Ankündigung des freihändigen Verkaufs gibt Einblick in das damalige Schloss

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Schloss Kammer am Attersee "Man schreibt uns von dort: Am Samstag den 14. d. M. findet in der Zeit von 8 bis 12 Uhr vormittags und von 2 bis 4 Uhr nachmittags der freihändige Verkauf der Möbel, Bilder, Dekorations- und Nippgegenstände statt, die sich aus dem Besitz der gräflichen Familie Khevenhüller im Schlosse Kammer noch erhalten haben. Obwohl die urspründlichen Bestände schon stark gelichtet worden sind, so kommt immerhin eine noch ganz bedeutende Anzahl von Gegenständen zur Veräußerung, die eines künstlerischen Wertes nicht entbehren. Zum größten Teil stammen die Möbel und sonstigen Einrichtungsgegenstände aus dem Ende des 17. und dem Anfange des 18. Jahrhunderts, aus jener Zeit, in welcher die Khevenhüller im Lande Oberösterreich eine sehr bedeutende Rolle spielten. Zwei holländische Prunkschränke sind von ganz hervorragender Schönheit. Sie sind im ostasiatischen Geschnacke gehalten und vorzüglich konserviert. Im 17. Jahrhundert fertigte man in Amsterdam sogenannte chinesissche Kabinette an, denen wohl ostasiatische Lackarbeiten zugrunde lagen, die aber im Aufbau alle Merkmale der Renaissance zeigen. Die Goldmalereien auf dem schwarzen Grunde sind zumeist strenge Kopien chinesischer oder japanischer Originale, die Konstruktion dagegen ist echt holländisch. Damals kam durch das Prozellan die chinesische Kunstindustrie in Mode, die spekulativen Holländer machten sich diese Geschmacksrichtung zunutze und versorgten den europäischen Bedarf an chinesischen Möbeln. Derartige Lackschränke sind heute ein sehr gesuchter und gut bezahlter Artikel geworden. Zahlreich treten in Kammer die kleinen, zierlich gearbeiteten Rokokokabinetts auf, mit zahllosen Laden, Geheimfächern, versteckten Türen u. dgl. Zumeist ist das ganze Innere mit altem Vorsetzpapier ausgeklebt: diese Art der Dekoration war damals in den aristokratischen Familien ebenso beliebt, wie in den Bürgerhäusern. Im Tafelsaale steht ein mächtiger Speisetisch aus dem 17. Jahrhundert der in unseren engen, modernen Wohnungen kaum Raum finden dürfte, ebensowenig wie der kolossal große Luster, der von der Decke des Zeremoniensaales herbhängt und ein normales zweifenstriges Zimmer vollkommen ausfüllen würde. Unter den Bildern nehmen die Familienportäts den ersten Rang ein. Auch diese lebensgroßen Gemälde eignen sich schwer für den Privatbesitz. Es wäre wünschenswert, dass sie dem Lande erhalten blieben, da das Geschlecht der Grafen von Khevenhüller innig verwachsen mit der Geschichte Oberösterreichs ist. In Vöcklabruck hat man eine neue Bürgerschule mit ausgedehnten Räumlichkeiten erbaut; dort könnten diese Bildnisse in irgendeinem Saale bleibenden Unterstand finden, denn sie sind nicht nur historische, sondern auch kostümgeschichtlich sehr interessant. Es ist tief bedauerlich, dass dieser schöne herrschaftliche Besitzstanad zersplittert wird. Am kommenden Samstag wird die ganze einstige Herrlichkeit nach allen Himmelsrichtungen hin zerstreut werden: welches Schicksal das Schloss selbst treffen wird, ist bis zur Stunde noch nicht bekannt." (Linzer Tages-Post, 13. März 1908)