Die Herkunft der Mondseer/Atterseer Pfahlbauernkultur

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Die überraschende Besiedlung der oberösterreichischen Seen

Vor 4000 v. Chr. wollte niemand an den Seen siedeln

fehlende Besiedlung vor Mondseekultur Notenkopf-Keramik in NÖ und Burgenland

Wie der nebenstehenden Grafik zu entnehmen ist, gab es im 5. Jahrtausend vor v. Chr. in Niederösterreich und Burgenland viele Vorkommen der Frühneolithik sowie die Vorläufer von und die Notenkopf-Keramiker (den Vorgängern der späteren Lengyel-Kultur). In Kärnten findet man Hinterlassenschaften der italienischen Vasi a bocca quadrata Kultur.

In Oberösterreich kamen nur ganz wenige, vereinzelte neolithische Funde zum Vorschein. Demgegenüber fallen die frühen neolithischen Funde an der Salzach auf.

Die entlang der Donau zuwandernden Neolithiker mit ihrem Agrarpaket aus Haustieren (Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine – und Hund) sowie Getreide und andere Pflanzen besetzten klarerweise die günstigen Böden. Diese lagen vor allem an Flüssen; bevorzugt wurden Lössböden.

Es wurden – schon wegen der südlichen Herkunft der Haustiere und des Getreides – die niedrigen Seehöhen wegen den damit verbundenen höheren Temperaturen intensiv bevorzugt und verteidigt. So liegt Wien auf rd. 150 m, Gänserndorf auf rd. 167 m, Linz auf ca. 250 m, Passau auf 312 m und Regensburg auf 337 m Seehöhe.

[Anm.: pro 100 m Höhendifferenz nimmt die Lufttemperatur um ca. 1 °C ab.]

Demgegenüber liegen die Salzkammergutseen auf ca. 470–500 m Seehöhe – womit davon auszugehen ist, dass die Temperaturen um etwa 2–3 °C niedriger waren – was sich auf den Beginn und die Dauer der Vegetationsperiode und damit das Pflanzenwachstum selbst entsprechend auswirkte, was sich bis heute z.B. im Unterschied der deutlich früheren Erntezeitpunkte der Welser Heide gegenüber dem Seengebiet zeigt.

Zudem zeigt das äußere Salzkammergut viel höhere Niederschläge, die auf geneigten Äckern leicht den Humus (samt angebautem Getreide) abschwemmen können. Ein weiter Nachteil wurde wohl in der Lage am See gesehen, wodurch ja die bewirtschaftete Kreisfläche um eine Station halbiert erscheint, wodurch sich die Wege zwischen Hütte und Feldern fast verdoppelten.

Generell ist davon auszugehen, dass die donauländischen Bauern keinesfalls das Alpenvorland besiedeln wollten, vor allem weil ihr Vieh und ihr Getreide für diese niedrigeren Temperaturen überhaupt nicht angepasst und geeignet waren. Kein donauländischer Neolithiker wollte diese Gegend besiedeln.

Dementsprechend kommen an den oö Seen im 6./5. Jt. v. Chr. überhaupt keine Funde zum Vorschein – "unsere" Gegend war unbesiedelt. Klarerweise lebten aber im gesamten Raum vor der Ankunft der Neolithiker mesolithische Jäger und Sammler, die offenbar von den Neuankömmlingen abgedrängt wurden.

Ab ~ 4000 v. Chr. sind – nur – die Seen überraschenderweise eng besiedelt

urplötzliche Besiedlung um 4000 v. Chr.

Wie der Folge-Grafik zu entnehmen ist, erscheint um 4000 v. Chr. „wie aus dem Nichts“ urplötzlich die Pfahlbauernkultur an Mondsee und Attersee. Das ist umso bemerkenswerter, weil keine der benachbarten Kulturen oder Gruppen als Herkunftsgebiet in Frage kommt; auch die manchmal genannte „Altheim-Kultur“ Bayerns nicht.

Die donauländischen Neolithiker verbleiben in ihren Gebieten: Die Lengyel-Kultur und die spätere Baden-Kultur in Niederösterreich und dem Burgenland strahlen nur wenig bis zur oberösterreichischen Donau um Linz aus.

