Die Station Attersee/Landungssteg

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Die Station Attersee/Landungssteg

Czech 1981, Karl: Bestandsaufnahme des Unterwasserkulturerbes. 6. Bericht, FÖ 20, 1981:21–28.

Die Sporttaucher des UTC-Wels vermaßen im Jahre 1981 die Umrisse der neolithischen Seeufersiedlung Attersee und die der im Jahre neuentdeckten Station Abtsdorf III. Weiters führten sie an zwei verlängerten Wochenenden erstmals in Österreich Unterwassergrabungen in der bekanntlich durch die Schifffahrt z. T. zerstörten neolithischen Siedlung Weyregg durch. Während die Station Attersee in der Folge beschrieben wird, kann die Umrissvermessung von Abtsdorf III erst später publiziert werden und soll gemeinsam mit der 1977 entdeckten und im Jahre 1978 vermessenen Siedlung Abtsdorf II erfolgen, um den Zusammenhang mit der in diesem Bereich befindlichen dritten Siedlung Abtsdorf I zu veranschaulichen.

Die neolithische Seeufersiedlung Attersee wurde wie Aufham im Jahre 1871 von dem Schweizer Fischer Hans Kopp und dem Schiffmeister Bachler aus Kammer entdeckt. Die Größenangaben von Gundaker Graf Wurmbrand mit 9,5 m Länge, 7,5 m Breite und 7,5 m Entfernung vom Ufer in einer Wassertiefe von etwa 3,0 m wurden bereits mehrmals revidiert. Nach den Berichten über die Tauchversuche von K. Schaefer im Juli 1937 soll die Station etwa 5,0 m über das südwestliche Ende der Mole und etwa 10,0 m über das nordöstliche Ende der Landungsbrücke hinausreichen. Die Gesamtlänge wäre also etwa 25,0 m, die Breite konnte damals nicht festgestellt werden, da die Zerstörungen durch die Schifffahrt und die Baggerungen zur Erzielung einer größeren Wassertiefe für die Schifffahrt zu groß waren. Auch Th. Wang zählte nur wenige Pfähle und schätzte die Größe der Siedlung auf drei Hütten, womit er die geringe Ausdehnung des Pfahlbaues Attersee bestätigte.

Im Jahre 1975 wurde eine Zuleitung zum Ringkanal nur etwa 20,0 m vom südwestlichen Ende der Mole entfernt, in den See verlegt. Im Auftrag der Abt. f. Bodendenkmale des Bundesdenkmalamtes untersuchte der damalige Leiter der Tauchgruppe Haag, K. Vymazal, im November 1975 die Baggerungen am Seeboden und schreibt dazu: „… Für den Stichkanal wurde vom Ufer weg eine 10,0 m breite Künette in den Seegrund gebaggert. Das ausgehobene Material wurde neben der Künette abgelagert und wird wieder zur Auffüllung des Kanals verwendet. Dadurch wird eine fast dreifach so große Fläche, als für den Kanal erforderlich, zerstört. Der Bereich des Stichkanals ist von Hunderten ausgerissenen und abgebrochenen Pfählen bedeckt. Durch das Absenken der Leitung sind Teile der Böschung abgebrochen. Dadurch wurden weitere, noch ungestörte Flächen zerstört. Wenn man bedenkt, dass noch zwei weitere Leitungen mit wesentlich größerem Durchmesser in diese Künette abgesenkt werden, so werden die Zerstörungen noch weitaus umfangreicher sein als ursprünglich angenommen. Durch die am Rande des Baggerloches stehengebliebene Pfähle konnte die Längsausdehnung des Pfahlbaues nach Westen annähernd abgegrenzt werden. Die am entferntesten vom Ufer im See gefundenen Pfähle lagen in drei Meter Tiefe, 40,0 m in Richtung Seemitte und rund 50,0 m von der Schiffstation seeaufwärts. Innerhalb des gesicherten Siedlungsareals wurde an den Wänden des Kanals keine Kulturschicht festgestellt, dies kann auf eine starke Ausschwemmung des Seebodens durch den Dampfer zurückzuführen sein. Wenn auch kleinere Bereiche der Siedlung noch ungestört sind, muss der Pfahlbau Attersee/Landungssteg doch auf Grund der Störungen durch den Schiffsverkehr und der nun stattgefundenen Störung durch den Bau der Landeinbindungen im Hinblick auf künftige Forschungen als zur Gänze zerstört angesehen werden.“

