Das Pfahlbauproblem: Unterschied zwischen den Versionen

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Auch '''Schindler''' bemerkt 1971 (S. 304) endlich selbst, dass er sich auf schwankendem Boden befindet, und versucht sich zu retten, wenn er schreibt: „ … der tiefstmögliche Seespiegel konnte nicht unter die Kote 403,5 m sinken, falls nicht der See für längere Zeit abflusslos wurde. Auf Grund paläobotanischer Untersuchungen schloss '''W. Lüdi''' (1951) diese Möglichkeit aber aus, denn '''''ein derart arides Klima widerspricht der damals herrschenden Vegetation.'''''"
 
Auch '''Schindler''' bemerkt 1971 (S. 304) endlich selbst, dass er sich auf schwankendem Boden befindet, und versucht sich zu retten, wenn er schreibt: „ … der tiefstmögliche Seespiegel konnte nicht unter die Kote 403,5 m sinken, falls nicht der See für längere Zeit abflusslos wurde. Auf Grund paläobotanischer Untersuchungen schloss '''W. Lüdi''' (1951) diese Möglichkeit aber aus, denn '''''ein derart arides Klima widerspricht der damals herrschenden Vegetation.'''''"
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==Klima und Seespiegelschwankungen==
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===Weyregger Pfähle und Tag/Nacht-Bereich der Pfähle===
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Schmidt 1982, Roland: Pollen und Großreste aus der neolithischen Station Weyregg I am Attersee, OÖ. Fundberichte aus Österreich 21, 1982:157–169. <br /> * Zwei von rd. 20 cm Seekreide getrennte Kulturschichten; Pfähle aus der unteren Kulturschichte enden an der Oberkante der Seekreideschicht. <br /> * Baum- und NB-Pollen; Acker und Hackfruchtunkräuter; von Menschen verwendete Pflanzen
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===Gleichzeitigkeit der Besiedlung von Schweizer Seen/-gebieten===
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[[Datei: Gleichzeitigkeit an Seen.png|thumb|300px|Dendrodaten zu Baudaten an verschiedenen Seen Grau=Dendrodaten Weiß=keine Daten. Pfeile=<sup>14</u>C]]
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* Suter 1986, Peter und Schifferdecker, Francois: &rarr; ''[https://archaeologie-schweiz.ch/wp-content/uploads/2022/08/Antiqua-15.pdf Das Neolithikum im schweizerischen Mittelland]''. In: Chronologie – Archäologische Daten der Schweiz. Antiqua 15 der Schweizer. Ges. f. Ur- und Frühgeschichte. Basel 1986, S. 34–43. (Egolzwil, Kl. Hafner, Cortaillod usw. alle Epochen)
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Die Grafik von ''Peter Suter'', der sich eingehend mit den Stratigraphien am Kleinen Hafner aber auch '''''erstmals''''' mit der Gleichzeitigkeit der Besiedlung an '''''einem gesamten See''''' - dem Bielersee - tiefschürfend auseinandergesetzt hat, zeigt die neolithischen Siedlungen des schweizerischen Mittellandes.
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* grau: Bereich der dendrochronologisch nachgewiesenen Baudaten an den größeren Mittellandseen.
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* weiß: keine Schlagdaten nachgewiesen.
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* Pfeile: Ungefähre Datierung <sup>14</sup>C-datierter Siedlungskomplexe (nur wenn Dendrodaten fehlen).
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Wie der Grafik zu entnehmen ist, korrelieren die Besiedlungszeiten an den einzelnen Seen/-gebieten wenig oder gar nicht miteinander.
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Eine Untersuchung der Gleichzeitigkeit aller Stationen des gesamten Bodensees - im Vergleich zur Arbeit von Peter Suter - wurde überraschenderweise bisher nicht in Angriff genommen, könnte aber erhellende Ergebnisse bringen.
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Es steht wohl außer Zweifel, dass die Stationen des Bodensees bei tiefen Pegelständen besiedelt wurden: ansonsten wären deren Kulturschichten ja nicht unter Wasser gekommen und dadurch konserviert worden. Solche tiefen Pegelstände traten aber an allen Stationen des Bodensees zur gleichen Zeit auf.
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[[Datei: Gleichzeitigkeit an Seen 2.png|thumb|350px|]]
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* Joos 1987, Marcel (Uni Bern): &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/304240572_Holozane_Seespiegelschwankungen/link/577d903e08aed807ae760696/download Holozäne Seespiegelschwankungen.]'' Geographica Helvetica 1987 – Nr. 2, S. 123-125.
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Unter der Annahme, daß prähistorische Seeufersiedlungen bei tiefen Seespiegeln bewohnt waren, während ein hoher Pegelstand die Besiedlung unterbrach, gibt die Grafik eine Korrelation dendrochronologisch fixierter Stationen dreier Mittellandseen/-regionen zwischen dem Jungneolithikum und der Spätbronzezeit wieder.
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===Klima als Ursache von Seespiegelschwankungen?  (ToDo)===
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Magny 1981, Michel; Olive, G.: Origine climatique des variations du niveau du lac Leman au cours de l'Holocene. La crise de 1700 ä 700 ans BC. In: Arch. suisses d'anthropol. gen. Geneve 45, 2, 159-170.
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[[Datei: Magny 1992.png|thumb|260px|Zahlen auf Ordinate: Seenanzahl, mit allen <br /> transgressiven/regressiven Schwankungen]]
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Magny 1992, Michel: &rarr; ''[https://onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.1111/j.1502-3885.1992.tb00038.x?casa_token=QXRJ6nd10RQAAAAA:vC9Q00gB_Ucf5zrCOnXk0Lkjf77ooexaZoB7saed5oqQu3_fAbBGxthmc0yy5GW-cWeekGUeXT0CR10 Holocene lake-level fluctuations in Jura and the northern subalpine ranges, France: regional pattern and climatic implications.]'' Boreas, 21 (1992), pp. 319-334. (vgl. nebenstehende Abbildung der S. 327: '''''<u>gleichzeitig</u>''''' Anstiege und Absenkungen der Seespiegel an mehreren Seen &rarr; es gibt also keinen Zusammenhang!) <br />
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''[Zusammenfassung: Die holozänen Schwankungen des Seespiegels in jurassischen und französischen subalpinen Seen werden anhand sedimentologischer Analysen rekonstruiert, und es wird ein regionales Muster paläohydrologischer Veränderungen aufgezeigt. Die wichtigsten transgressiven Phasen erreichten ihren Höhepunkt um 8500 BP, 6500 BP, 4800 BP, 3500-2300 BP und 450 BP. (1) Die für eine große Zahl von Seen nachgewiesene Synchronität der holozänen Seespiegeländerungen, (2) die engen Korrelationen zwischen bestimmten Seen und (3) die Übereinstimmung zwischen dem Anstieg der Seespiegel im Jura und in den französischen Voralpen und dem Gletschervorstoß in den Schweizer und österreichischen Alpen sprechen für eine klimatische Steuerung dieser holozänen Seespiegelschwankungen.]''
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Magny 2004, M.: &rarr; ''[https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1040618203000806?casa_token=R5qqAr2GJLAAAAAA:m1orgPMpFxLRO7wmGvHEMI9PKSRiSv7JiK-UcWaz9KF2nZrnBMRXhQJ5rNZhdDyRb7i2PBpt8S3w#aep-section-id11 Holocene Climate Variability as Reflected by mid-European Lake-Level Fluctuations and its Probable Impact on Prehistoric Human Settlements.]'' Quaternary International 113 (1) 2004:  pp. 65–79. doi:10.1016/S1040-6182(03)00080-6  <br />
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Artikel hält nicht, was der Titel verspricht! Zitiert sich laufend selbst, wird aber 670 x zitiert! <br />
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''[Zusammenfassung: Ein Datensatz von 180 Radiokohlenstoff-, Jahrring- und archäologischen Daten, die aus Sedimentsequenzen von 26 Seen im Jura, in den nordfranzösischen Voralpen und im Schweizer Mittelland gewonnen wurden, wurde verwendet, um einen holozänen mitteleuropäischen Seespiegel zu konstruieren. Die Daten weisen nicht auf eine zufällige Verteilung über das Holozän hin, sondern bilden Cluster, die auf einen Wechsel von niedrigeren und höheren, klimatisch bedingten Seespiegelphasen hindeuten. Sie belegen ein eher instabiles holozänes Klima, das von 15 Phasen mit höheren Seespiegeln geprägt war: 11 250-11 050, 10 300-10 000, 9550-9150, 8300-8050, 7550-7250, 6350-5900, 5650-5200, 4850-4800, 4150-3950, 3500-3100, 2750-2350, 1800-1700, 1300-1100, 750-650 cal. BP und nach 1394 AD. Ein Vergleich dieser mitteleuropäischen Seespiegel-Daten mit dem GISP2-Polar Circulation Index (PCI), den nordatlantischen Eisdriftzyklen (IRD) und der 14C-Aufzeichnung deutet auf Telekonnektionen in einem komplexen Kryosphären-Ozean-Atmosphären-System hin. Die Korrelationen zwischen dem GISP2-PCI, dem mitteleuropäischen Seespiegel, den nordatlantischen IRD-Ereignissen und den restlichen 14C-Aufzeichnungen deuten darauf hin, dass Veränderungen der Sonnenaktivität eine wichtige Rolle bei den holozänen Klimaschwankungen über dem Nordatlantik gespielt haben.]''
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Bleicher 2008, Niels: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/230704693_Einige_kritische_Gedanken_zur_Erforschung_des_Zusammenhangs_von_Klima_und_Kultur_in_der_Vorgeschichte/link/5ef4ac334585153fb1b434ab/download Einige kritische Gedanken zur Erforschung des Zusammenhangs von Klima und Kultur in der Vorgeschichte.]'' In: Strategien zum Überleben. Tagung Römisch-Germanisches Zentralmuseum Band 11, 2008. '''''GEGEN MAGNY'''''
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''[Trotz dieser Anhaltspunkte dafür, dass jener Ansatz problematisch ist, argumentierten auch andere Autoren in dieselbe Richtung – so z.B. Magny (2004), der sowohl die Seespiegel im Alpenvorland als auch die vorgeschichtliche Wirtschaft an die Sonnenaktivität gekoppelt sah: <br />
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»Phasen höheren Seespiegels fielen mit einer Zunahme des Jahresniederschlags, einer Abnahme der Sommertemperatur und einer Verkürzung der Vegetationsperiode zusammen. [...] Es ist bemerkenswert, dass die kulturellen Veränderungen im Neolithikum und in der Bronzezeit meist in Phasen höherer Seespiegel, d. h. kühlerer und feuchterer klimatischer Bedingungen, stattfanden, was wahrscheinlich zu einer Destabilisierung des früheren sozioökonomischen Gleichgewichts führte.« (ebenda 75f.).  <br />
