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Die Anfänge des Patriarchats in Europa: Überlegungen zur Kurgan-Theorie von Marija Gimbutas

Joan Marler 2006

(In: „Die Regel des Mars: Geschichte und Wirkung des Patriarchats“, herausgegeben von Cristina Biaggi, Manchester, Conn: KIT; Frühjahr 2006)

Eine Untersuchung der Anfänge des Patriarchats in Europa ist mehr als eine intellektuelle Übung. Ihr Weg führt über die Grenzen von Archäologie, Anthropologie, Geschlechterforschung, Geschichte, Linguistik, Mythologie, Genetik und anderen Disziplinen hinaus und führt unweigerlich zu einer Konstellation von Annahmen, Interpretationen und Überzeugungen über die Entstehungsgeschichte der europäischen Zivilisation. Das Patriarchat wurde als soziales Arrangement definiert, in dem Männer strukturelle Macht besitzen, indem sie hochrangige Positionen in wichtigen sozialen, wirtschaftlichen, rechtlichen und religiösen Institutionen monopolisieren (Glick und Fiske 2000:373). Als Kennzeichen für die Sozialstruktur wird es mit patrilinearer Vererbung und einem patrilokalen Wohnsitzsystem in Beziehung gebracht. Das Patriarchat fördert in der Regel Kriege, die die männliche Dominanz auf allen Ebenen der Gesellschaft weiter verstärken (siehe Christ 1997:60-62). Es besteht zwar kein allgemeiner Konsens darüber, wie und wann genau vollwertige patriarchalische Institutionen in Europa zum ersten Mal eingeführt waren, ist es aber klar, dass mit der frühen Bronzezeit Muster männlicher Dominanz in verschiedenen Regionen gut etabliert waren.

Einige Forscher bevorzugen die Vorstellung, dass männliche Vorherrschaft schon immer existierte oder dass patriarchale Strukturen das Ergebnis einer internen "Evolution" aus "primitiveren" sozialen Systemen waren. Die litauisch/amerikanische Archäologin Marija Gimbutas (1921-1994) vertritt die These, dass die frühesten Gesellschaften in Europa weder männerdominiert noch primitiv waren und dass sich das Patriarchat als Ergebnis einer "Kollision von Kulturen" einstellte, die die Verbreitung androkratischer Muster auslöste. Entsprechend ihrer Kurgan-Theorie störte das progressive Eindringen nomadischer Viehzüchter von nördlich des Schwarzen Meeres die reifen, matrizistischen (= matrilinear, matrifokal, matrizentrisch und egalitär: die Geschlechter waren ausbalanciert und ergänzten sich), „gartenbaulichen“ Gesellschaften Südosteuropas. Zwischen der Mitte des fünften und der Mitte des dritten Jahrtausends v. Chr. kam es in ganz Europa zu radikalen Veränderungen in Sprache, Sozialstruktur und Ideologie. In diesem Beitrag werden die Anfänge des Patriarchats in Europa im Lichte der Kurgan-Theorie von Gimbutas untersucht, die seit mehr als einem halben Jahrhundert im Mittelpunkt wissenschaftlicher Debatten steht.

Hintergrund

Als Forscherin für osteuropäische Archäologie an der Harvard University (1950-1963) widmete sich Marija Gimbutas der Frage der nachpaläolithischen Ursprünge Europas. Ihre Monographie „Die Vorgeschichte von Osteuropa“ (1956) war der erste Text, der alle archäologischen Forschungen vom Baltikum bis zum Nordkaukasus bis 1955 auswertete und zusammenfasste. Bis zu diesem Werk von Gimbutas war die Vorgeschichte Osteuropas für westliche Wissenschafter aufgrund politischer und sprachlicher Barrieren nur bruchstückhaft zugänglich. Diese Forschung lieferte eine beträchtliche Menge an Informationen, die auf einen umfassenden Kulturwandel in Europa hinwiesen, der mit dem Auftreten von "Eindringlingen aus dem Osten" einherging, die sie nach ihren charakteristischen Grabhügeln „Kurgane“ nannte (Gimbutas 1960: 549). Gimbutas verfasste neben anderen Texten auch den umfassenden Band „Bronzezeit-Kulturen in Zentral- und Osteuropa“ (1965), der ihren Ruf als Spezialistin für die indoeuropäische Bronzezeit begründete.

Mitte der 1950er Jahre verband Gimbutas ihren umfassenden Hintergrund von linguistischer Paläontologie mit archäologischen Beweisen, um das Heimatland der Sprecher des Proto-Indoeuropäischen (PIE) zu lokalisieren und die schnelle und flächendeckende Verbreitung indoeuropäischer Sprachen zu erklären. Diese Theorie regte ein erneuertes Interesse am "Indoeuropäischen Problem" an und führte zu einer Reihe weiterer Heimatland-Theorien (siehe Mallory 1989:143-185; Gamkrelidze und Ivanov 1985:3-91; Makkay 1987; Renfrew 1987). In "Auf der Suche nach den Indoeuropäern" (1989) schreibt James Mallory: "Die Kurgan-Theorie wurde von vielen Archäologen und Linguisten ganz oder teilweise akzeptiert und ist die Lösung, auf die man in der Encyclopedia Britannica und dem Grand Dictionnaire Encyclopédique Larousse stößt" (Mallory 1989, 185; siehe auch Dergachev, 2002). Die Kurgan-Theorie wird weiterhin von einer neuen Generation von Wissenschaftern kritisiert und diskutiert (siehe z. B. Manzura 1999; Stefanovich 2003; Nikolova 2003).