  • Die donauländischen Kulturen wären wegen des nicht angepassten Viehs und Getreides gar nicht in der Lage gewesen, die Gegend dieser Seen zu besiedeln. [Anm.: Noch in den 1940er-Jahren wurde das Seen-Gebiert als Bergbauern-Gebiet ausgewiesen.] Wenn überhaupt, dann hätten sich solche Gruppen auf den niedriger gelegenen und fruchtbareren Böden der Welser Heide oder um Eferding u.ä.m. angesiedelt.
  • Ganz zu schweigen von den fehlenden hydrologischen Fähigkeiten zur Bewirtschaftung dieser Seen.
  • Noch weniger hatten sie tiefschürfende metallurgische Fähigkeiten, was vor allem die Arsen-Kupfer-Technologie erforderte, und zusätzlich:
  • Diese Gruppen hatten keinen Zugang zu arsenhältigem Kupfer, das für die Mondseekultur so charakteristisch ist.
  • Ganz überraschend sind landwirtschaftlich gänzlich ungeeignete Stationen wie See, Mooswinkel, Misling und Litzlberg-Süd;
    wenig geeignet sind Scharfling, Weyregg und Nußdorf – schon wegen der bei Starkregen heftig mäandernden Bäche;
    einigermaßen agrarisch günstige Stationen sind nur Seewalchen, Kammer, Attersee und Abtsdorf.
    Offenbar kamen den einzelnen Stationen bestimmte Funktionen zu, die aber bis dato unerforscht sind.

Weitere als „Mondseekultur“ abseits der beiden Seen angeführte Stationen gehören kulturell nicht zur Mondsee-Gruppe – tatsächlich werden sie ihr nur zugeordnet, weil sich bei ihnen Keramik fand, die der Mondseer Keramik ähnlich ist.

Schon wegen der führenden Stellung der Mondsee-Kultur in diesem Raum gab es mit den benachbarten Gruppen Handel und Tausch für das begehrte Mondsee-Kupfer, womit die Funde von Keramik und vereinzelten Kupferfunden verständlich werden.

Abzuleitende, charakterisierende Eigentümlichkeiten dieser Neusiedler

  • Erfahrungen im Umgang mit (ev. noch?) benachbarten mesolithischen Jägern und Sammlern.
  • Gewöhnt an Auskommen mit vergleichsweise kargen Böden und Ressourcenverhältnissen.
  • Vieh und Getreide, das bereits an Seehöhen von rund 500 m angepasst ist.
  • Hydrologische Erfahrungen und Fähigkeiten zur Einrichtung von Kanal-Prahlbauern-Seen
    • was entsprechende überindividuelle Führung der Gemeinschaft als Voraussetzung hat.
  • Tiefschürfende metallurgische Fähigkeiten in der anspruchsvollen Arsen-Kupfer-Technologie.
  • Zugang zu einer Versorgung mit hoch-arsenhältigem Kupfer (gibt es in ganz Europa nicht)
    • und dazu erforderliche Verkehrsbeziehungen; erforderliche relevante Tauschgüter (?)
  • Ähnlichkeit der Keramik als Indiz für mögliche Verwandtschaft mit anderen Gruppen.
  • Besonderheiten von Werkzeugen (z.B. Beilschäftungen mit Hirschhorn-Zwischenfutter)
  • Ganz außergewöhnlich lange Bestandsdauer der Mondsee/Attersee-Kultur (~ 1200 Jahre).

s.a.: Bleicher-Buch OFFEN

Neue Werkzeuge der prähistorischen Forschung des letzten halben Jahrhunderts

Konkret gingen bezüglich der Mondsee-Gruppe die ehemaligen Archäologen und deren Schüler vom damals gültigen „klassischen“ paradigmatischen Ansatz aus (Zitat): "Die prähistorische Archäologie benützt für die Umschreibung ihrer Kulturgruppen keramische Typeninventare, die, mit den Angaben über Siedlungskunde, Totenfürsorge, Schmuck- und Geräteformen ergänzt, ein individuelles Bild menschlicher Kulturäußerungen übermitteln. So wurde anhand der Keramik aus den Pfahlbaustationen des Mond- und Attersees die prähistorische Kulturgruppe Mondsee konstruiert."

Demgegenüber scheint dieser Ansatz besonders für die Mondsee-Gruppe überraschend, da bis heute weder Siedlungen rekonstruiert noch Gräber gefunden worden sind und die Archäologen (Zitat eines Insiders) „weiterhin (fast dogmatisch) an die Untrennbarkeit von Keramik und Kulturgruppen glauben“ und u. U. helfende Beiträge anderer Disziplinen geringschätzen.

