Das Werden von Alteuropa und dessen Untergang

Aus atterpedia
Version vom 16. Juni 2022, 19:30 Uhr von Admin (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: „Im Jahr 4500 v. Chr., vor der Erfindung des Rades oder der Schrift, bevor die ersten Städte in Mesopo-tamien und Ägypten gebaut wurden, gehörte „Alteuropa…“)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Im Jahr 4500 v. Chr., vor der Erfindung des Rades oder der Schrift, bevor die ersten Städte in Mesopo-tamien und Ägypten gebaut wurden, gehörte „Alteuropa“ zu den am höchsten entwickelten und tech-nologisch fortschrittlichsten Orten der Welt. Der Begriff "Alteuropa" bezieht sich auf einen Zyklus von Kulturen, die vor allem in Südosteuropa zwischen etwa 6200 und 4300 v. Chr. blühten und dann einen scheinbar plötzlichen Kollaps erlitten. Alteuropäische Bräuche wurden in einigen Regionen bis etwa 3500-3300 v. Chr. fortgeführt, bis es zu einem letzten, kleineren Zusammenbruch kam. Auf seinem Hö-hepunkt, etwa 5000-3500 v. Chr., entwickelte Alteuropa viele der politischen, technologischen und ide-ologischen Kennzeichen von "Zivilisation". Einige alteuropäische Dörfer wuchsen zu stadtähnlichen Größen heran, größer als die frühesten Städte Mesopotamiens. Einige Alteuropäische Chiefs trugen atemberaubende Kleider, die mit Gold-, Kupfer- und Muschelornamenten glänzten – eine Zurschaustel-lung von Reichtum, die Archäologen immer noch überrascht und verwirrt, da es bei den Häusern keine vergleichbare Vorrangstellung gab. Die alten europäischen Metallschmiede gehörten zu ihrer Zeit zu den fortschrittlichsten Metallhandwerkern der Welt und waren sicherlich die aktivsten. Die von Archäo-logen aus Alteuropa geborgenen Metallgegenstände umfassen insgesamt etwa 4 700 Kilogramm Kupfer und mehr als 6 Kilogramm Gold – weitaus mehr Metall als in irgendeinem anderen Teil der antiken Welt aus der Zeit vor 3500 v. Chr. gefunden wurde. Die Nachfrage nach Kupfer, Gold, ägäischen Spondylus-Muscheln und anderen Wertgegenständen schuf Handelsnetze, die hunderte von Kilometern reichten. Töpferwaren, Figurinen und sogar Häuser wurden mit auffälligen Mustern verziert. Weibliche "Göttin-nen"-Figuren, die in fast jeder Siedlung gefunden wurden, haben intensive Debatten über die rituelle und politische Macht der Frauen ausgelöst. In Ton eingeschriebene Zeichen lassen auf ein primitives Notati-onssystem, wenn nicht gar auf Schrift, schließen. Hier wird "Alteuropa" so verwendet, wie es Marija Gimbutas in ihrem 1974 erschienenen Buch “Götter und Göttinnen von Alteuropa“ getan hat (überarbeitet und 1982 als Bestseller “Göttinnen und Götter von Alteuropa“ neu aufgelegt, wobei die Geschlechter vertauscht wurden). Gimbutas' Konzept der alteuropäischen Götter und Göttinnen ist sowohl überschwänglich gelobt als auch heftig kritisiert wor-den, aber ihr geografisches und kulturelles Konzept von Alteuropa ist als praktische Bezeichnung sehr nützlich. Es bezieht sich auf die Kulturen Südosteuropas mit Schwerpunkt in Bulgarien und Rumänien während des Neolithikums und der Kupferzeit, die etwa 6200 v. Chr. begann und in zwei Phasen zwi-schen 4300 und 3300 v. Chr. endete. Die materiellen Merkmale, die Alteuropa kennzeichneten, waren: Erstens: massiv gebaute Häuser mit Holzrahmen, Strohdächern und Wänden, die in der Regel aus Lehmverputz auf einem Kern aus gefloch-tenen Zweigen bestanden, die in zusammenhängenden Dörfern angeordnet waren; zweitens: technisch hochentwickelte Töpferwaren aus feinem Ton; drittens weibliche Figurinen, die häufig in Häusern ge-funden wurden und viertens die Teilnahme an einem Fernhandel, der mit dem Austausch von ägäischen Spondylus-Muscheln begann und sich auf Kupfer- und Goldschmuck sowie gegossene Kupferwerkzeuge und -waffen ausweitete. Drei dieser Merkmale – große Häuser, Dutzende verschiedener Töpferwaren (Schüsseln, Krüge, Töpfe, Topfständer, Vorratsgefäße usw.) und Figurinen, die mit häuslichen Ritualen verbunden waren – unter-strichen die Bedeutung des Hauses als Zentrum des familiären, sozialen und rituellen Lebens. Das Haus und sein Haushalt waren enorm so wichtig.