Gimbutas prägte den Begriff "Kurgan-Kultur" für die seit dem fünften Jahrtausend v. Chr. dokumentierten Hirtengemeinschaften in der rauen Umgebung der Wolga-Ural-Kaspischen Region. Diese Völker, von denen man annimmt, dass sie eine proto-indoeuropäische Sprache sprachen, scheinen einen langen Prozess der Konvergenz durchlaufen zu haben, der zur Konsolidierung einer gemeinsamen Morphologie und eines gemeinsamen Wortschatzes führte (Gimbutas 1997:307; Mallory 1989:195; Anthony 1991:196; Lehmann 1997). "Diese Chronologie stellt nicht die Entwicklung einer einzelnen Gruppe dar, sondern einer Reihe verschiedener Steppenvölker, die eine gemeinsame Tradition hatten, die sich über weite zeitliche und räumliche Parameter erstreckte." (Gimbutas 1991:352). "Wie zahlreiche historische Beispiele zeigen, zeichnen sich die Hirtengesellschaften in der eurasischen Steppe durch die bemerkenswerte Fähigkeit aus, unterschiedliche ethnisch-linguistische Gruppen zu absorbieren" (Mallory 1989:260-261).

Die Domestizierung des Pferdes, das ein leistungsfähiges Transportmittel darstellte, wurde wahrscheinlich 5000 v. Chr. oder früher zwischen der Ostukraine und Nordkasachstan vollzogen (Bökönyi 1987; Gimbutas 1991:353). Der Zugang zum Reiten könnte die aggressive Territorialität und das kriegerische Verhalten, die für diese zunehmend mobilen Stämme typisch sind, verstärkt haben. Die Verwendung von Pferden als Reittiere führte zu einer Vergrößerung der potenziellen Ausbeutungsgebiete um das Fünffache und damit zu Konflikten um lokal begrenzte Ressourcen, die zuvor unerreichbar waren (Anthony 1986:302).

Bereits in der ersten Hälfte des fünften Jahrtausends v. Chr. tauchen im unteren Wolgagebiet männliche Bestattungen in Grubengräbern auf, die von Kurganen (runden Grabhügeln) bedeckt sind. Diese Gräber enthalten Prestigewaffen, die sowohl auf die Bedeutung der Kriegsführung als auch auf den Aufbau einer sozialen Hierarchie hinweisen. Die Ähnlichkeit der Grabbeigaben und die Hinweise auf einen Pferdekult in Grabstätten, die Tausende von Kilometern voneinander entfernt liegen, lassen auf eine enorme Mobilität und Beziehungen zwischen den Völkern des Kaukasus und der nordpontischen Steppe schließen.

Während einige Wissenschaftler die Verbindung der Sprache mit bestimmten ethnischen Gruppen hinterfragen (Renfrew 1987; Anthony 1991:194-195; Makkay 1992:194), betonte Gimbutas die Verbindung zwischen PIE-Sprechern und einem ganzen Komplex von Merkmalen, die nach und nach von der Wolgasteppe bis zum Dniepr gefunden wurden. Die Kurgan-Kultur wird anhand eines Wortschatzes der PIE-Terminologie rekonstruiert, die durch archäologische Daten und vergleichende indoeuropäische Sprachwissenschaft verifiziert wurde. Diese multidisziplinäre Untersuchung deutet auf eine Hirtenwirtschaft mit rudimentärem Ackerbau, grober schnurgeprägter Keramik mit Sonnenmotiven, Pferdedomestikation, Territorialismus, Kriegsführung und einem patrilinearen, patriarchalischen Gesellschaftssystem hin (Gimbutas 1991, 1997; Mallory 1989:123-124; Whittle 1996:137; Best 1989:337). Solche Elemente waren vor 4400 v. Chr. westlich des Schwarzen Meeres unbekannt, verbreiteten sich aber mit dem Auftauchen der kurganischen Gräber in ganz Europa. Die Kurgan-Theorie geht von drei Infiltrationen kurganischer Völker nach Europa aus, die in einem Zeitraum von zweitausend Jahren zur Indo-Europäisierung des Kontinents führten (Gimbutas 1992:400-405).

Die Zivilisation des alten Europa

Die Entwicklung der Radiokohlenstoffdatierung und der Dendrochronologie in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts offenbarte das wahre Alter der frühesten nahrungsmittelproduzierenden Kulturen in Europa, von denen man plötzlich annahm, dass sie zwischen dem siebten und fünften Jahrtausend vor Christus blühten. Gimbutas' Forschungen zur Archäologie, Symbolik und Sozialstruktur dieser neolithischen Völker deuten auf ausgewogene, egalitäre, matrilineare Gesellschaften hin, in denen es keine Anzeichen für die Vorherrschaft eines Geschlechts über das andere gibt. Sie prägte den übergreifenden Begriff "Alteuropa" in Anerkennung der Gemeinsamkeiten von Wirtschaft, rituellem Leben und sozialer Struktur der „Gartenbauer“-Gesellschaften vor dem indoeuropäischen Einfluss. Frühe neolithische Ackerbaukulturen von der Balkanhalbinsel bis zur Ukraine und in ganz Südost- und Mitteleuropa repräsentieren "alte Geschichten von Tradition, Erneuerung und Bekräftigung ... [mit] wenig Beweisen für offene Abstammung oder andere interne Differenzierung" (Whittle 1996:121). Colin Renfrew beschreibt die neolithischen Bauern dieser Zeit als "egalitäre Bauern", deren Gesellschaften nicht hierarchisch waren. "Es gibt keinen Grund, der auf die Existenz erblicher Häuptlinge schließen lässt, und schon gar keinen, der eine spezialisierte funktionale Aufteilung der Bevölkerung in Krieger, Priester und einfache Leute rechtfertigt" (Renfrew 1987:253). Die gut ausgebauten neolithischen Siedlungen Südosteuropas zeichnen sich durch elegante Bildhauerkunst und Keramik, handwerkliche Spezialisierung und ausgefeilte rituelle Traditionen aus. Von den tausenden von anthropomorphen und zoomorphen Skulpturen, die in Haushalten in der gesamten Region gefunden wurden, sind die überwiegende Mehrheit der identifizierbaren Abbildungen weiblich, was die zentrale Bedeutung der rituellen Aktivitäten von Frauen widerspiegelt (Gimbutas 1974, 1989, 1991; Hodder 1990:61-63). Die Archäologin Henrieta Todorova (1978:83) schreibt, dass mehr als neunzig Prozent der in Bulgarien gefundenen neolithischen Figurinen weiblich sind. Von den zweihundertfünfzig Figurinen aus Gimbutas' Ausgrabung in Sitagroi, Nordgriechenland, "kann keine einzige eindeutig als männlich identifiziert werden" (Gimbutas 1986b:226).