Heute stehen mehrere neue, zusätzliche – z.T. naturwissenschaftlich fundierte – Instrumente zur Verfügung, die den ehemaligen, frühen Mondseekultur-Forschern nicht zur Verfügung standen:

  • Umfassende genomische Analysen der Menschen in SO-Europa, Mitteleuropa und den Steppen.
  • Neue historische Erkenntnisse bzgl. der Entwicklung der Steppenvölker und des 600-Jahre-Hiatus am Balkan.
  • 14C-Daten in ausreichendem Umfang sowie entsprechende Kalibrierungen für den in Frage kommenden Raum.
  • Genomische Analysen zur Bestimmung der Verwandtschaft von Haustieren (insb. bzgl. donauländischer oder mediterraner Linien).
  • Archäzoologische Untersuchungen von Haustieren und deren wahrscheinliche verwandtschaftliche Beziehungen.
  • Archäobotanische Untersuchungen zur Herkunft von Getreidearten (Donau- oder Mittelmeerweg).
  • Tiefschürfende metallurgische Analysen von Kupferartefakten unterschiedlicher Gruppen und deren Zusammengehörigkeit
  • sowie die möglichen Herkünfte des hoch-arsenhältigen Kupfer-Erzes (nicht aus Europa).
  • Tiefschürfende stratigraphische Untersuchungen zu den Schweizer Pfahlbauern (fehlen in Ö überwiegend).

Zielführende neue Forschungen zur Mondseer/Atterseer Pfahlbauernkultur

  • Neubearbeitung der ehemaligen, grundlegenden Arbeiten zur Mondseekultur angesichts der neuen chronologischen Erkenntnisse aufgrund 14Ccal-Analysen (v.a. der ehemaligen „prähistorischen Autoritäten“ Reinecke 1924, Hell 1920, Kyrle 1918, Pittioni 1954, Willvonseder 1968, Ruttkay 1981 usw.)
  • Fortführung der unterbrochenen Studien Ruttkays bzgl. des Beginns der Epi-Lengyel-Kultur und der auslösenden Faktoren und Gruppen-Verschiebungen (SO-Europa)
  • Genomische Untersuchungen von Mondseer und Schweizer Haustierknochen an wesentlichen Seen
  • Archäobotanische Untersuchungen von Getreide heimischer Seeufersiedlungen (Nacktweizen)
  • Metallurgische Blei-Isotopen-Untersuchungen vom Zürichsee, Bielersee, Bodensee usw. und Vergleich mit den Untersuchungen Pernickas (und solchen – sofern möglich – vom Nordkaukasus)
  • Archäologische Neu-Untersuchungen der Mondsee-Keramik in Bezug auf SO-Europa- und Schweizer Keramik
  • Stratigraphien von (noch) ungestörten Stationen (z. B. Nußdorf, Aufham, Litzlberg) – entsprechend Schweizer Vorbildern wie jene zum Kleinen Hafner und den Bielersee.

Untersuchungen zu Gruppen in Oberösterreich

Trebsche 2008, Peter: Die Höhensiedlung „Burgwiese“ in Ansfelden (OÖ): Tierknochen, Botanische Makroreste; Katalog. Linzer Archäologische Forschungen 37/1 und 2, Linz 2008. → Band 1, 280 Seiten. → Band 2, 286 Seiten

  • Trebsche Peter (Bd. 1): Überblick zu Besiedlungsphasen: Münchshöfener, Mondseer, Chamer Gruppe, Frühbronze-, Hallstattzeit, Frühmittelalter
  • Schmitzberger Manfred: Die Tierknochen (und Vergleiche der Widerristhöhen in Münchshöfener, Mondseer, Chamer Gruppe, Frühbronze-, Hallstattzeit, Frühmittelalter)
    • Ansfeldener hatten mondseezeitlich kleine Rinder in unterer Hälfte der Variation der deutlich größeren Rinder der Altheimer Kultur; in oberer Hälfte der Variation der kleineren Rinder von Mondsee
  • Wiethold u. Wähnert: Die botanischen Makroreste – Archäobotanische Analysen zu Ackerbau, Ernährung und Umwelt vom Jungneolithikum bis zum Frühmittelalter
    • S. 319: "Interessant ist, dass ein Nacktweizen (Triticum aestivum s.l./durum/turgidum) in zwei Proben auftritt, darunter 86 verkohlte Karyopsen aus der Verfüllung der kleinen Ofengrube. Spindelglieder, die eventuell eine nähere Ansprache ermöglichen würden, fehlen. In der Verfüllung der kleinen Kochgrube fand sich lediglich eine einzelne Karyopse. Mit diesem Befund ist nachgewiesen, dass in der Mondsee-Gruppe des ausgehenden Jungneolithikums Nacktweizen als Kulturpflanze eine wichtige Rolle spielte."

Gruber 2008, Heinz: → Das Neolithikum in Oberösterreich - Ein Überblick zum Forschungsstand. Archäolog. AG Ostbayern / West-/Südböhmen / OÖ, Juni 2008 in Manching. Fines Transire 18, 2009, S. 133-143.

