Die Kanal-Pfahlbauern-Kultur und der Name des Attersees: Unterschied zwischen den Versionen

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* Weiters ist von Interesse, ob das Seegrund-Material in der Nähe von in den See einmündenden Bächen nährstoffreicher gewesen ist. Neben dem Eintrag durch Bäche (die es bei vielen Pfahlbau-Dörfern gibt), kommt es auch durch Laubfall der zumeist mächtigen Uferbäume zu organischem Eintrag in die Uferbereiche.
 
* Weiters ist von Interesse, ob das Seegrund-Material in der Nähe von in den See einmündenden Bächen nährstoffreicher gewesen ist. Neben dem Eintrag durch Bäche (die es bei vielen Pfahlbau-Dörfern gibt), kommt es auch durch Laubfall der zumeist mächtigen Uferbäume zu organischem Eintrag in die Uferbereiche.
  
* Wenn die Fruchtbarkeit des Seebodens genereller verifiziert werden kann, stellt sich als weitere Frage, für wie viele Anbau- und Ernte-Perioden diese erhalten bleibt (Annahme: dauerte wahrscheinlich nur wenige Jahre – dann mussten neue Ackerböden z. B. mittels Brandrodung geschaffen werden.)
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* Wenn die Fruchtbarkeit des Seebodens genereller verifiziert ist, stellt sich als weitere Frage, für wie viele Anbau- und Ernte-Perioden diese erhalten bleibt (Annahme: dauerte wahrscheinlich nur wenige Jahre – dann mussten neue Ackerböden z. B. mittels Brandrodung geschaffen werden.)
  
 
* Der Nährstoffentzug für die Äcker war wohl hoch, wenn das Stroh nicht wieder in den Acker eingearbeitet wurde. Zum Dachdecken wurde Stroh wahrscheinlich nicht verwendet, da dafür Schilf nach dem Trockenfallen reichlich vorhanden war und dieses witterungsbeständiger ist.
 
* Der Nährstoffentzug für die Äcker war wohl hoch, wenn das Stroh nicht wieder in den Acker eingearbeitet wurde. Zum Dachdecken wurde Stroh wahrscheinlich nicht verwendet, da dafür Schilf nach dem Trockenfallen reichlich vorhanden war und dieses witterungsbeständiger ist.

Version vom 31. August 2022, 20:31 Uhr

von Univ.-Prof.Em. Mag. Dipl.-Ing. Dr.techn. Heinz Stigler; veröffentlicht am 27. Juni 2021; Contact@Atterpedia.at


Niedrigwasser Attersee November 2018 (Bild: Josef Huber)

Persönlicher Zugang des Autors

Im Dezember 2018 stand der Autor nach besonders niederschlagsarmem zweitem Quartal und zweiter Jahreshälfte bei Kammerl am Attersee auf der trockenen Strandplatte 30 m vor dem "normalen Ufer" und fragte sich, wie ehemals die Pfahlbauten von Kammerl und auch die anderen vom Attersee, die sich heute in rund 4 Meter Wassertiefe befinden, auf dem Trockenen hätten errichtet werden können. Die Abflussmenge der Ager war bereits minimal und sie selbst war nur noch einen halben Meter tief. Falls der Abfluss auch noch um diesen halben Meter niedriger gewesen wäre, hätte das nichts an der gänzlichen Unmöglichkeit geändert, dass die Pfahlbauten auf trockenem Boden hätten errichtet werden können. Die einzige Möglichkeit ist, dass eben die Sohlschwelle und damit die Abflusshöhe des Attersees zur Zeit der Pfahlbauten um 4-5 Meter tiefer gewesen ist als heute. Im Folgenden werden zum Niedrigwasserstand des Attersees vom November 2018 ein Video und Fotos gebracht:
Niedrigwasserstand Attersee 2018 (Josef Huber, 22.11.2018; 15 Bilder; s.o.)
Attersee Pegel 88 (Video von Alwis Wiener: "es fehlen 59 cm zum Normalwert von 147 cm")


Auf den folgenden Seiten wird die These zur Kanal-Pfahlbauern-Kultur samt entsprechender Forschungsliteratur, Belegen und auch einem archäologischen Experiment vorgelegt.




Inhaltsverzeichnis

Einleitung zur These der Kanal-Pfahlbauern-Kultur

Die Kanal-Pfahlbauern-Kultur ist eine eigenständige und hochstehende Kulturleistung der Neolithiker, die ihren Ausgangspunkt wohl im Voralpengebiet der Schweiz nahm. Diese Kultur verfügte über das so genannte „Agrarpaket“ und besaß zusätzlich bedeutsames hydrologisches Know-how und eine vorauszusetzende gesellschaftlich-kulturelle Organisation der Groß-Gruppe für eine gemeinsame See-Bewirtschaftung. Der Nutzen der technischen Innovation der Kanal-Pfahlbauern bestand darin, dass sie durch einen Kanal den Seespiegel gleichzeitig für alle Bereiche eines Sees absenkten, was für eine größere Anzahl von Menschen und Dörfern Vorteile brachte: große trockenfallende Strandflächen, die ohne aufwändige Rodung zur Besiedlung und (zumindest anfänglich) als Ackerflächen genutzt werden konnten. Beim Auflassen der Besiedlung eines Sees wurde durch absichtliches, erneutes Aufstauen die ursprüngliche Situation (für eine neuerliche Besiedlung) wieder hergestellt.

Erfreulicherweise führte das regelmäßige Wieder-Aufstauen nach Verlassen der Siedlungen auch dazu, dass die Kulturschichten der Siedlungen durch einen raschen und deutlichen Wasserspiegelanstieg geschützt und konserviert wurden.

Die hier vorgestellte These zeigt einen Weg, um einerseits die viel diskutierte Frage von Bauten auf Pfählen über dem Wasser gegenüber ebenerdigen Siedlungen auf dem Trockenen beantworten zu können, und andererseits zur Aufklärung der eigentümlichen Gegebenheit beizutragen, warum heute die meisten der "klassischen" Pfahlbau-Siedlungen in etwa gleicher Wassertiefe von Alpenrandseen gefunden werden und warum überhaupt Hinterlassenschaften trotz Wellenerosion auf uns gekommen sind.

Paradigmatische Entwicklung der Pfahlbauforschung

Einen ausgezeichneten Überblick zum Neolithikum und den Pfahlbauten in der Schweiz gibt Werner E. Stöckli: "Neolithikum", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 07.09.2010. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008012/2010-09-07/, konsultiert am 01.07.2022.

Zum (engen) Verhältnis von ehemaliger Geologie und Pfahlbauforschung

Ein grundsätzliches Problem der Pfahlbauforschung bestand darin, dass sich die ehemaligen Geologen bei ihren Aussagen zu Seespiegelhöhen regelmäßig auf Ergebnisse der Pfahlbauforschung bezogen haben. Andererseits zitierten die Pfahlbauforscher bei ihren Erklärungen ihrerseits wiederum die Geologen. Dies ergab unter Umständen "Zirkelschlüsse", die ehedem von Pfahlbauforschern dominiert wurden. Beispielhaft seien (vorwurfsfrei) angeführt:

  • Huber (1938) zitiert den Pfahlbauforscher Viollier allein im Text 13-mal (mit Fußnoten 29-mal).
  • Der spätere ETHZ-Geologe Schindler (1971) verwendet 5 Pfahlbaustudien von insgesamt 39 Literaturstellen.
  • (nomen scio): "Der 398 m-Stand ist zeitlich mit dem Atlantikum zu korrelieren. Dies stimmt mit dem prähistorischen Befund überein, da mesolithische Funde nur landwärts von oberhalb der 398 m-Höhenlinie bekannt sind."
  • (Geologe; nomen scio): "Jungsteinzeitliche Siedlungsreste finden sich zwischen den Höhenkoten 393 und 396 m, bronzezeitliche dagegen bei 392 bis 394 m. Während des Subboreals lag dann der Seespiegel ca. 2–3 m tiefer als heute, das heisst etwa bei 392 bis 393 m ü. M."
  • Bleicher, Niels et. al. (2018, 36): „The geotechnically reconstructed palaeotopography indicates that for buildings to have been constructed on dry land the water table would have needed to be so low, that Lake Zurich would have effectively had no outflow (Schindler, 1981, 76)".

Wissenschafter zu Seespiegelhöhen des Zürichsees, die Limmat und Sihl (23.4.22)

Alexander Wettstein: "Geologie von Zürich und Umgebung" (1885, Dissertation)

Alexander Wettstein (der mit 25 Jahren allzu früh beim Klettern verstorben ist) stellt mit seiner ausgezeichneten, frühen Dissertation → "Geologie von Zürich und Umgebung" erste relevante Daten des Untergrunds der Limmat zur Verfügung (S. 19): "Im Jahre 1881 wurden im Limmatbett grosse Baggerungen ausgeführt und ein Vergleich der ESCHER’schen Notizen von früheren Ausgrabungen mit den Aufzeichnungen des städtischen Ingenieurbureau ergibt, dass vom See bis unterhalb der Fleischhalle, wahrscheinlich sogar bis zur Bahnhofbrücke hinunter, eine unregelmässige, gewöhnlich 0,2—0,3 m, selten (bei der Fleischhalle) 0,5 m mächtige Schicht einer Ablagerung zieht, die mit der sogenannten Seekreide die grösste Ähnlichkeit hat, d. h. mit einer Ablagerung, die sich nur am Grunde stehender kalkhaltiger Gewässer bildet. Sie liegt auf Moränenschutt, der meist aus mehr oder weniger grobem Kies mit Findlingen besteht, und wird von der Fleischhalle bis zur Münsterbrücke überlagert von einer bis 1 m mächtigen Schicht Wolfbachkies und Schutt aus den Moränen. Dieser letztere wird gegen den See mächtiger, und es ist wahrscheinlich, dass die Seekreideschicht, welche durch Bohrungen bei der Quaibrücke in einer Tiefe von ca . 18 m unter dem Flussgrund [Anm.: was einer Kote von 386 m entspricht] getroffen wurde, identisch ist mit der oben erwähnten Seekreidelage in der Limmat. Da sich diese am Grunde eines stehenden Gewässers abgelagert haben muss, so hat offenbar der See einmal das ganze Gebiet dieser Schicht überdeckt. Dieser Schluss ist um so mehr berechtigt, als die Seekreide sich bis unter die Storchengasse zieht, und überhaupt das ganze Gebiet, das auf der Karte blau bezeichnet ist, schliesandige, lettartige und moorige Absätze aufweist, die sich am besten als Seealluvion deuten lassen. (Escher.)"


Der Baugeologe (im Büro Dr. Moos) und ab 1982 ETH-Prof. Conrad Schindler streicht in seiner Veröffentlichung 1971 (siehe unten ↓ ) anfangs die großen Verdienste von Escher (8 Zitate), Wettstein (3 Zitate) und Huber ("Fundgrube"; 16 Zitate) hervor, schreibt dessen ungeachtet aber auf S. 297: "Viel Verwirrung verursachte eine 1881 im Zentrum der Quaibrücke abgetiefte Bohrung, da diese unter Seekreide und «Moräne» (eiszeitliche Seeablagerungen?) in 18,8-20,3 m Tiefe wiederum Seekreide gefunden haben sollte. A. WETTSTEIN (1885) deutete sie als interglazial (macht Wettstein n i c h t), R. HUBER (1938) verband sie mit der jungen Deckschicht im Limmattal (macht Huber n i c h t). Unsere benachbarten Bohrungen fanden keinerlei Anzeichen für derartige Komplikationen, so dass höchstwahrscheinlich die dubiose «Seekreide» den Sünden eines längst verstorbenen Bohrmeisters anzurechnen ist, es sei denn, ein äusserster Ausläufer des Sihldeltas verzahne sich hier mit der basalen Seekreide."

Damit entwertet Schindler (1971) – indem er "keinerlei Anzeichen für derartige Komplikationen" [?] in unseren benachbarten Bohrungen" findet – die Daten und Aussagen der ehemaligen Geologen Escher und Wettstein, aber auch Huber, auf wenig elegante Weise und legt eine Grundlage für seine "Sohlschwelle von 403,5 m" (siehe unten ↓ ). Bezeichnenderweise kommt auch die von Schindler über-exakt genannte Tiefenlage "18,8-20,3 m" weder bei Wettstein noch bei Huber vor; von Schindler selbst kann sie auch nicht stammen, da er sie ja nicht gefunden hat.


Paul Walther: Zur Geographie der Stadt Zürich (1927; Dissertation und Büchlein)

Die von Walther angegebene alte Uferlinie zeigt den Umriss des zweiteiligen Deltas auch, indem sie in einem gewissen Abstand den kennzeichnenden Seekurven 400, 404 und 408 m folgt. (zitiert in Huber 1938)


Der 11. Pfahlbaubericht (1925)

D. Viollier bringt im → XI. Pfahlbaubericht (1925) in den Mitteilungen der antiquarischen Gesellschaft Zürich, S. 5-14, eine Grafik zu Schichtfolgen mit Höhenkoten von Pfahlbauten am Zürichsee (S. 9), auf die in der Folge von Cramer (1936) und Huber (1938) Bezug genommen wird (siehe unten ↓ ).

(Hier sei angemerkt, dass einer der Herausgeber des 11. Pfahlbauberichts → Theophil Ischer ein überzeugter Gegner von ebenerdigen Siedlungen gewesen ist.)

Links zu den → 12 Pfahlbauberichten der Jahre 1854, 1858, 1860, 1861, 1863, 1866, 1876, 1879, 1887, 1924, 1925 und 1930. (Quelle → "Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft Zürich")



Fritz Cramer: "Klimaschwankungen am Zürichsee?" (1936)

Cramer beschäftigt sich 1936 im Artikel → "Klimaschwankungen am Zürichsee?" mit dem Niveau des Zürichsees zur Pfahlbauzeit im Vergleich zur Gegenwart und will die Annahme von ebenerdigen Siedlungen (Gams, Nordhagen, Reinerth) widerlegen. "So wenig diese Ansicht sich hat behaupten können (gegen Ischer, Vouga ...), so gebührt ihr doch das Verdienst, zu einer klaren Ueberprüfung der Gründe und Gegengründe den Anstoss gegeben zu haben."

Nach Anführung von der Trockenthese widersprechenden Disziplinen (Archäologie, Botanik, Biologie) und der Antiquarischen Gesellschaft Zürich (Pfahlbaubericht XI) wirft er die grundsätzliche Frage auf, ob der See bei gleichem Zufluss aufgrund von Verdunstung abflusslos werden könnte und kommt zum Schluss (S. 130), dass hierfür die Oberfläche des Zürichsees um das 63fache größer sein müsste.

Gegen Schluss seiner Betrachtungen führt Cramer (S. 135) aber überraschenderweise eine "nach-neolithische Möglichkeit für eine Erhöhung des Zürichseeniveaus (an) – nämlich eine allmähliche Aufstauung des Zürichsees durch Geschiebeablagerungen, welche die Sihl dammartig in die Limmat bei der Einmündung vorschob.“ und will sogleich zeigen, “dass eine solche Annahme, die zur Rettung der Trockenthese dienen könnte, nicht zutrifft“ (und dankt Herrn Heierli vom kantonalen Tiefbauamt, Abt. Wasserrechte für dessen Unterstützung).

Zürichsee - Limmatsohle mit 2 ‰ Gefälle bei Sihlmündung nach 2 km

„Etwa unterhalb der Quaibrücke befindet sich eine etwa ¼ m hohe Bodenschwelle, die den natürlichen Abschluss des Seebeckens bildet. Diese Schwelle liegt etwa 403 m ü. M. Es folgt eine ziemlich horizontale Strecke bis zur Uraniabrücke. Dann beginnt ein stetiger Abfall der Flusssohle, der sich ohne merkliche Änderung weit über die Mündungszone der Sihl fortsetzt. Die Flusssohle liegt bei der Sihlmündung ziemlich genau 2 ¼ m tiefer als die Kante an der Quaibrücke.“

Cramer kommt zum Schluss (S. 136): „Die Tatsache, dass die Sihl keine Ablagerungen in die Limmat vorschieben konnte, erklärt sich wohl am einfachsten aus dem im Verhältnis zur Sihl fast siebenfach grösseren, mit dem relativ starken Gefälle von 2 ¼ m pro km fortbewegten Wasserquantum der Limmat. – Die Limmat transportiert heute allen Schutt, den die Sihl zuführt, ohne weiteres ab, – und nichts rechtfertigt die Annahme, dass dies nicht auch zur Pfahlbauzeit der Fall war. Obwohl eingehende Untersuchungen geologischer Art für dies Sihl-Limmat-Problem noch nicht vorliegen, dürfte das Ergebnis solcher Forschungen die oben gewonnenen Resultate durchaus bestätigen und im übrigen einen weiteren methodischen Beweis für die Unhaltbarkeit der Trockenthese, – wenigstens soweit sie die Pfahlbauten betrifft, – liefern."