Nach Gimbutas' Ansicht drückt die alteuropäische weibliche Symbolik metaphorische Konzepte der heiligen Kosmologie innerhalb einer Mutter-Kind-Struktur aus. Die umfangreiche neolithische Symbolik stellt ein "kohärentes und beständiges ideologisches System" dar, in dem sich ein beständiger Respekt und ein Bewusstsein der Verbundenheit mit den Lebenszyklen der Natur widerspiegeln (Gimbutas 1989a). Weibliche Darstellungen (oft schwanger) werden mit Getreidevorratsbehältern und Bereichen assoziiert, in denen Getreide gemahlen oder zu Brot gebacken wurde. Elegant verzierte anthropomorphe Gefäße und Figurinen, die mit symbolischen Zeichen geritzt oder bemalt sind, manchmal mit Vogel- oder Tiermasken, finden sich in Hausheiligtümern und anderen häuslichen Kontexten. Andrew Sherratt schließt sich Gimbutas an, indem er feststellt, dass die Ähnlichkeit der Figurinenformen, die über regionale Handelsnetze zirkulierten, möglicherweise "rituelle Codes" trugen, die bewusst ideologisch gehaltene Überzeugungen repräsentierten. Darüber hinaus entbehrt der "allgegenwärtige rituelle und symbolische Charakter der materiellen Kultur … der Zeichen von individuellem Rang und Leistung" (Sherratt 1997:140).

Da es in allen Gesellschaften beide Geschlechter gibt, stellt die Anthropologin Peggy Reeves Sanday die folgenden Fragen:

Welches Geschlecht trägt die symbolische und soziale Last der Konjugation des sozialen Universums?
Welches Geschlecht ist (natürlich oder sozial) mit den reproduktiven Kräften ausgestattet, die die Quellen der übernatürlichen Fruchtbarkeit aufladen?
Welches ist das Geschlecht der dominanten Symbole, die das Archetypische mit dem Sozialen verbinden?
Wie ergänzen sich Männer und Frauen in der politischen Arena und wie ist diese Arena mit der kosmologischen Ordnung verbunden? (Sanday 1998).

Sandays Primärforschung beim Volk der Minangkabau in Westsumatra legt eine ethnografische Parallele zu Gimbutas' Beschreibung Alteuropäischer Gesellschaften nahe, in denen die Bindung zwischen Mutter und Kind heilig ist; Bräuche, die mit der matrilinearen Abstammung verbunden sind, bilden die Grundlage der kollektiven Identität; und Frauen pflegen und bewahren die alten Traditionen rund um Lebenszykluszeremonien, die Mitglieder verschiedener Clans zusammenbringen und durch die alle Mitglieder der Gesellschaft integriert werden. Die weibliche Symbolik manifestiert sich in sozialen Praktiken, die die soziale Ordnung authentifizieren und regenerieren und das Leben beider Geschlechter beeinflussen. Frauen üben keine Macht über andere aus, sondern fungieren in ihrer Rolle als Mütter und leitende Frauen als "conjugate - to knit and regenerate social ties in the here-and-now and in the hereafter" (Sanday 1998, 2002). Während des Frühneolithikums (7.-6. Jahrtausend v. Chr.) in Südosteuropa sind die Mutter-Kind-Bindung und eine respektvolle Kontinuität zwischen den Lebenden und den "Jenseitigen" dadurch gekennzeichnet, dass Frauen und Kinder innerhalb der Siedlungen, oft unter den Böden der Häuser, begraben wurden. Die Häuser dienten also sowohl als Aufenthaltsort für die Lebenden als auch für die Ahnen. Vor dem Aufkommen von Friedhöfen, etwa 5000 v. Chr., sind erwachsene männliche Bestattungen auffallend selten (Gimbutas 1991:283, 331).

Im späteren Neolithikum wurden die Ahnen auf Friedhöfen und in Gemeinschaftsgräbern geehrt, wie z. B. in den Megalithgräbern Westeuropas, in denen keine Betonung auf individueller Macht oder Hierarchie zu finden ist. Die in diesen Gräbern hinterlassenen Opfergaben müssen die sozialen Beziehungen innerhalb einer ausgedehnten Gemeinschaft gestärkt haben, in der das Ritual und nicht der Rang als Ordnungsprinzip fungierte (Sherratt 1997:144). Gimbutas assoziiert die Symbolik der alteuropäischen Gräber mit dem Schoß der Großen Göttin - als rituelle Zentren der Regeneration innerhalb der Lebenszyklen (1989:151-158).