Zwei der aufgeführten Merkmale – gut gebrannte Töpferwaren und der Kupferhandel – sind auf diesel-be hochentwickelte Pyrotechnik zurückzuführen. Ein Merkmal – der Fernhandel – wurde durch die Erfin-dung und Ausarbeitung der Metallurgie und des Bergbaus stark stimuliert. Alteuropa unterschied sich von anderen Teilen Europas durch die ständige Neukombination und Wechselbeziehung dieser vier Bräuche, und es war jener Teil von Europa, in dem die Landwirtschaft ihren Anfang nahm, so dass die bäuerliche Lebensweise dort wirklich "alt" war. Die Entstehung von Alteuropa, 6200-5500 v. Chr. Alteuropa unterschied sich von anderen Teilen Europas dadurch, wie und wann die landwirtschaftliche Lebensweise in Europa begann – ein historischer und geografischer Zufall, der erhebliche Folgen hatte. Die tiefere Verwurzelung und längere Entwicklung der Landwirtschaft in Südosteuropa wirkte sich auf die Rolle aus, die diese Region in späteren Handels- und Kommunikationsnetzen spielte. Pionierbauern drangen um 6200 v. Chr. (vielleicht etwas früher) erstmals in die Wälder des klimatisch gemäßigten Europas auf dem Balkan und im Karpatenbecken ein und gründeten die Siedlungen, aus denen sich schließlich das Alteuropa entwickeln sollte. Diese Bauern kamen aus Griechenland und Ma-zedonien und davor aus Anatolien (Türkei). Sie brachten Samen von Emmer- und Einkornweizen, Erbsen, Gerste sowie domestizierte Schafe und Rinder mit, allesamt Pflanzen und Tiere, die Jahrtausende zuvor im Nahen Osten domestiziert worden waren und nun in die Wildnis Europas eingeführt wurden. Geneti-sche Untersuchungen zeigen, dass die domestizierten Kühe der neolithischen Pioniere ausschließlich von lange domestizierten Müttern abstammten, die aus Anatolien gekommen waren. Wilde Stiere wa-ren in der Kunst des neolithischen Anatoliens ein machtvolles Symbol, und auch im neolithischen Grie-chenland und später in Alteuropa, wo sie im Gräberfeld von Varna in Gold dargestellt wurden, blieben Stiere Gegenstand von Kunst und Ritualen. Die ersten neolithischen Siedlungen in Griechenland wurden um 6700 v. Chr. im fruchtbaren Thessalien gegründet, die aus Westanatolien kamen und Saatgut, landwirtschaftliche Geräte sowie lebende Rinder und Lämmer mitbrachten. Zu den materiellen Merkmalen und Bräuchen, die aus Westanatolien nach Griechenland gebracht wurden, gehörten (neben den grundlegenden Nutzpflanzen und -tieren) anatoli-sch anmutende Töpferwaren, Werkzeuge aus Feuerstein, Ornamente, Gürtelhaken aus Knochen, breit-hüftige und „stab-köpfige“ weibliche Figurinen aus Ton, Stempel (so genannte Pintadera), mit denen geometrische Muster auf verschiedene Medien (Textilien, Brot, menschliche Haut) gepresst wurden, und Lippenstifte (kleine steinerne, stabförmige Ornamente, die durch gepiercte Öffnungen in der Unter-lippe oder vielleicht in Ohrläppchen gesteckt wurden). Viele dieser Bräuche wurden in Griechenland beibehalten und später nach Alteuropa übertragen. Um 6200 v. Chr. gab es mindestens 120 frühneolithische Siedlungen in Thessalien, und einige wenige bäuerliche Gemeinschaften hatten sich die Ägäisküste hinauf bis nach Mazedonien ausgebreitet. Die Ausbreitung nach Norden endete jedoch an der Grenze zwischen mediterranem Klima/Flora von Grie-chenland bzw. Mazedoniens und dem kälteren, feuchteren und gemäßigten Klima von Südosteuropa.


Etwa 6200 v. Chr., oder vielleicht etwas früher, überschritt eine zweite Welle von Pionieren diese Gren-ze. Die kolonisierenden Bauern brachten zum ersten Mal domestizierte Schafe und Rinder, Weizen und Gerste, frauenzentrierte häusliche Rituale, Pintadera-Stempel, Lippenstifte und Schmuck aus ägäischen Spondylus-Muscheln in das kältere, feuchtere Klima des gemäßigten Alteuropas. Sie „hüpften“ von ei-nem günstigen Ort zum anderen und drangen schnell durch die Wälder Griechenlands und Mazedoniens in das mittlere Donautal vor. Ihre kleinen bäuerlichen Siedlungen an der mittleren Donau, im heutigen Nordserbien und Südwestrumänien, werden der frühneolithischen Starčevo- und Criş-Kultur zugeordnet. Dieser Siedlungsknotenpunkt an der Mitteldonau brachte zwei Migrantenströme hervor, die einerseits donauabwärts in Richtung Osten nach Rumänien und Bulgarien und andererseits flussaufwärts entlang des Mureş und des Körös in Richtung Nordosten nach Transsilvanien strömten. Beide Migrationsströme brachten ähnliche Keramik- und Werkzeugtypen hervor, die heute der Criş-Kultur zugeordnet werden. Ihre Vorfahren in Griechenland hatten sich weitgehend von Schafen ernährt, und die Starčevo- und Criş-Pioniere behielten diese Vorliebe für Schafe bei, obwohl die Wälder Südosteuropas für Schweine- und Rinderhaltung besser geeignet waren. Diese Bauern konsumierten jedoch auch Kuhmilch, wie Moleküle aus Milchfett belegen, die wahrscheinlich von Kühen stammten und in Tongefäßen von Starčevo und Criş gefunden wurden. Nur an wenigen Orten in Südosteuropa gab es Funde von spätmesolithischen Jägern und Sammlern aus der Zeit nach 7000 v. Chr., so dass die Region offenbar nur in Teilbereichen besiedelt war. Einer dieser Orte befand sich am Übergang vom mittleren zum unteren Donautal, dem „Eisernen Tor“, wo die Do-nau in steilen Schluchten zwischen Balkan und Karpaten fließt und es große Fischbestände gab. Die ein-heimischen Fischer-Jäger-Sammler am Eisernen Tor interagierten mit den neolithischen Einwanderern – Starčevo-Keramik wurde in Lepenski Vir während der gesamten Zeit der Jäger- und Sammlerbesiedlung gefunden –, aber schließlich wurde die mesolithische Jäger-, Fischer- und Sammlerkultur durch die ein-dringende Wirtschaft und materielle Kultur der Starčevo- und Criş-Einwanderer ersetzt. In der Dobrud-scha südlich der Donau in Rumänien wurden viele spätmesolithische Jäger- und Sammlerplätze, andere nördlich der Donau-Mündung in der Ukraine gefunden; es gibt aber keine archäologischen Hinweise auf einen Kontakt zwischen diesen Jägern und den Criş-Bauern. Sobald sie sich etabliert hatten, diversifizierten sich die neolithischen Bauerngemeinschaften des mittle-ren und unteren Donautals und entwickelten sich zu unterschiedlichen regionalen Kulturen. Südlich der Donau, auf der Hochebene im Balkangebirge, entstand in Karanovo eine Siedlung. Dieses Bauerndorf, das inmitten einer Ansammlung benachbarter neolithischer Siedlungen gegründet wurde, war während des Balkan-Neolithikums und der Kupferzeit (6200-4300 v. Chr.) fast durchgehend bewohnt. Karanovo I wurde um 6200-6100 v. Chr. gegründet, und Karanovo VI, das den Höhepunkt der Kultur Alteuropas darstellt, endete um 4300-4200 v. Chr. Zu Beginn dieser Abfolge wiesen die neolithischen Siedlungen der Perioden Karanovo I-III auf dem Balkan Analogien in der Keramik mit den neolithischen Gemein-schaften in Nordwestanatolien auf, so dass es zwischen 6200 und 5500 v. Chr. zu einem gelegentlichen Kontakt zwischen dem Balkan und Nordwestanatolien gekommen sein dürfte.