Robert Huber: "Der Schuttkegel der Sihl im Gebiete der Stadt Zürich" (1938)

Schichtenfolge Pfahlbaustationen am Zürichsee und Seespiegel

Robert Huber (Naturwissenschafter an der Kantonschule Zürich) stellt bei seiner 84-seitigen, lesenswerten und ausgezeichneten Untersuchung (sie wird von Schindler als "Fundgrube" bezeichnet): → Der Schuttkegel der Sihl im Gebiete der Stadt Zürich gleich an den Beginn die Abb. 1 (S. 132) zur „Schichtenlage einiger Pfahlbaustationen am Zürichsee“ (neolithisch: Uto-Quai, Meilen, Horgen; bronzezeitlich: Alpen-Quai, Wollishofen), gibt die Höhenkoten der Siedlungen mit 403 bis 406 m an und fügt auch gleich die „verschiedenen Seespiegel“ hinzu.

Diese Abbildung ist eine Bearbeitung der Abbildung in der vorigen Arbeit von Cramer (Klimaschwankungen am Zürichsee?), der sie seinerseits von D. Viollier´s "XI. Pfahlbaubericht" (1925, S. 9) aus den Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft Zürich übernommen haben will.

Längsprofil der Limmat - vgl. dazu die obige Grafik von Cramer

Huber wischt die Betrachtung von Cramer damit vom Tisch, weil „in Wirklichkeit die Angaben von Cramer weder den frühern noch den heutigen Flussverhältnissen (entsprechen), sondern ungefähr einem Projekt, das erst die zukünftige Abflussregulierung des Zürichsees verwirklichen soll.“

Er bringt (S. 135) als Gegenbeweis eine Grafik, die aber die von Cramer behauptete erodierende Wirkung des starken Gefälles der Limmat nicht widerlegt. (Anm.: Ein Gefälle von 2 ‰ entspricht einem Mittelgebirgsfluss!) Huber meint sogar im Gegenteil, "dass die von Cramer abgelehnte Möglichkeit doch besteht, ja sogar als sicher eingetreten betrachtet werden muss" (S. 135 oben) und begründet das damit, dass die Sihl früher see-näher einmündete.

Huber arbeitet in der Folge alle vorhandenen wissenschaftlichen Arbeiten seines Themas des vergangenen Jahrhunderts (u.a. Wettstein 1885, mit Karte) und alle aktuell verfügbaren Bohrungen und vorhandenen Untersuchungen auf und zeigt die bewegte Historie von Limmat, Sihl und Zürichsee auf. Er spricht auch selbst (S. 139) und auch sonst mehrmals von postglazialem „Rückwärtseinschneiden“, dem Durchsägen von Austrittsschwellen des Flusses durch die Moränenbögen und dem Wiederansteigen der Wasseroberfläche durch die Wirkung einer den Seeauslauf wieder auffüllenden Sihltätigkeit. Von besonderem Interesse ist aber seine Aussage auf S. 184 u.: "...wie im Limmatbett drang auch hier (Alfred-Escher-Platz) der Bohrer nur schwer in die feste Grundmoräne ein" (mit Koten von 385 m ... 394 m; darüber liegen nur Schlamm, Seekreide und Schlemmsand: vgl. die sieben Bohrlochdaten auf S. 185; am Bürkliplatz gibt es bis 390 m keine Moräne; bei der Bahnhofbrücke (S. 152) findet man die Moräne auf 390 m ... 396 m).

(Anm.: Dieses "härtere, feste" Moränenmaterial liegt also deutlich tiefer als die von Schindler angeführte/behauptete Sohlschwelle bei 403,5 m.)

Auf S. 208 führt er hinsichtlich Sihlmündungen in unterschiedlichen Höhen aus: "...dürfen wir vermuten, dass es mehrfach geschehen ist, bis die Sihl in ihr heutiges, wohl dauerhaftes Bett gebannt wurde. Ihre Haupttätigkeit entfaltete sie jedenfalls zwischen 6000(?) und 4000(?) einerseits, und zwischen 700 v. Chr. und Christi Geburt anderseits, also im feuchtwarmen Frühneolithikum und in der nasskalten Eisenzeit." und: "...wird das Rückwärtseinschneiden der Limmat und der Sihl immer stärker zur Wirkung gekommen sein. Möglicherweise haben auch abwehrende Massnahmen der Menschen etwas beigetragen."

Huber kommt auf S. 208/9 zu den interessanten Folgerungen: "Dass die Sihl in prähistorischer Zeit die Limmat staute und von unten eindringend, im See ein Delta anlegte, ist nicht ein vereinzelter Fall eigenartiger Flusstätigkeit. In noch viel stärkeren Masse hat die Kander bei Thun nach dem Durchbruch durch die Moränen den untersten Teil des Thunersees aufgefüllt, und es kann die Frage aufgeworfen werden, ob analoge Veränderungen nicht auch noch bei andern Schweizer Seen festgestellt werden könnten. Einer Prüfung wert wäre auch die Frage, wie stark die aus dem Jura herunterkommende Schüss bei Biel den alten Seeauslauf, die Zihl, und damit Bielersee und Neuenburgersee gestaut hat. Gerade in Hinsicht auf die in jenem Fluss- und Seegebiet zahlreich vorhandenen Pfahlbauten wäre eine derartige Untersuchung nicht ohne Bedeutung. Dabei könnte auch die Lage der Seekreide und anderer Sedimente mitüberprüft werden."


R. Huber (2): Der Freudenberg in der Enge u.a. LInthgletscher-Endmoränen in Zürich (1960)

Huber berichtet in seiner zweiten → einschlägigen Arbeit von 1960 auf S. 224 f. über Sondierbohrungen in der Limmat und zwar bei der Urania-Brücke: Obermoräne bei 399 m und Grundmoräne (in die Bohrer oder Pfähle nur schwer eindringen) bei 394 m; Bahnhofbrücke: bei 387 m; Walchebrücke: Grundmoräne bei 391 m; Drahtschmidli (kurz vor Platzspitz und Sihleinmündung): 394-396 m.

Diese zweite Arbeit von Huber aus 1960 wird im Gegensatz zu jener aus 1938 durch Schindler (1971) aber nicht zitiert.

Damit wird klar, dass dem Postulat Schindlers einer Sohlschwelle von 403,5 m keine konkreten Daten zugrunde liegen.


Schindler: "Geologie von Zürich und ihre Beziehungen zu Seespiegelschwankungen" (1971)

Wenn man diese für die Pfahlbauforschung so wesentlich betrachtete und damit gewordene Veröffentlichung von Conrad Schindler zu: → Geologie von Zürich und ihre Beziehungen zu Seespiegelschwankungen genau durchliest, dann wird wenig verständlich, warum diese Arbeit lange Zeit als das wesentliche Argument gegen ebenerdige Bauten am Zürichsee gegolten hat (und z.T. gilt).

Schindler (1971) postuliert eine Sohlschwelle von 403.5 m bei der Marktbrücke (heute Rathausbrücke), wobei er aber keine Begründung dafür angibt. Diese postglaziale Zürichseehöhe von 403,5 m taucht allerdings bereits bei → Schindler (1968, S. 426) – recht unvermittelt und wiederum unbegründet – auf, wobei er diese Seehöhe von Huber (1938) übernommen haben will: "Zürichsee postglazial nach R. Huber (1938) allmählich auf 403,5 m absinkend, dann auf 408 m steigend, heute auf 406 m." Diese von Huber übernommene Höhenangabe wiederholt Schindler (1968) auf S. 409 u. und in Tabelle 1 auf S. 434.

(Anm.: Mittels elektronischer Suche in der Arbeit von Huber (1938) finden sich aber das von Schindler übernommene Zitat und die angeführte "minimale Seehöhe von 403,5 m" nicht.)

Er spricht 1971 davon, dass im gesamten Flussbett Moräne ansteht, ohne ihre Koten anzuführen. In der Folge führt er aber überraschenderweise aus, dass es im Postglazial zwischen Marktbrücke und Bahnhofsbrücke ein größeres Gefälle als heute gab, sodass (S. 302 f.) "im Limmatbett Rückwärtserosion einsetzte, so dass eine Rinne mit Sohle unter Kote 400 m entstand und bis gegen die Marktbrücke hin zurückgriff. Plötzlich wurde dieser Vorgang jedoch gestoppt und die neu entstandene Rinne mit Schottern gefüllt." und auf S. 304: "Hatte sich vorher ein tiefer, relativ stabiler Seespiegel (403,0 bis 403,5 m) eingestellt, so stellte sich nun eine charakteristische, bis in die Neuzeit wirksame Situation ein. Der tiefstmögliche Seespiegel wurde demnach durch die Schwelle bei der Marktbrücke bestimmt und konnte nicht unter Kote 403,5 m sinken, falls nicht der See für längere Zeit abflusslos wurde. Auf Grund paleobotanischer Untersuchungen schloss W. Lüdi (1951) diese Möglichkeit aber aus, denn ein derart arides Klima widerspricht der damals herrschenden Vegetation."

Profil im Kleinen Hafner (Ruoff): Koten 400-403 m

Schindler bringt auf S. 293 auch die nebenstehende Abbildung mit den Koten vom Kleinen Hafner. Eigentlich hätte ihm zu Denken geben müssen, dass diese Koten mit seiner Seespiegelhöhe nicht zusammen passten. Er bleibt aber bei seiner Angabe zur minimalen Höhe des Seespiegels seiner Veröffentlichung aus 1968.

Auf S. 310 berichtet er (dessenungeachtet, ohne eine "geologische Regung" bzgl. seiner "403,5 m"), dass "nach den Befunden von U. Ruoff in den Ufersiedlungen am Kleinen Hafner ausgelegte Rinden (lagen), am Grossen Hafner ausgelegte Geflechte, an beiden Orten wie auch an der Kreuzstrasse wurden zudem Lehmlagen und sogar alte Feuerstellen gefunden, alles Hinweise auf eine kürzere oder längere Trockenlegung. Es kann deshalb mit gutem Grund angenommen werden, zum Zeitpunkt der Besiedlung habe der Seespiegel besonders tief gelegen, während er in Zwischenperioden stark anstieg, wie dies ja die Einschaltung von Seekreide zeigt."

Schindler schließt hinsichtlich der Pfahlbauten mit der Meinung: "Da archäologische Hinweise für eine zeitweise Lage über Wasser vorliegen, dürften die Siedlungsperioden mit extrem tiefen Wasserständen zusammenfallen. Trotzdem ist aber infolge der jährlichen Spiegelschwankungen zu erwarten, dass die Siedlungsgebiete zeitweise entweder hart am Wasser lagen oder leicht überschwemmt wurden. Sollten sie bodeneben und nicht auf Pfählen errichtet worden sein, so waren sie sehr exponiert und mussten zeitweise verlassen werden. Ein bedeutendes Hochwasser im See, aber auch ein massiver Schub von Sihlgeschiebe in das Gebiet des Hauptbahnhofes konnte im Sommer innert kurzer Zeit eine Überschwemmung hervorrufen: Den Bewohnern blieb in einem solchen Fall nur eilige Flucht."

Im folgenden werden wesentliche Aussagen aus seiner Arbeit – vor allem hinsichtlich der von ihm postulierten minimalen Seespiegelhöhe des Zürichsees von 403,5 m – zitiert. Excerpt:Wesentliche Zitate aus der Arbeit von Schindler (1971).


Dölf Wild: Die niedrigen Seestände zur Zeit der Römer und der Karolinger

trockener Kleiner und Grosser Hafner in römischer Zeit

Dölf Wild zeigt in der Internetpublikation → "Zürichcity unter Wasser - Interaktion zwischen Natur und Mensch in der Frühzeit Zürichs" in sehr anschaulicher Weise die Entwicklung von Zürich und auch des Zürichsees.

Demnach ergeben sich gegenüber dem Hochstand zwei Tiefstände:

"Der erste der beiden Tiefstände scheint direkt mit der römischen Siedlungstätigkeit verbunden zu sein. So wurden römische Planierungsschichten im Gebiet von Storchengasse und Weinplatz praktisch übergangslos direkt auf der Seekreide ausgebracht und erste Steinbauten darauf errichtet. Es macht den Anschein, als wäre der Seespiegel abgesenkt und das gewonnene Terrain sofort besiedelt worden. In spät- oder nachrömischer Zeit scheint dann der Seespiegel wieder angestiegen zu sein. Offenbar wurde das Geröll beim Zusammenfluss von Sihl und Limmat ab der spätrömischen Zeit nicht mehr beiseite geräumt." Der Seespiegel war damals so tief, dass der Kleine und der → Grosse Hafner trocken lagen (vgl. Abb.) und letzterer trug römische Sakralbauten.

"Das zweite Absinken des Seespiegels fällt dann spätestens in die Zeit der karolingischen Klostergründung des Fraumünsters. Das königliche Eigenkloster, das König Ludwig der Deutsche für seine beiden Töchter gestiftet hatte, wurde ausgerechnet in jenes flache Gebiet gebaut, das zuvor langfristig unter Wasser stand. Die Bauleute scheinen sich ihrer Sache sicher gewesen zu sein, als sie für diesen repräsentativen Bau eine derart exponierte Lange gewählt haben. Seit karolingischer Zeit blieben dann die extremen Seehochstände aus."



„Apodiktische“ Haltung Schindlers zu konstanter Seespiegelhöhe des Zürichsees

  • Der strengste Vertreter des konstanten Seespiegels von 403,5 m war → d i e geologische Autorität: (CVI von Conrad Max Schindler) (1929-2016; ab 1982 Univ.-Prof. ETH Zürich). In drei Arbeiten (1968, 1971, 1981) befasste er sich mit der Zürcher Geologie und auch mit Seespiegelschwankungen des Zürichsees und erklärte vor allem eine Sohlschwelle der Limmat als feststehende Größe. (Schindler (1971, S. 302: "...während die Sohle der Abflussrinnen keine Absenkung wesentlich unter 403 m erlauben.") Für ihn kam nicht in Frage, dass die Limmat einmal tiefer geflossen sein könnte.
  • Dem steht entgegen, dass die Seekreide unterhalb der Kulturschichten des Kleinen Hafners eine Mächtigkeit von 8 m hat; deren Basis liegt damit ca. 12 m unter der Wasseroberfläche. Entsprechend Jacomet kommt es aber nur bis zu Wassertiefen von 6 m zur Bildung von Seekreide. Ein „Aufwachsen“ der Basis des Kleinen Hafners wäre nach Schindler gar nicht möglich gewesen.
  • Schindler (1971) schreibt auf S. 304, dass „der tiefstmögliche Seespiegel durch die Schwelle bei der Marktbrücke bestimmt (wurde) und nicht unter die Kote 403,0 m sinken (konnte), falls nicht der See für längere Zeit abflusslos wurde. Auf Grund paläobotanischer Untersuchungen schloss W. Lüdi (1951) diese Möglichkeit aus, denn ein derart arides Klima widerspricht der damals herrschenden Vegetation.“ Wenn man nun die Arbeit von Lüdi → Pfahlbauprobleme durchliest, findet man die von Schindler verwendete Argumentation gar nicht: Lüdi versucht dort vielmehr, Paret anhand naturwissenschaftlicher Gegebenheiten zu widerlegen.
  • Demgegenüber sehen (Bleicher, Niels et al. 2018, p.36) in 5.1 Discussion of the depositional environment: „The geotechnically reconstructed palaeotopography indicates that for buildings to have been constructed on dry land the water table would have needed to be so low, that Lake Zurich would have effectively had no outflow (Schindler, 1981, 76). Furthermore, older organic deposits on the shore of Lake Zurich would have been above the water table for decades, which would have caused their degradation.“ Jedenfalls aber fordern sie, dass zumindest gleich nach Besiedlungsende die Kulturschichten unter Wasser und damit Luftabschluss kommen.

Forschungen zu Klimaschwankungen: Siedlungen auf dem Trockenen oder auf Pfählen?

