Dworsky 2009, Cyril: Die Pfahlbauten im Attersee – mehr Fragen als Antworten?

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Dworsky 2009, Cyril: Die Pfahlbauten im Attersee – mehr Fragen als Antworten? In: Schörflinger Streiflichter: Rückblicke – Anblicke – Einblicke. Festschrift zum 50jährigen Bestehen des Vereines für Heimatpflege und Urgeschichte Schörfling. Schörfling 2009:19–28.

Festschrift zum 50jährigen Bestehen des Vereines für Heimatpflege und Urgeschichte Schörfling

Herausgegeben vom Verein für Heimatpflege und Urgeschichte Schörfling in Zusammenarbeit mit dem OÖ Volksliedwerk durch Klaus Petermayr und Franz Xaver Lösch


Einleitung

Die Betreiber des Pfahlbaumuseums von Unteruhldingen am Bodensee setzten sich vor einigen Jahren ein ambitioniertes Ziel: Auf jede Frage zur Vergangenheit Europas eine Antwort zu finden, soweit sie durch die Archäologie beantwortet werden kann. [1] Das Projekt erarbeitete eine Fülle an kurz gefassten und prägnanten Antworten auf Fragen, die durchwegs von Museumsbesuchern und von Besuchern der Museums-Internetseite gestellt wurden. Obwohl bisher alle gestellten Fragen beantwortet wurden und für Seeufersiedlungen sehr günstige Fundbedingungen gelten, stellen diese Antworten nur Ansätze dar und für die meisten der Fragen gilt aus österreichischer Sicht auch heute noch der Befund Kurt Willvonseders aus den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts, der wie folgt lautet: „Es fehlen uns die grundlegenden Anhaltspunkte.“ [2]

[1] http://www.pfahlbauten.de/delphi/.

[2] Willvonseder, Kurt: Die jungsteinzeitlichen und bronzezeitlichen Pfahlbauten des Attersees in Oberösterreich (Mitteilungen der Prähistorischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Bd. 11 und 12). Wien 1963–1968.

Dennoch ist es spannend, in wenigen Worten auf vier der häufigsten Fragen einzugehen. Die Beschränkung auf diese soll eines klar verdeutlichen: einerseits können wir trotz der wenigen wissenschaftlichen Untersuchungen im Bereich der österreichischen Seeufersiedlungen bereits zum gegenwärtigen Forschungsstand erstaunliche Details aus dem Leben in der Jungsteinzeit geben und manche Theorie erstellen [3], andererseits zeigen Vergleiche mit den viel umfangreicheren Erkenntnissen aus Siedlungen der Schweiz, Deutschland, Frankreich, Italien und Slowenien deutlich das hierzulande unausgeschöpfte Potential der Pfahlbauforschung auf. Der Blick über den wissenschaftlichen Tellerrand sollte richtungsweisend für die zukünftige Erforschung der österreichischen Seeufersiedlungen sein.

[3] Die bislang immer noch umfangreichste und anschaulichste Darstellung der Pfahlbaukulturen des Salzkammergutes bietet: Offenberger, Johann: Die „Pfahlbauten“ der Salzkammergutseen, in: Das Mondseeland. Geschichte und Kultur. Ausstellung des Landes Oberösterreich. Linz 1981, S. 295–357.

Eines muss vorweg jedoch klargestellt werden: die bisher getroffenen Aussagen zu den österreichischen Seeufersiedlungen beziehen sich meist auf Untersuchungen, der keine Stratigrafien, also keine klare Zuordnung der Funde auf chronologisch unterscheidbare Schichten zugrunde liegen. Von einigen Siedlungen in Österreich wissen wir bereits von mehreren Phasen – in der Schweiz sind Siedlungen mit bis zu 25 sich teilweise überlagernden Siedlungsphasen bekannt. Aus diesem Grund sind gültige Zeitfolgen für Siedlungsabläufe und chronologisch trennbare Fundkomplexe bisher nicht möglich. Der Zeitrahmen in dem sich die Besiedlung der Stationen abspielte ist neben keramisch-typologischen Chronologien – wobei wir auch dafür zu wenig Zusammenhänge kennen – hauptsächlich durch wenige 14C-Datierungen gegeben. Diese ergaben im Salzkammergut für die jungneolithischen Siedlungen einen Zeitrahmen zwischen dem 38. und 31. Jahrhundert v. Chr. und für die bronzezeitlichen Siedlungsphasen den Bereich um die Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. Die Siedlungen im Keutschacher See und im Hafnersee in Kärnten sind mit 14C-Daten zwischen dem 41. und dem 37. Jahrhundert v. Chr. noch älter einzustufen. Dieser Stand der Forschung ist für eine sinnvolle Analyse der „klassischen“ Standardfragen nach dem alltäglichen Leben der Bewohner/innen der Seeufersiedlungen am Attersee, nach ihrer Nahrung, wie sie lebten, woher sie kamen und gingen und wie sie starben eindeutig unzureichend.

