Die Epidemie in der Groß-Pfarre Attersee 1741/42 bis 1743/46 und Auswirkungen auf die Lebensgeschichten

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Die Relevanz der Epidemie für unsere Lebensgeschichten

Von dieser Epidemie sind auch relevante Akteure der Lebensgeschichten Attersees betroffen:

Gleich zu Beginn dieser Epidemie sterben die Eltern des Johannes Häberl (30 Jahre), Jungbauer von Mühlbach Nr. 4 und auch die Eltern der Susanna (17 Jahre) Schock von Altenberg, sodass es am 22.7.1743 zur Hochzeit der beiden kommt. Sie bekommen die für uns relevante Schock-Enkelin Susanna, die aber wegen der mängelhaft arbeitenden Seelsorger ursprünglich nicht in die Matriken eingetragen wird. Ihre Taufe wird erst anlässlich ihrer Hochzeit nachträglich an leerer Stelle mit 20.8.1747 – richtig wohl: Ende 1743 oder Anfang 1744 – mittels Einlage-Zettel nachgetragen. Diese (Schock-Enkelin) Susanna heiratet als Waise 1766 den posthum geborenen Johann Georg Heipl – ebenfalls ein Waise – von Erlath Nr. 28 „auf der Edt“, was die verwandtschaftliche Beziehung der heutigen Häupl mit den Schock vom Mühlgang über knapp vier Jahrhunderte herstellt.

Philipp, der 1725 geborene Sohn des David Schock von der Schockmühle, Mühlbach Nr. 1, kann wohl ebenfalls aufgrund der Epidemie früh heiraten und ehelicht mit 21 Jahren die Barbara. Die Heirat der beiden ist in den damaligen chaotischen Trauungsbüchern nicht eingetragen und wir wissen von ihr nur aus den Trauungsmatriken ihrer Töchter: Magdalena (geb. 1747) und Anna Maria (geb. 1750). Durch die Hochzeiten dieser Töchter kommt es zu einer Verschwägerung der Familien Eder (später Gugg und Hager) und Schock (und dem nun angeheirateten Johann Peyr).

Auch die Wiesmühle, Mühlbach Nr. 5 ist stark betroffen: Der als Erbe vorgesehene „Müllersohn“ Tobias Hisch stirbt 29.4.1741 mit 19 Jahren wohl als eines der ersten Opfer der aufkeimenden Epidemie. Auch die alten Auszügler der Wiesmühle Elias Hisch (76) und Susanna (80, Witwe des Abrahamb Schock) sterben innert zwei Wochen am 4. und 19. April 1742 an der Krankheit. Die Hischmühle kann damit von der Familie Hisch nicht mehr gehalten werden und geht in den Besitz der Familie Starlinger über. Der Sohn Johann Hisch arbeitet nun als Hilfsmüller auf der Wiesmühle. Da der Müller Starlinger 1751 stirbt und dessen Frau die Mühle weiter betreibt, kann Johann 1751 mit 36 Jahren doch noch die 28-jährige Schock-Tochter Susanna heiraten. Deren letztgeborener Sohn Franz Xaver und dessen weiterer Lebensweg wird zum Vorbild für die Obsorge der Väter für ihre Söhne Franz Xaver Peyr und Anton Hager und damit von besonderer Bedeutung für die weitere Entwicklung von Attersee.

Der Ablauf der Epidemie in der Pfarre Attersee

Wegen der Epidemie sind die Eintragungen 1743-1747 in den Atterseer Matriken sehr lückenhaft und zunehmend schreibunkundig verfasst: mindestens zwei Pfarrer sind während der Epidemie gestorben und insgesamt werden in diesen fünf Jahren mindestens sieben neue Seelsorger mit immer geringeren Schreib-Fähigkeiten (zwangs-)installiert, was an den immer "schwereren Händen" in den Matriken abzulesen ist.

In Attersee gibt es zwischen 1732 und 1741 im Durchschnitt 26 Sterbefälle pro Jahr. In den Sommermonaten 1741 kommt es zu einem ersten Aufflackern der Epidemie (Mai bis Juli 16 Tote). In der zweiten Februarhälfte 1742 kommt es zum vollen Ausbruch der Epidemie: allein zwischen 18. und 27. Februar sterben 16 Menschen. Der Ausgangspunkt der Epidemie in der Großpfarre Attersee liegt im Raum von Aichereben, Streit und Aich und zieht in Richtung Altenberg, Palnstorf und auch Mühlbach, was wohl auch durch die Kirchenbesuchspflicht befördert wird. Der März 1742 bringt 22, der April 21 und der Mai 11 Todesfälle. Die Eintragungen in das Sterbebuch enden abrupt am 18. Juni – wohl mit dem Tod des Seelsorgers. Der neue Seelsorger verzeichnet erst wieder im August 11 Tote – für das Gesamtjahr 1742 zählt er 94 Todesfälle. Im Februar 1743 kommt wiederum ein neuer Seelsorger und die Krankheit scheint beendet, nur um im September umso intensiver erneut auszubrechen. Es sterben an den einzelnen Septembertagen 1743: 8.9.: 3 – 9.9.: 3 – 10.9.: 6 – 16.-18.9.: jeweils 2; insgesamt also 26 Verstorbene allein im September. Ein neuer Seelsorger bleibt von Oktober 1743 bis Ende 1744.