  • Pfahlbauten auf Stelzen (erster Keller-Bericht zu 1854)
  • Erste Vorstellungen von Landsiedlungen wurden vor allem von Paret in Vorträgen ab 1941 (zusammengefasst in seinem Buch von 1946) propagiert. Er geht aber ohne Nachweisen weiter von langfristigen Klimaschwankungen als Ursache langfristiger Seespiegelschwankungen aus, wird aber von Werner Lüdi: → Pfahlbauprobleme (1950) heftig naturwissenschaftlich kritisiert. Für Paret sei die Besiedlung nur zu Zeiten erfolgt, wenn die Seespiegel klimatisch bedingt so niedrig waren, dass die Gebäude auf trockenen Strandplatten errichtet werden konnten.
  • Guyan, Vogt, Levi, Lüdi et.al. befassen sich 1953/54 im umfassenden 100-Jahre-Jubiläums-Buch „Das Pfahlbauproblem“ mit der Frage von Land-, Moor- und See-Siedlungen und stellen die Pfahlbauten auf das Trockene. Die Seespiegelschwankungen werden aber weiter durch Klimaschwankungen bewirkt.
Variation der Jahresringbreiten und Sommertemperaturen über 7000 Jahre (Yamal)
  • Die Dendroklimatologie untersucht den Zusammenhang zwischen der Breite der Jahresringe von Bäumen und dem Klima. In der nebenstehenden Grafik ist der Zusammenhang zwischen der Breite von Jahresringen von Koniferen und Sommertemperaturen über die vergangenen 7000 Jahre für die Halbinsel Yamal in Nordwestsibirien dargestellt (Quelle: → Dendroklimatologie - IPAE RAS Dendrochronology group research results summary, 2010). Besondere Klimaschwankungen als Grund für Seespiegelschwankungen sind nicht ersichtlich und da sich Klimaschwankungen in höheren Breiten deutlich stärker auswirken, ist davon auszugehen, dass die von Paret und Vogt et al. angenommenen Klimaschwankungen in unseren Breiten nicht als Ursache für die Seespiegelschwankungen in Frage kommen. Auch die Schweizer dendrologischen Reihen werden aller Voraussicht nach analoge Ergebnisse zeigen.
  • Auch Davis (Univ. Lausanne) hat 2003 die historischen Temperaturen in Europa anhand von Pollendaten untersucht und kommt zum Schluss, dass "changes in annual mean temperatures for Europe as a whole suggest an almost linear increase in thermal budget up to 7800 BP, followed by stable conditions for the remainder of the Holocene." → siehe v.a. die Grafiken auf S. 1707 Er sieht in den Pollendaten für Mitteleuropa in den letzten 7800 Jahre keine bedeutsamen Temperaturabweichungen, die Seespiegelschwankungen hätten hervorrufen können.
  • Suter mit Jacomet (1987, S. 19) wollen beim Kleinen Hafner nicht erneut auf die Genese der einzelnen Schichten eingehen, sagen aber klar, dass „ihre Abfolge ein Nacheinander von Phasen der Besiedlung des Kleinen Hafners und Phasen von (längeren) Siedlungsunterbrüchen (Siedlungslücken) widerspiegelt, während denen die Insel zeitweise vollständig oder teilweise überschwemmt war oder zumindest nicht als geeigneter Siedlungsstandort betrachtet worden ist.“, und ihre Bauten stehen auf trockenem Grund.

Zur Problematik: Rasche, tiefe Überdeckung von Kulturschichten oder Wellen-Erosion

Wellen des Sturms "Emma" am Mondsee 1.3.2008

Als eindrückliche Belege für die erodierende Kraft von Stürmen werden beispielhaft Videos gebracht, wie jenes vom Bodensee → vom Unwetter am 20.06.2013: hier wird die sich aufschaukelnde Wirkung auf die Wellenkammhöhen durch die vom Kai reflektierten Gegenwellen sichtbar. Solche Stürme treten an allen Seen auf (Zürichsee: Videos der Stürme am → 14.9.2017 und → 24.9.2018, zuletzt schwerer Sturm am 13.07.2021) und auch recht regelmäßig (z.B. Attersee: 29.10.2017, 31.10.2018, 11.6.2019, 27.7.20, 14.7.2021, vgl. hierzu → das Video und die Bilder vom 31.10.2018). In dem nebenstehenden Bild und dem beigefügten Video desSturms "Emma" am Mondsee vom 1.3.2008 in der Nähe der Pfahlbaustation "See" am Mondsee wird vor allem die Bewegung des Wassers in der anlandenden Welle (unten seewärts, oben landwärts) illustriert.

GIF: Bewegung der Wassertteilchen in Flachwasserwelle

Der See "zieht" aufgrund der → "rollenden" Bewegung der Wasserteilchen in der Welle – oben in der, unten gegen die Wellenbewegung – innert einer → Flachwasser-Welle (vgl. die erhellende GIF-Animation), wie auch der beigefügten Abbildung zu entnehmen ist, vor allem bei Annäherung an das Ufer Material vom Seegrund in Richtung See.

Die erodierende Kraft an der Basis von hohen Wellen wird bei einer nur knapp von Wasser überdeckten "Unterwasser-Insel" wie z.B. dem Kleinen Hafner mit Wasserüberdeckung bedeutend verstärkt, wenn sich der Strömungsquerschnitt für die rückströmenden Wasserteilchen durch die "Unterwasser-Insel" verringert und dadurch ein Lavaldüseneffekt mit deutlich erhöhter Strömungsgeschwindigkeit auf der Inselkuppe bewirkt wird.. Eine wegen steigenden Wasserstandes "untergehende" Insel muss rasch und tief mit Wasser überdeckt worden sein, sonst gäbe es fast keine auf uns gekommenen Relikte.

GIF: Bewegung der Wassertteilchen in Tiefwasserwelle

Je tiefer sich allerdings die Wasserteilchen unter der Wasseroberfläche befinden, umso geringer wird die Bewegung der einzelnen Wasserteilchen aufgrund der Wellen, wie anhand der beigefügten GIF-Animation zu → Tiefwasser-Wellen und der nebenstehenden Abbildung vor allem im Vergleich zu Flachwasser-Wellen zu erkennen ist.

Den Theorien zu Wasserwellen (vgl. auch die nebenstehende Abb. und GIF) ist zu entnehmen, dass die Bewegung der Wasserteilchen in einer Tiefe, die etwa dem halben Abstand der Wellenkämme (= Wellenlänge) entspricht, vernachlässigbar gering wird. Je tiefer das Wasser ist, umso länger sind die Wellen – und umgekehrt. Segler wissen, dass der tiefe Attersee viel längere, flache Wellen hat als der sehr seichte Neusiedlersee mit seinen kurzen, steilen Wellen. Das bedeutet, dass sich Wellen bei Annäherung an das Ufer verkürzen und sich damit die erodierende Kraft bei Alpenrandseen bis in eine Tiefe von etwa zwei bis drei Metern auswirkt. Diese Ergebnisse passen mit Erosionserscheinungen am Bielersee nach der Seespiegelabsenkung der Juragewässerkorrektion gut zusammen.

Anhand dieser Beispiele wird offensichtlich, dass wir bei nur allmählichem Seespiegelanstieg über Jahre, Jahrzehnte (aufgrund der Vorstellung von klimatisch bedingten Seespiegelschwankungen) keine oder nur wenige mobile Hinterlassenschaften finden könnten. Wir müssen im Gegenteil sogar rasche und starke Seespiegelanstiege mit tiefer Wasserüberdeckung für den Verbleib der auf uns gekommenen, zum Teil recht filigranen, leichten, gerade nicht mehr schwimmfähigen, biogenen Funde voraussetzen.

Solche raschen und starken Seespiegelanstiege scheinen bei ursprünglich vorhandenen, anthropogenen Abflusskanälen eher möglich zu sein. Dass Gleiches bei natürlichen Seeabflüssen – und zudem nach jeder Besiedlungsperiode – von selbst passiert sein könnte scheint hingegen als recht unwahrscheinlich.

Die THESE: Das „Geschenk der Sihl“ im Zusammenwirken mit Limmat und Zürichsee

Zürich, Sihl, Siedlungskammer Seefeld 3000 v.Chr.

Von mehreren denkmöglichen Situationen, die die „Er-Findung der Kanal-Pfahlbauern-Technik“ begünstigt haben könnten, scheint es dem Verfasser aufgrund der konkreten zeitlich-historischen Gegebenheiten (älteste Schweizer Pfahlbauern an einem See in Zürich) und des räumlichen Zusammenwirkens der Sihl auf die Limmat und deren Auswirkungen auf den Zürichsee als eine mögliche und realistische These, dass die Innovation der Kanal-Pfahlbauern-Technik ein “Geschenk der Sihl“ sein könnte. (Anm.: Die folgenden Abbildungen sind eine Pionierarbeit des Amtes für Städtebau - Hochbaudepartement der Stadt Zürich. LinkHistorische 3D-Stadtmodelle: Zürich und Sihl 3000 v. Chr. und auch Zürich um 1800 n. Chr.)

Die ältesten "Kanal-Pfahlbauern" der Schweiz sind wohl jene der egolzwilerischen Siedlung am Kleinen Hafner bei Zürich (die unter der Leitung des damaligen Stadtarchäologen Ulrich Ruoff am 24. Dezember 1966 wieder aufgedeckt wurde) und die auf 4430/4230 v. Chr. datiert wird. C14-Datierungen (Ruoff, 1991) der egolzwilerischen Siedlung am Kleinen Hafner weisen ca. 4300/4200 v. Chr. auf. Im Vergleich ist die namengebende Egolzwiler Kultur bei Wauwil jünger. Radiocarbon-Datierungen von Felber (1970) weisen für Egolzwil 3: 3670 B.C., für Egolzwil 4: 3410 B.C. aus. Auch Doppler (2007) weist darauf hin, dass die egolzwilerische Siedlung am Kleinen Hafner bei Zürich älter als jene bei Wauwil ist. → Hafner/Suter (2005, S. 437) führen demgegenüber Egolzwil 3 mit 4282-4275 vor Chr. als älteste Siedlung an, unmittelbar gefolgt von Zürich Kleiner Hafner 5A+B mit 4250-4200 vor Chr. und 4A-C mit 4200-4100 vor Chr. und erst dann mit größerem Abstand von einem halben Jahrtausend Egolzwil 4 mit ~3770 vor Chr. und Egolzwil 5 mit ~3630 vor Chr.

Sihl-Schüttung über Zürich und später in Limmat

Die Sihl war ehedem ein wildbachartiger Fluss, der parallel zum Zürichsee im Sihltal fließt und ursprünglich über das nunmehrige Stadtgebiet von Zürich entwässerte und erst später in die Limmat, den Abfluss des Zürichsees, (heute) nach 1,8 Fluss-Kilometer einmündete. Greule (Deutsches Gewässernamenbuch, 2014) führt den Namen der Sihl auf die idg. Wurzel *s[h2]i-lo „tobend, wütend“ zurück. Bei starken Gewittern konnte der Abfluss der Sihl bis zu 500 m³/sec (!) (Bericht zur Volksabstimmung über die Korrektion der Limmat vom 14.9.1941) betragen (mittlere Wasserführung MQ: 7 m³/s; HHQ; 280 m³/s; → HQ500 = 600 m3/s) und damit dreimal höher als jener der Limmat (150 m³/sec) sein.

Die Sihl schüttete historisch ihre Schotterfracht anfänglich wohl mäandernd über das jetzige Stadtgebiet von Zürich und baute den flachen Untergrund der Stadt auf, wie anhand der 2-m-Höhenschichtlinien zu erkennen ist.

Nachdem dieser Abfluss durch die zunehmende Aufschotterung des Gebietes von Zürich nicht mehr möglich war, verlegte sich der Abfluss der Sihl weiter nach Nordosten und letztlich zur Gänze in die Limmat. Durch ihre Schotterfracht konnte die Sihl nun vor allem bei Starkregen den freien Abfluss der Limmat innert kurzer Zeit so verlegen, dass es zu deren Aufstau und in der Folge zu einem Seespiegelanstieg des Zürichsees kommen konnte.

Siedlungskammer Seefeld und Kleiner Hafner

Wenn die damaligen – vor rund 6.300 Jahren – Ufersiedlungen der egolzwilerischen Kultur am Zürichsee bemerkten, dass der Seespiegel aufgrund einer Gewitter-Schüttung der Sihl in die Limmat immer mehr anstieg, blieb den Siedlern nichts übrig, als diese neue Schotter-Schüttung zu beseitigen. Damit sank der Seespiegel des Sees wieder und die Ufersiedlungen konnten weiter bewohnt werden. Die Beseitigung der Sihl-Schüttung erforderte entweder die Herstellung eines tieferen Grabens neben dem Flussbett (wofür es aber keinen Platz gab) oder die Forcierung eines Erosions-Kanals in der und durch die Limmat selbst. (Anm.: Dass die Neolithiker überhaupt zur Anlage solcher Kanäle befähigt waren sieht man an den Bauwerken z.B. der Altheimer Kultur. Diese schufen ein Erdwerk, das mit mehreren – insgesamt 800 m langen – Gräben mit 2 m Tiefe und 3 m oberer Breite umgeben war.)

Eine solche Rückwärts-Erosion könnte wohl dadurch bewerkstelligt worden sein, dass man mit geeignetem Werkzeug (z. B. lange Stangen mit Haken) das Bett der Limmat beginnend deutlich unterhalb der Einmündung der Sihl kanalartig eintiefte, wodurch sich dort die Strömungsgeschwindigkeit erhöhte und damit ein Selbst-Erosionsgeschehen in Gang gesetzt und unter tätiger Mitwirkung der Kanal-Pfahlbauern bis zum See fortgesetzt wurde. Je nachdem, in welcher Entfernung vom See man mit dieser kanalartigen Eintiefung begann, stellte man wieder die frühere Seespiegelhöhe her oder erreichte sogar niedrigere Pegelstände. Im letzten Fall fielen am ganzen See Strandflächen trocken, die ohne jegliches Roden besiedelt und genutzt werden konnten. Dieser vielfache Nutzen für alle Seeufer-Anwohner veranlasste wohl die gesamte Gruppe, sich an dieser gemeinsamen Kanal-Aufgabe und den Arbeiten zu beteiligen. Die Idee der Kanal-Pfahlbauern-Technik als Geschenk der Sihl war in der Welt.

Eine Eintiefung des Abflusses sollte jedenfalls immer innert einer kurzen Zeitspanne erfolgen, sodass die trockenfallenden Strandflächen nicht durch das Aufkommen von Bäumen (z.B. „Eschen-, Erlen-, Birkenanflug“) entwertet wurden. Der trockenfallende ehemalige Seeboden ist zudem fruchtbar und als Getreideacker nutzbar. (Vgl. das diesbezügliche "archäologische Experiment" des Autors in Kapitel 6 weiter unten.) Emil Vogt schreibt diesbezüglich in seinen "Pfahlbaustudien" (1955), nochmals abgedruckt in den "Schriften zum Neolithikum - Chronologie und Pfahlbaufrage" (1977, S. 105): "Der Nachweis von Bewachsungsspuren auf der Seekreide in Egolzwil 3 im Jahre 1952 war für mich durchaus überraschend. Wir fanden sie erst bei der zweiten Kampagne, hätten sie aber vielleicht schon früher gefunden, wenn wir ihre Existenz anderswo gekannt und hier erwartet hätten." und bei einer späteren Untersuchung (S. 115): "Es gelang mir bei eigenhändiger Untersuchung einer Grabungsfläche direkt an der Oberfläche der Seekreide, also unter der Kulturschicht, dichte Spuren einer pflanzlichen Bewachsung festzustellen (Taf. II, 2)."

2-m-Tiefenschichtlinien Zürichsee, Abflussrinne neben Kleinem Hafner (Bildmitte), Seefeld und Mozartstraße

Klarerweise war der geschaffene Abflusskanal instand zu halten und vor Einsturz und vor allem vor Verklausung zu schützen. Solche Aufgaben kamen klarerweise Siedlungen zu, die bei so gut wie allen Pfahlbauseen regelmäßig in der Nähe des Abflusses zu finden sind (Attersee: Kammer und Seewalchen; Mondsee: See; Bielersee: Niedau; Zürichsee: Kleiner Hafner, usw.)

Tatsächlich verläuft neben dem Kleinen Hafner (siehe die Untiefe in der Bildmitte der nebenstehenden Abbildung) eine „Abfluss-Rinne“ in der entsprechenden Wassertiefe, die bis heute weit in die Limmat hineinreicht, wie an den angegebenen 2-m-Tiefenschichtlinien zu erkennen ist. Es gibt auch Bohrungen neben der Limmat, bei denen Seekreide-Material in entsprechender Tiefe gefunden wurde (Wettstein 1885). Die heutige Höhendifferenz zwischen Zürichsee und Einmündung der Sihl „am Spitz“ in die Limmat beträgt rd. 4 m. (Anm.: Auch beim Bielersee findet man beim Zihl-Ausfluss in Nidau Pfahlreste in bis zu 6 m Tiefe; auch die Zihl weist ab dem Seeabfluss großes Gefälle auf.)

Beim Abfluss des Mondsees gab es in den Jahren 1961/62 geologische Untersuchungen → (Janik 1969, v.a. S. 192) mit einem Abflussprofil der See-Ache, die am Lagerplatz der Möbelfabrik Oberburgau in 5,60 m Tiefe Seeschlick zeigten, sodass also die Wasserführung der Seeache zur Zeit der Pfahlbauten so tief lag, dass die Mondseer Pfahlbauten, die heute in 3,20 m Wassertiefe liegen, damals am trockenen Ufer standen.