Maurer, 2014, Jakob: → Die Mondsee-Gruppe: Gibt es Neuigkeiten? Ein allgemeiner Überblick zum Stand der Forschung. Vorträge des 32. Niederbayerischen Archäologentages, 2014:145–190.

Mitterkalkgruber 1954, David: → Jungsteinzeitliche Siedlungen im Ennstal. – Jahrb. OÖ Musealverein 1954:123-140.

  • Zusammenfassend kann gesagt werden, daß in diesem Gebiet im jüngeren Teile der Siedlungsperiode eine Überschneidung und Vermischung nordischer und donauländischer Kulturelemente stattfand, wobei aber das donauländische Element noch sehr stark nachwirkt. Meines Erachtens hat ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Mondseekultur, wie bisher angenommen wurde, nicht bestanden. Nach den bisherigen Forschungsergebnissen hat der Siedlungsraum im Voralpengebiet östlich der Enns seine eigene Kulturentwicklung, deren Wurzel nur im Donauraum zu suchen ist, durchgemacht. Die in diesem Gebiet gefundenen eindeutigen Mondseetypen fallen unter den übrigen Kulturresten auf und wirken fremdartig. Sie mögen im Handelswege hierher gelangt sein. Zudem ist der Raum westlich der Enns bis zum Steyrtal hinüber fundfrei. Fundberichte liegen erst von Molln, Kirchdorf, Micheldorf, Klaus, Steyrling und Brunnenthal-Pernerau vor.

Mitterkalkgruber 1992, David: Die Jungsteinzeit im oö Ennstal und ihre Stellung im ostalpinen Raum. Linzer Arch. Forsch. Sonderband IX (Linz 1992).


Reitinger 1969, Josef (Landesarchäologe): OÖ in ur- und frühgeschichtlicher Zeit. (OÖ Landesverlag Linz 1969, 433 S. mit 342 Abb.) stellt eine Verbindung mit der Münchshöfener Kultur als möglich dar, wenngleich er S. 55 f. schreibt: „Da wir die materiellen Hinterlassenschaften der Münchshöfener Kultur in Oberösterreich nur bruchstückhaft kennen, ist es nicht möglich, in ihr jene Stilelemente, die grundlegend für die Mondseegruppe wurden, herauszuarbeiten. Daher lässt sich der Übergang von der einen zur anderen, also das Werden der Mondseegruppe, archäologisch nicht aufzeigen. Diese tritt uns plötzlich als fertige Kulturform entgegen und macht mit Beginn der Bronzezeit [Anm.: Schnurkeramik] einer völlig anderen Keramik Platz. Besonders das keramische Material der Mondseegruppe zeigt weder eine Entwicklung, noch lässt es eine Veränderung gegen das Ende zu erkennen.“

Die Mondseekultur ist kein "Ableger der Altheim-Kultur"

Nach Neef, Bittmann und Hinton in Jacomet (2009) beginnen die Altheim-Stationen Pestenacker und Galgenberg um 3.500 BC, also deutlich nach den Mondseer Stationen

Ruttkay kommt 1981 in ihrer "Typologie und Chronologie der Mondseegruppe" recht unvermittelt zur Aussage: Ihre Anfänge aber, die mit der Formengruppe 1 angedeutet werden, in eine Zeit, wo auch die Anfänge der ehemaligen Geschwistergruppe, der Altheimer Gruppe, gesucht werden. Nach unserer vorliegenden Studie darf Mondsee mit Altheim weiterhin als gleichzeitige „Geschwistergruppe“ angesprochen werden, die mit jener nicht nur durch ihre Gleichzeitigkeit, sondern auch durch ihre gemeinsame „nordische“ Baalberger-Komponente verbunden ist.

Ruttkay ist mit ihrer Veröffentlichung aus 1993 (mit Pernicka) der Initiator der Meinung, dass die Mondseekultur eine mit Altheim eng verwandte Gruppe sei. Dabei bezieht sie sich vor allem auf eine Veröffentlichung von Barbara Ottaway und Christian Strahm aus 1977 in Budapest. Jedenfalls bezieht sich Ruttkay 1993 auf Ottaways/Strahms Veröffentlichung aus 1977 und nicht auf Ottaways Dissertation 1979.

Antl-Weiser wiederum bezieht sich 1995 auf Ruttkay und formuliert, dass die Mondsee-Gruppe heute zum jungneolithischen nordalpinen Kreis nach Driehaus zählt und sie für die österreichische und die neuere ausländische Forschung eine mit Altheim eng verwandte Gruppe ist.

Zwar forscht Ruttkay bereits in den 1990er-Jahren aus Eigenem in Richtung SO-Europa („Das Ende der Donauländischen Welt und Südosteuropa“, 1991), wird aber erst 2006 mit ihrer Festschrift in 14C-Datierungen involviert, nach denen Mondsee nicht mehr mit den MOG-Gruppen verwandt sein kann; die Daten von Boleráz und Jevišovice sind deutlich jünger.