Begräbnisse werden laut Matriken immer sporadischer durchgeführt: 1743 gibt es in vier Monaten laut den Matriken überhaupt kein, im Gesamtjahr 1744 nur 13 kirchliche Begräbnisse. 1745 bringt zwei neue Seelsorger und nur 14 Begräbnisse. Die zwei Seelsorger von 1746 sind des Schreibens besonders unkundig und machen nur wenige Eintragungen. 1747 kommen zwei etwas gebildetere Seelsorger, aber erst ab 1748 gibt es wieder geordnete kirchliche Verhältnisse und Eintragungen.

Einzeldaten der 1741 bis 1745 in der Pfarre Verstorbenen mit 7 Seelsorgerwechseln

Quelle: → Matriken des Atterseer Sterbebuchs 1741 ff.

Der Durchschnitt der Jahre 1732 bis 1740 beträgt 26 Tote pro Jahr: 1732: 33 Tote, 1733: 26 Tote, 1734: 27 Tote, 1735: 19 Tote, 1736: 30, 1737: 26 Tote, 1738: 25 Tote, 1739: 20 Tote, 1740: 19 Tote.

1741: insgesamt 37 Tote; Mai: 7 Tote, Juni: 4 Tote, Juli: 5 Tote – zeigt erstes Aufflackern der Epidemie

1742, Februar: Die Epidemie zeigt folgenden Uug der Epidemie: Aichereben, Streit, Aich, Attersee, Aich, Palnstorf, Aichereben, Altenberg Attersee, Aichereben, Mühlbach

1742: Jänner: 5 Tote Februar: 21 Tote (allein vom 18.2.-27.2.: 16 Tote) März: 22 Tote; April: 21 Tote, Mai: 11 Tote, Juni: 7 Tote (18.6.: Eintragungen enden wegen Tod des Pfarrers) August (ab 11.8.: neuer Pfarrer): 2 Tote; September: 3 Tote, Oktober: 1 Toter, November: 3 Tote, Dezember: 1 Toter.

Die Zählung des Pfarrers für das Gesamtjahr 1742 hat 94 Todesfälle ergeben und damit eine knapp Vervierfachung der normalen Sterblichkeit.

1743: Im Jänner kommt ein neuer Pfarrer, keine Eintragung; Februar: 4 Tote, März: 10 Tote, April: 2 Tote, Mai: 8 Tote, Juni: 6 Tote, Juli: 2 Tote, August: 1 Toter,

Erneuter Ausbruch im September mit folgenden Totenzahlen an den Einzeltagen: 8.9.: 3 Tote, 9.9.: 3 Tote, 10.9.: 6 Tote, 16.9.: 2 Tote, 17.9.: 1 Toter, 18.9.: 2 Tote, 25.9.: 1 Toter, 26.9.: 1 Toter, 29.9.: 2 Tote

Oktober: es kommt wieder neuer Pfarrer: Oktober: 8 Tote, November: nihil, Dezember 1 Toter

1744: Jänner: 1 Toter, Februar: nihil, März: 1 Toter, April: 2 Tote, Mai: 1 Toter, Juni: nihil; Juli: 1 Toter, August: nihil, September: 2 Tote, Oktober: 3 Tote, November: 2 Tote

Die wenigen Eintragungen im Totenbuch sind der Schreibunlust des Pfarrers geschuldet; der Pfarrer wechselt erneut

1745: Es kommt wieder neuer Pfarrer: Jänner: 2 Tote; nach der Handschrift wiederum neuer Pfarrer: Februar: 1 Toter, März: 1 Toter, April: 3 Tote, Mai: 2 Tote, Juni: 1 Toter, Juli: 4 Tote … Ab hier fehlen alle Eintragungen

1746: Es kommt eine besonders „schwere Hand“, die kaum zu entziffern ist. Ab März gibt es erneut einen neuen Pfarrer, ab September nur mehr „wirre“ Eintragungen …

1747: ab März gibt es endlich wieder einen schreibkundigeren, gebildeteren Pfarrer: April: 5 Tote, Mai: 2 Tote, Juni: 1 Toter, Juli: 3 Tote, August: 3 Tote, Sept: 2 Tote, Oktober: keine Eintragung. Mit November kommt wiederum ein neuer Pfarrer: 1 Toter, Dezember: keine Eintragung … erst ab 1748 kommt es allmählich wieder zu einer Normalisierung in den Matrikeneintragungen.

Wie viele Tote diese Epidemie insgesamt gefordert hat, kann anhand der fehlenden und z.T. chaotischen Matrikeneintragungen nicht genau nachvollzogen werden. Nimmt man die Übersterblichkeit von 1742, als noch ein Pfarrer einigermaßen „ordentlich“ aufzeichnet, mit rd. 70 Personen an und legt man diesen Wert auch für die folgenden zwei Jahre zugrunde, als die Pfarre Attersee nur mehr äußerst schlecht ausgebildete Seelsorger bekam, so könnten in der Pfarre rund 200 Personen der Krankheit zum Opfer gefallen sein.