„Woher wissen wir das alles über die Pfahlbaumenschen?“

„Naturwissenschaftliche Untersuchungen von Pflanzenresten und Pollenkörnern ermöglichen die Rekonstruktion der Landschaft zur Zeit der Pfahlbauern. Von Ausgrabungen unter und über Wasser wissen wir manches, aber nicht alles. Archäologische Modelle erklären den heutigen Wissensstand der Archäologie“ lautet die Antwort des Archäologen und Museumsdirektors Gunter Schöbel auf die als Kapitelüberschrift gestellte Frage. [4] Damit befinden wir uns aber bereits weit in der Mitte des 20. Jahrhunderts, denn die Anfänge der Pfahlbauforschung waren nicht von naturwissenschaftlichen Ansätzen sondern von der Bergung von Funden geprägt.

[4] http://www.pfahlbauten.de/delphi/index.php?page=7&question=1735.

Der Attersee weist die meisten und auch die größten prähistorischen Seeufersiedlungen in Österreich auf. Dennoch wurde im kleinen Keutschacher See in Kärnten schon im Jahre 1864 – zehn Jahre nach den ersten Entdeckungen von Ferdinand Keller in der Schweiz – die erste Pfahlbausiedlung auf heutigen österreichischem Gebiet erkannt. [5] Wahrscheinlich ausgehend von einem Vortrag von Adolf Morlot, dessen denkwürdiger Ausflug auf den Grund des Genfer Sees als erster Versuch einer Taucharchäologie zu werten ist, wurde bereits 1863 mit der Erkundung der Gewässer in den habsburgischen Kronländern begonnen. [6] Für das Vorhaben wurden vier Gebiete ausgesucht: 1. Die Seen von Oberösterreich, 2. diejenigen von Kärnten und Krain, 3. der Gardasee und 4. die ungarischen Seen. [7]

[5] Ullepitsch, Josef: Die Pfahlbauten im Keutschacher See, in: Carinthia, 54/10 (1864), S. 453–456.

[6] Die umfangreichste Darstellung der Forschungsgeschichte findet sich bei Willvonseder (Anm.2), S. 12–52.

[7] In allen Gebieten wurden später Spuren von neolithischen Siedlungen gefunden, wobei der aus dem Ende des 19. Jahrhunderts stammenden Bericht von Funden im Neusiedlersee, sich auf eine Gegend (Nagycenk, ehem. Zinkendorf) bezieht, die sich heute weit von der ehemaligen Uferlinie befindet. Bislang gibt es keine weiteren veröffentlichten Indizien auf ein Vorkommen von Seeufersiedlungen im Bereich des Neusiedlersees. Wurmbrand, Gundacker: Pfahlbauten im Neusiedlersee, in: MAG 4 (1874), S. 291–292.