Ein Zusammenprall der Kulturen

Die Kulturen Alteuropas erreichten während des fünften Jahrtausends v. Chr. eine Blütezeit nachhaltiger Entwicklung, die durch langfristige dynamische Stabilität ermöglicht wurde. Zwischen der Mitte des fünften und der Mitte des dritten Jahrtausends jedoch erlebten die reifen Kulturzentren in ganz Südosteuropa eine Krise der Zerrüttung. Als die ersten Hügelgräber in Europa auftauchten, zerfielen fast siebenhundert bedeutende Siedlungsplätze, die eine reiche kulturelle und technologische Entwicklung repräsentierten, nachdem sie hunderte von Jahren ungestört gediehen waren. So viele spätneolithische/kupferzeitliche Stätten in ganz Südosteuropa wurden in dieser Zeit durch Feuer vernichtet, dass die stratigraphische Ebene als "Brandstätten-Horizon" bezeichnet wird (Tringham und Krstić 1990:116). Zuvor stabile Populationen wurden verlagert und die Gesellschaften wurden zunehmend geschichtet.

Die Kurgan-Theorie von Gimbutas beschreibt die fortschreitende Kollision zweier völlig unterschiedlicher sozialer Systeme, Sprachen und Ideologien, die zum Zerfall der Alteuropäischen Gesellschaften, zur Einführung und Verbreitung der proto-indoeuropäischen Sprache (PIE) und zur Entstehung hybrider Gesellschaften aus Alteuropäischen und Indoeuropäischen Elementen führte. Kurgan I, ca. 4400-4300 v. Chr., entwickelte sich in der Wolgasteppe und breitete sich über die nordpontische Steppe, entlang der Schwarzmeerküste und in das Donaubecken aus; Kurgan II, ca. 3500 v. Chr., wanderte aus der nordpontischen Region nach Europa ein; Kurgan III, ca. 3000-2800 v. Chr., wanderte erneut aus der Wolgasteppe ein (siehe Gimbutas 1991:352-401). Die Bewegung von drei "Wellen" kurganischer Völker nach Europa brachte eine Reihe von technischen, sozialen und ideologischen Merkmalen mit sich, die zuvor in Europa unbekannt waren und die sich in unterschiedlichem Maße unter den neolithischen Völkern verbreiteten. Zu diesen Merkmalen gehören eine hierarchische, patriarchalische Sozialstruktur, Kriegsführung, Bronzemetallurgie, Waffen, Pferdezucht, Weidewirtschaft, die Verehrung von Himmelsgöttern, mit zerstoßenen Muscheln verstärkte und mit Stich-, Kamm- oder Schnurabdrücken verzierte Keramik, Sonnensymbolik und Bestattungen der Elite unter Grabhügeln, bei denen häufig Menschen- und Tieropfer dargebracht wurden.

In einigen Gebieten wurden alte europäische Traditionen in neue hybride Gesellschaften integriert. In anderen Gebieten koexistierten einheimische und fremde Elemente für verschiedene Zeiträume. Die direkten und indirekten Folgen des kurganischen Einflusses führten zu einer anhaltenden kulturellen Instabilität, die die Übernahme aggressiver Verhaltensweisen durch Bevölkerungsgruppen förderte, die möglicherweise nie in direkten Kontakt mit Völkern aus der Steppe gekommen waren. Einige alteuropäische Kulturen entwickelten "sekundäre Chief-Strukturen" als schützende Antwort auf das Eindringen mobiler, kurganisierter Gruppen. Der "Zusammenprall der Kulturen" betraf nicht nur die archäologisch überlieferten Elemente, sondern auch die nichtmateriellen Dimensionen wie Geschichten, Lieder, Mythen, Rituale und Glaubensvorstellungen, die in komplexen Bedeutungsgeflechten funktionieren. Einige dieser kulturellen Elemente wurden in neue Kontexte übernommen, während andere umgewandelt oder schließlich vergessen wurden. Neue Überzeugungen und Verhaltensweisen, die für indoeuropäische Muster typisch sind, wurden eingeführt, die die Auferlegung männlicher Macht, dominanten Status und Privilegien legitimierten. Zu den Motiven, die den indoeuropäischen Mythen gemeinsam sind, gehören Brautraub, Viehdiebstahl, Heldentum im Kampf und die Verehrung männlicher Kriegergötter (siehe Brenneman 1997:239-240).

Wenn Kulturen gestört werden, ist auch das Geschlecht – das kulturell konstruiert ist – betroffen (siehe Kent 1998:18). Die große Frage lautet: Wie und warum werden ehemals ausgewogene Gesellschaften zu männerdominierten Gesellschaften?