Die Größe der Siedlung wurde somit mit etwa 70,0 m Länge angenommen. Da nach diesem Bericht die Station als zur Gänze zerstört galt, glaubte man auf eine Umrissvermessung verzichten zu können, weil der Zweck einer Umrissvermessung, aufgrund der bekannten Größe und Lage der Seeufersiedlung vor der Zerstörung oder einer Veränderung zu schützen, nicht mehr erreicht werden konnte. Doch im Zuge dr systematischen Bestandsaufnahme stießen bei der Absuche der Uferzone die Taucher des UTC-Wels noch in rund 130 m Entfernung vom nordöstlichen Ende der Mole auf neolithisches Fundmaterial. Die Gesamtlänge betrug nach dieser neuesten Entdeckung im Jahre 1979 somit etwa 200 m. Die Zerstörungen durch die Schifffahrt und Baggerungen für Ringkanalzuleitungen erschienen im Verhältnis zur Größe des gesamten Siedlungsareals wesentlich geringer als ursprünglich angenommen. Eine Umrissvermessung erschien daher sinnvoll und wurde im Jahre 1981 durchgeführt.

An 16 Tagen wurden in 83 Tauchstunden und 90 Vermessungsstunden die erforderlichen Unterlagen für die Erstellung des Planes (Abb. 1) und der Querschnitte (Abb. 2) erarbeitet.

Die neolithische Seeufersiedlung Attersee liegt vor den Parz. 17/2 bis 13/1 der KG Attersee. Sie ist 223 m lang und bis zu 35,0 m breit. Die tatsächliche Breite konnte nur am Südostende des Areals durch Festlegung einer uferseitigen Umrisslinie festgestellt werden. Der weitere Verlauf der Umrisslinie in Richtung Nordost ist zuerst durch einen auf zwei Pfahlreihen stehenden gemauerten Landungssteg eines privaten Bootshafens vor der Parz. 17/2 unterbrochen. Die aufgeschütteten Steine und die natürlichen Ablagerungen vor und hinter den palisadenartig eingeschlagenen Pfählen sind undurchdringlich. Die Baggerungen für die Verlegung der Zuleitung zum Ringkanal haben die zwischen dem privaten und dem öffentlichen Landungssteg gelegenen prähistorischen Artefakte und die Kulturschicht zur Gänze vernichtet. Zwischen der Schiffsstation und dem Ufer ist der Seegrund mit einer undurchdringlichen Schlamm- und Schotterschicht bedeckt. Auch zwischen Landungsbrücke und dem nordöstlichen Ende der Siedlung ist eine uferseitige Begrenzung nicht festzustellen, denn vor der Ufermauer liegen große Steine und darunter undurchdringbarer Schotter. Außerdem dürfte die ehemalige Siedlungsgrenze hier sicherlich unter dem aufgeschütteten Ufer verlaufen.

Das Ufer, vor dem die Seeufersiedlung liegt, besteht über die ganze Länge, von Parz. 17/2 an bis einschließlich der Parz. 13/1 am Nordostende, aus einer betonierten Mauer. Die Wassertiefe beträgt an der Mauer bereits 0,80 bis 1,10 m. Die Mauer steht entweder auf dem neolithischen Siedlungsareal, oder es wurde beim Anlegen der Mauerfundamente zumindest ein Graben der Länge nach durch den Großteil der Station gezogen. Wie die vermessene Uferlinie zeigt, sind die Mauer sowie beide Anlegestellen entweder überhaupt nicht oder falsch in den amtlichen Grundstücksplänen eingezeichnet.

Die größte Entfernung der seeseitigen Umrisslinie vom Ufer beträgt im südöstlichen Teil des Siedlungsareals bis zu 60,0 m.

Im Nordosten der Station ist n einer Stelle die äußere Begrenzung nur 12,0 m von der Ufermauer entfernt. Der Seeboden im Siedlungsareal liegt im Südwesten in 1,7 bis 2,5 m Tiefe, während im Nordosten bei der seeseitigen Umrisslinie der See nur 1,5 m bis maximal 2,0 m tief ist. Bezieht man die Stärke der Ablagerungen und Aufschüttungen bei der Berechnung der Tiefenlage mit ein, so liegt die äußere Kultur- bzw. die Fundschicht fast gleichmäßig in 2,5 m Tiefe.

Vergleicht man die früheren Größenangaben mit denen der Umrissvermessung 1981, so ist die Flächenausdehnung etwa 75mal so groß wie ursprünglich angenommen. Gundaker Graf Wurmbrand, Th. Wang und K. Schaefer haben sicher nur die wenigen, durch die Schifffahrt freigelegten Pfähle gesichtet. Die Entfernungsangabe vom Ufer war sicherlich auf die Landungsbrücke bezogen. Nach Aufham I ist Attersee die bisher zweitgrößte in Österreich bekannte und lokalisierte neolithische Seeufersiedlung.