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Demgegenüber ist anzumerken, dass die von Magny rekonstruierten Seespiegelphasen bei genauerer Betrachtung '''''nicht so überzeugend''''' sind, wie ein Vergleich zwischen der von ihm erstellten »Score-Kurve« mit der 14C-Residualkurve vermuten lässt. Die von ihm mehrfach publizierte '''''Score-Kurve''''' (z.B. Magny 2004) basiert zum überwiegenden Teil auf der '''''Summation der Wahrscheinlichkeiten von Radiokarbondaten; daher ist eine Ähnlichkeit mit der Kalibrationskurve schon fast zwingend''''' – sie ermöglicht aber keine Rückschlüsse auf generelle regionale Seespiegelstände. Daher kann auch nicht argumentiert werden, dass sämtliche Phasen des kulturellen Wandels in Zeiten hoher Seespiegel stattgefunden hätten.]''
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Magny 2006, Michel; Urs Leuzinger; Sigmar Bortenschlager, Sigmar; Haas, Jean Nicolas: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/222422260_Tripartite_climate_reversal_in_Central_Europe_5600-5300_years_ago Tripartite climate reversal in Central Europe 5600-5300 years ago.]'' Quarternary Research 65, 3-19. (Klima als Grund für Seespiegelschwankungen)
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Harrison 1996, Sandy; Yu, Ge; Tarasov, P.: &rarr; <u>''Late Quaternary Lake-Level Record from Northern Eurasia.''</u> Quaternary Research 45, 1996; p. 138–159. Bringen trotz Ankündigung im Artikel aber nichts zu Seespiegelschwankungen.  Link zu &rarr; <big><u>[[Abstract Harrison]]</u></big>
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Link zu vier &rarr; <big><u>[[Swierczynski-Literaturen]]</big></u> zum Mondsee (Diss. 2012, 2013) plus 5. Arbeit im Appendix: &rarr;  ''[https://publishup.uni-potsdam.de/opus4-ubp/frontdoor/deliver/index/docId/6453/file/swierczynski_diss.pdf Distinguishing floods, debris flows and hydrological changes in a 100-year varved sediment record from Lake Mondsee (Upper Austria)]''; Hochwässer wd. des Neolithikums; Seespiegelschwankungen usw.
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Schmidt 2023, Roland (AdW); Brauer, Achim (GFZ Potsdam); Lauterbach, Stefan: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/369118499_Klimawandel_in_einer_130000-jahrigen_Zeitreise_durch_das_Mondseeland_Salzkammergut_Vegetations-_Gletscher-_Seen-_und_Siedlungsgeschichte Klimawandel in einer 130.000-jährigen Zeitreise durch das Mondseeland (Salzkammergut)]'' – (Vegetations-, Gletscher-, Seen- und Siedlungsgeschichte). Buch; Mondseer Dokumentationen 2023. 68 Seiten.
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Arbogast 2006, Rose-Marie; Stefanie Jacomet, Michel Magny, Jörg Schibler: &rarr; ''[https://www.researchgate.net/publication/225242471_The_significance_of_climate_fluctuations_for_lake_level_changes_and_shifts_in_subsistence_economy_during_the_late_Neolithic_4300-2400_cal_BC_in_Central_Europe  The significance of climate fluctuations for lake level changes and shifts in subsistence economy during the late Neolithic (4300-2400 cal B.C.) in Central Europe]''. Vegetation History and Archaeobotany, 15 (2006): 403–18.
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===Illusion längerdauernder Seespiegelabsenkung wegen zu geringem Zufluss (ToDo)===
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Quelle: Regulierung Zürichsee, Bundesamt für Umwelt BAFU, &rarr; ''[https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&cad=rja&uact=8&ved=2ahUKEwim1aG2yYn_AhXS1qQKHaqpDdUQFnoECDIQAQ&url=https%3A%2F%2Fwww.bafu.admin.ch%2Fdam%2Fbafu%2Fde%2Fdokumente%2Fnaturgefahren%2Ffachinfo-daten%2Fseeregulierung_zuerichsee.pdf.download.pdf%2Fseeregulierung_zuerichsee.pdf&usg=AOvVaw0dR543x9EJ5vGvp5AW6bow Faktenblätter Seeregulierung (Juni 2020)]''; www.bafu.admin.ch > Themen > Naturgefahren > Dossiers > Seeregulierung
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Zürichsee: Volumen 3,9 km³; Jahresabfluss Limmat 3,03 Mrd. m³; (mittlerer Abfluss 96 m³/s (1938–2012); Seespiegelhöhe: 405,90 (min) – 406,80 (Hochwasser) – 407,01 (max) m ü. M.; 90 km² Seefläche; (theoretische Aufenthaltszeit des Wassers im See beträgt nur 283 Tage)
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Reguliert werden die Seestände im Zürichsee nicht direkt beim Seeausfluss, sondern knapp zwei Kilometer limmatabwärts durch das Regulierwehr Platzspitz (knapp vor Sihl-Einmündung)
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Bielersee: 244 m³/s (theoretische Aufenthaltszeit des Wassers im See beträgt nur 54 Tage)
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Attersee: 3,94 km³; theoretische Wasserverweildauer: ~ 7,14 Jahre; Mittlerer Abfluss: 17,5 m³/s
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===Furger zu Seespiegelschwankungen und Siedlungsphasen am Bielersee===
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[[Datei: Seespiegelschwankungen am Bielersee bei Twann.jpg|thumb|350px|Seespiegelschwankungen am Bielersee bei Twann im 4. Jt.]]
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Furger, Alex R. (Univ. Basel, Text) u. Hartmann, Fanny (Illustrationen): &rarr; '''''[https://www.academia.edu/36842146/Vor_5000_Jahren_So_lebten_unsere_Vorfahren_in_der_Jungsteinzeit_5000_Years_ago_Daily_Life_in_the_Neolithic_Lakeside_Villages_of_Twann_Bern_1983_171_p_  Vor 5000 Jahren … So lebten unsere Vorfahren in der Jungsteinzeit in Twann ]''''' (38 MB). Verlag Paul Haupt, Bern 1983. 172 Seiten.
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Der Archäologe Furgler beschreibt in seinem ausgezeichnet geschriebenen und illustrierten und für jedermann gut lesbaren Buch auf S. 53/54 – samt eindrücklichen grafischen Darstellungen der hydrologischen Gegebenheiten von Aare, den drei Seen und der Zihl – als mögliche Ursachen für die Seespiegelschwankungen und Siedlungsphasen am Bielersee, dass die Aare bei Verlegung der Strecke bis Büren der Schicksalsfluss für die Uferbewohner gewesen ist. Aber auch Bergrutsche vom Jensberg könnten die ''untere Zihl'' und damit den Bielersee aufgestaut haben. Zahlreiche Hoch- und Niedrigwasserperioden wechselten sich im jungsteinzeitlichen Seeland in unregelmäßigen Abständen ab.
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Auf den S. 55/56 bringt Furgler jene Grafiken, die der hier beigefügten Grafik zugrunde liegt. Im Gegensatz zu dieser verzeichnet Furgler aber während der Niedrigwasserperioden auch vorübergehende Hochwässer innerhalb der Siedlungszeiträume.
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Anm.: Wenngleich Furgler Gründe für den Wasseranstieg - ebenso wie Lüdi - auf natürliche Ursachen zurückführt, widmet er sich dem fünfmaligen raschen Sinken des Wasserspiegels – um jeweils rd. fünf Meter – nicht. Dass sich auf zweimal rd. 170 Jahre dauernde Wasserhochstände kurzfristig niedrigere Wasserstände einstellten, kann wohl wenig glaublich durch wiederum natürliche Ursachen hervorgerufen worden sein. Es sei hier auch darauf verwiesen, dass sich Seekreide nur bei einer länger dauernden Überdeckung ab einem halben Meter Tiefe bildet, was einer kurzzeitigen, vorübergehenden Überschwemmungssituaton widerspricht. Grundsätzlich ist – im Laufe der 860 Jahre dauernden Siedlungsgeschichte Twanns – auffällig, dass sich die Vielzahl von Wasserhoch- und -niedrigständen immer zwischen denselben Koten abspielt, was bei natürlichen Ursachen wohl nicht so regelmäßig eintreten würde.
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===Lüdi zu Seespiegelschwankungen===
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'''Lüdi 1935''', Werner: &rarr; ''[https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=gbi-001%3A1935%3A11%3A%3A379 Kap. XIII: Postglaziale Seespiegel- und Grundwasserschwankungen, Ueberschwemmungs- und Trockenhorizonte im Gebiete zwischen Alpen und Jura.]'' Veröff. Geobotan. Inst. Rübel in Zürich. Band 11, 1935. &rarr; ''[https://www.e-periodica.ch/digbib/view?pid=gbi-001%3A1935%3A11%3A%3A283&referrer=search#3 Quelle]''
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S. 289–290: '''''Wauwil:''''' „... kann man die Entwicklungsgeschichte des Wauwilermooses wie folgt zusammenfassen: Im Gebiet der Pfahlbaudörfer war offener See und es erfolgte Seekreideablagerung bis ins Neolithikum, das hier in die Buchenzeit fällt. Dann '''''fiel der Seespiegel rasch ab'''''; auf der Seekreide bildete sich eine dünne Torf- (oder Gyttja-?) Schicht; die '''''Bodenoberfläche trocknete aus und wurde vom Pfahlbauer besiedelt'''''. Nach der Zeit der neolithischen Pfahlbauten (waldgeschichtlich in der Tannenzeit), vielleicht auch bereits innerhalb der Pfahlbauzeit, hob sich der Wasserspiegel wieder, und es folgte mächtige Torfbildung.“
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S. 296: '''''Zürichsee:''''' „In Zürich wiederholt sich die '''''Eigentümlichkeit der Lage''''', die wir am '''''Genfer-, Bieler-''''', Thuner-, Vierwaldstättersee gefunden haben, dass nahe dem Seeausflusse ein Gebirgsfluss, der leicht zu '''''Hochwasser anschwillt''''' und in diesem Zustande viel Geschiebe führt, sich mit dem aus dem See ausfliessenden Flusse vereinigt. Hier ist es die Sihl, welche die Wasser der Schwyzer Alpen der Limmat zuführt und den '''''Seespiegel weitgehend zu beeinflussen vermag'''''. Kleinere, vom Zürichberg herunterkommende Bäche dagegen werden kaum eine wesentliche Wirkung ausgeübt haben.“
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S. 297–298: '''''Zürich:''''' viele Funde von Torf, Seekreide usw. deutlich unter heutiger Seespiegelhöhe (widersprechen deutlich den apodiktischen Feststellungen von Schindler).
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S. 305: '''''Bodensee:''''' Zur Zeit der Ablagerung des untern Torfes sei die '''''Seespiegelhöhe mindestens 3 m niedriger gewesen als heute''''' (396 m). Gams und Nordhagen können tiefen Wasserstand des Bodensees in der Pfahlbauzeit und auch für den Untersee belegen. Anderseits ist in Bodman am Untersee die unterste neolithische Kulturschicht mit 20—35 cm Kalkschlick überdeckt. Auch bei Arbon liegt am Seeufer eine mit Sand und Lehm überführte neolithische Station. Dadurch wird ein vorübergehender neolithischer Seehochstand wahrscheinlich gemacht. <br />
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Reinerth (1922, S. 15) setzt den Seespiegel der Bronzezeit auf 3—5 Meter niedriger an als er heute ist. <br />