Forscher haben herausgefunden, dass matrilineare Muster in günstigen Umgebungen, in denen die Menschen nicht durch Eroberung unterworfen sind, adaptiv sind, während Patrilokalität und Patrilinealität eher dort anzutreffen sind, wo es endemische Kriege gibt, wo Ressourcen knapp sind oder wo Bevölkerungen von "patrilinearen Eindringlingen" erobert wurden (Martin und Voorhies 1975:222, in Sanday 1981:176; Sanday 1981:269-70, Nr. 21). Sanday merkt an, dass Frauen unter bestimmten Umständen die männliche Dominanz um des kulturellen und sozialen Überlebens willen akzeptieren: Es ist leicht vorstellbar, dass sich eine Abhängigkeit von der männlichen Welt entwickelt, wenn Expansion, Migration oder sozialer Stress Männer in die Lage versetzen, im wörtlichen und übertragenen Sinne für den Erhalt einer alten oder die Schaffung einer neuen soziokulturellen Identität zu kämpfen, während der Druck diese Identität zu zerstören droht. Unter solchen Umständen arbeiten sowohl Männer als auch Frauen daran, die größere Identität und die unterstützende Weltsicht, die sexuelle Identitäten vermittelt, zu schützen. Das Leben von Frauen und das ihrer Kinder kann von der Bereitschaft dazu abhängen (Sanday 1981:181-82). Sanday weist auch darauf hin, dass die Unterdrückung von Frauen daraus resultieren kann, dass Männer sich in dem neuen Land Ehefrauen nehmen und sie als etwas behandeln, das kontrolliert werden muss. "Wenn man einmal eine Haltung der Kontrolle und Manipulation eingenommen hat, gibt man sie nicht so leicht wieder auf" (Sanday 1981:50-51). Es ist wichtig zu betonen, dass die Indoeuropäisierung Europas keine einfache Ersetzung der Alteuropäischen Völker durch Barbaren aus dem Osten war. Kulturelle Veränderungen waren das Ergebnis von Destabilisierung, komplexen Bewegungen, Verschmelzungen, Überlagerungen und ideologischen und technologischen Transformationen, die sich über zweitausend Jahre hinzogen und zur Verfestigung patriarchalischer Institutionen führten. Nichtsdestotrotz blieben bestimmte tief verwurzelte alteuropäische kulturelle und mythische Muster als Unterströmungen innerhalb des Überbaus der indoeuropäischen Traditionen bestehen (Gimbutas 1991, 1997; Marler 2001). Dazu gehören Überreste matrilinearer Verwandtschaftsmuster, nicht-indoeuropäischer Wortschatz, die Verehrung weiblicher Gottheiten, frauenzentrierte Rituale und eine Kontinuität bestimmter alteuropäischer Kunsttraditionen.

Die dramatischen sozialen, wirtschaftlichen und ideologischen Veränderungen, die sich zwischen 4500 und 2500 v. Chr. vollzogen, sind unter Prähistorikern wohlbekannt. Sherratt beispielsweise erkennt die Zerstörung und Ausbreitung zuvor stabiler regionaler Gesellschaften an, deren Gemeinschaftsrituale und -symbolik sich um weibliche Bilder drehten. Er beschreibt das Aufkommen einer völlig anderen Gesellschaftsordnung, die auf Wettbewerb und "einem Ethos der Selbstverherrlichung" mit "prächtigen Codes für die Verwendung von Artefakten und symbolischen Analogien" basiert, die auf dem Bild des männlichen Kriegers beruhen. Das Vorherrschen von Stein- und Kupferstreitäxten und Prestigeobjekten, die in den Gräbern deponiert wurden, unterstrich den individuellen Rang und Status. "Diese Art von Organisation hat die Eigenschaft, sich auf Kosten umliegender Gruppen auszubreiten", was Marshall Sahlins (1961) eine “Organisation der räuberischen Expansion" nennt (Sherratt 1997:152). Marvin Harris zufolge entstehen männliche Vorherrschaftsinstitutionen als "Nebenprodukt der Kriegsführung, des männlichen Monopols über Waffen und des Einsatzes von Sex für die Pflege aggressiver männlicher Persönlichkeiten" (Harris 1977:81 in Sanday 1981:174). Während Sherratts Beschreibung zweier unterschiedlicher Kultursysteme parallel zu Gimbutas' "Kollision der Kulturen" zu verlaufen scheint, distanziert er sich von der Kurgan-Theorie, indem er jede Assoziation mit "äußeren Einflüssen" vor 3500 v. Chr. vermeidet. Erst dann, nachdem die männliche Dominanz fest etabliert ist, erkennt er eine kulturelle Diskontinuität an, die durch die Übernahme neuer Merkmale . ... aus der Steppe" und "ein gewisses tatsächliches Eindringen von Steppenstämmen" (Sherratt 1997:141).

Dieser konzertierte Versuch, "den ständigen Rückgriff auf äußere Ursachen zu vermeiden" (Sherratt 1997:252), ist symptomatisch für die derzeitige Tendenz in der archäologischen Interpretation, kulturelle Veränderungen mit Hilfe interner Entwicklungen zu erklären. Populäre Trends in der europäischen Archäologie haben sich von der Identifizierung von Bevölkerungsbewegungen als Stimulatoren des kulturellen Wandels hin zu einer antidiffusionistischen/antimigratorischen Position entwickelt (die Veränderungen nur in Bezug auf lokale Prozesse interpretiert), die Christopher Hawkes als "Immobilismus" bezeichnete (Hawkes 1987:203). Sherratt vertritt einen gewissen Mittelweg, der die interne Entwicklung während des Spätneolithikums/Kupferzeit betont, während er die Möglichkeit einer demographischen Diffusion während der frühen Bronzezeit erst dann akzeptiert, wenn sich bereits Muster aggressiver Dominanz etabliert haben. Einige Archäologen haben die Sinnlosigkeit des Festhaltens an einem eurozentrischen Ansatz kommentiert, der alle Hinweise auf eindringende Elemente in der Vorgeschichte Europas zurückweist (siehe z. B. Özdoğan 1997:1; Anthony 1990). In der zweiten Hälfte des 4. Jahrtausends v. Chr. (Gimbutas' zweite Kurgan-Welle) wurden in Mittel- und Südosteuropa der vierrädrige Wagen, der Pflug, die Arsenbronze-Metallurgie und eine ausgeprägte Ansammlung von Bronzewerkzeugen und Waffen eingeführt. Diese Elemente, die meist in Gräbern gefunden wurden, lassen sich direkt auf die nordpontische Region zurückführen, wo massive Hügelgräber und Hunderte ähnlicher Grabhügel zu finden sind (Gimbutas 1991:369-371). In der nordwestlichen Ukraine enthielten die Grabhügel des kurganisierten Usatowo-Komplexes die Skelette einer "dolchschwingenden Kriegerelite, von denen viele an hammerartigen Schädelwunden starben und die die überlebende landwirtschaftliche Bevölkerung des angrenzenden Hochlandes der späten Tripolye ausbeuteten" (Anthony 1991:212). Zu Beginn des 3. Jahrtausends v. Chr. kam es zu einem massiven Einfall aus der Wolgasteppe (Gimbutas' dritte Kurgan-Welle), der durch Tausende von Gräbern des Yamna-Typs (Grubengräber) belegt ist, die sich über den gesamten Balkan und nach Ostungarn ausbreiteten (Mallory 1989:241; Dumitrescu 1980). Neue Bevölkerungsverschiebungen und drastische Veränderungen in der ethnischen Zusammensetzung Europas führten zu einer weiteren Verfestigung patriarchalischer Muster.