Am 25. August 1870 wurde im Attersee die erste Pfahlbausiedlung im Salzkammergut durch Ladislaus Gundacker Graf Wurmbrand, Johann Graf Wilczek und des als Pfahlbauexperten zu Hilfe gerufenen, aus Niedau am Bielersee stammenden Fischers Hensli Kopp entdeckt. Man hatte schon früher verschiedene Stellen im See untersucht, war auch an den richtigen Orten, aber erst jetzt konnte in Seewalchen am Ausfluss des Attersees Keramik, andere Artefakte und eine bis zu 45 cm dicke Kulturschicht erkannt werden. Es folgten erfolglose Untersuchungen an anderen Stellen des Attersees und im Wolfgangsee aber bereits im Sommer des Jahres 1871 wurden Kopp und der Schiffsmeister Bachler aus Kammer abermals im Auftrag von Wurmbrand unter anderem in Kammerl im Gemeindegebiet von Schörfling fündig. [8] Diese Siedlung liegt in einer Bucht vor der ehemaligen Villa Reiter und wurde das letzte Mal im Jahr 2000 auf Initiative des Vereines für Heimatforschung und Urgeschichte in Schörfling untersucht. [9]

[8] Willvonseder (Anm. 2), S. 24–25.

[9] Breitwieser, Rupert/Stradal, Christian: Neues zur neolithischen Pfahlbaustation Kammerl/Attersee, in: Triton Newsline 11. Wien 2001, S. 2–7 und online: http://www.triton.ac.at/archiv/attersee-2001.html.

Abb. 1: Profil der Seeufersiedlung Weyregg II

Im Mondsee war Matthäus Much erfolgreich, der 1872 die Station See und 1874 die Station Scharfling entdeckte. [10] Die Siedlung See an der Seeache, dem Ausfluss des Mondsees in den Attersee, ist auch die namensgebende Siedlung nach deren Keramik die jungsteinzeitliche Besiedlungsphase der Seeufersiedlungen „Mondsee-Gruppe“ getauft wurde. [11]

[10] Die Sammlung Much wurde 1912 vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien angekauft. Vgl. Reiter, Violetta: Aktueller Forschungsstand der Mondsee-Funde in der Studiensammlung des Institutes für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien, in: Archäologe Österreichs 19/2, S. 33–38.

[11] Vielfach findet sich auch die Bezeichnung Mondsee-Kultur, wie Elisabeth Ruttkay aber dargelegt hat, muss hier vielmehr von einer keramischen Gruppe und nicht einer Kultur gesprochen werden. Vgl. Ruttkay, Elisabeth u. a.: Prehistoric lacustrine villages on the austrian lakes, in: Menotti, Francesco (Hg.): Living on the Lake in Prehistoric Europa: 150 years of lake-dwelling research. London 2004, S. 54. Ruttkay teilte bereits früher anhand einer stichprobenartigen Auswahl des Materials und im Vergleich mit überregionalen Keramikserien die Keramik der österreichischen Pfahlbauern in drei jungsteinzeitliche (Mondsee I–III) und zwei bronzezeitliche (Attersee I–II) auf. Vgl. Ruttkay, Elisabeth: Typologie und Chronologie der Mondsee-Gruppe, in: Das Mondseeland (Anm. 3), S. 269–357.

Diese ersten Jahre der österreichischen Pfahlbauforschung erbrachten etliche weitere Siedlungsorte am Attersee, Mondsee und Traunsee, sodass zur Jahrhundertwende bereits zehn Pfahlbausiedlungen des Salzkammergutes bekannt waren. Die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts waren durch die rege Sammeltätigkeit des Seefrächters und Sandfischers Theodor Wang (vormals Kropatschek) geprägt. Er suchte den Seeboden des Attersees nach „schönen“ Stücken ab, die er an Museen – hauptsächlich an das Naturhistorische Museum in Wien – und an private Sammler – vor allem Max Schmidt – verkaufte. Wang gelang es 1904 auch erstmals nach Wurmbrand zwei neue Siedlungen (bei Misling und Litzlberg) zu entdecken.

Kurt Willvonseder begann sich 1931 mit den Pfahlbauern des Salzkammergutes zu beschäftigen, was schlussendlich 1963 bis 1968 in der umfangreichen Publikation Die jungsteinzeitlichen und bronzezeitlichen Pfahlbauten des Attersees in Oberösterreich mündete. Bereits wenige Jahre nach Ende des zweiten Weltkrieges hatten unter seiner Leitung auch die ersten Tauchversuche durch den früheren Weggefährten von Hans Hass, Kurt Schaefer, stattgefunden, die allerdings nur mit Schnorchel ausgeführt und deshalb nicht erfolgreich waren. Die mit richtigen Tauchgeräten ausgerüstete Forschergruppe unter Walter Kunze, dem langjährigen Leiter des 1. Österreichischen Pfahlbaumuseums in Mondsee, konnte in den Jahren 1960 und 1961 hingegen etliche gut erhaltene Exemplare von Gefäßen der Mondseegruppe aus der Station See herauf tauchen.

