Freihändiger Verkauf der Kunstgegenstände, Bilder, Antiquitäten aus dem Schloss Kammer

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"Das Wetter war am Samstag ganz unbeschreiblich schlecht. Über dem Attersee lagen schwere Nebel, die jeden Ausblick verhinderten, es schneite ohne Unterbrechung, die Wege und Straßen waren nahezu grundlos. Da die Fenster nicht schlossen, so blies ein eisiger Zugwind durch die Zimmer des Schlosses, der den Aufenthalt recht ungemütlich gestaltete. Trotz der Nässe und der herrschenden intensiven Kälte hielt das kauflustige Publikum vom frühen Morgen bis in die sinkende Nacht hinein aus; am Samstag wurde der freihändige Verkauf erst um 7 Uhr abends geschlossen. Die erzielten Preise übertrafen alle Erwartungen, besonders lebhaft wurde nach den Gemälden gefragt. Das sehr interessante große Bild der Herrschaft Kammer aus dem Jahre 1622 erstand ein Linzer Kunstfreund. Eine Abbildung davon war seinerzeit in der Unterhaltungsbeilage der "Tages-Post". Es ist ein Schloss dargestellt, das noch ganz vom Wasser umgeben ist. Eine Anzahl von Kavalieren belustigt sich an einer Hirschjagd, am See schaukelt eine Prunkgondel, die von Herren und Damen erfüllt ist. Das Bild ist nicht nur kulturgeschichtlich sehr interessant, es ist auch von nennenswertem künstlerischen Wert, da nicht nur der landschaftliche, sondern auch der figurale Teil vorzüglich gemalt ist. Die Stadtgemeinde Vöcklabruck hat lebhaft bedauert, dass ihr dieses Objekt entgangen ist; man mag zufrieden sein, dass es nicht in das Ausland gewandert musste. Der genannte Linzer Kunstfreund ist ein eifriger Sammler der Obderennsia, das Gemälde befindet sich daher in den besten Händen und ist vorläufig jede Gefahr ausgeschlossen, dass es je außer Landes kommen könnte. Von den Porträts wurden am ersten Tage bereits eine ganze Anzahl verkafut, die Gemahlin des Kaisers Matthias, ein effektvolles Dekorationsbild, erzielte gleich im ersten Anlauf eine dreifache Steigerung des Schätzungswertes, ähnlich erging es den anderen Bildern. Die Majoliken, unter welchen sich einige gute Delfter Stücke befanden, wurden nur in einer geschlossenen Partie weggegeben. In dieser Kollektion befanden sich zahlreiche ganz wertlose Objekte: angeschlagene Gläser und Flaschen, Blumenvasen, Kaffeeschalen ohne Untersatz und Henkel, zerbrochene Porzellanfigürchen usw. Das alles musste der Ersteher für welchen doch nur die Delfter Schüsseln einen Wert haben konnten, mit in den Kauf nehmen. Hohe Preise erzielten die zahlreich vorhandenen kleinen Schränkchen, welche sehr begehrt waren. Das beste Stück darunter, ein Kabarett mit eingelegten Ornamenten und einer bemalten Umrandung, welches aus dem Ende des 16. Jahrhunderts stammt, ging nach hartem Kampfe in die Hände des erstehers des Kammer-Bildes über; auch dieses schöne Objekt, das beste aus dem ganzen Khevenhüllerschen Nachlass, bleibt daher im Lande. Die sehr schlechte Zugverbindung, die im Winter zwischen Kammer und Vöcklabruck herrscht, brachte es mit sich, dass die heimkehrenden Wiener und Linzer den 10-Uhr-Zug benutzen mussten, der um Mitternacht in Linz ankommt. Die Tramway war bald von Fahrgästen überfüllt, fast jeder trug irgendein Bild, ein kleines Möbel oder dergleichen mit sich, so dass der Wagen der Elektrischen ganz den Eindruck eines rollenden Trödlerladens machte. An den verschiedenen Haltestellen verließen die Ersteher der einstigen Khevenhüllerschen Herrlichkeiten den Wagen und man sah im Lichte der Straßenlaternen die Ahnenbilder des gesamten Hauses, welche durch Jahrhunderte schier unzertrennlich beisammen gewesen sind, im Dunkel der Straßen verschwinden. Die Gläubiger, auf deren Wunsch der freihändige Verkauf durchgeführt wurde, können mit dem erzielten Erfolg vollauf zufrieden sein. In erster Linie danken sie das unerwartet günstige Resultat den Bemühungen des Herrn Gerichtsadjunkten Doktor Strohschneider, der alles aufgeboten hat, für den Verkauf Stimmung zu machen, nicht minder aber dem Herrn Bezirksgerichts-Kanzlisten Jetzinger, der mit unerschütterlicher Ruhe und mit nie ermüdender Geduld in liebenswürdiger Form den Verkauf leitete. Der Herrschaftstrakt des Schlosses Kammer ist jetzt vollkommen ausgeräumt, nichts als die kahlen Wnde ist zurückgeblieben. Von dem Verkauf ausgenommen war nur die Schlosskapelle, diese ist vollkommen intakt geblieben, sie enthält jedoch, mit Ausnahme einer in Lindenholz geschnitzten und gefassten Pietà, keinen nennenswerten Kunstgegenstand. Auch die Messgewänder sind nicht zur Feilbietung gekommen, eventuelle kirchliche Funktionen erleiden daher keine Störung." (Linzer Tages-Post, 19. März 1908)