Beachtenswerte andere Gegebenheiten

Egolzwil III

Egolzwil III: Der → postglaziale See bedeckte die ganze Ebene südlich von Egolzwil und Wauwil und hatte eine nur geringe Tiefe ( ~ 10m) und wurde von einer niedrigen Endmoräne abgeschlossen. Der Abfluss über die "Alte Ron" führte nur geringe Wassermengen. Durch eine wohl natürliche Seespiegelerniedrigung fielen große Flächen trocken (Vogt 1977, Abb. S. 29). Die Bauten standen nach Vogt jedenfalls ebenerdig auf dem Trockenen. Die erste Besiedlung erfolgte nur für eine kurze Zeitspanne; dann gab es wieder einen Seespiegelanstieg.

Die nächsten Siedlungen Egolzwil 4 und 5 erfolgten erst ein halbes Jahrtausend später, sodass davon auszugehen ist, dass die erste Besiedlung durch günstige Umstände ermöglicht und nicht bewusst durch eine anthropogene Seespiegelabsenkung bewerkstelligt wurde.

Bielersee und die Juragewässerkorrektionen

Die historischen Gegebenheiten des Bielersees zu Zeiten der neolithischen Besiedlung sind heute schwierig abzuschätzen, da → die beiden Juragewässerkorrektionen (vgl. v.a. die Abb. 1, 2 und 3) wesentliche Veränderungen mit sich brachten und der Spiegel des Bielersees bereits durch die erste Korrektion um rd. 2 ½ m abgesenkt wurde.

Jedenfalls hat heute diese Absenkung deutliche Auswirkungen auf die Erosion einiger Pfahlbaustationen am Bielersee. Dies bedingt im Umkehrschluss, dass diese Stationen vor der Gewässerkorrektion so tief unter Wasser lagen, dass sie über fünf Jahrtausende durch Erosion nicht oder nur wenig beeinträchtigt worden sind.

Die ehemaligen hydrologischen Gegebenheiten des Bielersees sind heute durch die Einleitung der Aare und den Nidau-Büren-Kanal ziemlich verändert; die Zihl mündet heute erst nach 2,3 km in diesen ein. Unter den Annahmen, dass der heutige Seespiegel 2 ½ m tiefer liegt und das Wasserkraftwerk Brügg beim Regulierwerk Port bei Niederwasser eine Fallhöhe von 3 m hat, dann hätte die Zihl vom ehemaligen Abfluss bis zum KW Brügg ein Gefälle von über 2 Promille gehabt (was vom Gefälle her einem Mittelgebirgsfluss entspricht). Das bedeutet, dass die ehemaligen Bielerseebewohner mit einer Sohle-Absenkung der Zihl auf einer Länge von 2,3 km eine Absenkung des Seespiegels um rund 5 m bewirkt hätten. Gleiche Gegebenheiten galten für eine Sohle-Erniedrigung der Limmat auf einer Strecke von 1,8 km für eine Seespiegelabsenkung des Zürichsees.

Aktuelle Forschungen am Bodensee

Arbon-Bleiche III (28.3.22)

Leuzinger gibt 2020 für → die jungsteinzeitliche Seeufersiedlung Arbon | Bleiche 3 für die Jahre 3384-3378 v. Chr. eine Höhenlage von 394-396 m ü.M (S. 158) an.

Der heutige Bodensee liegt bei rd. 396,5 m ü.M (mittlerer Sommermittel-Wasserstand, Grafik S. 167) mit maximalem Hochwasserstand von 398 m ü.M im Jahr 1890. Der Niedrigwasserstand im Winter liegt bei 395 m ü.M., der minimale See-Wasserstand bei 394,6 m ü.M. (1949).

Wenn die Höhe des Wasserstands des Bodensees seit der Pfahlbauzeit ungefähr gleich geblieben sein sollte, standen damals alle Bauten v.a. im Sommer im Wasser.

Das (bewegende) Rätsel der «Hügeli» im Bodensee (30.3.22)

Leuzinger berichtet 2021 über → «Hügeli» im Bodensee – rätselhafte Steinschüttungen in der Flachwasserzone zwischen Romanshorn und Altnau, Kanton Thurgau. Ausgezeichnete Abbildungen gibt es in → Spectrum.de und besondere Darstellungen zu den örtlichen Gegebenheiten und v.a. auch zur Untersuchung des «Hügeli 5» findet man in den → "Überraschungen im Thurgau": PPTs der BestOfVorträge 2020, S. 11-26.

Die 170 «Hügeli» wurden in der Zeit zwischen der Pfyner und der Horgener Kultur («Hügeli» S. 111: nach C14 etwa um 3500 BCcal) rund 200-300 m vor dem Ufer in einer 10 km langen Kette aufgeschütttet. Sie haben einen Druchmesser von 20-30 m und eine Schichtstärke von rd. 70-150 cm. Insgesamt ist von einem Gesamtgewicht von rd. 78.000.000 kg auszugehen, was eine enorme Leistung darstellt.

Das "Rätsel" besteht darin, dass die Basen der «Hügeli» auf Höhenkoten zwischen 389,50 und 392,00 m ü.M. liegen, die Kuppen zwischen 390,80 und 392,70 m ü.M. und diese sind damit auch bei Niedrigwasser zumindest 3 m unter der Wasseroberfläche; die tiefsten Basen der «Hügeli» liegen sogar 5-7 m unter dem Wasserspiegel: Wie also wurden diese «Hügeli» errichtet?

Die Basis der Abflussrinne des Bodensees liege bei der Hemishofener Brücke (Anm.: ca. 2 ½ km nach Stein am Rhein) bei 390 m ü.M. (Oberkante von Seeablagerungen (Abb. S. 109), nicht der "anstehenden Moräne" (Text S. 108) laut «Hügeli», S. 109, Abb. 13 des Geotechn. Büros Moos AG aus 1969), sodass "man modellhaft mit einem tiefstmöglichen Wasserspiegel um 392.5 m ü. M. bei einer abfliessenden Wasserhöhe von maximal 2.5 m ausgehen" könne, und es "ist doch offensichtlich, dass der Untersee und erst recht der Obersee wohl nie unter die Kote 393 m ü.M. abgesunken sein können. Dies ist auch mit den absoluten Höhen der Kulturschicht von Arbon-Bleiche 3 bei 393,9 m ü.M. um 3380 v. Chr. und den Befunden im Umfeld des Orkopfs bei Eschenz mit 393,5 m ü.M. in der Frühbronzezeit vereinbar." («Hügeli» S. 108)

"Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang auch die sehr tief liegenden Kulturschichtreste der beiden spätbronzezeitlichen Seeufersiedlungen Unteruhldingen (D) Stollenwiesen und Hagnau (D) Burg auf Höhenkoten um 392 m ü. M. Bei den letztgenannten beiden Fundstellen gilt es allenfalls Sedimentrutschungen sowie eine abgehobene Bauweise der Häuser zu berücksichtigen." («Hügeli» S. 108)

Öhningen-Hörl gegenüber Eschenzerspitz

"Hauptregulatoren der Seepegelschwankungen sind somit die Bachschüttungen bzw. Erosionsvorgänge bei Eschenz (CH) / Öhningen (D) und im Konstanzer Seerhein." («Hügeli», S. 108) Welchen regulierenden Einfluss diese Schüttungen auf die Seehöhen während der letzten 5000 Jahre hatten, wird von Müller aber leider nicht ausgeführt. Haben sich durch die dortigen – über Jahrtausende akkumulierten – Schüttungen die Seespiegel erhöht oder sind sie gleich geblieben? Müller orientiert sich in seinen geologischen Aussagen bzgl. der chronologischen Seespiegelhöhen überraschenderweise an der Pfahlbauforschung und kann damit weniger als unabhängige Bestätigung herangezogen werden.

Lage der Pfahlbauten bei Stein am Rhein, "Im Hof"

Eine relevante Stelle für eine mögliche anthropogene, neolithische Absenkung der Seespiegel ist nach Ansicht des Autors eher im Bereich des Moränenriegels Stein am Rhein-Burg zu suchen, der laut → Müller Erich, (S. 22, Abschn. 3.2.5.2) schon früh durch den Rhein um mehrere Meter erodiert wurde und damit bereits ehedem eine deutliche Absenkung der Abflusshöhe und damit der Seespiegel bewirkte.

Für den Fall, dass der Rhein bei der Moräne Stein am Rhein durch Neolithiker abgesenkt wurde, wären in der Folge aber auch die Schüttungen zwischen Eschenerspitz und Öhningen (Halbinsel Hörl) in den Rhein wegen Einengung des See-Abflusses in Folge der Seeabsenkung relevant geworden. Der Schwemmkegel bei Eschenz ist mehrfach größer als jener des Nödbachs bei Öhningen (vgl. → Abb. in "Der Orkopf", S. 22) – und die beiden könnten in diesem Fall durch besondere Schüttungen nach Starkregen vergleichbar zu Sihl/Limmat den Seespiegel des Bodensees kurzfristig negativ beeinflusst haben.

Tatsächlich wird im → X. Pfahlbaubericht 1924 auf Seite 44 über einen → Pfahlbau in Hof bei Stein am Rhein (= Volltext) inmitten des Rheinstroms – überraschenderweise etwas unterhalb und damit nach der Sohlschwelle von Stein – berichtet. Demgegenüber sind in der Grafik → des XI. Pfahlbauberichts 1930 auf Seite 57 f. bei Stein zwei Siedlungen und zwar vor und nach der Ortschaft als die "untersten" Pfahlbausiedlungen des Bodensees, und damit im Abfluss des Rheins eingezeichnet.

Die von den «Hügeli»-Autoren bedachten Möglichkeiten für die Anlage der «Hügeli» unter Wasser werden von diesen selbst skeptisch angesehen. Auf eine Eisdecke zu hoffen verbietet das gleichzeitige, gesamthafte Aufschütten eines einzelnen Hügels wegen der Eis-Tragfähigkeit (ca. 450 Tonnen je Hügel); bei Verteilung auf mehrere Eisperioden das "Einmessen" wegen fehlender Sichtbarkeit der früheren Schüttungen. Ein Transport mit Einbäumen (10 Einbäume, 10 Fahrten pro Tag mit je 100 kg Beladung) erforderte 7800 Arbeitstage: bei 200 Arbeitstagen pro Jahr ergäbe sich eine Zeitdauer von 39 Jahren bzw. ein Aufwand von ~100 Mannjahren.

Falls die Steinschüttungen doch im Trockenen erfolgt sein sollten, verbliebe nur eine antropogene Absenkung des Seespiegel des Bodensees – was allerdings die ehemaligen Pfahlbauten vor allem von Unteruhldingen aber auch von Arbon-Bleiche III auf das trocken gefallene Seeufer stellen würde.

Archäologisches Experiment: Getreide-Anbau auf Seegrund-Material des Attersees (23.1.22)

Material-Entnahmestelle Attersee 17.7.2019

In der Literatur wird öfter angegeben, dass das Material des Seegrundes nicht fruchtbar sei. Dem Autor ist aber immer bekannt gewesen, dass es im Attersee ab etwa eineinhalb Meter Wassertiefe – also durch Wellenschlag nur mehr wenig beeinflusst – richtiggehende „Unterwasserwiesen“ gibt. Diese bedecken den Boden dicht und vollständig und haben eine Aufwuchshöhe von rund 20 bis 30 cm. In diesem Bewuchs gibt es eine Vielzahl von Kleinfischen und wohl auch Fischbrut, früher beobachtete der Autor dort auch Aale.

Wenn also der Seeboden – des oligotrophen, nährstoffarmen Attersees – Nährstoffe für solche Pflanzen liefert, warum sollte dann ein trocken gefallener Seeboden nicht auch für Getreide geeignet sein? Zudem kommt die Überlegung dazu, dass bei Trockenfallen des Seebodens diese Pflanzenschicht ja einfach in den noch feuchten Boden eingearbeitet werden konnten und damit eine zusätzliche Nährstoffbasis für Getreide darstellen konnte. (Zur Zusammensetzung von Seeböden vgl. Wininger S. 196 ff.; der organische Sedimenttyp Gyttja enthält lt. Wininger, S. 204: 20-50% organische Bestandteile; vgl. auch die diesbezüglichen Aussagen von Vogt bzgl. Egolzwil III.)

Wenn aber trocken fallender Seeboden für Getreide ein fruchtbares Substrat darstellte, dann wäre es eine besonders attraktive Möglichkeit für unsere Ackerbau betreibenden Pfahlbauern gewesen, mit vergleichsweise geringem Aufwand große Ackerflächen ohne Brandrodung oder extrem aufwändigem Roden von Wald mittels Steinbeilen zu gewinnen – die Wurzelstöcke verblieben dabei aber trotzdem "lästigerweise" im Boden.

Das Interesse des Autors führte zu dem folgenden „archäologischen Experiment“:


Getreide-Pflanzversuch mit Seegrund-Material

verwendetes Getreide (Foto vom 17.7.2019)
  • 17.7.2019: Sohn Florian holt Seegrund-Material des Attersees mittels oberhalb des Griffs abgeschnittener 3-Liter-Waschmittelgelflasche in der ehemaligen „Pfahlbau-Bucht“ 1 km südlich von Nußdorf am Attersee, Bundesstraße B 151 Straßen-km 20,2, ca. 25 m vom Ufer entfernt aus 1,8–2 m Wassertiefe. (Anm.: keinerlei Sand oder Schotter, sondern ganz feines, grau-braunes Material)
  • 17.7.2019: Dinkel- und Weizensamen vom Feld des befreundeten Biobauern Bgm. Josef M. aus Nußdorf geholt
Anpflanzung mit Seegrundmaterial in Töpfen
  • 18.7.2019: Pflanzversuch mit in Wiese bündig eingegrabenen zwei Blumentöpfen (siehe Abb.), um "einigermaßen natürliche Wuchsbedingungen", aber auch Abgrenzung des Seeboden-Materials zur normalen Erde des Wiesenbodens sicherzustellen; Töpfe ganz mit Seegrund-Material aufgefüllt: Samen von Kresse, Gras und Getreide mit Finger locker hineingedrückt
  • Wetter nach der Aussaat: recht wechselhaft, um 20 °C ...
  • 10.8.: alle Kresse ist aufgegangen, aber keine Grassamen oder Getreidesamen
  • Mitte September: Enttäuschende Ergebnisse bei Urlaubsende: Kresse gut aufgegangen, aber weder Gras noch Getreide hat gekeimt.

Überraschung beim nächsten Urlaub

die gekeimten Getreideähren (Foto 4.6.2020)

Im Juni des Folgejahres fuhr der Autor wieder an den Attersee und stellte sich auf aufwändiges Rasenmähen ein. Umso größer war die Überraschung, dass die Getreidesamen – die über den Winter in den Blumentöpfen verblieben waren – offenbar im Frühjahr in einem der beiden Töpfe gekeimt hatten und zu Getreideähren von etwa einem ¾ Meter Höhe herangewachsen waren.

Damit war die ursprüngliche Neugier des Autors zufrieden gestellt und die Absicht geweckt, dieses Ergebnis nach Emeritierung einer breiteren Öffentlichkeit in geeigneter Form bekannt zu machen.

Es ist wohl weiters interessant, herauszufinden:

  • welches Seegrund-Material für einen solchen Anbau geeignet ist. Dabei ist wohl zu unterscheiden zwischen heutigem
    • Seegrund-Material unter ufernahem Schilfbestand (niedrige Wassertiefe, wegen der starken Wellenwirkung fast nur mittelgroße Steine),
    • Seegrund-Material seewärts anschließend an den Schilfgürtel (mit Pflanzenbewuchs) und vor allem
    • Material in einer Wassertiefe bis zu etwa fünf Metern (also auf Höhe der ehemaligen Pfahlbauten).
die ehemaligen Getreideähren (Foto 14.9.2021)
  • Weiters ist von Interesse, ob das Seegrund-Material in der Nähe von in den See einmündenden Bächen nährstoffreicher gewesen ist. Neben dem Eintrag durch Bäche (die es bei vielen Pfahlbau-Dörfern gibt), kommt es auch durch Laubfall der zumeist mächtigen Uferbäume zu organischem Eintrag in die Uferbereiche.
  • Wenn die Fruchtbarkeit des Seebodens genereller verifiziert ist, stellt sich als weitere Frage, für wie viele Anbau- und Ernte-Perioden diese erhalten bleibt (Annahme: dauerte wahrscheinlich nur wenige Jahre – dann mussten neue Ackerböden z. B. mittels Brandrodung geschaffen werden.)
  • Der Nährstoffentzug für die Äcker war wohl hoch, wenn das Stroh nicht wieder in den Acker eingearbeitet wurde. Zum Dachdecken wurde Stroh wahrscheinlich nicht verwendet, da dafür Schilf nach dem Trockenfallen reichlich vorhanden war und dieses witterungsbeständiger ist.