Eine Fülle von neuen Seeufersiedlungen wurden zwischen den Jahren 1970/1986 durch das Bundesdenkmalamt unter der Leitung von Johann Offenberger gefunden. Offenberger hatte es sich zum Ziel gesetzt, mit Unterstützung von durch ihn eingeschulten Sporttauchern, die bekannten Pfahlbausiedlungen zu kartieren und geeignete Uferplatten nach unbekannten Stationen abzusuchen. So gelang es ihm und seinen Tauchern mehr als ein Dutzend neuer Pfahlbausiedlungen in Oberösterreich und Kärnten, sowie andere interessante historische Wassereinbauten, wie den römischen Hafen bei Weyregg, zu entdecken. [12]

[12] Die ungenaue Zahlangabe führt daher, dass manchen Siedlungen nur schwer von einander getrennt werden können (z.B. Seewalchen I & II). Zu der Interpretation des römischen Hafens, siehe auch Offenberger, Johann/Nicolussi, Siegfried: Tauchuntersuchungen der Abteilung für Bodendenkmale des Bundesdenkmalamtes im Attersee und Traunsee, in: Fundberichte aus Österreich Bd. 20. Wien 1982 S. 223–233.

Nach dem Ende der Arbeiten durch Offenberger wurde begonnen, die bisher erbrachten Materialien aufzuarbeiten. Unter der Leitung von Elisabeth Ruttkay vom Naturhistorischen Museum in Wien arbeiteten mehrere Spezialisten an dem Projekt „Bestandsaufnahme und interdisziplinäre Erforschung der Feuchtbodensiedlungen in Österreich“ . [13] Im Zuge dessen startete auch Otto Cichocki 1993 mit einer Wiederaufnahme von Feldforschungen im Keutschacher See, die seit damals andauern.

[13] Bisher erschienen Lochner, Michaela: Die Pfahlbaustationen des Mondsees: Keramik, Studien zur Pfahlbauforschung in Österreich. Materialien I, (Mitteilungen der Prähistorischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Bd. 32). Wien 1997; Pucher, Erich/Engl, Kurt: Die Pfahlbaustationen des Mondsees: Tierknochenfunde, Studien zur Pfahlbauforschung in Österreich, Materialen I (Mitteilungen der Prähistorischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Bd. 33). Wien 1997; und Samonig, Bertram: Die Pfahlbaustation des Keutschacher Sees. Studien zur Pfahlbauforschung in Österreich, Materialien II (Mitteilungen der Prähistorischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 51). Wien 2004.

Im Salzkammergut wurde erst 1999 wieder an den Pfahlbausiedlungen gearbeitet. Thomas Reitmaier von der Universität Innsbruck gelang es in einer Reihe von Luftbildaufnahmen der Seeufersiedlungen des Attersees und Mondsees anschaulich, die fortschreitende Beschädigung durch verschiedene Umwelteinflüsse darzustellen. Die von Christian Stradal und dem Autor dieser Zeilen gegründete Österreichische Gesellschaft für Feuchtboden- und Unterwasserarchäologie Triton nahm sich mit Unterstützung von Johann Offenberger die Fortführung der Bestandsaufnahme der Seeufersiedlungen in Österreich zum Ziel.

Die Bemühungen gipfelten vorerst 2003 und 2004 in einer Inventarisierung des Zustandes und Detailuntersuchungen der Seeufersiedlungen des Attersees und Mondsees, die zukünftigen Forschungsprojekten als Grundlage dient. [14]

[14] Dworsky, Cyril/Reitmaier, Thomas: Moment, da war doch noch was! Neues zur Pfahlbauarchäologie im Mond- und Attersee, in: Archäologie Österreichs 15/2 (2004), S. 4–15. Das LEADER+-Projekt wurde vom Tourismusverband Mondseeland unterstützt und wurde durch eine dafür aufgestellte Archäologische Tauchequipe Salzkammergut“ unter der Mitwirkung von Rupert Breitwieser (Universität Salzburg), Thomas Reitmaier (Universität Innsbruck) und Cyril Dworsky und Isabella Tillich (Universität Wien) und unter der Leitung Jutta Leskovars (Landesmuseum Oberösterreich) durchgeführt.