Version vom 11. Mai 2024, 19:04 Uhr

Inhaltsverzeichnis

Eine kurze Wellenkunde (mit Wirkungen auf Pfahlbau-Überreste)

Aus den nachfolgenden Darstellungen findet man als überraschendes Ergebnis, dass das wirkliche Pfahlbau-Problem in der raschen Überdeckung der Überreste mit tiefem Wasser besteht:

Lahnungsreste: Holzpfosten u. Weideruten zum Schutz von Sutz-Lattrigen, Rütte, am Bielersee nach 5 Jahren
völlig fehlende Überreste unter "Pfahlbau"-Badesteg; am Grund gibt es sogar nur mehr sehr große Steine:
als Vergleichsmaßstab dienen Schlapfen auf dem Steg
  • Bei Pfahlbaustationen am trockenem Strand müssen alle Überreste in kurzer Zeit in tiefes Wasser (zumindest 3–4 m) gekommen sein, da wegen der Wellen-Erosion bei langsamem Wasseranstieg (Jahre) keine Überreste gefunden werden könnten. Das gilt insbesondere für leichte, gerade untergehende Gegenstände aus organischem Material, die schon bei leichtem Wellengang in geringer Wassertiefe abgeschwemmt würden.
  • Diese Gegebenheiten sind auch relevanten Pfahlbauforschern deutlich bewusst, wenn Albert Hafner und Peter Suter 2004 schreiben: „Die prähistorischen Siedlungsreste am Bielersee sind durch die stetige Erosion der Flachwasserzone massiv bedroht. Deshalb findet im Bereich der Gemeinde Sutz-Lattrigen seit 1988 ein Grossprojekt zu ihrer Dokumentation und Rettung statt.“
  • Bei im niedrigen Wasser auf Piloten stehenden Pfahlbauten werden durch die Wirkung von normalen und besonders Sturm-Wellen im flachen Wasser unter den Gebäuden alle vergleichsweise leichten Gegenstände, die ins Wasser fallen – auch wenn gerade untergehend – laufend seewärts abtransportiert. Sturmwellen setzen unter solchen Bauten auch spezifisch schwerere Gegenstände in Bewegung und transportieren sie ab.
  • Bei Untiefen mit Siedlungen auf trockenen Grund und langsamem Wasseranstieg (Jahre) würde die erodierende Kraft von Starkwindwellen (4–6 Bft) und Stürmen wohl nichts übrig lassen (Wellenbrecher-Wirkung). Die Überreste auf Untiefen müssen in kurzer Zeit in tiefes Wasser gelangt sein. Winterstürme sind recht häufig (vgl. Kap. weiter unten), und wenn sie parallel zur Längs-Ausrichtung des Sees laufen, produzieren sie sehr lange und sehr hohe Wellen. Die grundnahe Wasserteilchen-Geschwindigkeit nimmt proportional zur Wellenhöhe zu und zieht – sogar quadratisch mit der Wellenhöhe ansteigend – immer größere und schwerere Gegenstände seewärts ab.
  • Falls beim Verlassen eines Pfahlbausees der Seeabfluss – aus welchen Beweggründen auch immer – bewusst durch Verlegung des Abflusses bis auf eine bestimmte Höhe unterbunden wurde, dauerte ein Aufstau um z.B. 4–5 Meter am Zürichsee rund 50 Tage, am Bodensee 125 Tage, am Mondsee 90 Tage und am Attersee 150 Tage; wahrscheinlich aber etwas länger, falls der Abzug der Siedler erst im Herbst nach der Ernte erfolgte.
  • Bei Kliffen – durch Brandungswellen entstanden – könnten unter dem seewärts abtransportierten Abraum-Material Überreste bisher nicht entdeckter Pfahlbaustationen „verschüttet“ und damit besonders geschützt sein, die mit Sondier-Bohrungen einfach auffindbar wären.

Verwendete Literatur

  • Coastal Engineering Research Center (CERC 1984): → Shore Protection Manual, Volume I. Department of the US Army 1984. Distribution Unlimited. (DIE STANDARD-Wellentheorie: Chapter 2 (S. 2-1 bis 2-30: Lineare Wellentheorie): Wellengeschwindigkeit, -länge und -periode; Sinuswellen; Fluidgeschwindigkeit und -beschleunigung; Wellenenergie und -kraft (mit Formeln und vielen Rechenbeispielen.)
Graph zur Ermittlung der maximalen Wassertiefe mit Sandbewegung (Hallermeier)
  • Coastal Engineering Research Center (CERC 1984): → Shore Protection Manual, Volume II (Strukturen; Strukturplanung: physikal. Faktoren; Techn. Analysen und Fallstudien; Tabellen und Tafeln)
  • Hallermeier 1981, Robert: → Critical wave conditions for sand motion initiation. 8 Theorie-Seiten. US Army Corps of Engineers (CERC 1981). Approved for Publication. (Schwell-Geschwindigkeit für Sandbewegungen; kritische Wellenbedingungen; Berücksichtigung anderer physikalischer Faktoren.)
    → S. 10: sinh-Funktionsgraph (vgl. Abb.) zur Ermittlung der maximalen Wassertiefe dmax, in der immer noch Sandbewegung ausgelöst wird.
  • Brown 2005, E. et al.: → Waves, Tides and Shallow-Water Processes. 2nd edition. Butterworth-Heinemann, Oxford, 227 pp; prepared by an Open University Oceanography Course Team. (Ausgezeichnete Darstellung!)
  • Hofmann 2019, Hilmar; Ostendorp, Wolfgang (Hrsg.): → Seeufer: Wellen – Erosion – Schutz – Renaturierung. 155 S., Konstanz 2019. (Kapitel 6: Messung und Modellierung von Wellen, Strömungen und Sedimenttransport in der Flachwasserzone von Seen S. 45-64; Kapitel 10: Archäologische Denkmalpflege in der Uferzone des Bodensees S. 117-126.)

Bewegung der Wasserteilchen in Tiefwasser- und Flachwasser-Wellen

Tiefwasserwellen

Bewegung der Wassertteilchen in einer Tiefwasserwelle

Tiefwasserwellen unterscheiden sich deutlich von Flachwasserwellen. Hier interessieren uns die ersteren vor allem aufgrund Ihres Entstehens, der von ihnen aufgenommenen Windenergie und die Mechanismen ihrer Fortbewegung.

Die Höhe von Wellen hängt ab von der einwirkenden Windkraft und der Länge, über die der Wind auf die Wellen einwirken konnte ("Fetch").

Wie der nebenstehenden Grafik zu entnehmen ist, bewegen sich die einzelnen Wasserteilchen kreisförmig und absolut nur recht langsam in Richtung der Wellenbewegung.

Mit der hier verlinkten → GIF-Animation von Tiefwasser-Wellen wird die Bewegung der Wasserteilchen über drei Wellenperioden veranschaulicht:

  • beginnend mit einem Teilchen am Wellenberg und
  • beginnend mit einem Teilchen knapp nach dem Wellental;
  • wie der Grafik zu entnehmen ist, bleiben die einzelnen Wasserteilchen etwa an der gleichen Stelle: weitergegeben wird nur die Bewegung der Welle in Wellenrichtung.

Wie der Abbildung und der Animation ebenfalls zu entnehmen ist, nimmt die (rotierende) Bewegung der Wasserteilchen mit zunehmender Wassertiefe rasch ab.

Geschwindigkeit der Wasserteilchen an einzelnen Stellen der Welle
  • Die Wasserteilchen haben am Wellengipfel die gleiche Geschwindigkeit wie die Wellenfortbewegung.
  • Daraufhin bewegen sie sich nach unten, um ein Wellental zu bilden;
  • dort bewegen sie sich mit der absolut gleichen Geschwindigkeit wie die Wellengeschwindigkeit – aber entgegengesetzt zur Wellenfortbewegung!
    [Anm.: Diese gegenläufige Bewegung der Wasserteilchen im Wellental wird für uns bei Annäherung einer Welle an eine Untiefe (vgl. hier z.B. "Kleiner Hafner" aber auch die sogenannten "Hügeli" am Bodensee) oder in flacheres Wasser von besonderem Interesse.]
  • In der Folge dreht sich die Bewegung der Wasserteilchen nach oben, um erneut einen Wellenberg zu erzeugen.

Übergang von Tiefwasserwellen zu Untiefen-Wellen

Wellenverhalten in der Brecher-Zone von Untiefen
Wellenenergie wird durch Untiefen "verbraucht" (Michael Streßer, Helmholtz-Zentrum Geesthacht)

Wenn sich Tiefwasserwellen einer Untiefe nähern, wird die Wassertiefe rasch geringer. Dadurch verändert sich die Dynamik innerhalb der Welle.

Wenn das Verhältnis von Wassertiefe d zu Wellenlänge L geringer als d/L < 1/2 wird, verändert sich die Wellendynamik in Richtung von Flachwasserwellen.

In der nebenstehenden Grafik sind die wesentlichen Gegebenheiten einer einlaufenden Welle beim Auftreffen auf Untiefen dargestellt.

Bereits bei der ersten Untiefe verändert sich das Zurück-Fließen der Unterströmung im Wellental, da diese Wasserteilchen zu spät aufsteigen, sodass sich erste Brecher bilden.

Bei der nächsten – seichteren – Untiefe verstärkt sich der Effekt, sodass sich vermehrt brechende Wellen ausbilden.

"Beim Brechen der Wellen wird die Energie, die in den Wellen steckt, freigesetzt und es werden starke Strömungen und Turbulenzen erzeugt (Michael Streßer). Dadurch werden Ablagerungen aufgewirbelt und umgelagert."

Falls eine solche Untiefe aus Sand oder Steinen (mit kleinem d50) besteht, werden diese in kurzer Zeit seewärts abtransportiert. Falls eine Wellenbrecher-Funktion dauerhaft bestehen soll, müssen Steine (mit sehr großem d50) verwendet werden.

Inwieweit die sogenannten "Hügeli" am Bodensee mit ihren Wellenbrecher-Wirkungen bei Weststürmen eine Funktion für die weitab im Südosten des Bodensees (z.B. Arbon Bleiche) situierten Pfahlbausiedlungen hatten, ist wohl nur vor Ort erforschbar.

Dass solche Überlegungen zu den "Hügeli" realitätsnahe sind, kann der Dissertation von Rolf Habel, TU Berlin (2001) → „Künstliche Riffe“ zur Wellendämpfung. entnommen werden.


erforderliche Wellenhöhe für eine Partikel-Mobilisierung in ... m Tiefe (vgl. Hallermeier, Robert: Seiten 9 und 10)

Solche Wellenbrecher-Effekte mit ihren "abscherenden Wirkungen" sind bei (u.U. langsam) ansteigenden Seespiegeln wohl auch bei den beiden heutigen Untiefen "Kleiner Hafner" und "Großer Hafner" bei Zürich aufgetreten.

