Georgenberger Handfeste - deutsche Übersetzung

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OÖUB 2: Artikel CCLXXII.

1186. 17. August. Auf dem St. Georgenberg bei Enns. — Otaker, Herzog von Steiermark, beurkundet den mit Herzog Leopold von Oesterreich ahgeschlossenen Vertrag wegen des Anfalls der Steiermark an Letzteren.

(Quelle: OÖ Urkundenbuch 2, Seite 399: https://archive.org/details/urkundenbuchdes06frangoog/page/398/mode/2up )

Im Namen der Heiligen Dreifaltigkeit und der Unteilbaren Einheit!

Otakar, Herzog von Steir, an alle Christgläubigen in Ewigkeit.

Durch gött!iche und menschliche Gesetze werde ich belehrt und durch die Anleitung der eigenen Natur erinnert, auf das Wohl der Unsrigen bedacht zu sein, und für deren Wohlfahrt sowohl jetzt, als auch für die Zukunft Vorsorge zu treffen. Denn das Leben des Menschen, des Reichen wie des Armen, geht ungewiss und unbeständig vorüber, und daher soll jeder vor dem Tode überlegen, was, wem und wie beschaffen er das hinterlasse, was er nach dem Tode nicht zu behalten vermag. Weil nun Gott in der alleinigen Würdigung seiner Barmherzigkeit zuerst unseren Eltern, dann Uns an Leuten und Gütern hohe Auszeichnng zugeteilt hat, bedrängt uns eine nicht geringe Sorge, da wir keinen Leibeserben haben, wem all unser Eigen zum Erbteile werden sollte. Daher haben Wir mit unseren vorzüglichen Ratgebern gemeinsam entschieden, den sehr edlen, sehr gestrengen und sehr getreuen Herzog Leopold von Österreich, unseren Blutsverwandten, zu unserem Nachfolger zu bestimmen, falls wir ohne leibliche Erben abtreten sollten. Dessen Land grenzt an das Unsere und so können beide Länder unter dessen Frieden und Führung leichter leben und regiert werden. Da Wir Herzog Leopold uns gegenüber als sehr freundschaftlich gesinnt halten, so vertrauen Wir darauf, dass er sein Leben lang nicht Übles gegen uns und die Unsrigen unternehmen werde. Damit jedoch keiner seiner Nachfolger, entgegen der väterlichen Sitte, gegen unsere Ministerialen und Landleute gewissenlos oder grausam sich verhält, so haben wir beschlossen, die Rechte der Unsrigen auf ihr Verlangen durch schriftliche Urkunden festzustellen. Wir setzen daher zuerst fest: Wenn uns der genannte Herzog oder dessen Sohn Friedrich, denen wir unser Eigen zugewiesen haben, werden überlebt haben, so soll derjenige, welcher Österreich besitzt, auch das Herzogtum Steiermark regieren, ganz und gar unangefochten darüber von seinen übrigen Brüdern. Derselbe Herzog soll auch die Patronate der Kirchen, die Vogteien der von Unseren Eltern gegründeten Klöster ohne Untervögte in ihrer eigenen Hand behalten. Die Herrschaften, die Burgen, Grund und Boden, die Dienstleute soll er vollständig besitzen; falls es geschieht, dass auf Bitten der Eltern wegen eines größeren Vorteils einer von mehreren Söhnen anderswohin eingesetzt werde, so soll das mit gnädiger Erlaubnis des Herrn geschehen. Wer immer von Steier oder Österreich eine Ehe schließt, so soll das Recht jenes Landes gelten, in dem sie wohnen. Wenn ein Steirer ohne Testament abgeht, so soll der nächste Verwandte erben. Ist zwischen Steirern Hader oder Streit entstanden, so soll darüber nicht durch einen Kämpfer, sondern durch das Zeugnis fester und erprobter Männer entschieden werden. Wann immer Klage über Güterbesitz geführt wird, so sollen diese Fragen vor den Richtern ausgetragen werden, nach getreuem Zeugnis erprobter und glaubwürdiger Zeugen. Bei Lehengütern soll für Steirer ohne Söhne das Heimfallrecht nicht gelten, sondern die Lehensträger sollen ihre Lehen auch den Töchtern hinterlassen dürfen. Alle von anderen Herren erworbene Lehen, wenn sie vom Herzog von Österreich ins Eigentum erworben worden sind, soll dieser demjenigen nicht wegnehmen, welcher sie nach Lehenrecht besitzt.