Archäologische Experimente zu Baumfällen, Roden und Ackerbau

Roden von Bäumen für Hausbau und Gewinnung von Ackerflächen

Experimentalarchäologie: Baumfällen in Ergersheim (D)

Ehrmann/Rösch/Schier propagieren in ihren seit 1998 in Forchtenberg (D) laufenden Forschungen → Experimentelle Rekonstruktion eines jungneolithischen Wald-Feldbaus mit Feuereinsatz (2009) intensiv die Brandrodung als "eine der wenigen Möglichkeiten für die Bewirtschaftung neolithischer Siedlungen". Besonders sind hier aber auch ihre aufschlussreichen Ergebnisse hinsichtlich des Aufwandes für das Fällen von Bäumen (siehe hierzu die Fäll-Arbeit mit Dechsel über Kopf in der nebenstehenden Abbildung) und den Aufwand für die Gewinnung von Ackerflächen durch vollständige Rodung von Waldflächen und Brand.

Unerwartet ist jedenfalls, dass die Steinbeile auch nach 100 gefällten Bäumen nicht nachgeschärft werden müssen. Der Aufwand für das Fällen steigt bis zu einem Stammdurchmesser von 35 cm ɸ etwa linear mit der zugehörigen Querschnittsfläche des Stammes an, darüber aber überproportional wegen des steigenden Volumens für die erforderlichen Fällkerben (siehe die ungewohnte "Fälltechnik" in der Abbildung, mit der hohe Baumstümpfe stehen bleiben). Detaillierte Werte für den Arbeitsaufwand je Baum sind der nachstehenden Tabelle zu entnehmen. Überraschend ist auch, dass Eichen und Buchen mit ihrem harten Holz zwar etwas mehr, die weichholzige Linde aber nicht merklich weniger Aufwand für das Fällen erfordert.

Fälldauer von Bäumen mit Steinbeilen abhängig vom Stammdurchmesser
Stammdurchmesser (cm) 11 16 22 27 32 36 62 80 100
Querschnittsfläche (cm²) 100 200 400 600 800 1000 3000 5000 8000
→ Fälldauer (in Minuten) 12 25 55 83 115 160 600 1000 2000

Für den Hausbau sind jedenfalls Stämme zu fällen. Geht man von 20-cm-ɸ-Bäumen aus, benötigt man etwa eine ¾ Stunde je Baum. Mittels Spalten – das vergleichsweise einfach ist, wie im zweiten Video (siehe unten) zu sehen ist – gewinnt man zwei Hölzer, wie sie häufig bei Pfahlbauten verwendet werden. Für Türen wird man aber deutlich dickere Bäume gefällt und (zweimal - zu einem Brett) gespalten haben.


YOUTUBE-Videos zeigen den Aufwand des Fällens von Bäumen (Eichen)

Archäologische Experimente in Ergersheim 2012 zeigen auf YOUTUBE Waldarbeiten.

YOUTUBE: Tree-felling with a stone adze; Dechsel am Dachsberg 3 min
Im März 2012 führten wir unseren zweiten Versuch durch, eine Eiche mit Steindechseln ("Schuhleisten-Keilen") zu fällen (8 Stunden pro 50-cm-Stamm). 2011 ging einiges schief, aber wir hatten aus den Problemen gelernt: Die Werkzeuge wurden verbessert, Arbeitstechniken optimiert, und wir hatten wieder viel Spaß im Ergersheimer Wald. Im nächsten Jahr werden wir uns intensiver mit Arbeiten beschäftigen, die wir jetzt ausprobiert haben, vor allem das Spalten und die Weiterverarbeitung des Baumstammes.

YOUTUBE: Stone adzes and bone chisels vs. oaks at Ergersheim 2012 7 min
Fällen von Bäumen, das Spalten von Stämmen und die Bearbeitung von Eichenholzbohlen mit möglichen Rekonstruktionen und Nachbildungen von frühneolithischen ("Linearbandkeramik", ca. 7.000 Jahre alt) Stein-Dechseln und Knochenmeißeln. Frühe neolithische Brunnen hatten oft eine Blockkonstruktion aus gespaltenen und begradigten Eichenbohlen, die im Falle des Altscherbitzer Brunnens einen Zapfen und ein mit einem Stift gesichertes Loch hatten.

YOUTUBE: Woodworking with a stone adze 3 min
Der Film zeigt die Berabeitung von frischem Eichenholz mit einem Steindechsel, geschäftet im 115°-Winkel wie der frühneolithische Fund aus dem bandkeramischen Brunnen von Altscherbitz (Sachsen) während des 2. Ergersheimer Experiments im März 2012.


Experimentelle Rekonstruktion eines jungneolithischen Wald-Feldbaus mit Feuereinsatz

Ehrmann/Rösch/Schier propagieren – wohl für Mitteldeutschland – in ihren seit 1998 in Forchtenberg laufenden Forschungen → Experimentelle Rekonstruktion eines jungneolithischen Wald-Feldbaus mit Feuereinsatz (2009) intensiv die Brandrodung als "eine der wenigen Möglichkeiten für die Bewirtschaftung neolithischer Siedlungen". Sie gehen bei dem von ihnen vorgeschlagenen "Wald-Feldbau mit Feuereinsatz" als dem "günstigsten Verfahren" von den drei Arbeitsschritten aus: Einschlag des WaldesBrandeinmaliger Getreideanbau, die mit eindrucksvollen Bildern des "Brennens" und der Getreidefelder im Artikel gezeigt werden.

Dieses Verfahren hat aber einen enormen Flächenverbrauch, da das Verfahren nur einmalig angewendet wird und nach der Ernte die Fläche 10 bis 15 Jahre brach liegt, damit wieder Holz für den nächsten Brand – der die Fläche wieder mit entsprechenden Nährstoffen versorgt (Düngung) – nachwachsen kann. Das dann anfallende Holz reicht aber auch nur für ca. ein Viertel der Fläche aus und es muss zusätzliches Holz für den Brand besorgt werden. Damit kann nachhaltig immer nur 1/40 der Landschaft für den Getreideanbau genutzt werden. Dieses Verfahren setzt voraus, dass die verfügbare Fläche nicht limitiert ist. Es ist auch kein Verfahren, um eine zahlreiche Bevölkerung auf lange Sicht zu ernähren, zumal sich die Stickstoff-Austräge beim Brand langfristig nachteilig bemerkbar machen.
(Anm.: Aus okonomischen Gründen ist damit die Situierung der Siedlung im Zentrum eines Kreises für die Äcker zielführend. Damit scheinen Siedlungen an einem See, der ja nur einen Halb-Kreis für die Felder ermöglicht, wegen der um 40 % längeren Wege nicht sinnvoll.)

Die Autoren gehen bei ihren Berechnungen von einer Einheits-Anbaufläche von 1000 m² = 0,1 ha aus. Das ist die Größe, die man für den Jahresbedarf von 400 kg Getreide für zwei Personen (eine arbeitende Person ernährt eine weitere) bei einem Ertrag von 4000 kg/ha zugrunde legen kann.

Im "eingeschwungenen Zustand" ergibt sich bei dieser Bewirtschaftungsart folgender jährlicher Arbeitsaufwand: für das Fällen der 10 Jahre brach gelegenen Fläche 20 Tage (d), Entasten 26 d, Überbrennen der Fläche 10 d (Brennholzbedarf für 1000 m²: 15 t), Aussaat mit einem Grabstock 21 d und Ernte rd. 20 d – in Summe also 97 Tage. Dazu kommt noch die Reinigung der Ernte zur Vermeidung von Unkrautsamen bei der nächsten Aussaat. (Anm.: Der Rodungsaufwand für 0,1 ha "im eingeschwungenen Zustand" beträgt in Abhängigkeit vom Alter der Bäume von 10 Jahren: 20 Tage; bei 15 Jahren: 20 Tage und bei 45 Jahren: 62 Tage.

Der Beginn dieser Bewirtschaftsungsart stellt eine besondere Hürde dar. Es gibt ja noch nirgends die bereits einmal gerodeten Waldstücke, und am Beginn muss ein normales Stück Urwald gerodet werden, was bei einem Bäume-Alter von 70 Jahren 120 Tage und einem ursprünglichen Urwald wohl über 200 Arbeitstage für 0,1 ha entspricht.

Damit sind vor der Gründung von neuen neolithischen Siedlungen "Pioniere" erforderlich, die aber auch ernährt werden müssen. Z. B. hätten 10 Menschen in Miesling 0.5 ha benötigt – mit dem Multiplikator von 40 bei Wald-Feldbau mit Feuereinsatz ergäbe das einen gesamten Flächenbedarf von 20 ha – und die waren und sind dort nicht verfügbar. Gleiches gilt für die Stationen am Mondsee.

Da der "eingeschwungene Zustand" erst nach rd. 15 Jahren erreicht wird (erstmals werden die als erste genutzten Flächen erneut gerodet und gebrannt), hätten diese "Pioniere" ihr ganzes Arbeitsleben lang ganzjährig nur Urwald gerodet.

Anm.: Die von Ehrmann/Rösch/Schier vorgeschlagene anfängliche, erste Rodung für den ersten Getreideanbau wird demnach nicht auf diese so aufwändige Weise erfolgt sein. Einfacher geht es wohl mit "Schwenden", indem die großen Bäume rundherum entrindet werden, sodass sie absterben. Dieser Waldteil wird dann nach 1-2 Jahren mit den noch stehenden, verdorrten Bäumen abgebrannt worden sein.


Landschaftspflege statt Wanderfeldbau der Pfahlbauern im Spätneolithikum (4300-2400 BC)

Die Archäobotanikerin Stefanie Jacomet schreibt 2016 in ihrem (et 15 al.) tiefschürfenden und umfassenden Artikel, dass → Vor-Ort-Daten Zweifel an der Hypothese des Wanderfeldbaus im Spätneolithikum (ca. 4300-2400 cal. BC) im Gebiet der mitteleuropäischen Pfahlbauten aufkommen lassen und schlägt Landschaftspflege als alternatives Paradigma vor.

Früh- und mittelneolithische Siedlungen (noch vor der Pfahlbauernzeit) befanden sich in einiger Entfernung von den seenreichen Moränengebieten. Vom Beginn des Spätneolithikums an (um 4300 v. Chr.) sind die Mikrokohlewerte (von Holzverbrennungen) in den Pollendiagrammen bis zu fünfmal höher als in den beiden früheren Phasen und stammten wohl von Brandrodungen. Die Brandrodung war möglicherweise unabhängig von der Landwirtschaft und diente auch anderen Zwecken wie der der Öffnung der Landschaft für die Viehzucht (Schaffung von Weideflächen für die Tiere; Apfelbäume usw.), für Pflanzen an Waldrändern (z.B. Beeren) und die Jagd. Auf solchen verbrannten Flächen – wie auch in bewirtschafteten Wäldern – entwickelte sich eine strauchreiche Sekundärvegetation, wie auch die großen Mengen an gesammelten Pflanzen und die wachsende Vielfalt an gejagten Tieren des Freilandes im Spätneolithikum zeigen. Die Hasel ist aufgrund ihres robusten Wurzelstocks, aus dem schnell Triebe nachwachsen, relativ feuer-resistent und kann sich nach Brandrodung gut vermehren. Auf zuvor verbrannten Flächen wächst kein Sekundärwald und es entstehen Wiesen, wenn dort eine ausreichende Anzahl von Ziegen, Schafen und Kühen weidet. Die hohen Mikrokohlenwerte können auch vom Verbrennen von Stoppelfeldern nach der Getreideernte oder von verbranntem Holzreisig auf den Feldern zur Düngung (Holzkohle) stammen.

Jacomet kommt zum Schluss, dass es beim Wanderfeldbau überhaupt kein Unkraut geben dürfte (es wird immer auf jungfräulichen Feldern angebaut), weder in den Beständen noch in den Mischproben aus den Kulturschichten der Dörfer. Da dies nicht der Fall ist, lehnt sie die Hypothese eines spätneolithischen Wanderfeldbaus auf der Grundlage der empirischen Vor-Ort-Daten ab.

Alle Daten vor Ort deuten auf fruchtbare Böden mit höheren pH-Werten (nicht "sauer") hin, sodass kein Brand-Feldbau notwendig war. Alles deutet hin auf den dauerhaften Anbau von Getreide (Brotweizen, Gerste), Speise-Erbse, Gemeiner Lein (Flachs; für Seile und Gewebe) und Schlafmohn → (als Nahrungs- und Heilpflanze: für Brei und Speiseöl; → frühe weltweite Verbreitung). Schlechte Böden dienten der Gewinnung von Brennholz, Holzkohle, Rinde zum Gerben usw., und die verbrannte Fläche wurde dann auch als Weide genutzt. Es hat eine starke Interdependenz zwischen Viehzucht und Pflanzenanbau gegeben. Um effizient zu wirtschaften, ist zum einen eine bestimmte Mindestzahl von Haustieren erforderlich, und zum anderen hat das Düngen wichtige Auswirkungen auf die Investitionen in Land und die territorialen Ansprüche der Bauerngruppen. Eine der wichtigsten Fragen ist die Bodenfruchtbarkeit und wie sie hoch gehalten werden kann (durch Verlagerung von Feldern oder Düngung, und v.a. auch Fruchtfolgesysteme). Entsprechend empirischen Unkrautdaten gab es vom Beginn des Spätneolithikums an eine dauerhafte Kultivierung. Es gibt keine überzeugenden Argumente, die für die Existenz von Wanderfeldbau sprechen. Die Unkrautdaten vor Ort deuten auf permanente, ziemlich intensiv bearbeitete Felder und vielleicht sogar auf den Einsatz von Dung hin.

Zusammenfassend schreibt Jacomet: "Die Daten bestätigen auch, dass Sammeln und Jagen sehr wichtig waren. Ein Teil des Sammelsystems bestand wahrscheinlich auch in der Bewirtschaftung der Wälder, einschließlich der Niederwaldbewirtschaftung und vielleicht der Bestockung. Eine derart intensive Nutzung der Natur-Ressourcen lässt vermuten, dass die Menschen die Landschaft derart beeinflussten, um höhere und sicherere Erträge an Wildfrüchten und gutem Bauholz zu erzielen. Eine Öffnung der Landschaft begünstigt auch die erfolgreiche Jagd. Und die Notwendigkeit, gute Weidegründe für Haustiere (vor allem Rinder) bereitzustellen, war entscheidend. Wie die Daten zeigen, beinhaltete diese Landschaftspflege auch den Einsatz von Feuer und schuf dabei ein Mosaik von Mikroumgebungen wie Grenzgebiete, buschreiche Landschaften usw."


Helmut Schlichtherle (et 4 aliae) berichten in → Landwirtschaftliche Praktiken bei neolithischen Seeuferstandorten _ Kultivierung der Auswahl über die konkreten landwirtschaftlichen Praktiken in Hornstaad-Hörnle IA (anno 3910) und in Sipplingen (4000 - 2800: über 1000 Jahre) – beides sind Seeufersiedlungen am westlichen Untersee bzw. Obersee.

Plan Hornstaad-Hörnle IA mit jahrgenauen Errichtungsdaten

Die Häuser von Hornstaad-Hörnle IA wurden zwischen 3918 und 3902 v. Chr errichtet. Das Dorf wuchs willkürlich, ohne sichtbare strukturelle Organisation oder Hierarchie. Im Herbst des Jahres 3910 v. Chr. zerstörte ein Feuer fast das gesamte Dorf, wobei die Überreste der Häuser und die gesamte Ernte aus diesem Jahr in einer einzigen Schicht erhalten blieben. Der See erodierte später einen Großteil dieser verbrannten Kulturablagerung, aber eine Fläche von ca. 2500 m², die 21 Häuser umfasste, blieb für weitere Untersuchungen verfügbar (Abbildung der Dorfes mit Errichtungsdaten der einzelnen Häuser). Bei systematischen Probenahmen dieser verbrannten Schicht wurden zahlreiche Getreideläger mit tausenden von außergewöhnlich gut erhaltenen verkohlten Getreideähren und losen, einzelnen Körnern, aber auch Haselnüssen und Wildäpfeln, gefunden.

Hornstaad: Getreideläger nach Arten und Häusern

Die Untersuchung der Getreidekörner ergab besonders hohe δ15N-Werte (Stickstoff mit Atomgewicht 15, anstatt 14 wie in der Atmosphäre) der Getreidekörner, die nur mit kontinuierlicher Bewirtschaftung der Felder und laufender guter Düngung (also kein Wanderfeldbau) erklärt werden können. Die Wissenschafterinnen fanden überzeugende Nachweise für die z.T. unterschiedliche Behandlung einzelner Felder bzw. unterschiedlicher Getreidearten – und konnten damit auch soziale Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen Häusern der Siedlung aufdecken.


Sipplingen liegt am Nordufer des Bodensees. Hier umschließen steile, bis zu 560 m hohe Hügel ein etwa 200 ha großes Hügelland um den See (ca. 400 m.ü.M.). Die berechnete Ackerfläche, die für die Versorgung von (großzügig geschätzten) 750 Menschen erforderlich ist, wurde bei intensivem Ackerbau auf 120 ha geschätzt, die innerhalb der Hügelgrenzen untergebracht werden konnten, während für den Anbau von Feldfrüchten im Wanderfeldbau 2250 ha Land erforderlich gewesen wären, die aber gar nicht vorhanden waren.

