seine Randleiste ist variationsreich mit Fingertupfen, Einstempelungen, Kerben verziert; es kommen auch mehrzeilige Kerbleisten vor. Vier unterrandständige, symmetrisch verteilte längliche, runde oder spitze aufgesetzte Knubben, zwei gegenständige oder unterrandständige Henkel sind oft belegt, kleine Ösengefäße, konische und kalottenförmige Kleingefäße, tonnenförmige Henkelbecher und Trommel. Die wichtigsten Tongeräte sind Spule, Spinnwirtel verschiedener Formen, auch verziert, ovale Tonlöffel mit Zapfenstiel und kleine Tongewichte (Taf. 61:6,11). Die Bedeutung des glatten Leistenschmucks tritt zurück, dafür gewinnen ovale, runde und spitze Knubben, Warzengruppen und Warzenbesatz an Wichtigkeit. Schlickrauhung wird weiterverwendet. Breitstempelverzierung tritt auf. Gekerbte, getupfte, gestempelte Randleisten sind vielfach nachgewiesen. Epilengyelelemente sind kaum wahrnehmbar (anders Nemejcová-Pavuková 1979b). Typologische Gemeinsamkeiten mit der Salzmünder Gruppe (“Pfahlbautopf“, Trommel) fallen auf.

Steingeräte: zunächst nur aus Phase B bekannt: kleine Rechteck- und Ovalbeile, Knaufhammer- und Rundnackenaxt aus Felsgestein, Schaber und Spitzen aus Silex sowie Schleifsteine aus Sandstein.

Knochengeräte: Spitzen mit oder ohne Gelenkenden kommen bereits in der Phase A2 vor. Die Siedlung Jevisovice C2 lieferte viele Knochengeräte, darunter Doppelspitzen, Doppelmeißel, einfache Spitzen, Spitzen mit Gelenkenden, Geweihflachhacken und Geweihmeißel.

Schmuck: Gelochte Scheibe aus Muschelsubstanz und Tierzahnanhänger sind registriert.

Kupfer: kleines Kupferdrahtstückchen aus einer Siedlungsgrube von Steinabrunn, Niederösterreich (Taf. 61:7).

Kult: Miniaturäxte aus Ton, Tonhörner.

Kullturell-chronologische Einordnung: Die Mährisch-österreichische Baalberger Gruppe schließt sich mit dem Großteil ihrer Keramiktypen an die zwei Hauptstufen der böhmischen Baalberger Gruppe an: älteres (A) und jüngeres (B) Baalberge. Ihre älteste Phase (A1) stand nicht mit der einheimischen bemalten Keramik, sondern mit Epilengyel in Berührung. Typologisch kann sie gut auch mit der ältesten Phase der polnischen Trichterbecherkultur, Phase Sarnowo (Wislanski 1979, 176, Abb. 90) und mit Michelsberg (Lüning 1968a, 160) verglichen werden. Westliche/südwestliche Elemente (Michelsberg) in der ältesten Phase der Mährisch-österreichischen Baalberger Gruppe zeigen Gemeinsamkeiten mit Böhmen (Pleslová-Stiková 1987, 401). Phase A1 kennt bereits die Furchenstichkeramik.
Die Phase A2 ist mit dem böhmischen Baalberge der Besiedlungsphasen I und II von Slánská hora gleichzeitig. Durch Scheibenhenkel (Kramolin, Slarinky-Kosir, Krepice, Laskov-Tmiz; Tuttkay 1985a; Medunová-Benesová 1986, Taf. 9:5; Smís 1981) ist diese Phase auch mit der mitteldeutschen Baalberger Gruppe zu parallelisieren (vierhenkelige Amphore mit Scheibenhenkeln von Braunsdorf; Preuss 1966, Taf. 15:1). Obwohl die Forschung für das mitteldeutsche Baalberge keine einheitliche Gliederung erzielen konnte (Raetzel-Fabian 1986, 70f.), ist die relativchronologische Position des Braunsdorfer Fundes einhellig ausgesprochen (Preuss 1980, 21-23; Lichardus 1976a, 293). Die Mährisch-österreichische Baalberger Gruppe in der Phase A2 kann mit der entwickelten mitteldeutschen Baalberger Gruppe in zeitliche Relation gestellt werden. Darüber hinaus verbinden Scheibenhenkel die oben angeführten Gebiete mit den scheibenhenkelführenden Gruppen des östlichen Karpatenbeckens, mit spätem Bodrogkereszúr, Laznány, Vajska, Hunyadihalom, Episalcuta und auch mit der gemischten Gruppe mit Furchenstichkeramik der Südwestslowakei. In geschlossenen Komplexen der Phase A2 ist die ältere jungneolithische Furchenstichkeramik nachgewiesen. Die Stufe B der Mährisch-österreichischen Baalberger Gruppe ist mit Jevisovice C2 gleichzusetzen. In dieser Stufe finden sich Elemente der Salzmünder Gruppe.
In Niederösterreich konnte die Keramik dieser Zeit noch nicht mit Sicherheit erfasst werden, sie steht aber in klarem Zusammenhang mit der der „breiteren“ Trichterbecherkultur zugeteilten oberösterreichischen <bigMondsee-Gruppe.
Die Dauer der Mährisch-österreichischen Baalberger Gruppe wird durch unkalibrierte 14C-Daten mit 3030-2730 b. c. angegeben (Pleslová-Stiková 1987).