Während einige Archäologen derzeit die Kurgan-Theorie von Gimbutas (insbesondere die erste Kurgan-Welle) anzweifeln, stellt Valentin Dergachev nach einer detaillierten Untersuchung der Beweise fest, dass "Gimbutas Recht hatte" (Dergachev 2002). Der Genetiker L. Luca Cavalli-Sforza kommt zu dem Schluss, dass Gimbutas' Theorie der Migration proto-indoeuropäischer Sprecher aus den euro-asiatischen Steppen nach 4500 v. Chr. "stark korreliert" mit seiner "dritten Hauptkomponente europäischer Gene" (Cavalli-Sforza und Cavalli-Sforza 1995:155; Cavalli-Sforza et al. 1994:265; Cavalli-Sforza 1997).

Ungeachtet der laufenden Auseinandersetzungen ist der Zeitraum von der Mitte des 5. bis zur Mitte des 4. Jahrtausends v. Chr. für die Bestimmung des ersten Impulses zur Etablierung patriarchalischer Strukturen in Europa von großer Bedeutung.

Theorien der inneren Transformation

Forscher, die die Möglichkeit äußerer Einflüsse ablehnen, haben keine andere Wahl, als nach internen Erklärungen für soziale Veränderungen zu suchen. Da elitäre Dominanz, kulturelle Schichtung und Kriege in der indoeuropäischen Bronzezeit endemisch sind, gehen einige Wissenschafter davon aus, dass die Wurzeln dieser Muster in der Jungsteinzeit oder Kupferzeit in Gesellschaften zu finden sind, die ansonsten als egalitär beschrieben werden. Es wird allgemein so gesehen, dass Archäologen, die nach Anzeichen für Dominanz und soziale Spannungen in neolithischen Gesellschaften suchen, Belege für rituelle Aktivitäten als Zeichen für soziale Kontrolle und Wettbewerb interpretieren. Anstatt beispielsweise weibliche Figurinen als visuelle Metaphern für tief verwurzelte kosmogonische Überzeugungen zu interpretieren, geht Alasdair Whittle davon aus, dass die Häufigkeit ihrer Verwendung in Ritualen "ein allgemeines Interesse an verstärkten Konflikten auf der Familienebene zwischen Männern und Frauen sowie an einem verstärkten Konflikt innerhalb und zwischen Gemeinschaften um die soziale Führung und die Kontrolle der Produktion symbolisiert". Er folgert daraus, dass rituelle Aktivitäten mit Figurinen "als Mittel zur Linderung sozialer Spannungen" eingesetzt wurden (Whittle 1985:155-156). Da direkte Beweise für Konflikte, Kontrolle und Wettbewerb nicht gefunden werden können, kommt er zu dem Schluss, dass diese Merkmale "anscheinend regelmäßig maskiert oder verborgen wurden", aber dennoch "eine dynamische Quelle des Wandels" sind (1985:165). Ruth Tringham und Dušan Krstić erörtern die sozialen Ungleichheiten und die Ausbeutung, von denen sie annehmen, dass sie "in allen Gesellschaften existieren, auch in denen, die traditionell als 'egalitär' eingestuft werden" (Tringham und Krstić 1990:605).

Obwohl Ungleichheit und Ausbeutung in den neolithischen Kulturen Südosteuropas "archäologisch wenig sichtbar" sind, halten sie diese Faktoren für entscheidend im Prozess des sozioökonomischen Wandels. Ihrer Ansicht nach dienten die enorme Produktion und der rituelle Gebrauch von Figurinen der Aufrechterhaltung von Strukturen der Hierarchie, der Macht, des Status und der Dominanz. Sie beschreiben den Zerfall der alten neolithischen und kupferzeitlichen Siedlungen als interne Entwicklung der sozialen Spaltung in kleine, verstreute Dörfer, die neue Muster in der Herrschaftsstruktur widerspiegeln (Tringham und Krstić 1990:609-612). Tringham schlägt auch eine interne Erklärung für die weit verbreiteten Feuersbrünste vor, die spätneolithische/kupferzeitliche Dörfer in ganz Südosteuropa zerstörten, und lehnt jede Verbindung zwischen dem massenhaften Abbrennen von Häusern und der Präsenz von Kurganen in der Nähe ab. Stattdessen stellt sie sich vor, dass die Bewohner ihre eigenen Häuser nach dem Tod des ansässigen "Patriarchen" niederbrannten.

