Kaukasus: Teil C. Bronzezeit.
Kaukasus C. Bronzezeit
Quelle: → Kaukasus. C. Bronzezeit. Reallexikon der Vorgeschichte VI: 1926:264–267.
Kaukasus C. Bronzezeit (Tf. 75, 105 a). § I. Man kennt im K. große und mannigfache Grab- und Schatzfunde aus der BZ. Bis jetzt fehlt es aber an einer systematischen Zusammenfassung: die Funde sind nur z. T. publiziert, und eine strenge topographische und chronol. Gruppierung derselben ist nicht unternommen worden. Auch eine Stilanalyse fehlt bis jetzt. Es gibt nur Ansätze dazu. Hier ist es nur möglich, einzelne Hauptzüge der kaukas. bronzezeitl. Kultur anzuführen. Sie müßte in engem Zusammenhang mit den vorderas., ungar. und uralaltaischen Bronzekulturen behandelt werden, da sie gewissermaßen einen Knotenpunkt dieser Kulturen bildet und in der Zukunft wohl bei der Erklärung ihrer gegenseitigen Verbindungen von allergrößtem Wert sein wird.
§ 2. Die allg. Entwicklung der kaukas. BZ scheint eine einheimische gewesen zu sein, wobei der S des Gebietes unter stärkerem vorderas. Einfluß gestanden hat als der N. Den Anfang dieser Kultur finden wir in der reichen Kubaner Kupferzeit (s. Kuban), wo figurale Darstellungen auf den Gefäßen eine wichtige Rolle spielen. Zoomorphe Ornamente und plastische Tierfiguren sind dann in der eigentl. bronzezeitl. Kultur des K. bis zum Anfang der EZ vorherrschend. Die Arbeitsgeräte, die Gürtelbleche, die Schmuckgegenstände, die Tongefäße nehmen Tierformen an oder sind mit Tierfiguren versehen. Meistens sind die Tiere sehr stilisiert. Jedoch kann man drei Tiere unterscheiden, den Hund, den Hirsch und den Widderkopf mit breit ausgestreckten Hörnern. Der Löwe, welcher in der vorderas. Kunst so häufig ist, fehlt in der kaukas. BZ. — Pflanzenmotive sind unbekannt. Geometrische Motive erscheinen selten, doch kommen ausgezeichnete Spiralverzierungen vor, zum großen Teile eingepunzt oder eingraviert. Die technische Ausführung der Ornamente steht in der BZ kaum irgendwo höher als hier.
Die vertieften Ornamente sind oft mit Grubenemail versehen, zu welchem verschiedene Farben benutzt worden sind. Diese koloristische Ornamentierung, welche zum erstenmal in der Kobaner Zeit (s. Koban; Band VII Tf. 6, 7) verwendet wird, lebt dann auch später in dem vorderen Orient fort. Im K. wird in der Übergangszeit das Email (s. d. A) durch Eisen ersetzt: letzteres benutzt man zu Inkrustationen, auf Gürtelagraffen, Schwertknäufen, Dolchklingen usw.
Menschen werden viel seltener als Tiere dargestellt. Doch sind allgemein plastische männliche Figuren mit großen aufrecht gestellten Händen, oder häufig in Verbindung mit einem Hirsch oder Widderhörnern. Sie können phallistisch sein, mit einem Hammer in der Hand versehen (Schatz von Kazbek) und dürften Götterbilder darstellen (Tf. 105 a).
§ 3. Gegenstände, welche auf kupferzeitl. Formen zurückgehen, sind Schaftlochäxte und Dolche von Kobaner Typen, runde, bombenförmige Tongefäße, Flachäxte mit seitlichen Zapfen. Aber der Formenschatz wird mit der Zeit größer. Ungemein häufig sind die verschiedensten Anhängsel und Amulette, darunter oft kreuzförmige, und Armbänder, welche häufig in auswärtsgebogenen Spiralen enden. Nadeln sind allgemein, mit spaten- oder brillenspiralförmigen Köpfen. Anderseits sind aber Tüllenäxte, mit zwei Ausnahmen, durch die ganze BZ unbekannt. Schwerter fehlen im n. K. Fibeln kommen erst gegen das Ende dieser Periode vor. Es sind reine Importstücke, sog. Bismantova-Fibeln (s. Fibel B § 3; Band III Tf. 108 Abb. 123).