Wie zuvor von Griechenland nach Südosteuropa ging die Ausbreitung der bäuerlichen Gemeinschaften nur bis zu einem gewissen Punkt und kam dann zum Stehen. Auf die anfängliche Phase schneller, weit-räumiger Siedlungsbewegungen folgte eine Konsolidierungsphase. In Ungarn ergab sich südlich des Plattensees eine Grenze, die mindestens fünfhundert Jahre lang von etwa 6100 bis 5600 v. Chr. Bestand hatte. Der nun nach dieser Grenze stattfindende Ansiedlungsprozess war wahrscheinlich der historische Prozess, der später für die kulturelle Besonderheit von Alteuropa verantwortlich war. Als um 5600-5500 v. Chr. eine weitere Kolonisierungswelle einsetzte, die den Ackerbau und die Viehzucht über die Karpa-ten hinaus nach Polen, Deutschland und Frankreich trug, waren die Dörfer Südosteuropas bereits alt und eingesessen und verfügten über viele gegenseitige historische Beziehungen. Die neuen Pioniere, die nun Mittel- und Nordeuropa kolonisierten, die Linearbandkeramiker, schätzten weiterhin den Spon-dylus-Muschelschmuck, was einen intensiven Muschelhandel befeuerte, der sich zwischen 5500 und 5000 v. Chr. von Griechenland bis nach Deutschland und Nordfrankreich erstreckte (siehe den Aufsatz von Michel Séfériadès in diesem Band), aber in vielerlei Hinsicht begannen sie, sich zunehmend von den Kulturen Südosteuropas zu unterscheiden. Das alte Europa in seiner Blütezeit Um 5000 v. Chr. hatten sich die verstreuten Bauerndörfer Bulgariens und Südrumäniens zu immer grö-ßeren und solide gebauten landwirtschaftlichen Dörfern mit mehrstöckigen Häusern mit gerodeten und kultivierten Landschaften entwickelt, umgeben von Rinder-, Schweine- und Schafherden; möglicher-weise wurden Rinder zum Ziehen primitiver Kratzpflüge auf den Feldern eingesetzt. Fragmente von be-maltem Putz deuten darauf hin, dass Hauswände mit denselben wirbelnden, kurvigen Mustern verziert waren, die auch auf Töpfen zu sehen sind. Auf dem Balkan und im unteren Donautal wurden die Dörfer von Generation zu Generation an der gleichen Stelle immer wieder neu aufgebaut, so dass Schichtungen entstanden, die bis zu zehn, fünfzehn Meter hoch wurden („Tell“) und sich das Dorf so über die umlie-genden Felder erhob. Marija Gimbutas machte Alteuropa für seine Göttinnen berühmt. Haushaltskulte, die durch breithüftige weibliche Figurinen symbolisiert wurden, waren im gesamten Alteuropa verbrei-tet, obwohl es auch männliche Figuren gab und auch Tierfiguren. Auf Figurinen und Töpfen eingeritzte Zeichen deuten auf ein Notationssystem hin, das im Spätneolithikum ihren Höhepunkt erreichte und in der Kupferzeit abnahm, so dass es kaum Belege für eine Entwicklung zur Schrift gibt. Die Töpfer erfan-den zweistufige Brennöfen, die Temperaturen von 800-1100° C erreichten. In einer sauerstoffarmen Atmosphäre entstanden schwarze Keramikoberflächen, die mit Graphit bemalt wurden, um silberne Muster zu erzeugen; alternativ entstand in einer blasebalgunterstützten, sauerstoffreichen Atmosphäre eine rote oder orangefarbene Oberfläche, die manchmal auch weiß, schwarz und rot bemalt wurde. Die Töpferöfen führten zur Metallurgie. Kupfer wurde aus Stein gewonnen oder verhüttet, indem man pulverisierte grün-blaue Azurit- oder Malachitmineralien (die möglicherweise als Pigmente für Töpfer-waren verwendet wurden) mit pulverisierter Holzkohle mischte und das Gemisch in einer reduzierenden Atmosphäre – vielleicht zunächst zufällig – brannte. Bei 800 °C löste sich das Kupfer in winzigen, glän-zenden Kügelchen vom Mineralerz. Diese konnten herausgeschlagen und von der Abfallschlacke ge-trennt werden. Die Schlacke wurde verkippt, ein sicheres Zeichen dafür, dass an diesem Ort verhüttet wurde. Das Kupfer wurde wieder erhitzt, zu Blechen gehämmert, geschmiedet, geschweißt, geglüht und zu einer Vielzahl von Werkzeugen (Haken, Ahlen und Klingen) und Schmuckstücken (Perlen, Ringe und andere Anhänger) verarbeitet. Goldschmuck (der wahrscheinlich im östlichen Balkangebirge und im Sakar-Gebirge nahe der türkischen Grenze abgebaut wurde) begann in denselben Handelsnetzen zu zir-kulieren. Die frühe Phase der Kupferverarbeitung begann vor 5000 v. Chr.