Auf der seeaufwärts gelegenen, unzerstörten Siedlungsfläche liegen stellenweise etwas Schlamm und hier und da große Steine. Die Fundschicht besteht aus Pfählen und Keramikbruchstücken und liegt 0,1 bis 0,2 m unter einer Seekreideschicht. Wie bereits mehrmals in anderen Siedlungen beobachtet werden konnte, liegt auch hier die Fundschicht zusammen mit einer Schotterschicht in der Seekreide. Eine Kulturschicht, wie in den bisher untersuchten Seeufersiedlungen, lässt sich im südwestlichen Teil der Siedlung und bis über die Hälfte der gesamten Siedlungslänge hinaus nicht feststellen. Der Umriss wurde allein aufgrund des Vorhandenseins von Pfählen oder mehreren Keramikbruchstücken festgelegt. Einzelfunde von Keramik wurden nicht als Beweis für eine besiedelte Fläche gewertet.

Die Störung durch die Baggerungen und Verlegung der Kanalleitungen im Jahre 1975 ist 10 bis 20 m breit. Sie verläuft vom Ufer in südwestlicher Richtung quer durch das ganze Siedlungsgebiet. Die zerstörte Siedlungsfläche ist etwa 800 m² groß, das sind rund 12% des vermutlichen Siedlungsareals. Wahrscheinlich war die aber das interessanteste Fundgebiet, denn alle Funde wurden vor der Mole und dem Südwestende der Mole gemacht. Im Jahre 1975 fand K. Vymazal an dieser Stelle während nur eines Tauchganges ein Flachbeil aus Kupfer, ein Steinbeil, eine Pfeilspitze aus Hornstein, Keramikbruchstücke und kleine Gewebereste. Auch die Taucher des UTC-Wels bargen hier die einzigen interessanten Funde aus der Station Attersee. Ein kleines Flachbeil aus Serpentin wurde bereits 1979 an der Westecke der Siedlung gefunden. Während der Umrissvermessung und der Erstellung der Querschnitte I und II fanden die Taucher neben vielen unverzierten, uncharakteristischen Scherben auch eine 34 x 24 cm große und 11 cm dicke Reibplatte, und zwar auf der Linie des Querschnitts II, etwa 5,0 m innerhalb der seeseitigen Umrisslinie. Das mit Abb. 3 abgebildete trapezförmige Flachbeil aus hellgrauem Kalksandstein wurde ebenfalls auf der Linie des Querschnitts II, 5,0 m außerhalb des Bootssteges gefunden. Ein kleines Silexmesser, L 3,0 cm, lag in der Nähe des Schnittpunktes der Linie durch Querschnittes I und der uferseitigen Umrisslinie. Alle durch die Mitglieder des UTC-Wels getätigten Funde wurden an das Heimathaus Mondsee weitergeleitet. Sonst wurden in dem gesamten Siedlungsgebiet außer unverzierten Keramikbruchstücken keine erwähnenswerten Funde gemacht.

Das zerstörte Gebiet ist eheute wellig-hügelig mit Seekreide zugeschüttet. In den Gruben und Löchern haben sich Schlamm und organisches Material, wie Laub und Geäst, abgesetzt. Einige ausgebaggerte Pfahlbruchstücke liegen in den Vertiefungen. Die meisten von K. Vymazal gesichteten, m Seegrund liegenden Pfähle sind entweder zugeschüttet oder im Laufe der vergangenen sechs Jahre abgeschwemmt worden. 50 Holzproben hat K. Vymazal zwecks Holzartenbestimmung geborgen. Einen aus einer gebaggerten Grube herausstehenden Pfahl nahe des äußeren Umrisses gruben die Taucher des UTX-Wels aus und leiteten ihn zwecks Altersbestimmung an das Kernphysikalische Institut der Univ. Wien weiter.

Die Ausschwemmung vor der Schiffsanlegebrücke ist etwa 30 m lang und 6.0 m breit. Der Wannenboden liegt etwa 0,7 m unter dem natürlichen Seebodenniveau, zusätzlich hat sich das ausgeschwemmte Material links und rechts davon abgelagert, so dass die Wanne tatsächlich bis 1,0 m tief erscheint. An den Rändern der Vertiefung stehen teilweise ausgewaschene Pfähle. Der Wannenboden ist von etwas Schotter, Steinen und Schlamm bedeckt. An den Enden de Rinne liegt sehr viel Schotter, dadurch fällt das Gelände hier nur flach ab. Jeweils etwa 6 bis 10 m von den Enden der Mole entfernt sind die Wände der Rinne etwa 0,5 m senkrecht ausgewaschen, die Pfahlsetzungen sind im Schnitt deutlich sichtbar. Aber auch an dieser Stelle ist trotz genauester Untersuchungen keine Kulturschicht feststellbar. Die durch den Bau der Mole und durch die Schifffahrtsrinne zerstörte Siedlungsfläche beträgt etwa 200 m², das sind ungefähr 3% der mutmaßlichen Siedlungsfläche.