Von all den Gütern, die wir nach unserem Abgang dem Herzoge von Österreich zugedacht haben, geben wir auch etwas unseren getreuen Ministerialen und Hörigen und dies soll in voller Kraft bleiben. Jeder steirische Ministeriale mag einem anderen Steirer seine Güter ungehindert verkaufen oder auch umsonst zueignen. – Gleicherweise soll einer, der dem Laienstande entsagen und von seinen Renten etwas Gott opfern will, der soll dieses mit unserer Zustimmung an die unten benannten Klöstern tun können, nämlich an: Traunkirchen, Garsten, Gleink, Admont, Sekkau, Vitring, St. Paul, Ossiach, Rain, St. Johannisthal, Seitz, Vorau, Hospital in Cerewalde, Lambach, Vormbach, St. Lambrecht, – von denen einige unsere Großeltern und Eltern gestiftet, allen aber in vielen Dingen behilflich gewesen sind. Wem der Unsrigen eine Klage durch einen gerechten Spruch von Uns nicht entschieden worden ist, der darf dieselbe Rechtssache vor dem Herzog von Österreich erneuern. Unsere Truchsesse, Mundschenken, Kämmerer und Marschälle sollen jeweils mit den ihnen Untergeordneten dem in das Land Steier eintretenden Herzog von Österreich die Ämter und Dienste nach der Art und Weise leisten, wie sie unseren Eltern gedient haben. Zieht der Herzog an den Hof des Kaisers, oder geht er auf einen Heerzug, so haben die genannten Ministerialen zu gleichen Wochen, zu gleichen Tagen und zu gleichen Kosten ihr Amt zu leisten, wie es die `Ministerialen von Österreich´ tun. Von jenen Beunruhigungen und Anforderungen (Steuern, Abgaben), von welchen wir erfahren haben, dass sie von den Beamten in Österreich verlangt werden, wollen wir unser Land, wie es bisher gehalten wurde, verschont wissen. Wer auch immer nach Uns die Herrschaft haben wird, der soll gegenüber unseren Klosterleuten, Ministerialen und Landsleuten diese auf deren Bitten niedergeschriebene Anordnung ehrlich beachten. Sollte er jedoch unter Verzicht auf Mäßigung nicht milde herrschen, sondern sich einem Zwingherrn gleich gegen die Unsrigen erheben, so sollen sie die Freiheit haben, des Kaisers Hof anzurufen und anzugehen und durch diese schriftliche Handfeste vor den Reichsfürsten ihr unverbrüchliches Recht zu fordern.

Dieses ist geschehen im Jahr der Menschwerdung des Herrn Eintausend Einhundert Sechs und Achtzig, am 17. August auf dem St. Georgenberge bei der Stadt Enns. Zur Zeugenschaft wurden herbeigerufen und sind anwesend, hörend und zusehend gewesen, die hier namentlich angeführt werden: Konrad Graf von Pilstein, Sifrid Graf von Morlen, Heinrich und Sighard Grafen von Skalach, Sifrid und Otto von Liebenau, Liupold und Heinrich von Plaien, Konrad von Dormburg, Albrecht und Alram von Chambe, Ernhard von Hagenau, Wernhard von Schowemberg, Egilbert von Planchinberg, Hademar von Chusarn, Wenhard von Grießbach, Friedrich von Perg, Eggebrecht von Pernegg, Otto Graf von Klamm, Otto von Lengimbach, Heinrich Pris, Albrecht von Wihstberg, Liutold von Gutenberg, Konrad und Rudolph von Kindberg, Wichart von Karlsberg, Rudolph von Vinece, Eberhard von Erlach.

Überdies fügen wir noch bei: Wer immer von den Unsrigen auf seinem Grund und Boden eine Kirche erbauen will, der mag sie erbauen, oder einer Pfarre eine Spende tun will, der mag diese Spende tun.

Bei der Tafel sollen die (Hof-) Kapelläne und unsere Geistlichen den Platz neben uns einnehmen, so wie sie diesen schon von unserem Vater gehabt haben, und wir verbieten es, sie durch den Marschall von ihren Herbergen zu vertreiben.

Dieses ist vollbracht worden zur Zeit des Kaisers Friedrich und des Salzburger Erzbischofs Adalbert.