Abb. 2: Vermessung eines Bojenschadens bei Abtsdorf I

Warum baute man auf dem Wasser?

Dies ist wahrscheinlich die Frage, die von allen Menschen, die zum ersten Mal mit dem Phänomen der Pfahlbaukulturen in Kontakt kommen am häufigsten gestellt wird. [15] Man muss hier von vielen unterschiedlichen Beweggründen ausgehen.

[15] http://www.pfahlbauten.de/delphi/index.php?page=7&question=54.

Ein möglicher Grund könnten die relativ guten Bedingungen für das schnelle Errichten der Häuser gewesen sein. Die Uferplatten der Seen waren bewuchsarm und so konnte man ohne langwierige Rodungsarbeiten zum Bauen beginnen. Die angespitzten Pfähle lassen sich in dem feucht-lockeren Seesediment relativ gut einschlagen bzw. „festrütteln“. Auf diese Weise konnten die bereits gerodeten Flächen in den Waldgebieten für Ackerbau und Viehzucht aufgehoben werden. Auch der Handel über das Wasser ist ein denkbarer Beweggrund, um sich einen Lebensraum auszusuchen, der im Winter von der Gefahr von Eisstößen, im Sommer durch die Plage von Stechmücken und überhaupt von regelmäßigen Hochwassern geprägt ist. Da man in der Jungsteinzeit von einer mehr oder weniger flächendeckenden Bewaldung im voralpinen Raum ausgehen muss, boten sich die Flüsse und Flussverläufe, sowie die Seen sicherlich als Handelswege an. Mit Einbäumen, die außerhalb Österreichs aus der Jungsteinzeit bereits vielfach gefunden wurden [16], konnte man auch bequem größere Strecken zurücklegen und zwischen den Dörfern am See Waren austauschen.

[16] Arnold, Béat: Pirogues Monoxyles d´Europe Centrale. Construction, Typologie, Évolution (Archéologie neuchteloise, Bd. 20-21). Neuchatel 1995/96.

Natürlich wird auch der See selbst als Grund zum Siedeln eine wichtige Rolle gespielt haben. Neben einer günstigen Möglichkeit der Abfallentsorgung direkt ins Wasser, wird besonders in Zeiten von regelmäßigen Missernten und aufgrund der damaligen noch geringen Erfahrung in der Viehzucht der See und sein Fischbestand als verlässliche Nahrungsmittelquelle sicher sehr willkommen gewesen sein. [22] Da in den Salzkammergutseen noch keine umfangreichen Untersuchungen der Schichten vorgenommen werden konnten, fehlen der Wissenschaft aber die Grundlagen für eine bessere Einordnung der urgeschichtlichen Fischerei in Österreich. [23] Das führt zu der nächsten Frage, deren Beantwortung aufgrund der günstigen Erhaltungsbedingungen von organischem Material in Fundstellen unter Wasser leichter fällt, als es bei Fundstellen im Trockenen der Fall wäre.

[22] Ruttkay (Anm. 11).

[23] Nachgewiesen sind Hecht und Huchen. Vgl. Offenberger [Anm. 3).