Hinweise österreichischer Archäologen auf Schweizer Herkunft

Zwischenfutter für kleine Steinbeile Hinweis von Pittioni auf die Schweiz

Bachner 2002, Margit: Die Keramik der Seeuferstation See/Mondsee - Slg. Much, Inst. f. Ur- und Frühgeschichte, Diss., 3 Bände: Text, Katalog, Tafeln; Wien 2002. (Doktorat bei ÖAW Mondsee-Forscher Prof. Herwig Friesinger)

  • Bachner schreibt auf S. 86 zur Herkunft der Mondsee-Kultur: „Neuere Funde belegen eine engere Anknüpfung auch an die Pfyner Kultur, wie beispielsweise mehrere Gusstiegelfragmente aus dem rechtsrheinischen Gebiet der Pfyner Kultur, der Kupferdolch von Schorrenried bei Reute und eine Kupferspirale von Niederwil „Egelsee“ in der Schweiz (Wininger 1981), alles Typen die in der Mondsee Gruppe ebenfalls vorkommen.“

Pittioni 1954, Richard: Urgeschichte des österr. Raumes. Wien, 1954. 854 S., 536 Abb. (Mondseegruppe S. 210–232)

  • S. 218: „Steingerät ist [in Mondsee] in großer Zahl vorhanden. Kennzeichnend sind: die in verschiedener Größe angefertigten Flachbeile (Abb. 150, 151), von denen die kleineren mit Zwischenfutter geschäftet waren …“
  • S. 228: „Die Ursache für die Errichtung von Pfahlbausiedlungen [am Mondsee] ist kaum zu ergründen, doch könnte man mit Rücksicht auf die Schweizer Verhältnisse an westeuropäische Einflüsse denken, die vielleicht auch durch die Verwendung des Zwischenfutters angedeutet erscheint.“ (vgl. die Zwischenfutterschäftung in der beigefügten Abb. 151, 2; S. 223)

Pittioni 1957, Richard: Urzeitlicher Bergbau auf Kupfererz und Spurenanalyse. Archaeologia Austriaca Beiheft 1, 1957:1–67.

Pittioni 1968, Richard: Zu den Beilschäftungen aus Mondsee. Archaeologia Austriaca 44, 1968:84–100.


Franz 1927, Leonhard und Weninger, Josef: → Die Funde aus den prähistorischen Pfahlbauten im Mondsee. Materialien zur Urgeschichte Österreichs, hrsg. von der Anthropolog. Ges. in Wien und der Prähistor. Ges., 3. Heft. Mit 10 Abb. im Text und 376 Abb. auf 42 Tafeln.

  • S. 19 f.: „Mit den Pfahlbauten der Schweiz haben die Oberösterreichs nur so viel gemeinsam, als nordisches Gut in beiden Gruppen vorhanden; auch die Schweiz hat nordische Keramik, steinerne Sägen, Knaufhämmer. Wie in Oberösterreich die Bandkeramik, so spielt in der Schweiz der westeuropäische Kulturkreis neben dem nordischen eine Rolle. Wenn Reinerth (39, S. 41 ff., S. 167 ff.) für Süddeutschland und die Schweiz die „westlichen“ Rundbeile von den „nordischen“ Rechteckbeilen scheidet, so trifft diese Scheidung in ihrem typologischen Sinne auch für unser Gebiet zu, allein man braucht in diesem für die Rundbeile durchaus nicht westische Herkunft anzunehmen, da das Rundbeil mit mehr oder weniger spitzem Nacken – so ausgesprochen scharf spitznackige Beile wie in der Schweiz kommen im Mondsee übrigens auch gar nicht vor – schon in der Lengyel-Kultur bodenständig ist. Spitznackige Äxte echt „westischer“ Form treten in den Ostalpenländern nur so weit auf als italischer Einfluß reicht in Südtirol (O. Menghin, Archäologie der jüngeren Steinzeit Tirols, Jahrb. f. Altertumskunde VI, 1912, S. 68) und Kärnten (St. Canzianberg bei Mallestig, Museum Villach). Ein starker Unterschied macht sich in der Beilschäftung bemerkbar: im Mondsee ist die für die Schweizer Pfahlbauten so typische Schäftung mit Zwischenfutter nur schwach vertreten.“
  • S. 81: 5. Geräte aus Hirschgeweih (Taf. XXXV). „Aus Hirschgeweih liegen hauptsächlich Beile vor, deren Schneide durch schräges Abscheiden eines Endes erzielt ist (Taf. XXXV, 1, 3, 10). Da solche Beile keine scharfen Schneiden haben und die Schneiden keine Scharten aufweisen, können sie nach L. Pfeiffer, die steinzeitliche Technik, S. 205, „nur dehnend, spaltend, nicht schneidend oder zertrümmernd“ gewirkt haben; Pfeiffer denkt an Verwendung beim Bastsammeln oder beim Abhäuten. Wie schon auf S. 19 hervorgehoben, sind die für die Schweizer Pfahlbauten so typischen Zwischenschäftungen für Steinbeile im Mondsee selten.“