Schon vor 5000 v. Chr. lernten die Schmiede des Balkan, dass sich Kupfer bei einer Temperatur von 1083 °C in eine zähe Flüssigkeit verwandelt und in Formen gegossen werden kann. Um diese Temperatur zu erreichen, war ein Brennofen mit Blasebalg erforderlich, aber solche Öfen wurden ja bereits von den Alteuropäischen Töpfern verwendet. Die Arbeit mit geschmolzenem Kupfer war nicht nur deswegen schwierig, weil es sehr hohe Temperaturen benötigte, sondern auch, weil es richtig gerührt, abge-schöpft und gegossen werden musste, da es sonst zu einem spröden Gegenstand voller Unvollkommen-heiten abkühlte. Gut gefertigte gegossene Kupferwerkzeuge wurden zwischen 4800 und 4300 v. Chr. in ganz Südosteuropa verwendet und ausgetauscht, und zwar in Ostungarn, Serbien, Westrumänien, Bulgarien, Rumänien, Moldawien und Ostrumänien („Kupferzeit“). Die Metallurgie war eine neue Art von Handwerk. Selbst wenn man sah, wie ein glänzender Kupferring aus einem grün gefärbten Stein entstand, war es schwer zu verstehen. Der magische Aspekt der Kup-ferverarbeitung zeichnete die Metallarbeiter aus, und die Nachfrage nach Kupfergegenständen förder-te den Handel. Das Schürfen, der Bergbau und der Fernhandel mit Erzen und Fertigprodukten leiteten eine neue Ära interregionaler Politik und gegenseitiger Abhängigkeit ein, die sich schnell auf das ge-samte Alteuropa und sogar auf die Steppengebiete nördlich des Schwarzen und Kaspischen Meeres ausdehnte, angestoßen wahrscheinlich durch den Austausch von Geschenken zwischen lokalen Eliten. Handel und Macht Handel ist ein Indikator für verschiedene Arten der politischen Organisation: Handel in Form von persön-lichem Austausch von Geschenken von Angesicht zu Angesicht betrieben wurde, deutete auf eine egali-täre Gesellschaft hin; Handel zur Anhäufung von Wertgegenständen, um das Prestige durch groß ange-legte Geschenke zu steigern, deutet auf ein umverteilendes Häuptlingstum hin; Handel, der verschlos-sene und gekennzeichnete Lagerräume füllte, um Könige und Paläste zu bereichern und zu verschö-nern, deutet auf einen Zentralstaat hin. Bei den aus großer Ferne beschafften Gegenständen handelte es sich aber nicht nur um Artefakte, sondern auch um greifbare Symbole einer persönlichen Verbindung mit Mächten und sogar Magie von jenseits der bekannten, vertrauten Welt. Exotische Gegenstände deuteten nicht nur auf Reichtum hin, sondern es ging auch die Macht und die Reptution fremder Orte und Wesen auf den Besitzer über. Die Teilnahme an Fernreisen, Kriegen und Handel verlieh dem Teil-nehmer eine Aura des Außergewöhnlichen. Der Fernhandel im neolithischen und kupferzeitlichen Euro-pa war wahrscheinlich zum Teil durch diese ideologischen und imaginativen Aspekte des Wertes moti-viert, die die Handelsgüter nicht zu "Waren" im heutigen Sinne machten, sondern eher zu "Wertgegen-ständen", zu Symbolen von Status und Anerkennung. Der älteste Fernhandel im europäischen Neolithikum war der Austausch von Obsidian, einem vulkani-schen Glas, das zu schönen und messerscharfen Steinwerkzeugen verarbeitet wurde. Obsidian von der ägäischen Insel Melos wurde mit Booten über das Ägäische Meer transportiert. Obsidian scheint jedoch nur ein nützliches und attraktives Material gewesen zu sein, kein Symbol für Status oder Macht. Eine andere ägäische Pretiose, die Schale der Molluske Spondylus gaederopus, wurde über noch größere Entfernungen gehandelt und hatte eine erhebliche symbolische Bedeutung. Spondylus-Muscheln gedeihen in der Ägäis und im Adriatischen Meer aber nicht im Schwarzen Meer. Taucher mussten die stacheligen Muscheln in mehr als vier Metern Tiefe von Unterwasser-Felsen abrei-ßen, an denen die untere Schale angewachsen ist. In den griechischen Dörfern des Neolithikums wurden die Muscheln auf bestimmte Weise zerbrochen und zu verschiedenen Arten von Schmuck verarbeitet: Perlen, Armbänder und Ringe. Der Spondylus-Schmuck wurde von Griechenland nach Südosteuropa gebracht, als die ersten Bauern in das Donautal einwanderten. Sporadischer Handel versorgte die Bau-ern an der Donau während des gesamten Frühneolithikums (6200-5500 v. Chr.) mit diesen Symbolen ihrer ägäischen Herkunft. Der Handel mit Spondylus nahm zwischen 5500 und 5000 v. Chr. erheblich zu, als die zweite Migrationswelle die bäuerliche Wirtschaft aus dem mittleren Donautal über die Kar-paten nach Polen, Deutschland und Frankreich brachte. Nördlich der Karpaten erlangten die Muscheln eine größere symbolische Bedeutung und tauchten vor allem in den Gräbern erwachsener Männer auf, wahrscheinlich als Statusindikatoren in den Gemeinschaften der Linearbandkeramik. Während dieses halben Jahrtausends wurden in den ägäischen Werkstätten jährlich tausende von Muscheln verarbeitet und über das Donautal und die Karpaten bis in die Dörfer der Linearbandkeramiker transportiert, eine Entfernung von mehr als dreitausend Kilometern. Aber nach etwa fünfhundert Jahren scheinen die Geschichten über die ägäische Abstammung verblasst zu sein, und die Nachfrage nach Spondylus in Mittel- und Nordeuropa endete etwa 5000-4900 v. Chr. Der Spondylus-Handel schrumpfte auf Südost-europa, aber gleichzeitig begann er dort, die Nachahmung und Variation zu befruchten, die das Alteu-ropa in seiner Blütezeit prägten. In Alteuropa wurde Spondylus in noch nie dagewesenen Mengen ange-häuft und gehortet, zusammen