Dworskys Exkurs zur Bedeutung des Mondseekupfers

Für die Siedlungen des Salzkammergutes wurde schon oft ein Zusammenhang mit der Suche nach Kupfererzen im alpinen Bereich und dem Beginn der Metallverarbeitung in Österreich vermutet [17], ein konkreter Nachweis der damals genutzten oberflächlichen Kupfererzstätten ist jedoch schwierig zu erbringen. Die Frühphase der Seeufersiedlungen am Anfang des 4. Jahrtausends v. chr. befindet sich aber auf jeden Fall in der Anfangsphase der Kupfermetallurgie in Mitteleuropa und die Seeufersiedlungen des inneralpinen Bereichs scheinen dabei eine Rolle gespielt zu haben. [18] Erste Nachweise von Gusslöffeln mit Spuren der Kupferverarbeitungen sind aus der Seeufersiedlung des Keutschacher Sees bekannt, deren ältester Pfahl in das Jahr 3947 v. Chr. datiert werden konnte. [19] Der Reichtum an Kupferartefakten in den Seeufersiedlungen des Salzkammergutes führte sogar zur Einführung des Begriffes „Mondseekupfer“ in der Archäologie. Die Zusammensetzung des gefundenen Kupfers mit einem hohen Anteil an Arsen ist aus dem Karpatenbecken bis in die Regionen um das Schwarze Meer bekannt. Kupfererzlagerstätten aus dem näheren alpinen Umfeld weisen in der Regel andere Beimischungen von Metallen auf und kommen daher als Ursprungsort des Mondseekupfers nur beschränkt in Frage. [20] Die bisher durchgeführten metallurgischen Untersuchungen weisen auch auf weitere Handelskontakte und südalpine Kupferabbaugebiete hin. [21]

[17] Binsteiner, Alexander/Ruprechtsberger, Erwin Maria: Mondsee-Kultur und Analyse der Silexartefakte von See am Mondsee, in: Linz: Nordico-Museum der Stadt Linz. Linz 2006, S. 46–47.

[18] Strahm, Christian: Die Anfänge der Metallurgie in Mitteleuropa, in: Helvetia archaeologica 25 (1994–97), S. 1–39.

[19] Vgl. Samonig (Anm. 13). Bei der Siedlung des Keutschacher Sees ist eine Besiedlung von mindestens 300 Jahren nachweisbar. Aus Hornstaad-Hörnle kennen wir eine Kupferscheibe, die gesichert in einen Zeithorizont im Bereich der Münchsjöfener Kultur um 3917 v. Chr. zu setzen ist. Vgl. dazu: Matuschik, Irenäus: Kupferfunde und Metallurgie-Belege, zugleich ein Beitrag zur Geschichte der kupferzeitlichen Dolche Mittel-, Ost- und Südosteuropas, in Mainberger, Martin (Hg.): Steinzeit in Oberschwaben – Das Moordorf von Reute. Archäologische Untersuchungen in der Jungneolithischen Siedlung Reute-Schorrenried. Staufen 1998, S. 207–249.

[20] Vgl. Bartelheim, Martin u. a. (Hg.): Die Anfänge der Metallurgie in der Alten Welt. Freiburg 2002. Zu lokalen Kupferquellen aktuell auch: Götzinger, Michael/Strasser, G.: Zur Frage der möglichen Herkunft des Kupfers der Mondsee-Siedlungen, in: Archäologie Österreichs 19/2 (2008), S. 43–44.

[21] Obereder J. u. a.: Die Metallfunde und die Metallurgie der kupferzeitlichen Mondseegruppe. Ein Vorbericht, in: Archäologie Österreichs 4/2 (1998), S. 5–9.

Die Anfänge der Metallurgie sind ohne Zweifel als technische Revolution zu werten und prägten die österreichischen Pfahlbauern vielleicht mehr als die landwirtschaftlichen Errungenschaften dieser Zeit. Leider fehlt für eine große Anzahl der Metallfunde aus dem Bereich der Mondsee-Gruppe der wichtige Zusammenhang zu datierbaren Keramikhorizonten und so ist bislang ein abgesichertes und zeitlich eingeordnetes Inventar nicht möglich gewesen. Die große Anzahl von Gusslöffeln und Flachbeilen aus Kupfer, die aus den Siedlungen des Salzkammergutes geborgen wurden, lassen eventuell die oftmals geäußerte Funktion der Siedlungen im Zusammenhang mit der Ausbeutung von Kupfererzen, jedenfalls aber einen gewissen Reichtum der Bewohner vermuten.

Was aßen die Pfahlbauern?