Falls solche Gegebenheiten z.B. beim "Kleinen Hafner" über längere Dauer (entsprechend den Theorien zum Seespiegelanstieg nur in Jahrzehnten eintretenden Klimaänderungen) angehalten hätten, wäre wohl von den Kulturschichten und kulturellen Hinterlassenschaften äußerst wenig oder nichts übrig geblieben.

Dass das nicht eintrat, hängt unter anderem mit der vergleichsweise nur geringen Tiefenwirkung von Wellen zusammen, wie der nebenstehenden Grafik zu entnehmen ist – die für vergleichsweise schwere Partikel mit Rohdichten von 2,2 kg/dm3 gilt. Um in einer bestimmten Wassertiefe solche Partikel zu mobilisieren (und damit seewärts abzutransportieren) sind größere Wellen - in einer Wassertiefe von 4 m Wellenhöhen von über 1 m - erforderlich.

Der Umweltphysiker Hofmann vom Limnologischen Institut der Universität Konstanz spricht in diesem Zusammenhang davon, dass "selbst bei Windwellenhöhen von 1 m, die während eines Starkwindereignisses (4–8 Bft) auftreten können, die Wassertiefe, bis zu der Partikel remobilisiert werden können, nur ~3 m (beträgt)."

Dieser physikalische Zusammenhang ist auch ein wesentliches Argument dafür, dass Pfahlbaureste, die mit Ausnahme von Steinwerkzeugen zumeist ein nur geringes spezifisches Gewicht haben, nicht langsam, sondern sehr rasch in größere Tiefe (zumindest 3 - 4 m) kommen müssen, damit wir überhaupt noch etwas von ihnen vorfinden können.

Flachwasserwellen

Bewegung der Wassertteilchen in einer Flachwasserwelle
Vergleich seegrundnahe Flachwasser- zu Tiefwasserwelle

Tiefwasserwellen haben keine Auswirkungen auf tiefen Seegrund. Bei Annäherung von Tiefwasserwellen an flaches Wasser verändern sich aber die Strömungsverhältnisse deutlich. Falls das Verhältnis von Wassertiefe d zu Wellenlänge L geringer als 1/20 wird, kommt die abbremsende Wirkung auf das im Wellental rückströmende Wassers zur Geltung.

Wiederum wird mit der hier verlinkten GIF-Animation von Flachwasser-Wellen die Bewegung der Wasserteilchen über drei Wellenperioden veranschaulicht:

  • beginnend mit einem Teilchen am Wellenberg und
  • beginnend mit einem Teilchen im Wellental.

Das im Wellental rückströmende Wasser kommt mit dem Seegrund in Reibung, wodurch es abgebremst wird, aber auch Schub auf den Seegrund entgegen der Wellenrichtung ausübt. Damit kommt diese Wassermenge aber für die neue Wellenbildung zu spät, während sich die Teilchen am Wellenberg weiterhin mit gleicher Geschwindigkeit wie die Welle in Wellenrichtung bewegen: dadurch werden die Wellen kürzer und steiler und beginnen in der Folge zu brechen.

Die Wasserteilchen können nun keine kreisförmige Bewegung mehr ausführen, vielmehr wird diese in eine elliptische Bewegung verformt – die am Seegrund sogar noch stärker „eingedellt“ wird.

Die Wellen "ziehen" aufgrund der "rollenden" Bewegung der Wasserteilchen in der Welle – oben in der, unten aber gegen die Wellenbewegung – bei Annäherung an das flache Ufer Material vom Seegrund entgegen der Wellenrichtung in Richtung See.

Wellen-Physik und Formeln im Flachwasser

Welleneigenschaften.png

In der nebenstehenden Grafik sind die wesentlichen Welleneigenschaften einer konkreten Messung (nach Hofmann 2019, Hilmar) dargestellt. Dabei bedeuten:

  • Hmax … maximale Wellenhöhe (zw. Wellenberg und Wellental) in [m]
  • Ts … signifikante Wellenperiodendauer in [s]
  • WL … Wellenlänge zw. zwei Wellenbergen in [m]
  • umax … maximale grundnahe Strömungsgeschwindigkeit (hier in 1 m tiefem Wasser) in [m/s]
  • BSS … Bodenschubspannung in [N/m2]
  • d50 … mobilisierbare Korngröße in [mm]
  • EF … Wellenenergiefluss in [W/m2]

Man erkennt, dass die maximale welleninduzierte grundnahe Strömungsgeschwindigkeit direkt mit der maximalen Wellenhöhe korreliert. Mit der Strömungsgeschwindigkeit ist klarerweise die Bodenschubspannung direkt verbunden. Deren Kraft muss eine bestimmte Höhe erreichen, um Partikel bestimmter Korngrößen mobilisieren zu können.

Bei Starkwindereignissen erreichen Wellen Höhen von 0,5–1,2 (2) m, Periodendauern von 2–2,5 (3) s und Längen von 6–12 (15) m. Damit verbunden sind grundnahe (in 1 m Wassertiefe) Strömungsgeschwindigkeiten von 0,5–1,5 (2) m/s und Bodenschubspannungen von 10–50 (80) N/m2; diese können Partikel von 1–10 (15) mm mobilisieren. Der Wellenenergiefluss erreicht 100–500 (800) W/m2.

Maximale grundnahe Wasserteilchen-Geschwindigkeit im Flachwasser

Grundnahe Teilchengeschwindigkeit.png
Wellendaten Kleiner Hafner mit Hmax = 2 . Hsig lt. "Guide"

Die maximale grundnahe Wasserteilchen-Geschwindigkeit in [m/s] errechnet sich unter Verwendung der nebenstehenden Formel von Brown (2005): → Waves, Tides and Shallow-Water Processes, wobei

  • umax = maximale grundnahe Geschwindigkeit der Wasserteilchen in [m/s]
  • π = Kreiszahl Pi = 3,1415926
  • H = Wellenhöhe (zw. Wellenberg und Wellental) in [m]
  • T = Wellenperiodendauer (Dauer zwischen zwei Wellenbergen) in [s]
  • sinh = sinus hyperbolicus
  • h = Wassertiefe in [m]
  • λ = Wellenlänge zwischen zwei Wellenbergen in [m]

(Der Sinus hyperbolicus im Nenner wirkt sich wie folgt aus: Nimmt man die grundnahe Teilchengeschwindigkeit umax bei einer Tiefe h = 1 m als Basis, so reduziert sich diese bei 2 m auf 1/3, bei 3 m auf 10 %, bei 4 m auf 3 % und bei 5 m auf 1,3 %.)

Notwendige Geschwindigkeit zur Teilchen-Mobilisierung am Flachwassergrund

Mobilisierungsgeschwindigkeit.png

Die notwendige Geschwindigkeit in [m/s] zur Mobilisierung von Teilchen am Flachwassergrund wird unter Verwendung der Formel des US Army Corps of Engineers (1984): → Shore Protection Manual aus den folgenden Parametern bestimmt:

  • umax, res = notwendige Geschwindigkeit der Wasserpartikel für Mobilisierung von Partikeln am Flachwassergrund in [m/s]
  • ρs (ros) = spezifisches Gewicht der Partikel am Flachwassergrund (= 1,0 g/cm3 für gerade untergehendes Holz bis 2,2 g/cm3 für Steine oder Material von abgeräumtem Kliff)
  • ρw (row) = spezifisches Gewicht von Wasser (= 1,0 g/cm3)
  • g = Erdbeschleunigung (= 9,81 m/s2)
  • d50 = mittlere Korngröße [m]

Der Wert des Bruchs der Rohdichten [ρs (Partikel) / ρw (Wasser)] tendiert bei ähnlichem spezifischem Gewicht zum Wert "1", sodass die erforderliche Ablöse-Geschwindigkeit des Wassers für solche Partikel gegen Null tendiert.

Untergehendes Holz, biologisches Material (Getreide, Stoffe, Holz-Werkzeuge usw.) haben anfänglich ein ähnliches Gewicht wie Wasser, sodass sie leicht vom Flachwassergrund abgeschwemmt werden können.

Geröllsteine (z. B. eingebracht über Schwemmkegel von Bächen, aber auch im Zuge von Kliff-Bildungen) haben dagegen eine spezifische Dichte von etwa 2,2 - 2,5 g/cm3. Hallmeier gibt folgende spezifische Gewichte an: Quartz 2,65 g/cm3 und Calcit 2,71 g/cm3.

Weitere → Rohdichten-Werte: Holzkohle: 1,4 g/cm3 (porenfrei, schwimmt nicht) ... 0,45 g/cm3 (porös, schwimmt); Getreidekörner: schwimmen nicht; Sand (Ufer): 1,8...2,6 g/cm3; Erde, nass: 1,6...1,8 g/cm3.

Die Rohdichte ρ der Zellwandstruktur von Holz beträgt 1,5 g/cm³; jene von Wasser 1,0 g/cm³.

Die Rohdichte von trockenem und von → frisch geschlagenem Holz beträgt etwa in g/cm3:

Eiche: 0,65…0,93; frisch geschlagen 0,970; Buche: 0,68…0,88; frisch geschlagen 0,910; Esche: 0,58...0,65; frisch geschlagen; 0,860; Kiefer: 0,49…0,86; frisch geschlagen 0,860; Ahorn: 0,45...0,59; frisch geschlagen 0,790; Tanne: 0,42...0,46; frisch geschlagen 0,750; Erlen: 0,48...0,53; frisch geschlagen 0,710; Fichte: 0,43…0,64; frisch geschlagen 0,680; Pappel: 0,38...0,45; frisch geschlagen 0,560.

Mobilisierbare Korngrößen abhängig von der Wasserteilchen-Geschwindigkeit

Korngrößen.png

Nach Umformung der vorigen Gleichung des US Army Corps of Engineers (1984): "Shore Protection Manual I" findet man eine Formel zur Bestimmung der (mittleren) Korngrößen d50 in [m], die mit einer bestimmten Wasserteilchen-Geschwindigkeit am Flachwassergrund mobilisiert werden können. Die hierbei verwendeten Parameter sind:

  • d50 = mittlere Korngröße in [m]
  • umax = welleninduzierte grundnahe Teilchengeschwindigkeit der Wasserpartikel in [m/s]
  • ρs (ros) = spezifisches Gewicht der Partikel am Flachwasserboden (mit 1,0+ g/cm3 für gerade untergegangenes Holz und bis 2,2 g/cm3 für Steine oder Material von abgeräumtem Kliff)
  • ρw (row) = spezifisches Gewicht des Wassers (= 1,0 g/cm3)
  • g = Erdbeschleunigung = 9,81 [m/s2]

Im Nenner tendiert der Wert des Bruchs der Rohdichten von [ρs (Partikel) / ρw (Wasser)] bei ähnlichem spezifischem Gewicht zum Wert "1", sodass der Wert des Nenners gegen Null geht und sich sehr hohe d50-Werte ergeben. Es ist auch klar, dass Partikel mit einem spezifischen Gewicht ähnlich Wasser – schon wegen des Auftriebs – sehr leicht mobilisierbar sind.