mit neuartigen, spektakulären Prestigegütern aus Kupfer und Gold. Die Kupfermetallurgie wurde in Südosteuropa etwa zur gleichen Zeit erfunden, als der Spondylus-Handel nach Mitteleuropa aufhörte. Geschmolzenes Kupfer war ein neues Material und regte den Fern-handel stark an. In Richtung Mitteleuropa, wo das Metallzeitalter um 4000 v. Chr. erst tausend Jahre später richtig begann, waren jedoch die Handelsbeziehungen nicht mehr sehr rege; auch nach Griechen-land oder Anatolien wurde nicht mehr viel Kupfer gehandelt. Metallornamente wurden schnell in Han-delsnetze aufgenommen, die sich nach Osten in die Steppen nördlich des Schwarzen und des Kaspi-schen Meeres bis in die Wolga-Ural-Region erstreckten, mehr als achthundert Kilometer von den bulgarischen Kupferminen entfernt, die die Quelle des gehandelten Kupfers waren. In einem Gräber-feld an der mittleren Wolga, das auf etwa 4700 v. Chr. datiert wird, wurden 320 Kupferschmuckstücke in 201 Gräbern gefunden. Einige Objekte wurden lokal hergestellt oder repariert, die meisten wurden jedoch aus bulgarischem Kupfer hergestellt. Ringe und Spiralarmbänder wurden auf die gleiche Weise hergestellt wie die in Varna gefundenen und wahrscheinlich aus Bulgarien importiert. Die Handelsroute von Bulgarien zur Wolga führte wahrscheinlich durch die Alteuropäischen Grenzstädte und Dörfer der Cucuteni-Tripol'ye-Kultur; in der Siedlung Karbuna, die etwa 4500-4400 v. Chr. bewohnt war, wurde ein Hort von 444 Kupferobjekten in einem Topf mit 254 Perlen, Plaketten und Armbändern aus Spondylus-Muscheln in einer Grube unter einem Hausboden versteckt. Kupfer aus dem Balkan wur-de nach Osten zu den Steppengemeinschaften gehandelt, nicht aber Spondylus-Muscheln, diese verblie-ben in Alteuropa. Seltsamerweise begannen Steppen-Chiefs um 5000 v. Chr., Schmuck aus kleinen Eber-hauer-Plaketten zu tragen, die in Größe und Form den Spondylus-Plaketten in den alteuropäischen Hor-ten entsprachen. Die Wildschweinhauer-Plaketten können als Nachahmungen von Spondylus-Ornamenten angesehen werden. Kupfer und Spondylus wurden in Hortfunden Alteuropas häufig kombiniert. Sie traten nicht nur in Karbu-na zusammen auf, sondern auch in einem Hort mit mehr als 450 Objekten in einer Cucuteni-Siedlung und in einem weiteren großen Hort in Siebenbürgen (2.034 Objekte). Diese Horte sind Ansammlungen von Prestigeobjekten zu handeln – Spondylus-Ornamente, Kupfer- und Goldschmuck, Hammeräxte aus gegossenem Kupfer und Hammeräxte aus poliertem Stein –, die über weit verzweigte Tauschnetze er-worben wurden. Ähnliche Objektgruppen wurden in den reichen Gräbern von Varna in Bulgarien ge-funden. Ein mit Gold überzogener Spondylus-Armreif wurde von einem erwachsenen Mann getragen, der zusammen mit 990 Goldobjekten in Grab 43 auf dem Friedhof von Varna bestattet wurde, dem reichsten Einzelgrab aus Alteuropa, das auf etwa 4600-4500 v. Chr. datiert wird. Die Gräber des Friedhofs der Varna-Kultur um 4600-4400 v. Chr. waren zum Teil mit Gold gefüllt und sind ein Beweis für eine klar abgegrenzte und ausgeprägte obere soziale und politische Schicht, wahr-scheinlich Chiefs und ihre Familien. Die in anderen Siedlungen gefundenen Hortfunde ähnlicher Objekte dokumentieren die Ausdehnung dieses hauptsächlich auf Prestigehandel ausgerichteten Systems auf andere Teile von Alteuropa. Weniger reiche Gräber deuten auf die Bestattungen von Chiefs der unteren Ebene hin. Die alteuropäische Gesellschaft war in mächtige Personen unterteilt, die Metalle und ägäi-sche Muscheln (die exotischen Insignien des Fernhandels) besaßen und diese Wertgegenstände bei öf-fentlichen Anlässen am Körper trugen, und solche, die dies nicht taten. Diese Ungleichheit erstreckte sich jedoch nicht auf die Häuser, die sich weder in Bauweise noch Ausstattung unterscheiden. Die Men-schen, die bei öffentlichen Veranstaltungen goldene Kleider anlegten, kehrten in ganz gewöhnliche Häuser zurück. Die Faszination der Figurinen Einer der berühmtesten Aspekte von Alteuropa, den Marija Gimbutas in den Mittelpunkt ihrer umfang-reichen Forschungen gestellt hat, ist die Überfülle an Figurinen, von denen die meisten weiblich sind. Die rätselhaften Frauenkulte von Alteuropa haben unter Archäologen, Historikern und Feministen zu heftigen Meinungsverschiedenheiten geführt. Manche der Figurinen wurden in Gruppen gefunden wur-den, die wie in einer Versammlung auf Hornstühlen saßen, andere waren in Keramikmodellen von Häu-sern platziert. Eine auffallend moderne männliche Figur aus Rumänien, die allgemein als "Der Denker" bekannt ist, gehört zu den bekanntesten Kunstobjekten aus dem gesamten prähistorischen Europa. Aber was bedeuteten sie? Gimbutas vertrat die Ansicht, dass einzelne Formen und Stile von Figurinen mit einzelnen Gottheiten in einem alteuropäischen Pantheon identifiziert werden können. Eine weibliche Figur könnte die generati-ve Herrin der Natur oder die bäuerliche, schwangere Göttin der Fruchtbarkeit darstellen; die Vogel- und Schlangengöttinnen könnten Inkarnationen der Lebenskraft repräsentieren; oder das alte Weib die Göt-tin des Todes. Eine männliche Figur könnte den kräftigen jungen Partner und Gemahl der Göttin darstel-len; oder den alten sterbenden Vegetationsgott; oder den Herrn der Tiere, den wilden Jägergott. Dass überwiegend weibliche Darstellungen zu finden waren, deutete