Vergleich mit dem Epidemieverlauf in der Pfarre St. Georgen

Die Sterbefälle in St. Georgen in den Jahren 1733 bis 1747

Die Sterbefälle im Zeitraum 1733 bis 1739 betragen im Durchschnitt 133 Tote pro Jahr. Bereits 1740 und auch 1741 kommt es zu einem ersten Aufkeimen der Krankheit. 1742 bricht die Epidemie voll aus und es kommt fast zu einer Vervierfachung der Todesfälle, die noch im Jahr 1743 mit über doppelten Sterbefällen nachwirkt. 1744 erlischt die Krankheit und 1745 sind die Todeszahlen unter dem Schnitt, da viele Vulnerable bereits in den Vorjahren am „Gottesacker“ endigen.

Datenquelle: → Sterbe-Matriken St. Georgen ab 1733

1733: 140 Tote

1734: 101 Tote

1735: 137 Tote

1736: 159 Tote

1737: 140 Tote

1738: 127 Tote

1739: 131 Tote

1740: 223 Tote – erstes Aufkeimen (+ 75 %)

1741: 237 Tote – und Aufflackern (+ 80 %)

1742: 517 Tote – voller Ausbruch der Epidemie (fast Vervierfachung der "normalen" Todeszahlen)

1743: 301 Tote – Nachwirken der Epidemie (mehr als Verdopplung der durchschnittlichen Fälle)

1744: 129 Tote – Epidemie erlischt

1745: 97 Tote – die Gefährdeten sind schon verstorben

1746: 128 Tote

1747: 137 Tote

Auftreten der Epidemie in den Monaten der Jahre 1741, 1742 und 1743

Die Epidemie bricht im Dezember 1741 voll aus und wütet bis Juni 1742 mit bis zu drei Toten pro Tag und flaut Ende Juli völlig ab. 1742 flackert sie nochmals in den Monaten April-Mai und noch einmal im September auf, um daraufhin zu enden.

Tote in der Pfarre St. Georgen je Monat in den Jahren 1741 bis 1743
Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Sum
1741 10 16 10 11 29 34 19 16 25 15 20 33 237
1742 45 48 70 90 82 71 27 12 16 21 13 20 517
1743 19 16 24 46 39 16 16 21 59 27 8 12 301

Epidemie trifft vor allem Erwachsene: Sterbefälle nach Alter und Geschlecht

Die Dramatik dieser Entwicklung erhellt sich vor allem in der Aufschlüsselung der Sterbefälle auf die einzelnen Alterskohorten.

Wie direkt ersichtlich, trifft die Epidemie die junge (bis rund 20 Jahre) Bevölkerung nicht oder nur im geringen Ausmaß. Das bedeutet, dass die Erwachsenen und Alten umso stärker getroffen werden.

Von den männliche Erwachsenen sterben durchschnittlich 13 pro Jahr also etwa 1 Begräbnis pro Monat. Das Maximum an verstorbenen erwachsenen Männer beträgt 1742: 131 Tote - also das 10-fache des normalen Wertes; also ein Begräbnis alle drei Tage.

Der Durchschnitt an Sterbefällen bei den weiblichen Erwachsenen macht 21 Verstorbene pro Jahr aus. Am Höhepunkt der Epidemie steigt die Anzahl der gestorbenen weiblichen Erwachsenen auf 153 Tote - das ist rund das 8-fache. Waren es vorher etwa 2 Begräbnisse alle drei Monate, so sind es am Höhepunkt der Epidemie 3 Begräbnisse pro Woche.

Bei den Alten erhöht sich die Mortalität bei den Männern auf das 4 ½ -fache, bei den Frauen um etwas über dem 4-fachen.

Sterbefälle St. Georgen 1733 bis 1752 nach Alter und Geschlecht
Jahr Kind m. Kind w. Erw. m. Erw. w. Alte m. Alte w. gesamt
1733 36 21 17 26 26 20 140
1734 33 18 8 15 11 16 101
1735 34 30 9 23 17 24 137
1736 41 35 21 20 19 23 159
1737 35 30 21 19 17 18 140
1738 36 32 14 21 16 8 127
1739 30 29 18 26 10 18 131
1740 43 35 39 48 29 33 223
1741 32 44 54 54 27 26 237
1742 37 44 131 153 74 78 517
1743 59 50 52 78 31 31 301
1744 40 33 15 20 10 11 129
1745 22 32 13 14 7 9 97
1746 40 32 11 14 14 17 128
1747 41 39 15 17 13 12 137
1748 29 20 16 7 9 8 89
1749 27 20 10 13 8 11 89
1750 51 41 16 16 10 14 148
1751 32 28 16 22 10 15 123
1752 51 38 18 19 16 17 159

Quellen