Aus der ersten, obigen Gleichung erkennt man auch, dass die grundnahe Wasserteilchen-Geschwindigkeit proportional mit der Wellenhöhe ansteigt. Die Größe der vom Grund mobilisierbaren Partikel steigt aber mit dem Quadrat der Wasserteilchen-Geschwindigkeit und damit auch mit dem Quadrat der Wellenhöhe.

60-cm-Wellen mobilisieren im Vergleich zu 20-cm-Wellen rund 9mal größere Partikel, 1-m-Wellen 25mal größere Partikel seewärts.

Illustrierendes Wellen-Beispiel bei Friedrichshafen

Starkwindwellen Friedrichshafen (25.4.2019)
Foto: Andreas Ambrosius (→ Artkel im Südkurier)
Schwan locker gg Sturmwellen (25.4.19) Video von
Andreas Ambrosius (→ Video im Südkurier: 0:40)

Wie in der Abbildung der drei Wellen deutlich zu erkennen ist, beginnt die rechte Welle das Verhältnis von Wassertiefe (ca. 2 m) zu Wellenlänge (ca. 8 m) mit dem Grenzwert von d/L < ½ deutlich zu unterschreiten, sodass die Welle zu brechen beginnt. Klar ist zu erkennen, dass die Wasserpartikel am Wellenkamm gegenüber dem rückfließenden Wasser im Wellental überhöht werden: die Welle beginnt zu brechen.

Bei der mittleren Welle erkennt man, dass sich das rückfließende Wasser des Wellentals unter den heraneilenden Wellenberg schiebt und damit der Wellenkamm auf der ganzen Breite nach vorne stürzt.

Die linke Welle ergießt ihre verbleibende Bewegungsenergie der Wassermasse des Wellenbergs Richtung Ufer.


Dass das Wasser zwischen den Wellenbergen seewärts strömt, ersieht man im Video des locker gegen die Wellen schwimmenden Schwans (im nebenstehenden Video ab 40 sec.), der sich zwischen den Wellenkämmen wegen der ablandigen Grundströmung im Wellental nur wenig anstrengen muss; nur bei den Wellenkämmen muss er "durchtauchen".

(Anm.: Der gleiche Effekt ist bei Surfern am Meer zu beobachten, die zwischen den Wellenkämmen nur wenig paddeln müssen, um aufs offene Meer zu kommen; schwierig sind immer nur die Wellenberge.)

Kliff-Bildungen – bestens erhaltene Pfahlbauten?

überdeckt Kliff-Material viele Pfahlbau-Stationen?
4-m-Kliff des Rosenwinds in Latzl-Bucht, Nußdorf Seegrund bis auf 7-cm-Steine seewärts abgeräumt
2-m-Kliff beim Seitlhof-Strand in Latzlhof-Bucht
2 - 5 m hohes Kliff-Ufer in Nußdorf a.A.12.000 m²

Kliffe sind Steilhänge eines Festgesteins oder eines scherfesten Lockergesteins (z.B. Bach-Schüttkegel) an einem Abbruchufer eines Sees oder an einer Abbruchküste eines Meeres.

Typische Reliefformen der Erosion sind Kliffs, also Steilböschungen im Uferbereich, die sich durch Welleneinwirkung in ein standfestes Substrat (z. B. Bach-Schüttungen) gegraben haben.

Ursprünglich waren kleine Kliffkanten mit Höhen von wenigen Dezimetern bis etwa 2 Meter an Seen weit verbreitet, wurden aber durch Vorschüttungen und Ufermauern abgedeckt oder im Zuge von Erosionssicherungsmaßnahmen (‚Seehang-Sanierung‘) durch Geröll- und Steinschüttungen gesichert.

Wesentliche Prozesse sind

  • die Brandung, die zu einer Brandungshohlkehle führt,
  • Scherkräfte innerhalb des Lockergesteins, die zu einem Abrutschen von Hangmassen führen, und
  • Wellen, die zu einem Abtransport des abgerutschen Lockergesteins Richtung See führen.

Am Attersee finden sich solche Kliff-Ufer, die vor allem dem sommerlichen nord-östlichen Rosenwind mit recht kontinuierlicher Windstärke von etwa 4 Bft (ca. 30 kmh) und einer Wind-Anlauflänge von rund 10 km ausgesetzt sind.

Seltene, aber besonders extreme Wellen bis zu 2 m produzieren Südstürme bis Orkanstärke (11 Bft).

Die z.B. in Nußdorf am Attersee vorzufindenden Ufer-Kliffe haben Höhen zwischen 2–5 m über dem Wasserspiegel.

Das Material, das ursprünglich von der historischen Kegelschüttung des Nässltalbachs stammt, wurde durch die Brandungswellen abgeräumt und seewärts abtransportiert.

Ähnliche Kliff-Verhältnisse gibt es bei den Pfahlbaustationen bei Abtsdorf und deutlicher bei Aufham.

14C-Datum VRI-300 1971: Latzlbucht Nußdorf a.A.

Der Doyen der österreichischen Pfahlbauforschung Johann Offenberger vermutete bereits im dritten Jahr (1971) seiner Unterwasser-Forschungen eine Station in der sogenannten „Latzl“-Bucht in Nußdorf.

Diese Stelle wäre für eine Pfahlbaustation recht günstig gelegen und hätte über eine Fläche von 1,2 ha verfügt (vgl. die nebenstehende Abbildung).

Obwohl Offenberger nicht selbst über Pfahlbau-Fehlsuchen in den offiziellen „Fundberichten aus Österreich“ berichtet, gibt es doch einen indirekten Nachweis dafür, dass er dort eine Pfahlbaustation annahm: vgl. hierzu die beigefügte Radiokarbondatierung eines Pfahles durch das Vienna Radium Institute (VRI) mit der niedrigen Nummer 300. (VRI-Kommentar: "Das Datum widerspricht der Annahme eines neolithischen Pfahlbaus.") Diese VRI-Zeitbestimmung war erst die zweite vom Attersee – nach jener der Pfahlbaustation Misling.

Unter Berücksichtigung der Menge des durch Brandungswellen abgeräumten und seewärts transportierten Materials konnte Offenberger ehemals in der Latzl-Bucht keinen möglichen Pfahlbau entdecken, da ein solcher rezent unter einer meterdicken Geröllschicht gelegen wäre.

Es wäre heute am Attersee und auch an anderen Seen mit vergleichbaren Ufer-Kliffen einfach möglich, durch Sondierungs-Bohrungen festzustellen, ob unter solchen Geröllschichten Spuren von Kulturschichten zu finden sind.

Das wäre umso interessanter, da durch solche Überdeckungen bestens erhaltene bisher unentdeckte Stationen gefunden werden könnten.

Anm.: Heutige Sicherungsmaßnahmen für erosionsgefährdete Stationen werden mittels Steinschüttungen in äquivalenter Weise bewerkstelligt (vgl. gleich den folgenden Abschnitt).

Gefährdung von Pfahlbauten durch Wellen und Niedrigwasserstände

Gefährdung von Stationen durch Wellenerosion

schraffiert: Juragewässerkorrektion, schwarz: "harte" Uferbefestigungen

Im Folgenden werden relevante Veröffentlichungen zur Gefährdung von Pfahlbaustationen durch Erosionsvorgänge gebracht.

Ramseyer, D. et al. (Eds.): → Archéologie et erosion Bd 1; 1996. 118 S.

  • Iseli, Christoph: Erhaltung und Wiederherstellung des natürlichen Ufers des Bielersees: Was ist zu tun? [Anm.: Durch die Juragewässer-Korrektionen wurde der Seespiegel des Bielersees abgesenkt, sodass dadurch die Pfahlbaustationen nunmehr in seichterem Wasser liegen. (siehe nebenstehende Abbildung)]
  • Courboud, Pierre: Natürliche Erosion und das Verschwinden von prähistorischen Unterwasserstätten am Genfersee

Archéologie et Érosion 2: → Gefährdete Feuchtgebiete. 2006; 133 Seiten.

  • Hafner, Albert: Schutzmaßnahmen zur Erhaltung der archäologischen Stätten am Bielersee
  • Brem, Hansjörg: Diktiert die Wirtschaft die Zerstörung oder die Erhaltung von Seenstationen? Die "in situ"-Erhaltung im Kanton Thurgau
  • Eberschweiler, Beat: Zerstörung der Pfahlbauten in den Zürcher Seen: Verschiedene Ursachen, angemessene Antworten
  • Köninger, Joachim et Schlichtherle, Helmut: Erosionsschutzmaßnahmen an Seeuferstationen im deutschen Teil des Bodenseeufers. Aktueller Stand der Erfahrungen und neue Projekte
Ufererosion im Flachwasserbereich. D = L/2 →
Niveau der Wellenwirkung, mit L = Wellenlänge

Archéologie et Erosion 3 → Monitoring und Maßnahmen. 2015, 210 Seiten.

  • Pohl, Henrik: Erste Ergebnisse und Massnahmen zum Schutz der prähistorischen Seeufersiedlungen in Österreich. S. 71–78.
  • Marianne Ramstein und Jürgen Fischer: Erosionsschutz in Sutz-Lattrigen (Bern). Forschungsstand, Erfahrungen und Perspektiven. S. 93–100.

Entsprechend dem Wellen-ATLAS der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Quelle: https://swisslakes.net/) können die daraus gewonnenen und nachfolgend angegebenen Werte der Wellenhöhen - wobei Hmax mit 2 . Hsig anzusetzen ist - verwendet werden. Bei einer Wassertiefe von D = L/2 beginnt die Wirkung auf den Seegrund. Daraus erkennt man, dass ob der großen Wellenlängen vor allem an den großen Seen mit langem Fetch viele Unterwasserstationen gefährdet sind. Das gilt insbesondere für den abgesenkten Bielersee.

Gefährdung von Stationen durch Niedrigwasserstände

LU-BW 2011: "Die Flächen der Stationen in Baden-Württemberg liegen heute größtenteils unter Wasser. Während Niedrigwasserzeiten kann jedoch der Wasserstand bis zu Ober- bzw. Untergrenzen dieser Flächen fallen. Erreicht oder unterschreitet der Wasserstand die Obergrenze, führt dies zu sehr geringer Wasserüberdeckung meist verbunden mit starkem Wellengang und damit zu Schädigung bzw. Zerstörung der Siedlungsareale. Erreicht der Niedrigwasserstand die Untergrenzen der Flächen, fallen die Siedlungsareale (Pfahlfelder und Kulturschichten) trocken und können durch Frost und Lufteinwirkung zerstört werden."

Freifallen von Siedlungsarealen aus dem Neolithikum
bei Niedrigwasser am Bodensee/Ober- und Untersee
Höhe der Siedlungsareale
in [m+NN]
Schichten-
Obergrenze
Schichten-
Untergrenze
Unteruhldingen/Stollenwiese 394,50 393,25
Obermaurach/Ziegelhütte 394,25 393,40
Sipplingen/Osthafen 394,30 393,20
Bodmann-Schachen I 394,00 < 393,00
Litzlstetten/Krähenhorn 395,00 393,80
Mammern-Langhorn 393 391
Steckborn „Turgi“ 394 393
Steckborn „Schanz“ 394 391
Ermatingen „Westerfeld/Büge“ 393 390
Arbon Bleiche 3 (nun an Land) 396,00 < 393,90

Quellen: LU-BW: → Bodensee-Wasserstände, 2011, S. 114; Wininger/Hasenfratz : → Ufersiedlungen am Bodensee, 1985; Leuzinger, Urs: → Arbon Bleiche 3 - Befunde. Dissertation 2000, S. 12.