Sipplingen hat eine stratigraphische Abfolge von 15 Kulturschichten, die von ca. 4000 bis ca. 2800 cal BC reichen und eine durchgehende Besiedlung des Gebiets durch die Kulturen von Hornstaad (3919-3902 cal BC), Pfyn (3870-3500 cal BC) und Horgen (ca. 3300-2800 cal BC) liegen.

Mit der Isotopenanalyse konnten damit die ackerbaulichen Verhältnisse über mehr als 1000 Jahre nachverfolgt werden und über das gesamte Jahrtausends ist die kontinuierlich gute Düngung der Getreideflächen (und damit kein Wanderfeldbau) nachgewiesen und es gab ein gut etabliertes, intensives landwirtschaftliches System, das über mehr als ein Jahrtausend lang Bestand hatte.



Die Forschungen von Peter Suter am Zürichsee (1987) und Bielersee (2017)

Mit den nachfolgenden zwei Auflistungen zum Kleinen Hafner und dem Bielersee werden auf Basis der beiden hervorragenden Arbeiten von Peter Suter zu diesen Örtlichkeiten die einzelnen Besiedlungen in ihrer zeitlichen Abfolge dargestellt.

Besonders die Untersuchungen am Kleinen Hafner zeigen, dass es die dortigen Hinterlassenschaften bei klimatisch bedingten, zufälligen Schwankungen des Seespiegels wohl nicht in der vorgefundenen Qualität geben würde.

Die umfassenden Untersuchungen von Suter "Um 2700 v. Chr. - Wandel und Kontinuität in den Ufersiedlungen am Bielersee" zeigen die Gleichzeitigkeit der Besiedlung an mehreren Stellen des Sees und damit wohl auch eine gemeinsame gesellschaftliche Leistung.

Liste: → Stratigraphische Siedlungsschichten am Kleinen Hafner vor Zürich (Suter 1987)

Die ausgezeichnete und besonders detaillierte Untersuchung von Suter beim Kleinen Hafner (1987) ist vor allem deshalb so spannend, weil die dortige egolzwilerische Kultur als die wahrscheinlich älteste Pfahlbauernkultur der Schweiz anzusehen und damit als „Er-Finderin der innovativen "Kanal-Pfahlbauern-Kultur" vermutet werden kann.

Suter: Erodierende Brandungswirkung von Wellen

Die Frage, ab welchen Besiedlungsperioden es besonders rasche und starke Seespiegelanstiege mit dann nur geringeren Erosionen gegeben hat, kann wohl vor allem durch den Erforscher des Kleinen Hafners Peter Suter beurteilt werden – der bereits 1987 aufgrund des Erosionsgeschehens zwischen langsamem/schnellem Seeanstieg und niedriger/tiefer Überschwemmung unterschieden und mit Seekreidebildung auch die einzelnen Schichten getrennt hat.

Die rund 20 von Suter unterschiedenen Besiedlungen zwischen 4450/4250 und 2800 v.Chr. konnten wohl nur aufgrund raschen Absenkens (es gibt in den einzelnen Schichten keine Baumwurzeln) und nach Besiedlungsende raschen Anstiegs des Seespiegels (mit dadurch nur vergleichsweise geringen Erosionen) auf uns kommen. Die Stärke der Seekreideschichten zwischen Kulturen (20-50 cm) zeigen eine langdauernde und hohe Wasserüberdeckung. Wären diese Seespiegelschwankungen aufgrund klimatischer Veränderungen zustande gekommen, die nur im Verlauf von Jahren, Jahrzehnten mit nur allmählich steigendem Wasserspiegel wirksam geworden wären, hätten wir wegen der erodierenden Kraft eines Sees (vgl. hierzu das Bild eines Weststurms bei Sutz-Lattrigen in → Suter, S. 387) fast keine und vor allem keine derartig gut erhaltenen Funde und Befunde.

Liste: → Dendrochronologisch datierte Besiedlungzeiträume des Bielersees (Suter 2017)

Die herausragende Arbeit von Suter → "Um 2700 v. Chr. – Wandel und Kontinuität in den Ufersiedlungen am Bielersee" (2017) zeigt Besiedlungen erstmals für einen ganzen See und nicht nur für einzelne Siedlungsstationen.

Die rund 12 Besiedlungszeiträume zwischen 4300/4000 und ~2600 v.Chr. sind ab 3800 v. Chr. dendrochronologisch exakt nachgewiesen. Die Untersuchungen zeigen aufschlussreich jahr-scharf zumindest für die letzten drei Siedlungsperioden, dass die gleichzeitige Neubesiedlung vieler Seestationen innert weniger Jahre und auf gleichen Höhenkoten erfolgte. Das bestätigt eindeutig, dass sich die Pfahlbauern-Kultur auf den gesamten See erstreckte und wohl eine gemeinsame gesellschaftliche Leistung darstellte.

Regressionen und Transgressionen am Bielersee; Suter, Peter J.: ~2700 BC, Wandel und Kontinuität

Im Abschnitt 25.1 "Lage und Erhaltung der Siedlungsreste" (S. 383) bringt Suter eine erhellende schematische Grafik vom Jungneolithikum bis zur Frühbronzezeit mit der zeitgleichen "Abfolge von Regression mit Besiedlung der Bielerseestrandplatte und Transgression mit Siedlungslücken sowie Akkumulation bzw. Erosion der Strandplatte. Dendrodatierte Siedlungsperioden am Süd-, West- und Nordufer des Bielersees sowie an seinem Ausfluss." und auf S. 384 schreibt er: "Als Fazit zu den Siedlungen der ersten Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr. stellen wir für die Strandplatten des Bielersees eine weiterhin lückenhafte Quellenlage fest: die Abfolge von Besiedlungsphasen und Siedlungslücken ist auf den schwankenden Seespiegel zurückzuführen. Im 28. Jahrhundert v. Chr. erlaubte ein länger dauernder Pegeltiefstand eine längere Siedlungsphase ..."

Suter sieht in Abschnitt 25.6 "Territorium und Siedlungsgebiete" (S. 396) die Siedlungen wohl auf dem Trockenen, wenn er als Gründe für Siedlungsunterbrüche angibt: "In Zeiten schlechterer klimatischer Bedingungen und/oder bei Störungen des Wasserabflusses konnte der Seespiegel des Bielersees für kürzere oder längere Zeit derart ansteigen, dass die Siedlungsplätze auf der Strandplatte aufgegeben werden mussten."

Wenngleich Suter auf die Frage nach der Errichtung der Bauten zu ebener Erde oder auf Pfählen im Wasser nicht explizit eingeht, schreibt er auf S. 430 in seiner Zusammenfassung: "Als Fazit stellen wir fest, dass die Strandplatten des Bielersees im 3. Jahrtausend v. Chr. eine Abfolge von Besiedlungsphasen und Siedlungslücken aufzeigen, die wohl auf schwankende Seespiegelstände zurückzuführen sind." und er geht eher "von leicht abgehobenen Hausböden aus, was sich als vorteilhaft bei Regen, insbesondere aber bei heftigen Weststürmen (zeigte), wofür aber Indizien fehlten". Er begündet diese Konstruktionsweise (S. 41, FN 102) damit, dass "zu bedenken (ist), dass der Abfluss des Bielersees damals nicht geregelt war und im Falle von Hochwässern beim Zusammenfluss von Zihl und Alter Aare verstopft werden konnte." Weiters schreibt er, dass "die Bewohner gegen Wind und Wellen versuchten, ihre Dörfer auch mit Palisaden zu schützen."

Mögliche Ursachen für Seespiegelschwankungen am Bielersee (Lüdi 1935)

Nachfolgend sei hier noch auf die frühe Veröffentlichung von Werner Lüdi hingewiesen: → Kap. XII: Von den Ursachen der Seespiegelschwankungen des Bielersees (siehe v.a. elektronische Wortsuchen zu „Zihl“, "Rückwärtserosion" sowie "Bielersee" und "Neuenburgersee" – deren Seespiegelhöhen sich vor der Korrektion um nur 120 cm unterschieden haben sollen) in den → Veröffentlichungen des Geobotanischen Institutes Rübel, Zürich, Bd. 11 (1935) zu: "Das Grosse Moos im westschweizerischen Seelande und die Geschichte seiner Entstehung" von Werner Lüdi, die mögliche Ursachen für ehemalige Seespiegelschwankungen im Zusammenwirken von Zihl mit Schüss und Aare ventiliert. Lüdi gibt in seinem Anhang auch eine seltene graphische Darstellung → des Drei-Seen-Gebiets vor der Korrektion der Juragewässer. Im Kap. XIII: → Postglaziale Seespiegel- und Grundwasserschwankungen, Überschwemmungs- und Trockenhorizonte im Gebiete zwischen Alpen und Jura weist Lüdi auf S. 296 darauf hin, dass sich "in Zürich die Eigentümlichkeit der Lage (wiederholt), die wir am Genfer-, Bieler-, Thuner-, Vierwaldstättersee gefunden haben, dass nahe dem Seeausflusse ein Gebirgsfluss, der leicht zu Hochwasser anschwillt und in diesem Zustande viel Geschiebe führt, sich mit dem aus dem See ausfliessenden Flusse vereinigt. Hier ist es die Sihl, welche die Wasser der Schwyzer Alpen der Limmat zuführt und den Seespiegel weitgehend zu beeinflussen vermag. Kleinere, vom Zürichberg herunterkommende Bäche dagegen werden kaum eine wesentliche Wirkung ausgeübt haben."

Diskussion der und Abwägungen zur vorgelegten These

Beharrungskräfte gegen die vorgelegte These

  • Emil Vogt (1955, S. 119) schreibt: „Es ist in der Regel keine besonders erfreuliche Aufgabe, scheinbar feststehende Anschauungen als in wesentlichen Teilen revisonsbedürftig aufzuzeigen. Und dies besonders, wenn diese Ansichten im Geschichtsbild eines Landes und seines Volkes fest verankert sind. … Ich sehe nicht ein, warum man einer alten Vorstellung nachtrauern soll, wenn man sie nicht mehr für richtig halten kann, und besonders, wenn das Bild, das an ihre Stelle gesetzt wird, nicht minder interessant und merkwürdig, aber richtiger ist. … Ich wende mich an jene, die imstande sind, über die bisherige Forschung mittels alter und neuer Materialien zu diskutieren unter Hintanstellung vorgefasster Meinungen, rein gefühlsmäßiger Stimmungen oder gar scheinpatriotischer Haltung. … Und sollte das zur Folge haben, dass in Zukunft die Erforschung der sogenannten Pfahlbauten sich der Lösung ganz bestimmter Probleme widmen wird, so wird ein wesentliches Ziel meiner Bestrebungen erreicht sein.“ ... und er erreichte sein Ziel doch nicht.
  • Martin Grünig stellt tiefschürfend und erhellend "die Bedeutung der Pfahlbauer für die schweizerische Geschichtsschreibung und die nationale Identität des 19. Jahrhunderts" dar, die ein Abgehen von den ursprünglichen Vorstellungen Kellers nicht zuließen. (in → Am Wasser und über die Alpen; S. 106 f.: Wo in der Geschichte stehen die Pfahlbauer? Archäologischer Dienst Kanton Bern 2013)
  • Apodiktische Feststellungen von einer nachmaligen ETHZ-Autorität wie dem Geologen Schindler verhinderten und verhindern bis heute (zuletzt 2018) ein Nachdenken über alternative Erklärungsansätze zum Pfahlbauproblem. Dies gilt umso mehr, wenn er zur Untermauerung seiner Thesen mehrfach andere Autoren mit nicht Gesagtem zitiert und gegenteilige Aussagen nicht bringt.
  • "Wir haben je nach Witterung etwa 250.000 bis 300.000 Besucher im Jahr." Besuche von April bis Anfang November in "einem von nur drei Museen in ganz Deutschland, die nicht auf staatliche Förderungen angewiesen sind" verfestigen das romantisierende, sommerliche Idyll des Lebens über dem Wasser.
    Anmerkung dazu: Im Winter wird es in Bauten über Wasser wegen fehlender Wärmedämmung des Fußbodens nach unten und damit auch dessen fehlender Wärmestrahlung äußerst ungemütlich. Bei ebenerdigen Bauten kann man demgegenüber auch im Winter von einer Temperatur des Erdreichs und damit des Fußbodens von rd. 6-8 °C ausgehen.
    Anmerkung: Ein längerer, winterlicher Aufenthalt mit ehemaliger Winter-Bekleidung in einem solchen Pfahlbau über Wasser wäre ein einfach durchzuführendes archäologisches Experiment, das viel zur Klärung beitragen könnte.
  • Bedeutsame heutige Pfahlbauforscher meinen, dass die Pfahlbauern eher clever Möglichkeiten genutzt haben, da es ja gut nutzbares Land im Hinterland der Seen gab. Es sei zu bezweifeln, dass die kleinen Populationen des 4. Jtsd. v. Chr. die Abflüsse so großer Flüsse wie des Rheins so hätten verändern können, dass es zu einer Rückwärtserosion gekommen wäre.
    (Anmerkung dazu: Eine Abschätzung der Höhendifferenz vor/nach Stein am Rhein mittels Google Earth ergibt etwa vier Meter (397 → 393 m.ü.M) auf einer Strecke von rd. 400 Metern. Die jüngsten Erkenntnisse bzgl. des Aufwandes für die Errichtung der "Hügeli" stellen deren Fähigkeiten bzgl. eines eventuellen Wiederaufstaus des Rheins in ein neues Licht.

Matthäus Much hat 1926 die Puzzleteile in der Hand und zieht gegenteiligen Schluss (6.4.22)

Die → Salzburger Wacht bringt am 14.9.1926, S. 6 f. einen Artikel zum Vortrag von Prof. Much anläßlich der Anthropologentagung vom 10./11.9.1926 in Salzburg; in Langfassung: → "Waren unsere heimischen Pfahlbauten aus der prähistorischen Zeit Wassersiedlungen?"

Much tritt gegen Ansichten von → H. Reinerth (Karriere und Irrwege): CVI in Veröffentlichungen und bei der vorjährigen deutschen Anthropologentagung in Halle a.d. Saale auf, dass die Pfahlbauten Landsiedlungen gewesen seien, weil diese offenes Gelände zur Niederlassung geboten hätten, und sie erst durch (klimatisch bedingte) Seespiegelanstiege unter Wasser gekommen seien.

  • Much meint dazu: Wenn man schon Landbauten errichtet hätte, stellte sich die Frage, warum man diese unmittelbar am Uferrand eines Gewässers und nicht auf einer Lichtung im Wald errichtet hätte.
  • Auch hätte man solche Landsiedlungen nicht alle in der selben Höhenlage angelegt, wie man sie heute z.B. am Attersee findet. Gerieten diese erst durch Hebung des Seespiegels ins Wasser, so sei es unbegreiflich, warum heute alle in fast gleicher Wassertiefe liegen.
  • Wären diese Landsiedlungen nur allmählich unter Wasser geraten, hätte der Wellenschlag die Kulturschichten und vor allem die leichten Hinterlassenschaften völlig erodiert. Biologisches Material hätte sich am Trockenen nicht erhalten.
  • Weiters findet man in den Kulturschichten keine Wurzelstöcke und Wurzeln, die ja beim Roden nicht entfernt worden wären.
  • Much ist gegen (Reinerth´s) Klimaveränderungen als Ursache für niedrigere Seespiegel: Ein Sinken um einige Meter hätte einen tiefer liegenden oder tiefer eingeschnittenen Ausfluss des Sees zur Voraussetzung.
  • Eine Hebung des Wasserspiegels um etliche Meter wäre nur denkbar, wenn sich am Ausfluss durch Bergstürze, Muren oder durch das von Seitenbächen herabgeführte Geröll ein natürlicher Staudamm bildete. Alle diese Vorbedingungen sind an den in Betracht kommenden Salzkammergutseen nicht vorhanden.