Kulturen der Schweiz, die ev. in Frage kommen

Hornstaad Hörnle IA, Pfyn und Beile-Zwischenfutter

HLS Historisches Lexikon Schweiz: Pfyner Kultur 4000-3300 BC; Beziehungen zu Oberschwaben und Südbayern

Wininger 1981, Josef: → Feldmeilen-Vorderfeld – der Übergang von der Pfyner zur Horgener Kultur. Schweiz. Ges. f. Ur- und Frühgeschichte. Antiqua 8, 1981. 290 Seiten.

  • Pfyner Kultur 3900-3500; Kupfer; Zentralschweiz; Vorläufer von Pfyn = Hornstaad Hörnle IA = älteste Pfahlbaustation am Untersee/Bodensee; Niederwil
  • 200 Treffer zu „Zwischenfutter“; S. 128-130: Beilschäftungen (Zwischenfutter aus Geweih v.a. für kleine Beile)

Peters 2017, Robin: → Zwischen Wachstum und Krise. Die Pfyner Kultur am Bodensee. Berichte der AG Neolithikum, Bd. 5. 40 Seiten DA

  • Die Hornstaader Gruppe wird als „Konglomerat verschiedenster Kultureinfliisse“ (Schlenker 1994, 209) bezeichnet. Ihre Keramik weist sowohl Elemente auf, die auf einen östlichen Einfluss (Schussenried, Lengyel) als auch auf Verbindungen in die Zentral- und Westschweiz (Cortaillod-Kultur, Zürich-Hafner) hinweisen. Die Existenz von Keramik anderer archäologischer Kulturen im Hornstaader Inventar ist ein Indikator für überregionale Kontakte. Silex aus lokalem Jurahornstein. Hornstaad: einer der ältesten Nachweise von Kupfer; Schmuck ähnlich Cortaillod, Wauwil; hatten weitreichende Kontakte; multikulturelle Kultur; Import-Kupfer

Andere Schweizer Kulturen

Suter 1986, Peter und Schifferdecker, Francois: → Das Neolithikum im schweizerischen Mittelland. In: Chronologie – Archäologische Daten der Schweiz. Antiqua 15 der Schweizer. Ges. f. Ur- und Frühgeschichte. Basel 1986, S. 34–43. (Egolzwil, Kl. Hafner, Cortaillod usw. alle Epochen)

Hafner 2003, A. & Suter, P. befassen sich mit ihrer Veröffentlichung → Das Neolithikum in der Schweiz detailliert mit dessen zeitlicher Entwicklung in der Schweiz.

Hafner 2005, Albert; Suter, Peter: → Raum/Zeit-Ordnung und neue Denkmodelle. Archäologie im Kanton Bern, Band 6B, Bern 2005:431–498, mit Katalog und umfassendem Literaturverzeichnis.
Gliederung nach Zeitperioden; Schweizer Regionen sowie nach Keramik, Textilherstellung, Beile, Lochäxte, Pfeilspitzen, Fischfanggeräte, Geweih-/Knochen-/Silexartefakte; Messer/Erntemesser; Zahn-/Knochenschmuck; Hirschgeweihschmuck; Stein-/Muschel-/Schneckenschalenschmuck. Weiters Beilschäftungen (S. 455: bereits in Egolzwil), Getreidearten, Viehhaltung und Jagd, Siedlungswesen usw.

Gleichzeitigkeit von Kulturen in F, Schweiz und Österreich

Jacomet 2006, Stefani führt in ihrer Veröffentlichung → Planzen-Wirtschaft in den nordalpinen Pfahlbauten - 3500-2400 BC S. 67 diese zeitlichen Aufeinanderfolgen weiter und erweitert sie um die nord-östlichen französischen Entwicklungen und auch jene von Westösterreich (vgl. die nebenstehende Grafik).