Die Stationen: Kreuzlingen „Seeburg“, Bottighofen „Schlössli-Neuwies“, Landschlacht- Seedorf, Altnau „Ruderborn“, Güttingen, Kesswil „Seedorf“ und Uttwil „Unterbäche“ konnten (obwohl für sie konkrete frühere Pfahlbaufunde vorliegen) von Wininger/Hasenfratz – wohl wegen Erosion – trotz systematischer Bohrungen und Betauchungen nicht mehr aufgefunden werden.

Simulierte Windstärken und -richtungen an Pfahlbauseen

Verwendeter Farb-Code für die Windgeschwindigkeiten

Der Farbcode der von → „Meteoblue - Weather for you“ simulierten Windgeschwindigkeiten der nachfolgenden Diagramme ist der nebenstehenden Legende zu entnehmen.

(Anm.: Klarerweise können heute die ehemaligen Windgeschwindigkeiten und -richtungen zur Zeit der Pfahlbauern nicht rekonstruiert werden. Durch die Wirkung des Golfstroms könnten aber die meteorologischen Verhältnisse in etwa zutreffen. Aussagen der Paläobotaniker über ein vergleichsweise ähnliches Klima (z.B. Lüdi) sind hier hilfreich.)

Windstärken je Monat und See

Die Diagramme der einzelnen Seen zeigen die Anzahl der Tage im Monat, an denen der Wind eine gewisse Geschwindigkeit erreicht. Die höheren Windgeschwindigkeiten (gelb: über 50 kmh; orange: über 61 kmh) treten vor allem in den Wintermonaten Dezember-März auf.

Mit dem Link "→ Daten" gelangt man zum jeweiligen See; durch Hinunter-Scrollen kommt man zu den Grafiken Windgeschwindigkeit (und Windrose), wo detailliertere Daten angegeben sind.

Zugehörige Windrosen samt Windgeschwindigkeiten je See

Die Windrosen für die einzelnen Seen zeigen durch den Abstand vom Zentrum mittels den Kreisen gleicher Zeitdauern, an wie vielen Stunden im Jahr der Wind aus welcher Richtung geweht hat.

Der Farbcode der Windgeschwindigkeiten in den einzelnen Windrichtungen der einzelnen Diagrammen ist der oben angegebenen Legende zu entnehmen.

Häufigkeit von Winterstürmen je Monat

Entsprechend dem → Wintersturmkalender bedeuten Windböen-Maxima von über 130–180 km/h auf dem Feldberg im Südschwarzwald regelmäßig auch stürmische Verhältnisse in der Schweiz und in Oberösterreich.

Solche Sturmtage gab es in den einzelnen Monaten der 67 Jahre zwischen 1955–2022: Oktober 49 Sturmtage; November 82 Sturmtage; Dezember 137 Sturmtage; Jänner 162 Sturmtage; Feber 127 Sturmtage; März 72 Sturmtage.

Im Schnitt ergeben sich damit für die einzelnen Monate: 0,7 Sturmtage je Oktober; 1 ¼ Sturmtage je November; 2 Sturmtage je Dezember; 2,4 Sturmtage je Jänner; 1,9 Sturmtage je Feber und 1,1 Sturmtage je März.

Allein am Bodensee gab es im Zeitraum 2000–2020 jeweils im Winterhalbjahr insgesamt → 21 Föhnstürme mit Windgeschwindigkeiten von 70–120 kmh.

Winterkälte 1962/63 am Bodensee und Attersee

Der Winter 1962/63 war der 3. „Jahrhundertwinter“ nach den Jahren 1929 und 1947; mit Eisschollen auf dem Rhein und 125 Frosttagen. Es war der kälteste Winter der 2. Jahrhunderthälfte. Der Bodensee war in seiner ganzen Fläche zugefroren.==Vorausetzungen für Erhaltung von Pfahlbauresten; mögliche Experimente==



Wininger zu Voraussetzungen für langfristige Erhaltung

  • Winiger 1984, Josef: Nachtrag zum Pfahlbauproblem. In: → Helvetica Archaeologica 1984, S. 83-92.

"Es wurde zwar erkannt, dass am Phänomen der «Pfahlbauten» verschiedenartige Kulturen beteiligt sind, das «Pfahlbauproblem» wurde aber doch als Einheit behandelt. Gleichartigkeit der Bauweise ist nach allgemein ethnologischer Erfahrung am ehesten im Rahmen der Einheit einer Kultur zu erwarten. Die Einheit «Pfahlbauproblem» ist aber nicht aus einer Einheitlichkeit des Siedlungswesens abzuleiten, sondern aus einer Gleichartigkeit der Erhaltungsbedingungen: Die Erhaltung organischer Siedlungsreste ist an die Bedingungen des Überdecktwerdens und des Feuchtbleibens gebunden. Solche Bedingungen setzen langfristige massive Seespiegelschwankungen voraus."


Sturm Sabine beim "Kleinen Hafner" am 10.2.2020
Ramstein, M. & Fischer, J.:zerstörerische Westwind-Wellen laufen auf Fundstelle Sutz-Lattrigen, Rütte auf

Zitat: "In der Pfahlbauvorstellung ist eine Erklärung der guten Erhaltung organischen Materials mitenthalten in der Annahme, die Abfälle und Ruinen der Dörfer seien direkt ins Wasser gefallen und im Seegrund allmählich einsedimentiert worden, was ihre Konservierung über Jahrtausende ermöglichte. Daran ist sicher richtig, dass die Einlagerung der Siedlungsreste in ständig feucht bleibendem Seegrund ihre Zersetzung verhinderte. Unzutreffend scheint mir hingegen die Vorstellung, dass ins Wasser fallende organische Materialien dort kompakte torfige Schichten mit Aschen- und Mistlagen usw. bilden könnten, wie sie tatsächlich vorgefunden werden. Damit würde die Rolle der Wellenerosion unterschätzt, die bei regelmässig auftretenden Stürmen die Oberflächen der Strandplatten aufwühlt und die Bildung kompakt-organischer Schichten verhindert. Deshalb müssen für die Erhaltung von Kulturschichten und Objekten aus organischem Material an Seeufern mindestens drei Bedingungen erfüllt sein:

1. Siedlungsabfälle und -ruinen müssen dauernd feucht geblieben sein, damit sie nicht zersetzt werden konnten.
2. Sie müssen zudem überdeckt worden sein, damit sie durch die ständigen Wellenbewegungen nicht aufgewirbelt und fortgespült wurden.
3. Sie dürfen auch in späterer Zeit nie in eine Höhenlage geraten sein, in welcher längerdauernde Erosion zu ihrer Abtragung führen konnte.

Die Pfahlbautheorie erklärt nun nicht, wie es zu einer Überdeckung von Kulturschichten kommen konnte, welche zwar häufige und deutliche Erosionsspuren aufweisen, ebenso häufig aber auch kompakte organische Lagen enthalten, die unter Wasser kaum entstanden sein können. Es wären bestenfalls Mischungen von organischen mit limnischen Sedimenten zu erwarten, die ebenfalls auftreten können und dann als Folge von Erosion und Umlagerung zu deuten sind."

Die Autoren entwerfen folgendes Bild: "Ginge man von der Annahme begehbaren Siedlungsgrundes aus - also von Dörfern, die nicht im Wasser standen-, so erklärten sich jene Eigenschaften der Kulturschichten, die auf Bildung am Trockenen hinwiesen. Dann aber mussten die Seen zur der Zeit, als diese Dörfer standen, viel kleiner gewesen sein als heute und sich später wieder ausgedehnt haben, so dass die unterdessen gebildeten Siedlungsruinen wieder überschwemmt wurden. Bei dauerhaften Seehochständen konnten die Ruinenschichten dann durch Seekreide überdeckt und in diese eingelagert werden. Damit erklären sich sowohl die Merkmale der Bildung am Trockenen, als auch die allgegenwärtigen Erosionserscheinungen und auch eventuelle Umlagerungsschichten. Ging der See wieder stark zurück, so konnte ein neuer Zyklus Siedlung-Überschwemmung-Einlagerung beginnen."

Zusammenfassend schreiben sie: "ist festzuhalten, dass es massive und längerdauernde Seespiegelschwankungen … gegeben haben muss." (Ohne einen Nachweis fügen sie (leider) erläuternd hinzu: "… als Folge übergreifender klimatischer Faktoren …".)

Einfach mögliche Grundlagenforschung zum Pfahlbauproblem

Auch heute noch gibt es "richtige Pfahlbauten", insbesondere in Südostasien, auf den Nikobaren, in Westafrika, auf der chilenischen Insel Chiloé und in Neuguinea. In Südamerika werden im Wasser stehende Pfahlbauten allgemein als Palafitos bezeichnet. Vgl. hierzu:

Es bietet sich an, bei im Wasser von Seen auf Piloten stehenden bewohnten Pfahlbauten zu eruieren, inwieweit deren ins Wasser gefallene Abfälle (z. B. Hölzer, Äpfel, Getreidekörner, Textilien, Netze, Tierkot usw.) Kulturschichten ergeben, die jenen der neolithischen Pfahlbauten ähneln.

Es würden sich in räumlicher Nähe anbieten: der Pfahlbau-Nachbau Kammerl am Attersee (12 Jahre in Betrieb; dann 2022 verbrannt: was ist davon – nach 100 Jahren im Flachwasser – noch zu finden?), aber auch die Station Unteruhldingen. Pfahlbauten in heimischen Seen sind auch die vielen Bootshütten – bei denen aber vergleichsweise wenig „natürlicher Abfall“ ins Wasser fällt – dieser wäre eben künstlich einzubringen.

Physikalische Daten zu Klima-Auswirkungen auf Seespiegelhöhen

Verdunstung als theoretische Ursache von Seespiegelabsenkungen?