Sehr charakteristisch sind die Gürtel. Im n. K. sind sie aus Leder, mit reich ornamentierten Agraffen aus Metall versehen. Im S bestehen die Gürtel vollständig aus Bronze, mit prachtvollen gravierten oder getriebenen Bildern.
§ 4. Die Gräber sind Skelettgräber. Die unterirdischen Steinkammern in Koban (s. d.) erinnern an die kupferzeitl. Kubaner (s. d.) Gräber und Dolmen. Noch in Talyche, auf den beiden Seiten von Lenkoran, sind Gräberfelder mit solchen unterirdischen Individual- oder Kollektiv-Megalithgräbern gefunden worden. Diese Gräber sind Reihengräber. — Die Gräber in Redkin-Lager sind auf drei Seiten mit Steinplatten und mit einem ähnlichen Dach versehen. Die vierte Seite ist aber offen und durch einen Steinhaufen geschützt. Steingeröll umgibt auch die aus Steinplatten bestehenden Grabwände. Der Tote liegt oft in Hockerstellung. In Samthavro ist das Schachtgrab mit einer kreisförmigen Steinpackung ohne Kiste versehen, und das Dach bildet gewissermaßen eine “Kuppel ohne Zement“.
§ 5. Der K. und Armenien sind sehr metallreich: hier wird Kupfer, Blei, Eisen, Silber, auch Gold, zwischen Trapezunt und Lenkoran im n. Armenien am Corok, Dilidja, Catach und Araxes gewonnen. Es ist möglich, daß dort die älteste Eisengewinnung vor sich gegangen ist. Die Gruben lieferten auch den Assyrern und Hettitern das Metall, wie später den Griechen. Durch diesen Metallreichtum erklärt sich die kulturelle Vorzugsstellung dieses Gebietes in alter Zeit. Anderseits sicherte die Schwerzugänglichkeit des Berglandes ihm eine selbständige Kulturentwicklung.
§ 6. Die wichtigsten Gräberfelder sind auf der Karte Tf. 75 angeführt. Die berühmtesten Fundstätten sind: Koban (s. d.) um 1300—900 v. C., die gleichzeitigen oder etwas späteren Gräberfelder in Redkin-Lager (an der Akstafa unweit der Stadt Belisan), Kazbek (in Georgien), Aul-Atasukin (Kobarda), Seitan-Tag, Achtala und Uts-Kilissa (in Armenien). — Ein wenig jünger dürfte das Grabfeld in Samthavro oder Mzchet sein, jedenfalls seine „obere Etage“. Vielleicht noch jünger ist Mussi Jery in Armenien. Bronzezeitl. sind die von Roessler untersuchten Gräber in der Nähe von Elenendorf.
Große Sammlungen kaukas. Bronzen besitzen folgende Museen: Hist. Museum in Moskau, das Museum zu Tiflis, das Musée St. Germain-en-Laye in Paris, das Museum für Völkerkunde (Virchow-Sammlung) in Berlin, das Naturhistorische Museum (Heger- Sammlung) zu Wien.
§ 7. Die Träger der kaukas. BZ-Kultur waren wohl die sog. kaukas. Völker (s. d. B), welche mit einer gemeinsamen herodoteischen Benennung Alarodier oder auch Japhetiten genannt werden. Um ca. 1000 v. C. wohnten im S die Chalder, die alle Alarodier im Bündnis gegen Assyrien vereinigten, aber später besiegt wurden. Dann wurde der assyr. Einfluß hier bedeutender. Diese Zeit gehört schon dem Eisenalter an, das hier nicht näher behandelt werden kann.
Literatur: E. Chantre Recherches anthropologiques dans le Caucase I — IV (1885—1887); Materialien Arch. Kaukas. 8 (1900) P. S. Uvarov; R. Virchow Über die kulturgeschichtliche Stellung des Kaukasus Abh.Preuß. Ak. 1895; ders. F. Bayerns Untersuchungen ZfEthn. 17 (1885) Suppl.; J. Morgan Mission scientifique au Caucase I — II (1889); W. Belck Archäologische Forschungen in Armenien ZfEthn. Verh. 1893 S. 64; Wilke Archäol. Parallelen aus dem Kaukasus ZfEthn. 1 904 S. 39 ff.; B. Farmakovskij Archaüeskij period Materialien Arch. Rußl. 34 (1914); Rev. Arch. 1920 S.1 ff. M. Rostovcev; A. Miller Izobrazenija sobaki v drevnostjach Kavkaza Izv´estija d. Akad. d. Gesch. d. Mater. Kultur 2 (1922).
A. M. Tallgren