Die Tierreste
Wolff, Petra: Die Tierreste (NHM; S. 280)
Einen großen Teil des archäologischen Fundguts bilden die Speise- und Schlachtabfälle, die in Form z. T. sehr gut erhaltener Skelettreste vorliegen. Fast 7000 der zur Bearbeitung gelangten Zähne, Knochen und Knochenbruchstücke stammen von den Grabungen M. Muchs, der vorwiegend Material der Station See barg. Weitere gut 3000 Knochen wurden bei den in jüngerer Zeit unternommenen Grabungskampagnen in der Station See geborgen und etwas mehr als 1000 Oberflächenfunde kommen aus der Station Scharfling. Von der Station Mooswinkel liegen nur einige wenige Streufunde vor.
Entsprechend der Materialmenge konnten für die Station See weit mehr Tierarten belegt werden, als für die Station Scharfling. Zunächst wurden alle für das Neolithikum Mitteleuropas zu erwartenden Haustiere nachgewiesen. In der Reihenfolge ihrer Häufigkeit sind dies Hausrind, Schaf, Ziege, Schwein und Hund. Ein weitaus kleinerer Anteil der Knochenfunde verteilt sich auf 32 Wildtierarten, von denen der Rothirsch, die Gämse, das Reh und das Wildschwein die wichtigsten Jagdtiere darstellen. Einige Tierarten, an deren Anblick die neolithischen Pfahlbauern gewöhnt waren, existieren heute bei uns nicht mehr in freier Wildbahn. Dazu zählen die beiden Wildrinder Ur und Wisent, der Elch, der Biber und der Luchs.
Interessanterweise ergaben sich deutliche Unterschiede in der Faunenzusammensetzung beider Pfahlbaustationen. In See sind die Haustiere weit in der Überzahl, sie machen knapp ⅔ der dortigen bestimmbaren Fundstücke aus. Die Ermittlung des Verhältnisses von Haus- zu Wildtieren in der Station Scharfling bedarf der Berücksichtigung einiger, die bloßen Zahlenwerte erklärende Umstände. Während in der Station See das Fundgut aus der gesamten Fundschicht stammt, also auch aus der tieferen Lagen der Kulturschicht, wurden in der Station Scharfling nur dem Seegrund aufliegende, dem obersten Teil der Kulturschicht zugehörige, Fundstücke aufgesammelt. Das bedeutet, dass diese Knochen wirksameren Zerstörungsmechanismen ausgesetzt sind, als die tiefer im Seeboden eingebetteten, was sich auch in ihrem schlechten Erhaltungszustand zeigt. Da nun Wildtierknochen von festerer Konsistenz, daher besserer Erhaltungsfähigkeit sind, als Knochen domestizierter Tiere – dies erweist sich auch in der Bevorzugung von Wildtierknochen für den Werkzeuggebrauch – ist damit zu rechnen, dass sie in dem stark angegriffenen Material häufiger vertreten sind, als dies den tatsächlichen Verhältnissen entsprochen hat. Trotz dieser Einschränkung und unter Einbezug aller vorliegenden Fakten lässt das vorhandene Fundgut den Schluss zu, dass für die Bewohner der Station Scharfling die Jagd gegenüber der Haustierhaltung von vorrangiger Bedeutung war. Zur weiteren Sicherung dieser Ergebnisse wären erneute Grabungen, vor allem auch aus tieferliegenden Teilen der Kulturschicht, von großem Interesse.