für sie darauf hin, dass sie die matriline-are und matrifokale Gesellschaftsstruktur des Alteuropa widerspiegelten. Gimbutas folgte den Theorien des Archäologen James Mellaart, der in den 1960er Jahren die Mutter-göttinnen des neolithischen Çatal Höyük in Anatolien (Türkei) als Nachweis für eine uralte und weit verbreitete Tradition der vielfältigen Mutterverehrung beschrieb. Für Gimbutas hat diese Tradition ihre Wurzeln in der paläolithischen Eiszeit, setzte sich in der Jungsteinzeit fort und überlebte bis in die Bron-zezeit und die klassische Ära, obwohl sie zu dieser Zeit von den späteren Kulten um indoeuropäische männliche Götter (Zeus, Poseidon, Ares usw.) weitgehend verdrängt wurde. Nach Gimbutas waren es die patriarchalischen Indoeuropäer, die in einem Krieg der Geschlechter die göttinnen-zentrierten Ge-sellschaften des Alteuropa zerstörten und ersetzten. Osteuropäische Wissenschafter neigen dazu, alt-europäische Figurinen auf ähnliche Weise zu interpretieren, indem sie davon ausgehen, dass sie irgend-wie mit der Verehrung einer Großen Muttergöttin verbunden sind, und bestimmten Figurinen bestimm-te kultische Aktivitäten oder Identitäten zuordnen. Dekorativer Motive auf Körperteilen wurden mit Motiven wie die Raute oder Rauten mit dem Bauch und insbesondere mit schwanger aussehenden Bäuchen in Verbindung gebracht. Männer scheinen die Außenbeziehungen kontrolliert zu haben, die den Handel und die Verhandlungen mit benachbarten Chiefs umfassten, während die Rituale, die durch weibliche Figurinen dargestellt wurden, die dominan-te Rolle der Frauen im Haus zu betonen scheinen und vielleicht mit Ahnenkulten verbunden waren, die sich auf ihre Mütter und Tanten konzentrierten. Ein Aspekt von Gimbutas' Analyse, der wahrscheinlich die alteuropäische Realität widerspiegelt, ist ihre Erkenntnis, dass die Figurinen des Alteuropa eine Vielzahl verschiedener Arten und Varianten rituellen Verhaltens und religiöser Symbolik aufweisen. Die Figurinen hatten eine Vielzahl unterschiedlicher kulti-scher Verwendungszwecke. Trotz der Schwierigkeiten, die die Variabilität bei der Interpretation der Figurinen mit sich bringt, bleiben die Figurinen eine der eindrucksvollsten und überzeugendsten Aspekte von Alteuropa.


Der Untergang von Alteuropa Um 4300-4100 v. Chr. wurden mehr als sechshundert Tellsiedlungen im unteren Donautal und in Ost-bulgarien verbrannt und dauerhaft verlassen. Einige ihrer Bewohner verstreuten sich vorübergehend in kleinere Dörfer mit nur fünf bis sechs Häusern. Ein Dorf wurde offenbar plötzlich niedergebrannt, wobei ganze Töpfe und viele andere Artefakte zurückblieben. Die Menschen zerstreuten sich und wurden viel mobiler, da sie sich von Schaf- und Rinderherden ernährten und nicht mehr von Getreidefeldern. Pol-lendiagramme zeigen, dass die Landschaft noch offener und entwaldeter wurde. Danach ist das Balkanhochland leer und es lassen sich zwischen 3900 und 3300 v. Chr. keine dauerhaf-ten Siedlungen mehr nachweisen. In einer Siedlung in Nord-Bulgarien enthielten die verbrannten Häuser der letzten kupferzeitlichen Besiedlung menschliche Skelette, die als massakrierte Bewohner interpre-tiert werden. Die letzte kupferzeitliche Zerstörungsebene bei Karanovo enthielt sechsundvierzig menschliche Skelette, die ebenfalls als Massaker gedeutet werden. Die Kupferminen auf dem Balkan stellten ihre Produktion abrupt ein. Die kupferverarbeitenden Kulturen in Mitteleuropa und den Karpa-ten wechselten um 4000 v. Chr. zu serbischen Erzen. Metallgegenstände wurden nun aus neuen ar-senhaltigen Bronzelegierungen hergestellt und wiesen neue Typen auf, darunter auch neue Waffen, vor allem Dolche. Wahrscheinlich lebten noch Menschen auf dem Balkan, aber auf den verlassenen Tells weideten Schafherden. Im unteren Donautal hingegen gibt es viele Fundstellen, aber die Menschen der Cernavoda-Kultur (4000-3800 v. Chr.) hinterließen nur mehr wenige weibliche Figurinen, verwendeten keine Kupferspi-ralarmbänder oder Spondylus-Muschelornamente mehr, stellten relativ schlichte Keramik in einer be-grenzten Anzahl von Formen her, lebten nicht auf Tellen und waren sowohl von der Viehzucht als auch von der Landwirtschaft abhängig. Die Metallurgie, der Bergbau und die keramische Technologie nah-men im Umfang und der technischen Fertigkeit drastisch ab. Der Stil von Keramik und Metallgegen-ständen änderte sich deutlich. "Wir haben es mit der vollständigen Ersetzung einer Kultur zu tun" sagte der führende Experte für kupferzeitliche Metallurgie. Es war "eine Katastrophe von kolossalem Aus-maß ... eine vollständige kulturelle Zäsur", so eine bulgarische Archäologin. Was genau mit Alteuropa geschah, ist Gegenstand einer intensiven Diskussion. Eine Möglichkeit ist, dass Alteuropa wegen verstärkter Raubzüge und Kriege zusammenbrach, die durch die Einwanderung mobiler, berittener Hirten aus den Steppengebieten der Ukraine in das untere Donautal verursacht wurde. Eine Migration aus den Steppen hat zur gleichen Zeit wie der Zusammenbruch stattgefunden, aber ob sie den Zusammenbruch verursacht hat, ist umstritten. Die eindringende Gruppe von Gräbern wird von westlichen Archäologen gewöhnlich als Suvorovo-Kultur bezeichnet, nach einem Grab aus dieser Zeit in Suvorovo (Ukraine) nördlich des Donaudeltas, wo ein Mann mit einem steinernen Keulenkopf in Form eines Pferdes (Pferdekopf-Szepter) bestattet wurde. Diese Invasion aus der Steppe ist nur durch Gräber gekennzeichnet, da die Suvorovo-Einwanderern keine Siedlungen hatten. Einer der reichsten dieser Invasions-Friedhöfe wurde an der Südspitze von Moldavien nördlich des Donaudeltas entdeckt. Über dem Grab eines erwachsenen Man-nes wurde ein Pferd geopfert (4490-4330 v. Chr.). Ein weiteres Grab mit einer Pferdekopfkeule wurde in der Dobrudscha südlich des Donaudeltas gefunden. Die grasbewachsene Ebene nördlich des Deltas und die felsige Dobrudscha südlich davon scheinen die Mehrzahl der Invasions-Gräber zu beherbergen, doch gibt es eine weitere Gruppe von Invasions-Gräbern aus der Steppe in Siebenbürgen (4330-4050 v. Chr.), eine dritte Gruppe taucht in der Prut-Dniester-Wasserscheide auf (4455-4355 v. Chr.). Die Bezie-hungen zwischen den Alteuropäischen Kulturen und den Eindringlingen erstreckte sich über einen Zeit-raum von vielen Generationen. In diesen Jahrhunderten (vielleicht 4400-4200 v. Chr.) wurde eine be-trächtliche Menge Alteuropäischen Kupferschmucks und -waffen, die aus dem auf dem Balkan abgebau-ten Kupfer hergestellt wurden, in die ukrainische Steppe am unteren Dniepr eingebracht, wo es An-sammlungen kupferreicher Gräber gibt. Importiertes Kupfer aus dem Balkan spielte eine kurze, aber wichtige Rolle im Prestigewettbewerb der Steppe. Pferde spielten in der Wirtschaft dieser Steppenbe-wohner eine zentrale Rolle, insbesondere in der Siedlung von Dereivka, wo die Domestizierung des Pferdes vermutet wird Bei anderen Gründen bleibt immer die Problematik, dass hunderte von Stätten aufgegeben wurden und viele seit langem bestehende Traditionen in den Bereichen Handwerk, häusliche Rituale, dekorative Bräuche, Körperschmuck, Wohnformen, Lebensgestaltung, Bestattungsbräuche, Bergbau und Me-tallurgie wurden beendet. Das Zusammentreffen so vieler Abbrüche deutet auf ein katastrophales Er-eignis und nicht auf eine allmähliche Entwicklung hin. Neue Siedlungen enthalten Keramik, die eine Mischung aus Steppentechnologie und einheimischen donauländischen Formen aufweist, und werden einer gemischten Bevölkerung aus Steppeneinwanderern und Tell-Bewohnern zugeschrieben. Es sieht so aus, dass die Tell-Städte von Alteuropa durch Kriege zerstört wurden und die Einwanderer aus der Steppe daran beteiligt waren.

Die letzte Blüte von Alteuropa Die Krise betraf nicht sofort das gesamte Alteuropa. Um 4300-4100 v. Chr. kam es im unteren Do-nautal, Nordostbulgarien, Ostbulgarien (Varna und verwandte Kulturen), den Gebirgstälern des Balkans und in Rumänien zu großflächigen Siedlungsauflösungen. Die aufgegebene Region war genau der Ort, an dem sich viele Hunderte von Tell-Siedlungen konzentrierten, die dauerhaft in einer ebenso stabilen, festen Agrarlandschaft verankert waren. Das konzentrierte Muster der Landnutzung und des gemein-schaftlichen Lebens, das die Tells hervorbrachte, verschwand. Die Traditionen des Alteuropa überlebten bis etwa 3500 v. Chr. Westbulgarien und Westrumänien. Hier war das Siedlungssystem schon immer flexibler und weniger verwurzelt – die Fundstellen Westbul-gariens bildeten zumeist keine hohen Tells. Alte europäische Keramiktypen, Haustypen und Figurinenty-pen wurden 4000-3500 v. Chr. allmählich aufgegeben. Die in dieser letzten Kupferzeit besiedelten Orte zogen auf hohe, steil abfallende Vorgebirge, behielten aber die Lehmziegelarchitektur, zweistöckige Häuser sowie Kult- und Tempelbauten bei. Viele Höhlen in der Region wurden neu besiedelt, und da Hirten häufig Höhlen im Hochland als Unterschlupf nutzen, könnte dies auf eine Zunahme der saisona-len Wanderungen der Hirten vom Hochland ins Tiefland hindeuten. Auch die Alteuropäischen Traditionen der Cucuteni-Tripol'ye-Kultur haben zwischen 4000 und 3500 v. Chr. überlebt. Sie schienen sogar auf merkwürdige Weise wiederbelebt zu werden. Nach 4000 v. Chr. dehnte sich die Tripol'ye-Kultur nach Osten in Richtung Dniepr-Tal aus und gründete immer größere landwirtschaftliche Städte. Es wurden neue Beziehungen zu den kupferverarbeitenden Kulturen Os-tungarns und Siebenbürgens im Westen und zu den Stämmen der Steppe im Osten aufgebaut. In den häuslichen Kulten wurden noch immer weibliche Figurinen verwendet, und die Töpfer stellten noch im-mer feine, bunt bemalte Deckeltöpfe und meterhohe Vorratsgefäße her. In den Gemeinden entstanden spezialisierte Handwerkszentren für die Herstellung von Feuersteinwerkzeugen, Webereien und Kera-mik. Bemalte Feinkeramik wurde von spezialisierten Töpfern in den größten Städten (Varvarovka) in Massen hergestellt. Die Siedlungen hatten drei Größenklassen: kleine mit 10 Hektar, mittlere mit unter 50 Hektar und große Siedlungen bis zu 450 Hektar. Die Cucuteni/Tripol'ye-Siedlung wie Veseli Kut hatte 150 Hektar und wurde von 4200-3800 v. Chr. besiedelt und bestand aus hunderten von Häusern. Zwi-schen etwa 3700 und 3400 v. Chr. hatten Tripol'ye-Städten in dieser Region eine Größe von 250 bis 450 Hektar und waren damit zwei- bis viermal so groß wie die ersten Städte Mesopotamiens, die sich zur gleichen Zeit entwickelten. Diese Megastädte befanden sich in den Hügeln östlich des Flusses Süs-Bug, nahe der Steppengrenze in der südlichen Waldsteppen-Ökozone. Sie waren mit 5.500-7.700 Menschen die größten Gemeinschaften nicht nur in Europa, sondern überall auf der Welt.