Zu dieser Frage muss man sich vergegenwärtigen, dass sich Ackerbau und Viehzucht zu Beginn der Pfahlbaukulturen im ausgehenden fünften und beginnenden vierten Jahrtausend v. Chr. noch immer in der Frühphase befanden. [24] Nach den bisherigen Untersuchungen in österreichischen Pfahlbausiedlungen waren die damals gezüchteten Haustierrassen, allen voran das Rind, eher klein und dürften häufig unter Mangelerscheinungen gelitten haben. [25] Sie unterscheiden sich dadurch von anderen zeitgleichen Fundorten aus dem östlichen Donauraum, es finden sich aber aus schweizerischen und italienischen Pfahlbauten vergleichbare Befunde, weshalb Pucher sogar an eine den Bedingungen des Pfahlbaulebens angepasste kleinere Rinderart dachte. [26]

[24] http://www.pfahlbauten.de/delphi/index.php?page=7&question=1749.

[25] Bisher gibt es nur aus den Siedlungen von See am Mondsee und Keutschacher See umfangreichere Auswertungen. Wolff, Petra: Die Jagd- und Haustierfauna der spätneolithischen Pfahlbauten des Mondsees, in: Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereins 122/I, (1977), S. 269–347.

[26] Pucher/Engl (Anm. 13); NICHT Ruttkay (Anm. 22).

Wenige der Rinder dürften als Milchkühe gehalten worden sein, vielmehr scheint die Fleischproduktion im Vordergrund gestanden zu haben und die Tiere wurden bereits in jungen Jahren geschlachtet. Das trifft besonders auf die Stiere zu und ist mit den Tierknochenuntersuchungen aus schweizerischen Pfahlbaustationen vergleichbar. Die Milchversorgung dürfte hauptsächlich durch die einfacher über den Winter zu bringenden Schafe und Ziegen gewährleistet worden sein. Schweine und Hunde wurden ebenfalls als Haustiere gehalten, wobei letztere durchaus zusammen mit Wildtieren wie Biber, Steinbock, Eichhörnchen, Igel, und Braunbär auf der Speisekarte zu finden sein konnten. Während in Keutschach noch die Wildtiere, allen voran der Rothirsch, dominierten, fand sich in der Station See am Mondsee nur mehr ein Drittel des Knochenmaterials von Wildtieren stammend. Auffallend war hier die durchaus signifikante Häufung von Gämsen. Nach einer Rekonstruktion, die anhand der Funde pflanzlichen Ursprungs von schweizerischen Pfahlbausiedlungen durchgeführt wurde, kann man davon ausgehen, dass in der Dorfgemeinschaft rund sechs Monate des Jahres für die Landwirtschaft aufgewendet werden mussten. [27] Daneben wurden immer noch große Teile der Nahrung gesammelt und man fand Himbeeren, Brombeeren, Walderdbeeren, Holunder, Haselnuss, Hartriegel, Eicheln und Bucheckern. Spuren einer Vorratswirtschaft fand man in der Station See, wo besonders viele halbierte und getrocknete Wildäpfel gefunden werden konnten. Das landwirtschaftliche Wissen ermöglichte es den Pfahlbauern aber bereits Getreide (Emmer, Zwergweizen und Gerste) und andere Pflanzen (Flachs, Mohn, Kohl und Erbse) anzubauen. Trotz der Vielfalt an landwirtschaftlichen Produkten muss man von regelmäßigen Hungersnöten ausgehen, wie es anthropologische Untersuchungen an anderen Fundstellen nahelegen. [28]

[27] Jacomet, Stephanie/Brombacher, Christoph: Archäobotanik Am Zürichsee: Ackerbau, Sammelwirtschaft und Umwelt von neolithischen und bronzezeitlichen Seeufersiedlungen im Raum Zürich. Ergebnisse von Untersuchungen pflanzlicher Makroreste der Jahre 1979–1988. Zürich 1989.

[28] Teschler-Nicola, M./Gerold, F./Lindenbauer, K./ Spannagl, M.: Anthropologische Spurensicherung. Die traumatischen und postmortalen Veränderungen an den linearbandkeramischen Skelettresten von Asparn/Schletz, in: Archäologie Österreichs 7/1 (1996), S. 4–12.

Welche Einzelheiten der Dörfer sind archäologisch beweisbar und was ist Phantasie?