Weitere unterstützende Argumente für die These

  • Ein wesentliches Argument für vorhandene, anthropogene Abflusskanäle stellt gerade die Notwendigkeit rasch steigender Wasserspiegel nach Siedlungsende dar, was ja die Voraussetzung für das Konservieren der Hinterlassenschaften und Kulturschichten ist. Bestärkend dafür sind heute erforderliche Schutzmaßnahmen gegen Erosion z.B. bei den folgenden Stationen: Biel-Vingelz, Keutschacher See, Hallwilersee, Sipplingen, Wangen-Hinterhorn, Bodman-Schachen/Löchle, Sutz-Lattrigen (um 1 Mio. SFr.) usw. Nur künstlich geschaffene Abflusskanäle können kurzfristig zugeschüttet bzw. verlegt werden. Es gibt bei mehreren Pfahlbauseen bei den Ausflüssen aber auch natürliche Möglichkeiten für ein mögliches rasches Verlegen des Abflusses (nach Lüdi: Sihl in Limmat, Genfer-, Bieler-, Thuner-, Vierwaldstättersee).
  • Vorhandene Nachweise für tiefere Abflüsse gegenüber heutigem Abflussniveau sind zu finden in: Seeache beim Mondsee (Janik), Limmat bei Zürcher Quaibrücke (Wettstein), Pfähle bei Nidau am Bielersee (Suter).
  • Es gibt keine Wurzelstöcke oder Wurzeln in den Siedlungsschichten (vgl. Suter, Kleiner Hafner, 1987; Suter 2017: Pfählekarten Bielersee; Vogt 1977, Egolzwil 3): Die Pfahlbauern hätten wohl Bäume fällen können, aber die Entfernung von Wurzelstöcken war weder sinnvoll noch möglich. Das Fehlen von Wurzelstöcken in den Siedlungsarealen zeigt, dass diese vor allem auch zwischen Besiedlungsperioden unter Wasser lagen (kein quasi "Eschenanflug" usw.) und auch während der Besiedlung baumfrei blieben.
  • Stratigraphie am Kleinen Hafner zeigt zumindest zehn Besiedlungsperioden und dazwischen Seekreidebildungen mit deutlicher Wasserüberdeckung.
  • Dendrochronologische Daten am Bielersee zeigen jahr-scharf gleichzeitigen Besiedlungsstart am ganzen See und über zehn Besiedlungszeiträume.
  • Bei allen „Kanal-Pfahlbau-Seen“ gibt es Siedlungen nahe oder direkt beim Abfluss, wohl zur Verhinderung von Verklausung z.B. durch angeschwemmte Baumstämme nach starken Gewittern, die Pflege und Instandhaltung des Kanals usw.
  • Pfahlbauten gibt es bevorzugt an Alpenrandseen bzw. ehemaligen „Gletscher-Seen“ mit Endmoräne; der Abfluss hat ab der Sohlschwelle immer großes Gefälle
  • Fehlende Pfahlbauten bei Seen ohne Endmoräne (z.B. Wallersee): wahrscheinlich wegen zu langer erforderlicher Kanäle für eine entsprechende See-Absenkung
  • Seen mit Gletscher im Einzugsgebiet werden – zumindest in Österreich, nicht in der Schweiz – eher gemieden (siehe Traunsee mit unvorhersehbar hohen Frühjahrsabflüssen: Regen und warme Niederschläge auf den Dachstein-Gletscher produzierten am Traunsee Hochwasserstände bis zu 5 m über normaler Seespiegelhöhe)
  • Manche Siedlungslokalisierungen werden nur mit überindividuellen Aufgabenstellungen in einer Gemeinschaft verstehbar (z.B. Misling am Attersee, westliches Steilufer des Bielersees …)
  • Komplexe Festlegung der Lage von Siedlungen nach Gunstlagen (Ackerbau, Viehwirtschaft) und auch Schutzwirkung (Beispiele: Urwald, Mäandersituationen, Einsichtigkeit, gestufte Rückzugsörtlichkeiten, nur über Wasser erreichbar …)

Nutzen und Vorteile der Kanal-Pfahlbauern-Kultur

  • gleichzeitiges Trockenfallen vieler Strandplatten am ganzen See zu Dorfgründungen ohne Rodungsaufwand
  • diese sind (zumindest anfänglich) fruchtbare Ackerböden (siehe hierzu das "Archäologische Getreideanbau-Experiment" weiter oben sowie die Anmerkungen dazu in der Literatur von Vogt)
  • ehemaliger Bodenbewuchs mit Seepflanzen verfault rasch und wirkt düngend
  • Zuchtvieh zur Vermeidung von Inzucht am See räumlich nahe ausreichend verfügbar
  • weicher ehemaliger Seeboden ist günstig zum Einrammen (Eingraben) von Hütten-Pfählen
  • Seekreide und Lehm zum Abdichten der Hüttenwandgeflechte, Schilf als Dachmaterial reichlich vorhanden
  • natürliche Voraussetzungen zur Spezialisierung: Hüttenbauer, Kanalinstandhalter, Kanalreiniger, Ackerbau-Dörfer, Viehzucht-Dörfer, Jäger, Materialbeschaffer (Mondseer Steinbeile kommen von der Salzach und aus dem Mühlviertel – V. Reiter, 2013), Werkzeughersteller, Einbaumbauer usw.
  • Fischerei mit Netzen, Holz-Reusen und Angelhaken aus Knochen

  • entstehende Inseln mit offensichtlicher Schutzwirkung (z.B. Keutschacher See in Kärnten): aufwändig; Äcker und Vieh am Land
  • Verteidigungsgemeinschaft gegenüber Angriffen marodierender Jäger/Sammler-Gruppen (? fraglich lt. Gimbutas)
  • Rückzugsoptionen bei Angriffen (? fraglich lt. Gimbutas): z. B. Kammer → Attersee → Abtsdorf → Nußdorf → Misling → See/Mondsee (ist von Ortsfremden vom Attersee kommend unauffindbar)

Voraussetzungen und Aufwand der Kanal-Pfahlbauern-Kultur

  • Druck auf gesellschaftliche Organisation mit hierarchischer Gliederung einer Großgruppe je See, Arbeitsteilung, Produkte- bzw. Dienste-Austausch; u.U. Personal-Rotation je Dorf für unterschiedliche Gemeinschafts-Aufgaben
  • je nach Seegröße und Abflusssituation kurzzeitig sehr großer personeller Aufwand für die Tieferlegung des Abflusskanals (Herstellung eines Grabens oder „Rückwärts-Erosion“ im bestehenden Abfluss)
  • die See-Absenkung setzt voraus: günstiger Alpenvorland-See mit Endmoräne, Know-how der See-Bewirtschaftung, Zuversicht über Arbeitserfolg, verfügbare zureichende Arbeitskräfte, Planung der Absenkung, Arbeitsorganisation, Nahrungs-Versorgung der Arbeiter während der Kanal-Bauzeit u.s.w.
  • zielführende Einbeziehung eines eventuell vorhandenen vorgelagerten Sees als „Vorfluter“ und damit Verminderung der Gefahr von Hochwasser (z.B. kleinerer Mondsee mit dem größeren Einzugsgebiet – Attersee; viel größerer Neuenburgersee – Bielersee usw.)
  • Personal für die laufende Pflege des Kanals (Kanal-Abkehr, Verhinderung von Verklausung …): bei jedem Pfahlbausee findet man beim Abfluss zumindest eine Siedlung (Mondsee 1, Attersee 2, Bielersee und Zürichsee mehrere ...)
  • Diese Arbeiten erfordern „Hydroarbeiter“, die sich damit selbst weniger mit dem Lebensnotwendigen versorgen können und also durch Mehrproduktion von anderen mitversorgt werden müssen.

Beendigung der Besiedlungsphase an einem See

  • Hypothesen zu Katastrophen, die zum Untergang von Siedlungen geführt haben sollen (vgl. Schindler, Janik, Birnbacher u.a.m.): Bergsturz mit Tsunami wie in → "Der Spiegel", Erdbeben usw. sind wohl attraktiv für die Bekanntheit des Autors, aber ziemlich unwahrscheinlich und nirgends (auch nicht am Mondsee) nachgewiesen
  • Überschwemmung einer Siedlung (ein solches Ereignis wäre aber immer für einen gesamten See gleichzeitig eingetreten, sodass alle Siedlungen plötzlich zur selben Zeit zu Ende gingen)
  • Brandkatastrophen können einzelne Dörfer alleine getroffen haben. Falls sich an den Seeverhältnissen nichts geändert hat, wäre aber der Wiederaufbau einfach möglich gewesen, wie man anhand von Bränden am Kleinen Hafner ohne Siedlungsunterbruch erkennen kann.
  • Die Gründe für das Verlassen eines Sees werden wohl in agrarwirtschaftlichen, ökologischen und materiellen Ursachen zu finden sein.
  • Unter Umständen ermöglichte „Brandrodung als Wirtschaftsform" nur eine begrenzte regionale Ausbreitung und wenn diese erreicht war, musste eben ein neuer See besiedelt werden.
  • Die Aufgabe einer Siedlung / eines Sees wird wohl eine gemeinschaftliche Entscheidung gewesen sein.

Mögliche Gründe für den Wiederaufstau beim Verlassen des Sees

Es ist nicht unmittelbar einsichtig, warum sich die Siedler beim Verlassen „ihres Sees“ der Mühe des Wieder-Aufstaus unterzogen haben sollen, aber:

  • Durch einen Aufstau konnte keine andere Gruppe die verlassenen Gebäude und Strandplatten nutzen und sich an diesem See festsetzen.
  • Die Siedler wollten wohl die von ihnen empfundenen Vorteile „ihres Sees“ auch in Zukunft wieder nutzen.
  • Durch einen Wiederaufstau kam es wohl zu einer ökologischen / materiellen Regeneration und die Wiederherstellung des ursprünglichen, als vorteilhaft empfundenen Zustands mit neuem Wasserpflanzenbewuchs der Strandplatte und vor allem die Verhinderung von Baumbewuchs.
  • Unter Umständen sind manche „Dorfbrände“ beim Verlassen bewusst selbst gelegt worden: damit mussten alle Seeanwohner (zu einem neuen See) mit abziehen. Gleiches machten ja auch die Helvetier bei ihrem Abzug zu Caesar´s Zeiten.

Möglichkeiten zum Wiederaufstau eines Pfahlbausees

  • Die Vermutung eines Bergsturzes (Janik bei Seeache unterhalb Mondsee) mit Verlegung des tief liegenden Abflusses und damit Aufstau des Mondsees geht rein geographisch bei den meisten Kanal-Pfahlbauern-Seen wegen fehlender Berge beim Ausfluss nicht: Attersee, Bielersee, Neuenburgersee …
  • „Natürliche“ Erhöhung des Abflusses: wird ursprünglich beim Zürichsee durch Sihl-Schüttungen bei Hochwässern in die Limmat immer wieder von selbst vorgekommen sein.
  • „Künstliche“ Abflusserhöhung: anthropogen entsprechend dem Sihl-Vorbild (z.B. Material der Sihl aus der regelmäßigen „Flussabkehr“ v.a. bei höchster Sohlschwelle einbringen).
  • Falls nur der Bereich der ehemaligen höchsten Abfluss-Schwelle für den Aufstau wiederhergestellt wurde, so ermöglichte dies bei künftiger Wiederbesiedlung mit wenig Aufwand den Seespiegel erneut abzusenken.
  • Der Bereich nach dieser neuen Abflussschwelle hatte dann aber ein sehr starkes Gefälle, sodass die Ränder des Kanals wohl bald einstürzten und der Kanal breiter und flacher wurde. Deshalb wird man wohl den Kanal auch flussabwärts an mehreren Stellen aufgeschüttet haben.
  • Diese erodierende Wirkung auf den Kanal gab es seeseitig aber nicht: man vergleiche hierzu die Gegebenheit beim Ausfluss des Zürichsees, die bis heute neben dem Kleinen Hafner eine Rinne weit in die abfließende Limmat hinein aufweist. (Anm.: ... wenngleich die heutige Rinne wohl von der letzten See-Absenkung aus römischer Zeit stammt, als es Bauten auf dem Trockenen auf der damaligen Insel des Großen Hafners gab.)
  • Manchmal wird aber – vor allem bei besonders großen Seen – der gewollte Wiederaufstau nicht mehr gänzlich gelungen sein, sodass die ehemaligen Siedlungen dauerhaft auf dem Trockenen zu liegen kamen und blieben: neue Siedlungen nach erneuter Absenkung liegen dann unterhalb der Höhenkoten der früheren Siedlungen. (Lüdi schreibt, dass vor allem beim Bodensee die einzelnen Stationen auf unterschiedlichen Höhen liegen.)

Wirkung eines Wiederaufstaus auf die Hinterlassenschaften der Kanal-Pfahlbauern

  • Die Wieder-Herstellung der hohen Abflussschwelle führte je nach Niederschlägen und den natürlichen Zuflüssen zu einem raschen Wiederanstieg des Wasserspiegels. Beispielhaft sei angeführt, dass der Attersee ohne Abfluss je Jahr um 12 m ansteigen würde. Nach der Herstellung eines Aufstaus und dem Verlassen des Sees dauert es demnach nur wenige Monate, bis zumindest die Gebäude zu einem Großteil im Wasser stehen. Damit kommt es auch zu nur geringen Verschwemmungen der Hinterlassenschaften innerhalb der stehen gebliebenen Gebäude. Erst weiteres Ansteigen, Wellen und Stürme werden die Wände der Bauten in Mitleidenschaft gezogen haben, aber da sind biologisches Material und Hölzer bereits untergegangen. Bei weiterem Wasseranstieg nimmt die Wellenwirkung in größerer Tiefe immer mehr ab.
  • Falls es rasch starke Stürme gab, konnten die Gebäude nicht lange standhalten und viele vor allem filigrane Hinterlassenschaften wurden verschwemmt und es kam auch zu stärkerer Erosion der Kulturschicht.
  • Falls Siedlungen vor dem neuen Anstieg in einer Brandkatastrophe endeten, reichte schon normaler Wellenschlag, um Hinterlassenschaften und Kulturschicht zu verschwemmen und zu erodieren.
  • Die Ablagerung von Seekreide findet in einer Wassertiefe von einem halben bis zu 6 m statt (Jacomet) und deckt bestehende Kultur- und Besiedlungsschichten ab und konserviert diese.
  • Die Auswirkungen einer zu geringen Wassertiefe auf die Hinterlassenschaften von Pfahlbauten kann heute am Bielersee anhand der erodierenden Wirkung nur geringer Überdeckung wegen der Juragewässerkorrektionen beobachtet werden, wogegen Schutzmaßnahmen ergriffen werden (müssen).

Plädoyer für Synergien mit Nachbardisziplinen zur Pfahlbauforschung

Nutzen-Vermutungen und Forderungen nach Einbeziehung von weiteren naturwissenschaftlichen Disziplinen ziehen sich wie ein roter Faden durch das dem Doyen der Jahre 1930 bis 1970 der Schweizerischen Pfahlbauforschung Emil Vogt zu Ehren herausgegebene Buch „Schriften zum Neolithikum – Chronologie und Pfahlbaufrage“: siehe hierzu vor allem Seite 150 "Naturwissenschaftliche Probleme". In seinen hier vorgelegten bedeutsamsten 15 Aufsätzen belegt er die kulturelle Auftrennung der ehemaligen Cortaillodkultur in eine (ältere) Egolzwiler Kultur und die (jüngere) Cortaillodkultur. Er weist nach, dass es sich bei den Pfahlbauten von Wauwil (Egolzwil 3 und 4) um ebenerdige Siedlungen auf einer Strandplatte handelte. Er nimmt eine natürliche Absenkung des Seespiegels an, die zu einem wasserfreien Baugrund führte und stellte damit die „Wasser-Pfahlbauten“ Ferdinand Kellers (1800-1881) nach einem Jahrhundert frontal in Frage und auf das Trockene. Für einzelne Seen sieht er (S. 150, letzter Absatz) als mögliche Ursachen für Seespiegelschwankungen beispielhaft eine "Aufhöhung und Stauung der Ausflüsse durch Schotter [sic !], Biberbauten usw."

Eine aktuelle Darstellung zu den → "Naturwissenschaftlichen Methoden in der Archäologie" aus dem Jahr 2018 ist den Mitteilungen der Naturforschenden Gesellschaft Bern zu entnehmen, wie auch die grundsätzliche Aussage: «Durch interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Archäologie und Geowissenschaften werden differenziertere Aussagen ermöglicht, als dies mit rein archäologischen Untersuchungsmethoden der Fall wäre.»

Diese Synergiepotentiale gelten wohl vor allem für der Pfahlbauforschung benachbarte Disziplinen wie Hydrologie, Klimatologie, Geologie, experimentelle Archäologie, Archäo-Disziplinen wie Archäogenetik, Archäobotanik usw. In der vorliegenden Arbeit wurde versucht, einige dieser Wissenschaftsdisziplinen in eine Gesamtschau einzubeziehen.

Auch ein Zusammenwirken von Sprachwissenschaftern mit Pfahlbauwissenschaftern könnte wechselseitige Synergien bringen. Können Informationen der Pfahlbauforscher für die Sprachwissenschafter nützlich sein? Welches Wissen ist in den in indoeuropäischen Sprachen bis heute tradierten Namen von Gewässern gespeichert? Gibt es neolithische Bezeichnungen, die von den ankommenden Indoeuropäern in ihre Sprache übernommen und tradiert wurden? Welche speziellen neolithischen Werkzeuge, kulturellen Besonderheiten usw. haben in europäischen indoeuropäischen Sprachen Namen hinterlassen, die es in anderen indoeuropäischen Gebieten nicht oder anders gibt? Solche Erkenntnisse könnten möglicherweise einen – wenn auch kleinen – Einblick in die Sprache der Pfahlbauern geben. Als vergleichbares Beispiel sei hier auf pelasgische Wörter als Bestandteil des alten Griechischen hingewiesen.