Stöckli 2009, Werner:Chronologie und Regionalität des jüngeren Neolithikums im Schweizer Mittelland, Süddeutschland und Ostfrankreich (4.300–2.400 v. Chr.). Antiqua 45, Archäologie Schweiz, Basel 2009. 412 Seiten. (v.a. Keramik; frühe Schweizer Siedlungen, bairische Kulturen; bis Schnurkeramik)

  • Kap. 9. Regionalität und Entwicklung im Schweizer Mittelland, in Süddeutschland und in Ostfrankreich von 4300 bis 2400 v. Chr. (S. 195 ff.) S. 199: In der Ost- und Zentralschweiz hat sich der Henkelkrug mit der Pfyner und der zentralschweizerischen Pfyner Kultur verbreitet.
  • Kap. 10. Geschichte des Neolithikums im Schweizer Mittelland, in Süddeutschland und in Ostfrankreich von 4300 bis 2400 v. Chr. (S. 203ff.) S. 203: Mit dem Kulturblock Egolzwil/Frühes zentralschweizerisches Cortaillod kommen wir in den Sog der mittelmeerischen Kulturen, der am besten durch das Chasséen classique repräsentiert ist. In der Egolzwiler Kultur, die formärmer als ihre südwestlichen Nachbarn ist, fasst man mit den sogenannten Wauwiler Bechern auch einen starken mitteleuropäischen Einfluss.
    Im Vallon des Vaux fassen wir das Cortaillod ancien [um den Bielersee], welches den fast gleichen Formenreichtum aufweist wie das Chasséen classique [Ostfrankreich] und sich als eindeutig zum Mittelmeer orientierte Kultur zu erkennen gibt.

Die Herkunft der Mondseer/Atterseer Pfahlbauernkultur

Die Szenario-Erzählung (20.3.24)

Im Folgenden wird ein Szenario zur Herkunft der Mondseer/Atterseer Pfahlbauernkultur gebracht. Ein Szenario ist ein konsistentes Bild der historischen Gegebenheiten – das also mit den vorhandenen Nachweisen und Gegebenheiten zusammenpasst. Das folgende Szenario stützt sich auf die umfassend dokumentierende "Systematik und Methodik zur Pfahlbauern-Kultur".


Im 6./5. Jahrtausend v. Chr. entstand in Bulgarien um Varna – aufbauend auf eine Hochtemperatur-Keramik-Produktion (Temperaturen über 1100 °C) – eine umfangreiche Kupferproduktion mit allen zugehörigen z. T. hochkomplexen Technologien.

Offenbar kam es dabei zu „zunftartigen“ Bildungen von Spezialisten in Gebieten wie Keramikern, Kupfer-Gießern, Kupfer-Schmieden, Köhlern, Bergleuten usw., deren Wissen nur innerhalb der Professionisten weitergegeben wurde: ein „Abschauen“ war schon wegen der Komplexität der Technologie nicht möglich.

Das Kupfer wurde bergmännisch in großen Kupferbergwerken gewonnen und von einem engen, vertrauten Kreis verarbeitet und in Artefakte gegossen, die durchwegs sehr begehrt waren und im Umfeld und bis weit in die pontische Steppe nördlich des Schwarzen Meeres hinein vertrieben wurden.

Bei diesen Metallurgen bildete sich bald eine „Elite“ heraus, die neben vielen Prestige-Objekten vor allem auch neu aufgekommenes Gold besonders bevorzugte. Das ist in mehreren Gräbern der Nekropole von Varna deutlich zu erkennen. Gold war das ultimative Statussymbol dieser Führungsschicht - allein in Grab Nr. 43 wurden Goldgegenstände mit einem Gewicht von über 1 kg gefunden.

Das Gold wurde von anderen, benachbarten Gruppierungen - mittels Goldwaschen in Flüssen - bezogen, aber nur in eigenen Werkstätten zu hochqualitativen Objekten verarbeitet.

Diese über Jahrhunderte florierende Gesellschaft mit ihrer Kupfer- und Gold-Metallurgie wurde um 4300/4100 v. Chr. plötzlich durch einen Angriff der Suvorovo-Gruppe aus den pontischen Steppen zerstört - und die Siedlungen dieser Region und Kultur wurden für Jahrhunderte verlassen.

Die Elite dieser Gesellschaft und ihre Metallurgen verließen ihre Heimat und zogen einerseits in den erzhöffigen Kaukasus, andererseits donauaufwärts nach Serbien und weiter nach Böhmen und die Slowakei. Offensichtlich blieben die Führungen dieser beiden Gruppen weiterhin in Kontakt.

Mit der Wanderung der zweiten Gruppe donauaufwärts kam es zwar zu Kupferartefakt-Lieferungen bis nach Ostösterreich (Beginn der Epi-Lengyelzeit) und bis nach Schwaben, ev. bis in die Schweiz, aber ein großer „Durchbruch“ konnte von diesen Metallurgen nicht erreicht werden.