Die prähistorischen Fundstellen des Attersees und Mondsees haben bereits zum gegenwärtigen Forschungsstand sehr viele Erkenntnisse zur Jungsteinzeit und Bronzezeit beigetragen. Offenberger konnte beispielsweise anhand seiner und der früheren Forschungen erste Vermutungen zu der Bauweise der jungsteinzeitlichen Häuser aufstellen. [29] Er postulierte kleine ca. drei mal vier Meter messende Häuser, die, auf Pfahlrosten und dicken Grundschwellen ruhend, direkt auf den Strandplatten aufgebaut wurden. Es ist gut und wichtig erste Vermutungen über das Aussehen der Dörfer zu publizieren, für ein differenziertes Bild benötigen wir aber noch mehr Untersuchungen und eine verstärkte Zusammenarbeit mit naturwissenschaftlichen Nachbardisziplinen. Vor allem die fehlende zeitliche Einordnung der Bauhölzer und der Keramik innerhalb der Fundkomplexe macht eine umfassende Interpretation bisher nur schwer möglich. Im Zuge von Rettungs- und Detailgrabungen müssen erst die Grundlagen für neue Fragestellungen erarbeitet werden, die über die reine Rekonstruktion von Häusern hinausgehen und beispielsweise Antworten zur Funktion von Gebäuden und sozialen Zuordnungen innerhalb der Siedlung bringen. Sogar durch Erosion stark beeinträchtigte Pfahlbausiedlungen können durch Beprobung und Datierung der Hölzer (Dendrochronologie) für neue Forschungsvorhaben wertvoll sein.

[29] Vgl. Offenberger (Anm. 3), S. 320–337.

Abb. 3: Aufnahme einer der sog. Grundschwellen bei Weyregg II

Gerade die Pfahlbauten bieten den Archäolog/innen gute Bedingungen, um das urgeschichtliche Leben rekonstruieren zu können. [30] Die Bauhölzer und andere organische Reste können sich unter Wasser besonders gut erhalten und gestatten als Fundgrube und Archiv für unterschiedliche naturwissenschaftliche Untersuchungsmethoden Erkenntnisse über wichtige Phasen der gesellschaftlichen und technologischen Evolution der Menschen in zentralen Bereichen Europas. Technologische Entwicklungen sind aufgrund der guten Datierungsmöglichkeiten besser nachvollziehbar und nach den bisherigen Spuren früher mitteleuropäischen Kupfermetallurgie des 4. Jahrtausends v. Chr. scheinen die Siedlungen des Salzkammergutes auch eine wichtige überregionale Mittlerrolle inne zu haben, deren Bedeutung bislang erst ansatzweise erahnt werden kann. Die österreichischen Pfahlbauten bieten durch ihre zentrale Lage als Drehscheibe in den alpinen Handelsnetzen die einmalige Möglichkeit, eine universale Rekonstruktion der Umwelt- und Kulturgeschichte des Jungneolithikums in wichtigen Regionen Österreichs zu entwerfen.

[30] Im Rahmen einer Initiative die prähistorischen Pfahlbauten rund um die Alpen auf die Liste des UNESCO-Welterbes zu setzen, wurden acht gute Gründe für die Einzigartigkeit der Pfahlbau-Fundstellen herausgearbeitet. Siehe dazu: Suter, Peter/Schlichtherle, Helmut: Pfahlbauten. UNESCO Welterbe-Kandidatur „Prähistorischer Pfahlbauten rund um die Alpen“. Biel 2009.

Abb. 4: Das stark erodierte Pfahlfeld von Attersee

Viele der anfangs erwähnten Fragen der Besucher/innen des Pfahlbaumuseums von Unteruhldingen berühren Themen, die weit über das Katalogisieren, Typologisieren, Datieren und Ausstellen von Funden hinausgehen. Fragen, die meist unterschiedlichste Aspekte des Alltags berühren. Natürlich sind Fragen zu Reichtum und dessen Entstehung, zur Interaktion zwischen Einheimischen und Zugereisten, zu veränderten Verkehrswegen und wer daraus profitierte oder der Entwicklung und des Lebens einzelner Sozialgruppen und andere schwierig zu beantworten. Pfahlbauten, wie die des Attersees, bieten jedoch die reichhaltigsten und vielversprechendsten Möglichkeiten diesen Fragen nachzugehen.

Alle Fotographien: Archiv Triton