Forscher gehen häufig davon aus, dass soziale Ungleichheit und Herrschaftsmuster in allen menschlichen Gesellschaften normal sind. Selbst wenn das Geschlecht nicht spezifiziert wird, implizieren Hinweise auf Herrschaft, Wettbewerb, Status und Ausbeutung stillschweigend die Funktion männlicher, nicht weiblicher Macht. In der Tat dominieren in der Archäologie seit mehr als zwei Jahrhunderten männerzentrierte Rekonstruktionen menschlicher Gesellschaften und Verwandtschaftsbeziehungen (Arnold und Wicker 2001, S. vii). Alle geschlechtsspezifischen, sozialen, politischen und wirtschaftlichen Unterschiede werden typischerweise hierarchisch angeordnet, und die männliche Macht wird als allgegenwärtig betrachtet und "beobachtet", selbst wenn sie es nicht ist (Kent 1999, S. 38; siehe auch Nelson 1997, 116).

Während des Spätneolithikums/Kupferzeitalters lassen sich radikale Veränderungen in den Siedlungsmustern, der Sozialstruktur, der Wirtschaft, der Symbolik, der materiellen Kultur und der Ideologie beobachten: Viele große, stabile Gartenbau-Siedlungen, die sich über Hunderte von Jahren unter friedlichen Bedingungen entwickelt hatten, wurden aufgegeben oder zerfielen in verstreute Weiler in Randgebieten, die oft befestigt wurden; grobe Töpferwaren und Handwerkstechniken, die denen mobiler Steppenstämme ähnelten, begannen im Gegensatz zur eleganten alteuropäischen Keramik und anderen ausgereiften Traditionen hergestellt zu werden; es gab eine zunehmende Abhängigkeit von Weidewirtschaft; ausgewogene, egalitäre Gesellschaften, in denen Frauen geehrt wurden, wurden stratifiziert und männlich dominiert; weibliche Figurinen und frauenzentrierte Rituale und Symbolik wurden weitgehend durch männerzentrierte Bilder und Rituale ersetzt; Hügelgräber oder Grabhügel, die Prestigeobjekte und Waffen enthielten und oft Helden und Kriegsherren ehrten, erschienen neben den alteuropäischen Friedhöfen und Gemeinschaftsgräbern und ersetzten diese später; Kriegsführung und Bewaffnung (zuvor unbekannt) wurden weit verbreitet. Wenn man diese Veränderungen nur im Sinne lokaler Entwicklungen interpretiert, verwischt man die Unterschiede zwischen den reifen Kulturen Alteuropas und den indoeuropäischen Gesellschaften, die sie ablösten.

Das Szenario eines intern motivierten Wandels passt gut zu den Modellen der kulturellen Evolution des 19. Jahrhunderts. Nach Sherratt liegen "technologischer Wandel und die unilineare Entwicklung zunehmend hierarchischer Gesellschaftsformen immer noch vielen aktuellen Interpretationen zugrunde" (Sherratt 1997:134). Wie Alison Wylie feststellt, ist unser Wissen über die Vergangenheit weniger durch die Lückenhaftigkeit unserer Daten als vielmehr durch die Grenzen unserer Erkenntnistheorie begrenzt (Wylie 1991).

Der Mythos der kulturellen "Evolution"

Während des 19. Jahrhunderts begannen Anthropologen, evolutionäre Modelle der sozialen Entwicklung zu formulieren, die einen deutlichen Einfluss auf archäologische Rekonstruktionen vergangener Gesellschaften hatten. Die Theorie des patriarchalischen Universalismus wurde erstmals in Ancient Law (1861) von Sir Henry Maine formuliert, der die patriarchalische Gesellschaft als Höhepunkt eines langen, evolutionären Fortschritts aus den primitiven Bedingungen der Wildheit beschrieb. Maine betrachtete Gesellschaften mit Frauen an der Macht als niedriger auf der Evolutionsskala und das Matriarchat (verstanden als Herrschaft der Frauen) als unmöglich, geradezu lächerlich. Im Allgemeinen betrachteten die Viktorianischen Anthropologen das Patriarchat als einen evolutionären Fortschritt gegenüber matriarchalen oder matrilinearen Gesellschaften.

In „The Origin of Civilization and the Primitive Condition of Man“ (1870) beschrieb John Lubbock die männliche Herrschaft innerhalb der patriarchalischen Familie als den Höhepunkt der zivilisierten Evolution, die sich von der natürlichen (mit Frauen und indigenen Gesellschaften verbundenen) abhebt, die er als primitiv und wild bezeichnete. Lewis Henry Morgan ging in Ancient Society (1877) noch einen Schritt weiter, indem er eine evolutionäre Abfolge der kulturellen Entwicklung von der Wildheit über die Barbarei zur Zivilisation vorschlug. Dieses Modell wurde sowohl von Engles als auch von dem bekannten Archäologen V. Gordon Childe übernommen. In seiner Abhandlung Social Evolution (1951) bezeichnet Childe das Paläolithikum und Mesolithikum als "Wildheit", die Jungsteinzeit, Bronze- und Eisenzeit als "Barbarei", während das klassische Griechenland und Rom die "Zivilisation" darstellen.

In From Savagery to Civilisation (1946) führt J.D.G. Clark Morgans Abfolge in Banden (niedere Wilde, Primitive), Stämme (obere Wilde, niedere Barbaren), Häuptlingstümer (obere Barbaren) und Staaten (Zivilisation) aus. Die Abfolge Band-Stamm-Häuptlingstum-Staat wurde von Elman Service in Primitive Social Organization (Primitive Sozialorganisation) weiter kodifiziert: An Evolutionary Perspective (1962) und Origins of the State and Civilization (1975).