Das Gebiet zwischen Mole und Ufermauer ist von einer dicken Schlammschicht bedeckt, darunter liegt undurchdringlicher Schotter. Zwischen dem äußeren Umriss und der Schifffahrtsrinne liegt 0,15 bis 0,20 m Schotter auf der Seekreide. Die vielen Pfähle sind zwar vom Schotter bedeckt, ragen aber aus der Seekreide heraus. Kulturschicht ist keine vorhanden.

Nordöstlich des Landungssteges nimmt die Stärke der Schotterschicht zu. Beim Querschnitt V ist sie bereits 0,25 bis 0,40 m dick und praktisch undurchdringlich. Nur im Bereich der seeseitigen Umrisslinie liegen unter einer 0,10 m dicken Schotterschicht Keramikbruchstücke, Pfähle und eine dünne Kulturschicht in Seekreide eingebettet.


Bei Querschnitt VI beträgt die Dicke der Schotterschicht mindestens 0,30 bis 0,40 m und mehr. Im seeseitigen Bereich der Siedlung fanden die Taucher unter einer 0,05 m dicken Schlammschicht und großen Steinen in der Seekreide sowie einer 0,10 bis 0,15 m dicken Schotterschicht noch Pfähle und Keramikbruchstücke.

Im nordöstlichen Ende der Station Attersee, im Bereich de Querschnittes VII, ist erstmals eine echte, ausgeprägte Kulturschicht vorhanden. Über der Kulturschicht lagern bis zu 0,50 m dicker, feiner Sand und darüber Schotter, Seekreide und Schlamm. Vor dem gemauerten Ufer liegt eine mächtige Schotterschicht. Das Ende des Siedlungsareals ist ebenfalls von einer harten Schotter- und Sandschicht bedeckt. Nicht weit davon mündete ehemals ein Bach in den See. Es ist daher ohne weiteres möglich, dass die Grenze der Siedlung noch 5 bis 10 m weiter nordöstlich liegt, doch jeder Versuch, die harte Sand- und Schotterschicht von über 0,6 m Stärke zu durchdringen, scheiterte.

Da man annehmen muss, dass von der nordöstlichen Hälfte der Station Attersee etwa 1200 m²unter dem aufgeschütteten Ufer liegen – das sind 18% der vermutlichen Siedlungsfläche – und das meiste davon beim Bauer der Mauer zerstört wurde, hält sich im Vergleich dazu die sichtbare zerstörung durch die Schifffahrt mit 3% in Grenzen.

Der Anteil der zerstörten Siedlungsfläche durch die Schifffahrt ist sicherlich wesentlich größer, wenn man annimmt, dass die heute fehlende Kulturschicht in der gesamten südöstlichen Hälfte des Siedlungsareals durch die von den Schiffen erzeugte Strömung abgeschwemmt wurde. Da jedoch die Fundschicht heute meist unter 0,1 bis 0,2 m dicken Ablagerungen liegt, muss die Abschwemmung schon vor einiger Zeit stattgefunden haben und muss andere, bisher unbekannte Ursachen haben.


Insgesamt ist also mindestens ein Drittel des ursprünglichen Siedlungsareals unwiderruflich zerstört. Eine komplexe Untersuchung der Station Attersee ist ohne wissenschaftlichen Wert. Attersee würde sich daher als Versuchsobjekt zur Erprobung verschiedener kleinflächiger Grabungsmethoden, wie sie zum Beispiel im süddeutschen Raum am Bodensee und in der Schweiz am Zürichsee seit einigen Jahren durchgeführt werden, anbieten. Leider ist gerade in den leicht zugänglichen zerstörten Gebieten keine Kulturschicht vorhanden.


Die von K. Vymazal im Jahre 1975 entnommenen 50 Holzproben wurden der Art nach bestimmt und im JbOÖMV 121, 1976, im Bericht Holzartenbestimmung einiger Pfähle aus der neolithischen Station Attersee/Landungssteg, publiziert. Darin stellt K. Vymazal fest, dass 44% der geborgenen Pfähle von Esche stammen, 14% von Schwarzerle, je 8% von Weißerle, Birke, Weißpappel und Weide, 4% waren aus Pappelholz oder Weide, und zu je 2% bestanden die Holzproben aus Rotbuche, Feldahorn, Bergahorn, Haselstrauch und Tanne. Der Rest war unbestimmbar. Die Durchmesser der Pfähle reichten von 4,2 cm bis 24,4 cm, der gesamte Durchschnitt lag etwa bei 10 cm.


Die Radio-Carbon-Datierung der entnommenen Probe Nr. VRI-730 ergab ein Alter von 4720 ± 100 Jahren (= 2770 BC). Das Alter der Siedlung fügt sich also in den Rahmen der bisherigen in Österreich durchgeführten Altersbestimmungen neolithischer Siedlungen ein.