Demgegenüber wurden die Metallurgen, die zum Kaukasus gingen, rasch fündig – aber nicht mit Reinkupfer, sondern mit stark arsenhältigem Kupfer. In kurzer Zeit erarbeiteten sie die entsprechende, hoch-anspruchsvolle Metallurgie mit Arsen-Kupfer. Dieses war nicht nur härter als Reinkupfer, sondern hatte nach dem Guss auch geringere Gaseinschlüsse, welche für scharfe Schneiden beim Nachschärfen äußerst unangenehm gewesen wären.

Ihre Verbindung mit den ansässigen mesolithischen Jägern und Sammlern des Kaukasus – der „Meshoko“-Gruppe – führte in der Folge zur stark hierarchisch strukturierten „Maikop“-Kultur mit ihren beeindruckenden Grabdenkmälern – den Kurganen. Im berühmtesten Kurgan „Oshad“ nahe dem heutigen Maikop fand sich die imposante Grabstätte eines Chiefs, der überreich mit Beigaben - insbesondere aus Gold - aber auch aus Silber, Arsenkupfer usw. beerdigt wurde.

Aus unbekannten Gründen kam es knapp vor der Bildung der Mondsee-Kultur zu einem erneuerten intensiven Kontakt zwischen den alten „Zunft-Verbündeten“ von Maikop und den donauländischen Kupfer-Metallurgen. (Die möglichen Gründe dafür sind unklar; Waschgold-Funde an der oberen Salzach wären denkbar – bleiben aber Phantasie.)

Jedenfalls kam es knapp nach 4000 v. Chr. zur Etablierung der Mondsee/Attersee-Gruppe an den oberösterreichischen Seen auf der Seehöhe von rd. 500 Metern.

Diese Gruppe bekam nicht nur Zugang zu Arsen-Kupfer-Erzen oder -Metall in Barrenform (das es in ganz Europa nicht gibt) sondern verfügte in der Folge auch über die entsprechenden High-Tech-Metallurgen der bis dahin in Mitteleuropa unbekannten Arsen-Kupfer-Metallurgie.

Da die donauländischen Haustiere und deren Getreide für die höheren Lagen und den deswegen um 2-3 °C niedrigeren Temperaturen der Salzkammergutseen ungeeignet waren, wurde nach anderen Gruppen – die bereits Anpassungen von Vieh und Getreide an höhere Lagen erreicht hatten – gesucht und in der heutigen Schweiz gefunden.

In der Schweiz hatten sich Jahrhunderte vorher - in Seehöhen von 400-500 Metern - wegen der regelmäßigen Verlegung des Abflusses des Zürichsees, der Limmat, durch Starkregen-Schotterfrachten der Sihl und der dadurch erforderlich werdenden Schotterbeseitigung durch „Rückwärts-Erosion“ eine Kanal-Pfahlbauern-Kultur herausgebildet, die sich direkt für die Besiedlung der oberösterreichischen Seen anbot. Dadurch konnte in kurzer Zeit eine Besiedlung der Salzkammergutseen realisiert werden.

Für die Situierung waren neben der Höhenlage und der Kanal-Pfahlbau-Technik auch die Anbindung an die Donau als günstige Verkehrsverbindung zum Schwarzen Meer wesentlich. Die bairischen Seen schieden wegen den fehlenden Gletscher-Endmoränen für einen Kanalbau aus. Die Traun kam schon wegen des Traunfalls nicht in Frage.

Gerade die bei dieser Schweizer Gruppe vorhandenen Anpassungen von Haustieren und Getreide an größere Höhen führten dazu, dass die ursprünglichen Kontakte - schon um Inzucht der Haustiere zu vermeiden - weiter aufrecht erhalten bleiben mussten: wegen der Aufrechterhaltung der Höhenanpassung der Haustiere kam eine Vermischung mit donauländischen Tieren ebenso wie eine Übernahme von deren Getreide nicht in Frage.

Damit blieben auch die menschlichen Kontakte mit deren Herkunftsgebieten aufrecht. Das führte in der Folge dazu, dass das sogenannte „Mondsee-Kupfer“ auch in der Schweiz verbreitet auftauchte.

Offenbar blieb die Belieferung mit Arsen-Kupfer während der gesamten Dauer der Maikop-Kultur aufrecht; mit dem Übergang zur Maikop-Novosvobodnaja-Phase versiegte aber die Arsen-Kupfer-Versorgung.

Die Mondsee/Attersee-Kultur blieb aber weiter stabil bestehen und endete erst um ca. 2700 v. Chr.

Die argumentativen Stützpunkte für das gezeichnete Szenario

Mondsee/Attersee – Metallurgie-Hochburg in Mitteleuropa