Globalstrahlungsdaten: Schweiz 1.000–1.500 kWh/m² pro Jahr; Österreich 1.100–1.400 kWh/m² pro Jahr: Konstanz 1194 kWh/m² pro Jahr
Hier wird eine Globalstrahlung von 1.200 kWh pro m² und Jahr auf die Flächen der einzelnen Seen zu Grunde gelegt, die für eine Verdunstung zur Verfügung steht: 1.200 x 1000 (kilo) x 1 W x 3.600 s (Stunde) = 4,32 GJ/m².Jahr

Abschätzung der erforderlichen Verdunstungswärme von Wasser:

  1. Erwärmung des Wassers von 20 ˚C auf 100 ˚C mit 4,1868 kJ/kg.K … 335 kJ/kg (100 ˚C)
  2. Verdunstungsenthalpie (Lit.-wert) von Wasser mit theoret. 100 ˚C … 2258 kJ/kg Dampf
  3. insgesamt erforderlich Gesamtwärme je kg Wasserdampf 2593 kJ … 2593 MJ/m³ H2O
Ermittelte Daten für die einzelnen Seen
See-Fläche
in km²
Einstrahlung
in 1015 Joule/a
Verdunstung
in Mio. m³/a
MQ-Abfluss
in Mio. m³/a
Verdunstung/
Abfluss in %
Dauer für 5-m-Anstieg
falls Abfluss verlegt
Bodensee 536,0 2.316 893 7.915 11,3 124 Tage
Zürichsee 90,1 389 150 3.185 4,7 52 Tage
Attersee 46,2 200 77 539 14,3 155 Tage
Mondsee 13,8 60 23 288 8,0 87 Tage
Attersee theoret.
ohne Mondsee
46,2 200 77 251 30,7 (242 Tage)

Anm.: Für den Bielersee sind nach den Jura-Gewässerkorrektionen heutige Werte nicht mehr verwendbar.

Falls beim Verlassen eines Pfahlbausees der Seeabfluss bewusst - aus welchem Grund auch immer - durch Verlegung des Abflusses unterbunden wird, dauert ein Aufstau um z.B. 5 Meter am Zürichsee durchschnittlich 52 Tage, am Bodensee 125 Tage, am Mondsee 87 Tage und am Attersee 155 Tage.

Paradoxe Ergebnisse der Verdunstungs-Theorien

Falls man Verdunstungstheorien näher tritt, dass die Seen wegen hoher Verdunstung abflusslos geworden wären und dadurch die Flächen der Siedlungen trocken fielen, fallen einem die sehr unterschiedlichen Verhältnisse zwischen Verdunstung und durch diese zu ersetzende Abflüsse auf. Für Verdunstung als Ursache der Seespiegelabsenkungen hätte die Sonneneinstrahlung um das unvorstellbare sieben- bis zwanzigfache höher sein müssen, was als völlig illusorisch auszuschließen ist.

Weiters sind bei den einzelnen Seen sehr unterschiedliche Verdunstungs-/Abfluss-Verhältnisse festzustellen. Falls die Verdunstungstheorien zuträfen, wären die Seespiegelabsenkungen zwischen den einzelnen Seen völlig unterschiedlich ausgefallen und es gäbe keine ähnliche Tiefenlage der Pfahlbausiedlungen, wie sie heute vorgefunden werden.

Besonders paradox wären die Gegebenheiten im Salzkammergut gewesen: Unter der (illusorischen) Annahme, dass der Mondsee wegen Verdunstung abflusslos geworden wäre, ergäbe sich für den Attersee die Situation, dass bei ihm das Verdunstungs-/Abfluss-Verhältnis im Vergleich zum Mondsee um das Vierfache stärker gewirkt hätte, da ihm ja der Zufluss vom Mondsee abhanden gekommen wäre. Damit wäre die Absenkung beim Attersee viel tiefer gewesen – was aber nicht der Fall ist.

Frühe Ablehnung der Verdunstungstheorien

Fritz Cramer weist bereits 1936 mit seinen "Klimaschwankungen am Zürichsee?" darauf hin, dass der Zürichsee bei gleichem Zufluss aufgrund von Verdunstung nicht abflusslos werden konnte und kommt zum Schluss (S. 130), dass hierfür die Oberfläche des Zürichsees um das 63fache größer sein müsste. [Anm.: Mit heutigem Wissen zur Globalstrahlung, wäre die 21-fache Fläche ausreichend gewesen.]

Suter mit Jacomet wollen 1987 (S. 19) beim Kleinen Hafner nicht erneut auf die Genese der einzelnen Schichten eingehen, sagen aber klar, dass „... ihre Abfolge ein Nacheinander von Phasen der Besiedlung des Kleinen Hafners und Phasen von (längeren) Siedlungsunterbrüchen (Siedlungslücken) widerspiegelt, während denen die Insel zeitweise vollständig oder teilweise überschwemmt war oder zumindest nicht als geeigneter Siedlungsstandort betrachtet worden ist.“, und ihre Bauten stehen auf trockenem Grund.

Geringer-Niederschlag-Theorien

Betrachtet man die Verdunstungs-/Abfluss-Verhältnisse, bewirkt auch geringer Niederschlag kein Trockenfallen von Strandflächen für Pfahlbausiedlungen; unter Umständen sinkt der Seespiegel entsprechend der geringeren Tiefe der Abflüsse nur um wenig. Ein geringerer Niederschlag vermag die Abfluss-Höhe nicht um mehrere Meter zu beeinflussen.

Auch Schindler bemerkt 1971 (S. 304) endlich selbst, dass er sich auf schwankendem Boden befindet, und versucht sich zu retten, wenn er schreibt: „ … der tiefstmögliche Seespiegel konnte nicht unter die Kote 403,5 m sinken, falls nicht der See für längere Zeit abflusslos wurde. Auf Grund paläobotanischer Untersuchungen schloss W. Lüdi (1951) diese Möglichkeit aber aus, denn ein derart arides Klima widerspricht der damals herrschenden Vegetation."

Klima und Seespiegelschwankungen

Weyregger Pfähle und Tag/Nacht-Bereich der Pfähle

Schmidt 1982, Roland: Pollen und Großreste aus der neolithischen Station Weyregg I am Attersee, OÖ. Fundberichte aus Österreich 21, 1982:157–169.
* Zwei von rd. 20 cm Seekreide getrennte Kulturschichten; Pfähle aus der unteren Kulturschichte enden an der Oberkante der Seekreideschicht.
* Baum- und NB-Pollen; Acker und Hackfruchtunkräuter; von Menschen verwendete Pflanzen

Gleichzeitigkeit der Besiedlung von Schweizer Seen/-gebieten

Dendrodaten zu Baudaten an verschiedenen Seen Grau=Dendrodaten Weiß=keine Daten. Pfeile=14C
  • Suter 1986, Peter und Schifferdecker, Francois: → Das Neolithikum im schweizerischen Mittelland. In: Chronologie – Archäologische Daten der Schweiz. Antiqua 15 der Schweizer. Ges. f. Ur- und Frühgeschichte. Basel 1986, S. 34–43. (Egolzwil, Kl. Hafner, Cortaillod usw. alle Epochen)

Die Grafik von Peter Suter, der sich eingehend mit den Stratigraphien am Kleinen Hafner aber auch erstmals mit der Gleichzeitigkeit der Besiedlung an einem gesamten See - dem Bielersee - tiefschürfend auseinandergesetzt hat, zeigt die neolithischen Siedlungen des schweizerischen Mittellandes.

  • grau: Bereich der dendrochronologisch nachgewiesenen Baudaten an den größeren Mittellandseen.
  • weiß: keine Schlagdaten nachgewiesen.
  • Pfeile: Ungefähre Datierung 14C-datierter Siedlungskomplexe (nur wenn Dendrodaten fehlen).

Wie der Grafik zu entnehmen ist, korrelieren die Besiedlungszeiten an den einzelnen Seen/-gebieten wenig oder gar nicht miteinander.

Eine Untersuchung der Gleichzeitigkeit aller Stationen des gesamten Bodensees - im Vergleich zur Arbeit von Peter Suter - wurde überraschenderweise bisher nicht in Angriff genommen, könnte aber erhellende Ergebnisse bringen.

Es steht wohl außer Zweifel, dass die Stationen des Bodensees bei tiefen Pegelständen besiedelt wurden: ansonsten wären deren Kulturschichten ja nicht unter Wasser gekommen und dadurch konserviert worden. Solche tiefen Pegelstände traten aber an allen Stationen des Bodensees zur gleichen Zeit auf.

Gleichzeitigkeit an Seen 2.png

Unter der Annahme, daß prähistorische Seeufersiedlungen bei tiefen Seespiegeln bewohnt waren, während ein hoher Pegelstand die Besiedlung unterbrach, gibt die Grafik eine Korrelation dendrochronologisch fixierter Stationen dreier Mittellandseen/-regionen zwischen dem Jungneolithikum und der Spätbronzezeit wieder.

Klima als Ursache von Seespiegelschwankungen? (ToDo)

Magny 1981, Michel; Olive, G.: Origine climatique des variations du niveau du lac Leman au cours de l'Holocene. La crise de 1700 ä 700 ans BC. In: Arch. suisses d'anthropol. gen. Geneve 45, 2, 159-170.

Zahlen auf Ordinate: Seenanzahl, mit allen
transgressiven/regressiven Schwankungen

Magny 1992, Michel: → Holocene lake-level fluctuations in Jura and the northern subalpine ranges, France: regional pattern and climatic implications. Boreas, 21 (1992), pp. 319-334. (vgl. nebenstehende Abbildung der S. 327: gleichzeitig Anstiege und Absenkungen der Seespiegel an mehreren Seen → es gibt also keinen Zusammenhang!)
[Zusammenfassung: Die holozänen Schwankungen des Seespiegels in jurassischen und französischen subalpinen Seen werden anhand sedimentologischer Analysen rekonstruiert, und es wird ein regionales Muster paläohydrologischer Veränderungen aufgezeigt. Die wichtigsten transgressiven Phasen erreichten ihren Höhepunkt um 8500 BP, 6500 BP, 4800 BP, 3500-2300 BP und 450 BP. (1) Die für eine große Zahl von Seen nachgewiesene Synchronität der holozänen Seespiegeländerungen, (2) die engen Korrelationen zwischen bestimmten Seen und (3) die Übereinstimmung zwischen dem Anstieg der Seespiegel im Jura und in den französischen Voralpen und dem Gletschervorstoß in den Schweizer und österreichischen Alpen sprechen für eine klimatische Steuerung dieser holozänen Seespiegelschwankungen.]

Magny 2004, M.: → Holocene Climate Variability as Reflected by mid-European Lake-Level Fluctuations and its Probable Impact on Prehistoric Human Settlements. Quaternary International 113 (1) 2004: pp. 65–79. doi:10.1016/S1040-6182(03)00080-6
Artikel hält nicht, was der Titel verspricht! Zitiert sich laufend selbst, wird aber 670 x zitiert!
[Zusammenfassung: Ein Datensatz von 180 Radiokohlenstoff-, Jahrring- und archäologischen Daten, die aus Sedimentsequenzen von 26 Seen im Jura, in den nordfranzösischen Voralpen und im Schweizer Mittelland gewonnen wurden, wurde verwendet, um einen holozänen mitteleuropäischen Seespiegel zu konstruieren. Die Daten weisen nicht auf eine zufällige Verteilung über das Holozän hin, sondern bilden Cluster, die auf einen Wechsel von niedrigeren und höheren, klimatisch bedingten Seespiegelphasen hindeuten. Sie belegen ein eher instabiles holozänes Klima, das von 15 Phasen mit höheren Seespiegeln geprägt war: 11 250-11 050, 10 300-10 000, 9550-9150, 8300-8050, 7550-7250, 6350-5900, 5650-5200, 4850-4800, 4150-3950, 3500-3100, 2750-2350, 1800-1700, 1300-1100, 750-650 cal. BP und nach 1394 AD. Ein Vergleich dieser mitteleuropäischen Seespiegel-Daten mit dem GISP2-Polar Circulation Index (PCI), den nordatlantischen Eisdriftzyklen (IRD) und der 14C-Aufzeichnung deutet auf Telekonnektionen in einem komplexen Kryosphären-Ozean-Atmosphären-System hin. Die Korrelationen zwischen dem GISP2-PCI, dem mitteleuropäischen Seespiegel, den nordatlantischen IRD-Ereignissen und den restlichen 14C-Aufzeichnungen deuten darauf hin, dass Veränderungen der Sonnenaktivität eine wichtige Rolle bei den holozänen Klimaschwankungen über dem Nordatlantik gespielt haben.]