Diese Megastädte werden von den meisten Forschern als defensive Bevölkerungskonzentrationen in einer Zeit verstärkter Konflikte interpretiert. Ausgrabungen in mehreren Megastädten haben gezeigt, dass alle Häuser gleichzeitig verbrannt wurden, als die jeweilige Megastadt aufgegeben wurde. Die Archäologen meinen, dass die Entwicklung und Ausbreitung einer neuen Art von Hirtenwirtschaft in der benachbarten Steppenregion mit den zunehmenden Konflikten und dem Ende der Megastädte zusammenhängt, aber es besteht keine Einigkeit über die Details, wer wem was angetan hat und wa-rum. Als Kasenovka 3400-3300 v. Chr. niedergebrannt und verlassen wurde, verschwanden die Tripol'ye-Städte und die mit ihnen verbundenen Bräuche aus dem größten Teil des Südbug-Tals, einer großen Region, die mehr als tausend Jahre lang dicht von Tripol'ye-Bauern besiedelt gewesen war. In Rumäni-en und Moldawien endet die archäologische Typologie der Cucuteni etwa um diese Zeit in den meisten Gebieten des östlichen Karpatenvorlands. Die dekorierte Keramik wurde nicht mehr hergestellt. Ob-wohl einige Traditionen des bemalten Töpferhandwerks noch einige Jahrhunderte im Dniestr-Tal und um Kiew im mittleren Dniepr-Tal überlebten, war dies das eigentliche Ende von Alteuropa. Mobile Hirtenvölker der Jamnaja-Kultur, die eine neue und revolutionäre Hirtenwirtschaft praktizier-ten, die auf Wagen und Pferden basierte, breiteten sich im südlichen Bug-Tal aus und errichteten Kurgane auf den grasbewachsenen Flächen, auf denen sich die Megastädte befunden hatten; ihre Vettern wanderten das Donautal hinauf nach Bulgarien und sogar Ungarn und hinterließen einen größeren und sichtbareren archäologischen Fußabdruck als die kleinere Suvorovo-Wanderung aus den Steppen tausend Jahre zuvor.

Das Erbe des Alten Europa

Alteuropa hat uns ein beeindruckendes Material an überraschend modern aussehender Keramikkunst, eine erstaunliche Menge an innovativer Metallurgie und rätselhafte Ritualfiguren hinterlassen, die zu einer modernen spirituellen Wiederbelebung der Verehrung von Göttinnen beigetragen haben. Marija Gimbutas, die den Studien von Jane Harrison über die Entwicklung der griechischen Religion folgt, geht davon aus, dass der alteuropäische Glaube als gemeinsamer Kult der Bevölkerung dazu diente, eine Vielzahl "vager, irrationaler und hauptsächlich bösartiger Geister, Gespenster und Kobolde" zu besänfti-gen.

Die Bedeutung von Alteuropa ist viel größer, als diese kleinen Fragmente von Bräuchen vermuten las-sen. Das bronzezeitliche Griechenland wird im Allgemeinen als die erste europäische Zivilisation ange-sehen, aber als das erste Fundament der ersten Zitadelle von Troja ausgehoben wurde, waren die mit Gold gefüllten Gräber in Varna bereits fünfzehnhundert Jahre alt. Viel früher als allgemein anerkannt, erreichte Südosteuropa ein Niveau an technischem Können, künstlerischer Kreativität und sozialer Kom-plexität, das sich unseren Standardkategorien entzieht und gerade erst beginnt, systematisch verstan-den zu werden. Das Ende des Alten Europa ist ein weiteres Problem, für das es bisher keine allgemein anerkannte Erklärung gibt.

Wie heute aufgrund von DNA-Analysen klar wird, besteht wir Europäer aus den beiden Teilen der Alteu-ropäer und der indoeuropäischen Kurgan-Kultur, die die ersteren besiegt und übernommen haben. Die Erforschung Europas konzentriert sich vor allem auf die „siegreichen“ Indo-Europäer, da es ja viel Ma-terial aus den Sprachen gibt. Es wäre wesentlich, wenn wir uns auch damit beschäftigen, dass unsere materielle Kultur (Landwirtschaft) von den Alteuropäern stammt und vieles unserer Verhaltenskultur von den kriegerischen Kurganern.