Die Kanal-Pfahlbauern-Kultur und der Name des Attersees

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Im Dezember 2017 stand der Autor nach einer besonders niederschlagsarmen Jahreshälfte bei Kammerl am Attersee auf der trockenen Strandplatte und fragte sich, wie ehemals die Pfahlbauten von Kammerl und auch die anderen vom Attersee, die sich heute in rund 4 m Wassertiefe befinden, auf dem Trockenen hätten errichtet werden können. Die Abflussmenge der Ager war bereits minimal und sie selbst war nur noch einen halben Meter tief. Falls der Abfluss auch noch um diesen halben Meter niedriger wäre, änderte das nichts an der gänzlichen Unmöglichkeit, dass die Pfahlbauten auf trockenem Boden errichtet worden wären. Die allein mögliche Erklärung bestand darin, dass eben die Sohlschwelle und damit die Abflusshöhe der Ager zur Zeit der Pfahlbauten um 4 bis 5 m tiefer lagen als heute.

veröffentlicht am 27. Juni 2021 Bearbeitungsstand: 27. Juni 2021

Kritik und Informationen: Contact@Atterpedia.at

Einleitung

Die Kanal-Pfahlbauern-Kultur ist eine eigenständige, hochstehende und faszinierende Kulturleistung der Neolithiker, die ihren Ausgangspunkt wohl im Voralpengebiet der Schweiz nahm. Diese Kultur verfügte über das so genannte „Agrarpaket“ und besaß zusätzlich bedeutsames hydrologisches Knowhow und eine vorauszusetzende tiefgehende gesellschaftlich-kulturelle Organisation der Groß-Gruppe. Der Nutzen der technischen Innovation der Kanal-Pfahlbauern bestand darin, dass sie durch einen Kanal den Seespiegel für alle Bereiche eines Sees absenkten, was für eine größere Anzahl von Menschen und Dörfern Vorteile brachte: große trockenfallende Strandflächen, die ohne aufwändige Rodung zur Besiedlung und als Ackerflächen genutzt werden konnten. Beim Auflassen der Besiedlung eines Sees wurde durch erneutes Aufstauen die ursprüngliche Situation wiederhergestellt.

Die hier vorgestellte These zeigt einen Weg, der einerseits das lange umstrittene Problem der Bauten auf Pfählen gegenüber ebenerdigen Siedlungen auf dem Trockenen eindeutig löst, andererseits die Frage der eigentümlichen Gegebenheit beantwortet, dass die meisten See-Siedlungen heute in etwa gleicher Wassertiefe gefunden werden. (Anm.: Erfreulicherweise führte das regelmäßige Wieder-Aufstauen auch dazu, dass die Kulturschichten der Siedlungen durch den Wasserspiegelanstieg konserviert wurden.)

Paradigmatische Entwicklung der Pfahlbauforschung

Siedlung auf Pfählen oder auf dem Trockenen

  1. Pfahlbauten auf Stelzen (erster Keller-Bericht von 1853/54)
  2. Erste Vorstellungen von Landsiedlungen wurden vor allem von Paret (1946) in Vorträgen ab 1941 propagiert. Er geht weiter von Klimaschwankungen als Ursache langfristiger Seespiegelschwankungen aus. Die Besiedlung sei nur zu Zeiten erfolgt, wenn die Seespiegel klimatisch bedingt so niedrig waren, dass die Gebäude auf trockenen Strandplatten errichtet werden konnten.
  3. Guyan, Vogt, Levi, Lüdi et.al. befassen sich 1953/54 im umfassenden Jubiläums-Buch „Das Pfahlbauproblem“ mit der Frage von Land-, Torf- und See-Siedlungen und wollen die Pfahlbauten auf das Trockene stellen. Die Seespiegelschwankungen werden weiter durch Klimaschwankungen bewirkt.
  4. Suter mit Jacomet (1987, S. 19) wollen beim Kleinen Hafner nicht erneut auf die Genese der einzelnen Schichten eingehen, sagen aber sehr klar, dass „ihre Abfolge ein Nacheinander von Phasen der Besiedlung des Kleinen Hafners und Phasen von (längeren) Siedlungsunterbrüchen (Siedlungslücken) widerspiegelt, während denen die Insel zeitweise vollständig oder teilweise überschwemmt war oder zumindest nicht als geeigneter Siedlungsstandort betrachtet worden ist.“, und ihre Bauten stehen auf trockenem Grund.

„Apodiktische“ Werthaltungen zu konstanter Seespiegelhöhe des Zürichsees

  • Der strengste Vertreter des konstanten Seespiegels von 403 m war Conrad Max Schindler (em. Univ.-Prof. Zürich, 1929 – 2016: war Geologe - v.a. des Quartärs des Linthtals - und befasste sich auch mit Archäologie). In zwei Arbeiten (1968, 1971) befasste er sich mit der Zürcher Geologie und auch mit Seespiegelschwankungen des Zürichsees und vor allem der für ihn fixen Sohlschwelle der Limmat. Für ihn kam nicht in Frage, dass die Limmat einmal tiefer geflossen sein könnte. Hinweise auf Seekreidefunde in größerer Tiefe wischte er mit „verstorbenem Bohrmeister“ vom Tisch (Schindler 1971, S.297).
  • Dem steht entgegen, dass die Seekreide unterhalb der Kulturschichten des Kleinen Hafners eine Mächtigkeit von 8 m hat; deren Basis liegt damit ca. 12 m unter der Wasseroberfläche. Entsprechend Jacomet kommt es aber nur bis zu Wassertiefen von 6 m zur Bildung von Seekreide. Ein „Aufwachsen“ des Kleinen Hafners wäre nach Schindler nicht möglich.
  • Schindler (1971) schreibt auf S. 304, dass „der tiefstmögliche Seespiegel durch die Schwelle bei der Marktbrücke bestimmt (wurde) und nicht unter die Kote 403,0 m sinken (konnte), falls nicht der See für längere Zeit abflusslos wurde.“ Falls die Pfahlbauten im Trockenen errichtet worden wären, sieht Schindler als einzige Erklärung eine „solche Trockenheit, dass der Zürichsee eben abflussfrei geworden sei und so der Seespiegel weiter gesunken wäre.“ Auf S. 311 sieht er damit die Hafner-Siedlungen zumindest mit den Füßen dauernd im Wasser.
  • Demgegenüber sehen (Jacomet etal 2018, p.36) in 5.1 Discussion of the depositional environment: „… the water table would have needed to be so low, that Lake Zurich would have effectively had no outflow. Furthermore, older organic deposits on the shore of Lake Zurich would have been above the water table for decades, which would have caused their degradation.“