Bleicher 2008, Niels: → Einige kritische Gedanken zur Erforschung des Zusammenhangs von Klima und Kultur in der Vorgeschichte. In: Strategien zum Überleben. Tagung Römisch-Germanisches Zentralmuseum Band 11, 2008. GEGEN MAGNY

[Trotz dieser Anhaltspunkte dafür, dass jener Ansatz problematisch ist, argumentierten auch andere Autoren in dieselbe Richtung – so z.B. Magny (2004), der sowohl die Seespiegel im Alpenvorland als auch die vorgeschichtliche Wirtschaft an die Sonnenaktivität gekoppelt sah:
»Phasen höheren Seespiegels fielen mit einer Zunahme des Jahresniederschlags, einer Abnahme der Sommertemperatur und einer Verkürzung der Vegetationsperiode zusammen. [...] Es ist bemerkenswert, dass die kulturellen Veränderungen im Neolithikum und in der Bronzezeit meist in Phasen höherer Seespiegel, d. h. kühlerer und feuchterer klimatischer Bedingungen, stattfanden, was wahrscheinlich zu einer Destabilisierung des früheren sozioökonomischen Gleichgewichts führte.« (ebenda 75f.).
Demgegenüber ist anzumerken, dass die von Magny rekonstruierten Seespiegelphasen bei genauerer Betrachtung nicht so überzeugend sind, wie ein Vergleich zwischen der von ihm erstellten »Score-Kurve« mit der 14C-Residualkurve vermuten lässt. Die von ihm mehrfach publizierte Score-Kurve (z.B. Magny 2004) basiert zum überwiegenden Teil auf der Summation der Wahrscheinlichkeiten von Radiokarbondaten; daher ist eine Ähnlichkeit mit der Kalibrationskurve schon fast zwingend – sie ermöglicht aber keine Rückschlüsse auf generelle regionale Seespiegelstände. Daher kann auch nicht argumentiert werden, dass sämtliche Phasen des kulturellen Wandels in Zeiten hoher Seespiegel stattgefunden hätten.]

Magny 2006, Michel; Urs Leuzinger; Sigmar Bortenschlager, Sigmar; Haas, Jean Nicolas: → Tripartite climate reversal in Central Europe 5600-5300 years ago. Quarternary Research 65, 3-19. (Klima als Grund für Seespiegelschwankungen)

Harrison 1996, Sandy; Yu, Ge; Tarasov, P.: → Late Quaternary Lake-Level Record from Northern Eurasia. Quaternary Research 45, 1996; p. 138–159. Bringen trotz Ankündigung im Artikel aber nichts zu Seespiegelschwankungen. Link zu → Abstract Harrison

Link zu vier → Swierczynski-Literaturen zum Mondsee (Diss. 2012, 2013) plus 5. Arbeit im Appendix: → Distinguishing floods, debris flows and hydrological changes in a 100-year varved sediment record from Lake Mondsee (Upper Austria); Hochwässer wd. des Neolithikums; Seespiegelschwankungen usw.

Schmidt 2023, Roland (AdW); Brauer, Achim (GFZ Potsdam); Lauterbach, Stefan: → Klimawandel in einer 130.000-jährigen Zeitreise durch das Mondseeland (Salzkammergut) – (Vegetations-, Gletscher-, Seen- und Siedlungsgeschichte). Buch; Mondseer Dokumentationen 2023. 68 Seiten.

Arbogast 2006, Rose-Marie; Stefanie Jacomet, Michel Magny, Jörg Schibler: → The significance of climate fluctuations for lake level changes and shifts in subsistence economy during the late Neolithic (4300-2400 cal B.C.) in Central Europe. Vegetation History and Archaeobotany, 15 (2006): 403–18.

Illusion längerdauernder Seespiegelabsenkung wegen zu geringem Zufluss (ToDo)

Quelle: Regulierung Zürichsee, Bundesamt für Umwelt BAFU, → Faktenblätter Seeregulierung (Juni 2020); www.bafu.admin.ch > Themen > Naturgefahren > Dossiers > Seeregulierung

Zürichsee: Volumen 3,9 km³; Jahresabfluss Limmat 3,03 Mrd. m³; (mittlerer Abfluss 96 m³/s (1938–2012); Seespiegelhöhe: 405,90 (min) – 406,80 (Hochwasser) – 407,01 (max) m ü. M.; 90 km² Seefläche; (theoretische Aufenthaltszeit des Wassers im See beträgt nur 283 Tage)

Reguliert werden die Seestände im Zürichsee nicht direkt beim Seeausfluss, sondern knapp zwei Kilometer limmatabwärts durch das Regulierwehr Platzspitz (knapp vor Sihl-Einmündung)

Bielersee: 244 m³/s (theoretische Aufenthaltszeit des Wassers im See beträgt nur 54 Tage)

Attersee: 3,94 km³; theoretische Wasserverweildauer: ~ 7,14 Jahre; Mittlerer Abfluss: 17,5 m³/s

Furger zu Seespiegelschwankungen und Siedlungsphasen am Bielersee

Seespiegelschwankungen am Bielersee bei Twann im 4. Jt.

Furger, Alex R. (Univ. Basel, Text) u. Hartmann, Fanny (Illustrationen): → Vor 5000 Jahren … So lebten unsere Vorfahren in der Jungsteinzeit in Twann (38 MB). Verlag Paul Haupt, Bern 1983. 172 Seiten.

Der Archäologe Furgler beschreibt in seinem ausgezeichnet geschriebenen und illustrierten und für jedermann gut lesbaren Buch auf S. 53/54 – samt eindrücklichen grafischen Darstellungen der hydrologischen Gegebenheiten von Aare, den drei Seen und der Zihl – als mögliche Ursachen für die Seespiegelschwankungen und Siedlungsphasen am Bielersee, dass die Aare bei Verlegung der Strecke bis Büren der Schicksalsfluss für die Uferbewohner gewesen ist. Aber auch Bergrutsche vom Jensberg könnten die untere Zihl und damit den Bielersee aufgestaut haben. Zahlreiche Hoch- und Niedrigwasserperioden wechselten sich im jungsteinzeitlichen Seeland in unregelmäßigen Abständen ab.

Auf den S. 55/56 bringt Furgler jene Grafiken, die der hier beigefügten Grafik zugrunde liegt. Im Gegensatz zu dieser verzeichnet Furgler aber während der Niedrigwasserperioden auch vorübergehende Hochwässer innerhalb der Siedlungszeiträume.

Anm.: Wenngleich Furgler Gründe für den Wasseranstieg - ebenso wie Lüdi - auf natürliche Ursachen zurückführt, widmet er sich dem fünfmaligen raschen Sinken des Wasserspiegels – um jeweils rd. fünf Meter – nicht. Dass sich auf zweimal rd. 170 Jahre dauernde Wasserhochstände kurzfristig niedrigere Wasserstände einstellten, kann wohl wenig glaublich durch wiederum natürliche Ursachen hervorgerufen worden sein. Es sei hier auch darauf verwiesen, dass sich Seekreide nur bei einer länger dauernden Überdeckung ab einem halben Meter Tiefe bildet, was einer kurzzeitigen, vorübergehenden Überschwemmungssituaton widerspricht. Grundsätzlich ist – im Laufe der 860 Jahre dauernden Siedlungsgeschichte Twanns – auffällig, dass sich die Vielzahl von Wasserhoch- und -niedrigständen immer zwischen denselben Koten abspielt, was bei natürlichen Ursachen wohl nicht so regelmäßig eintreten würde.

Lüdi zu Seespiegelschwankungen

Lüdi 1935, Werner: → Kap. XIII: Postglaziale Seespiegel- und Grundwasserschwankungen, Ueberschwemmungs- und Trockenhorizonte im Gebiete zwischen Alpen und Jura. Veröff. Geobotan. Inst. Rübel in Zürich. Band 11, 1935. → Quelle

S. 289–290: Wauwil: „... kann man die Entwicklungsgeschichte des Wauwilermooses wie folgt zusammenfassen: Im Gebiet der Pfahlbaudörfer war offener See und es erfolgte Seekreideablagerung bis ins Neolithikum, das hier in die Buchenzeit fällt. Dann fiel der Seespiegel rasch ab; auf der Seekreide bildete sich eine dünne Torf- (oder Gyttja-?) Schicht; die Bodenoberfläche trocknete aus und wurde vom Pfahlbauer besiedelt. Nach der Zeit der neolithischen Pfahlbauten (waldgeschichtlich in der Tannenzeit), vielleicht auch bereits innerhalb der Pfahlbauzeit, hob sich der Wasserspiegel wieder, und es folgte mächtige Torfbildung.“

S. 296: Zürichsee: „In Zürich wiederholt sich die Eigentümlichkeit der Lage, die wir am Genfer-, Bieler-, Thuner-, Vierwaldstättersee gefunden haben, dass nahe dem Seeausflusse ein Gebirgsfluss, der leicht zu Hochwasser anschwillt und in diesem Zustande viel Geschiebe führt, sich mit dem aus dem See ausfliessenden Flusse vereinigt. Hier ist es die Sihl, welche die Wasser der Schwyzer Alpen der Limmat zuführt und den Seespiegel weitgehend zu beeinflussen vermag. Kleinere, vom Zürichberg herunterkommende Bäche dagegen werden kaum eine wesentliche Wirkung ausgeübt haben.“

S. 297–298: Zürich: viele Funde von Torf, Seekreide usw. deutlich unter heutiger Seespiegelhöhe (widersprechen deutlich den apodiktischen Feststellungen von Schindler).

S. 305: Bodensee: Zur Zeit der Ablagerung des untern Torfes sei die Seespiegelhöhe mindestens 3 m niedriger gewesen als heute (396 m). Gams und Nordhagen können tiefen Wasserstand des Bodensees in der Pfahlbauzeit und auch für den Untersee belegen. Anderseits ist in Bodman am Untersee die unterste neolithische Kulturschicht mit 20—35 cm Kalkschlick überdeckt. Auch bei Arbon liegt am Seeufer eine mit Sand und Lehm überführte neolithische Station. Dadurch wird ein vorübergehender neolithischer Seehochstand wahrscheinlich gemacht.
Reinerth (1922, S. 15) setzt den Seespiegel der Bronzezeit auf 3—5 Meter niedriger an als er heute ist.