Attersee: Name und Bedeutung

Neolithisch oder Indogermanisch?

Die Kanal-Pfahlbauern-Erfindung ist jedenfalls eine neolithisch-europäische Innovation, wahrscheinlich mit der Zürcher egolzwilerischen Kultur beginnend und dort gefolgt von der Cortaillod-, Pfyn-, und Horgen-Kultur; diese letzten Kanal-Pfahlbauern am Kleinen Hafner waren bereits mit Schnurkeramikern vermengt; diese kamen vom indoeuropäischen Kurgan-Volk. In der Pfahlbausiedlung Mondsee gibt es den Fund eines Tibia-Pferdeknochens (Wolf 1977), der in dieser dicht bewaldeten Gegend wohl nur von einem indoeuropäischen Reitpferd stammt.

Der Name „Atter"-See ist entweder noch neolithisch-europäisch oder bereits indoeuropäisch. Auf jeden Fall weist er ganz weit in die Vergangenheit.

Falls der Name neolithisch-europäisch ist, bezeichnet er in deren – uns unbekannten – Sprache einen See, der abgesenkt wurde, um auf den dann trocken gefallenen Strandplatten zu siedeln und auf diesen (zumindest anfänglich) Getreide anzubauen und nach Ausbeutung der regionalen Ressourcen wegzuziehen – um wiederzukommen. Falls diese Interpretation zutrifft, frägt man sich, warum dann nicht alle Schweizer Pfahlbau-Seen auch „Attersee“ heißen. Die Antwort ist einfach: weil funktional alle Schweizer Pfahlbauseen „Atter“-Seen waren und es damit nicht sinnvoll war, jeden See als „Attersee“ zu benennen. Damit verblieb der funktionale Gattungs-Name „Attersee“ nur dem außerhalb des engeren Schweizer Kanal-Pfahlbauern-Seengebietes gelegenen Attersee als Name.

Falls er von den bereits ankommenden Indoeuropäern in ihrer Sprache benannt wurde, so hieß er eben nach seiner Idee: Absenkung eines Sees mittels eines menschengemachten Kanals um Flächen für Getreideanbau und Siedlung ohne Rodungsaufwand zu gewinnen; dies ist im Indogermanischen wohl benennbar gewesen. Für diese Variante spricht vor allem, dass es ab dem Erscheinen der Kurgan-Leute eine bis heute ununterbrochene Weitergabe der alteuropäischen Hydronomien – und damit des Namens des Attersees - gibt.

Der Name des Attersees und die Indogermanistik

Der Indogermanist Harald Bichlmeier hat sich neben Namenforschern wie Greule (Uni Regensburg), Wiesinger (Uni Wien) und anderen mit Herkunft und Bedeutung des Namens des „Attersee“ befasst.

In seinen diesbezüglichen Veröffentlichungen sieht Bichlmeier (vgl. seinen grundlegenden → Text zum Attersee aus 2012 mit relevanten Hervorhebungen und Anmerkungen) ausgehend von

  1. Christian Bartholomae: Altiranisches Wörterbuch, Spalte 57: javest.: adav- f.: „Wasserlauf, Bach, Kanal“; Spalte 62: javest.: adwan- m. „Weg, Pfad, Bahn“, und
  2. Pokorny: Indogermanisches Etymologisches Wörterbuch (IEW): *ad(u)- / *ad-ro- : „Wasserlauf“; Avestisch aδu- : „Wasserlauf, Bach, Kanal“ …

folgende indogermanische Wortwurzeln – in denen er auch die Laryngaltheorie (indogermanische Reibelaute; mit h1, h2, h3 bezeichnet, die im Iranischen zu H verschmelzen) berücksichtigt – als erwägenswert:

  1. uridg. *h1ed- : „essen“ (Bichlmeier 2012, S.19 formuliert (!): „… käme in Frage, falls sich bereits in früher Zeit eine semantische Entwicklung: „essend“ - „sich durch das Gestein fressend“ - „Bach, Kanal“ ereignet haben sollte.“)
  2. uridg. *ned- : „tönen, dröhnen“ (Bichlmeier (2012, S.19 und 2014) schreibt, dass sich „aber semantische Schwierigkeiten ergeben, denn dass Kanäle laut sind ist sicher nicht ein typisches Benennungsmotiv. Er schreibt aber auch (S. 19 samt Fußnote 46): "...sollte indes die für jav. aδu ebenfalls bereits erwogene Bedeutung „Sturzbach“ das Richtige treffen, läge hier eine durchaus sinnvolle Verknüpfung vor.")

(Anm.: das *-chen (Asterisk) vor einem indogermanischen Wort weist darauf hin, dass es nur sprachwissenschaftlich erschlossen ist.)

Die von Bichlmeier 2012 dargelegte mögliche Semantik („sich durch das Gestein fressend“) ist vor allem deshalb eindrücklich, weil er sie ohne Kenntnis der hier vorgelegten These der Rückwärts-Erosion für die Tieferlegung des Abflusses bringt und es die Gegebenheiten in frappierender Weise treffen könnte. Die Rückwärts-Erosion ist gegenüber der Anlage eines eigenen Kanals viel weniger aufwändig; vor allem wäre für einen künstlichen Kanal auch viel zu wenig Raum neben einem bestehenden Abfluss.

Bei bewusst herbeigeführter Rückwärtserosion wird die Anlage des Kanals – beginnend etwa 1-2 km von See entfernt – durch Eintiefung immer mehr flussaufwärts in Richtung der Sohlschwelle vorangetrieben, sodass das Gefälle auf der seeabgewandten Seite immer steiler und damit die Abflussgeschwindigkeit im Kanal immer höher wird und sich der Kanal von selbst tiefer gräbt. Vor dem Durchbruch des neuen Kanals durch die ehemalige Abflussschwelle gliche er tatsächlich einem „dröhnenden Sturzbach“.

Bichlmeier (2012, S. 15) schließt auf die urinanische Form *(H)adu-; zur Bedeutung dieses Wortes gibt es "zwei widerstrebende Meinungen: Die eine geht von jav. āδu : "Getreide, Ernte" aus, die andere von aδu- : "Kanal" o.ä." Er kommt zum Schluss von uriran. *(H)adu- als "Kanal" o.ä. Auch in Verbindung mit einem Monatsnamen (Zitat): "... neigt sich die Waagschale ... zum Wasserlauf. Vorgeschlagen wurde "Monat der Kanalreinigung", was ... klar die besseren Argumente für sich hat." Hierzu ist festzuhalten, dass der Attersee kein "Wasserlauf" ist und damit dessen Bewirtschaftung mittels eines Kanals wesentlich war. Bichlmeier kommt in einer weiteren Arbeit (2015) aber selbstkritisch zum Schluss, dass (S. 309) "aus den Belegen jungavestisch āδu- und altpersisch aδu° nicht verlässlich auf die Bedeutung dieser Wörter geschlossen werden kann. Es lässt sich zunächst allenfalls etwas sehr allgemeines wie "Wasserlauf" ansetzen. Eine Verbindung mit Atter- lässt sich dann aufrecht erhalten, wenn man die bekannte Wurzel, die `essen´ [sic!] ... bedeutet, annimmt."

Folgt man der diesbezüglichen Gedankenwelt, intentierten Absichten zur Seebewirtschaftung und erhofftem Ergebnis, erforderlichen Instandhaltungsaufgaben usw. der Pfahlbauern zum "Attersee", so könnte man mit heutigen Worten vielleicht in etwa sagen: "Kanal-Pfahlbauern-See".

Weitere indogermanische Formen

  • uridg. *h2eg- : „treiben“; spätidg. *agro- ; *Ag(a)ra (Hier sei auf Bichlmeier 2012, S. 22, und Fußnote 56 verwiesen, wobei er einen theoretischen Ableitungsmechanismus sieht, falls es vor allem hydronymische Parallelfälle gebe: diesen könnte es mit dem Namen des Abflusses des Attersees „Ager“ geben.)
  • Die Beurteilungen von Greule in den Namensartikeln in seinem "Deutschen Gewässernamenbuch" (2014) hinsichtlich des gesamten Gewässersystems Mondsee-Seeache-Attersee-Ager zeigen in eine ähnliche Richtung mit einer überraschenden Hypothese zum Gesamtsystem:
    • Attersee: 798-814 (Kopie Ende 12. Jh.) super lacum Atersệ; Landschaftsname Attergau (für das südliche Hausruckviertel), vor 748 (Kopie des 9. Jh.) in loco … Atargauui, 1007 in pago Atergoui; Ortsname Attersee (Bez. Vöcklabruck) /`ṓdasẽ/, 885 (Kopie 12. Jh.) de Atarnhova (lies: Atarahova?), 1007 locum Aterahof , um 1130 de Atersệ. – Primär ist ahd. *Atara, das Bestimmungwort der Zusammensetzungen Atter-gau, Atter-see und (ahd) Atarhova. Gewöhnlich wird ahd. *Atara (< vorahd. *Adra) als vorgermanischer Gewässername auf idg. *adrā `Wasserlauf´ zurückgeführt, obwohl *Atara als Gewässername nicht belegt ist und es sich beim Attersee um einen großen See und nicht um ein Fließgewässer handelt. Die Deutung des Namens sollte nicht außer Acht lasssen, dass der Abfluss des Attersees → Ager (< *Agira) mit vorahd. *Adra reimt und dass Attersee und Mondsee zusammen ein System bilden. Da Mondsee ein vergleichweise junger Name ist und die Etymologie von idg. *adro- (Oder) nicht geklärt ist, ist folgende urspüngliche Benennung der Teile des Systems Mondsee-Attersee denkbar: Der obere, hintere Teil (Mondsee und Seeache) trug den Namen *Adra, der untere, vordere Teil, vor allem sein Abfluss, den Namen *Agra (*Agria). Durch die Neubenennung des oberen Teils als Mondsee wird der Geltungsbereich des Namens *Adra nach unten auf den Attersee verdrängt. Die ursprüngliche Verteilung der Namen würde es erlauben, *Adra auf idg. *ped- `treten; fallen, sinken´ (Femininum des Verbaladjektivs ig. *ped-ró-s `fallend, sinkend´ > kelt. *adros) zurückzuführen.
    • Ager, die: linker Zufluss Traun bei Lambach. Um 810 (Kopie Ende 9. Jh.) ad Flumen Agre, 823 (Kopie Ende 9. Jh.) Agra, 1103 (Fälschung Mitte des 12. Jh.) in Ægre piscationem, 1139-46 iuxta fluvium Eger; Ortsname Ader (Gem. Timelkam), /āda/, um 810 (Kopie Ende 9. Jh.) in loco … Agira. – Wegen des Sekundärumlautes (mhd. Eger, Ægre) ist von vorahd. *Agira auszugehen. Der Name kann aus dem Keltischen als adjektivische r-Ableitung zur Verbalwurzel *ag- `treiben, führen´ (uridg. *h2éĝ-e-) erklärt werden. Benennungsmotiv war die Triebkraft des Flusses.

Anm. 1: Attersee und Mondsee waren zu Kanal-Pfahlbauzeiten recht wahrscheinlich ein integriert bewirtschaftetes Gewässersystem, weil das direkte Einzugsgebiet des Mondsees mit 247 km² größer als das direkte des Attersees (217 km²; gesamt mit dem Mondsee aber 464 km²) ist, und eine hydrologische Beherrschung des Attersees unter Einbeziehung des Mondsees einfacher möglich war. Eine generelle Vorabsenkung des Mondsees (und besonders vor erwartbaren) starken Zuflüssen und anschließend eine vorübergehende Wasserrückhaltung verhinderten am Attersee übermäßige Seeanstiege und damit Überschwemmung der Strandplatten.

  • idg. *sh2i-lo: „tobend, wütend“ führt Greule in seinem Gewässernamenbuch (Sp. 499 f.) für den Namen der Sihl an, die in die Limmat mündet. Diese Benennung trifft den Charakter der Sihl als manchmal recht wildbachartigem Fluss (siehe oben) recht gut.

Anm. 2: Es sei hier darauf hingewiesen, dass es überraschend ist, dass der zur Zürcher „Sihl“ vergleichbare Fluss, der durch den Neuenburger- und den Bielersee fließt, mit „Zihl“ frappierend ähnlich benannt ist. Die Zihl wurde wahrscheinlich nicht nur beim Bielersee abgesenkt, sondern vermutlich auch beim Abfluss aus dem Neuenburgersee, womit eine Funktion als "Vorfluter" für den kleineren Bielersee ermöglicht wurde.

Literaturverzeichnis (durchwegs mit Links für Internet-Zugriff)

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Bartholomae, Christian:Altiranisches Wörterbuch; Verlag Karl J. Trübner, Strassburg, 1904

Pokorny, Julius:Indogermanisches Etymologisches Wörterbuch IEW, Francke 1959


Bichlmeier, Harald (2012): Zu den Grenzen der Erkenntnismöglichkeit der Forschungen alten Stils zur alteuropäischen Hydronymie: überholte sprachwissenschaftliche Konzepte und Mythenbildung – dargestellt anhand von Gewässernamen aus Bayern und Österreich: Attersee und Sinn (Bayerisch-österreichische Orts- und Gewässernamen aus indogermanischer Sicht: Teil 4, Auszug aus verschollener Literatur: → Attersee (und Sinn) In: Janka, Wolfgang / Harnisch, Rüdiger (Hrsgg.): Namen in Grenzräumen. (7. Koll. des Arbeitskreises für bayerisch-österreichische Namenforschung, Passau, 27./28.9.2012). = Regensburger Studien zur Namenforschung 9, edition vulpes 2014[2015], S. 9-33.

Bichlmeier, Harald (2014):Jav. aδu-, ap. adu-, das Caland-Wackernagel’sche Suffixsystem und die alteuropäische Hydronymie. In: Payne, Annick / Brosch, Cyril (Hrsgg.): Na-wa/i-VIR.ZI/A MAGNUS.SCRIBA. Festschrift für Helmut Nowicki zum 70. Geburtstag. (Dresdner Beiträge zur Hethitologie 45). Wiesbaden: Harrassowitz 2014, S. 13-25

Bichlmeier, Harald (2015):Ein neuer Blick auf die ältesten Orts- und Gewässernamen in (Mittel-)Europa; Namenkundliche Informationen/NI 105/106 (2015), S. 299-331.

Bichlmeier, Harald (2014): → Welche Erkenntnisse lassen sich mit den Mitteln der (modernen) Indogermanistik aus dem lexikalischen und morphologischen Material der `alteuropäischen Hydronomie´ gewinnen? - Versuch einer Bilanz. Onomastic Investigations, Riga, Proceedings of the International Scientific Conference to commemorate the 100th anniversary of Vallija Dambe. S. 20 - 40.

Bichlmeier, Harald (2018): → Archaische Fluss- und Ortsnamen in Mitteleuropa aus Sicht der modernen Indogermanistik; Onomastica Uralica 12, Helsinki; S. 57 - 74.

Bichlmeier, Harald. (2020). → Toponomastik der älteren Sprachschichten (Mittel-)Europas (Teil I) ‒ Wiesinger, Peter u. Greule, Albrecht: Baiern und Romanen. → Download von Kratylos. 65.Download von Kratylos. 651-86. (Rezension und kritische Auseinandersetzung mit dem Buch von Wiesinger und Greule - siehe Lit. unten)

Bichlmeier, Harald (2012): → Einige ausgewählte Probleme der alteuropäischen Hydronymie aus Sicht der modernen Indogermanistik - Ein Plädoyer für eine neue Sicht auf die Dinge. Acta Linguistica LXVI, S. 11-46.

Bichlmeier, Harald (2013): → Zum sprachwissenschaftlichen Niveau der Forschungen zur alteuropäischen Hydronymie - Eine Erwiderung auf eine Polemik. Acta Linguistica LXVIII, S. 9-49; wurde ident veröffentlicht als: → Analyse und Bewertung der sprachwissenschaftlichen Standards aktueller Forschungen traditioneller Art zur `alteuropäischen Hydronymie´aus der Perspektive der heutigen Indogermanistik in Namenkundliche Informationen 2012/13, S. 397-438; (Antwort auf den "Angriff" gegen ihn von Jürgen Udolph - siehe Lit. unten - und generell auch gegen Hans Krahe)


Greule, Albrecht:Deutsches Gewässernamenbuch: Etymologie der Gewässernamen und der zugehörigen Gebiets-, Siedlungs- und Flurnamen. De Gruyter Berlin/Boston 2014; ISBN: 978-3-11-057891-1

Köbler, Gerhard:Indogermanisches Wörterbuch, 5. Auflage, 2014

Wiesinger, P., Greule, A.: Baiern und Romanen - Zum Verhältnis der frühmittelalterlichen Ethnien aus der Sicht der Sprachwissenschaft und Namenforschung. Narr Francke Attempto Verlag, Tübingen, 2019

Udolph, Jürgen: → Alteuropa, Iller, Alster, Elster und Aleti; Acta Linguistica Lithuanica LXII-LXIII, Vilnius 2011.