Während die Grenzen des evolutionären Modells von einer Reihe von Wissenschaftern erörtert wurden (siehe z. B. Diamond 1974; Maisels 1999; Trigger 2003), wird ein interner Verlauf der männlichen Dominanz oft als selbstverständlich vorausgesetzt. So behauptet Trigger (2003:186), dass "die Familienorganisation in allen frühen Zivilisationen männlich, aber nicht immer patrilinear war". Auf diese Weise wird davon ausgegangen, dass die männliche Dominanz auch in nicht-patriarchalischen oder nicht-patrilinearen sozialen Strukturen normativ ist - um dann zu einem späteren Zeitpunkt ihr volles patriarchalisches Potenzial zu entfalten.

Das evolutionäre Modell stellt die Zivilisation - und damit auch das Patriarchat - als Höhepunkt der gesellschaftlichen Entwicklung dar. Zivilisation wird im Allgemeinen definiert als ein politischer Staat mit einer Hierarchie sozialer Klassen, ungleichem Zugang zu Reichtum, Macht und sozialem Prestige, hauptberuflichen Fachkräften, großen städtischen Zentren, monumentaler Architektur und Kunst und einer angenommenen patriarchalischen Sozialstruktur. Diese Definition steht in direktem Gegensatz zu Gimbutas' Interpretation des Alteuropa als Fundament der europäischen Zivilisation:

Ich weise die Annahme zurück, dass sich Zivilisation nur auf androkratische Kriegergesellschaften bezieht. Die generative Basis einer jeden Zivilisation liegt in ihrem Grad an künstlerischem Schaffen, ästhetischen Errungenschaften, immateriellen Werten und Freiheit, die das Leben für alle Bürger sinnvoll und angenehm machen, sowie ein Gleichgewicht der Kräfte zwischen den Geschlechtern (Gimbutas 1991:viii).

Gimbutas definiert nicht nur Alteuropa als eine echte Zivilisation, sondern betrachtet die kurganische Kultur als eine primitivere Entwicklungsstufe. Das kulturelle Chaos, das auf die kurganischen Bewegungen in Europa folgte, wird manchmal als das "dunkle Zeitalter des Balkans" bezeichnet (siehe Mallory 1989:238). Gimbutas' Sequenz ist nicht nur das Gegenteil des evolutionären Modells, sondern die Darstellung des alten Europa als hochentwickelte Zivilisation widerspricht auch den bisherigen Vorstellungen über den minderwertigen Status nicht-patriarchaler Gesellschaften.

Nach Gimbutas' Ansicht ist es unmöglich, die Entwicklung der späteren europäischen Kulturen zu verstehen, ohne das Erbe Alteuropas und die komplexen Prozesse der Verschmelzung mit indoeuropäischen Traditionen anzuerkennen. Bemerkenswerte Kulturen, wie die Thraker, die Kelten und die Griechen, entstanden als Ergebnis intensiver Hybridisierungen zwischen alteuropäischen und indoeuropäischen Elementen. Jede dieser indoeuropäischen Kulturen ist kriegerisch und territorial geprägt, mit berittenen Kriegern und hochqualifizierten Handwerkern, die prächtige Kunstwerke aus Edelmetallen schaffen und gleichzeitig Elemente der Substratkultur beibehalten. Es werden sowohl Götter als auch Göttinnen verehrt, und in den ausgefeilten mythischen Traditionen kommen sowohl mächtige Frauengestalten als auch Helden vor. "Obwohl das indoeuropäische patriarchalische Weltbild die griechische Antike dominiert, werden indigene Elemente und Ideen vorindoeuropäischen Ursprungs weitergeführt ..." (Haarmann 1996). Gimbutas postuliert, dass matrilineare kulturelle und rituelle Elemente, die im antiken Griechenland, bei den Etruskern, Basken und in anderen nicht-indoeuropäischen Gesellschaften zu beobachten sind, Überbleibsel antiker alteuropäischer Traditionen darstellen, die als Substratmerkmale innerhalb patriarchaler Gesellschaftssysteme überlebt haben (siehe Gimbutas 1989, 1991). Dieses uralte Erbe stellt die Kräfte der männlichen Hegemonie immer wieder in Frage.

Schlussfolgerung

Marija Gimbutas betont, dass das Patriarchat in Europa weder als natürliche "Evolution" aus früheren, egalitären Strukturen entstanden ist, noch war die männliche Dominanz ein universelles Merkmal prähistorischer Gesellschaften. Die Destabilisierung und der Zusammenbruch der alteuropäischen Gesellschaften waren das Ergebnis einer fortschreitenden "Kollision" und Verschmelzung zweier diametral entgegengesetzter kultureller und ideologischer Systeme. Die Kurgan-Kultur entwickelte in der rauen Umgebung der zirkum-pontischen Steppe Muster der territorialen Aggression und importierte charakteristische kulturelle Merkmale nach Europa. Nachdem die alteuropäischen Gesellschaften destabilisiert und mit kurganischen oder kurganisierten Elementen besiedelt worden waren, breiteten sich soziale, ideologische, wirtschaftliche und materielle Veränderungen durch externe und interne Dynamiken aus, die zu einer Intensivierung und Verfestigung patriarchalischer Muster führten. Indem Gimbutas' Kurgan-Theorie das Alteuropa als Fundament der europäischen Zivilisation definiert und die Anfänge des Patriarchats als ein späteres Phänomen ansieht, das mit der Indoeuropäisierung des Kontinents einherging, stellt sie die Doktrin der universellen männlichen Dominanz in Frage, die als Ursprungsgeschichte der westlichen Zivilisation fungiert hat.